Bekanntmachung.
Das Postamt III Johannisthal-Niederschönweide führt vom 1. November ab die Bezeichnung Niederschönweide. Berlin C., den 26. Oktober 1889. Der Kaiserliche Ober⸗Postdirektor, Geheime Ober⸗Postrath. Schiffmann.
Königreich Preußen.
Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht:
den Geheimen Ober⸗Regierungs⸗Rath und vortragenden 366 im Ministerium für Landwirthschaft, Domänen und Forsten, Dr. jur. von Heydeb rand und der Lasa zu Berlin, zum Präsidenten der Regierung in Königsberg, sowie k den bisherigen Kreis-Schulinspektor Dr. Max Kulla in Samter zum Seminar⸗Direktor zu ernennen.
Auf Ihren Bericht vom 27. September d. J. will Ich dem Kreise Grottkau im Regierungsbezirk Oppeln, welcher den Bau einer Chaussee vom Bahnhofe Grottkau zum Anschluß an die Strehlen⸗Olbendorfer Chaussee bei Olbendorf im Kreise r , und deren Fortführung in Gemeinschast mit dem Kreise Strehlen bis zur Grenze des Kreises Ohlau bei Marienau zum Anschluß an die Mechwitz⸗Marienauer Chaussee beschlossen hat, das Enteignungsrecht für die zu dieser Chaussee erforderlichen Grundstücke, sowie gegen Uebernahme der künftigen chaussee— mäßigen Unterhaltung der Straße das Recht zur Erhebung des Chausseegeldes nach den Bestimmungen des Chausseegeld— Tarifs vom 29. Februar 1840 (Gesetz⸗Samml. S. 94 ff.) ein⸗ schließlich der in demselben enthaltenen Bestimmungen über die Befreiungen sowie der sonstigen, die Erhebung betreffenden a n . — vorbehaltlich der Abänderung der ämmtlichen voraufgeführten Bestimmungen — verleihen. Auch sollen die dem Chausseegeld⸗Tarife vom 29. Lerner 1840 angehängten Bestimmungen wegen der Chaussee⸗Polizei⸗ vergehen auf die gedachte Straße zur Anwendung kommen. Die eingereichte Karte erfolgt anbei zurück.
Berlin, den 14. Oktober 1889.
Wilhelm k. von Maybach.
An den Minister der öffentlichen Arbeiten.
Der Königliche Hof legt heute für weiland Se. Majestät den König Dom Luis von Portugal und Algarbien die Trauer auf drei Wochen an.
Die Damen tragen schwarzseidene Kleider, und zwar die ersten vierzehn Tage mit schwarzem Kopfputz, schwarzen Hand⸗ schuhen, schwarzen Fächern und schwarzem Schmuck, die letzten acht Tage mit weißem Kopfputz, grauen Handschuhen, weißen Fächern und Perlen.
Die Herren nehmen für die ganze Zeit der Trauer einen Flor um den linken Arm. Die Herren vom Civil tragen zum gestickten Rock die goldbordirten Beinkleider von der Farbe der Uniform und den goldbordirten Hut mit weißer Feder, zur kleinen Uniform dagegen schwarze Beinkleider und den drei⸗ eckigen Hut mit schwarzer Feder und nehmen dazu in dem einen wie in dem anderen Falle in den ersten vierzehn Tagen schwarze wollene Westen und schwarze Handschuhe, in den en acht Tagen schwarze seidene Westen und graue Hand⸗
uhe. Berlin, den 28. Oktober 1889. Der Ober⸗Ceremonienmeister: Graf A. Eulenburg.
Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
Der bisherige Königliche Regierungs-Baumeister Kleinau in Wehlau O.⸗-Pr. ist zum Königlichen Kreis⸗Bauinspektor ernannt und demselben die Kreis⸗-Bauinspektorstelle daselbst verliehen worden.
Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal⸗Angelegenheiten.
Der bisherige Privatdozent Dr. Walter ri edens burg h Göttingen ist zum außerordentlichen Professor in der philo⸗ ö Fakultät der Universität Halle⸗Wittenberg ernannt worden.
Dem Seminar⸗Direktor Dr. Kulla ist das Direktorat des Schullehrer⸗-Seminars zu Exin verliehen worden.
Topographische Spezialkarte (Reymann) von Mittel ⸗ Europa
im Maßstabe 1: 20000.
Im Anschluß an die diesseitige Anzeige vom 22. November v. J. wird hierdurch bekannt gemacht, daß nachstehend i ite Blätter: 111. Dohlschizy, 112. Ripen, 127. Tondern, 146. Tönning, 164. Koidonow, 167. Cuxhaven, 208. Starobino, 264. Stolin, 321. Beresno, 399. Gleiwitz, 429. Ratibor, 440. Lisieux, 453. Marienbad, 4654. Pilsen, 470. Laigle, 499. Alen gon, 607. Oedenburg, 682. Riom, 684. Macon, 712. Clermont⸗Ferrand und 713. Monibrison, durch die Kartographische Abtheilung in neuer Bearbeitung veröffent⸗ licht worden sind. Der Vertrieb der Karte erfolgt durch die Verlagsbuchhandlung von R. Eisenschmidt hierselbst, Neustädtische Kirchstraße Nr. 4/ũ5. Der Preis eines jeden Blattes beträgt 1 . Berlin, den 25. Oktober 1889. Königliche Landes ⸗Aufnahme. Kartographische Abtheilung. von Usedom, Oberst ⸗ Lieutenant und Abtheilungs ⸗Chef.
Angekommen; Se. Excellenz der Staats-Minister und Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Ange—⸗ legenheiten, Dr. von Goßler, aus der Provinz Hannover;
Se. Excellenz der Wirkliche Geheime Rath und Ministerial⸗ Direktor im Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal⸗Angelegenheiten, Dr. Greiff, von Elbing.
Aichtamtliches.
Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 28. Oktober. Ihre Majestäten der Kaiser und König und die Kaiserin und Königin sind am Sonnabend Mittag um 2 Uhr nach einer von schönstem Wetter begünstigten Reise in Athen eingetroffen und im Piräus von den griechischen Majestäten empfangen worden. Am Freitag hatten Se. Majestät das Geschwader nach Gefechtsideen manövriren und mit Salutkartuschen schießen lassen. Am Abend desselben Tages staueten Allerhöchstderselbe Ihrer Majestät der Kaiserin einen Besuch ab und verblieben an Bord der „Hohenzollern“ zur Abendtafel.
— Ihre Majestät die Kaiserin und Königin Au gusta wohnte gestern in Baden⸗Baden dem Gottesdienste in der Schloßkapelle bei. — Allerhöchstdieselbe gab zur Feier des Hochzeitstages Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Sophie ein Familien⸗Diner, an welchem sich Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Großherzogin von Baden, der Erbgroßherzog und die Erbgroßherzogin von Baden, die Kronprinzessin von Schweden und die Prinzen Johann Georg und Max raon Sachsen betheiligten.
— Ueber die Ankunft Ihrer Kaiserlichen Majestäten in Athen und die dortigen Festlichkeiten liegen weiter folgende Meldungen des „W. T. B.“ vor:
Das Kaiserlich deutsche Geschwader traf am Sonnabend Nachmittag A/ Uhr auf der Rhede im Piräus ein. Ihre Majestäten der König und die Königin von Griechenland, welche Sich mittels Sonderzuges von Athen nach dem Piräus begeben hatten, fuhren in Begleitung Ihrer Königlichen Hoheiten des Prinzen von Wales und des Kronprinzen von Griechenland auf einer Dampfbarkasse an Bord. Die Begrüßung zwischen den Kaiserlichen Majestäten und dem griechischen Königspaar war eine äußerst herzliche. Die im Hafen befindlichen griechischen wie die fremden Kriegs— schiffe gaben Salut ab. Zuerst erfolgte die Landung des Gefolges, sodann die der Majestäten, Allerhöchstwelche mit enthusiastischen Zurufen von der Bevölkerung begrüßt wurden. Nach der Landung hielt der Minister-Präsident Trikupis eine Begrüßungsansprache; sodann solgte eine An— sprache des Bürgermeisters im Namen der Bürger der Stadt. Die deutsche Kolonie, welche ebenfalls zum Empfange erschienen war, begrüßte die Kaiserlichen Majestäten mit dreifachem donnernden Hoch. Nach der Vorstellung des beiderseitigen Gefolges schritt Se. Majestät der Kaiser in Begleitung Sr. Majestät des Königs von Griechenland die Ehrenwache unter den Klängen der deutschen Nationalhymne ab. Sodann er— folgte mittels Sonderzuges die Weiterfahrt nach Athen, wo die Ankunft um 41½ Uhr stattfand.
Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin wurden auf, dem Bahnhofe in Athen von dem Bürgermeister und den Spitzen der Behörden begrüßt und von einer zahllosen Menschenmenge mit hrausendem Jubel empfangen. Beim Eintreffen Ihrer Majestäten präsentirte die Ehrenwache, und das Musikcorps intonirte die deutsche Nationalhymne. Se. Majestät der Kaiser trug die Uniform des 1. Garde— Regiments z. F. sowie die Kette des Schwarzen Adler Ordens und, das Band des Großkreuzes des Erlöser-Ordens. Ihre Majestät die Kaiserin hatte ein mit Blumen gesticktes reseda—⸗ farbenes Seidenkleid angelegt. Se. Majestät der König von Griechenland führte Ihre Majestät die Kaiserin, Se. Majestät der Kaiser führte Ihre Majestät die Königin von Griechen— land. Nach einer Ansprache des Dimarchen, welche mit einem Hoch auf das Deutsche Kaiserpaar schloß, reichten Ihre Majestäten dem Redner die Hand. Der König von Griechen— land dankte im Namen der Kaiserlichen Majestäten für den Allerhöchstdenselben bereiteten Empfang. Rach dem Abschreiten der Ehrenwache bestiegen die Allerhöchsten und Höchsten Herr— schaften unter stürmischen Hochrufen die vierspännigen Hof— wagen. In dem ersten Wagen saßen der Kaiser Wilhelm mit dem Könige und dem Kronprinzen von Griechenland. Dann folgten die Kaiserin nebst der Griechenland, dem Prinzen Heinrich von Preußen und dem Prinzen Waldemar von Dänemark. In dem nächstfolgenden Wagen befanden sich der Prinz von Wales mit seinen Söhnen und dem , . von Räaßland. Vor und hinter den Königlichen Wagen ritt eine Abtheilung Kavallerie. In den Straßen bildeten die Truppen Spalier.
Nach der Ankunft im Königlichen Schlosse erschienen die Majestäten auf dem Balkon und wurden aufs Neue von der Volksmenge enthusiastisch begrüßt,
Abends fand zu Ehren Ihrer Majestäten des Kaisers Wilhelm und der Kaiserin Augusta Victoria ein Fackelzug statt, welcher außerordentlich glänzend verlief. An dem Fackel⸗ zuge, nahmen die Gewerke und Korporationen sowie das Militär mit etwa 5000 Lampions Theil. Nachdem der Zu sich auf dem Schloßplatz aufgestellt hatte, intonirten die Musik⸗ corps unter dem unaufhörlichen Jubel vieler Tausende deutsche Lieder. Die Beleuchtung der Akropolis war prachtvoll. Der Fremdenzudrang nach Athen ist ein außerordent— e il, mn der Verkehr auf den Straßen nur mit Mühe möglich.
Se. Majestät der Kaiser hat gestern den Dimarchen er— sucht, der Bevölkerung Allerhöchstseinen und Ihrer Majestät der Kaiserin Dank für den herzlichen Empfang öffentlich be— kannt zu geben.
= Ueber die in Gegenwart Ihrer Majestäten des Kaisers und der Kaiserin gestern in Athen vollzogene Vermählung Ihrer Königlichen oheit der Prinzessin Sophie von Preußen mit Sr. König— lichen Hoheit dem Kronprinzen Constantin von Griechenland entnehmen wir den Telegrammen des „W. T. B.“ Folgendes: In der griechischen Kathedrale hatten sich um 9 Uhr die Würdenträger, das Gefolge der anwesenden Fürstlichkeiten, die Deputirten und Generale ꝛc. versammelt und erwarteten den Brautzug. Die Anfahrt des letzteren verlief auf das Glänzendste. Kanonensalven verkündeten die Ankunst der Allerhöchsten und Höchsten n n, Ihre Majestät die Kaiserin riedri fuhr mit Sr. König— lichen Hoheit dem Prinzen von Wales, Ihre Majestät die Kaiserin Augusta Victoria mir Ihrer Majestät der Königin von Dänemark, Se. Majestät der Kaiser, Allerhöchstwelcher die Uniform
der Gardes du Corps angelegt hatte, mit Sr. Majestät dem
Königin von
Könige von Dänemark. Den Galawagen, in welchem . Majestät die Königin von Griechenland und
hre Königliche Hoheit die Prinzessin-Braut saßen, begleiteten reitend Se. Königliche Hoheit der Kronprinz und Se. Majestät der König von Griechenland.
In der Kathedrale erfolgte nach griechischem Ritus zunächst die Verlobung und sodann die Trauung durch den Metropoliten Germanos. Während der Trauung wurden die Prinzlichen Kronen über den Häuptern Sr. Königlichen Hoheit des Kron⸗ prinzen Constantin und Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Sophie von Sr. Kaiserlichen Hoheit dem Großfürsten-Thron⸗ folger von Rußland und Sr. Königlichen Hoheit dem Prinzen Heinrich gehalten. Die heilige Handlung dauerte etwa eine Stunde, Nach Beendigung derselben küßte Se. Majestät der König Georg die Prinzessin⸗Braut. Se. Majestät der Kaiser reichte Ihrer Majestät der Königin Olga, dem Kronprinzen und der Prinzessin Sophie die Hand. Alsdann fand ein dreimaliger Umgang um den Altar statt, worauf sich der Zug nach dem Königlichen Schlosse zurückbegab.
Dort fand nunmehr in der Schloßkapelle die Einsegnung des Ehebundes nach evangelischem Ritus statt. Die Traurede hielt dabei der Hofprediger Petersen, während der Ober⸗ Hofprediger D. Kögel Gebet und Segen sprach. Der Traurede war der Text 1. Corinth. 13,13: „Nun aber bleibe Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei“ zu Grunde gelegt; die Feier wurde eröffnet mit dem Choralgesang „Jesus geh voran“ und schloß mit dem Choral „Lobe den Herrn“.
Dann erfolgte der Einzug der Hohen Neuvermählten in das Kronprinzliche Palais.
Bei der Galatafel brachte Se. Majestät der König Georg ein Hoch auf die Hohen Neuvermählten aus. Se. Majestät der Kaiser Wilhelm toastete, dem „W. T. B.“ zufolge, auf die griechischen Majestäten, das griechische Volk und die König liche Hauptstadt, welche Ihm und der Kaiserin einen so glänzenden herzlichen Empfang bereiteten. Er schätze Sich glücklich, daß Seine Schwester Griechenland angehören werde, und sei überzeugt, daß sie in dem erlauchten griechischen Königspaare zweite Eltern finden, und daß sie vom griechischen Volke mit Liebe aufgenommen werde. Brausende Hurrahs folgten dem hierauf in griechischer Sprache ausgebrachten Hoch. Alsdann toastete Se. Majestät der König von Griechenland auf Ihre Majestät die Kaiserin Friedrich.
Die am Abend vperanstaltete allgemeine Illumination wurde durch den heftigen Wind etwas beeinträchtigt. Das auf der Akropolis abgebrannte Feuerwerk war prachtvoll.
= Wie W. T. B.“ weiter meldet, haben anläßlich der Vermählungsfeierlichkeiten in Athen gestern in den griechischen Kirchen zu Wien, Pest und Triest Festgottesdienste statt⸗ gefunden. Dem Gottesdienst in Wien wohnten der griechische Gesandte, die Botschafter Deutschlands und Englands, die Mit⸗ glieder der griechischen Kolonie sowie viele Eingeladene, in Pest sämmtliche Notabilitäten, die General-Konsuln von Deutschland, Frankreich, Belgien, Italien, Rußland und viele andere hochgestellt: Persönlichkeiten, und in Triest der griechische Generxalkonsul, die Notabilitäten der griechischen Kolonie, die General-Konsuln Deutschlands, Dänemarks, Rußlands und Englands, sowie zahlreiches Publikum bei. In Triest fand hierauf unter Betheiligung hervorragender Mirglieder der griechischen Kolonie ein Bankett im Hotel Delorme statt, In der von der griechischen Operngesellschaft daselbst am Abend aufgeführten Opernvorstellung erschien das , in Gala und hörte stehend die griechische National⸗ ymne an.
Am 24. d. M. verstarb zu Berlin im 71. Lebensjahre der ständige Hülfsarbeiter im Auswärtigen Amt, Professor Aubert. Derselbe, zu Nantes geboren, kam bereits in den sechsziger Johren nach Berlin und war hier seit 1867 literarisch thätig. Im Hinblick auf seine hervorragenden Kenntnisse auf historischem und historisch-politischem Gebiete wurde er im Jahre 1873 zum Mitglied der Prüfungs-Kommission für das diplomatische Examen berufen und ihm durch Patent vom 5. Februgr 1814 der Professortitel verliehen. Am 12. März 1880 wurde ihm eine etatsmäßige Stelle im Sekretariat des Auswärtigen Amts übertragen, und er am 8. Mai 1882 zum ständigen Hülfsarbeiter bei dieser Behörde ernannt. Als solcher war er vorwiegend mit der Redaktion von Schriftstücken in französischer Sprache betraut. Das Auswärtige Amt und die Prüfungs⸗Kommission für das diplomatische Examen verlieren in dem Dahingeschiedenen ein Mitglied von hoher wissenschaftlicher Bildung und bewährter Pflichttreue und Tüchtigkeit.
= Der General Inspecteur des Militär⸗Erziehungs⸗ und Bildun gswesens, General der Infanterie von Strubberg, la suite des Kadetten-⸗Corps und Chef des Infunterie⸗ Regiments Graf Werder (4. Rhein.) Nr. 30, hat sich gestern nach Altenburg begeben.
— . Der Ober Quartiermeister im Großen Generalstabe, General⸗Lieutenant Graf von Schlieffen, ist vom Urlau hierher zurückgekehrt.
— Der General-Lieutenant von Köller, Commandeur der 9. Division, hat sich nach Beendigung seines Urlaubs in seine Garnison Glogau zurückbegeben.
— Der General⸗Intendant der Königlichen Schauspiele,
Graf von Hochberg, hat sich heute zur General— versammlung deutscher Bühnenangehöriger nach Wien begeben.
— Das Uebungsgeschwader, bestehend aus S. M= Schiffen „Kaiser“ hel; „Deutschland “ „Preußen“, „Friedrich der Große“, „Irene“ und „Wacht“, Geschwader⸗Chef Contre⸗Admiral Hollmann, ist am 26. Oktober er. im Piräus, S. M. Kanonenboot, Il tis“, Kommandant Korvetten⸗Kapitän Ascher, am 26. desselben Monats in Shanghai und S. M. Kreuzer „Sperber“, Kommandant Korvetten⸗Kapitän Faß an demselben Tage in
anzibar ng n, Letzterer eabsichtigt, am 28. desselben onats die Reise fortzusetzen.
Sigmaringen, 26. Oktober. (W. T. B.) Dem heutigen Trauergottesdienst für den König he , gal wohnten die Fürstliche . die Königin von Sachsen, die Gräfin von Flandern, sowie die rh, , von Belgien bei.
Bayern. München, 26. Oktober. (Allg. Ztg.) Se. Königliche Hoheit der Prin z⸗Regent wird mit seiner Erlauchten Schwester und Tochter, der Frau Herzogin
Adelgunde von Modena und der Prinzessin Therese,
Königlichen Hoheiten, nächsten Mittwoch, den 30. d., von Berchtes⸗
aden zum Winteraufenthalt nach der Königlichen Residen ö — Se. Königliche Hoheit der Prinz Rupprecht ist gestern Abend von seinem Ausfluge nach Italien im besten Wohlsein zurückgekehrt.
In der heutigen Sitzung der Abgeordnetenkammer bemängelte bei der Berathung des Etats des Aeußeren der Abg. Beckh⸗Nürnberg den Werth der bayerischen Ge⸗ sandtschaften im Auslande, deren Thätigkeit nicht dem Kostenaufwande für dieselben entspräche. Der Staats⸗ Minister Freiherr von Crailsheim erklärte die Etats⸗ position für die Gesandtschaften für zu gering bemessen und hielt den Standpunkt seines Vorgängers, des Staats⸗ Ministers von Pfretzschner, aufrecht: Niemals werde sich die Kammermehrheit oder ein Minister bereit finden, der baye⸗ rischen Krone den Verzicht auf das Gesandtschaftsrecht zuzumuthen; es würde einen eigenthümlichen Eindruck im Auslande hervorrufen, gerade bei den jetzigen Verhältnissen den bayerischen Gesandtschaftsposten in Paris oder St. Petersburg eingehen zu lassen. Hierauf wurden der Etats⸗ posten für das Gesandtschaftshotel in Berlin sowie der gesammte Etat des Aeußeren und im weiteren Verlaufe . . mt für den Eisenbahn-Etat ohne Debatte
ewilligt.
Württemberg. Stuttgart, 28. Oktober. (W. T. B.) Ein Königliches Reskript sagt mit Beziehung auf das Attentat gegen den Prinzen Wilhelm in Beant— pen fag der Adresse des ständischen Aus—
usses:
„Rach den vielen Beweisen von Liebe und Verehrung. die Uns kürzlich beim Regierungs ⸗ Jubiläum zu Theil geworden sind, berührte Uns jene Unthat besonders schmerzlich. Doch finden Wir darin, daß dieselbe als Ausfluß eines kranken Sinnes und eines gestörten Geistes zu betrachten ist, sowie in den zahlreichen Uns zugekommenen Ver sicherungen der Liebe und Anhänglichkeit an Unser Königliches Haus einen wohlthuenden Trost.“
Das Antwortschreiben des Prinzen Wilhelm sagt, daß unter den vielen Beweisen inniger Theilnahme, welche ihm allerseits anläßlich jenes Anschlages auf sein Leben zu Theil geworden, die herzlichen Worte, welche der ständische Ausschuß Namens der Vertreter des gesammten württembergi—⸗ schen Volkes an ihn gerichtet, ihn mit tiefer Rührung erfüllen. Er sage dasür seinen tiefgefühlten Dank.
Mecklenburg ⸗ Schwerin. Schwerin, 26. Oktober. Se. Königliche Hoheit der Großherzog hat sich eine katarrhalische Affektion zugezogen, welche freilich inzwischen wieder nachgelassen hat, aber (wie bereits mitgetheilt) nach dem Ausspruch des konsultirten Professors Dr. Gerhard aus Berlin doch die Beschleunigung der Abreise in ein milderes Klima dringend wünschens— werth erscheinen ließ. Se. Königliche Hoheit hat daher schon heute die Reise von Ludwigslust nach Cannes an— getreten, nachdem Höchstderselbe gestern noch auf einige Stunden hier im Großherzoglichen Schlosse geweilt hatten. Ihre Kaiserliche Hoheit die Großherzogin hatte beab⸗ sichtigt, am Montag hier einer Ausstellung von Gegenständen beizuwohnen, die zum Zwecke einer Verloosung für ein Feier⸗ abendhaus für Lehrerinnen gesammelt worden sind, hat aber heute Se. Königliche Hoheit nach Cannes begleitet.
Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 27. Oktober. Die „Wiener Zeitung“ bringt den Ausweis über den Stand der allge⸗ meinen Staatsschuld, der Schulden der im Reichsrath vertretenen Königreiche und Länder, ferner der garantirten Grundentlastungs⸗ und Landesschulden und endlich der ge—⸗ meinsamen schwebenden Schuld zu Ende des ersten Halb⸗
jahres 1889. Darnach betrugen die allgemeine Staatsschuld 2819 102 317 Fl. 791/ Kr., jene der im Reichsrath vertretenen Königreiche und Länder 1 057 3654 334 Fl. 641“ Kr., die ga⸗ rantirten Grundentlastungs⸗- und Landes schulden 5 780 789 Fl., endlich die gemeinsame schwebende Staatsschuld 313 209 578 Fl.
In der gestrigen Sitzung der helvetisch-evangelischen Generalsynode wurde der Verfassungsentwurf des Ober-Kirchenraths einstimmig angenommen. .
— 25. Oktober. (W. T. B.) Der Prinz Ferdinand von Coburg, welcher gestern den Besuch seiner beiden Brüder Philipp und August empfing, begab sich heute zu kurzem Aufenthalt nach Ebenthal, von wo er zu noch⸗ maligem kurzen Verweilen ö. zurückkehrt. Der Tag seiner Abreise nach Sofig ist noch unbestimmt.
Prag, 26. Oktober. (W. T. B.) 9 der heutigen Sitzung des böhmischen Landtages erklärte in Beant⸗ wortung zweier Interpellationen der Jung⸗-Czechen der Statt⸗ halter Graf Thun-Hohenstein, er glaube nicht, durch den Hinweis darauf, daß ein Abgeordneter, welcher zugleich Professor sei, die Interpellation wegen Auflösung des czechischen akademi⸗ chen Lesevereins mitunterzeichnet habe, der Unverletzlichkeit der Abgeordneten zunahegetreten zu sein; er habe es nur für seine Pflicht erachtet, an alle Faktoren zu appelliren, welche berufen seien, die Studentenschaft von Gesetzwidrigkeiten abzuhalten. Bezüglich des Vorwurfs, daß er diese Interpellation in deutscher Sprache beantwortet habe, betone er, daß er den festen Willen gezeigt habe, jeder der beiden Landessprachen das gebührende gleiche Recht zu wahren, er verweise jedoch auf die Geschäfts⸗ ordnung, der zufolge er ebenso wie die Abgeordneten das Recht freier Wahl der Landessprache bei den Verhandlungen auch für sich in Anspruch nehme.
Die Antwort des Statthalters, der sich der czechischen Sprache bediente, wurde Seitens der Jung⸗Czechen mit Wider⸗ spruch, Seitens der Alt⸗Czechen mit Beifall aufgenommen.
Innsbruck, 26. Oktober. (W. T. B.) Im Landtage begründete heute Dor di den Antrag auf Gewährung au to⸗ nomer Verwaltung und eines eigenen Landtages für Wälsch⸗Tirol, indem er auf die administrativen Gesichtspunkte und die Verschiedenheit der Sprachen bei den geschlossenen Sprachgebieten hinwieß. Die Mitglieder der deutsch⸗konservativen Partei sprachen gegen den Antrag, während diejenigen der deutsch⸗liberalen Ueberweisung an einen Ausschuß befürworteten, ohne jedoch ihrer Stellung⸗ nahme in meritorischer Beziehung vorzugreifen. Der Statt⸗ halter erklärte, über administrative i fun nf, könnte man verhandeln, wenn damit eine Beruhigung erzielt würde, in dem Antrage Dordi's sei jedoch eine Theilung des Landes in Aussicht genommen, gegen welche er sich entschieden aus⸗ sprechen müsse. Der Antrag Dordi's wurde schließlich mit 37 gegen 27 Stimmen einem Ausschuß überwiesen. Die Heu Lorferrãt iin erklärten, sie würden eine Wahl für diesen Ausschuß nicht annehmen.
Agram, 26. Oktober. (Wien. Ztg.) Der Landtag wählte heute den Minister Dosipovich in das Unterhaus des ungarischen Reichstages.
Großbritannien und Irland. London, 26. Oktober (A. C) Prinz Ludwig von Battenberg ist nach dem mittelländischen Meer abgereist, um seinen neuen Posten als Befehlshaber des Kreuzers „Scout“ anzutreten. Seine Gemahlin begiebt sich demnächst von Darmstadt nach Malta, wo sie sich mehrere Monate aufhalten wird.
Die „Allg. Corr.“ meldet: Der Wahlkampf in Brighton endete gestern Abend mit der Ewählung des kon— servativen Kandidaten Gerald Loder zum Pertreter der Stadt im Unterhause an Stelle des jüngst verstorbenen Sir W. Tindal Robertson mit 7132 Stimmen, während auf Sir Robert Peel, den von den Gladstonianern aufgestellten Kandidaten, nur 4625 Stimmen entfielen. Loder's Mehrheit von 2507 Stimmen ist zwar um 310 Stimmen größer als die konservative Mehrheit von 1885, aber um 735 Stimmen kleiner als diejenige von 1886. Die liberale „Daily News“ schreibt: „Wir haben keine Ursache, durch das Resultat entmuthigt zu sein. Wir haben die konservative Mehrheit um 735 Stimmen geschwächt. Wir haben unsere eigene Stimmenanzahl nahezu verdoppelt. Wir sind von 2633 liberalen Stimmen in 1886 auf 4625 liberale Stimmen in 1889 gestiegen. Der liberale Kandidat war in einen Kampf verwickelt, in welchem ein vollständiger Erfolg kaum zu hoffen war.“
Frankreich. Paris, 27. Oktober. (Fr. C.) Der Ministerrath beschäftigte sich gestern unter dem Vorsitze des Präsidenten Carnot mit der ministeriellen Frage. Nachdem jeder Minister einzeln von dem Conseil-Präsidenten um seine Ansicht befragt worden, wurde einstimmig beschlossen, daß das gesammte Ministerium unverändert sich der neuen Kammer vorstellen solle.
Das „Journal Officiel“ veröffentlicht einen Erlaß des Präsidenten Carnot, durch welchen bestimmt wird, daß das 2. Jäger⸗Bataillon in Lune dille und das 4. Jäger-Bataillon in St. Nicolas⸗du⸗Port sechs Compagnien erhalten.
Der Großfürst Wladimir von Rußland ist aus Ludwigslust hier eingetroffen und siattete gestern dem Prä— sidenten Carnot einen Besuch ab.
In Tongking ist proyisorisch für die Grenzdistrikte der Belagerungszustand publizirt worden.
Portugal. Lissabon, 27. Oktober. (W. T. B.) Der Leichenzug mit der sterblichen Hülle des Königs Dom Luis bewegte sich gestern Vormittag gi Uhr vom Kloster Belem nach der Königlichen Gruft in der Kloster— kirche San-Vingent de Flora, wo der Zug um 4 Uhr Nachmittags eintraf. Dem Sarge, welcher mit Kränzen be— deckt war, gaben das offizielle Gefolge und zahlreiche Ab— ordnungen das Geleit. Der Patriarch ertheilte, nachdem der Sarg im Pantheon beigesetzt worden war, den Segen. — Der Herzog von Edinburg konnte wegen leichten Unwohl— seins den Beisetzungsfeierlichkeiten nicht beiwohnen.
Schweiz. Bern, 28. Oktober. (W. T. B.) In der gestrigen Jahresversammlung der schweizerischen soziahdemokratischen Partei wurde die Aufstellung aus⸗ gesprochen sozialdemokratischer Kandidaturen zu den Natio nal— rathswahlen, wo dies immer nur möglich sei, beschlossen; ferner die Bekämpfung jeder weiteren Ausdehnung der po li⸗ tischen Polizei und die Ueberwachung des Verhaltens der Kantone gegenüber derselben.
Serbien. Belgrad, 27. Oftober. (W. T. B.) Die Skupschtina begann die Berathung der Adresse an den König. Der Adreßentwurf betont anläßlich der Thron— rede die große Befriedigung der Skupschtina über die freundschaftlichen Beziehungen zu den auswärtigen Mächten. Sodann wird der Freude über die Besteebungen der Re— gierung, im Einvernehmen mit den Balkanvölkern an der Entwickelung der Unabhängigkeit Serbiens zu arbeiten, Ausdruck verliehen und den fremden Souveränen Dank aus— gesprochen für die Beglückwünschung anläßlich der Salbung des Königs; ferner wird der Vertretung des russischen Kaisers besonders gedacht.
Bulgarien. Sofia, 27. Oktober. (W. T. B.) Die Eröffnung der Sobranje ist durch ein von Stam— bu low, als Vertreter des Prinzen Ferdinand, unterzeichnetes Dekret der Verfassung gemäß auf den 3. November (22. Oktober a. St.) vertagt worden, da Prinz Ferdinand, welcher die Session der Sobranje heute eröffnen wollte, seine Rückkehr um mehrere Tage verschoben hat.
Aus Zanzibar, vom 28. Oktober, meldet
Australien. Ueber San Francisco vom 27. Oktober ist . Telegramm des „Reuter'schen Bureaus“ einge⸗ troffen:
Nachrichten aus Apia vom 9. d. Mts. bestätigen die Wahl Mataafa's zum Könige von Samoa. Diese Wahl solle jedoch nur als temporär gelten, bis die Konvention der Mächte in Kraft trete, und es würde dann eine neue Wahl stattfinden können. Die Parteigänger Tamasese's hätten sich jedoch geweigert, die Wahl Mataafa's anzuerkennen, und die Anhänger Mataafa's auf der Insel Sawaii angegriffen. Die Häuptlinge von Mataafa's Partei hätten beschlossen, die Angreifer zu züchtigen.
Zeitungs ftimmen.
Die Blätter widmen ihre hauptsächlichen Betrachtungen dem Entwurf eines neuen Gesetzes zur Bekämpfung, der gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozial⸗ ö So schreiben die „Hamburger Nach⸗ richten“:
Was die Frage anlangt, ob die Aenderungen (welche an dem be⸗ stehenden Gesetz vorgenommen werden sollen) zusammen bedeutsam genug sind, um dafür die „Sicherheit gegen Mißbrauch“ aufzugeben, welche bisher in der Nothwendigkeit periodischer Erneuerung des Ge⸗ setzes gelegen haben soll, so kann die Antwort darauf nur dann richtig ertheilt werden, wenn Zweck wie Folgen der periodischen Bewilligung nach allen Seiten hin erwogen werden. Die Motive der neuen Vor⸗ lage führen gegen die Aufrechterhaltung der Befristung des Gesetzes
an, daß, nachdem durch die Erfahrung die Nichtigkeit der für die zeitliche Begrenzung maßgebend gewesenen Annahme dargethan sei: das Gesetz werde nur vorübergehend nothwendig sein oder die in demselben angewendeten Mittel würden sich als ungeeignet erweisen, es keinen Sinn mehr habe, jene Beschränkung aufrecht zu erhalten. Dieser Deduktion wird ent⸗ gegengehalten, die periodische Bewilligung des Sozialistengesetzes habe, wie bei den Reichstagsverhandlungen über das Gesetz deutlich kon⸗ statirt worden sei, hauptsächlich zum Zweck gehabt, möglichste Sicher⸗ heit gegen eine mit den Absichten der Gesetzgeber nicht überein—⸗ stimmende Anwendung der diskretionären Befugnisse der Behörden zu gewähren; der Reicht tag habe für immer binnen einer gemensenen Frist in der Lage sein wollen, diese Vollmachten zurückzuziehen. Anderer⸗ seits aber fällt ins Gewicht, daß, trotz vorgekommener Ueberschreitung der behördlichen diskretionären Befugnisse, der Reichstag bei keiner Gelegenheit es verantworten zu können geglaubt hat. jene Vollmacht zurückzuziehen, und zwar in der ganz xichtigen Auffassung, daß es für die öffentliche Wohlfahrt besser sei, solche Vorkommnisse mit in den Kauf zu nehmen, als das Gesetz aufzuheben. Außerdem hat die periodische Verlängerung des Gesetzes positive Nachtheile zur Folge gehabt. So z. B. hat nichts so sehr zur Demoralisirung der Wahlbewegungen beigetragen als die Frage der Verlängerung des Sozialistengesetzes. Die schlimmsten Umtriebe, heuchlerischsten Ver sicherungen und frivolsten Abmachungen fanden hierin ihren Ursprung, während andererseits gerade die Sozialdemokratie davon den größten Vortheil zog. Wird der Wahlagitation dieser gefährliche Stoff ein für allemal entzogen, so darf mit Sicherheit darauf gerechnet werden, ö. die Wahlen einen weit ruhigeren und natürlicheren Verlauf nehmen, als bisher. Das Interesse des Reichs hieran ist ein so starkes, daß dadurch selbst größere Nachtheile aufgewogen werden würden, als die sind, welche durch Beseitigung der periodischen Be— willigung des Gesetzes entständen.
Um so leichter mag es fallen, in den von dem neuen Entwurfe vorgeschlagenen Milderungen und in den Erhöhungen der Rechts garantien einen Ersatz für die periodische Bewilligung zu finden. . . . Was den Verzicht auf die Ausweisungen betrifft, so sind wir sehr im Zweifel, ob es richtig sein würde, über den Entwurf hinauszugehen, der die Ausweisungen nur aufheben will, so weit sie nicht auf dem kleinen Belagerungszustand beruhen. Eine generelle Aufhebung der Ausweisungsbefugniß ohne diese Beschränkung würde die sozialdemo⸗ kratisch am meisten gefährdeten großstädtischen Bezirke zu wahren Sammelplätzen aller sozialdemokratischen Agitatoren machen. Die Gefahr, die sich hieraus ergeben müßte, liegt auf der Hand.“
Die „Schlesische . wirft einen Blick auf die Genesis des bestehenden Gesetzes und führt dann aus:
„Regierung und Land haben die Erfahrung gemacht, daß die stets in kurzen Fristen wiederkehrenden Verhandlungen über eine weitere periodische Gültigkeit des Gesetzes die Soigldemokratie nur fördern, indem sie ihren Rednern willkommene Gelegenheit bieten, vom Par“ lamentssaale aus die Unzufriedenheit im Lande zu schüren und das Parteitreiben wieder mächtig in Fluß zu bringen.
Man kann der gegenwärtigen nationalliberalen Partei wahrlich den Vorwurf nicht machen, daß sie an der alten Prinzipienreiterei, wie solche in den Tagen Lasker's im Flor war, eigensinnig festhalte und gegen die realen Forderungen des Lebens das Auge verschließe. Aber die stetig wiederkehrenden Verhandlungen über eine weitere Geltungsdauer des Sozialistengesetzes bildeten doch eine Kette, durch welche die Partei in dieser Frage an ihren ursprünglichen Standpunkt einigermaßen gebunden blieb. Nur mit Wider⸗ streben willigten die Nationalliberalen in die Anträge der Regierung, und als sie im vorigen Jahre einer Verlängerung der Geltungs— dauer des Gesetzes wiederum zustimmten, erklärten sie rundweg, es sei dies das letzte Mal; auch der Sozialdemokratie müsse fürder im Wege der ordentlichen Gesetzgebung entgegengetreten werden. In Folge dessen zeigte sich die Regierung bemüht, an die Stelle der be— stehenden legislatorischen Maßnahmen andere zu setzen, welche, ohne sie der Sozialdemokratie gegenüber wehrlos zu machen, dieser Strö— mung entsprachen. Der Versuch, die nothwendigen Bestimmungen des Ausnahmegesetzes der ordentlichen, Gesetzgebung einzuverleiben, ist indeß vollständig gescheitert. Juridische Autoritäten, welche sich, wie Herr Professor von Bar in Göitingen, zur Fortschrittspartei bekennen, erklärten vor der Oeffentlichkeit, daß es weit besser sei, das Aus— nahmegesetz beizubehalten, als unsere ordentliche Gesetzgebung durch Bestimmungen zu verunstalten, welche das Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz in Frage stellten.
In der nunmehr von Preußen eingebrachten Novelle handelt es sich im Großen und Ganzen um einige Abschwächungen des gegen— wärtigen Gesetzes im Sinne des liberalen Prinzips; an den wesent⸗ lichen Kompetenzen derjenigen Administrativbehörden, welche zunächst zum Einschreiten berufen sind, wird wenig geändert. Die Ab⸗ schwächungen aber werden dadurch hundertfach aufgehoben, daß wir es in Zukunft nicht mehr mit einem nur periodisch, sondern dauernd in Kraft bleibenden Gesetze zu thun haben werden.
Wir hegen keinen Zweifel daran, daß die bevorstehenden Reichs⸗ tagsoerhandlungen zu einem positiven, für Staat und Gesellschaft befriedigenden Resultat führen werden. Wir zweifeln hieran um so weniger, als die Erfahrungen, welche im Laufe von elf Jahren mit dem derzeitigen Sozialistengesetz gemacht worden sind, durchaus für dasselbe sprechen. Jedenfalls hat das Gesetz insbesondere durch die Beschränkungen, welche es der Presse und den Agitatioasreden auf⸗ erlegt wesentlich dazu beigetragen, daß unsere ländliche Arbeiterwelt und andere viel umfassende Kreise der arbeitenden Bevölkerung vom Gift der Sozialdemokratie so gut wie unberührt geblieben sind. Die zur Zeit der ersten Berathung des Gesetzes im Reichstage vielfach laut⸗ gewordene Befürchtung, daß das Gesetz nur die Handhabe bilden werde, nicht nur die sozialdemokratischen, sendern alle oppositionellen Parteien zu vergewaltigen, hat sich in keiner Weise als gerechtfertigt erwiesen. .. Der zur Zeit des Erlasses des Sozialistengesetzes allseitig auftretenden Forderung, den Repressivmaßregeln eine positive Fürsorge für das Wohkl der arbeitenden Klassen zur Seite, gehen zu lassen, siad Re⸗ gierung und Volksvertretung bereits in weitestem Maße gerecht geworden. Die liberale Presse wußte zu jener Zeit nichts Anderes vorzuschlagen, als die Errichtung von Arbeiter -Kasines mit Konver—⸗ sations⸗, Lese⸗ und Vortragsräumen, mit Billardzimmern. Kegel⸗ bahnen ꝛ. Die Gesetzgebung aber hat inzwischen die segensreichen Institute der Kranken, Unfall-, Invaliditäts- und Altersversicherung geschaffen und damit den unwiderleglichsten Beweis geführt, daß ihr das Wohl der sogenannten Enterbten ernstlich am Herzen liegt.
Unter solchen Verhältnissen glauben wir den bevorstehenden k über das Sozialistengesetz getrost entgegensehen zu
ürfen.
Der , , endlich bemerkt: „Die Milderungen sind fast wider Erwarten und bei dem Fehlen jeder Verschärfung, wie solche noch vor zwei Jahren, namentlich in Bezug auf die bis zur Expatriirung gesteigerte Ausweisung vorgeschlagen waren, so belangreich, daß die nationalliberale Partei und selbst ein Theil des Centrums sich einer Verständigung nicht werden entziehen können. Freilich werden von manchen Seiten noch mehr sogenannte Rechtsgarantien verlangt werden; aber voraussichtlich wird die Ansicht Geltung behaupten, daß man die Gerichte, deren Entscheidungen der Entwurf nur insoweit zuläßt, als sie in den Einzelstaaten verwal⸗ tungsgerichtliche Funktionen haben, nicht mit politischen Aufgaben be⸗ lastet, für die sie wenig geeignet sind und für die sich erst nach langer Zeit eine feste Praxis herausbilden würde.“
Parlamentarische Nachrichten.
Tagesordnung für die 4. Plenarsitzung des Reich s—⸗ tages, Dienstag, den 29. Oktober 1889, Nachmittags 1 Uhr: Erste Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Feststellung des Reichshaushalts⸗Etats für das Etatsjahr 1890,91, in