1889 / 208 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 02 Sep 1889 18:00:01 GMT) scan diff

Tagung für eröffnet. Zu Ehren des verstorbenen Staata⸗ Ministers von Wolffersdorff erhob sich die Versammlung von ihren Plätzen. .

der gestern Vormittag abgehaltenen Sitzung stand die Präsidentenwahl auf der Tagesordnung. Einstimmig gewählt wurde der Abg. Hartmann (Arnstadt), welcher die Wahl annehmen zu wollen erklärte und sofort vom Staats rath Petersen vereidigt wurde. Nach Vertheilung der Vorlagen an die verschiedenen Devutationen brachte der Abg. Schatz den Antrag ein, in Anbetracht der hochherzigen Gabe des Fuürsten zum Bau des Volksschulgebäudes, die Summe von 25 aus bereiten Staatsmitteln zu demselben Zwecke der Fürstlichen Staatsregierung zur Verfügung zu stellen. Das Gesuch des Abg. Dr. Kieser, mit Rücksicht auf sein hohes Alter seines Amts als Vize⸗Präsident enthoben zu werden, wurde mit allen gegen eine Stimme genehmigt.

In einer am Nachmittage des nämlichen Tages ab⸗ gehaltenen Sitzung wurde der Abg. Gremse zum Vize⸗Prä⸗ sidenten gewählt und der Antrag Schatz einstimmig an⸗ genommen.

Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 1. September. (W. T. B.) Der Fürst von Montenegro ist mit dem Erbprinzen in Begleitung des Minister⸗Präsidenten Bozo Petrowitsch so⸗ wie des Flügel⸗Adjutanten Petrowitsch aus St, Petersburg gestern hier eingetroffen und setzte heute die Reise nach Cetinje fort. Das neue Exerzier-Reglement für die In— fanterie, sowie die abgeänderte Schieß in strukt ion werden, dem „Prag. Abdbl.“ zufolge, am 15. September er—⸗ scheinen und am 1. Oktober in Kraft treten. Die dies jährige Uebungsreise des Generalstabes vom 8. bis 21. Sep⸗ tember . das östliche Bosnien zum Ziele.

Karlsbad, 31. August. König Milan ist unter dem Inkognito eines Grafen von Takova zu längerem Kur— aufenthalt hier eingetroffen.

Großbritannien und Irland. London, 31. August, (A. C.) Unter dem Titel „Weiterer Schrift wechsel derreffs Deutschlands und Zanzibgrs« ist dem bri⸗ tischen Parlament ein ziemlich umfangreiches Blau⸗ buch über die Vorgänge an der Ostküste von Afrika in der Zeit vom Dezember 1838 bis Ende Juni d. 7. vorgelegt worden. Das Blaubuch enthält 162 amtliche Depeschen, dienstlichi Meldungen u. s. w. und schließt mit einer vom 24. Juni datirten Depesche des interimistischen General-Konsuls Portzal in Zanzibar an den Marquis von Salisbury, worin derselbe die an der Küste des Festlandes innerhalb der deutschen Konzession statt⸗ ESreignisse in faßlicher Form zusammenstellt.

Portal schreibt:

In einer früheren Depesche hatte ich dig Ebre, zu melden, daß der deutsche Admiral und Hauptmann Wißmann eine gemeinsame Kundmachung erließen, welche die feierliche Warnung giebt, daß falls die Einwohner der Küstenstädte sich nicht Willens zeigen, Frieden zu schließen, aktive Feindseligkeiten längs der Küste im Norden von Bagamoyo beginnen würden. Ich fühle mich vervflichtet, meine früheren Bemerkungen ju ergänzen durch die Erflärung, daß Hauptmann Wißmann durchweg die größte Höflichkeit und Wohl⸗ wollen bewies, indem er mich über seine Absichten, seine Operations- pläne und deren Felgen völlig auf dem Laufenden hielt; er hat sich stets bestrebt erwiesen, sein Aeußerstes zu thun, um die Interessen der Missionäre in der deutschen Ginflußspbäre zu respektiren und das Leben und Vermögen britisch-indischer Unterthanen in den Städten, die anzugreifen er . würde, vor Verlust und Unfall zu bewahren. Meinerseits habe ich mich befleißigt, dem Hauptmann Wißmann jede Nachricht mitzutbeilen, die mir aus anderen Quellen zuging und nach meinem Ermessen von Interesse oder Wichtigkeit für ibn war, und ich habe auch mein Aecußerstes gethan, um ihm in seinen Bestrebungen, die Eingeborenen zur Unterwerfung zu bewegen, be hälflich zu fein. Anfangs Juni hörte ich aus unanfechtharer Quelle daß die Macht Bushirüs durch den erfolgreichen deutschen Angriff vom 8. Mai tbatsächtlich gebrochen worden sei. Seine arabischen Anhänger verließen ihn und kamen zu Vieren oder Fünfen, wenn immer eine befreundete Dhau ihnen eine Gelegenheit gab, nach Zanzibar. Die Eingeborenenstämme des Küstenbezirks waren niemals sehr begeistert für ushiris Sache gewesen und nach der Ab— reife der meisten überlebenden Araber schmolzen auch sie zusammen. Stets seit dem Beginn dieses Monats war Bushiri von Dorf zu Dorf in der Nachbarschaft von Bagamoyo gewandert, war viele Tage in ein und demselben Orte geblieben und erfolgreich allen Ver⸗ suchen der deutschen Streitkräfte ihn gefangen zu nehmen, entschlüpft, aber bislang erfolglos geblieben in seinen beständigen Bestr ebungen, die Stämme der Nachbarschaft zu bewegen, die Waffen zu ergreifen und sich in Stärke gegen die disciplinirten Truppen unter Hauptmann Wißmann's Befehl zu schaaren. Nachdem in der Nac barschaft von Baßamoyo somit jeder Widerstand aus dem Wege gerãumt worden, richtete sich die Aufmerksamkeit der deutscken Behörden zu. nächst auf Saadani, welcher Ort der Schauplatz der Ermordung des englischen Laienmissionärs Brooks mit etwa 18 Personen seines Ge⸗ folges am 21. Januar gewesen war. Es war kein Raum für irgend eine Hoffnung auf friedliche Unterwerfung Seitens der Einwohner dieser Stadt vorhanden; die Boote eines deutschen Schiffes, welche sich dem Ufer am 5. d, näherten, wurden mit einem hestigen Feuer der Eingeborenen, welche nach dem Gestade eilten, empfangen, und es wurde demnach beschlossen, den Platz durch Waffengewalt zur Ueber⸗ gabe zu jwingen. .

Hierauf folgt eine Schilderung der Einnahme von Saadani, welche mit dem deutschen Bericht über dieses Er⸗ eigniß völlig übereinstimmt. Dann fährt die Depesche fort:

Seitdem widmete Hauptmann Wißmann seine Aufmertsamkeit der Möglichkeit, Frieden mit der Bevöl kerung von Panggni, welche einige Zeichen eines Wunsches nach einer Verfständigung bekundet hatte, zu schließen. Hauptmann Wißmann's Truppen in Bagamoyo sind damit beschäͤftigt, die Nachbarschaft dieser Stadt von allen Ueberresten des Widerstandes zu sãubern, und ist dies ihnen soweit gelungen, daß Haupt mann Wißmann ict eine Einladung an alle britisch indischen Kaufleute erlassen hat, nach Bagamoyo Behufs Wiederaufnahme ihres gewöhn⸗ lichen friedlichen . unter seinem Schutze zurückzukehren. Wenige Tage nach der Zerstörung von Saadani kam eine große und . volle Elfenbein Karavane unter einem Sobne Tippo Tip's in den Ruinen diefer Stadt an, und die indischen Kaufleute säumten nicht, derselben massenhaft zu begegnen; andere Karavanen treffen in Pangani ein und ich darf mit Sicherbeit melden, daß sobald die Panganifrage erledigt ist, alles ein bevorstehendes Wiederaufleben des Handels an der Küstenlinie der deutschen Koniessien anzu. deuten scheint. Aus Kilwa, Lindi und anderen Orten im Süden des deutschen Gebiets wird nichts von Belang gemeldet. Hauytmann Wißmann sagt mir, daß er während der näͤchsten 2 oder vielleicht 3 Monate mit der Beruhigung und Entwickelung des Handels im nördlichen Theile des deutschen Distrikts vollauf beschäftigt sein, daß er aber alsdann seine Aufmerksamkeit dem Süden zuwenden werde und daß er beabsichtige, über Kilwa eine höchst strenge und exemplarische Züchtigung wegen der Ermordung von zwei Deutschen daselbst im Heibst v. J. zu verhängen.

Ueber den weiteren Verlauf des Dockarbeiter—⸗ Strikes meldet die „Allg. Corr.“

Während die Unterhandlungen iwischen dem Ausschuß der strikenden Dockarbeiter und den Vertretern der Dockgesellschaften

det.

täglich aufgenommen werden, ohne daß ein Erfolg erzielt wird, giebt 1 unter den Arbeitern allmählich die Neigung kund, die Arbeit unter allen Umständen wieder aufzunehmen, da die Noth unter den Befchãftigungslosen täglich größer wird. Die Gaben für den Strike fonds , nicht reichlich genug, um alle Nothleidenden unterstützen zu können. Jedenfalls herrscht unter den Strikenden nicht mehr so große Begeifferung wie zum Beginn des Ausstandes, und täglich be⸗ sbeiligen sich weniger an den ublichen e und Kundgebungen. Die Dockverwaltungen behaupten, daß während der leßten wenigen Tage gegen 20600 Arbeiter in den verschiedenen Docks wieder zu den alten Eobnsätzen arbeiteten, aber die Führer des Ausstandes stellen dies in Äbrede. Die Noth im Ostende nimmt mit jeder Stunde ju, und die Polizeibehörden fürchten, daß wenn der Ausstand noch einige Tage anhält, Ausschreitungen und Gewalttbaten Seitens der aus. ständischen Ärbeiter unvermeidlich eintreten dürften. Ob das etwas unverfrorene Verlangen des Generalausschusfes der strikenden Hafenarbeiter, daß nächsten Montag die Arbeiter sämmtlicher Londoner Gewerke ftriken sollen, falls die Dockgesellschaften unnachgiebig bleiben, der Sache der Hafenarbeiter nützen dürfte, wird sehr bezweifelt. Ueberdies baben mehrere Gewerke, darunter der Setzerverband, bereits erklart, daß sie sich an einer allgemeinen Arbeitseinstellung nicht betbeiligen würden. Unter den Umständen haben die Vertreter der Hafenarbeiter die Unterhandlungen mit den Landung werstenbesitzern wieder aufgenommen, um durch ein Arbeitsabkommen mit denfellen die Docigesellschaften aufs. Trockene zu setzen. Das Abkommen hat Äussicht auf Verwirklichung. Das Abkommen soll alsdann auch den Dockgesellschaften unterbreitet werden, um den⸗ felben Gelegenheit zu geben, aus ihrer unnacgiebigen Haltung herauezutreten. Die wichtigste Bestimmung des Abkommens ist, daß an Stelle der Kontraktarbeit ein System von Stückarbeit treten soll, kraft deffen die Arbeiter die ganze fuͤr das Stück vereinbarte Summe dirert von der Dockgesellschaft erhalten und inzwischen ein Minimum von 6 Pence die Stunde gewöhnliche Zeit und 8 Pence die Stunde ,, für ihre Arbeit während der Dauer der Siückarbeit beziehen sollen. .

Ferner liegen aus dem „W. T. B.“ noch folgende Depeschen über den Strike vor:

London, 31. August. Die Direktoren der Dock. Compagnien baben das gestern von den Werftenbesitzern entworfene und von dem Strike ⸗Ausfchuß angenommene Abkommen, welches gewisse Konzes⸗ ssonen enthielt, heute Nachmittag mit der Erklärung abgelehnt, die Vorschläge nicht acceptiren zu können, jedoch etwaige ihnen von den Arbeitern zugehende Beschwerden in Erwägung ziehen zu wollen.

1. September. Der General ⸗Ausschuß der strikenden Dock⸗ arbeiter hat das Manifest, welches im Falle der Nichtannahme der Forderungen der Dockarbeiter einen allgemeinen Strike empfiehlt, zurückgezogen und richtet nun an die Gewerkvereine Englands und des Kuskandes das Ersuchen, finanzielle Unterstützungen für die

Strikenden beizusteuern.

2. September. Gestern a fand im Hyde Park ein

großes Meeting der strikenden Tockarbeiter statt, welchem eg. 150 900

. beiwohnten. Burns und andere Leiter des Strikes hielten eden, worin sie den festen Beschluß der Dockarbeiter betonten, den

Strike weiterzuführen, bis ibre Forderungen von den Direktoren be⸗

willigt seien. Es wurde unter den Anwesenden eine heträchtliche

Geldfumme zu Gunsten der Strikenden gesammelt; die Ruhe wurde

nirgends gestört.

Frankreich. Paris, 30. August. (W. T. B.) Der „Köln. Ztg.“ wird, mit Rücksicht auf die bevorstehenden all⸗ gemeinen Wahlen, die folgende Uebersicht über die Wahlen

von 1876, 1877, iss1 und 18856 mitgetheilt:

Wabl am Wahl am Wabl am Wabl am 20. Febr. J 21. Aug. 4. Okt ,,

i856. iss. 1855.

.

7 388 234 8087 323 7181 443 6710820 Republikanische Stimmen 4028153 4367 202 5128 442 3565 412 Monarchische Stimmen. 3 202 233 3577 882 1789 767 3 147 129 Re n sche ern rte , rs, ,

Menarchis he Schutirte i1. 3683 56 263

Aus dieser Zahlenzusammenstellung ist ersichtlich, daß die Zahl der ihr Wahlrecht ausübenden Bürger seit 1877 stetig ab⸗ genommen hat und zwar in noch J Grade, als aus der

Abgegebene Stimmen ..

Tabelle ersichtlich wird, denn gleichzeitig mit der Abnahme der abgegebenen Stimmen stieg die Zahl der Wahlberechtigten von 9 706000 auf 10 300 000.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 31. August. W. T. B.) Die auswärts verbreitete Nachricht; der zar werde in Folge der gefährlichen Erkran⸗ kung der Großfürstin Wladimir zurückerwartet, ist sicherem Vernehmen nach völlig un begrün⸗ In bestunterrichteten Kreisen ist von einer Rück= kehr aus dem bezeichneten Grunde nichts bekannt, auch giebt der Zustand der Großfürstin Wladimir augenblicklich keinen Grund zu so ernsten Bedenken. Nach einem heute ausgegebenen Bulletin schreitet die Besserung in dem Befinden der Groß⸗ fürstin weiter fort.

Italien. Rom, 31. August. (W. T. B.) Nach einer Meldung der „Agenzia Stefani? erhielten der Chef der Schoanischen krsfon, Makonnen, sowie der Afrika⸗ sorscher Graf Antonelli Nachrichten aus Schoa und Harra, denen zufolge daselbst Alles ruhig ist. Der König Menelik werde sich Ende September als Negus von Abessinien krönen und durch den Hi eh Mattheos salben lassen. Alle von Menelik in den befetzten Provinzen ernannten Häuptlinge und. Ge⸗ nerale befänden sich auf, ihren Posten. Auch die „Riforma“ tritt den alarmirenden Nachrichten über die Lage in Abessinien entgegen. Die Rückkehr des Königs Menelik

nach Schoa sei schon vor dem Abgange der schoanischen Mission

beschlossen gewesen, da Menelik wünschte, sich vor der , feinem Volke zu zeigen. Ras Alula sei ganz machtlos, wei derselbe weit von seiner Dperationsbasis zurückgeworfen worden sei.

2. September. (W. T. B.) Nach einer Meldung der „Agenzig Stesani“ aus Massovah wurde in Asmara die dem äußeren Fort Betmaha, welches ohne Artillerie unein⸗ nehmbar ist, benachbarte Anhöhe besetzt, und befestigt. Die Soldaten arbeiten eifrig an den Befestigun gen sowie der Vervollständigung der Magazine und W e nn um den italienischen Besitz in Amasen immer mehr zu sichern.

Spanien. Madrid, 1. September. W. T. B.) An Stelle des General-Kapitäns von Neu⸗Castilien, Goyen eche, welcher wegen Differenzen mit dem Kriegs⸗ Minister seine Entlassung genommen hat, ist Rodriguez Arias, zum General⸗Kapitän von Andalusien General⸗Lieutenant Labas Marin und zum General⸗ i , der Infanterie General Polavieja ernannt worden.

. ,, Bern, 31. August. (Bund.) In der gestrigen Sitzung des Bundes raths wurde folgender . gefaßt:

Der schweizerische Bundesrath, nach Einsicht eines Berichtes und Antrages seines Justiz, und Polizeidepartementes über die am 17.

18. und 25. August 1889 an verschiedenen Orten in der Schweiz erfolgte geheime Verbreitung eines Imprimates, be. titelt: Hen n fen der schweizerischen Anarchisten“ mit dem Schlusse: Hoch die Anarchie in Erwägung: daß die Urheber und Verbreiter dieses Manifestes der in Art. 1 und 48 des Bundesgefetzes über das Bundesstrafrecht vom . Februar 1853 vorgeschlagenen Delikte sich schuldig gemacht ju haben scheinen, in Anwendung von Art. 4, 6, 11 u. ff. des Bundes gefetzes über die Bundesstrafrechterflege vom 27. August 1851 und von Art. 356 und 37 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 27. Juni 1874, beschließt:

I) Gegen die Urheber und Verbreiter det Manifestes der Schweizer Anarchisten wird die strafrechtliche Untersuchung eingeleitet.

27) Hr. Josef Stockmar, Mitglied des schweijerischen National⸗ rathes und Chef der Polizei⸗Direktion des Kantons Bern, ist zum Generalanwalt der schweizerischen Eidgenossenschaft ernannt und es sind ihm für diese Untersuchung die durch die Bundesgesetzgebung dem Generalanwalt zugeschiedenen Befugnisse eingeräumt. Die sämmt⸗ sichen Untersuchungsakten sind dem Herrn Generalanwalt zu übergeben und die Verhafteten werden zu seiner Verfügung gestellt.

3) Der gegenwãrtige Beschluß wird dem schweizerischen Bunde gericht mitgetheilt, mit der Einladung, Anordnungen zu treffen, damit die Ünterfuchung von den gerichtlichen Beamten beförderlichst an Hand genommen werden kann. ö

4) Dieser Beschluß ist auch den sämmtlichen Kantonsregierungen . . deren Vermittlung den kantonalen Polizeibehörden mit ˖ zutheilen.

5) Das eidgenössische Justiz . und Polizei Departement ist mit der Vollziehung des gegenwaͤrtigen Beschlusses beauftragt.

(W. T. B.) Der Graveur Albert Nicolet in Chaux de Fonds, welcher sich als Verfgsser des Mani⸗ fe st ö. der Schweizer Anarchisten bekannt hat, ist verhaftet worden.

Bulgarien. So fia, 31. August. (W. T. B.) Anläßlich des Jahrestages der Thronbesteigung des Sultans überbrachte der General-Sekretär des Ministeriums des Aeußeren Pa najo low, dem Sekretär des hiesigen ottomanischen Kommissariats, Reschid Bey, die Glück⸗ wün sche der bulgarischen Regierung. Die hier anwesenden diplomatischen Agenten machten demselben gleichfalls Gratu⸗ lationsbesuche.

2. September. (W. T. B.) Der diplomatische Agent Serbiens, Body, gab im Auftrage seiner Re⸗ e n. der bulgarischen Regierung, die Versicherung,

die Intentionen Serbiens durchaus friedliche seien, und daß die jüngsten militärischen Maßnahmen aus⸗2 schließlich zur Durchführung der seit längerer Zeit be⸗ schlossenen Reorganisation der Reserve dienen, deren . zu 14tägigen Uebungen herangezogen werden ollen.

Zeitungs stimmen.

Die Blätter widmen heute ihre Betrachtungen dem National⸗Festtage.

Die „Schlesische Zeitung“ schreibt: Neunzebn Jabre sind Vergangenheit geworden. seit die gewaltige Siegeskunde durch die deutschen Lande rauschte, welche es unserem Volke zur Gewißheit machte, daß wir endlich zu dem Ziele gelangt seien, fär dessen Erreichung die Edelsten und Besten der Nation Generationen hindurch gelitten und gestritten. Vor dem geistigen Auge erschien unsere nationalpolitische Einbeit vollendete Thatsache; von den ungemeinen Schwierigkeiten, die es noch zu überwinden galt und die mit Gottes Hülfe durch den Genius unserer Feldherren, durch den Todesmuth unserer Streiter und durch Meister- leistungen der Staatskunst glücklich überwunden worden sind von diesen machte sich Niemand eine Vorstellung. Nicht die Größe des Sieges, des größten, von dem bis dabin die Geschichte wußte, war es, was die tieffte Wirkung auf die Volks— seele übte, sondern das nach der Lage der Dinge politisch nicht mehr belangreiche Napoleon gefangen!“ Obwohl die kühnen Hoffnungen, welche an Sedan geknüpft wurden, sich nicht erfüllten und dem schweren Kriege gegen das Kaiserreich alsbald ein nicht minder schwerer gegen die Reyublik folgte, konnte dieser gewaltige Eindruck in Denen, die ibn getheilt haben, nicht mehr erlöschen; er hat sich fortgeerbt auf das nachrückende Geschlecht und wird sich weiter ver⸗ erben. Der Tag von Sedan wird ein nationaler Festtag der Deut schen bleiben, bis vielleicht einmal die Gesammtlage Europas eine völlige Wandlung erfährt und Franzosen und Deutsche, zwei Völker, die ibrer ganzen Naturanlage nach durchaus berufen sind., einander zu ergänzen, sich zur Erfüllung großer Kulturaufgaben die Hand reichen... Freudigeren Herzens, gehobeneren Sinnes sind wir dem Sedan fest selten entgegen gegangen als im laufenden Jahr. Bietet doch Alles, was seik dem Regierungeantritt unseres jugendlichen Kaisers in die Erscheinung getreten ist, die denkbar beste Bürgschaft dafür, daß uns daß, was vor neunzehn Jahren in schwerem Kampf errungen wurde, erhalten bleibt, ohne daß unser Volk auf absehbare Zeit hinaus neue blutige Opfer zu bringen hat. Vom ersten Tage seiner Regierung an hat Kaiser Wilhelm l, feine ganze gewaltige Jugend- * daran gesetzt, den mitteleuropäifchen Friedensbund zu stärken, zu festigen und gute, friedliche Beziehungen auch mit denjenigen Staaten aufrecht ju erhalten, welche diesem Bunde nicht angehören. Er hat dabei Erfolge erzielt, die uber jede Erwartung hinausreichen. Angesichts alles dessen sind wir durchaus berechtigt, unferen ö Festtag stolzen, freudigen und sorgenfreien Herzens zu eiern.“

Am Schluß eines Artikels der „Berliner Börsen⸗ Zeitung“ heißt es:

Mit besonderer Genugthuung muß es uns erfüllen, daß es Deutschland vergönnt gewesen ist, fich zum 19. Male des nationalen Gedenktages im vollen Frieden zu erfreuen.

Gewiß verkennen wir nicht, welche großen Opfer uns die Er⸗ baltung dieses Friedens auferlegt und noch für unabsehbare Zeiten auferlegen wird. Deutschland trägt eine schwere Rüstung, aber, wie wir mit stolzer Zuversicht sagen können, wahrlich nicht zwecklos: darum geben wir uns auch der Gewißheit hin, daß der mannhafte Entschluß, sie auch ferner zu ertragen, so lange das Geschick es erfordert, nicht erlahmen wird. Und dazu dürfte gerade wiederum die nationale ir die wir begehen, stets neue Impulse geben.

Wir haben es. Gott sei Dank, nicht nöthig. iu fürchten, daß das nationale Selbstbewußtsein, welches durch derartige Gedenl tage gepflegt und erweckt werden joll, in auvinistische Selbstüberschätzung auzarken könnte, das beweist zur Genüge ein Rückblick auf die ver. flofsenen Jahre, das beweist die allseitige begeisterte Zustimmung in dem polinischen Ideal, welches die Leiter der deutschen Politik zu dem

ihren gemacht haben.

Wenn man am 2. September durch ganz Deutschland dankbar der großen Errungenschaften gedenkt, welche der Tag von Sedan uns gebracht, so erhitzen keine abenteuerlichen Gelüste die Gemůther, wir werden nur bestärkt in dem festen Entschlusse, das Erworbene zu ver. theidigen mit der ganzen Kraft, die uns zu Gebote steht; wir werden nur von Reuem an die erhabene Friedensmission erinnert, die Deutsch⸗ land zugewiesen wurde, als es am Abend des 1. September den Höhepunkt militãrischer Erfolge erreichte, eine Mission, die mit 66 Ginsicht von Fürst und Volk erkannt und in seiner ganzen

ragweite gewürdigt worden ist.“

n den, Mecklenburgischen Nachrichten“ lesen wir: „eunzehn Jahre, das ist eine kurze Sanne Zeit im Leben eines Bolles, aber eine lange in einem Menschenleben. Die Jünglinge, die damals hinauszogen, in den Kampf, sind, soweit sie nicht schon den Sieg mit dem Leben bezahlt, jetzt ju Mannern geworden, Ein Theil der Führer, die damals unsere Armeen zu Ruhm und Ehre führten, sind entweder hochbetagt sckon heimgegangen oder legten doch müde das Schwert aus der Hand. Wilbelm 1, durch Gottes Gaade be, rufen, die deutsche Nation sich selbst wieder zu geben. lebt wohl in unseren Herzen fort, aber nicht mehr unter uns. Das mag uns wehmütbig ftimmen, aber es braucht uns nicht bange ju machen. In langer, fiiller Arbeit und Menschenaugen unsichtbar ist für Deutsch jand eine Zeit und ein Geist zur Reife gekommen, der schließlich einen Tag von Sedan möglich gemacht hat. Es wäre traurig, wenn wir fürchten müßten, daß die Wirkung. des Tages. und sein Segen nicht weiter als wenige flüchtige Jahre reichen werde. r leichter ist es zu erwerben, als das Erworbene fjestzuhalten. as gilt nicht bloß von des Reichtbums und äußerer Güter ver gänglichem Schimmer, sondern auch von geistigen Errungenschaften und dem Erwerb eines Volkes an Ehre und Macht. Indeß, das ist ja eben das Große des Tages von Sedan, daß er uns einen Blick in das Innerfle unserer selbst hat thun lassen und immer von Neuem thun heißt, jund daß er in uns die Erkenntniß gezeitigt hat, daß nichts mehr einer Nation Bestand und Gedeihen verbürgt, als Einigkeit und eine auf Gottesfurcht und fromme Sitte begründete Tächtigkeit, welche Tapferkeit, Treue und Gehorsam wirkt.“

Zum Schluß geben wir die Auslassungen der „Karls⸗ ruher Zeitung“ wieder: . .

„Während der Tag der Versailler Kaiserproklamation in der Oeffentlichkeit nabezu unbemerkt vorübergeht, feiert man die Begrün⸗ dung des neuen Deutschen Reicks gleichzeitig mit dem Gedächtniß an die größte Waffenthat des Feldzuges, welcher der Errichtung des Kaiserthums voranging. Das mag historisch nicht ganz unanfechtbar fein, denn von der Kapitulation Sedans bis 9. Kaiserproklamation in Versailles war nech ein weiter, unter schweren Opfern , Weg; es lag eine größere Zeitspanne jwischen den beiden Creignissen als zwischen dem Beginn des Feld juges und dem Kampf bei Sedan. Die Erwartung, daß Ter Ge⸗ fangennahme des Kaisers Napoleon ein baldiger Friedensschluß folgen werde, erwies sich als irrig; unserem tapferen Heer ftand noch eine barte Zeit bevor und insbesondere war der Opfermuthigkeit und Todes verachtung unserer braven badischen Truppen noch eine schwere Prüfung vorbehalten. Aber die gleichzeitig: Feier der Wiedergeburt des Demschen Reichs mit dem Gedächtnisse an den großen Ent⸗ scheidungskampf bei Sedan bat sich nun einmal fest eingebürgert in hen deufschen Landen, und sie erscheint insofern bedeutungsvoll, als sie uns in jedem Jahre von Neuem daran mahnt, mit welchen schweren Opfern unsere nationale Einheit erkauft werden mußte. Eine solche Mahnung ist sicherlich werthvoll gegenüber den arteikãmpfen, die um einzelne politische Fragen geführt werden. an kann diesmal die Feier des Sedantagetz nicht von der Erinnerung an den Besuch trennen, den Se. Majestät der Kaiser vor Kurzem in den neuen deutschen Landestheilen abgestattet hat, und die Erinnerung hieran ist wobl geeignet, die patriotische Festfreude am Tage der Wiederkehr des 2. Septembers zu erböhen. Deutlicher als irgend ein früberer Vor⸗ gang bat die begeisterte Aufnahme des. Dentschen Kaiferpaares in Elsaß Lothringen gezeigt, daß die Anbänglichkeit an Kaiser und Reich immer festere Wurzeln in der eingeborenen Bevölkerung des Reichslandes schlägt und daß das geistige Band, welches die neuen Ge bietstheile Deutschlands mit dem Mutterlande verknüpft, mehr und mehr an Kraft gewinnt. Auch in Frankreich vermag man sich der Erkenntniß dieser Thatsachen nicht zu verschließen, und wenn man dort den Verlust zweier Provinzen noch immer nicht iu ver— winden im Stande ist, so verringert sich doch die Hoffnung auf eine Aenderung der vor neunzehn Jahren

eschaffenen Verhältnisse in dem Maße, in welchem man ich zu der Ueberzeugung gedrängt sieht., daß auch die erschütternden Schicksalsschläge des vorigen Jahres in Deutschland spurlos an dem festen Fundamente vorübergegangen sind, auf welchem die Einheit und Machtstellung des. Deutschen Reicks beruht, und daß mit den . die Volksstämme Deutschlands in freudiger, nationaler Begeisterung zu dem jugendlichen Kaiser stehen, der mit kräftiger Hand das in schweren Kämpfen Errungene festhält und schützt Diese nationale Begeisterung läßt aber der wieder herannahende Jahrestag der Schlacht von Sedan zu energischem Ausdruck gelangen; das deutsche Volk erneuert an diesem Tage alljährlich das Gelöbniß, mit dem letzten Blutstropfen einzustehen für die Wabrung seiner Einheit und Unabbängigkeit, und in der neuen Generatign, die allmãhllich heran · gewachfen und deren Repräsentant Kaiser Wilhelm II. ist, lebt un verändert der treue patriotische und muthige Geist fort, der an . vor neunzehn Jahren mit Gottes Hülfe so Großes voll⸗ ra at.

Statistit und Volkswirthschaft.

Zur Lage der Landwirthschaft.

Im Kreise Nameélau hat im vergangenen Quartal eins der größen Güter wegen zu bober Verschuldung des Besitzers von der Generallandschaft in Sequestration genommen werden müssen. Dasfelbe Schicksal widerfubr zwei Rittergütern im Kreise Groß- Wartenberg. In diesem Kreise gingen schon im vorigen Jahre zwei sehr verschuldete Güter auf diese Weise in fremde Hände uber.

Handel und Schiffahrt.

In Schleswig Holstein weisen Handel und Schiffahrt einen entschiedenen Aufschwung auf. Die Schifftfrachten erreichten im weilen Quartal eine feltene Höhe. Die Werften haben zahlreiche Auftrage erhalten, welche fie noch lange vollauf beschäftigen werden. Auch auf der Unterelbe war in Folge des günstigen Wasserstandes der Verkehr ein recht lebhafter. Die Germania ⸗Weft zu Gaarden hat in Folge neuer Auftrage eine Vermehrung der Arbeiter vorgenommen. Zur Zeit beschäftigt die Werft deren 910. Die Arbeiler der verschiedenen Handwerker kategorien der Werft benutzten die günstige Gelegenheit, nach einander Lohnerhöhungen zu sordern, die ibnen auch, ohne daß es auch nur zur Androhung einer Arbeitseinstellung gekommen wäre, mit 2, 3 und 4 3 für die Stunde und 10 0ͤ½ Zulage für Ueberstunden bewilligt wurden.

Branntweinbrennereien und Branntweinbesteuerung.

In dem soeben erschienenen Juliheft zur. Statistik des Deutschen Reichs“ wird unter dem Titel Die Branntweinbrennerei und die Branntweinbesteuerung im deutschen Branntweinsteuergebiet und in Luremburg während des Betriebsjahres 1887 88 eine Reihe von Nachweisungen über die Betriebeergebnisse der Brennereien, die Ein nahmen vom Branntwein und die ein⸗ und ausgeführten Branntwein⸗ mengen für die Zeit vom J. Oktober 1887 bis 30. September 1888, d. i. das erste Jahr nach dem Inkrafttreten des neuen Branntwein⸗ stcne gien, vom 24. Juni 1887, veröffentlicht.

anach waren in dem Gebiet der Branntweinsteuer⸗Gemeinschaft,

welcher bekanntlich am 1. Oktober 1887 die süddeutschen Staaten binzugetreten sind, im Ganzen 485 415 Brennereien im Betrieb,

von denen j 652 meblige Stoffe (Kartoffeln, Getreide ꝛc), 19 3 lauch Rüben und Räbenfaft) und 36 741 andere Materialien (wie Weintreber, Brauereiabfaälle, Hefenbrühe, Obst ze) verarbeiteten; von den ersteren waren 10 667 landwirthschaftliche Brennereien, welche theils (69563 ann, der Maischbottichsteuer, theils (3734 Brennereien) dem uschlage zur Verbrauchs abgabe unterworfen waren, und 266 gewerbliche Brennereien, für welche nur die letztere Besteuerungẽart galt; anderer seits befanden sich darunter 1270 Brennereien, welche während des Jahres bezw. einc Theiles desselben Preßhefe bereitet haben.

Die Gesammtproduktion an reinem Alkobol stellte sich auf 3 058 925 pI, wovon 2534 708 hI in den Kartoffel Brennereien, 127 387 PBI in den Getreide ˖ Brennereien. 75 002 hl in den Melasse⸗ Brennereien und 20 928 hl in den übrigen Brennereien erzeugt sind. Der Betrieb der Brennereien wurde jum Theil nur auf die Herstellung des zum niedrigeren Verbrauchsabgabensatz zulversteuernden Branntweins beschränkt, da die Geschäftslage ini Spiritushandel unsicher war und der Export stockte. Während daher im Allgemeinen ein Rücgang in der Produktion zu verzeichnen war, gestalteten sich die Verkältniffe bei den Preßhefe und Melassebrennereien gegen früher wesentlich günstiger, bei ersteren, weil nicht mehr der berußfe Maisch⸗ raum, fondern nur die produnrte Alkobolmenge besteuert wird, bei letzteren, weil befserwertbige Melasse käuflich und die Kontingents menge im Verhältniß zu der Produktion in den vorhergegangenen beiden Jahren erheblich böher bemessen war.

Die Stener⸗Einnahme aus der Maischraum bezw. Ma— terialbesteuerung ergab 34 305 228 beim. 328 952, also zusammen 34 635 880 M; davon wurden für ausgefübrten und zu gewerblichen ꝛc. Zwecken bestimmten Branntwein 9 763 So0 zz zuruͤckoergũtet, sodaß an Maischbottich und Materialsteuer 24 873 036 M verblieben. Die in den Verbrauch übergegangenen Alkoholmengen erbrachten an Ver- prauchgabgabe überhaupt 88 710 010 M und nach Abzug des Betrages der in Zahlung gegebenen Berechtigungescheine (2285 988 6 und der Ver ˖ gůtung fuͤr ausgeführte Fabrikate A134 Mn S6 423 888 6, außerdem wur den fuͤr diejenigen Mengen des zum Verbrauch bestimmten Brannt weins, welche von der Maischbottich., oder Materialsteuer nicht be⸗ troffen waren, an Zuschlag zur Verbrauchsabgabe 5 1985 041 6 er- boben. Sonach betrag die Einnahme von dem nach dem 1. Oltober 1557 erzeugten inländischen Alkobol 116 491 959 M Aus der Nach⸗ versteuerung des vor jenem Termin gewonnenen, in den Konsum ge—⸗ brachten Branntweins erwuchs eine Einnahme von 26 160 287 , daneben wurden in dem Betriebs jahre 188783 aus der Zeit vor⸗ her 16017 504 Maischbottich und Materialsteuer und 11 597 Uebergangs· und Ausgleichungsabgabe vereinnahmt, dagegen 12 435 750 4 Steuervergütung herausgezablt. Stellt man noch die Ausgleichungs ˖ ꝛc. Abgabe für Branntwein aus Luxemburg (6845 46) und den nach den eüngeführten Mengen ausländischen Branntweins berechneten Eingangszoll (2 113 9663 ) in Rechnung, so erziebt sich k m von 133 3465 600 M für das Betriebsjahr

Inwieweit der Ver brauch an Trinkbranntwein in Folge der höheren Besteuerung zurückgegangen ist, hat sich nicht zahlenmãßig feststellen lassen, da die Vergleichszahlen fehlen; die Ansichten darüber eben auseinander und stimmen nur darin überein, daß die Trink= ranntweine feildem in geringerer Alkoholstärke hergestellt zu werden pflegen. Der Verbrauch an denaturirtem Spiritus Gu gewerblichen Zwecken) soll nicht unerheblich zugenommen haben.

Kunft und Wissenschaft.

Große akademische Kun ftausstellung.

Die 61. Ausstellung der Königlichen Akademie der Künste ist gestern im alten Afademiegebäude (Unter den Linden 38) eröffnet worden. In diese langjährige frühere Stätte der Berliner Funft⸗Augstellungen ist die heurige, wie bekannt, deshalb zurückverlegt worden, weil sich ihre Unterbringung im Landes ˖ Austell ungsgebãude während der jetzigen Unfallverhütungs: Ausstellung unausfübrbar erwies oder doch mit den größten Unzuträglichkeiten für beide Ver · anstaltungen verbunden gewesen sein würde. Durch Hinzunahme mehrerer mit Oberlicht versehenen Lehrsäle der Akademie ist der früher für Ausstellungs zwecke verfünbare Raum erheblich vergrõhert und im Ganzen 33 Säle und Kabinette bergestellt worden. Diese gewährten Platz für die fürwahr immer noch recht stattliche Zahl don II02 Nummern, während die vorjährige Ausstellung im großen Landes ⸗Ausftellungsgebaͤude deren 1455 aufwies. Der Zahl nach ist alfo der Unterschied nicht ein so gar erheblicher, namentlich auch, wenn man die einzelnen Kategorien in Betracht zieht, welche in diefer Jahre, verglichen mit dem vorigen, zählen: 751 Oelgemãlde 6. s889 im Vorjahre), 1890 Aquarelle und Zeichnungen gegen 339), 37 Knpferstiche, Radirungen und Holzschnitte (gegen 71) 115 Bildwerke (gegen 134) und 12 architektonische Entwürfe (gegen 17). Die Aussteller der Hauptabtheilungen, Oelgemälde und Bildwerke, haben mithin der Zahl nach keinen nennenswerthen Ausfall zu beklagen. Freilich haben Kolossalwerke aus Mangel an Gelaß für folche keine Annabme finden können. Dafür ist aber dem Vor⸗ handenen eine mit fehr wenigen Ausnahmen vortheil haftere Auf⸗ stellung und Beleuchtung zu Theil geworden. Sãmmt⸗ lich Räume sind würdig renovirt und nach Art der Gemälde ·˖ Galerien mit Fauteuils und Sesseln behaglich ausgestattet, sodaß die Ausstellung von dem reich mit Blattpflanzen und Blumen ausgeschmückten Vestibül an einen einladenden und einfach vornehmen Eindruck macht. .

Auf einem flüchtigen Gang durch dieselbe fesselt den Besucher im ersten, dem sogenannten Ubrsaal eine große von Werner Schuch gemalte Apotheose Kaiser Friedrich's (hoch zu Roß, in der Üniform der Gardes du Corps, den Lorbeer empfangend, unten drei Adler mit Friedenspalmen), der zur Linken die Buͤste Sr. Majestät des Kaifers Wilhelm II., von Reinhold. Begas, zur Rechten diejenige des Hockseligen Kaisers Wilhelm JL, von Ochs, aufgestellt ist. Von der Nebenwand grüßen die anmuthigen hoheit⸗ vollen Züge Ihrer Majestät der Kaiserin, in ganzer Figur gemalt von Konrad Kiesel. Weiter sehen wir in diesem Saal ein Gemaͤlde von J. Falat, die Rückkehr Kaiser Wilbelm's IJ, nebst Gefolge von der Bärenjagd bei dem Fürften Radziwill in Nieswicz, im Jahre 1888, darstellend, und, als Erinnerung von der Drientreise Kaifer Friedrichs als Kronprinzen, seinen Ritt zu den Khalifengrãbern bei Kairo von Wilhelm Gentz gemalt. Eine in einem Hain sitzende Madonna, von drei lieblichen musizirenden Engeln verehrt, von Wilheim Dürr in München, ziebt durch die Anmuth der Komposition in gleicher Weise an, wie, die malerische Behandlung durch die kecke Breite und Flottbein frarpirt. Ferner seien aus diesem Saal noch das Bildniß des Ober ⸗Bürgermeisters Becker von Köln, von Jalius Schrader (für das dortige Rathhaus), das Porträt des Eribischofs von Köln, von Heinrich Mosler ⸗Pallenberg (Köln) und eine Landschaft vom Oybin, von Carl Schirm in Breslau genannt. Durchschreiten wir den langen folgenden Saal, so fällt uns in dem nächsten Oberlichtsaal ein Kolofsalgemaͤlde von Otto Brause⸗ welter in die Augen, welches in bewegter figurenreicher Komposition die Ansprache des Generals Jork an die Onpreußische. Stãade (am 5. Februar 1813) darstellt. Das im Besitz der Previnj Ostpreußen befindliche historische Monumentalbild ist das größte und be⸗ deutendste der Vusstellung und gereicht der älteren. Kunst. richtung und ihrer gediegenen Tüchtigkeit zu hoher Ehre. In demfelben Raum sehen wir auch ein vortrefflich lebenswahres Porträt des Reichskanzlers Fürsten von Bismarck, von Paul Beckert, sowie ein antikes Atelier Genrebild des Mailänders Eleuterio Pagliano; Zeuxig, aus den schönsten Töchtern der Stadt Croton ein Modell für fein Gemälde der Helena aussuchend. .

Einer der letzten größeren Säle enthält 8 große, in. matten Farben ausgeführte Wandgemälde von Albert Baur in Düsseldorf, welche eine 3. nicht vollendete) cyklische Darstellung der Geschichte der Seiden Industrie in Eurepa bieten und im Auftrage des Staats. Minssteriums für die Königliche Webeschule in Krefeld ausgeführt wurden. Hier und in den anderen Nebensaälen finden sich auch mehrere senfationelle Werke der Münchener Kunst, wie der Vivisektor⸗ von Gabriel Mar,. der Hexenschlaff von Albert Keller, eine allegorische Phantasie Der Träumer“ von von Sucho⸗ dolzki und die Nachtwandlerin.. von dessen Gattin; endlich der auf dem Grunde eines grünlichen Sees liegende Leichnam einer im Bade Ertrunkenen, von Gurt Agthe (Berlin). Fier hat auch Eugen Bracht's grandiose norwegische Küstenlandschaft betitelt das Gestade der Vergessenheit“ ihren Hlaß gefunden, welche Se. Majestãt der Kaiser angekauft hat.

Die religiöse Malerei ist auf der Ausstell ung vertreten durch eine Komposinion des Düsseldorfers Louis Feldmann, die die Be⸗

kehrung des ungläubigen Thomas zum Vorwurf hat, ferner durch Plodhorst's Ruhe auf der Flucht nach Egypten“ und eine Heilige Nacht! von dem Realisten und Freilichtmaler ritz von Uhde (München), die jedoch diesem schnell zu ihren gekommenen Meiner kaum neue Bewunderer zufũhren dürfte. Auch Wilbelm Stryowski (Danzig) bat diesmal dem modernen Realismus gehuldigt und bietet einen vredigenden Jesus⸗ 3 vor einem Auditorium polnischer Juden in einer galizischen

ynagoge.

. Historie ist noch repräsentirt durch ein kühn und groß kom⸗

ponirtes Kolossalbild von Richard Böhm (aauscha in Thür.), welches den Abzug der Gothen mit der Leiche des Teja nach der Schlacht am Vesux schildert, ferner durch ein bereits in Vervielfältigung bekanntes, ergreifendes Gemälde von Josef Flüggen (München): Der Tod der heiligen Elisabeth“. Hermann Prell wählte eine anmuthige Cpisode aus der Herzensgeschichte Leopold's von Anhalt⸗Dessau und der Anna⸗ Liese zum Gegenstand; Theodor Rocholl schildert die letzte Heerschau Kaiser Wilhekm's I. in Stettin und eine Scene aus der Schlacht bei Vionville. . In der Bildnißmalerei excellirt sodann ein jüngerer hiesiger Maler, Max Koner, mit drei vorzüglichen Herren Porträts. Gustav Gräf, Graf Harrach, Gottlieb Biermann (Düsseldorf), der Belgier Emile Wauters u. A. bewähren ihren alten Ruf. Georg Koch malte den Feldmarschali Grafen Moltke. wie er auf dem Mansverfelde von der Suite der fremdländischen Offiziere begrüßt wird, und Konrad Dielitz bot das höchst anmuthige Porträt einer jungen Dame mit einem prachtvollen, edelsteinbesetzten Kästchen in der Hand, ganz in der subtilen farbenfrohen Manler der altflandrischen Kunst gemalt und .Das Kleinod des Hauses“ betitelt.

Das Genre tritt wie immer besonders zahlreich auf. Dem Modegeschmack entsvrechend dominirt im Kostuͤm und den Stoffen der Bilder das Rococo. Auch Carl Becker hat sich in seinen Lachenden Erben“ diesem Zeitalter zugewandt. Ludwig Knaus er— scheint mit einer Gruppe Feldarbeiler vom hohen Schwarzwal, Defregger mit zwei Porträtstudien. Wilbelm Amberg, Bokel⸗ mann, Skarbing, Hans. Dahl u. A. haben bemerkenswertbe Bilder eingeliefert. Als neues versprechendes Talent er⸗ scheint Hans Looschen.

Unter den Landschaftsmalern macht Valentin Ruths (am. burg) Aufsehen durch den von ibm gemalten, also doch wohl auch in Natur gesehenen Feuersee im Riesenkrater des Kilauea auf Hawai mit seinen alle 4 bis 6 Stunden fontänenartig ausbrechenden Lavamassen. Ein anderer Hamburger, Askan Lutteroth, malte den von Dr. Hans. Meyer bestiegenen Kilimandscharo. Die große Hochgebirgslandschaft von Carl Ludwig mit Rekonstruktion einer befestigten römischen Heerstraße und entsprechender militärischer Staffage hat Se. Majestät der Kaiser erworben.

Aus der Abtheilung der Aquarellen und Gouachen endlich sei neben dem in diesem Fach noch immer unübertroffenen Italiener Passini, der eine Beichte! und einen Studienkopf einsandte, seinem Landsmann Corelli f. Der Hugenott“) und dem naturalistischen Skar⸗ bina noch genannt Conrad Siemenroth mit seinem nach dem Leben ausgeführten Aquarellgemälde, darstellend den Papst Leo XIII., wie er in seinem Audienz Zimmer den Vortrag des Kardinal⸗Staats⸗ 6 Rampolla entgegennimmt (mit eigenhändiger Unterschrift des

apstes).

Die Bildnerei bat, besonders viele Porträtbüsten auf zuweisen. Außer der Begas ' schen Büste Kaiser Wilhelm's Il. hat auch Heinz Hoff⸗ meister eine solche ausgestellt. Ferner sind im Auftrage des Ministe⸗ riums der geistlichen 2c. Angelegenbeiten 9 Marmorbüsten früherer Chefs dieses Ministeriums zur Ausstellung gebracht. Adolf Hilde brand lieferte eine vorzügliche Marmorbuͤste, welche die markirten Zuge des als Augenarzt hochgeschätzten Herzogs Carl Theoder in Bavern zeigt. .

Die Ausstellung, auf die wir nach dieser flüchtigen und lücken⸗ reichen vorläufigen Uebersicht noch öfter zurückzukommen gedenken, war 6 am erften Tage von einem zablreichen distinguirten Publikum

esucht.

Der zur Orientirung in der Ausstellung kestimmte offizielle Katalog ist in dem hiesigen Kunftverlage von Rudolf Schuster in zwei Ausgaben, einer illustrirten zum Preise von 2 (gebunden 3 Æ) und einer nicht illustrirten zum Preise von 1 (gebunden 1,59 46) erschienen und an der Kasse erhältlich.

Sanitäts⸗, Veterinär⸗ und Quarantänewesen.

Bu dapest, 31. August. (Wien. Ztg) Nach dem vom Vize⸗ gespan des Oedenburger Komitates an den Minister des Innern gelangten telegraxbischen Berichten entbehren die von einigen Blättern veröffentlichten Nachrichten über den angeblichen Ausbruch der Cholera jedweder Begründung.

Eubmissionen im Aus laude.

Oesterreich⸗ Ungarn. ;

16. September, 10 Uhr Vormittags, Magistrat Wien; Lieferung amerikanischen Petroleums für die sämmtlichen städtischen Ver⸗ sorgungsanstalten. Kaution 5 o/. .

237. September, Mittags. Material und Inventar ˖ Anschaffungz Sektion der Königlich ungarischen Staatseisenbahnen. Budapest: Lieferung von c. 40 0065 t Förderkohle. Kaution 5 0so.

Näheres an Ort und Stelle.

Verkehrs ⸗Anstalten.

Die Post von dem am 27. Juli aus Shanghai abgegangenen Reichs ⸗Postdampfer „Dresden“ ist in Brindisi eingetroffen und gelangt, wie W. T. B. meldet, für Berlin voraussichilich am J. d. M. zur Ausgabe. ; ;

Ham burg, 31. August. (W. T. B) Der Po t da mpfer „Allemannia“ der Hamburg Amerikanischen Packet⸗ fahrt Aktiengesellschaft ist, von Hamburg kommend, beute in Havana eingetroffen.

. September. (W. T. B) Der Postdampfer Bohemia? der Hamburg ⸗Amerikanischen Packetsgbrt⸗ Aktiengesellschaft bat, von New⸗York kemmend, heute Morgen Seilly passirt.

Triest, J. September. (W. T. B) „Der Lloyddamxfer „Hungarig“ ist, von Konstantin opel kommend, heute Abend

bier eingetroffen.

London, 31. August. (W. T. B.) Der Cast le- Dam yfer Drum mond Gast ke‘ hat gestern auf der Heimreise Lissabon passirt. Der Castle · Da mpfer Warwick Castler ist gestern auf der Ausreise in Capetown angekommen.

Kopenhagen, 1. September. (W. T. B.). Der General⸗ Direktor der dänischen Staatsbahnen, Holst, ist heute Vormittag

gestorben.

Theater und Musik.

Berliner Theater.

Am Sonnabend begann das Berliner Theater seine diesjäbrige Spielzeit mit der Neu Aufführung von Sbakespeare's Coriolan'. Schon diese Wahl zeigt das Streben, böberen Ansprüchen gerecht zu werden und auch seltener gegebene Dramen klassischer Dichter zu pflegen. Das Vorhaben wird entschieden von iel be⸗ gleiket sein und sicher einer lebendigen Theilnahme eitens desjenigen Publikums nicht entbebren, dessen Geschmack an seichten Produktionen keinen Gefallen fiadet. Speziell die Vorfüh⸗ rung des Coriolan! darf auf Interesse rechnen, denn heut zutage giebt es genug Menschen, die ihre helle Freude an dem Sartasmus haben, mit welchem Shakespeare Hinz und Kunz“ schildert, und die das menschlich Wahre in dem Konflikt des Corio-

lanus mit seinem Velke, seinem Vaterlande und seiner . mit · empfinden und verstehen. Die Aufführung war der großen Aufgabe