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nicht abbängig von diesen Zollsätzen. Der Niedergang der Hand⸗ weberei ist ein ganz durchaus gegebener und unabwendbarer Prozeß, den wir vielleicht, aber auch nur vielleicht durch künstliche Mittel hin⸗ halten können, den abzuwenden aber außerhalb unserer Macht liegt. Meine Herren, der gefährlichste Feind der Handweberrei ist die Maschine. Je vollendeter die Leistungen der Maschinenweberei sind, um so weniger ist die Handweberei in der Lage, mit der Maschinen⸗ weberei konkurriren zu können. Ich erlaube mir zur Bestätigung meines Urtheil darüber, daß diese Zollermäßigung keinen schädlichen Einfluß auf die Lage der Handweberei äußern wird, im Gegentheil, daß sie vielleicht sogar als einge nützliche Maßregel angeseben werden kann, binzuweisen auf den Jahresbericht der Handelskammer zu Krefeld für das Jahr 1887, einer Stelle, der man ebensowenig Sachkunde als Herz für die Verbältnisse des Handelskammerbezirks wird absprechen können. In diesem Bericht, der sich anschließt an gleichartige Aeußerungen der 1 in Elberfeld und frübere Aeußerungen der Handels—⸗ ammer in Krefeld, ist Folgendes gesagt: Schon in unserer vorigen Berichterstattung äußerten wir, daß der plötzliche Aufschwung, den die Handweberei nach dem bösen Winter ron 1885/86 genommen hatte, für dieselbe kein Glück gewesen sei. Heute können wir sagen, er war höchst bedauernswerth für dieselbe, er hat den Prozeß des Uebergangs von der Handweberei zur mechanischen nur aufgebalten, ohne sie verbindern zu können, Hunderte von Hand⸗ webern, die längft zu anderen Berufszweigen Üübergegangen wären, sind nun zum zweiten Mal und schlimmer wie das erste Mal ins Elend gestürzt worden.
Aus dieser Aeußerung eines berufenen Organs ergiebt sich zunächst, daß das Argument, es müsse im Interesse der Handweberei auf der Beibebaltung des bhöberen Zellsatzes bestanden werden, nicht verwerth bar ist. Ich wuünsche von ganzem Herzen, daß der Prozeß des voll— ständigen Ueberganges von der Handweberei zur Maschinenweberei sich möglichst che nend für die Betheiligten vollzieht. Ich begrüße mit großer Freude alle diejenigen wohlthätigen und menschenfreundlichen Ünter—⸗ nehmungen, welche die Arbeitgeberkreise am Niederrhein auf das Ziel bin gerichtet haben, diesen Uebergang schonend zu vermitteln, und die Regie rung wird nicht unterlassen, diese Bestrebungen mit ihren Inter⸗ essen zu begleiten und, soweit sie dazu im Stande ist, iu fördern. Hier auf dem uns beschäftigenden Gebiete kann sie sich um so weniger entschließen, dem Wunsch des Herrn Vorredners nachzugeben, als, wie gesagt, ein solches Nachgeben verknüpft sein würde mit einem Nich tzustandekommen des Handelsbertrages, wie er Ihnen vorgelegt ist.
Ich kann aber auch diejenigen Kreise, welche noch im Zweifel darüber sein sollten, ob wirklich die Nachtheile nicht doch die Vortheile der Handelsvertragsrerabredungen übersteigen, mit einigen Worten beruhigen. Ich richte diese Beruhigung zunächst an die Seiden industrie speziell. Sie wiffen, daß gleickzeitig mit den Verhandlungen in Berlin, zwischen der Schweij und dem Deutschen Reich, Verhand— lungen in Wien zwischen der österreich-ungarischen Regierung und der Schweiz auf Abänderung des Handelevertrages, den diefe beiden Staaten miteinander geschlossen baben, gepflogen worden sind. Diefse Handels vertragsverhandlungen, deren einzelne Verabredungen auch uns vermöge der Meistbegünstigungsklausel zu Gute gekommen, sind unter Anderem auch darauf gerichtet, daß die österreichischen Seidenzölle
ebenfalls herabgesetzt worden sind, und wir profitiren von diefer Herab⸗ setzung, insbesondere unsere Seidenindustrie profitirt von dieser Herak⸗ setzung in nicht unerheblichem Maße. Sie werden mir darin Recht geben, wenn ich Ihnen sage, daß der Exportwerth derjenigen Waaren, welche ren der deutschen Seidenindustrie nach Oesterreich eingeführt worden. 9 I09 000 Gäalden keträgt; also die österreichische Herab— setzung der Seidenzölle können Sie gewissermaßen als ein Komvensations. objekt ansehen für den etwaigen Nachtheil, den unsere Seidenindustrie aus der Herabsetzung der deutschen Seidenzölle erfährt.
Sie dürfen aber dabei auch weiter nicht außer Acht lassen, daß dieser Satz, auf den wir jetzt wiederum zurückgehen wollen, und der bis zum Jahre 1885 mit den Folgen, die ich Ihnen vorhin zahlenmäßig entwickelt habe, gegolten hat, ein um des willen angemessener ist, weil er genügt, um der Industrie ihre Exvortfähigkeit zu erhalten.
Es kommt weiter hinzu, daß auch die Schweiz, wie Sie aus dem vorliegenden Vertrage seben, ebenfalls in gewissem Umfang den Seidenzoll hberabgesetzt hat. Es ist der Zoll für seidene und halbseidene Kleidungsstücke von 200 auf 156 Francs ermäßigt, und auch diese Ermäßigung kommt unserer Seidenindustrie zu gute, denn schon jetzt beträgt der Exportwerth derjenigen Waaren, welche in diesen Artikeln nach der Schweiz ausgeführt werden, 1700900 Francs.
Meine Herren, ich habe schon vorhin darauf hingewiesen, daß, wenn Sie eine Position, hier also sveziell die Pos. 36b 1, ablehnen, dann der Vertrag hinfällig ist. Welche Vortheile uns dann ent— gehen würden, das werde ich Ihnen noch mit einigen Worten nach— zuweisen rersuchen. .
ie Sache steht so: Nehmen wir jetzt den Vertrag nicht an, so wird die Schweiz den bestehenden Vertrag kündigen — das ist zulässig mit der Frist von einem Jabre. Wir würden also im Laufe des nächsten Jahres entweder in neue Unterhandlungen mit der Schweiz eintreten müßen oder wir würden einem vertragslosen Zuftand entgegen— gehen. Wählt man den ersteren Weg — und das wäre ja unzweifel⸗ haft as Vernünftigere — so würde die Schweiz ibre Forderung auf Herabsetzung des Seidenzolls von S860 auf 660 Mart wiederholen; wir würden bei den Verhandlungen ganz auf dem— selben Standpunkt stehen, auf dem wir in diefem Augenblick stehen. Man würde uns die Sache als conditio sine qua non be— zeichnen und wir wären ror die Frage gestellt: wollen wir den Ver— trag oder wollen wir den alten Seidenzoll behalten? Wählen wir den letzteren Weg, steuei wir also einem vertraglosen Zustand ent- gegen, so entgehen uns alle die Vortheile, welche aus den Ber— abredungen mit der Schweiz für die deutsche Industrie erwachsen, und ich darf auch gleich mit Beziehung auf den Handelsvertrag, welcher zwischen Oesterreich Ungarn und der Schweiß vereinbart worden ist, hinzufügen: auch für die deutsche Landwirthschaft erwachsen werden. Es ist ganz unmöglich, bei Abmessung der Vortheile und Nachtheile, die ein Vertragsverhältniß zwischen Teutschland und der Schweiz mit sich bringt, die sen österreichisch⸗ungarisch-schweizerischen Vertrag außer Acht zu lassen. In dem Vertrage hat nämlich Oesterreich der Schwei; Konzessionen gemacht, welche für uns recht werthvoll sind.
Es ist beispielkweise — und ich berühre damit die land— wirthschaftlichen Interessen — der Mehlzoll in dem schweizerischen Vertrage von 2, 55 Francs auf 2 Francs herabgesetzt und es find eine ganze Rehe Herabsetzungen auf dem Gebieté der Viehzölle zugestanden. Es zahlen in . Ochsen und Stiere, welche bisher 25 Tranes bezahlt haben, 15 Francs, Kühe und Rinder, welche bisher 20 Francs zu zahlen haben, 12 Francs, und Schweine, welche bisher 8 Francs bejabhlt haben, 5 Francs.
Wenn ich nun die Gesammtvortheile, welche die Fortsetzung unseres Vertragsverhältnisses mit der Schweiz im Gefolge hat, ziff'rmäßig Ihnen vorführen will, so kann ich Sie auf folgende Zahlen verweisen, die sich aus unserer Statistik ergeben. Die Zollermäßigungen des schweizerischen Tarifs baben für Deutfch⸗ land einen Wertb — das ist der Importwerth, alfo der Werth der Waaren, denen die Zollbegünstigung zu Gute kommt — von 10,4 Millionen; die Jollermäßigungen auf Grund der Meistbegünstigungsklausel, wie sie fuͤr Deutschland nutzbar werden aus dem Vertrage zwischen der Schweiz und Frankreich, kommen einem Importwerthe von 70 Millionen zu Gute, aus dem Tarif⸗ vertrage zwischen Oesterreich Ungarn und der Schweij einem solchen von 18 Millzonen, und wenn ich nun hinzurechne den Werth der Bindung bestehender Schweizer Zölle durch den jetzt vorliegenden Vertrag, so beziffert sich hier das Intereffe auf 15,5 Millionen. Sie sehen 856 daß in Bezug auf die deutschen Exporte eine Werthfumme von 114 Mü⸗ lionen getroffen wird, welche die Vortheile nicht unseres Vertrages allein genießen, aber die Vortheile der Fortsetzung des vertragsmaͤßigen Zustandes mit der Schwe.
Betrachte ich nun die Vortheile der Schweiz, so ergiebt sich gleichfalls an der Hand unserer Statistik. daß die Zollermãßigungen des deutschen Tarifs auf Grund des vorliegenden Vertrages sich eur gen auf einen Importwerth von 13 Millionen, daß die Zollermãßigungen
auf Grund der Meistbegünstigungeklausel, welche der Schweiz zu Gute kommen auf Grund der Tari vertrage Deutschlands mit Italien, Syanien und Griechenland, auf 9.3 Millionen sich belaufen, und daß die Bindung bestehender deutscher Zölle durch den Vertrag sich auf einen . von 18,6 Millionen benieht, in Summa auf 31,9 Mil⸗ ionen.
Meine Herren, ich übergehe bei dieser Berechnung ganz den Veredlungsverkehr, einen Verkehr, der in der That, namentlich für unsere süddeutschen Bundesstaaten, von ganz erheblichem Inter esse ist. Es können darüber ziffernmäßige Daten nicht gegeben werden; es läßt sich schwer eine einigermaßen sichere Zabl nennen. Aber die Aeußerungen der süddeutschen Bundegregierungen gehen übereinstimmend dahin, daß sie auf die Auftrechterhaltung diefes Verkehrs einen ganz besonderen Werth legen. J .
Meine Herren! Ich komme jetzt noch mit ein paar Worten auf das Desiderium des Hrn. Abg. Lucius. Es ist richtig, daß schon seit langer Zeit in Deutschland sich unter den. Gemüsezüchtern und Obstbauern eine gewisse Agitation auf Ginführung von Obft⸗ und Gemüsezöllen bemerkbar gemacht hat. Die Regierung hat keinetwegs die Hände in den Schoß gelegt; sie ist der Frage naher n, ob sich die Einführung solcher Zölle erforderlich mache, beziebungsweise empfeble. Die angestellte Enquete hat aber das Ergebniß geliefert, daß man die Einführung eines Gemüsezolles nicht für angezeigt hat erachten können. Es liegt mir bier eine Aeußerung der Königlich vreußischen Regierung über diese Angelegenbeit, welche mit großer Sorgfalt namentlich die Bebörden und Vereine in denjenigen Distrikten, in denen hauptsächlich der Gemüsebau und die Obstzucht betrieben wird, gehört hat und welche auf Grund einer tabellarischen Zusammenstellung der ihr zugekommenen Aeußerungen zu folgendem Ergebniß gelangt ist:
Behörden, Vereine und einzelne Interessenten, welche zur Sache gehört worden sind, haben sich in überwiegender Mehrheit dahin geäußert, daß ein Rückgang des gärtnerijchen Gewerbes nicht wabr⸗ nehmbar sei, daß vielmehr ein erheblicher Aufschwung desselben anerkannt werden müsse. Es fehlt zwar nicht an Stimmen, heißt es dann weiter, welche die entgegen⸗ gesetzte Meinung vertreten, und es wird auch angeführt, daß nicht alle Gärtnereien sich einer gleich günstigen Lage zu erfreuen haben; allein es wird doch auch zugegeben, daß der Rückgang einzelner gärtnerischer Unternehmungen in wesentlich anderen Verhältnissen als in der Kon kurrenz des Auslandes seinen Grund bat. Dabei wird dann des Näheren aus den Aeußerungen der Sachverständigen ausgeführt, daß dazu namentlich der Umstand gehört, daß, wäbrend in früberer Zeit der Gemüsehau hauptsächlich Sache kleiner Betriebe gewesen ist, setzt auch große Güter und Großbetriebe dazu übergehen, den Gemüsebau zu treiben. Es wird weiter bemerkt, daß es vielfach an einer ratio— nellen Behandlung des Gemüse⸗ und namentlich des Obstbaues bei uns noch fehlt, daß der Gemüsebau vielfach auf nicht dazu geeignetem Lande betrieben wird, und so wird eine Reibe von Umständen geltend gemacht, denen nach dem eigenen Urtheil der gehörten Personen und nach dem Urtheil der Königlich preußischen Stgatsregierung die Schuld an dem Umstand beizumessen ist, daß die Gärtnerei nicht in dem Maße florirt, wie das zu wünschen wäre.
Endlich kommt die Königlich preußische Regierung zu dem Schluß, daß es gar nicht im Interesse der Törderung des inläaͤndischen Obst⸗ baues liege, Zölle auf ausländisches Obst einzuführen, indem sie dabei die Befürchtung ausspricht, daß die wünschenswerthe Entwicklung unserer Obstzucht, für die ja auch von Seiten des Staates alles Mög⸗ liche geschieht, eher durch solche Zölle zurückgehalten als gefördert werden wird.
Nun, meine Herren, bin ich am Schlusse meiner nach meinen Wünschen zu lang gewordenen Auseinandersetzung. Die Sache liegt wie gesagt einfach so: wollen Sie den alten Seidenzoll belassen, dann müssen Sie den Vertrag ablehnen und müssen sich dann der Gefahr aussetzen, daß wir einem vertragslosen Zustande mit der Schwei; entgegengeben. Diese Gefahr werden Sie meiner Ueberzeugung nach schwerlich übernebmen wollen und übernehmen können Mit der Schweiz sich in einem vertragsmäßigen Zustande zu befinden, ist ungeachtet des geringen geographischen Umfanges des Landes von ganz außerordentlichem Werth. Die bisherigen Handelsbeziehungen haben sich zu intimen und gedeihlichen gestaltet. Wir müssen es vermeiden — und, meine Herren, ich bitte Sie, vermeiden Sie es — diese Handels— beziehungen zu stören; Sie wissen nicht, was darauf folgt und ob der Nachtbeil nicht bei weitem größer ist als wie der meiner Ueberzeugung nach imaginäre Vortheil, den Sie durch Beibehaltung des Senden⸗ zolles auf 800 Mark gewinnen.
Abg. Broemel: Die Lage der verbündeten Regierungen sei keine angenehme, nachdem von der großen Mehrheit des Hauses ein entschiedener Widerspruch gegen einzelne Bestim— mungen des Vertrages sich erhoben habe. Die Situation würde geradezu mißlich werden, wenn der Regierung dazu von freihändlerischer Seite ein volles Lob zu Theil würde; denn oft genug sei den Freisinnigen entgegengehalten worden, daß nichts die Regierung in ihren Schritten bedenklicher mache, als eine Zustimmung von freisinniger Seite. Seine Freunde seien mit ihm entschlossen, für den Vertrag zu stimmen, weil sie nichts Besseres erhalten könnten; sie seien aber vollkommen davon durch⸗ drungen, daß er große Mängel enthalte, und wenn die verbündeten Regierungen immer in solchem Falle, wo rechts und links un— erfüllbare Forderungen gestellt würden, Werth darauf legten, einen goldenen Mittelweg zu wandeln, so freue er sich, in diesem Falle mitzuhelfen, ihnen diese Mittelstraße zu bahnen. Auf eine Kommissionsberathung bitte er das Haus zu ver— zichten Ein internationaler Vertrag wie dieser müsse in an— derer Weise behandelt werden als irgend eine Vorlage des Bundesraths; da müsse man sich entschließen, ihn in seiner Gesammtheit anzunehmen oder abzulehnen. Da der Vertrag am 1. Januar 1889 in Kraft treten müsse, so müßte die Kommis⸗— sion mit beispielloser Eile arbeiten, um die Sache noch vor den Ferien abermals vor das Haus zu bringen. Wer aber wolle die Verantwortlichkeit übernehmen, den Termin ver⸗ streichen zu lassen, nur weil bei einzelnen Positionen eine ge— nauere Berathung angestellt werden solle? Es sei auch nicht gerechtfertigt, für die Beurtheilung eines solchen Vertrages eine einzelne Position als maßgebend anzusehen; man müsse die Vortheile und Nachtheile gegen einander abwägen und das Facit ziehen. Nun werde doch von keiner Seite bestritten werden, daß der Vertrag vielen Zweigen unserer Industrie für eine Reihe von Jahren ein werthvolles Abfatzgebiet sichere durch Hoherf ai gungen die der Vertrag selbst enthalte, wie durch die in dem Vertrage der Schweiz mit Oesterreich eingeführten Herabsetzungen. Er halte es indessen nicht für richtig, die von beiden Seiten gemachten Konzessionen hier abzuwägen, sondern sei befriedigt, daß der Vertrag neben der Meistbegünstigung eine Reihe von Konventionaltarifen ent— halte, und hätte nur den Wunsch, daß die Konventionaltarife auf beiden Seiten etwas größer ausgefallen wären. Wenn übrigens die Zollherabsetzungen auch an sich nicht unbedeutend seien, so seien die Verhälinisse doch für die Exportindustrie nicht entfernt so günstig wie vor Einführung der Schutz⸗ zölle. Wer nach unseren Zollerhöhungen sich in den Ge— werbskreisen der Schweiz umgesehen, werde erfahren haben, welche tiefe Erbitterung sich in Folge derselben dort erhoben habe. Und was habe andererseits das Schutzzollsystem bei Vertrags— abschließungen genützt. Der schweizerische Zoll auf deutsche Waaren betrage auch nach den jetzigen Ermäßigungen immer noch das 2. Vierfache, Achtfache der schweizer Zölle vor 1879. Die Darstellung des Staatssekretärs von Voetticher,
daß die Erhöhung des Zolls auf Seidenwaaren in dritter Lesung vom Reichstage beschlossen worden sei, während die verbündeten Regierungen eigentlich sich ab⸗ lehnend verhalten hätten, sei nicht ganz richtig. Allerdings sei das Drängen auf Erhöhung des Zolls vorzugsweise aus der Mitte des Hauses hervorgegangen, aber die Vertreter der verbündeten Regierungen hätten hier eine wohlwollende Stellung dazu eingenommen. Ganz bereitwillig habe der Bundesrath damals die beschlossene Erhöhung sich gefallen lassen. Der Staatssekretär finde sodann jetzt, daß eine Industrie, welche ihre Ausfuhr so stark steigere, dos Schutzzolls nicht mehr bedürfe. Die Freisinnigen hätten früher nur eine solche Anschauung aussprechen sollen. Die Forderung der admission temporaire werde von der Regierung auf die Dauer nicht zu⸗ rückgewiesen werden können. Er unterschätze den Werth des Vertrages nicht, aber auch die verbündeten Regierungen würden nicht bestreiten, daß Oesterreich einen Vertrag von ganz anderem Umfang zu Stande gebracht habe als die deutsche Reichsregierung, daß Oesterreich ganz anders in der Lage gewesen sei, feste gesicherte Absatzverhältnisse auf dem schweizer Markte sich zu verschaffen. Aus der Begründung sei zu er⸗ sehen, daß die Schweiz die Absicht gehabt habe, den Vertrag zu kündigen, wenn nicht die deutsche Regierung bereit wäre, dem schweizer Export bessere Absatzverhältnisse auf dem deutschen Markte zu gewähren; die deutsche Regierung habe einen Theil dieser Forderungen abgelehnt. Es sei dar— aus deutlich erkennbar, daß der aktive leitende Theil der Verhandlungen die Schweiz gewesen sei: die Schweiz habe Forderungen gestellt, die deutsche Regierung habe in der , sich ihnen anbequemen müssen.
denn, daß ein politisch und wirthschaftlich so starker, fast über—⸗ mächtiger Staat wie das Deutsche Reich von der politisch und wirthschaftlich kleinen Schweiz in solchen Fragen eine conditio sine qua non sich stellen lassen müsse? Das liege daran, daß die deutsche Regierung bei Abschluß der Handelsverträge nicht den klaren Willen habe, durch weit gehende Konzessionen ihrerseits größere Konzessionen zu er⸗ langen. — So sei es uns auch bei den Verträgen mit Spanien, Italien und Griechenland ergangen. Wer bei dem Abschluß solcher Verträge ein klares Ziel, Erleichterung des Verkehrs, verfolge, habe von vornherein einen großen Vortheil über den anderen Kontrahenten. Es sollte das eine dring— liche Mahnung für die Reichsregierung sein, auf dem handels⸗ politischen Gebiet die Herstellung der Verträge nicht immer einseitig den anderen Staaten zu überlassen, sondern ihrer⸗ seits den Abschluß solcher Verträge selbständig in die Hand zu nehmen; die Mahnung sei um so dringlicher, da 1897 die wichtigsten Konventionaltarife in dem europäischen Handels⸗ vertrag überhaupt abliefen.
Staatssekretär von Boetticher:
Meine Herren! Nur ein paar Worte. Es hätte mich gewundert, wenn die Zufriedenkeit des Herrn Vorredners mit den Vertrags— stipulationen, die Ihnen vorliegen und denen er ja selbst justimmt, eine ganz ungetrübte gewesen wäre, und ich bin deshalb garnicht erstaunt gewesen, daß er es am Schlusse seiner Betrachtung doch noch neben der Mabnung, die er für die zukünftige Handelspolitik ertheilt hat, auch nicht an einer Parallele zwischen dem Verhalten unserer Regierung und dem Verhalten der österreichisch'ungarischen und der sckweizerischen hat fehlen lassen. Meine Herren, es ist das ja ganz deutsch. In der bekannten Geschichte der Postillone schlägt Jeder den Juden des Andern, bei uns aber schlägt Jeder seine 4 Regierung, und ich würde mich garnicht wundern, wenn bei der Verhandlung des schweizerisch ⸗ österreichisch⸗ ungarischen Vertrages in Wien ebenfalls dieselbe Bemerkung gemacht wird, die deutsche Regierung hätte mebr erreicht und die deutsche Regierung hätte vorsichtiger operirt, als die eigene. Nun, meine Herren, wird es mir nicht schwer, diese Bemerkung auf ihren wahren Werth zurückzuführen. Der Herr Vorredner vergißt, in welcher Rolle sich zwei Kontrabenten eines Handelevertrages befinden. Er sagt, wie ist es möglich, daß das übermächtige Deutsche Reich sich eine conditio sine qua non stellen lassen kann. Ja, meine Herren, eine conditio sine qua non kann sich auch der schwachste Mensch er⸗ lauben, wenn er eben das, was man von ihm rerlangt, nicht anders geben will und nicht anders geben karn, als unter der Bedingung, deren Erfüllung er begehrt. Was das mit der Macht des Staates zu thun bat, verstehe ich nicht, und ich kann dem Herrn Vorredner überdies eine ganze Reihe von Positionen bezeichnen, in denen auch wir uniere Forderungen zur conditio sine qua non gemacht haben. Er stellt sich die Sache vor, als ob wir dagesefsen und nur angebört hätten, was die Schweiz verlangt, demnächft aber uns aufs beste bemüht hatten, den Forderungen der Schweiz entgegenzukommen. Nein, Herr Abgeordneter, so ist die Sache nicht verlaufen. Sie hat vielmehr den Verlauf genommen, daß die Schweiz, nicht zu⸗ frieden mit dem bisherigen Handelsvertrage, eine Revision die— ses Handelsvertrages verlangte, und daß diese Gelegenheit von der deutichen Regierung benutzt ist, nun auch prüfen zu lassen, welche Mängel der kisterige Handelsdertrag für uns hat, und welche Anträge im Jateresse unserer Industrie bei erneuerten Verhandlungen zu stellen sein möchten. Die gegenseitigen Desiderien sind zur Verhandlung gebracht, bei verschiedenen Forderungen baden beide Kontrahenten erklärt, daß sie ohne Erfüllung derselben einen neuen Vertrag nicht abschließen können, und so ist dieser Vertrag zu Stande gekommen.
Daß die österreichische Regierung mehr erreicht bat, das liegt ganz einfach daran, daß es sich in Sesterreich darum handelte, einen vollstãndig neuen Handelsvertrag abzuschließen. Der öoͤsterreichisch⸗scwei⸗ zerische Handels vertrag war abgelaufen, es war tabula rasa vorhanden, man konnte ganz von Neuem derhandeln. So lag die Sache Fei uns nicht, wir waren mit der Schweiz einig dahin, daß wir haupt ächlich den gegenwärtig geltenden Handelsvertrag aufrecht erbalten wollten.
Ich weise desbalb die Parallele des Herrn Vorredners zurück, und weise namentlich an der Hand eines guten Gawissens den Vor wurf urück, als ob wir nicht Alles gethan hätten. um für die deutsche 2 die vertraglichen Festsetzungen so nutzbar als möglich zu gestalten.
Was die Winke, die der Herr Vorredner für die Zukunft ge⸗ geben hat, anlangt, so habe ich ihm darauf nur Folgendes ju erwidern. Wenn wir es im Interesse unserer Industrie finden, Tarifverträge amustreben, so werden wir auch die Initiative zu ergreifen fuchen, wir werden aber nicht um des Prinzips willen, um des Dogmas willen dazu übergeben, Tarifverträge zu machen, die wir entweder nicht im Interesse unserer Industrie erachten, oder für die wir nicht eine äquivalente Konzession von der anderen Seite erreichen können. Wir treiben weder Scutzjĩoll. noch Freibandelspolitik, fondern wir treiben nationale Handelspolitik. d. h. eine Handelsrolitik, die darauf gerichtet ist, die Bedürfnisse des Landes zu erforschen und diese Be⸗ dürfnisse auch demnächst zum vertragsmäßigen Ausdruck zu bringen.
. Abg. Websky; Er spreche nicht im Namen seiner Frak⸗ tion, sondern für sich persoönlich. Es sei außerordentlich hart, wenn der Reichstag schon drei Jahre, nachdem einer Industrie ein Schutzzoll gewährt worden sei, von . Nothwendigkeit er sich doch überzeugt habe, in die Zwangslage verfetzt werde, J ohne Weiteres aufzuheben, wenn nichl andere große
theil für die Gesammiheit eintreten sollten. Die Seiden⸗ industrie wehre sich gegen diesen Vertrag nicht nur mit Rücksicht auf den schweizerischen Zoll, sondern auch auf den Verkehr mit den meistbegünstigien Ländern, mit Italien,
Wie komme es“
Frankreich, welche Länder in hohem Grade — * l seien. icht bloß Krefeld und Elberfeld, sondern auch das südliche Baden und Elsaß⸗Lothringen seien hierdurch in Mitleidenschaft gezogen. Dieselben Bedenken egen den Vertrag walteten Seitens der Taschenuhren⸗ ndustrie und der sächsischen Industrie der Stickerei ob. Ünd diese Kreise wüßten noch nicht einmal, daß ihnen eine Herabsetzung der Schutzzölle drohe. Da könͤnne man den kurzen Aufschub durch eine Kommissions⸗ berathung nicht zurückweisen. Dadurch werde der Gegenstand nicht für dieses Jahr ganz zurückgestellt, die Lommission könne in zwei Tagen fertig sein und die Verhandlung im Plenum bis zum Sonnabend erledigt werden. Er könne sich nicht denken, daß die kleine Schweiz, der in dem Vertrage große Vortheile gewährt seien, schließlich eine eonditio sine qua non gestellt habe. Wenn der Reichstag den Vertrag nicht genehmigte, würde sich wohl darin etwas ändern. So ganz aussichtslos würde also eine Kommissionsberathung nicht sein.
Abg. Hultzsch: Für die Mehrzahl seiner Freunde liege die Frage so, daß man mit gebundenen Händen vor der Alter— native stehe, entweder anzunehmen oder abzulehnen. Die Ver⸗ antwortung für die Ablehnung könnten die Konservativen nicht übernehmen. Es sei ja zu beklagen, wenn nicht alle Wünsche der Industrie in diesem Vertrage erfüllt seien. Auch sein engeres Vaterland sei davon betroffen, namentlich die Stickerei im sächsischen Erzgebirge. Aber man müsse sich bescheiden, daß nicht mehr zu erreichen gewesen sei, die verbündeten Re—⸗ gierungen hätten sicherlich die Wünsche der Industrie bei den Vertragsverhandlungen auf das Wärmste vertreten. Man müsse sich mit der Hoffnung trösten, daß eine spätere Wieder— aufnahme der Verhandlungen diese Wünsche noch befriedige. Man danke der Regierung für diesen Vertrag, dem seine Partei im Allgemeinen zustimme. Auch eine möglichst rasche Erledigung sei geboten, denn die Nachtheile einer vertrags— losen Zeit seien für den Gesammthandel weit größere, als die Vachtheile dieses Vertrages für einzelne Industriekreise. Unsere Industrie sei so thatkräftig und energisch, daß sie die Ver— hältnisse benutzen und aus jedem Vertrag Vortheile ziehen werde. Das Interesse unserer Industrie erfordere möglichst ausgiebige Tarifverträge. Der jetzige Vertrag bedeute immer— hin einen Fortschritt gegenüber dem im vorigen Jahre dem Hause vorgelegten. Unsere Industrie würde sich auf die Dauer auch an einen schlechten Vertrag gewöhnen, wenn er nur stabil sei, am schlimmsten sei aber die ewige Unsicherheit einer vertragslosen Zeit. Die Mehrheit seiner Freunde be— grüße also den Vertrag mit Freuden und würde ihn sosort in zweiter Lesung annehmen.
Abg. Dr. Windthorst: Die Behauptung, daß sich unsere Industrie auch auf einen schlechten Vertrag einrichten könnte, wenn er nur stabil wäre, sei in ihrer Allgemeinheit nicht auf⸗ recht zu erhalten, aber immerhin könne ein schlechter Tarif durch die Dauer erträglich werden. Man habe bei dem Tarif von 1885 alle verschiedenen Interessen gegen einander abge⸗ wogen in der Meinung, daß dieser Tarif dauernd sein würde, statt dessen finde aber eine stete Abbröckelung auf Grund dieser Verträge statt, die ja nicht vermieden werden könnten, die aber schließ lich die Mitwirkung des Hauses bei der Festsetzung der Tarife illusorisch machten. Hier seien eine ganze Reihe von Tarifpositionen aufgegeben worden. Er begreife, daß der Abg. Broemel und seine Freunde diesen Vertrag mit Enthusiasmus begrüßten. Dieser Vertrag führe direkt zum Freihandel zurück. Die Zahlen des Staatssekretärs vermöge er hier nicht im Einzelnen zu prüfen, ihm komme es aber auf eine Prüfung an, und die müsse in einer Kommission erfolgen. Die Zahlen allein könnten ihn vielleicht von seinen Skruveln befreien. Entscheidend sei hierbei die Frage des Seidenzolls, weil davon ein großer Theil unserer Industrie abhänge; Südbaden und der ganze Niederrhein seien daran betheiligt. Wer die Noth am Niederrhein in Folge der wechselnden Seidenzölle gesehen habe, werde sich bewußt sein, daß diese Inbustrie nicht von Neuem in Gefahr gebracht werden dürfe. Er wolle den Ruin dieser Industrie nicht auf dem Gewissen haben, oder es müsse ihm die absolute Nothwendigkeit dieser Maßregel bewiesen werden. Durch die Zölle auf Baumwollengarne sei die niederrheinische Seidenindustrie gezwungen sich auf die Ganzseidenweberei zu werfen,
Desterreich
worden, und habe die
kostbarsten Einrichtungen dafür getroffen, und nun solle das
—
Alles wieder ruinirt werden! Die Sorgsamkeit der Regierung wolle er nicht bemängeln, aber die Regierung habe zu seinem Bedauern gar keine Ursache gehabt, die Schäden für unsere Seidenindustrie in die Wagschale zu werfen, da sie diese
Schäden eben nicht annehme. Landwirthschaft, ihre Abnehmer dustrie vernichtet werde. Es zieme sich, in erwägen, ob man nicht eine Aenderung
könne. Sei nichts Anderes zu erreichen, so würden die Be—
verarmten
theiligten wenigstens die Ueberzeugung haben, daß die Sache
Er sei auch ein Freund der und diese komme auch in Frage, wenn dadurch, daß die In⸗
Ruhe zu herbeiführen
in Ruhe überlegt, nicht übers Knie gebrochen sei. Es sei eine
ganz kuriose Methode, daß man das Haus in die Lage bringe, in zweimal 24 Stunden Ja oder Nein zu sagen. Wenn die Positionen der Seidenindustrie nicht geändert würden, sage er Nein. Bei beiderseitigem guten Willen werde sich die Verlän—
9 uf einstweiligen Zustandes auf ein paar Monate er⸗ rei en.
Abg. Dr. Buhl; Der Vorredner bemängele es, daß der Generaltarif allmählich abgebröckelt werde. Damit schließe er die Möglichkeit aus, überhaupt Handelsverträge abzuschließen, denn die Voraussetzung sei dabei, daß für die Konzessionen von der anderen Seite auch von Deutschland Konzessionen gemacht würden. Wenn man am Normaltarif nichts ändern wollte, würden viel gewaltigere Interessen auf dem Spiel stehen. Das System der Handelsverträge könne man nicht verlassen, da es für unsere gesammte Industrie von der aller— größten Bedeutung sei und unsere Export ⸗In⸗ dustrie lebensfähig erhalte. Die Unsicherheit, ob und inwiefern ein Handelsvertrag mit der Schweiz wieder zu Stande kommen werde, habe auch in den ihm nahe⸗ stehenden Kreisen große Erregung hervorgerufen. Auf Grund des Vertrags würden sich die Verhältnisse zwischen Deutsch— land und der Schweiz weiter entwickeln. Es sei vom Vor— redner anerkannt, daß für die Industrie die unsicheren Zustände ganz besonders verhängnißvoll seien. Eine Vertagung des Beschlusses, d. h. ein Nichtzustandekommen des Ver— trags, werde durch die Ungewißheit die Industrie mehr schadigen, als es der Vertrag schlimmstenfalls thun könnte. Es sei Uebung des Hauses, falls von einer größeren Anzahl von Mitgliedern Kommissionsberathung ge— wünscht werde, diese auch eintreten zu lassen, falls nicht gerade besondere Gründe dagegen sprächen. Diese Gründe lägen aber hier vor in der Geschäftslage des Reichstages. Der Vertrag müsse bis zum 1. Januar genehmigt sein, und es sei ein offenes Geheimniß, daß der Reichstag nur noch in dieser Woche Sitzungen halten werde. Der Vertrag dürfte nicht zu Stande kommen, selbst wenn eine dahin zielende Absicht in der Kommission nicht bestehe. Die einschlägigen Petitionen seien bereits in der Petitionskommission eingehend geprüft worden, und das Resultat dieser Prüfung werde noch heut nach der zweiten Lesung mitgetheilt werden. Die Interessenten würden in diesen sie berührenden Fragen jedenfalls gehört werden.
Abg. Grad wünscht, daß der Gegenstand in einer Kom— mission geprüft werde. Die Schweiz habe sich auch über den bisherigen Vertrag nicht zu beklagen, denn die Einfuhr und Ausfuhr deckten sich fast. In der letzten Zeit hätten sich die Zustände für die Schweiz noch gebessert, was in noch höherem Maße eintreten werde durch die Herabsetzung des Seidenzolls von 800 auf 600 J Mit dem Abg. Trimborn bedauert Redner die Lage der Handweberei am Rhein, die vorzugs— weise durch die Konkurrenz der Lokomobile herbeigeführt sei. In Petitionen aus dem Elsaß werde ferner gegen die Herab— setzung des Uhrenzolls geeifert, und zwar mit vielem Grund. Auch hier dürfte die Kommissionsberathung am Platze sein.
Abg. Bamberger: Er würde die Debatte in diesem ersten Stadium nicht verlängern, wenn er nicht davon durchdrungen wäre, daß hier das Schicksal der Vorlage entschieden werde. Die Entscheidung, ob Kommission oder nicht, sei durchaus präjudiziell. Nur derjenige könne den Vertrag an eine Kom— mission verweisen, welcher entschlossen sei, oder, um keinem Kollegen zu nahe zu treten, bis dicht an die Entschlossenheit heran geneigt sei, ihn nicht zu bewilligen. Er müsse deshalb auf das Entschiedenste bitten, bei der enormen Wichtigkeit des Vertrages für die ganze deutsche Handelspolitik und das Wohl und Wehe der deutschen Industrie und des Handels, nicht leichten Herzens heute mit der Verweisung an die Kommission einen Schritt zu thun, dessen Konsequenzen unabsehbar seien. Der Abg. Broemei habe bereits auseinandergesetzt, daß die Freisinnigen, obwohl nicht in allen Punkten mit den Stipulationen des Vertrags einverstanden, ihn doch für eine Sicherung von Vortheilen für das Deutsche Reich hielten. Die Handelspolitik, zu der sich auch der Abg. Buhl heute erklärt habe, sei nie von der Regierung verlassen worden, und der Sturmlauf der genannten Handelskammer gegen viel Mühe sei
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diesen mit so gehosst hatte ö ne, deutscher Seite erhobene Gipszoll in Wegfgll n w Er hoffe, daß auf den Wunsch der Interessenten bei Wieder—
zur Anwendung bringen. Wenn man einen Handelsvertrag nur so abschließen wolle, daß gar keine Klage sich dagegen erhebe, so werde man nie zum Abschluß eines solchen Ver⸗ trags gelangen. Um so mehr wundere er sich, daß heute Hr. Grad gegen den Antrag gesprochen habe, der noch 1885 ganz der Meinung gewesen, die er (Redner) eben zum Aus—⸗ druck gebracht habe. Das sei die äußerste Grenze, bis wohin die entschlossensten Schutzzöllner früher vorgingen: Material zu haben zum Feilschen, um Konzessionen zu erlangen. Nun wolle man diese Tarifkonzessionen nicht machen, weil erst vor drei Jahren dieser Zoll erhöht worden sei. Ja, wenn der Zoll seit 30 Jahren bestanden hätte, wäre man doch ganz gewiß mit einem Nein gekommen und hätte gesagt, die Industrie, die seit 30 Jahren an einen solchen Zoll gewöhnt sei, die wolle man jetzt in Gefahr bringen, diese alten festen Etablissements mit ihren organischen Einrichtungen wolle man opfern irgend welchem anderen Interesse der deutschen Industrie. Das sei doch unerlaubt! Solche Argumentation könne er begreifen; aber wenn doch irgend Jemand wehe gethan werden solle — und er wolle nicht leugnen, daß ein gewisser Schaden gestiftet werde — dann sei es eigentlich die Folge dieses Schutzzolltarifs, daß er eine künstliche Produktiön hervorrufe, die unter Umständen wieder einmal zurückgehen müsse. Wenn man einen solchen Punkt heraussuche, so sei es viel besser, man suche einen, der jung sei und sich noch nicht festgesetzt habe, um tief in die ganze Organisation, in die Industrie ein— zugreifen. Eine Produktion zu ermuntern, sie zu erhalten durch Schutzzölle, sei ja die allg-smeine Ansicht der Schutzzöllner, aber eine Industrie erst darauf zu gründen, daß ihr erst ein Zoll gewährt werde, sie aufzuführen hinter einer Schutzmauer von Zoll, das sei die gewagteste Konsequenz, die man aus dem Schutzzollsystem ziehen könne. Wer habe denn Jemand entschädigt, als 1878, 1879, 1885 mit einem Male das ganze System des deutschen Zollwesens auf andere Füße göstellt worden sei. Und hier komme mit einem Male diese Frage bei der Herabsetzung des Zolles um 2600 6 bei einem so enorm theuren Artikel. Das sei das große Geschrei gar nicht werth. Davon könne die Industrie weder leben noch sterben. Erwäge man doch die Erfahrungen anderer Länder mit einem solchen Zollkrieg, man habe es zwischen Rumänien und Oesterreich erlebt, und erlebe es jetzt an dem Zustand zwischen Frankreich und Italien: eine Noth, wo Jeder zuletzt
auch in seinem point d'honneur engagirt sei, nicht nachgeben zu können, wo Jeder im Stillen seufze über das maßlose Unheil durch die Verwirrung in dem hartnäckigen Zollkrieg. Wenn zwei Länder sich auf diese Weise entzweiten, sei immer ein lachender Erbe da, ein tertius gandens, der erbe zum Schaden derer, die sich entzweit hätten. Deutsch— land habe Vortheile genossen und ziehe noch beständig Vortheil, und je wuchtiger sich Frankreich und Italien be— kriegten, um so größer sei unser Vortheil. Unsers Industrie freue sich dieser Verwirrung, und kämen wir mit der Schweiz in diese Lage, würden namentlich Oesterreich mit seinem so weit gehenden Hund mit der Schweiz und Frankreich, das nur darauf lauere, uns etwas zu entreißen, sich über die Maßen freuen, daß wir durch unsere Verhandlungen ihnen die Wege geebnet hätten. Und seien einmal die Bahnen des Handels geändert, dann würden die alten verlorenen Wege nicht so schnell wiedergefunden. Darum weg mit dem Vorschlag, mit diesem Vertrag noch zu zaudern und ihn in eine Kommission zu verweisen. Nehme man ihn an und die ganze deutsche Industrie, der ganze deutsche Handel werde dafür dankbar sein!
Damit schließt die erste Berathung. Der Antrag auf kommissarische Berathung wird gegen die Stimmen des Centrums und der Nationalliberalen Websky, von Fischer, Engler und des Elsässers Grad abgelehnt.
Bei der zweiten Berathung werden die einzelnen Artikel des Vertrags angenommen, nachdem der Abg. Krafft das Bedauern der Gipsinteressenten zum Ausdruck gebracht, die gehofft hätten, daß der nur auf schweizerischer, nicht auf ommen würde.
aufnahme der Verhandlungen noch zuruͤckzekommen werde. Namens der Petitions Kommission berichtet darauf Abg. Siegle über die zu dem Vertrag, namentlich auch aus Krefeld,
eingegangenen Petitionen, und beantragt, deieselben durch die
gefaßten Beschlüsse für erledigt zu erklären Abg. Trimborn: Es sei betont worden, d oll seine Rechtfertigung habe, weil in der lien die Weberlöhne fast halb so hoch seien
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Handweberei nicht zum Vortheil gereicht habe, bemerke er, heut in ganz Krefeld nur eine einzige Stimme herrsche: „Ve werfung der betreffenden Zollposition des Zusatzvertrags“. Früher seien die Interessenten in Krefeld uneinig gewesen, weil die freihändlerisch angehauchte Handelskammer sich jeder ollerhöhung widersetzt habe. Von den 1590 Interessenten ätten 100 der Zollerhöhung widerstrebt, die sich heute eben— alls bekehrt hätten. Das Haus vertagt sich um 4, Uhr.
Mittwoch 1 Uhr.
Nächste Sitzung
1. Steckbriefe und Unter suchungs⸗Sachen.
2. Zwangs vollstreckungen, Aufgebote, Vorladungen u. dergl. 3. Verkãufe, Vewachtungen, Verdingungen ꝛc.
4. Verloosung, Zinszahlung ꝛc. von öffentlichen Papieren.
Oeffentlicher Anzeiger.
Kom mandit⸗Gesellschaften auf Aktien u. Aktien⸗Gesellsch. 3. Berufs⸗Genossenschaften.
Wochen ⸗Ausweise der deutschen Zettelbanken. Verschiedene Bekanntmachungen.
1) Steckbriefe und Untersuchungs⸗Sachen.
(147198 e, Der gegen den Arbeiter Gustab Lehmann wegen einfachen Diebstahls nach mehrmaliger Vorbestrafung wegen Diebftahls in den Akten Litt. L. Nr. 162 de 1878 17. unterm 16. August 1878 vom früheren Königlichen Stadtgericht Berlin, Abtheilung für Untersuchungsfachen, Devutat ion IV. für Verbrechen und Vergehen, erlassene Steckbrief wird als erledigt zurückgenommen. Berlin, den 3 Dezember 1888. .
Staats anwaltschaft bei dem Königlichen Landgericht J.
(47199 r,, ,
In der Strafsache wider Teichmann und Ge⸗ nossen — J. TTVa. 234. 88 — wird das vom 18. No- vember 1888 datirte öffentliche Strafvoll streckungs⸗ ersuchen., soweit es gegen den Konditor Franz Gustav 8 Martini, geboren am 2. Oktober 18665 zu
ots dam, und den Hausdiener Karl Friedrich Paul
Arntzwalde,
Arnswalde,
in Arnswalde,
Kretschmer, geboren am 26. Januar 1864 zu Stecklin, Kreis Greifenha pflicht — Verge des Strafgesetzbuches — erlassen ist, zurückgenommen.
Berlin, den 8 Staatt anwaltschaft bei dem Königlichen Landgericht J.
?
(47197 hene Stra fvollftreckungs⸗NRequisition. Die nachbenannten Personen: 1) August Hetmann Wendt, geboren am 12. Ok⸗ tober 1864 zu Schöneberg, Kreis Saatzig, zuletzt in
4) Carl Friedrich Wilhelm Howe, geboren am 1 55 11. Februar 1863 zu Zachan, Kreis Saatzig, zuletzt
en, wegen . der Wehr
en gegen 5. 1409 Abfatz 1 Nr. 1 Arnswalde,
Dezember 1888. letzt in Arnswalde, Stolzenfel de, Kreis Arnswalde, Gerzlow, Kreis Soldin,
vom 29.
atzig, zuletzt in fängniß verurtheilt worden.
etsacht.
5) August Friedrich Ladwig, geboren am 17. Ot-⸗ [39083 tober 18651 zu Ravenstein, Kreis Saatzig, zuletzt in
6) August Friedrich Wilbelm Succsw, geboren iedric am 1. Januar 1861 zu Klempin, Kreis Saatzig, zu⸗ 19. April 1866, letzter
I) Ferdinand Schwandt, geboren am 5. November Frie 18686 zu Stolzenhagen, Kreis Saatzig, juletzt in Krüger, geboren den 27. Sertember 1855, letzter
8) Emil Franz Robert Kühn, geboren am 12. c August 1863 zu Vavenstein, Kreis Saatzig, zuletzt in nuar 1866, letzter Wohnort Ponnsdorf, Kreis Luckau,
ktober 15888 wegen Vergehens gegen § 1401 St. G. B. jeder zu einer Geldstrafe von Einhundert ˖ achtzig Mark, im Unvermögensfalle zu 30 Tagen Ge⸗ Es wird um Voll ,,, Strafe und Nachricht zu den Akten Finsterwalde,
Landsberg a. W., den 27. November 1888. Der Erste Staatsanwalt.
D
1I) Der Weber Friedrich David Walter, geboren am 17. Dezember 1865, letzter Wohnort Luckau, 2) Friedrich Wilhelm Moritz, geboren den Wohnort Schenkendorf, Kreis Luckau,
3) der Nagelschmied Friedrich Wilbelm August
Wohnort Dobrilugk, 4) Carl Traugott Noack geboren den 15. Ja⸗
5) Schehmacher Carl Hermann Rauchfußf, ge⸗
sind durch vollstreckbares Urtheil der Strafkammer boren den 2. August 1866, letzter Wohnort Do-
7) Carl Wilhelm Butzin, geboren am 20. No⸗ des Een n. Landgerichts zu Landsberg a. W.
rember 1859 zu Gabbert, Kreis Saatzig, zuletzt in
Schönfeld, Kreis Arnswalde, 3) Carl Gottlieb Fredrich, geboren am 14 Mai
1861 zu Ziegenhagen, Kreis E
brilugk,
6] Emil Paul Konze, geboren den 20. September 18657, letzter Wohnort Dobrilugk,
7) Schuhmacher August Moritz Tanneberger, geboren den 1. August 1867, letzter Wohnort
8) Arbeiter Friedrich August Nulla, geboren den 16. April 1865, letzter Wohnort Gosda, Frei Spremberg,