1889 / 265 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 06 Nov 1889 18:00:01 GMT) scan diff

leichten Herzens an die schwere Entscheidung herantreten, vor

die wir jetzt gestellt sind. Keine Partei des Hauses unter⸗ schätzt die Bedeutung der hier zu lösenden Frage. Der Vor⸗ redner hätte uns aber auch gegen die Verdächtigung in Schutz nehmen können, als ob wir nicht gesonnen wären, die Sorge für die Besserung der wirthschaftlichen, gesellschaftlichen und moralischen Verhältnisse des Ärbeiterstandes auf uns zu nehmen, und als ob das Gesetz, um welches es sich hier handelt, ein Gesetz gegen den Arbeiterstand wäre. Der Abg. Reichensperger, der sämmtliche Stadien dieses Gesetzes durchgemacht hat, ein eminenter Jurist, weiß sehr wohl, daß dieses Gesetz nicht gegen den Arbeiter⸗ stand gerichtet ist, nicht gegen die Sozialdemokratie als solche. Das Hedürfniß nach einer Besserung der stagatlichen, gesell⸗ schaftlichen und wirthschaftlichen Ordnung ist bei Berathung des Invaliditätegesetzes allgemein anerkannt. Nicht den Mit⸗ gliedern des Hauses, wohl aber den zahlreichen Kreisen außer . des Hauses, die mit gespanntem Interesse den Verhand⸗ ungen hier folgen, rufe ich zu, dieses Gesetz ist lediglich zen die Umsturzbestrebungen der Sozialdemokratie gerichtet, Be⸗ strebungen, denen ein jeder Staat das ist er sich selbst schuldig entgegentreten muß. Wir müssen die Frage, ob die vom Abg. Reichensperger angeführten Bestimmungen des Strafgesetzbuches ausreichen, mit „Nein“ beantworten. Der Abg. von Marquardsen hat es vor zwei Jahren als wünschenswerth bezeichnet, bei einer eventuellen dauernden Regelung nicht die Gesammtheit der gegenwärtigen Bestimmungen aufzunehmen, sondern eine Revision des Gesetzes eintreten zu lassen. Meine Freunde haben aber auch damals schon erklärt, daß ein Vacuum jedenfalls nicht eintreten dürfte, wenn die Verständigung über die Revision Schwierigkeiten machen sollte. Für ein dauerndes Gesetz spricht die Thatsache, daß bei dem bisherigen Zustande die Betroffenen immer noch in weiten Kreisen mit der Hoffnung auf einen Fortfall der betreffenden Bestimmungen rechnen und sich und Andere in der Hoffnung darauf in dem Widerstand bestärken. Ein Nachtheil des bisherigen Zustandes ist auch der, daß die in kurzen Zwischenräumen wiederholte Berathung über das Gesetz die Unruhe und Aufregung im Lande fortwährend er— neuert, und daß dadurch die Heilung des Uebels auf—⸗ eschoben wird. Für den Gang der bisherigen Gesetzgebung pricht, daß die Bewilligung auf wenige Jahre dem Reichstage immer eine neue e , ermöglicht, ob die Umstände sich nicht anders ö haben oder ob noch immer ein Bedürf— niß für das Gesetz vorliege, und daß das Bedürfniß einer zeitweiligen Erneuerung eine wirksame Kontrole für die Aus⸗ Übung der fraglichen Vollmachten enthält. Sie werden jetzt bei einer dauernden Regelung einen Ersatz für das Fort— fallen der Kontrole zu schaffen suchen müssen. Der Bundes⸗ rath selbst hat ausgesprochen, daß ein dauerndes Gesetz nicht =— identisch sein kann mit dem bishesigen. Für die Frage, b ein dauerndes Gesetz oder das gemeine Recht in Geltung ebracht werden solle, ist zu erwähnen, daß mit dem egriff des gemeinen Rechts sehr viel Unfug und Mißbrauch getrieben ist. Oft haben Parteien dieses Hauses das Sozialistengesetz verantwortlich gemacht für Verurthei⸗ lungen, die auf Grund der 85. 127—130 des Strafgesetzbuchs erfolgt sind. Gerade diese Paragraphen beruhen auf dem alten preußischen Strafgesetz von 1851, wo also eine deutsche Sozialdemokratie überhaupt noch nicht existirte. Die dankens⸗ e, Versuche, mit Hülfe des gemeinen Rechts Abhülfe zu schaffen, leiden doch meistens an dem Uebelstande, daß die Bestimmungen dann entweder unwirksam sein würden und das wäre der größte politische Fehler —, oder daß sie die politischen Freiheitsrechte der ganzen Nation in verhängniß— voller Weise gefährden. Dieses und Anderes ist in der sehr werthvollen eben erschienenen Schrift des Abg. Kulemann er⸗ schöpfend ausgeführt. Ich selbst ziehe ein dauerndes Spezialgesetz dem gemeinen Recht vor. Die Kommission aber, der das Gesetz voraussichtlich überwiesen werden wird, wird sich bei ihrer Berathung nicht nur auf die vom Bundesrath uns zur Ab— änderung vorgelegten Paragraphen, sondern auf sämmtliche Bestimmungen des Gesetzes auszudehnen haben. Auch die r nf des Thatbestandes, die Definition, in welchen ällen das Gesetz Anwendung finden soll, ist noch eine offene, obgleich ich selbst eine bessere Definition noch nicht zu finden vermocht habe. Ich habe auch Bedenken gegen die künftige Beibehaltung des Belagerungszustandes bei einer dauernden Regelung, denn diese schneidet tief in das Privat- und wirth— schaftliche Leben des Einzelnen ein. Wenn man sagt, daß ja der Betroffene vorher die eventuellen Folgen seines Verhaltens kenne, so ist doch her Spielraum, der den Behörden gelassen wird, ein viel zu großer; es ist oft geradezu dem Temperament der betreffenden Polizeibeamten die Entscheidung überlassen, ihrer größeren oder geringeren Aengstlichkeit und Strenge. Nach der Vorlage würde der von der Landes-Polizeibehörde Aus— gewiesene nach dem preußischen Landesverwaltungsgesetz von 1883 die Beschwerde an den Ober-Präsidenten haben, und weiter die Klage beim Ober-Verwaltungsgericht. Aehnlich wird auch der Gang in den anderen Staaten sein, wo eine Verwaltungsgerichtsbarkeit besteht. Die Möglichkeit der Aus⸗ führung dieser Bestimmungen scheint mir außerordentlich zweifelhaft gegenüber der großen Unhestimmtheit des That bestandes. Denn wie kann das Ober⸗Verwaltungsgericht ent⸗ scheiden, ob wirklich die Voraussetzungen zutreffen, unter welchen die Landes⸗-Polizeibehörde die Ausweisung aus⸗ gesprochen hat? Wenn ich diese Gründe aussyreche, so wird ein anderes Argument, das gestern bereits vom Abg. Barth erwähnte, von weiteren Kreisen getheilt. Auch die konservativen Abgg. von Helldorf und Hegel haben bereits vor zwei Jahren ausgeführt, daß die Ausweisung der . nur die Agitation in verschärftem Maße in andere Gebiete hineinträgt. Ich habe gegen diese Ausweisungen auch in der gegenwärtig gewählten schwächeren Form die schwersten Be— denken. Die Bestimmungen des Sozialistengesetzes über Vereine, Versammlungen und Presse bin ich bereit, auch für ein dauerndes Gesetz zu bewilligen. Es ist Nothwehr, wenn der Staat den beir, Agitatoren die politischen Mittel nicht gewährt, durch welche die politische Freiheit selbst und die eigene Existenz zerstört werden würde; denn wenn die sozial— demokratischen Agitatoren ans Ruder kämen, würde nicht sehr lange von Vereins-, Preß⸗ und Versammlungsfreiheit die Rede sein. Das Verbot des ferneren Erscheinens

einer periodischen Druckschrift solUl künftig nicht nach dem Verbot einer Nummer, sondern erst nach dem von zwei Nummern erfolgen dürfen. Es wird zu

erwägen sein, ob nicht ohne ernste Gefahr die weitere Mil de— rung, daß die Beschwerde gegen das Verbot des ferneren Er— scheinens aufschiebende Wirkung haben solle latz greifen

Verschärfungen finden wir selbst im 8. 28. Was heißt Rechts⸗

daß die Beschwerde gegen die polizeilichen Verfügungen nur an die Aufsichtsbehörde 3 solle. Es tritt damit gegenüber den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Polizeiverfügungen dasselbe Verfahren ein, das im Allgemeinen für Polizeiver⸗ fügungen gilt; und das ist in den meisten Staaten, z. B. Preußen, Württemberg, Baden, der Weg des Verwaltungs⸗ streitverfahrens. Es ist das ein sehr weitgehendes Entgegen⸗ kommen, und es würde damit eine Klasse von Beschwerden, die im Reichstage von den sozialdemokratischen Rednern vorgetragen zu werden pflegen, ihren Boden verlieren. Der Klage darüber, daß das Gesetz häufig zu Unrecht angewandt werde, würde diese Rechtskontrole Abhülfe verschaffen. Nehmen Sie doch z. B. die widerrechtliche Auflösung von Versamm⸗ lungen! Bei Auflösung von Versammlungen der Sozial⸗ demokraten würde es jetzt genau so gehen, wie bei Versamm⸗ lungen anderer Parteien. Ich begreife Ihren Widerspruch nicht. Zwei Beispiele! Schon in der ersten Zeit, als unsere Verwaltungsgesetzgebung wirkte, wurde eine polnische Ver⸗ sammlung aufgelbst, weil die polnische Sprache darin gebraucht wurde; das Ober⸗Verwaltungsgericht bezeichnete diese Auflösung als gesetzwidrig, und seitdem steht der ö fest, daß eine Versammlung aus solchem Grunde nicht aufgelöst werden dürfe. Ich erinnere dann an die bekannte Versammlung in Solingen, die vor nicht langer Zeit aufgelöst wurde und in Bezug auf welche das Ober⸗Verwaltungsgericht feststellte, daß der Beamte zur Auf⸗ lösung nicht befugt gewesen sei. So sehr ich diese Tendenz, in Bezug auf die Rechtskontrole dem gemeinen Recht näher zu treten, anerkenne, so ist die Bestimmung doch ungenügend, wo polizei⸗ liche Verfügungen über das Gebiet der Einzelstaaten hinaus⸗ gehen und im ganzen Reich wirken, also die Verwaltungs⸗ gerichtsbarkeit der Einzelstaaten nicht in Frage kommt. Das ist der Fall bei Verboten von Vereinen und Druckschriften. Deswegen ist ja auch die allgemeine Beschwerdekommission geschaffen, aus der man fert gewissermaßen einen Verwaltungs⸗ gerichtshof machen will. Diese Kommission wird indessen immer den Charakter einer Spezialkommission behalten, und es wird ins Auge zu fassen sein, ob nicht ein wirklicher höchster Gerichtshof, vielleicht das Reichsgericht, an die Stelle zu setzen ist. Wir verkennen den Ernst der Entscheidung, vor der wir stehen, nicht; wir verkennen auch nicht das Bedürfniß einer eingehenden, ernsten, sorgfältigen Prüfung der einzelnen Bestimmungen. Es ist selbstverständlich, daß diese Prüfung nur in einer Kommission wird vorgenommen werden können. Ich beantrage, die Vorlage einer Kommission von 28 Mit— gliedern zu überweisen.

Abg. Liebknecht: Ueber die Dauer des Gesetzes haben wir uns niemals Illusionen hingegeben, es wird so lange dauern, wie das gegenwärtige politische System in Deutsch⸗ land. Alle wesentlichen Bestimmungen des alten Gesetzes sind im vorliegenden Entwurf enthalten, nicht Milderungen, sondern

garantien? Die Willkür, das freie Ermessen bleibt, was ja auch der Zweck des Gesetzes ist. Alle die sogenannten Er— leichterungen und Verbesserungen sind uns im Hinblick auf die Tendenz des Gesetzes höchst gleichgültig. Dieses Gesetz besteht jetzt elf Jahre, ein langer Zeitraum in unserer rasch lebenden Zeit. Es ist erlassen worden in Folge des Hödel'schen, Nobiling'schen Attentats, erlassen gegen die Sozialdemokraten, und doch ist be⸗ kannt, daß Hödel kein Sozialdemokrat, sondern ein Anhänger Stöcker's war und Nobiling nun Jedermann weiß, daß er der nationalliberalen Partei angehörte. Es ist eine Lüge, welche gleichsam zur Geschichte geworden ist, daß die Sozial⸗ demokraten vor 1878 in einer maßlosen Weife vorgegangen seien. Die Sozialdemokratie hat sich auf wissenschaftlicher Grundlage entwickelt. Daß unsere Partei als jugendliche Partei zuerst manches gethan hat, was übereilt war, ist mög— lich; von dem Moment an, wo sie sich auf dem Boden des parlamentarischen Lebens bewegte, hat sie vollständig korrekt gehandelt. Sie war praktisch und ist immer praktischer ge⸗ worden. Wenn Sie alles dieses, die Entstehung des Sozia—⸗ listengesetzes, was man den Sozialdemokraten angedichtet, die

Attentate ins Auge fassen, so müssen Sie doch zu dem Schlusse kommen, daß dieses Gesetz, wie ich schonm in meiner ersten Rede darüber sagte, nur

unter Vorspiegelung falscher Thatsachen erlassen ist. Die Auf—⸗ lösung des Reichstages im Jahre 1878 hatte einen anderen Grund als den angegebenen. Wie jetzt bekannt geworden, war dieselbe nichts als ein Schachzug, um eine gefügige Majorität zu sichern. Der Sozialistenschreck wurde dazu be⸗ nutzt, um den agrarischen Feldzug gegen den Geldbeutel des deutschen Volks einzuleiten. Auch der verstorbene Stephani hat erklärt, daß die Auflösung gegen die Nationalliberalen gerichtet war. Diese mußten eben „an die Wand gedrückt werden“. Ohne das Sozialistengesetz hätten die Kornzölle gar nicht durchgesetzt werden können; wir, die am kräftigsten oppo⸗ nirende Partei, mußten zu Boden gedrückt werden, und darum haben Sie durch das Gesetz alle unsere Bestrebungen nieder⸗ werfen wollen. Wir aber stehen trotz Allem als Sieger da, wir sind die bestorganisirte Partei. Unsere Partei hat ihre Taktik geändert, das Ziel blieb dasselbe, und die Partei blieb völlig intakt. Eben, weil wir keine Demagogen sind, sondern unsere Genossen belehren, waren diese so erzogen, daß sie sofort wußten, was sie zu thun hatten, und darum konnten wir unsere Position ändern, ohne daß die Ruhe irgendwie gestört wurde. Wären Exzesse wunderbar gewesen? Was die russi— schen Nihilisten thun können, könnten wir auch thun; wenn wir wollten, würde kein Urheber des Sozialistengesetzes noch am Leben sein. Daß diese leben, ist der beste Beweis, daß wir eine Partei des organisirten Fortschritts sind. Das Sozialistengesetz hat erzieherische Wirkungen. Genossen, die bei der Erfüllung ihrer Parteipflicht ihren Tod fanden ich erinnere an jene Flugblattvertheiler, welche bei Ueber⸗ schreitung der Spree einbrachen und ertranken das sind unsere Märtyrer und Märtyrerwerber. Eine weitere erziehliche Wirkung hat das Gesetz aber auch (zum Bundesrathstische) nach Ihrer Seite. Es zieht das Lock⸗ spitzelthum groß. Der Minister des Innern hat es gewiß ehrlich gemeint, als er dasselbe von sich abschüttelte. Was aber hilft es, wenn der Minister Uebergriffe der Beamten rektifiziren will? Der nächste Beamte macht es wie sein Vorgänger. Diese Uebergriffe werden 6 auch noch gegen andere Parteien wenden. In Leipzig sind die „Freien Glocken“ als sozialdemokratisch verboten worden, schon früher ist es der Berliner „Volks⸗Zeitung“ so gegangen. Die Ver⸗ bote richten sich eben gegen den Geist der neueren Zeit. Sie reden so viel vom sozialen Königthum, über das sich diskutiren ließe, aber es ist hier in Deutschland vollkommen Partei geworden.

kann. Die Vorlage hat sodann die Klausel fortfallen lassen,

Redner verbessert sich, indem er bemerkt, das Königthum sei in den Parteistreit hineingezogen worden. Anknüpfend an die Ansprache des Kaisers an die Deputation der westfälischen Bergarbeiter bemerkt Redner, daß der Strike die Veranlassung

u dem gestern hier verlesenen Flugblatt geworden sei. Er ah fort: Darin ist gesagt, daß die Soldaten auf die Ar⸗ beiter geschossen haben. Das ist unzweifelhaft richtig, und in Folge des Strikes sind im Ganzen etwa 2506 Jahre Zucht⸗ hausstrafe ertheilt worden. Wie anders verläuft in England eine solche Bewegung! Bei meiner letzten Anwesen⸗ heit in England erlebte ich den Dockarbeiter-Strike mit, wo sozialdemokratische Einflüsse ebensowenig wie in Westfalen thätig gewesen sind. Dort hat Niemand vor den Strikenden 6 wie bei uns, wo man sich gegen die frische Aal verschließt und dadurch nervös und aͤngstlich wird. or 1820 hatte man in England auch Verbote der Koalitionen, da kam es zu feindlichen Verbäwnden und zu großartigen Ge⸗ waltthätigkeiten. Jetzt ist es anders. Jetzt geht die Arbeiter⸗ bewegung in gesetzlichen Bahnen, und der Arbeiter ist ein gleichberechtigter Bürger, nicht ein solcher zweiter Klasse wie bei uns. Nur ein ganz kleiner Theil der Arbeiter entbehrt noch des Wahlrechts, die Mehrzahl hat es. Man sagt uns, wir seien staatsfeindlich. Wer hat denn hier das Recht, zu sagen; „Ich bin der Stagt!“ Keiner! Der Staat sind wir Alle, er ist eine Institution der allgemeinen Wohl⸗ fahrt, der Staat gehört der Gesammtheit. Die Kon⸗ servativen wollen den Vortheil einer kleinen Minorität, wir dagegen sind nicht eine staatsfeindliche, sondern eine staatsbildende Partei. Wir wollen den organischen Fort⸗ schritt, Sie die mechanische Gewalt in Militär und Polizei. Gewaltsam können wir nichts ausrichten, das wissen wir; die Zustände müssen sich organisch entwickeln. Wir wehren uns nur unserer Haut, wir sind gegen die Gewalt, Sie dafür; mit Blut und Eifen haben Sie Deutschland zusammengefügt. Den Anarchismus sollten Sie nicht so zurückweisen. as ist Anarchismus? Die absolute Regellosigkeit der heutigen Gesell⸗ schaft. Diese Regellosigkeit erstreben auch die Konservativen, während wir den Staat sozialisiren wollen. Es ist gesagt worden, die. Vaterlandsliebe wäre uns gleichgültig. Nun, wir lieben das Vaterland ebenso wie Sie, da wir Zustände schaffen wollen, die der Allgemeinheit zugute— kommen. Mit dem Sozialistengesetz haben Sie Bankerutt ge⸗ macht. Sie haben die stgatserhaltende Kraft des Sozialismus nicht verstanden; wenn Sie die Dinge weiter so gehen lassen, schleudern Sie das Vgterland in den Abgrund. Jeder ziel⸗ bewußte Arbeiter ist Sozialdemokrat; was wollen Sie ohne die Arbeiter machen? Vor hundert Jahren ging in der fran— zösischen Revolution der Geist der Neuzeit auf, Deutschland hat ihn nicht verstanden die Folge war Jena. Wenn Sie den jetzigen Hauch der Neuzeit verachten, werden Sie ein neues und größeres Jeng schaffen. Den Reformen haben Sie sich

verschlossen, thun Sie nun, was Sie nicht lassen können. Die weitere Berathung wird auf Mittwoch 1 Uhr vertagt.

Reichshaushalts-Etat für 189091.

An einmaligen Ausgaben im ordentlichen Etat der Verwaltung der Kaiserlichen Marine werden für Schiffs bauten folgende Positionen beantragt:

Zum Bau eines Minendampfers (dessen Gesammtkosten auf 1800000 S veranschlagt sind), 4. und Schlußrate 500 000 (300 000 S mehr) als im Etat für 1890/91 zum Bau der Kreuzer⸗ korvette NL. (Gesammtkosten 3 600 000 A6), 3. Rate 2 000 000 A, (1300 000 ½ mehr), des Kreuzers D. (Gesammtkosten 1 600 000 A), 2. und Schlußrate 909 090 S (200 900 M mehr), zum Bau der Panzerschiffe A, B, C, D Anschlagskosten je 9 300 000 S6) 2. Raten je 3 100 000 ½ν, also zusammen 12.400 000 M (je 2300 000 , also 9 200 0090 S mehr), zum Bau der Panzerfahrzeuge P und Q (Anschlagskosten je 3 560 000 ½), 2. Raten je 2 006060 4A, also 4 000 000 S (e 1U500 000 AM also 3 000 000 ½ mehr). Zum Bau von 2. Torpedo ⸗Divisionsbooten Gusammen veranschlagt auf 1200 00 M) werden als 2. und Schlußrate 200 909 M gefordert (S00 000 Mƽ weniger als im vorigen Etat). Ferner sind als Titel 11 bis 21 neu angesetzt: zum Bau der Panzerfabrzeuge R und 8 als 1. Raten je 1 500 000 Æ, zusammen also 3 000 000 M; zum Bau der Kreuzerkorvetten J, K, E als 1. Raten je 2 300 000 Æ, zusammen 6 900 000 é; zum Bau der Kreuzer E, „Ersatz Adler und „‚Ersatz Eber“ als 1. Raten je 1400 000 S, zusammen 4 200 9000 „; zum Bau der Apisos 6 und H je 1 218 000 „, zusammen 2 4365 000 M; endlich zum Bau eines Avisos für größere Kommandoverbände (Tit. 21) als 1 Rate 1500000

Die Nothwendigkeit der in den Titeln 11 bis 16, 19 und 20 be— antragten Schiffsbauten (Panzerfahrzeuge R, 8, Kreuzer ⸗Korvetten J, K, L Kreuzer E) ist in der dem vorigen Etat beigefügten Denkschrift begründet. Die Kosten eines jeden der Panzerfahrzeuge R und 8 ein— schließlich der Ausrüstung, aber ausschließlich der Artillerie- und Torpedo ⸗Armirung sind auf 3 500 0900 ν veranschlagt, welche sich auf 2 Baujahre veriheilen sollen; für den Bau der drei Freuzer⸗-Korvetten J, K und L, sind je 5 500 000 M und 3 Jahre, für den der Kreuzer E, „Ersatz Adler: und Ersatz Eber“ je M00 C00 M und 2 Jahre vperanschlagt bezw. in Aussicht genommen. Die Erhöhung der Anschlagssumme gegen die bisher bewilligten Kreuzer von 1 500 9000 S auf 2 900 000 ½½ wird durch den Umstand begründet, daß seitdem sowohl Arbeitslöhne wie Materialienpreise gestiegen sind. Nach den Verlusten, welche die Marine durch den Untergang des Kreuzers „Adler“ und des Kanonenboots „Eber“ im Hafen von Apia erlitten, mache sich eine Ersatzbeschaffung dringend nothwendig, weil es an Kriegsfahrzeugen für den Dienst auf aus— wärtigen Stationen noch, mangele, und zwar an solchen der Kreuzerklasse, da die Klasse der Kanonenboote vom Typ des „Eber“ sich für diesen Dienst zu klein erwiesen habe. Die Kosten des Baues der beiden Avisos G und H sind (immer ein⸗ schließlich der Ausrüstung, aber ausschließlich der Artillerie⸗ und Torpedo ⸗Armirung) auf je 1218900 6 veranschlagt (entsprechend der durch den Etat für 1889/80 für den Aviso F erfolgten Bewilligung); als Bauzeit ist ein Jahr angenommen.

Zu Titel 21, 1 500 900 Æ als 1. Rate zum Bau eines Avisos für größere Kommandoverbände heißt es in der Erläuterung:

„Die Erfahrungen, welche während des letzten Jahres bei den in größerem Umfange stattgehabten Flottenübungen gemacht worden sind, haben die Notbwendigkeit ergeben, in Zukunft an die Leistungsfaͤhig. keit des einem größeren Kommandoverbande zuzutheilenden Avisos bedeutend erhöhte Anforderungen zu steller. Um allen Ansprüchen an die Leitung der Operationen und die Befehls— übermittelung zu genügen, muß bei der Flotte wenigsteng ein Fahrzeug vorhanden sein, welches unter allen Umständen in Bezug auf Schnelligkeit und Seetüchtigkeit den Erforder⸗ nissen der Jetztzeit voll entspricht, und welches zugleich im Stande ist, längere Reisen mit größter Geschwindigkeit zurückzulegen. Diese Anforderungen bedingen in Folge der Noth⸗ wendigkeit erhöhter Maschinenleistungen und eines größeren Kohlen⸗ vorraths, sowie der Seefähigkeit bei jedem Wetter, bedeutend größere Abmesungen als die übrigen Avisos sie besitzen. Diese i e er. sind aber für das Fahrzeug gleichzeitig nothwendig, um das Haupt⸗

Präsident von Levetzow verweist dem Redner diese Aeußerung als ungehörig. .

quartier und das Gefolge Sr. Majestät des Kaisers auf⸗

sonen, welche sowohl für die Zwecke der militäris

—— Sodann werden in

nehmen zu können, sobald Allerhöchstderselbe sich zur Leitung der maritimen Operationen der Flotte einschifft. Diesem Zweck hat bisher S. M S. „Hohenzollern“ gedient, welches als Aviso A in den Jahren 1874 bis 1876 erbaut worden ist, und auch bei den letzten

lottenmansövern als Kaiserliche Nacht Verwendung gefunden hat.

ie rapide Entwickelung des Schiffe baues und die Nothwentigkeit einer größtmöglichen Geschwindigkeit für solche Fahrzeuge lassen die Hohenzollern' nach den neuesten Erfahrungen nicht mehr geeignet für jenen Zweck erscheinen, auch genügt dieselbe in ibren räumlichen Verhältnissen durchaus nicht zur Unterbringung derjenigen Per⸗ chen Leitung, als auch für die Fortführung der Staatsgeschäfte unmittelbar in der Umgebung Sr. Majestät des Kaifers Aufenthalt nehmen müssen. Es hat sich deshalb das dringende Bedürfniß zur Erbauung eines neuen frre. herausgestellt, welches in Bezug auf Schnellig keit und sonslige Eigenschaften allen Anforterungen an einen Aviso entspricht und gleichzeitig als Kaiserliche Jacht Verwendung finden kann. Diese gesteigerten Anforderungen bedingen einen wesent. lich erhöhten Kostenaufwand im Vergleich mit der „Hohenzollern“ sowohl wie mit den für kleinere Verbände bestimmten Avisos. Die Kosten sind einschließlich der Ausrüstung auf 4 500 000. veranschlagt.

Weiter werden neu gefordert: zum Bau eines neuen schwimmen⸗ den Dampfkrahns von 160 t Tragfähigkeit für die Werft in Kiel als 1. Rate 300 000 M (der alte Krahn vermag bei einer Tragfähigkeit von nur 40 t Kessel neuerer schwererer Konstruktion nicht zu tragen; Gesammtkostenanschlag 500 000 ÆM); zur Beschaffung von Torpedo⸗ Schutznetzen und dazu gehörigen Vorrichtungen für die im Bau be⸗ griffenen Panzerfahrzenge 0, P, Q 56 700 „M; zur artilleristischen Armirung der Panzerschiffe , B, C, D, als 1 Rate 800 000 „M (diese Schiffe erhalten zur Armirung der Thürme Geschützrohre und Laffeten von einer bisher noch nicht vertretenen Konstruktion; die ge⸗ forderte 1. Rate ist zur Armirung eines Thurmes, behufs Erprobung, sowie zur Beschaffung der schweren und einiger weiter erforderlichen, gleichfalls neu konstruirten leichten Geschütze bestimmt. Die Gesammt armirungskosten werden für jedes der 4 Schiffe auf 3702 500 „, mithin zusammen auf 14 810 000 M veranschlagt).

Zur artilleristischen Armirung der Panzerfahrzeuge P, , R und 8 sind als 1. Rate angesetzt 2 400 060 υ (die Gesammtkosten der artilleristischen Armirung eines Panzerfahrzeuges betragen 928 550 Æ, mithin für 4 Fahrzeuge 3714260 S, die 1. Rate ist für Geschützrohre und Laffeten bestimmt); ferner zur Beschaffung von Reservegeschützen 252 000 M; endlich zur artilleristischen Armirung: der Kreuzer⸗Korvette H, als 1. Rate 55 000 „, des Kreuzers D und der beiden Kreujzer zum Ersatz des Kreuzers „Adler“ und des Kanonenboots Eber“ 750 000 „M, der Avisos G und H 220 000 M.

Zur Vermehrung der für den Zuwachs an Munition der plan— mäßig hinzutretenden neuen Schiffe nicht mehr ausreichenden Pulver und Gescheßmagazine beim Artilleriedepot in Wilhelmshaven, und jwar zum Neubau eines Geschoßschuppens werden 47 500 verlangt; zum Neubau eines Magazins far Zündungen bei dem zum Geschättsbereich des Artilleriedepots in Friedrichsort gehörigen Munitions-Etablisse⸗

ents bei Diedrichsdorf und zur Herstellung der Geleiseverbindung dieses Pian r mit der nächsten Landebrücke 29 400 „M; zur Herstellung von Bedachungen für die Exerziergeschütze der drei Matrosen ⸗Artillerie⸗ Abtheilungen O 000 M; zu Hauptreparaturen an den Befestigungs⸗ anlagen am Kieler Hafen, an der Jade und der unteren Weser, sowie zu Ergänzungs⸗ und Ersatzbeschaffungen ebendaselbst 166 700 S

Kriegsschiffen, zum Gebrauch von Torpedos als erste Rate h30 600 Mn ausgeworfen. Davon soll bestritten werden die volle Torpedo⸗ Armirung der im Bau befindlichen Schiffe Avisoß G und H (ie 150 000 ƽ) und Kreuzer D (105000 Æ); von dem Rest sind bestimmt je 25 000 S für die Panzerfahrzeuge P, G, R, S8 (die volle Torpedo⸗Ausrüstung dieser Schiffe wird je 195 000 M erfordern) und für die Kreuzer -Korvette H (volle Torpedo⸗Ausrüstung 250 000 „).

Zu nothwendigen Neubauten, Reparaturen, Erweiterungen und Ergänzungen an den Torpedo⸗ und Minendienst⸗Gebäuden in Friedrichs ort und Wilhelmshaven (darunter der Neubau eines Arbeiterspeisesaals in Friedrichsort) werden 139 000 „Æ gefordert; zur Fortsetzung der Verlegung und Vergrößerung des Minendepots zu Friedrichsort (3. Rate) 133 650 M6 (24 350 M weniger als im vorigen Etat; insgesammt sind die Kosten auf 650 000 S veranschlagt). .

Zur Ausrüstung von Ausbildungsstellen für den Torpedodienst werden als 1. Rate 91 000 verlangt (die Ausrüstung beider Stellen auf den Marinestationen wird sich, den Erläuterungen zufolge, mit rund 173 000 M bewirken lassen); zur Aptirung und Vervoll⸗ kommnung des vorhandenen älteren Minenmaterials 180 000 n; jum Bau eines Minenlagerhauses in Wilhelmshaven 40 009 M ; zur Verbreiterung der Trockendocks J und II. auf der Werft zu Wilhelms— haven 51 000 M (um Panzerschiffe von der Konstruktion der „Sachsen⸗ klasse! ohne hohe Kosten und bedeutenden Zeitaufwand auch in Wilhelmshaven docken zu können); jur Beschaffung eines Reserve— Verschlußpontons für dieselben Docks (1. Rate) 109 060 S (Gesammt— kostenanschlag 166 000 A).

Weiter sind an einmaligen Ausgaben in den Etat eingesetzt: zur Beschaffung eines eisernen schwimmenden Docks füc die Werft zu Wilhelmshaven 198 009 M; zur Beschaffung von Pumpeintich— tungen ꝛc. behufs Nutzbarmachung der Schleusenkammer der neuen Hafeneinfahrt in Wilhelmshaven als Rothdock 27 000 KA; zur Her stellung des Schießstandes zum Einschießen von Torpedos im

Hafenkanal zu Wilhelmshaven 43 000 „Æ; zur Beschaffung und Auslegung von zwei Festmachertonnen im Vareeler Tief des Jadebusens 17000 é; zur Herstellung einer Brücken

anlage für Eisenbahn⸗ und Fuhrwerkverkehr bei dem Brückenponton des neuen Hafens zu Wilhelnshaven 130 000 „; zur Erbauung eines Schießstandes bei Kiel 43 000 M J

Als Kosten der Vorarbeiten zur Errichtung, von Dienstgebänden für die Kommando- und Verwaltungsbehörden in Kiel erscheint im Etat als erste Rate die Summe von 30 0090 4. (die Nothwendigkeit der beabsichtigten Errichtung zweier Neubauten für die jetzt in baulich verfallenden und weit auseinander liegenden Gebäuden untergebrachten Kommando⸗ und Verwaltungsbehörden wird eingehend begründet), Zum Bau eines zweiten Exerzierhauses in Kiel werden verlangt 50 000 0 (das bisherige Exerzierhaus genügt für die seit 1875 von 4000 auf 6600 Köpfe angewachsene Garnison nicht mehr; auch fehlt es an einem Erxerzierhause für die neu errichtete erste Torpedo ⸗Abtheilung sowie für die Schiffsbesatzungen); zur Erbauung einer Turnhalle für die Marine-Akademie und -⸗-Schule nebst Geräthe⸗Ausstattung 25 000 „M6; zur Erneuerung des Daches des Betriebsgebäudes des Bekleidung amts in Wilhelmshaven nebst Aufsetzung eines dritten Stockwerks 50 007 é; zum Bau einer Ra⸗ serne bei Cuxhaven nebst Utensilienausstattung 220 900, 44. (die Ka—⸗ serne ist für 7 Compagnien der III. Matrosen-Artillerie⸗Abtheilung, 260 Köpfe, bestimmt, welche von Lehe nach Cuxhaven verlegt werden sollen, um sofort beim Ausbruch eines Krieges eine mit den lokalen Verhältnissen vertraute Truppe zur Stelle zu haben. Der Bau soll in einfacher Ausführung auf dem Reiche gehöͤrigem Grund und Boden errichtet werden.) (.

Die Verstärkung der Kriegsvorräthe der Bekleidungsämter und der Marine⸗Infanterie erheischt nach dem Etat als einmalige Aus gabe 394 G70 ς (jene Vorräthe schon im Frieden in vollem Umfange zu beschaffen, wird zur Erhaltung der Kriegebereitsckaft der Marine als nothwendig bezeichnet; der Bedarf für die Seebataillone ist gegen früher 3333 . auf einen solchen für 4281 Mann und, für die Bord Detachementz um 35 Mann, insgesammt alfo für 1283 Mann gewachsen). Zur Aufstellung eines festen Krahns auf der Kaimauer vor dem Tonnenschuppen in Wilhelmshaven werden 11 000 S, zur Herstellung von Schießftänden in Wilhelmshaven bo 900 A gefordert.

Mit der einmaligen Ausgabe von 1 9265 000 sollen die Kosten für den Ankauf und die Einrichtung eines Dienstgebäudes für da? Sb er Kom mando der Marine in Berlin bestritten werden. Dieses sowie das Parinekabinet sind zur Zeit in ermietheten Räumen unter. gebracht. Zur Beseitigung der sich daraus ergebenden mannigfachen Üebelstande ist der Ankauf eines Hauses in Aussicht genommen,

itel 34 zur Ausrüstung und Armirtng von

einer direkten Verbindung mit dem Dienstgebände des Reichs ⸗Marine⸗ Amts gestattet und für Bureauzwecke sebr wohl geeignete, zur Unter⸗ bringung der Bureaus des Ober Kommandos sowie des Marinekabinets ausreickende Räume enthält. Dieses Haus würde bis zu einer etwaigen späteren Erweiterung dieser Behörden auch genügend groß sein, um eine Reibe von Zimmern an das in seinen Diensträumen äußerst beschränkte Reichs ⸗Marine ⸗Amt abjugeben. Der Kaufpreis von 950 000 M wird in Anbetracht der besonders günstigen Lage und des guten baulichen Zustandes für angemessen erachtet. Die Kosten der vollständigen Einrichtung des Gebäudes sind auf 75 000 A ver- anschlagt.

Die Gesammtforderung an einmaligen ö im ordentlichen Etat für 1896/91 (Kapitel 6 56. Titel) beziffert sich auf 47 312 020 M gegen 13 319 170 M im vorigen Etat, mithin um 33 992 850 M höher; davon ab den Zuschuß des außerordentlichen Etats mit 34 972 000 S (1889/90 30 154 000 „Æ ), bleiben für Kapitel 6 12 340 020 A (3 838 850 M mehr als im vorigen Etat). Im außerordentlichen Etat sind an einmaligen Aus⸗ gaben beantragt: zur artilleristischen Armirung des Panzerfahrzeugs O als 3. und Schlußrate 88 500 M (die Gesammtkosten dieser Armirung waren im letzten Etat auf 840 990 „M angegeben; diese Veranschlagung hat sich jedoch bei der Ausführung wegen der Mehr- kosten der Laffeten und der verbesserten Verschlußkonstruktion an den schweren Geschützen als zu niedrig erwiesen; es sind 928 550 6 erforderlich; davon sind 840 000 in zwei Raten bewilligt, und bleibt mithin als fehlender Betrag die angesetzte 3. Rate); zur Beschaffung von Geschützen, Zubehör und Munition für die Be—⸗ festigungen an der unteren Elbe, als 2. Rate 1 400 000 M (Gesammt⸗ kosten 2 547000 AM, wovon als 1. Rate im vorigen Etat 300 000 bewilligt sind); zur Ausrüstung der Kriegsschiffe und Fahrzeuge sowie der Torpedoboote mit Sprengkörpern 345 0090 M (diese Summe wird in Folge der umfangreicheren Ausrüstung der Kriegsschiffe mit Sprengkörpern und wegen der nothwendigen Beschaffung einer an⸗ gemessenen Kriegsreserve an solchen erforderlich); zur Beschaffung von weiteren 30 Torpedos (zu 8000 M das Stück 240 0900 6 (wie im vorigen Etat); zur Ausrüstung der Kriegsschiffe für den Minen dienst, 1. Rate, 40 000 AM. .

Endlich werden beantragt: 968 000 zur Fortsetzung der Bauten des Marine⸗Etablissements zu Ellerbeck (Kiel), 17. Rate, und zwar zur Vergrößerung der Metallgießerei und gleichzeitigen Einrichtung derselben als Eisengießerei, sowie zu den Erweiterungsbauten der Kesselschmiede und der Schmiede- und Schlosserwerkstatt; zu Bauten beim Marine⸗Etablissement in Wilhelmshaven, und zwar zum Bau eines zweiten Geschützlagerhauses (Gesammtkostenanschlag 430 000 AM), 1. Rate 100000 M

Insgesammt werden im außerordentlichen Etat (Kap. 13, Titel 1 bis 7 an einmaligen Ausgaben beantragt 3 181 550 gegen 20653 600 M im Etat sür 1889,90, also 1127 950 S mehr; dazu den Zuschuß zu einmaligen Ausgaben im ordentlichen Etat mit 34 972 006 (gegen 4 818 000 M im Etat für 1890,91), ergiebt als Summe des Kapitels 13 38 153 550 AÆ, also 31281 9566 1M mehr als im vorigen Etat. Diese Ausgabe wird aus der Anleihe

gedeckt. (Fortsetzung folgt.)

C G

Kunft und Wissenschaft ...

Im Verlage von Paul Bette ist soeben eine Bildniß radirung von Professor Eilers: „Heinrich Prinz von P—reußen“ erschienen. Sie bildet ein Gegenstück zu der im Frühjahr in dem— selben Verlage erschienenen Radirung desselben Künstlers: „Kaiser Wilhelm II.“; Se. Königliche Hoheit hat dem Künstler am 12. August persönlich zu der Zeichnung gesessen. Wie das Kaiserbild sich des Allerhöchsten Beifalls erfreut und auf den diesjährigen Reisen Sr. Majestät und auch sonst schon vielfach zu Erinnerungsgeschenken befohlen wurde, so hatte auch Prinz Heinrich Anlaß genommen, sich einen Theil der Drucke vor der Schrift zu eigener Verfügung zu reserviren Beide Blätter tragen die Faesimilen der aus den Kabi⸗ netten dem Verleger überlassenen Unterschriften. Die Porträts können als wohlgelungene bezeichnet werden, ;

Die umfangreichen Geschäfte des General-Sek retärs der Gefellschaft für Erdkunde wird mit Beginn nächsten Jahres der Hauptmann a. D. Köollm übernehmen. Der bisherige General- Sekretär Dr Freiherr von Danckelmann gedenkt sich seiner angegriffenen Gesundheit wegen aufs Land zurückzuziehen. Hauptmann Kollm war bei dem diesjährigen großen Geographentage mit der Ge⸗ schäftsleitung betraut.

Am Reformationstage wurde in der alten Thomaskirche zu Leipzig das zum Andenken an Kaiser Wilhelm J. gestiftete große ‚„Kaiserfenster“ eingesetzt. Wie die „‚Magdb. Zt.“ mit⸗ theilt, wurde dasselbe in der Königlichen Hofglasmalerei von E. de Bouchs in München ausgeführt. Das imposante 10 m hohe Fenster wurde von den Grafen von Hohenthal für die Thomaskirche gestiftet und ist, dieser entsprechend, in spätgothischem Stil gehalten. Inmitten einer reichen Architektur sehen wir Kaiser Wilhelm J. im Kaiser⸗ ornate, zu beiden Seiten Engel mit den Reichsinsignien. Ein Engel, der über der in Lebensgröße gehaltenen Kaisergestalt angebracht ist, hält ein Schild mit dem deutschen Wappen. Unter dem SBildniß befinden sich drei allegorische Gruppen, „die. Standhaftigkeit? und die Wahrhaftigkeit: und zwischen beiden die Barmherzigkeit“; die letztere wird dargestellt durch eine edle Frauengestalt, welcher ein Invalide, eine Frau mit zwei Kindern und ein Handwerksmann nahen. Am unteren Ende des Fensters ist das Wappen der Stifter eingefügt. Das Fenster ist mit seinen leuchtenden, fein gewählten Farben und seiner vornehmen Komposition ein Meisterwerk moderner Glasmalerei.

Am 14. September hatte, der Köln. Ztg. zufolge, Professor Thury von der Sternwarte zu Genf telegraphisch angezeigt, daß der Centralkrater des großen Ringgebirges Plinius, auf dem Monde einen ganz ungewohnten Anblick darbiete. Die beiden Berge, welche sich gewöhnlich in der Mitte dieses Ringgebirges zeigen, waren unsichtbar und an ihrer Stelle zeigte sich eine Art runder Scheibe von reinem kreideähnlichem Weiß. Im Mittelpunkt derselben war ein dunkler Flecken, ähnlich dem Schlund eines Schlamm vulkans. Der Durchmesser dieser Scheibe beträgt etwa 5e englische Meilen, der⸗ jenige der centralen Oeffnung vielleicht eine englische Meile, Die Höhe oder Dicke der Scheibe war bedeutend geringer als die Höhe der äußeren Umwallung; letztere erbebt sich bis zu 6006 Fuß über die innere Fläch? Von Seiten anderer Astronomen ist seitdem keine Beobachtung jenes Objekts bekannt geworden, wahrscheinlich weil die Witterung und der ungünstige Stand des Mondes genauere Untersuchungen verhinderte. Auf dem Obfervatorium der ‚Kölnischen Zeitung“ gelang es dagegen an dem vorzüglich klaren Abend des 30. Oktober die betreffende Gegend oes Mondes genau zu untersuchen. Die Luft war so ruhig und klar, daß in der nächsten Umgebung des Plinius selbst kleine Be denwellen von 60 oder 70 m Höhe deutlich sichtbar wurden. Der Centralkrater zeigte sich als große, mit schwarzem Schatten erfüllte Oeffnung, südöstlich daneben eine zweite schattenerfüllte Vertiefung, jede von mindestens 2 englischen Meilen im Durchmesser. Genau so zeigt sich das Centralgebirge des Plinius, aber stets bei dieser Be— leuchtung, und eine Veränderung ist demnach nicht zu erkennen. Wenn also Müte September das Innere des Plinius, wie Prof. Thury an⸗

iebt, wirklich ein ungewöhnliches Aussehen hatte, so könnte man fei es nur durch eine Dampf- oder Nebelmasse erklären, die damals das Centralgebirge umbüllte und auf dem Boden ruhte, seitdem aber verschwunden ist. Jedenfalls haben die Formen des Centralgebirges im Plinius keine nachweie bare Umgestaltung erlitten.

Die verstorbene Herzogin Galliera hat der Stadt Genua ihre Kunstfchätze vermacht. Dieselhen wurden kürzlich den städtischen Behörden feierlich übergeben. Es befinden sich der Rh. Westf. Zig.“ jufolge darunter viele Gegenstände von bedeutendem

Therniers, Horace Vernet, Monteverde und andere berühmte Meister geschaffen haben.

Ueber Ausgrabungen in Tegea berichtet die, Kiel Ztg.“: Eine der ältesten und bedeutendsten Städte Arkadiens war Tegea, heute zum guten Theil überbaut. Doch sind von dem Tempel der Athena Alea einige Stücke der Giebelskulpturen schon vor einiger Zeit gefunden worden. Jetzt wird wieder gegraben, und es sind ein Inschriftstein, ein ziemlich wohlerhaltenes Mosaik und, was wohl das Bedeutendste sein wird, eine alterthümliche Apollostatue gefunden worden, letztere, wie der neugriechische Bericht lautet, aus der Zeit egvptischen Einflusses! Tegea war vor der dorischen Wanderung ö des Peloponnes, und so ist ein Fund aus der ältesten Zeit griechischer Kunst wohl erklärlich. Hat man doch 1862 schon in einem Hügel des heiligen Sostis zu Tegea eine sebr große Anzahl von kleinen Bronze⸗ und Terrakottagegenständen gefunden, welche von den primitivsten, alterthümlichen Arbeiten bis zu den späteren Er— zeugnissen alle Epochen der griechischen Kunst repräsenticen und die Jahrhunderte lange Existenz jenes Heiligthums bezeugen.

Land⸗ und Forftwirthschaft.

Nachweisung der in der Zeit vom 1. August 1888 bis 31. Juli 1889 im preußischen Staate ausgegebenen Jagdscheine.

2X . Zahl der 2 , . 866 . gu⸗ 2 es ntgelt geltlichs ; * Verwaltungs bezirks ausgegebenen a 83 Jagdscheine 1ñÜRegierungsbeziik Königsberg. 6 171 367 6538 . ö. Gumbinnen 4891 305 5196 3 ö Danzig. ; 221 211 2423 4 ö Marienwerder . 4452 398 4850 5 Polizei⸗Präsidialbezirk Berlin 2571 1 2572 6 Regierungsbezirk Potsdam 8S 275 520 8795 7 ö rankfurt 8020 299 8319 8 ö. tettin. 4397 188 4 585 9 ö Köslin .. 3 354 147 3 501 19 . Stralsund . 1571 104 1675 11 ö K 6215 172 6388 12 ö Bromberg. 3 852 160 4012 13 z Breslau. 7615 151 7766 14 ‚. Liegnitz. 6989 169 7158 15 F Oppeln. 5 386 228 5614 16 z Magdeburg. 9443 159 5602 17 k. Merseburg . 9 846 136 3982 18 ö Erfurt 2896 53 2949 19 . Schleswig. 12 085 115 12 200 20 . annover 2116 2 2118 21 ildesheim. 2515 2573 22 '. üneburg 3324 3324 23 ö 2130 2130 24 h Osnabrück. 2509 2509 25 , Aurich. 1505 1 1506 6 . Münter (-b 774. . 16 790 27 4 Minden . 3 hon [4 3 581 28 ö Arnsberg 6 855 143 6 998 29 . 8 3 538 272 3810 30 . Wiesbaden . 4056 309 4345 31 . Koblenz.. 3 837 125 3 962 32 ö Düsseldorf . 8298 86 8 384 33 v Köln .. 200 16 4276 34 ö. Trier. 3235 241 3476 35 j Aachen?. . 3110 36 3145 36 ' Sigmaringen. 382 47 129 Wiederholung. 1 Provinz Ostpreußen. 11062 672 11734 2 ö Westpreußen 6 664 609 723 3 3 d 2571 1 2572 4 ö Brandenburg. 16295 819 17114 5 . Pommern n. 9322 439 9761 6 ö Posen. 10068 332 10400 7 , Schlesien 19990 548 20 538 8 . . 22 185 348 22 553 9 ö. Schleswig⸗Holstein . 12 085 115 12 200 16 ,,, 14 157 3 14160 11 (. ö 17136 233 17369 12 ! Hessen⸗Nassau. . 7574 581 8155 13 ö. Rheinprovinz. ... 22 680 564 23 244 14 Hohenzollernsche Lande.... 382 47 4129 zusammen.. 7 Ni 15311 177 482 1887, 88 sind ausgegeben... 1745063 5446 180009 mithin pro 1888/89 weniger. 2357 1535 2527

Fondsbörse, Geld⸗ und Kapitalsmarkt.

Nach Ueberwindung der Ultimoregulirung, welche sich bei den geltenden hohen Zinsen verhältnißmäßig glatt und leicht abwickelte, ist die Börse beruhigter in den neuen Monat eingetreten. Die Lage des internationalen Geldmarktes flößt geringere Besorgnisse ein, da auch der letzte Status der Bank von England eine weitere Stärkung des Instituts hat erkennen lassen und an den ausländischen großen Börfenplätzen scheint die Monatswende auch ohne eine wesentliche Schwächung der Spekulationskraft vorübergegangen zu sein. Die während der letzten Oktoberwoche an unsere Reichsbank gestellten Anforderungen sind keine ungewöhnlichen und lassen auch auf die Lage des lokalen Geldmarkts einen günstigen Schluß zu. Die Anlagen in Wechsel. und Lombardforderungen zeigen eine Zunahme gegen den vorwöchentlichen Status um 49 821 000 „n, während diese Zunahme in derselben Zeit des Vorjahres nur 33 137 000 Æ betragen hat; der in Wechseln und Lombardforderungen überhaupt angelegte Betrag belief sich Ende Oktober d. J. au 699 920 000 6 gegen 502 716 000 ƽ im vorigen Jahre. Der ge⸗ sammte Kassenbeftand hat in der letzten Oktoberwoche d. J. eine Abnahme um 6 744 000 Æ , im Vorjahre eine solche um 5 1855000 4, der Metallbestand eine solche um 7182 000 ½ gegen 5 290 000 im Vorjahre erfahren; der Notenumlauf zeigt bei einem Gesammt⸗ betrage von 1 056 676 000 M eine Zunahme um 32 075 000 6, während derselbe im Jahre 1888 1011125 000 M betrug und sich der Vorwoche gegenüber um 23 08 000 66 vermehrt hatte. Dieser Entwickelung entfpricht es auch, daß am offenen Markt Geld wieder allmäblich flüssiger wird und die Privatdiskontrate sich wieder bis auf 47 9, ermäßigt hat. ö. ;

nter diesen Ümständen würde der neue Monat ein für das Börsen geschäft durchaus aussichts reicher sein wenn nicht das immer noch hochgespannte Coursnivean auf dem Gebiet der Industriewerthe zu Bedenken Anlaß gäbe, besonders in Berücksichtigung der Thatsache, daß sehr umfangreiche Hausse Engagements in solchen Papieren wiederum aus dem vorigen in den neuen Monat hinübergenommen wurden. Die Belastung der Börse und des an den Börsengeschäften interessirten Privatpublikums mit industriellen Effekten wird klar, wenn man sich vergegenwärtigt, welche Beträge in den letzten Jahren nen an die Börse gekommen und marktgänsig geworden sind. An der Berliner Börse wurden eingeführt im Jahre 1886 überhaupt nur die Aktien von 16 Industriegesellschaften, welche zur Zeit der Einfübrung über ein Aktienkapital von 48 220 400 ( ver- fügten, wenn man von der Nobel Dynamit ˖ Trust⸗Company“ absieht, die aus einer Anzahl älterer Gesellschaften entstanden ist. Im Jahre

Werthe, besonders aber schöne Bildsäulen und 8 welche u

welches durch feine Lage in der Voßftraße (Rr. 26) die Herstellung

Tanow, Correggio, Sassoferrato, Guercino, Greuse, Piola, is dael.

1887 waren es sogar nur 13 Industriegesellschaften, deren Aktien an der Berliner Börse zur Einführung gelangten; das Kapital derselben