1889 / 258 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 29 Oct 1889 18:00:01 GMT) scan diff

bei den Wahlen erlittenen Verluste an die dritte Stelle gerückt

und kann sich, falls sie den Anspruch erheben sollie, im

,, ferner vertreten zu sein, nicht mehr auf ihre timmenzahl berufen.

Mecklenburg⸗ Schwerin. Schwerin, 28. Oktober. ö Nachr.) Ihre Königlichen Hoheiten die Groß⸗ erzogin⸗Mutter und die . Marie, sowie Ihre Hoheit Re Herzogin Elisabeth sind am Sonn⸗ abend Abend von Ludwigslust hier wieder eingetroffen.

Sachsen⸗ Coburg Gotha. Coburg, 28. Oktober. (W. T. B.) Se. Hoheit der Herzog hat sich auf seine Be⸗ sitzungen in Oesterreich begeben.

Anhalt. Dessau, 26. Oktober. (Anh. St. NI.) Ihre Königlichen Hoheiten der Erbgroßherzog und die Erb⸗ großherzogin sind mit den Herzögen Friedrich und Carl Borwin von Mecklenburg-Strelitz heute aus Neu⸗Strelitz hier angekommen.

Reuß j. L. Gera, 28. Oktober. (Ger. Ztg.) Die feier⸗ liche Eröffnung des neugewählten Landtages fand gestern durch den Staats-Minister Br. von Beulwitz statt. In seiner Eröffnungsrede wies der Minister darauf hin, daß die Finanzlage des Landes trotz erhöhter Anforderungen des Reichs eine Erleichterung der Steuern gestatte und den ; des Sportelzuschlags zulasse. Das Ministerium gebe sich der Hoffnung hin, daß die im Etat vorgesehenen Auf— besserungen Seitens des Landtages Annahme finden würden. Eine Anzahl außerordentlicher Bewilligungen werde an den Landtag herantreten, welche aber aus den reichlich vorhandenen Mitteln gedeckt werden könnten. Das Eisenbahnprojekt Schönberg Hirschberg sei in Erwägung gezogen und hätten diesbezügliche Erörterungen stattgefunden, welche jedoch noch nicht so weit gediehen seien, daß eine Vorlage habe

emacht werden können. Von den dem Landtage zugehenden orlagen erwähne er namentlich das Gesetz uͤber die Erhebung der Klassen⸗ und klassifizirten Einkommensteuer, das neue Staatsdienergesetz, die Kirchenvorstandsordnung. Der Minister schloß mit dem Wunsche, daß die Berathungen des Landtages allezeit auf das Wohl des Landes un⸗ abhängig von politischen Parteiinteressen gerichtet seien. Hierauf ergriff der Alters-Präsident Abg. Dr. Jäger das Wort und brachte ein dreimaliges Hoch auf Se. Turchlaucht den regierenden Fürsten aus. Die nächste Sitzung wurde auf den 29. d. M. anberaumt.

Hamburg, 27. Oktober. (Wes.3tg.) Der Senat hat diesmal früher als jonst den Entwurf zum Staats— haushalt pro 1890 vorgelegt, welcher mit einem Defizit von 1327475 46 (gegen 2 342 621 66 im laufenden Jahre) abschließt. Die Ausgaben sind auf 52 855 820 (6 gegen 49 206 751 1S¶6 in diesem Jahre berechnet. Das Defizit würde noch geringer gewesen sein, wenn nicht in diesem Jahre zuerst dem wiederholt geäußerten Wunsche der Bürgerschaft entsprechend ein Betrag von 500 000 Me zu Neubauten sür Volksschulhäuser eingestellt worden wäre. Der Senat verspricht bei dieser Gelegenheit, daß er demnächst der Bürgerschaft eine Vorlage machen werde, um die Gehälter der unteren Her ne fen aufzubessern, um so mehr als denselben ein billiger Ausgleich zu gewähren sein werde für die neuerdings eingetretene Steigerung der Miethen sowie der Preise mancher Lebensbedürfnisse, welche sich ins⸗ besondere bei Beamten mit kleineren Gehalten fühlbar gemacht habe. In den „Steuern und Abgaben“ sind die Einnahmen allein von 29 auf 32 Millionen Mark höher veranschlagt. Die Ausgaben erscheinen um 31½ Millionen höher; das Plus ent— fällt namentlich auf das Bauwesen (ca. 9 Millionen), das Unterrichtsmesen (iz Millionen), die Polizei (63 / Millionen) und öffentliche Wohlthätigkeit (l/. Millionen). Die Ham⸗ burgische Staatsschuld erfordert an Zinsen 10 083 000 M Da die Zinsen meistens 31 / Proz. betragen, würde die ge⸗ sammte Staatsschuld worüber eine Spezialberechnung nicht vorliegt auf rund 300 Millionen Mark zu veran⸗ schlagen sein.

Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 28. Oktober. (W. T. B.) Se. Majestät der Kaiser hat heute Vormittag 10 Uhr 30 Min. Meran wieder verlassen und sich zunächst nach Bozen begeben, wo die Ankunft um 113s. Uhr erfolgte. Auf dem Bahnhofe daselbst wurde Allerhöchstderselbe von Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit dem Erzherzog Heinrich und den Spitzen der Behörden empfangen, machte hierauf im Palais des Erzherzogs einen Besuch und fuhr dann unter dem Jubel der Einwohner durch die festlich geschmückte Stadt an dem Walther von der Vogelweide errichteten Denkmale vorüber nach dem Schlosse Runkelstein und dem Kurorte Gries. Die Abreise nach Wien erfolgte A/ Uhr Nachmittags unter lebhaften Hochrufen der auf dem Bahnhofe versammelten Bevölkerung.

Wie verschiedene Blätter melden, hat der Staatseisen⸗ bahnrath mit überwiegender Majorität den Antrag Ruß auf Herabsetzung der Personentarife bezw. Ein⸗ führung des Zonentarifs angenommen. Der , n, n . erklärte, dieser Beschluß werde auf das

orgfältigste geprüft werden, namentlich mit Rücksicht auf die Staatsfinanzen, um das nur mühsam errungene Gleich— ö nicht zu stören. Der Minister fügte hinzu, die

lättermeldungen über den Ueberschuß des Budgets pro 1890 in der angegebenen so namhaften Höhe beruhten auf argen Uebertreibungen.

Die helvetisch⸗evangelische General⸗Synode des Augsburger Bekenntnisses berieth in ihrer heutigen Sitzung die Feststellung einheitlicher Bestimmung en über die Feier des Geburtsfestes des Kaisers und nahm den Antrag an, den 18. . als Geburtsfest des Kaisers in allen evangelischen Kirchen festlich zu begehen und die betreffende tig c Feier mit dem Absingen der österreichischen Hymne zu schließen. Die von dem Ver— fassungs aus schuß vorgelegten Bestimmungen, betreffend den Uebertritt zur . Kirche, wurden nach längerer Debatte mit einigen Aenderungen angenommen.

29. Oktober. (W. T. B.) Nach dem heute veröffent⸗ lichten Novem ber⸗Avancement sind ernannt: Zu Ober st⸗ Lieutenants die Majore: Erzherzog Franz Ferdinand von Oesterreich-Este und Erzherzog Eugen; jum Major: Erzherzog Leopold Salvator; zum Ritt— meister: Erzherzog Franz Salvator; zum Ober— lieutenant: ee eg Ferdinand. Zu Feldzeug—⸗

meistern sind befördert FML. Baron Reinländer, FMC. Graf Grünne und FML. Waldstätten. Unter den zu Feldmarschall⸗-Lieutenants Ernannten befindet sich der diesseitige Gesandte in Belgrad, Freiherr von Thömmel. Der Militär-Attachs in Paris, Szilvinyi, ist zum Major befördert worden.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 29. Oktober (W. T. B.) Der heutige Jahrestag der glücklichen Errettung der Kaiserlichen Familie bei dem Eisen— bahnunglück in der Nähe von Borki wird im . Lande mit fern chen Dankgottesdiensten begangen. Während die Kaiserliche Familie in Gatschina die Andacht gemeinschaftlich mit sämmtlichen am Leben gebliebenen Zeugen der Katastrophe nur der Großfürst Thronfolger ist abwesend verrichtet, findet in der hiesigen Isaakskirche ein feierliches Tedeum statt, auf welches eine Kirchenparade folgt, der die Mit— glieder des diplomatischen Corps und die hohen Würden—⸗ träger beiwohnen. Im Bör sensaale wird statt der gewöhn⸗ lichoön Versammlung Gottesdienst abgehalten; alle Kirchen sind von Andächtigen gefüllt, und eine nicht minder all— . Betheiligung an der Feier wird aus der Provinz gemeldet.

Der neue türkische Botschafter Husni Pascha ist gestern vom Kaiser behufs Entgegennahme seiner Akkredi⸗ tive in feierlicher Audienz empfangen worden.

Serbien. Belgrad, 28. Oktober. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Skupscht ing gab der Abgeordnete Ribargc im Namen der liberalen Partei die Erklärung ab, daß diese, beschlossen habe, sich der Adresse der Majorität anzuschließen. Es erfolgten darauf die Wahlen zu den Kommissionen und die Unterzeich— nung der Adresse.

Die Adresse rühmt in der Einleitung den Widerstand des nationalen Geistes, der über die jeder Freiheit und den nationalen Wünschen widerstrebende Richtung triumphirt und sich von der Herr— schaft befreit habe, welche das Land schwer geschädigt hätte. Die Adresse dankt sodann allen Denjenigen, die zu dem Zustandekommen der neuen Verfassung beigetragen, und hebt hervor: die Nation werde sich dankbar des Entschlusses des Königs Milan erinnern, mit dem er dem Lande eine nere Ver— fassung verliehen, hierauf den Thron an seinen Erben ab— getreten und so dem serbischen Staat und der nationalen Dynastie eine bessere Zukunft eröffnet habe. Die Nation habe die Thron besteigung des Königs Alexander als Gewähr für eine h n. Zukunft begrüßt. Die Regenten hätten die Regierung Männern anvertraut, von denen sie überzeugt sein könnten, daß sie das Vertrauen der Nation genössen. Die Skupschtina werde hinsichtlich der Verbesserung der Finanzlage des Landes die Befolgung möglichster Sparsamkeit zu ihrem Grundsatz machen und versuchen, die Staats einnahmen im Einvernehmen mit der Regierung thunlichst zu kräͤf— tigen. Der auf die Beziehungen zu den auswärtigen

ächten bezügliche Passus betont die Genugthuung darüber, daß die Beziehungen sowohl zu den Nachbarstaaten als auch zu den anderen Staaten normale und freundschaftliche, und daß die bei Beginn der neuen Aera vorgefundenen freundschaftlichen Beziehungen weiter entwickelt und mit neuen werthvollen Errungenschaften verrollständigt worden seien. Das in der Thronrede ausgedrückte Bestreben der Regentschaft und der Regierung, im Einvernehmen mit den übrigen Balkanvölkern die Eintracht und den Frieden auf der Halbinsel und die selbständige Entwickelung der Balkan völker zu wahren, habe die Skupschtina freudig berührt; sie hoffe, dieses Bestreben werde die Anerkennung und Zu⸗ stimmung aller Balkanvölker finden, deren Interessen in einer einträchtigen, auf gerechter Befriedigung der gegenfeitigen Rechte be—⸗ gründeren Solibarität am besten gewahrt würden. Als einen Beweis für die befriedigenden internationalen Beziehungen betrachte die Skupschtina die sympathischen Beglückwünschungen der Souveräne und Staatsoberhäupter bei Gelegenheit der Salbung des Königs. Indem die Skupschtina für die wohlwollende Aufmerksamkeit Europas danke, spreche sie ihre besondere Freude aus über den Beweis warmer Sympathie von Seiten des Kaisers von Rußland, der durch die Abordnung eines Spezialgesandten zu der Salbung des Königs einen werthvollen Beweis seiner herzlichen Gesinnungen für die serbische Nation und die serbische Tynastie gegeben habe. Schließlich erklärt die Skupschtina, sie werde mit allen Kräften dafür wirken, daß die Hoffnung auf den mit der Thronbesteigung des Königs Alexander zu erwartenden Beginn besserer, glücklicherer Tage für Serbien zur Wahrheit werde.

Die Adresse wurde heute den Regenten durch eine vom Präsidenten der Skupschtina geführte besondere Depu—

totion überreicht. Rist ie erwiderte, er freue sich, mit der

Majorität der Skupschtina im Vertrauen zur Regierüng über— einstimmen zu können.

Asien. Japan. Tokio, 28 Oktober. (WB. T. B.) Der Minister des Auswärtigen, Graf Okuma, dem der Kaiserl ich Gesandte in Japan anläßlich des gegen ihn gerichteten Attentats die Theilnahme der deutschen Regierung zu erkennen gegeben hatte, hat dafür dem Reichskanzler, Fürsten von Bismack, durch Vermittelung des Kaiserlichen Gesandten seinen wärmsten Dank aus— gesprochen Das Befinden des Grafen Okuma ist verhaltniß— mäßig sehr gut.

Afrika. Egypten. Kairo, 28. Oktober. (W. T. B.) Durch ein ergangenes amtliches Dekret werden für das nächste Jahr in ganz Egyvten nur 1500 Acker (ungefähr 600 ha) Landes zum Tabackanb au zugelassen. Die Maß⸗

regel wird mit der Nothwendigkeit motivirt, die Einnahmen

aus dem Taback zu vermehren, indem die erhöhte Ein— schätzung des letzten en eine Beschränkung des Taback— anbaues nicht herbeigeführt habe.

Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (4) Sitzung des Reichstages, welcher der Vize⸗Präsident des Staats-Ministeriums, Staats⸗ sekretär Dr. von Boetticher, die Staats⸗Minister Dr. von Scholz und von Verdy du Vernois, die Staatssekretäre Dr. von Stephan und Freiherr von Maltzahn⸗Gültz sowie andere Bevollmächtigte zum Bundesrath nebst Kommissarien bei— wohnten, theilte der Präsident zunächst mit, daß er am 27. d. im Namen des Reichstages zu den Vermählungs⸗ seierlichkeiten in Athen ein bel s un henden Telegramm an Se. Majestät den Kaiser und an Ihre Masestät die Kaiserin Friedrich gerichtet habe. Das Haus begleitete diese Mittheilung mit Beifall. Seitens der Kaiserin Friedrich ist bereits folgendes Telegramm darauf eingegangen:

Tief gerührt, mit Dank entgegengenommen. Kaiserin Friedrich.“

Der Abg. Buhl hat angezeigt, daß er die Wahl zum ersten Vize⸗Präfidenten dankend annehme. hn

Das Schreiben des Abg. von Cuny, in welchem der— selbe seine Ernennung zum ordentlichen Honorarprofessor, und das des Abg. von Gehren, in welchem dieser seine Ernennung .. Geheimen Regierungs-Rath mittheilt, wurden der Ge⸗ chäftsordnungs⸗Kommission überwiesen.

Auf der Tagesordnung stand die erste Berathung des Entwurfs eines Gesetz es, betreffend die Feststellung des Reichs haushalts-CEtats für das Etatsjahr 1890/91 in Verbindung mit der ersten Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Aufnahme einer Anleihe für Zwecke der Verwaltungen des Reichsheeres, der Marine, der Reichs-Eisenbahnen und der Post und Telegraphen in weiterer Verbindung mit der ersten Berathung des Eniwurfs eines Gesetzes, betreffend Aenderungen des Reichs⸗Militärgesetzes vom 2. Mai 1874.

»Bei Schluß des Blattes ergriff der Staatssekretär Frei⸗ herk von Maltzahn zu einem einleitenden Vortrage Über den Etat das Wort.

Der Reichstags⸗Abgeordnete Freiherr von Stauffen⸗ berg hat, dem „Corresp. v. u. f. Deutschl.“ zufolge, die Ab⸗ sicht ausgesprochen, ein Mandat zum Reichstage nicht mehr annehmen zu wollen.

(Weitere „Parlamentarische Nachrichten“ s. Beilage.)

Zeitungsstimmen.

An die Abänderung des bestehenden Sozialisten-⸗— gesetzes knüpft die „Leipziger Zeitung“ folgende Be⸗

trachtung:

„Nachdem der Entwurf des Gesetzes zur Abänderung des Gesetzes vom 21. Oktober 1878 und die Begründung desselben nunmehr im Wortlaut vorliegen, dürfen wir beide mit vollster Ueberzeugung als eine Musterleisturg staatsmännischer Einsicht bezeichnen, die sich gleichermaßen in weiser Beschränkung auf das unbedingt Gebotene, wie in zielbewußter, entschiedener Durchführung dis einmal für noth⸗ wendig Erkannten kundgiebt. . . .

Die entscheidende Frage, um die es sich jetzt handelt, kann nur die sein, ob man gut thun werde, das Gesetz auch jetzt wieder nur auf eine bestimmte Zeit zu verlängern oder zum dauernden zu erheben. Der Beweggrund, von dem man bei der Fristbestimmung des bis herigen Gesetzes und ihren späteren Verlängerungen ausging, konnte ein doppelter sein. Man glaubte entweder, daß der Zweck des Ge⸗ setzes nur ein vorübergehender sei, oder men fürchtete, daß die Mittel desselben sich als ungeeignet herausstellen würder. Beide Annahmen waren irrig. Nicht um die Beseitigung einer vorüber

gehenden, sondern einer chronischen Krankheit handelte es sich, deren

Weitergreifen vorgebeugt werden sollte. Unleugbar hätte das Gesetz der sozialdemokratischen Bewegung weit stärkeren Abbruch gethan, wenn es von Anfang an ein fristloses gewesen wäre. Die in kurzen Pausen immer wieder auftauchende Frage der Ver⸗ längerung des Gesetzes bot der Sozialdemokratie den erwünschten Stoff zur Agitation. Unablässig, nicht nur zur Zeit der Reichstags⸗ wahlen, sundern auch für jede Sessior, in welcher die Verlängerung des Gesetzes zur Berathung stand, bildete dieselbe den Angelpunkt, um den sich die Agitation der Sozialdemokratie in Peesse und Versammlungen bewegte. Ebenso boten die Verhandlungen des Reichstages über die bezüglichen Gesetzes⸗ vorlagen den Vertretern der Sozialdemokratie immer den geeigneten Anlaß, um ihre revolutionären Anschauungen und Ziele unter Ver— dächtigung und Verunglimpfung der Regierungen ins Land zu tragen. Auch die verbündeten Regierungen balten zwar an der Hoffnung fest, daß die Ausnahmebestimmungen des Gesetzes, namentlich wenn die sozial⸗ reformatorischen Gesetze ihre Wirkung voll erreicht haben, zu ent behren sein werden. Der Zeitpunkt hierfür läßt sich jedoch nicht ab sehen. Von der noch nicht abgeschlossenen sozialen Gesetzgebung wird eine merkbare Rückwirkung auf die Stimmung der Arbeiterbevölkerung nicht eher zu erhoffen sein, als bis der Einfluß dieser Gesetzgebung auf die materielle Lage der Arbeiter sich längere Zeit hindurch fühl⸗ bar gemacht haben wird.

War hiernach die, von den verbündeten Regierungen nicht getheilte, Hoffnung, daß der Zweck des Gesetzes zunächst nur ein vorübergehender sein werde, irrig, so haben sich andererseits auch die durch das Hesetz gebotenen Mittel im Allgemeinen als zweck entsprechend erwiesen. Der Versuch eines Ersatzes durch anders ge= artete Mittel wird stets der Schwierigkeit begegnen, daß dieselben ent- weder an Nachdruck verlieren oder zugleich auch andere Parteien treffen. Gerade diejenigen Parteien, die sich mit dem Namen der Freiheit schmücken, gerade die Liberalen sollten, wenn sie der Freiheit im edelsten Worttzsinne dienen wollen, gegen jene Verallge⸗ meinerung, wie sie die Unterstellung der sozialdemokratischen Bestre⸗ bungen unter „das gemeine Recht“ mit sich bringen würde, so, wie bisher die Konservativen gethan haben, Verwahrung einlegen. Wir wissen aus bester Quelle, daß der Versuch, einen Entwurf im Sinne jener Unterstellung der Sozialdemokratie unter ‚das gemeine Recht“ anzuferti zen, von maßgebender Seite unternommen und unseren tüch- tigften juristischen Kräften übertragen worden ist; der Versuch scheiterte aber und mußte scheitern, weil es nicht möglich war, einen Ersatz zu schaffen, der nicht gleichzeitig auch andere Theile des soziclen Organismus traf. Der beschränkenden Fristbestimmung entkleidet, stellt das Gesetz eine derartig erhöhte Wirkung in Aussicht, daß man es unternehmen konnte, es andererseits auch im freiheitlichen Sinne besser auszugestalten. Es geschah dies nach dreifacher Rich tung: indem man 1) auf einzelne harte Bestimmungen verzichtete, 2) andere milderte und 3) für die Handhabung des Gesetzes weiter⸗ gehende Rechtsgarantien schuf.“

Zur Wahlparole von den Lebensmitteln bemerkt der: „Schwäbische Merkur“:

Recht unangenehm ist den „Deutschfreisinnigenꝰ die Thatsache, daß im Entwurf zum Reichhaushalts Etat für 1890/90. die aus⸗ geworfenen Kosten für die Naturalverpflegung der Truppen nicht, wie sie erwartet und des öfteren vorausgesagt hatten, erhöht, sondern gegen das laufende Jahr insgesammt um 96 081 „S ver⸗ mindert sind. Ihre Blätter machen sich denn auch daran, die diesem Ansatze zu Grunde liegende Berechnung als völlig verfehlt hinzu⸗ stellen und gegen die Militärverwaltung den Vorwurf zu erheben, sie verlange für die Naturalverpflegung zu wenig Geld. Nimmt sich ein solcher Vorwurf im Munde der Deutschfreisinnigen, die doch stets bisher über ihrer Ansicht nach zu große Forderungen der Mili⸗ tärverwaltung geklagt haben, recht sonderbar aus, so zeigt er doch auch, wie die Deutschfreisinnigen nur um ihre Wahlparole von der Vertheuerung der Lebensmittel aufrecht erhalten zu können, selbst der Militärverwaltung gerne mehr Mittel, als sie braucht, zur Ver⸗ fügung zu stellen bereit wären. Nun, die Deutschfteisinnigen können sich beruhigen. Unsere Militärverwaltung ist gewohnt, ihre Forderungen nach den wirklich vorhandenen Bedurfnissen aufzustellen, und diese haben eben zur Herabsetzung des betreffenden Ansatzes um den angegebenen Betrag geführt. Die deutschfreisinnigen Blätter verschweigen ihren Lesern, daß für die Position der Naturalverpflegung dem Etat eine eigene Berechnung der Durchschnittspreise für Weizen, Roggen ꝛe. von 1879 bis 1888 beigegeben ist und daß diese die nach den deutschfreisinnigen Klageliedern der letzten Zeit allerdings recht merk⸗ würdige Thatsache eigeben, daß die Preise von Weizen und Roggen im Jahre 1888 überall gegen 1879 niedriger gewesen sind. Im Jahre 1879 stellte sich in Preußen der Centner Weizen auf 9, 80 , Roggen auf 7,20 6, 1888 auf 8.70 M bezw. 6,75 M é; in Baden auf 11,605 S bezw. 8, 25 S und 9, 82 MS bezw. 7, 49 MS ; in Elsaß ⸗Loth⸗ ringen auf 11,34 M bezw. 8,18 und auf 9, 82 M bezw. 7,58 Mn ;

in Hessen auf 10,52 S bezw. 8, 19 und 9,70 M bew. 7,78 t; in Württemberg auf 10,72 M bezw. 8,62 S und 10,22 M bezw. S.o99 ; in Sachsen, wo für Weizen die Zahlen nicht ange— geben sind, der Centner Roggen im Jahre 18795 auf 8,45 MS, im Jahre 1888 auf 7, 210 M.. Also überall haben wir eine Bestätigung der schon früher hervorgehobenen Erscheinung, daß vor der ersten Einführung der Getreidezölle das Getreide theurer war, als 10 Jahre nach derselben. Daß diese amtlichen Zahlen den Deuischfreisinnigen, die mit der Wahlparole der Lebensmitfelvertheuerung durch die Zölle gute Geschäfte zu machen hoffen, unbequem sind, glauben wir gerne, sie entsprechen aber den Thatsachen und werden denn doch Manchem die Augen über den Werth der deutschfreisinnigen Redensarten öffnen.“

9j einem Artikel über die Finanzlage schreibt der „Düsseldorfer Anzeiger“:

„Die Erhöhung der Matrikularbeiträge ist so wenig tragisch zu nehmen, daß selbst die Freisinnige Zeitung‘ die Zukunft sehr rosig ansieht. Ob sie damit Recht hat oder nur eine bestimmte Tendenz verfolgt, bleibe dahingestellt. Jedenfalls wird mit der Thatsache zu rechnen sein, daß die Zölle und Verbrauchssteuern steigende Erträgnisse liefern und somit einerseits die Ueberweisung an die Einzelstaaten und anderseits die dem Reiche verbleibenden Einnahmen sich erhöhen werden. Das Mehr von 24,4 Millionen Mark, wodurch jetzt die Einzelstaaten belastet werden, erklärt sich tbeils aus dem namentlich aus den früheren Mindererträgen der Zuckersteuer entstandenen Fehlbetrag von 20 Millionen Mark, und alsdann daraus, daß die dem Reich ver bleibende Maischbottichsteuer um 53 Millionen niedriger hat ver⸗ anschlagt werden müssen. Die steigenden Einnahmen der Zölle und Verbrauchssteuern, die sich im Ganzen diesmal von 578 086 410 4M auf 537 399 140 S (also um 9 312730 ½ ) erhöhen, ferner der Reichsstempelabaaben, die nach dem Voranschlag von 27 975 000 auf 30 279 000 M sich erhöhen werden, und ferner der Post und Telegraphenverwaltung, deren Ueberschuß von 29 234 417 auf 32 719 226 M steigt, geben die Garantie, daß die Quellen des Wohlstandes reichlich genug fließen, um den naturgemäß steigenden nothwendigen Bedürfnissen des Reichs, wenn nicht noch ganz außer ordentliche hinzutreten, gerecht werden zu können, ohne daß das Reich aufhört, der Wohlthäter der Einzelstaaten zu sein.“

Die Festlichkeiten in Athen.

C Athen, 253. Oktober.

Nachdem vor wenigen Tagen Se. Kaiserliche Hoheit der Groß fürst⸗ Thronfolger von Rußland, gestern die dänischen Majestäten und heute Se. Königliche Hoheit der Prinz von Wales hier angekommen, sieht man nun dem Eintreffen der Fürstlichen Braut am Freitag Vormittag, sowie Ihrer Majestäten de Deutschen Kaisers und der Kaiserin am Sonnabend mit größter Spannung ent— gegen. Wenn auch jeder der bereits hier weilenden Fürstlichkeiten ein überaus ehrender Empfang zu Theil geworden, so erwartet man doch,

daß das Eintreffen des Deutschen Kaiserpaares nicht allein von Seiten

der Regierung, sondern auch Seitens der Bevölkerung von ganz be— sonderen Ovationen begleitet sein werde, und dies schon deshalb, weil dann die Einzugsstraße bereits festlich geschmückt, die Triumphbögen und Ehrenpforten in ihrer sinnigen Ausschmückung völlig hergestellt und die Vorbereitungen zur glänzendsten Illumination, die Athen vielleicht jemals gesehen hat, beendigt sein werden. .

Der Glanzpunkt aller Festlichkeiten wird selbstverständlich der Tag der Vermählung, der Sonntag sein, an welchem Vormittags die Trauung in der griechischen Kathedrale mit allem Pomp stattfinden und an diese sich die Trauungsfeier in der evangelischen Schloßkapelle anschließen wird. Während bei der ersteren der Oeffentlichkeit der größte Raum gewahrt werden soll es sind Einladungen in größter Zahl zu derselben ergangen werden der Trauung in der Kapelle nur die nächsten Anverwandten, schon in Rücksicht auf den beschränkten Raum, beiwohnen. Ein hier bestehender gemischter Chor wird die Gesänge hierbei ausführen.

Es erscheint natürlich, daß alle Erwartung sich auf Freitag und Sonnabend concentrirt, die Ankunftstage Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin⸗ Braut, Höchstderen Mutter und Schwestern sowie des deutschen Kaiserpagres. Während Allerhöchst— letzteres am Sonnabend Vormittag im Piräus erwartet wird, trifft der größte Theil des Gefolges so das Militär und Civilkabinet, die Herren des Hofmarschall⸗Amts, der Staatssekretär des Auswärtigen nebst Begleitung ꝛe. bereits am Freitag Abend nach bisher ge⸗— troffener Bestimmung hier ein. Von einem, von der Stadt Athen zu arrangirenden Feste, von dem bereits mehrfach die Rede war, verlautet bis zur Stunde noch nichts Bestimmtes, doch glaubt man allgemein, daß ein solches doch noch von den Allerhöchsten Herrschaften ge⸗ nehmigt werden wird. Jedenfalls giebt sich der Dimarch Philimon die größte Mühe, ein städtisches Fest den Neuvermählten und den hohen Gästen des griechischen Hofes am Montag oder Dienstag dar— bringen zu können, wodurch er den Gesinnungen der Bewohner Athens geeigneten Ausdruck verleiht. Tie Ausschmückung der Plätze, Straßen und Häuser verspricht eine in jeder Beziehung glänzende zu werden. Die ersten Künstler der Stadt sind hierbei thätig und arbeiten mit rastloser Aufopferung.

Ein Programm über den Empfang Ihrer Majestäten des Kaisers und der Kaiserin liegt bis zur Stunde noch nicht vor. Das Mini— sterium des Innern hat bisher, und zwar gestern Abend erst, ein solches für das Eintreffen Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Sophie, Ihrer Majestät der Kaiserin Friedrich und Ihrer Königlichen Hoheiten der Prinzessinnen Victoria und Margarethe von Preußen herausgegeben. Die genannten Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften werden danach sowohl in Corinth und im Piräus als auch in Athen feierlich empfangen und hier festlich nach dem Königlichen Schlosse geleitet. In Corinth werden zum Empfang anwesend sein: der Erz— bischof von Corinth, die Präfekten, der Präsident des Präͤfekturraths, der Hauptmann der Departements⸗Gendarmerie und der Gendarmerie⸗ Lieutenant von Corinth, der Kommandant und die Offiziere der dor tigen Garnison und die Civil⸗Autoritäten der Stadt. Im Piräus sind zum Empfange der Höchsten Herrschaften befohlen: der Maire, die Spitzen des Munizipaltaths, der Ministerrath, der Präfekt und die Präsidenten des Präfekturraths und der Präfektur ⸗Kommission von Attika und Böotien, die Polizei Direktoren von Athen und Piräus, die Kommandanten und Offiziere der Garnisonen von Athen und Piräus, der Gouverneur und Stellvertreter desselben sowie die Offi⸗ ziere der Militärschule, der Commandeur der attischen Gendarmerie und der Lieutenant der im Piräus stationirten Gendarmerie, der Gouverneur, Unter Gouverneur und die Offiziere der Marine⸗ schule sowie endlich der Hafenpräfekt vom Piräus. In Athen werden sich zum feierlichen Empfange auf dem Bahnhofe der Eisenbahn Piräus —=Athen außer den Höchsten Herrschaften, welche nicht schon im Piräus resp. Corinth die Ankommenden empfangen, versammeln: der heilige Synod, die Gemahlinnen der Minister, der Maire, der Munizipalrath, das Bureau der Deputirtenkammer und die Deputirten, die Divisions⸗ und Brigade⸗Generale und die Vize⸗ Admirale sowie sämmtliche Ober ⸗Offiziere der Garnison u. s. w.

Nach der Ankunft und der üblichen Vorstellung hierselbst wird der Einzug unter Kanonensalut durch die Stadionstraße nach dem Königlichen Schlosse erfolgen.

Anmerkung der Redaktion. Es liegt in der Natur der Sache, daß die hrichliche Berichte hinter den telegraphischen um mehr als fünf Tage nachhinken. Des ungünstigen Postganges wegen werden die Leser auf die Berichte von dem Empfange Ihrer Majestät der Kaiserin Friedrich, der Prinzessin⸗Braut und Ihrer Majestäten, und speziell auf den Bericht von der Hochzeitsfeierlichkeit noch einige Tage warten müssen, zumal am Sonntag und Montag von Atben aus keine Post nach Deutschland abgeht. Immerhin werden die Be⸗ richte noch einiges Interessante bieten; deshalb haben wir auch ge— glgubt, von der Aufnahme des vorstehenden Berichts nicht Abstand nehmen zu sollen.

Aus dem „W. T. B.“ liegen heute über die An⸗ wesenheit Ihrer Majestäten des Kaisers und der Kaiserin in Athen und die dortigen Festlichkeiten zu Ehren Allerhöchstderselben folgende telegraphische Meldungen vor:

Im Königlichen Schlosse fand am Montag Mittag die Ceremonie des Handkusses statt. Die gesammte Generalität, die Staatswürdenträger, die höheren Offiziere und die Damen der vornehmen Gesellschaft defilirten im Thronsaale vor Ihren Königlichen Hoheiten dem Kronprinzen Konstantin und seiner Gemahlin, deren Hände sie küßten.

Se. Majestät der Kaiser Wilhelm und Se. Hoheit der Erbprinz von Sachsen-Meiningen besuchten gestern die Akropolis.

Se. Königliche Hoheit der Prinz von Wales ist gestern Nachmittag 1 Uhr unter Kanonensalut und Paradiren aller im Hafen des Piräus liegenden Kriegsschiffe abgereist. Ihre Majestät die Kaiserin Friedrich war bei der Abreise des Prinzen zugegen.

Dem heutigen Dejeuner in der deutschen Gesandtschaft wohnten außer Sr. Majestät dem Kaiser noch bei: Se. Königliche Hoheit der Prinz Heinrich, der Staats-Minister Graf Bismarck, der Chef des Militärkabinets, General-Lieutenant von Hahnke, der Chef des Civilkabinets Dr. von Lucanus, der Ober⸗Hofprediger D. Koegel, der General⸗-Adjutant von Wittich, der Ober-Hof⸗ und Haus⸗Marschall von Liebenau, der Ober⸗Hofmeister Ihrer Majestät der Kaiserin Friedrich, Graf von Seckendorff und Andere. find Heute Abend soll Hofball im Königlichen Schlosse statt—

nden.

Se. Majestät der Kaiser hat, der, Nordd. Allg. Ztg.“ zufolge, aus Athen das nachstehende Telegramm an den Reichskanzler Fürsten Bismarck gerichtet:

„Fürst von Bismarck Friedrichsruh.

Nach berauschend schöner Fahrt hier im alten schönen Athen angelangt. Nach herrlichem Empfang von Fürst und Volk war Ihr Telegramm der erste Gruß von der Heimath; herzlichen Dank dafür; sowie Mein erstes Wort ins Vaterland ein Gruß an Sie von der Stadt des Perikles und von den Säulen des Parthenon her, dessen erhabener Anblick Mir tiefen Eindruck macht.

Wilhelm.“

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Eine neue Lohnerhöhung haben die Zechen „ver. Westfalia“ und ‚Kaiserstuhl“ bei Dortmund eintreten lassen. Am Sonn abend wurde auf den Schächten der genannten Zechen folgende Kund— gebung angeschlagen: „Bergleute! Ihr wißt, daß die infolge des Arbeitsausstandes versprochene Lohnerhöhung seit Juni Euch gewährt worden ist. Inzwischen haben sich die Kohlenpreise weiter gehoben und wir sind deshalb in die angenehme Lage versetzt, Euch mitzutheilen, daß vom 1. November ab alle Löhne eine weitere Aufbesserung in folgender Weise erfahren sollen. Die Schichtlöhne werden um durchschnittlich 5 do erhöht, doch soll die Aufbesserung mindestens 10 4 für die achtstündige Schicht auch bei den jugendlichen Arbeitern betragen. Die Gedingsätze sollen so bemessen werden, daß ein ordentlicher Hauer in achtstündiger Schicht 4 „S durchschnittlich verdienen kann, während wir im Mai 3, 0 „6 zugesagt hatten. Wir hoffen, daß dies Entgegen⸗ kommen für Euch die Veranlassung sein wird, die Leistungen so zu erhöhen, daß auch fortan Ueberschichten entbehrt werden können. Ge— werkschaft ver. Westfalia“. gez. A. Hilbck. Melcher. Wenn man sich erinneit, äußert die ‚Rh. Westf. Ztg. bei dieser Mittheilung, daß gerade die genannten beiden Zechen besonders hart durch den Massenstrike betroffen sind, so wird man das Eatgegenkommen der Verwaltung gegenüber ihren Arbeitern sehr anerkennen.

Die thatsächliche Lage des Ausstandes in den Departements du Nord und Pas de Calais het sich, wie der „Köln. Ztg.“ aus Paris gemeldet wird, seit dem 2g. d. M. nicht geändert, nur die Erregung unter den Arbeitern nimmt zu, da die Gesellschaften sich fortgesetzt weigern, die verlangten 20 0so Lohnerhöhung zu bewilligen.

Kunst und Wissenschaft.

Der Literarhistoriker Professor Richard Gosche in Halle und der Kanzler der Universität Tübingen, Geheime Rath Dr. von Rümelin sind in der Nacht vom 28. zum 29. Oktober gestorben.

Die Wiederherstellung des Domes zu Utrecht, die seit 1377 mit Unterstützung der Regierung ins Werk gesetzt worden, ist, der ‚Voss. Ztg. zufolge, jetzt zum vorläufigen Abschluß gelangt. Der Dom, der seine Umwandlung in einen gothischen Bau einem Besuch des Kölner Erzbischofs Conrad von Hochsteden in Utrecht (1252) verdankt, zeigt als ältesten Theil den Kapellenkranz, der 1254 bis 1267 enstanden ist. Von 1321 ab baute man den großen Westthurm, der Jahrzehnte hindurch die ganze Baukraft der Bischöfe in Anspruch nahm. Unter David von Burgund (1485) wurde der letzte Theil der romanischen Basilika abgebrochen und der ganze Raum zwischen Querschiff und Thurm siebenschiffig angelegt. Bis 16514 hat man den Mitteltheil dieser Anlage eingewölbt, nach—⸗ her aber blieb Manches unvollendet, obschon bis 15633 noch am Dorn gebaut wurde. Die Kirche wurde 1580 von den Bilderstürmern mit⸗

enommen, 1673 vom Pöbel gestürmt, 1674 durch einen Orkan stark eschädigt und nachher durch Um⸗ und Einbauten jeder Art entstellt. Eine zweimalige Wiederherstellung in den Jahren 1852 1864 hat dem Dome mehr geschadet, als genützt. Seit 1877 nun hat der Bau⸗ meister F. J. Nieuwenhuis die Wiederherstellungsarbeiten geleitet, die mit der Instandsetzung des Kapellenkranzes begonnen haben. Die auf⸗— gewendeten Kosten betrugen rund 180 000 M

Sandel und Gewerbe.

Nach glaubhafter Mittheilung, welche den Aeltesten der Kauf⸗ mannschaft von Berlin zuging, ist in jüngster Zeit über die protokollirte Firma Gebrüder H. Fit sio in Belgrad der Konkurs zur Aus⸗ schreibung gelangt. Anmeldung bis zum 18. (6.) November 1889 ,. n, n mite in Belgrad, Liquidationstermin am 21. (9.) No⸗ vember ;

Verkehrs ⸗Anstalten.

Ham burg, 29. Oktober. (W. T. B.) Der Po stdampfer Gellert“ der Hamburg ⸗Amerikanischen Packetfahrt⸗ Akttiengesellschaft ist, von New⸗York kommend, heute Morgen auf der Elbe eingetroffen.

Theater und Musit.

Philharmonie.

In dem zweiten Philharmonischen Concert des Hrn. Dr. Hans oon Bülow, welches gestern wiederum vor einer ungemein zahl⸗ reichen Zuhörerschaft stattfand, erweckte die hier zum ersten Mal vor⸗ geführte Sinfonie in D-moll, op. 70 von A. Dvor Kk ein ganz beson—⸗ deres Interesse. Der zur Zeit in Prag lebende böhmische Komponist, der in allen seinen Werken eine stark ausgeprägte Nationalität er- kennen läßt, fesselt auch in dieser Sinfonie durch yvriginelle Melodien und lebendige, höchst eigenartige, oft überraschende rhythmische

Effekte, wenn sich auch der innere Ausbau des Werkes nicht mit der Gedankentiefe eines Schumann oder Brahms vergleichen läßt. Von den vier Sätzen war der erste, der mit einer träumerischen, auf dem von Hörnern und Contrabässen sestgehaltenen Grundton dahinschwebenden Melodie der Streich⸗ instrumente beginnt, und in dem ein zweites sehr wirksam entgegen⸗ gestelltes Thema mit besonderem Geschick in der Durchführung be⸗ handelt wird, wohl der werthvollste. Auch der reizend erfundene Scherzosatz, in dessen Walzerrhythmen der Komponist sich besonders heimisch fühlt, ist von charakteristischer Wirkung. Weniger fesselte das Adagio, das der gewünschten Ruhe in der Sinfonie ent— behrt. Der letzte Satz enthält dagegen viele interessante Motive, die, wenn auch nicht so geschickt in einander verwebt, wie es in dem ersten Satz der Fall ist, doch den Zuhörer bis zum Schluß in gesteigerter Theilnahme für das Werk zu erhalten im Stande sind. Daß der Komponist stets ein Zuviel rauschender Klangeffekte ver— meidet, ist ganz besonders zu erwähnen. Er erschien in Folge des lauten Beifalls und Hervorrufs am Schluß der Sinfonie auf der Tribüne des Orchesters. Außer dieser Sinfonie wurde noch das in letzter Zeit mehrfach gehörte Violinconcert in D-dur von Brabms von Frl. Wietrowetz vorgetragen, die für den erkrankten Violin—⸗ virtuosen Hrn. Gregorowitsch eingetreten war und das Concert ganz vorzüglich ausführte. Reicher Beifall wurde der sehr begabten Künstlerin zu Theil, der zugleich der unübertrefflichen Leitung des Hrn. von Bülow galt. Das Philharmonische Orchester, welches außerdem die Ouvertüre zur Schönen Melusine“ von Mendeltsohn und die große „Leonoren⸗ Ouvertüre“ von Beethoven vortrug, bewährte wiederum seine an— erkannte Tüchtigkeit.

Das dritte Concert findet am 11. November statt und bringt Werke von Mozart, Beethoven, Liszt und Schumann zur Aufführung.

Mannigfaltiges.

Es hat sich das Bedürfniß herausgestellt, die öffenklichen Vorträge im Kunstgewerbe⸗Museum über Kunstweberei und Kunst⸗ stickerei, welche auf die Tagesstunden Sonnabend von 12 bis 1Uhr angeletzt sind, um daran Führungen durch die gleichzeitige Ausstellung der Stoffsammlung schließen zu können, des Abends zu wieder⸗ holen, da der 260 Plätze fassende Hörsaal dem Besuche nicht genügt und außerdem viele Betheiligte sich am Tage nicht frei machen können. Die Vorträge werden stets an dem nächst folgenden Donnerstag, Abends 8z Uhr, öffentlich und unentgeltlich wiederholt werden; der erste dieser Vorträge findet Donnerstag, den 31. Oktober, statt.

Die Direktion der Urania bittet uns um Veröffentlichung der folgenden Mittheilung: „Im Interesse des genialen Erfinders des Phonographen halten wir es für unsere Pflicht mit allem Nachdruck darauf hinzuweisen, daß das uns von Edison geschenkte Exemplar (ein zweites wird in den nächsten Tagen nachfolgen) das einzige des neuen Systems ist, welches gegenwärtig in Berlin öffent— lich gezeigt wird. Phonographen dieses Systems sind käuflich über—⸗ haupt noch nicht zu haben. Eine Verwechselung mit dem alten System müßte dem Rufe der wunderbaren Erfindung um empfind⸗ lichsten Schaden gereichen, vor welchem wir sie hierdurch bewahren möchten.“

Auf der Sternwarte der Urania ist jetzt das neue Fern⸗ rohr aufgestellt, welches von M. C. Bamberg in Friedenau konstruirt und der größte und schönste Refractor Deutschlands ist. Das Rohr mißt 5 m, die Brennweite beträgt 12 Pariser Zoll. Das Rohglas zu den in Friedenau geschliffenen Linsen ist in Jena gegossen und kostet nicht weniger als 2000 ½ Trotzdem das Gesammtgewicht des Apparats 60 Centner beträgt, kann er doch mit einer leichten Handbewegung regiert und gestellt werden. Dieses Instrument wird dem Publikum erst nach einiger Zeit zugänglich gemacht werden.

Das hiesige Unterstützungs-Comits für die Opfer der Wassersnoth in Pennsylvanien hat im Ganzen 148 651,495 M gesammelt.

Ueber Hochwasser in der Provinz Posen wird der „Voss. Ztg.“ aus Posen, 28. Oktober, gemeldet: Das Hochwasser richtet in der Provinz großen Schaden an. Die Obra ist bedeutend gestiegen, die Obrawiesen sind fußhoch überschwemmt. Niedrig jelegene Gärten und Keller stehen vollständig unter Wasser, in der Papiermühle hat das Wasser die Grundschützen der Schleuse weg⸗ gerissen, und in der Nähe von Birnbaum eine in diesem Jahre neu erbaute Brücke erheblich beschädigt. Von Podgorzelice ist auch heute weiteres Steigen gemeldet.

Alpenchronik. (Frkf. Journal.) Zwei junge Leute aus Graz, Albert Russa und Johann Neumann, sind in den Dolo miten abgestürzt und sofort todt geblieben.

In Schweden hat man, der „Kiel. Ztg.“ zufolge, begonnen, Papier aus weißem Moos zu machen. Es wird sowohl Schreibpapier als Pappe bis zu 12 em Dicke angefertigt. Diefse Pappflächen sind so hart wie Holz und können zu fast allen möglichen Gegenständen, wie Ornamenten, Jalousien, Blumentöpfen und Eisen⸗ bahnrädern verarbeitet werden.

Schweidnitz, 28. Oktober. Am vorigen Sonnabend beging der General ⸗Feldmarschall Graf von Moltke auf seinem Gut Kreifau seinen neunundachtzigsten Geburt tag in Frische und Rüͤstigkeit. Um 3s Ubr Morgens brachte, wie die ‚Schweidnitzer Tägl. Rundichau“ berichtet, die Kapelle des Schlesischen Füsilier⸗Regiments Rr. 38 aus Schweidnitz dem Feldmarschall eine Morgenmusik dar. Sodann

ratulirte die Famllie ihrem Oberhaupt und um 11 Uhr empfing der rr n, das Offizier ⸗CGorps der Schweidnitz⸗ Reichenbacher Gar⸗ nison, vertreten durch die Stabsoffiziere. Von Seiten des Großen General⸗ stabes in Berlin war Oberst⸗Lieutenant von Goßler nach Kreisau abgesandt worden, dem ehemaligen Chef des Generalstabes zu gratuliren. Im Namen der Stadt Schweidnitz gratulirten die Herren Erster Bürgermeister Thiele und Bürgermeister Philipp. Nach dem Frühstück, zu welchem auch eine Anzahl der Gratulirenden geladen waren, wurde von dem Feldmarschall die Kleinkinderschule unter Führung der die Aufsicht führenden Diakonissin einpfangen. Auch die Ortsschule unter Führung ihres Lehrers brachte dem Gefeierten ihre Glückwünsche dar und stimmte mehrere patriotische Gesänge an. Abends brachte die Schule ihm einen Fackelzug. Von den zahlreichen Glückwunsch⸗Telegrammen, welche dem greisen Feldmarschall zugingen, sei nur das aus Athen datirte, von Sr. Majestät dem Kaiser Wilhelm, sowie das⸗ jenige von Ihrer Majestät der Kaiserin Augu sta und das—⸗ jenige von Sr. Königlichen Hoheit dem Prinzen Albrecht be—⸗ sonders hervorgehoben. Der Feldmarschall veröffentlicht folgende Danksagung: ;

»Aus Anlaß meines 89. Geburtstages sind mir so zahlreiche schriftliche und telegraphische Glückwünsche von Städten, Korporationen und Privaten zugegangen, daß es mir nicht möglich ist, dieselben alle einzeln zu beantworten. Ich bitte daher auf diesein Wege meinen verbindlichsten Dank allen denen aussprechen zu dürfen, die meiner an diesem Tage so freundlich gedacht haben. t

Graf Moltke, Feldmarschall.“

Stuttgart, 28. Oktober. (W. T. B.) In der Nähe der⸗ jenigen Stelle der Eisenbahnstrecke Vayhingen Stuttgart, wo jüngst der Eisenbahnunfall sich zugetragen, ent gleiste heute Mittag

die Lokomotive eines Personenzuges. Es wurde Niemand verletzt, dagegen erlitten das Wagenmaterial und der Bahnkörper Be⸗ schädigungen. ö

Metz, 22. Oktober. In den letzten Tagen sind, wie der „Köln. Ztg.“ geschrieben wird, bei Gravelotte unweit des Randes des Bois des trois Totes die verblichenen Ueberreste von sieben