Nichtamtliches. Dentsches Reich.
Preußen. Berlin, 5. März. Se. Majestät der Kaiser und König verblieben gestern or enn bis in 10/7 Uhr im Arbeitszimmer und empfingen hierauf den Bild⸗
auer . welcher die Ehre hatte, eine Büste des General⸗
3 s Grafen Moltke vorzustellen. 8 KLriegs⸗Minister Bronsart von Schellendorff sowie den General⸗ Adjutanten von Hahnke und von Wittich und demnächst bis Cen 121 Uhr mit dem Chef des Civilkabinets, Wirklichen heimen Hath Dr. von Lucanus. U Um 12 Uhr nahmen Allerhöchstdieselben den Vortrag des Ober⸗Stallmeisters von Rauch entgegen und ertheilten , dem General⸗Landschafts⸗Rath Grafen von Flemming, em Assessor von König und dem Premier⸗-Lieutenant a. D. Baron von Alten, orsitzenden des Verbandes Deutscher Brieftauben⸗Liebhaber⸗Vereine, Audienzen.
Zur Frühstückstafel, um 1 Uhr, waren der 3
meister Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin, Freiherr von Mirbach, sowie der Hauptmann vom Generalstahe, Freiherr von Süßkind, kommandirt bei der Botschaft zu Paris, mit Einladungen . worden.
Die Nachmittagsstunden verbrachten Se. Majestät der Kaiser im Arbeitszimmer und erledigten während derselben nr, , .
Um Bis Uhr nahmen Se. Majestät lden kriegsgeschicht⸗ lichen Vortrag des General⸗Adjutanten von Wittich entgegen.
An der Abendtafel, um R/ Uhr, nahm Se. Hoheit der Herzog Ernst Günther zu Schleswig⸗-Holstein Theil.
— Ihre Majestät die Kaiserin und Königin erschien estern Abend bei Ihrer Majestät der Kaiserin und önigin Augusta im Königlichen Palais zum Thee.
Heute empfing Ihre Majestät die Kaiserin Augusta den
—
General⸗Stabsarzt der Armee, Dr. von Coler.
— Der Du ndr org; sowie der Ausschuß desselben für Zoll⸗ und Steuerwesen hielten heute Sitzungen.
— Dem Reichstage sind ein Bericht über die Thätigkeit des Reichskommissars für das Aus⸗ wanderungswesen während des Jahres 1888 und . auf die Auswanderung in demselben Jahre ezügliche Nachweisungen zugegangen.
— Der Schlußbericht über die gestrige 86 des Hauses der AÄbgeordneten befindet sich in der Ersten Beilage. Ebenda tragen wir den Wortlaut der Rede nach, welche der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten, Dr. von Goßler, in Erwiderung auf die Aecußerungen des Abg. Dr. Reichensperger zu dem Kapitel „Katholische Geistliche und Kirchen“ bei Beginn der gestrigen Eitzung gehalten hat.
— In der heutigen (27) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Minister der geistlichen 2ꝛc. An⸗ e,, ne,. Dr. von Goßler, beiwohnte, stand auf der
k die Fortsetzung der zweiten Berathung des Entwurfs des Staatshaushalts-⸗Etats für 1889 / 90, und zwar: Ministerium der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗Angelegenheiten.
Die . wurde aufgenommen bei den dauernden Ausgaben, Kap. 119, Tit. 5. ,
Im Tit. 5. ist der Zuschuß für die Universität Halle mit 616 1657 „„, d. i. um 15 842 M höher als im vorjährigen Etat, angesetzt. —
Die Budgetkommission beantragt:
Bei Kap. 119 Tit. 5 (Zuschuß für die Universität in Halle) die nachstehenden, in Spalte „Bemerkungen“ nachgewiesenen Be⸗ träge, und zwar: .
zu 1) Zur Gewährung einer Miethsentschädigung von 2200 S6 an den Universitätskurator unter Mit verwendung des bisherigen Wohnungsgeldzuschusses von
g00 Sp 1300 M
wd tlichen Ersatz⸗ Gehalt und J 1699
900 . 2400.
14770 A nicht zu bewilligen und demgemäß — den Betrag für 1. April 1889/90 von öls 107 M zu er⸗
mäßigen ö. 60l 337 M, sowie den Betrag in Spalte . Darunter künftig wegfallend! von
52 332 M zu ermäßigen um 3210 M, mithin auf 49 122 4A
Die 1 Graf Douglas, Dr. Graf (Elberfeld) und Dr. Weber ( Höxter) beantragen: Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: bei Kap. 119 der dauernden Ausgaben Tit. 5 (Zuschuß für die Universität in Halle) die nachstehenden, in Spalte Bemerkungen“ nachgewiesenen Beträge, und zwar: zu 3) Zur Errichtung einer ordentlichen Professur für Hygiene, Gehalt und Wohnungsgeldzuschußß .... zu 6) Für das hygienische Institut: 2. Zur Remunerirung eines Assistenten. b. Jur Remunerirung eines Hülfsdieners. ö ( e. Zu sächlichen Ausgaben.. 2400 gemäß der Reglerungsvorlage zu bewilligen.
Abg. Dr. Graf (Elberfeld) begründete seinen Antrag mit der Warnung, daß man sich hüten sollte, bei den kleineren Universitäten einzelne Unterrichtszweige verkümmern zu lassen; es würden dadurch Universitäten erster und zweiter Klasse , e. und die Wissenschaft in den vollständig eingerichteten
niversitäten centralisirt werden. Die Bedeutung der Hygiene für Stadt und Land brauche nicht erst weiter erörtert zu werden.
Der Ministerial⸗Direktor, Wirkl. Geheime Rath Dr. Greiff, empfahl die Bewilligung des Wohnungsgeldes für den Univer⸗ sitätakurator in Halle.
Abg., Graf zu Limburg-Stirum bemerkte, ö Niemand die Nutzlichkeit der Sen bestreite; aber es sei deshalb noch nicht nöthig, daß jede Universität ein Institut dafür unterhalte. Ein solches Institut koste viel Geib; es handele 6j nicht bloß um einen Professor, sondern auch um einen , . . Diener und vor Ällem um ein Gebäude für
zusammen
b 760 4A . 900
ann arbeiteten Se. Majestät bis 11/, Uhr mit dem
Die Bedeutung der org nr sei so groß, daß sie ein Gegen⸗ stand bei der ärztlichen Prüfung geworden sei. Die Hygiene⸗ Ausstellung und die Ausstellung für Unfallverhütung e. die W keit dieser Wi ., ,,. daß alle Studenten nach Berlin lämen oder auswärtige Universitäten, wo 6 hein ischen Institute vorhanden seien, aufsuchten. Wenn Geld für monumentale Bauten vorhanden sei, dann müsse es auch für die Abwehr von Krankheiten ausreichen.
Abg Dr. Drechsler sprach seine Verwunderung darüber aus, daß mehrere r,. sich g ö. diese Forderung aus⸗ gesprochen hätten, da die Arbeiten der hygienischen Institute doch auch der Landwirthschaft und Viehzucht zu gute kämen. Namentlich habe die baͤkteriologische Forschung eine hohe Be⸗ deutung, z. B. für die gesammte Milchwirthschaft. Dadurch, daß mehrere Institute vorhanden seien und einer größeren Zahl von ö, Gelegenheit zu m,, ,, gegeben werde, würden fehlerhafte Hypothesen bald beseitigt und be⸗
Mediziner, Verwaltungsbeamte und auch für die Landwirth⸗ schaft von Bedeutung sei. Aus Büchern könne sie nicht gelernt werden; dazu seien Anstalten nöthig. Wenn man die großen Universitäten Berlin und Leipzig etwas entlasten wolle, dann müsse man die kleineren Universitäten besser aus⸗ statten. Die kleineren Universitäten seien s nothwendig, daß man eine olg für Westpreußen und Posen, z. B. in Brom⸗ berg oder sonstwo einrichten sollte. Ein Theil des Centrums werde für die Vorlage stimmen. Abg. Dr. Virchow erklärte sich gegen die Bewilligung der
Mieths entschädigung für den Kurator in . Mehrere neben einander arbeitende Institute seien für die Förde⸗ rung der Hygiene gewiß von Werth; die Kosten dürften aber darüber nicht übersehen werden Es handele sich bei der Hygiene um eine Mehrheit von Wissenschaften, die zu beherrschen nur wenige Lehrer im Stande seien. An den preußischen Universitäten sei wesentlich die balteriologische orschung vertreten, weil der Geheime Medizinal⸗Rath Dr. och die Methode dafür festgestellt habe. Daß überall ein In⸗ stitut zu errichten sei, könne nicht zugegeben werden. Wenn den Studirenden die Möglichkeit gegeben sei, sich in der bakteriologischen Forschungsmethode zu unterrichten, dann brauchten sie nur noch ein gutes Handbuch, um die Anwendung der erworbenen Fähigkeiten zu lernen. Eine Rückströmung der Studirenden zu den kleinen Univer— sitäten sei sehr zu wünschen, aher durch Errichtung eines hygienischen Instituts in Halle und Marburg werde sie nicht erreicht werden. Redner erklärte, nicht ein Feind dieser Anstalten zu sein, meinte aber gegenüber der , Auffassung von der Hygiene zur Vie mahnen zu sollen. e.
.Bei Schluß des Blöoses nahm der Minister der gjeist⸗ lichen 2ꝛc. Angelegenheiten it 'r. von Goßler, das Wort.
— Der Viehbesitzer, welcher rechtzeitig von einem Ausbruch der im S. 10 des Viehseuchen⸗Gesetzes vom 23. Juni 1880 bezeichneten Seuchen unter seinem Vieh zwar der Srts⸗Polizeibehörde, nicht aber dem vom Regierungs⸗ Präsidenten bestellten Seuchen⸗Kommissar Anzeige gemacht hat, verliert nach einen Urtheil des Reichsgerichts, VI. Civilsenats, vom 3 U mer v. , auch dann nicht seine Entschädigungsansprüche, wenn der n, d,, ,. angeordnet hatte, daß der Ausbruch der Seuche dem Kom⸗ missar anzuzeigen sei. Die im 8. 9 des Reichsgesetzes vor⸗ geschriebene Anzeige bedarf weder der ,, noch einer anderen Form, auch ist es gleichgültig, oh der Anzeigende durch die Mittheilung an die zuständige Polizeibehörde seiner Anzeigepflicht nachkommen wollte oder dabei andere Interessen im Auge hatte.
— Dem Kreis⸗Wegeverband des Kreises Wittmund, Regierungsbezirks Aurich, ist zum Zweck des Ausbaues der Wegestrecke von Westeraceumersiel nach Betten⸗ warfen als Landstraße durch Allerhöchste Kabinets⸗Ordre, vom 20. Februar d. J. das Enteignungsxrecht zur Ent⸗ ziehung und zur dauernden Beschränkung des für diesen Straßenbau in Anspruch zu nehmenden Grundeigenthums ver⸗ liehen worden.
— Se. Durchlaucht der Prinz Albrecht zu Waldeck und Pyrmont, Major und etatsmäßiger Stabs⸗ offizier im 1. Hannoverischen Dragoner⸗Negiment Nr. 9, ist auf einige Tage mit Urlaub von Metz hier eingetroffen.
= Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Königlich in, Geheime Rath Böttcher, ist in Berlin wieder ein⸗ getroffen.
— Als Aerzte haben sich niedergelassen die Herren: Dr. . Dr. Russak, Dr., Stern, Dr. von Schaewen und Dr. Werler. sämmtlich in Königsberg i. Pr., Dr. Goldberg in Palmnicken, Dr. Wentzel in Kremmen, Dr. Spiegelberg in Barth, Dr. Rosenthal in Putbuzs a. R., Spiegel, Dr. Hein und Br. May, sämmtlich in Breslau, Magen in Ernsdorf, Dr. Geigenmüller in Miehlen, Dr. Ludw. Wolff und Dr. Alzheimer in , a. M., Dr. Mezger und Dr. Rich. riedländer in Wiesbaden, Dr. Klingelhöfer in Grävenwies⸗ ach, Dr. Diesterweg in Weilburg, Dr. Baldus in Selters.
Bayern. München, 4. März. (W. T. B.) General⸗ Lieutenant von Kiliani ist unter Verleihung des Charakters als General der Kavallerie, und General⸗Lieutenant von Mussi nan mit dem Prädikat Excellenz zur Disposition ge⸗ stelltn. Dem Direktor der Kriegs-Akademie, General⸗Major Kleemann, ist der Abschied mit Pension bewilligt worden.
Sachsen. Dresden, 5. März. (W. T. B.) Zu Ehren der gestern zum Besuch der Offiziere des Königlich Sächsischen Grenadier-Regiments 105 „Kaiser Wilhelm, König von Preußen“, hier eingetroffenen Qffiziere des 1. Garde⸗Regimenis z. F. fand heute Mittag ein Dejeuner im Königlichen Schlosse statt, an welchem Ihre,. Majestäten der König und die Königin, die , Georg und . der preußische , . Graf von Dönhoff, der Kriegs-⸗Minister Graf von abrice, der Stadtkommandant Freiherr O'Byrn, mehrere enerale und andere Personen von Distinktion theil nahmen.
Sachsen⸗Weimar⸗ Eisenach. Weimar, 4. März. (Th. C.). Die Großherzogliche Staatsregierung i
wie auf die Aufbesserung der Bezüge der te g., so auch kj die Erhöhung des Diensteinkommens der Vol ksschul⸗
bg. Graf Dong las hielt die Angelegenheit für so wichtig,
daß dabei die finanziellen Gesichts punkte? zurücktreten müßten
1 ö „d . Abg. Dr. Windthb jr bemerkte, daß die Hygiene für
der Volksschullehrer si nach 25 Jahren Dienst⸗ zeit auf 1450 bez. 1560, 1719 und 1860 M6 erhöht. — Eine weitere Vorlage betrifft die Einstellung eines Betrages von 5000 S jährlich an Beitrag zur Feuerwehr⸗Unfall⸗ kasse, eine andere die Gewährung von 50 MS. für Wiederherstellungsarbeiten an der ehemaligen Klosterkirche zu Thalbürgel, einer Perle des romanischen Baustils in Thüringen. — In der eutigen Sitzung des Landtages sprach der
hef des Ministerial⸗Departements des Innern, Frhr. von Groß, in der Erwiderung auf eine diesbezügliche Interpellation sich dahin aus, daß die Staatsregierung Bedenken trage, einen Einfluß bei den Behörden der Wer rabahn dahin auszuüben, daß von ihnen die Bahn der preußischen Regierung zum Ankauf angehoten werde, da sie überzeugt sei, daß der preußische Minister der öffentlichen Arbeiten in seiner zielbewußten Eisenbahnpolitik und mit Rücksicht auf das von den hetheiligten Regierungen bei der Verstaatlichung der Thüringischen Bahn bewiesene Entgegenkommen von selbst der Werrabahn ein Kaufgebot ö, werde, sobald er dieselbe für den preußischen Staat zu erwerben beabf tige.
Anhalt. Dessau, 1. März. (Anh. St. A.) Der Landtag nahm in seiner heutigen 9g. Plenarsitzung zunächst die Wahl von je zwei Mitgliedern und je zwei Stellvertretern zum Landes⸗Verwaltungsgericht und zum Ober⸗Verwaltungs⸗ gericht vor. Es wurden gewählt: zu Mitgliedern des Landes- Verwaltungsgerichts die Abgg. von Biedersee und Brumme, B Stellvertretern der Ebengenannten die Abgg. Pötsch und
ber⸗ Ingenieur von Oechelhäuser, zu Mitgliedern des Ober⸗ ,,,, ,. die Abgg. Dr. Funk und Freiherr von Ende, zu Stellvertretern der Ebengenannten die Abgg. Pietscher und von Trotha. Die Gewählten nahmen die Wahl dankend an. Dem landesherrlichen Kommissar, Staats⸗Minister von Krosigk, gaben diese Wahlen Gelegenheit zu der Bemerkung: es hätte eigentlich im Etat in Einnahme und Ausgabe eine bezügliche Position eingestellt werden sollen; allein die Staatsregierung hahe sich sowohl wegen der Einnahme als wegen der Ausgabe völlig im Dunkel befunden. Der Minister empfahl daher, für das laufende Rechnungsjahr die Einnahme als außerordent⸗ liche Einnahme zu verrechnen, die Ausgabe aber über den Etat zu leisten und in den nächsten Etat die betreffenden Titel einzustellen. Dann wurde in dritter Lesung der Gesetz⸗ entwurf über die Errichtung einer Handelskammer für das Herzogthum Anhalt in derjenigen I⸗ ung, die ihm durch die bei der zweiten Lesung gefaßten Beschlüsse gegeben worden, angenommen. In zweiter Lesung wurden der General⸗Etat der Landarmen⸗Direktion für 1889/ñ90 und die Vorlage, die Ver⸗ äußerungen landesfiskalischer Grundstücke betreffend, durch An⸗ nahme erledigt; ebenso mit einigen Aenderungen der Gesetzentwurf, das w im Herzogthum Anhalt betreffend. Nach der Berathung und Beschlußfassung über zwei Petitionen wurde die zweite Lesung des Halun Cin F Ct für 1889/90 (außerordentlicher Etat) fortgesetzt.
Desterreich⸗ Ungarn. Wien, 4. März. (Prag. Abdbl.) Die Spezialdebgite über das Budget im Abge⸗ ordnetenhause soll am Freitag, den 8. d. M., beginnen und dann ohne , ,, fortgeführt werden, sodaß dieselbe noch vor Ende März abgeschlossen werden könnte.
Pest, 4. März. (W. T. B.) Im Unterhause legte der Ju stizm in ister heute einen Gesetzentwurf, betreffend die Abänderung der Organisation der Gerichts— höfe, vor. — Bei der sodann fortgesetzten Wehrgesetz⸗ debatte erklärte Helfy; die Oppo sition treibe keineswegs Dbstrultion, sondern erstrebe Verhesserungen des Gesetzes. Der Minister für Landes vertheidigung betonte in I. Erwiderung: er habe die volle Ueberzeugung, daß in der
rmee nur die deutsche Sprache Dienstsprache sein könne. Der Minister verwies andererseits auf das weitgehende Zu⸗ geständniß, daß sich die Kandidaten bei den Offiziersprüfungen unter allen Umständen ihrer Muttersprache bedienen dürften, und entkräftete unter dem Beifall der Rechten die irrigen Be⸗ auptungen des Grafen Apponyi, dem er vorwarf, erst den zündstoff in die Berathung hineingeworfen zu haben,. Schließ⸗ lich rief die Behauptung Szentivanvis: zwei Abgeordnete von der Majorität hätten den Präsidenten mit geballten Fäusten bedroht, eine erregte Scene hervor. Der Präsident erklärte, davon nichts wahrgenommen zu haben; auch die be⸗ schuldigten Abgeordneten stellten die Bezichtigung in Abrede.
. Laufe des gestrigen Tages haben nur in drei Provinzialorten Vol ksversammlungen behufs Protest-Erhebung gegen den 8. 25 des Wehrgesetzes stait⸗ gefunden. Die Bewegung in der Provinz ist in entschiedener Abnahme.
Großbritannien und Irland. London, 4. März. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Un terhauses erklärte auf eine diesbezügliche Anfrage der Vertreter der Regierung: die Unterhandlungen mit Deutschland, den Niederlanden, . und Frankreich betreffs der unter⸗ seeischen Kabel näherten sich ihrem Abschluß. Die Re⸗ eng hoffe, daß der Betrieb und die Unterhaltung der
abel zwischen England und jenen Ländern sich bald in den Händen der gedachten Regierungen befinden und daß dann ein gleichförmiger Tarif eingeführt werde.
Frankreich. Paris, 4. März. (W. T. B.) Dem Vernehmen nach wird der General-Fouverneur der fran⸗ zösischen Besitzungen in Indo⸗Ching, Rich and, abberufen werden, weil seine Verwaltung nicht der Richtung entspricht, welche sein unmittelbarer Vorgänger, der jetzige Minister des Innern Constans, befolgte.
— 5. März. (W. T. B.) Der Minister des Innern hat den Polizei⸗Präfekten angewiesen, nicht mehr zu dulden, daß die verschiedenartigen Deputationen, die Boulanger täglich empfängt, den Charakter öffent— licher Manifestationen annehmen.
Italien. Rom, 4. März. (W. T. B) Die „Agenzia Stefani“ meldet aus Assab: die Versuche der Geistlich⸗ keit, eine Aussöhnung des Negus mit dem König Menelik zu Stande zu bringen, seien vollständig ge⸗ scheitert; der Krieg werde für unvermeidlich n, und die beiderseitigen Armeen sollen im Gondron auf einander gestoßen sein. ö Schweiz. Bern, 4. März. (W. T. B.) Der Bundes⸗ rath hat, da im Kanton Tessin , ff tet werden, den Obersten Borel beauftragt, als eidgenössischer
lehrer bedacht . Die dem Landtage darüber ge⸗ machte Der . ügt eine fünfte. Alterszulage den schon bisher bestehenden hinzu, durch welche das Diensteinkommen
Kommissar aufzutreten, die Truppen unter sein Kom⸗ mando zu nehmen, bewaffnete Ansammlungen, wenn nöthig,
mit Gewalt zu verhindern und den telegraphischen Verkehr in den Bureaus des Kantons Tessin zu Überwachen, eventuell auch die Uebermittelung von Telegrammen zu untersagen.
Serbien. Belgrad, 2. März. (W. T. B.) Das Organ der Liberalen veröffentlicht einen von dem Central⸗ ausschuß der liberalen Partei unterzeichneten Aufruf, welcher die Mitglieder zur Organisation der Partei auf⸗ fordert und auf folgende Punkte hinweist: in die neue Ver⸗ fassung sei zwar ein graher Theil der liberalen Programmpunkte aufgenommen worben; nichtsdestoweniger sel aber angesichts der Neuverfassung eine erneute Präzissrung des Programms nothwendig, und es wird zu dem Zweck ein Landes⸗Parteitag in Auszsicht gestellt. Bei der Reform des Programms müssse das Hauptaugenmerk der finanziellen und wirthschaftlichen Lage zugewendet werden; dringend nothwendig sei die Kon⸗ vertirung der Staatsschulden. Die liberale Partei, welche, trotz zweler Kriege um die Unabhängigkeit, kaum 7 Millionen 3 Schulden ohne . der Steuerlast gemacht,
abe bewiefen, daß sie für Regelung der Finanzen Sinn habe und zu sparen verstehe.
— 5. März. (W. T. B.) Aus Anlaß des morgigen Gedenktages der Proklamirung Serbiens zum Königreich veröffentlich das Amtsblatt zahlreiche Ordensverleihungen an Würdenträger, höhere Beamte, Offiziere, hervorragende Industrielle, Kaufleute und Professoren. Die Dekorirten sind allen Parteien entnommen; überwiegend befinden sich unter denselben jedoch Liberale.
Bulgarien. Sofia, 4. März. (Prag. Abdbl. ) Der Jahrestag des Friedensschlusses von St. Stefano wurde gestern früh mit einem Festgottesdienst und einer Parade unter großer Theilnahme der Bevölkerung begangen.
Amerika. Washington, 4. März. (W. T. B.) In der Botschaft, mit welcher Präsident Harrison heute die Präsidentschaft übernahm, heißt es: Er sehe der Fortdauer des Schutzzollsystems und der davon zu erwartenden Weiter⸗ entwickelung der Manufakturen und Bergwerksinteressen voll Hoffnung entgegen. Die Gesetze über die Naturalisgtion müßten dahin verbessert werden, daß eingehendere Nach⸗ fragen nach dem Charakter derjenigen Personen statt⸗ finden, die naturalisirt werden wollten. Amerika dürfe nicht aufhören, gastfrei gegen die Einwanderer zu sein, es müsse dabei aber mit größerer Sorgfalt vorgegangen werden; es müßten solche Personen, gleichniel welcher Rasse sie an⸗ gehörten, von denen zu besorgen stehe, daß ihre Gegenwart dem Staat und den Staatseinkünften eine Last aufbürden könne, oder daß sie die soziale Ordnung bedrohe, ausgeschlossen werden. Amerika habe sich glücklich eine Politik der Ver⸗ meidung aller Einmischung in die europäischen An⸗ gelegenheiten erhalten; es sei bei den diploma— lischen Streitigkeiten der europäischen Staaten nur inter⸗ essirter Zuschauer und immer bereit gewesen, seine
uten Dienste im Interesse des Friedens anzubieten. Amerika abe niemals unerbetenen Rath ertheilt und niemals versucht, die unter anderen Mächten entstandenen Schwierigkeiten zu Gunsten seines Handels auszunutzen. Daß eine kürzere Wasser⸗ straße zwischen den östlichen und westlichen Küsten von irgend welcher europäischen Regierung beherrscht werden sollte, sei so augenscheinlich unvereinbar mit dem Frieden und der Sicher⸗ heit Amerikas, daß dasselbe zuwversichtlich erwarten dürfe, 2 keine befreundete Macht einen solchen Schritt be⸗ absichtige. Amerika werde nach wie vor bemüht sein, die freundschaftlichen Beziehungen zu allen Großmächten aufrecht zu erhalten; letztere dürften aber nicht erwarten, daß irgend⸗ welches Unternehmen, welches Amerika einer feindlichen Ueber⸗ wachung und Umgehung aussetzen würde, mit Wohlwollen betrachtet werde. Amerika sei berechtigt, zu erwarten, daß keine europͤͤische Regierung den Versuch mache, . koloniale . den in unabhängigen amerikanischen Staaten zu gründen.
Man sei nicht so exklusiv amerikanisch, daß anderswo vor⸗ kommende Ereignisse Amerika nicht interessirten. Die eigenen sowie die Rechte der für Handelszwecke in anderen Ländern und Inseln wohnenden amerikanischen Bürger müßten geschützt werden; Häfen und Kohlenstationen seien nothwendig. Diese Privilegien sollten nur durch freundschaftliche Mittel erlangt werden, sei auch die Regierung, bei der sie erreicht würden, noch so schwach. Seien sie aber einmal erlangt und zwar für
wecke, die mit freundschaftlichen Dispositionen gegen andere ächte völlig vereinbar, so werde die Zustimmung Amerikas für jede Modifikation einer solchen Konzession nothwendig.
Amerika werde nicht versäumen, die Flagge einer anderen befreundeten Macht oder die Rechte ihrer Burger zu achten; es werde aber für sich und seine Bürger die gleiche Behand⸗ lung in Anspruch nehmen. Ruhe und Gerechtigkeit sollten das bezeichnende Merkmal unserer Diplomatie . die Dienste einer intelligenten Diplomatie oder ein freundschaftliches Se nn,. sollten im Stande sein, alle internationalen S ö, n. zu beseitigen.“
Die Aufgabe des Kongresses werde es sein, alle finanziellen Gesetze so zu regeln, daß kein bedeutender Ueberschuß bleibe; der Ueberschuß konne zur Einlösung der Staatsschuld ver⸗ wendet werden. Harrison hält sich von der Möglichkeit über⸗ zeugt, daß der Ueberschuß reduzirt werden könne, 3 daß der Schutzzolltarif umgestoßen oder irgend eine Industrie ge⸗ . werde, und empfiehlt schließlich eine Verstärkung der
otte.
geituugostinmen.
Unter der Ueberschrift „Ein Kaiserwort“ schreibt der ane g Staat s⸗Anzeiger“:
s geht ein Zug des Wohlwollens gegen die arbeitenden Volks⸗ klassen durch unser Zeitalter, ein 1 der Fürsorge, welchem nament⸗ lich in Deutschland in einer Weise Rechnung getragen wird, welche wohl die Bezeichnung „großartig“ verdient; eine Reihe von Gesetzen besteht bereits zu Recht und weitere Gesetze zum Wohl der arbeitenden Klassen sind in Vorbereitung. Man sucht allen Verhältnissen der Arbeiter den Charakter von Rechtsnormen zu geben, um das Loos der Arbeiter selbst zu konsolidiren und vom Zufall unabhängiger zu machen. Es liegt in diesen Bestrebungen eine, soziale Umwälzung von tiefgehender Wirkung und großer Bedeutsamkeit; aber es ist eine Umwälzung auf friedlichem Wege, eine Umwälzung, die aus der Initiative der Regierenden entsprang, ebenso bewundernz⸗ werth als bezeichnend für die Gesundheit des modernen Staatswesens. Unser erster Deutscher Kaiser, der greise Held und Friedensfürst Wilhelm, hat auch diese Seite der sozialen Aufgabe des modernen Rechtsstaats mit Eifer angefaßt und grundlegende Gesetze erlassen trotz der Mißgunst mancher Parteien und Staatsfaktoren, trotz der Opposition Seitens der aufgehetzten Arbeiterkreise.
Kaiser Wilhelm's Enkel hat kürzlich die Gelegenheit wahr⸗ genommen, um öffentlich kund zu geben, daß er ernstlich gewillt ist, die Erbschaft seines ruhmreichen Großvaters auch in der beregten Beziehung anzutreten. Er hat die Gelegenheit des Empfangs einer Deputation benutzt, um sich klar und deutlich zu äußern Über die Aufgaben der Gefellschaft und des Staats gegenüber dem vierten Stande“, diese Aeußerungen haben den allergrößten Werth für die Entwickelung der sozialen Frage. Sie bilden gewissermaßen den zweiten Theil des sozlalen Programms des großen Kaisers Wilhelm, sind von dem christlich⸗menschlichen Geiste dieser Grundlage der sozialen Neugestaltung erfüllt und geben den Grundsätzen jener Bot⸗ schaft eine das Herz jedes mit unserem Volk und Staat es Wohl- meinenden unwiderstehlich ergreifende Deutung.
Es war schon bekannt, daß Kaiser Wilhelm II. unter allen sach⸗ lichen Fragen der inneren Politik der Arbeiterfrage eine ganz be⸗ sondere Aufmerksamkeit zugewendet. Aber erst aus dem Verlaufe der Audienz des Präsidenten des Reichs Versicherungsamts und des Vor⸗ standes der Ausstellung für Unfallverhütung haben die weitesten Kreise erfahren, wie klar und wie entschieden sich jenes Interesse offenbart. Wir erfahren, daß der Kaiser die Versäumnisse der Fabrikherren in Sachen der vorgeschriebenen Schutzvorrichtungen für die Arbeiter scharf verurtheilt, daß er die Ausstellung selbst eröffnen und das Aus⸗ gestellte studiren will, daß er in den Arbeitern gleichberechtigte Unter ˖ thanen erkennt, denen das Gefühl der Gleichberechtigung, soweit sie es verloren haben, wiedergegeben werden soll.
Die große Bedeutung dieser Kundgebung beruht darin, daß der Träger der deutschen Kaiserkrone im bewußten Gegensatze zu den bisher als unumstößlich geltenden Staatsgrundlagen, zu dem Prinzip von den herrschenden drei Ständen, dem sozialen Königthum die Aufgabe vorbehält, das Versöhnungswerk an dem vierten Stande zu vollbringen. In Bezug auf den Arbeiterschutz herrschen noch manche veraltete Ansichten und Bedenklichkeiten, welche unter dem Zwange der Verhältnisse um so eher schwinden werden, als vom deutschen Kaiserthron herab der ernsteste Wille sich bekundet, die Kenntniß und das Gefühl der sozialen Verpflichtungen im Staat zu erweitern und zu beleben.
Der Kaiser hat besonders mit dem Hinweis auf die Gleichberech⸗ tigung des Arbeiters und geringen Mannes in seinem Staat den Schlußstein des ganzen sozialen Reformwerkes bezeichnet. Nur zu sehr und zu oft haben die besser gestellten Gesellschaftsschichten es vergessen oder besonderer Beachtung nicht fürswerth gehalten, daß der Arbeiter auf die volle Achtung seines Menschen und Staatsbürgerthums den⸗ selben Anspruch hat, wie seine Brotgeber und Vorgesetzten, von denen er äußerlich abhängig ist, und daß diese äußerliche Abhängigkeit noch Niemanden berechtigt, in dem Arbeiter einen Menschen geringerer Ordnung zu sehen, der nur Pflichten, aber keine Rechte hat oder doch keine Rechte allgemeinerer und höherer Art als die nur jenen bisweilen so untergeordneten Pflichten entsprechenden. Das war eine Ueberhebung, die sich einst bitter gerächt hat und sich einst blutig ge—⸗ rächt haben würde, wenn nicht die Hohenzollern volksthümlicher, menschlicher und gerechter dächten und handelten als jene Schichten der Gesellschaft. Der Arbeiter ist keine Waare, kein Lastthier der „höheren Kultur“, sondern Mensch und Bürger, wie nur einer im Staat, der ein Recht hat, da er mitwirkt für den Vortheil und das , der Gesellschaft und des Staats, auf alle seine Segnungen und
orzũge.
6 treffenderes, sozialistischeres Wort als jenes Kaiserliche von der Gleichberechtigung der Arbeiter ist noch von keinem Arbeiterführer gesprochen worden, und die Arbeiter können daraus ersehen, daß die Hohenzollern Monarchie eine mächtigere und kraftvollere Einrichtung ist zur Würdigung und jum Schutze ihrer Interessen als das sozlalistische Wolkenkuckucks heim, welches ihnen von ihren Führern bisher vorgeschwindelt wurde. Denn während in diesem mit Noth⸗ wendigkeit Einer gegen den Andern die Hand erheben und bald die blinde Gewalt herrschen müßte, sichert die soziale Monarchie Allen die gleiche gesetzmäßige Freiheit, weil sie, hoch über Allen thronend, ein Abbild der göttlichen Gerechtigkeit, kein anderes Interesse kennt, als unparteiisch die Gerechtsame aller ihrer Unterthanen wahr⸗ , , und ihnen ein möglichst menschenwürdiges Dasein zu er⸗ möglichen.
Ein solches Kaiserwort verhallt nicht ungehört, es wird ein Echo finden in den Herzen derer, zu deren Wohl und, denen zu Liebe es ge ⸗ sprochen worden ift. Ein solches Kaiserwort wird ein Wahrwort und somit ein Erlösungswort für viele Tausende.
— In dem „Schwäbischen Merkur“ lesen wir:
Durch die Nachricht, daß sich das preußische Staats Ministerium
mit dem Sozialistengesetz beschäftigt habe, ist dieser Gegenstand wieder auf die Tagesordnung der öffentlichen Erörterung gebracht. Ist die Nachricht begründet, so wird man annehmen müssen, daß die Äbsicht besteht, noch in der gegenwärtigen Session des Reichstages an die neue Regelung dieser Sache beranzutreten. Bekanntlich ist die Geltungsdauer des Sozialistengesetzes bis Ende September 1890 verlaͤngert; mit einer Beschlußfassung über das, was nach dieser grit werden soll, würde es also an sich noch über ein Jahr d. h. bis in die neue Wahlperiode Zeit haben. Aber die Zweck mãäßigkeits gründe, welche für eine frühere Entscheidung sprechen, liegen auf der Hand. Ein Zwang, die Neuwahlen unmittelbar nach Ablauf einer Periode vorzunehmen, legt nicht vor. Da zu erwarten ist, daß der gegenwärtige Reichstag im nächsten Winter bis an das ãußerste Ende seiner Lebensdauer versammelt sein wird, so würde es auch wohl keiner Partei willkommen sein, sofort nach Schluß der Tagung, ohne eine dazwischenliegende Vorbereitungszeit, an die Wahlurne treten zu müssen. Daneben dürfte es nicht minder ein all⸗ gemeiner Wunsch sein, die Wahlbewegung. wieder in eine günstigere Jahreszeit verlegt zu sehen, ähnlich wie ja auch im Jahre i881, nachdem daös Mandat des Reichstages Ende Juni erloschen war, mit den Neuwahlen bis Ende Oktober gewartet wurde. Es könnte also zu allerlei Ungelegenheiten führen, wenn man in die Zwangglage versezt würde, den neu zu wählenden Reichstag aus Rücksicht auf das Sozialistengesetz bereits möglichst früh im Frühjahr 1890 berufen zu müsfen, und so empfiehlt es sich ganz von selbst, die ,, frage noch vom gegenwärtigen Reichstage erledigen zu lassen. Ob no in der laufenden oder erst in der nächsten Tagung, ist ziemli gleichgültig; da man jedoch nicht wissen kann, mit welchen vielleicht unerwarteien Aufgaben die ohnehin ziemlich knapp bemessene nächste . belastet sein wird, so erscheint es sehr erklärlich, wenn die preußlsche Regierung die in Rede stehende Frage schon jetzt in Anregung bringt. Das gn Interesse wird sich nunmehr darauf richten, was dieselbe dem Bundesrath vorzuschlagen gedenkt. Wenn es einstweilen heißt, man sei im Staats⸗Ministerium einverstanden darüber, daß eine wesentliche Aenderung des bisherigen gesetz. lichen Zustandeß nicht möglich sei, so wird das Loch wohl sehr cum grano alis verstanden werden müssen. Daß an eine einfache Aufhebung des Sozialistengesetzed nicht zu denken ist, versteht sich von selbst. Was in den sozialdemokrgtischen und ähnlichen Bestrebungen an offenbarer revolutionärer Gefahr ent . halten ist, wird eben r alle Zukunft bekämpft werden müssen. Möglicherweise ist man im Staats Ministerium auch der Ansicht. daß eine Aenderung des bisherigen Zustandes insofern nicht mög⸗ lich sei, als der vielfach empfohlene Boden des gemeinen Rechts nicht beschritten werden könne, es vielmehr bei der bisherigen Weise der Sondergesetzgebung bewenden müsse und höchstens einige Milderungen derselben in Frage kommen könnten. In Einem Punkte aber wird man. wie wir wenigstens bis jum Beweise des Gegentheils annehmen möchten, wohl auch in der preußischen Regierung von der Nothwendigkeit einer wefentlichen Aenderung des Blsherigen überzeugt sein: wir meinen im 1 der Dauer der fraglichen Gesetzgebung. Die ewig erneuten ebatten über die Verlängerung des . haben in unser öffentliches Leben eine Vergiftung r ,,,, die in Zukunft unter allen Umständen vermieden werden muß. Es läßt sich deshalb vorher. sehen, daß der demnächstige Antrag Preußeng beim Bundesratb mit dem Syftem einer Gesetzgebung auf beschränkte Zeit brechen wird.
— Die „Hallische Zeitung“ sagt:
In der Reichs. Haupfstadt wird Ceselagt sꝑhsahr ein Lohnkampf ausbrechen, wie Berlin noch keinen erlebt hat — so verkündigen, wie schon gemeldet, sozialdemokratische Blätter. Und wirklich ge⸗ wahren wir eine außerordentlich lebhafte Bewegung unter den ge⸗ werblichen Arbeitern fast aller Berufe. Jeder Tag bringt eine roße Anzahl von Fachvereinsversammlungen, in denen über Lobn⸗ ö verhandelt wird, für die Strikekafsen der Bauhandwerker wird schon seit Wochen gesammelt, daneben werden wieder Arbeite ⸗ rinnen · Versammlungen abgehalten und neue politische Vereine (Dil dungs ⸗ und Bezirkä vereine) gegründet. Um auch die städtischen Ar⸗ beiter in die Bewegung hineinzuziehen, hat der Stadtyergrdnete Singer Anträge in der Stadtverordnetenversammlung gestellt, die sehr namhafte Lohnerhöhungen für die Straßen⸗, Kanal ⸗ und Garten⸗ Arbeiter fordern.
Man muß Angesichts einer solchen Massenbewegung zunächst fragen, ob irgend zwingende Gründe in dem Verdienst der Arbeiter oder in der allgemeinen Geschäftslage vorhanden sind, welche höhere Lohnforderungen berechtigt und nöthigenfalls auch Strikes aus⸗ sichtsvoll erscheinen lassen könnten? Die Frage ist nach beiden Seiten zu verneinen; die Löhne sind im Allgemeinen gut auskömmliche und andererseits liegt keine besonders günstige , Konjunktur vor, wenngleich die Geschäftslage im Allgemeinen befriedigend ist. Nehmen wir auch einmal an, daß die Lebensmittel in Folge des besseren Standes des Getreidepreises auf dem Weltmarkte etwas theurer geworden sind, so sind es doch lange keine Theuerungspreise und waren 1881 — 1883 die Lebensmittel ent⸗ schieden theurer bei niedrigeren Löhnen als jetzt. In den häufigen Versammlungen, die jetzt abgehalten werden, fehlt eg auch durchaus nicht an Stimmen, welche das vorher Gesagte anerkennen. So wurden z. B. in einer Versammlung der , die Maurer und Zimmerer gewarnt, jetzt Verkürzung der
rbeitszeit (uf 9 Stunden] und Erhöhung des Stundenlohns (bei den Maurern von bo auf 60 9) auf einmal zu fordern; denn solche Löhne seien nicht zu halten, sie würden einen starken Zufluß aus⸗ wärtiger Bauhandwerker anziehen, der dann die Löhne wieder drücken würde. Die Putzer beschlossen für sich, die Arbeitszeit von 10 auf 9 Stunden herabzusetzen, da ihr Akkordlohn ihnen dann immer noch ein auskömmliches Leben sichere.
In der That weist auch die Gleichzeitigkeit von Strikevorberei⸗ tungen in allen Fachvereinen, denen wieder lebhafte Bewegungen auf rein politischem Gebiet, die Gründung von Bezirks! und Wabl= vereinen, zur Seite gehen, auf andere außerhalb des Arbeits ⸗ und Geschäftsmarktes liegende Zwecke hin, welche mit der Ankündigung eines allgemeinen Lohnkampfes von bis dahin unerhörtem Um⸗ i verfolgt werden. Die Erklärung ist einfach. Innerhalb Jahresfrist muß aufs Neue zum Reichstage gewählt werden. Als die sozialdemokratische Fraktion nach Eröffnung des Reichstages im Herbst 18838 zusammentrat, erließ sie sofort ein Manifest, in welchem den Genossen die ausgedehnteste und eindringlichste Agitation bis in den fernsten Winkel des Landes ans Herz gelegt wurde. Da die J. nur von der Unzufriedenheit der Massen leben kann, ist die
rregung derselden ihr Hauptgeschäft — daher diese Strike⸗ bewegung, welche in Berlin am schärfsten hervor tritt, sich aber über alle Orte, wo die Sozialdemokraten Ein⸗ fluß haben, erstreckt. Man weiß, daß die Sozialdemokratie von Strikes als Mittel zur Verbesserung der Lage des Arbeiters theoretisch äußerst gering denkt, praktisch aber sie lebhaft zur Hebung des Klassengefühls“ der Arbeiter betreibt. Das Elend, das aus Arbeitseinstellungen so häufig entsteht, schreckt sie nicht ab, sie braucht die Strikes namentlich, um den Fachvereinen, ihren Manövrir⸗ und Exercierplã . neue Rekruten zuzuführen. Diefer sozialdemokratische Parteicharakter, welcher der gegenwärtigen Strikebewegung innewohnt, darf nicht übersehen werden.
Statistische Nachrichten.
Das Januarheft der Mongtshefte des Kaiserlichen Statistifchen Amts“ bringt, außer einer Uebersicht über die im Jahre 1888 ergangenen Anordnungen des Bundesraths für die Statistik des Reichs, folgende Nachweise: 1) Waaren-Einfuhr und Ausfuhr im Jahre 1888 nach den einzelnen Waarengattungen, den Mengen und hauptsächlichen Herkunfts- bezw. Bestimmungs⸗ ländern, vorläufige Mittheilung; 2) die entsprechende Uebersicht für Januar 1889; 5) Taback⸗Besteuerung ꝛ. im Erntejahr 1887/88; 4 Rüben-Zucker⸗Besteuerung ꝛe. von Augufst 1888 bis Januar 1889; 5) Burchschnittspreise im Großbandel für Januar 1889; 6) überseeische Auswanderung im Jahre 1888 und im Januar i. J von Seeleuten der Handelsmarine im
ahre (
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Das soeben erschienene 11. Heft des ‚Klassischen Bilder⸗ schatzes“, herausgegeben von Dr. R. von Reber und Ad. Bayer dorfer (Verlagsanstalt für Kunst und Wissenschaft, vorm. Fr. Bruck= mann in München), enthält sechs Blätter nach Raffael, Murillo, Thomas de Kayfer., van Dyck. Stephan Lochner und Hans Holbein d. J. deren Originale sich in München, Sevilla, Pest, Darmstadt und Basel befinden. (Preis des Heftes 50 9.) .
— Das 11. Heft der Kunst für Alle“ (Verlagsanstalt für Kunst und Wissenschaft, vorm. Friedr. Bruckmann in München) bringt ein Porträt Kaiser Wilbelm's J. von J von Lenbach. Ein Bild des verstorbenen Rud. Jordan, Ein Rettungsboot“, ein Bild von Harry Jechmus, „Kinder in der Sommerfrische! und eine Landschaft von Cd. von Lichtenfels schließen sich dem Kaiser⸗Porträt als gaaz⸗ fat Bilderbeilagen an. Der Text bietet aus. der Feder des Kunst⸗ christstellers Hermann Helferich einen mit zahlreichen Illustrationen erläuterten Aufsatz über diejenige Phase der englischen Kunst, die durch Turner, Bonington und Constable bezeichnet wird, und fesselnde Briefe aus Paris von Otto Brandes, während wir bei den Illu— strationen noch ganz besonders auf die Entwürfe zum Grimm ⸗Denkmal für Hanau aufmerksam machen wollen.
— Im Verlage von Ernst Siegfried Mittler u. Sohn, König⸗ liche , , hierselbst (Kochstraße 68 – 70), erschien soeben die Deutfche Wehrordnung“ vom 22. November 1888, nebst ,, . Mustern und Anlagen sowie Anhang und Inhalte⸗ verzeichniß.
— Von der angelündigten Volksausgabe des Werks: Graf Bismarck und seine Leute während des Krieges mit Frankreich“, nach Tagebuchblättern von k ¶ . ver⸗ mehrte und verbesserte Auflage, Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig) ist nunmehr die erste Lieferung (Pr. 60 8) zur Ausgabe gelangt. In 10 Lieferungen soll das Werk vollständig vorliegen.
— Ernst Scherenberg' s nationale dramatische Dichtung Germania, welche am 16. Februar d. J. mit glänzendem Erfolge am Victoria · Theater hierselbst zum ersten Male in Scene ging, ist im Verlage der Bädeker'schen Buch⸗ und Kunstbandlung in Elberfeld im Druck erschienen. Der Preis des Eeriegen ausgestatteten Werkes, elegant gebunden mit Goldschnitt, beträgt 3 40
— Die Nr. 8 Jahrgangs 1889 von Schorer's blatt“ (red. von Dr. Franz Hirsch, Berlin) hat folgen⸗ den Inhalt: Hofluft. Roman von Nataly von Gschstrutb. Z. Fortsetzung) — Wer weiß? Gedicht von Wilhelm Franz. —
ern von Madrid. Eine Erzäblung aus dem öͤsterreichischen Klein⸗ tadtleben. Von F. von Kapff⸗CGssenther. (Schluß.) — Eine Riesen ⸗ völkerkunde. Von Adolf Kohut. Mit Illustrationen aus Ratzel's Völkerkunde. — Ehen auf Abzahlung. J. — Lassalle's letztes Lebens ⸗˖ jahr. Von einem Freunde des Verewigten. Mit dem hier zum erften Mal veröffentlichten Bild ‚Lassalle auf dem Todtenbett . — Die riedensliebe der Franzosen. = Plauderecke. — Beilage. — Nunst. lätter: Eine harmonische Ehe. Nach dem Gemälde von Ernst
am ilien⸗
Müller. — Ferdinand Lassalle auf dem Todtenbett. Nach einer hier zum ersten Mal veröffentlichten Zeichnung.