1889 / 266 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 07 Nov 1889 18:00:01 GMT) scan diff

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Die Fälle, in denen Kommunen die Kosten des regelmäßigen Schul bauhedürfnisses aus Anleihemit⸗ teln zu bestreiten beschließen, haben sich in letzter Zeit erheb⸗ lich gemehrt. Der Finanz⸗Minister und der Minister des Innern haben hieraus Veranlassung genommen, darauf auf— merksam zu machen, daß diese Kosten, namentlich in solchen Gemeinden, deren en,, , in rascher Zunahme begriffen ist, und in welchen daher das Bedürfniß zur Ausführung neuer Schulbauten in kurzen Zwischenräumen wieder⸗ zukehren pflegt, zu den regelmäßigen Ausgaben des Gemeindehaushalts gerechnet werden müssen. Wo hiernach nicht etwa die Nothwendigkeit zu umfassenderen Schulhaus⸗ Neubauten durch besondere Umstaͤnde, wie beispielsweise durch eine außerordentliche Vermehrung der Bevölkerung, durch un⸗ erwartetes Eintreten von Bauschäden an älteren Schulbauten u. s. w. herbeigeführt wird, soll darauf gehalten werden, daß die Kosten der Schuülhausbauten aus den regelmäßigen Ein⸗ nahmen der betreffenden Stadtgemeinden bestritten werden. Zu diesem Zweck ist den städtischen Behörden im Besonderen empfohlen worden, Schulhaus ⸗Neubaufonds anzusammeln, welchen regelmäßig jährlich angemessene, nach dem muthmaß⸗ lichen Bedürfniß des betreffenden Zeitabschnitis zu berechnende Beträge aus den Intraden des städtischen Aerars zuzuführen sind.

Bei Ausführung von Auslieferungen an Belgien oder an die Niederlande ist Seitens der diesseitigen Pro⸗ vinzialbehörden insofern nicht zweckmäßig verfahren worden, als nach erfolgter Bewilligung der Auslieferung der für die Uebergabe in Aussicht genommene Tag entweder zu nahe ge⸗ rückt oder zu weit ausgesetzt ist. Zur Herbeiführung eines gleichmäßigen . hat der inister des Innern im Einverständni mit dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten bestimmt, daß demselben nach Eingang der Genehmigung zur Auslieferung von Personen an Belgien bezw. an die Niederlande Seitens der Regierungs-Präsidenten der für die Auslieferung an die betreffenden belgischen bezw. niederländischen Behörden be⸗ stimmte Tag sofort telegraphisch angezeigt wird, und daß zwischen dem Tage, an welchen die telegraphische, Meldung bei dem Minister der auswärtigen ,, , eingeht, und dem Tage, an welchem die Uebergabe erfolgen soll, mindestens zwei und längstens fünf volle Tage frei zu lassen sind.

Der Kaiserliche Gesandte am Königlich serbischen Hofe, Graf von Bray-Steinburg, hat einen ihm Aller— höchst bewilligten Urlaub angetreten. Während seiner Ab⸗ wesenheit von Belgrad fungirt der Legations⸗-Sekretär von Schloezer als Geschäftsträger.

Bayern. München, 5. November. Am 8. Dezember d. J.

6 es 50 Jahre, daß Se. Königliche Hoheit der Prinz⸗ ö.

97 lagen und zum Großprior dieses Ordens erhoben wurde. us diesem Anlaß ist, wie die „Allg. Ztg.“ mittheilt, Folgen⸗

des bekannt gemacht worden: .

Se Königliche Hoheit der Prinz⸗Regent und Allerdurchlauchtigste Orden? ⸗Großmeister⸗Stell vert, er haben mit Allerhöchsten (Es schließungen vom 4. März und 3. Norember J. J. die Abhaltung des diesjährigen Hauptfestes des Ritter Ordens vom heiligen Georg auf Sonntag, den 8. Dezember d. J, den Festtag Mariä Empfängniß Allergnädigst anzuordnen geruht. Se. Königliche Hoheit der Allerdurchlauchtigste Großmeister⸗ Stellvertreter, Allerhöchstdessen fünfzigjähriges Ordens jubiläum die Ritterschaft des heiligen Georg am gedachten 8. De zember zu feiern in der glücklichen Lage sein wird, werden bei dem bevorstehenden Hauptfeste geruhen, dem durchlauchtigsten Prinzen Rupprecht von Bayern, Königlicher Hoheit, sowie mehreren Ordens⸗ Kandidaten den Ritterschlag zu ertheilen und die Installation Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Rupprecht als Großprior vorzunehmen. Die Ordengritterschaft versammelt sich am Sonntag, den 8. De⸗ zember l. J., Vormittags 95 Uhr, in der Antichambre des Königs⸗ baues und begleitet um 10 Uhr den Allerdurchlauchtigsten Groß ö in das Ordens -Kapitel und alsdann in die

irche.

Se. Königliche Hoheit der Prinz Rupprecht, welcher am Königlichen Maximilians⸗Gymnasium hierselbst die Gym⸗ nasialstudien absolvirt hat, ließ sich heute an der Königlichen Ludwigs⸗Maximilians⸗Universi tät München als Studiren⸗ der im matrikuliren. Der Prinz wird neben den Vor⸗ lesungen, welche er an der Universität besucht, auch einige Vorlesungen an der Technischen X cschw⸗ hören.

November. (W. T. B.) Der auf die heutige Tagesordnung der Abgeordnetenkammer gesetzten Be⸗ rathung der vom Centrum gestellten Anträge wohnten die Minister Dr. Freiherr von Lutz und von Riedel bei; als Zuhörer war auch der preußische Gesandte Graf von Rantzau anwesend. Der Abgeordnete Geiger leitete als Antragssteller die Debatte ein. Er erklärte: die Centrumspartei wolle keine Verfassungsänderung, sondern nur eine Wiederherbeiführung des bis 1876 Seitens der Krone Bayerns dem Papste und der Kirche bethätigten Wohlwollens bei der Ausführung der Verfassungs— beilage und des Elaeetum regium. Der Kultus-Minister Dr. Freiherr von Lutz protestirte zunächst energisch gegen den Vorwurf der Mitschuld an einer angeblichen Entchristlichung des Zeitgeistes und führte aus; es hätten ö andere als die ,, Regierung die Kirche in Gegensatz zum Staat gebracht; Differenzen des Staats mit der Kirche würden nie—⸗ mals enden. Der Centrumsantrag beabsichtige, der Krone Hebt en, doch einen anderen Kultus-Minister zu ernennen. Er, der Minister, halte unentwegt fest an dem verbrieften Recht der Krone. Mit Recht habe der Redner des großen Staatsmannes Fürsten Bismarck erwähnt; derselbe bleibe auch bei ihm ein Vorbild, aber die Milderung des Reichskultur⸗ kampfes tangire doch keineswegs die rein bayerische Placet⸗

rage. Er, der Minister, wolle das Placetum règium auch für laubens⸗ und Sittenlehren festhalten, jedoch nicht für die rein geistlichen Angelegenheiten. Er halte Spezialgesetze für wirkungsvoller als das Flacetum regium, wie er schon am 23. November 1871 im Reichstage erklärt habe. Er halte oe an demselben fest, da andere Bestimmungen für das ufsichtsrecht und die Schutzpflicht des Staats fehlten. „Wir wollen nichts als das Recht, zu prüfen, wann und worin der Staat der Kirche seinen Schutz zur Verfügung stelle. Nach Verlesung zahlreicher dokumentarischer Belegstellen für die esthaltung des Placetum durch die früheren bayerischen

Herrscher, sowie durch die meisten früheren und 1 katholischen Dynastien, schlo der Minister: ts liege ihm ferner, als Einmischung in reine

Glauben ssachen durch das Placetum. Was den zweiten An⸗ trag angehe, so habe die Regierung keineswegs den Alt— katholiken spezielle Sympathien entgegengebracht, sondern

nt zum Rftter des Orve ns dom hrrtrgen Geweg

anstatt der unaufhörlichen, rein akademischen Erörterun⸗

en praktische, thatsächliche Beschwerden vorbringen. Der Hin! fragte: ob 2 das Centrum durch diese Anträge nur eine rein akademische Auelegung des Placetrechts durch den Prinz-⸗Regenten herbeiführen wolle, oder ob es durch eine Verfassungsänderung dieselben zu verwirklichen hoffe. Dazu fehle die * derliche Zweidrittel⸗Mehrheit in der Abgeordnetenkammer und in der Kammer der Reichsräthe. Aber selbst wenn die Verfassung geändert wäre, würde das Centrum nichts Praktisches erreicht haben. Die Regierung würde jeden vorkommenden Fall einer Beschwerde ven geistlicher Seite sorgfältig prüfen, aber auf theoretische Erörterungen verzichten. Der Finanz Minister von Riedel gab hierauf im Namen des 6 die Erklärung ab: das⸗ selbe stimme mit den Anschauungen des Kultus-Ministers bezüglich des Placetum vollkommen überein. Der Abg. von Scha erklärte im Namen der Linken, daß in Gemäßheit der Verfassung und der Geschäftsordnung diese Anträge nicht zur Abstimmung geeignet seien. Das Placetum sei eine Gewähr der Gewissensfreiheit und der Gleichberechtigung der Konfessionen. . = J. November. (W. T. B) Der Finanzausschuß der Kammer der Abgeordneten bewilligte heute den Bau eines fiskalischen Logirhotels für das Stahlbad Steben. Bei der Berathung des Militär⸗Etats pro 1889 / 90 erklärte der Krieg s-Minister, General der Infanterie von Hein⸗ leth: es verlauteten, soweit er unterrichtet sei, keine Klagen über die Unzulänglichkeit und schlechte Qualitat der Nahrungs⸗ mittel für die Truppen. Fernerweit müßten die an die Mann⸗ schaften gestellten Anforderungen noch wesentlich erhöht werden. Unfälle seien selten, jedoch schwer zu vermeiden. Hierauf er— läuterte der Kriegs-PMinister an Beispielen aus Preußen und dem Reiche die geforderte Gehaltsaufbesserung der Militäranwärter. Beim Gebührenentwurf warnte der Finanz⸗Minister von Riedel, die Gebühren zu tief herabzumindern, da die Er— höhung der Matrikularbeiträge und die Ausgaben für die Alters⸗ versicherung, der Malzabschlag und die Ausgaben für die Doppelgeleise die Vorsicht des Finanzressorts erforderten. Hierauf wurde der Entwurf genehmigt.

Sachsen. Dresden, 6. November. Ihre Majestäten der König und die Königin werden sich, dem „Dresdn. Journ.“ zufolge, morgen, Donnerstag, nach Leipzig be⸗

eben, um die vom Leipziger Kunstverein veranstaltete Aus— . älterer Meister aus sächsischem Privatbesitz zu besich⸗ tigen. Die Rückkehr nach der Königlichen Villa Strehlen wird am Nachmittage erfolgen. Ihre Königliche Hoheit die ,,,, Mathilde hat sich gestern Nachmittag zu einem urzen Besuche Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Leopold von Preußen nach Potsdam begeben.

Württemherg. Stuttgart, 6. Vovember. Sen . der 36 hat heute dan neu ernannten Präsidenten der Freisregierung in Um y Tre amparter sowie den zum Stad direktor . erna ij 1d egierunge⸗Rath Klaiber in Aud enz empfangen. *

Ihre Kaiserliche Hoheit die Herzogin von Edinburg ist mit den Prinzessinnen⸗Töchtern heute Vormittag wieder von . abgereist.

achdem im Laufe des letzten Sommers weite Theile des Landes durch verderbliche Unwetter heimgesucht worden sind und sich ergeben hat, daß die Hagel⸗ und Wasserbeschädi⸗ gungen auf etwa 20 Oberämter und * als 60 Ge⸗ meinden sich erstrecken und der verursachte Gesammtschaden sich auf etwa 5 Millionen Mark berechnet, hat Se. Majestät der König vermöge Höchster Entschließung vom 24. Oktober d. J. die Veranstaltung einer Landes-Hauskollekte zum Besten der inländischen bedürftigen Hageibeschädigten ge— nehmigt. Der bezügliche Erlaß des Ministeriums des Innern, datirt vom 26. Oktober und an die Kreisregierungen und Oberämter gerichtet, wird im Amtsblatt des Ministeriums veröffentlicht.

Feffen. Darmstadt, 6. November. (Darmst. Ztg.)

Se. Königliche Hoheit der Großherzog ist heute Abend

8 Uhr von Romrod hier wieder eingetroffen. Um 10 Uhr

Abends xeiste Ihre Großherzogliche die Prinzessin

64 ? 6 Prinzessin Ludwig von Battenberg, von hier nach alta ab.

Mecklenburg⸗ Schwerin. Schwerin, 6. November.

(Meckl. Nachr. Das Befinden Sr. Königlichen Hoheit des Großherzogs ist, wie aus Cannes gemeldet wird, ein etwas besseres; die Kräfte nehmen langsam zu, doch ö a Folgen der Erkrankung in Ludwigslust noch nicht gehoben. Ludwigslust, 6. November. Ihre Hoheit die Prin— zessin Heinrich VIII. Reuß, Tochter Ihrer Königlichen Hoheit der Herzogin Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin, ist heute früh von einem Prinzen glücklich entbunden worden.

Sachsen⸗Meiningen. Meiningen, 5. November. (Weim. Zig.) Der Landtag des , . ist auf den 28. d. M. einberufen worden, um neben den Etats⸗ und Rechnungsvorlagen noch einige Besoldungeangelegenheiten und den Vertrag über den dritten thüringischen Schwur⸗ gerichlsbezirk zu erledigen.

Sachsen⸗ Coburg Gotha. Coburg, 6. November. (W. T. B.) Se. Kaiserliche Hoheit der Großfürst Alexis von Rußland und Se. Königliche Hoheit der Herzog von Edinburg trafen heute Nachmittag aus Paris hier ein. Gleichzeitig kehrte auch Ihre Kaiserliche Hoheit die Herzogin von Edinburg mit den Prinzessinnen— Töchtern aus Stuttgart hierher zurück.

Uu Wien, 6. November. (Wien. 36) Se, Majestät der Kaiser, sowie ihre Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten die Erzherzogin Valerie und der Erzherzog Franz Salvator * gestern Vormittag in Gödöllö eingetroffen.

Der König Milan von Serbien ist heute Abend hier angekommen.

Die Abgg. Kaiser und Ursin sind, wie das, W. T. B.“ meldet, ebenfalls aus dem Verbande der Deutsch—⸗ Nationalen des Abgeordnetenhauses ausgetreten. Der deutsch⸗ nationale Verband ist damit aufgelöst.

Bu dapest, 6. November. (W. T. B.) Das Unter⸗ haus lehnte heute den Antrag Iranyi's, den Landes⸗ vertheidigungs-Minister Fejer vary wegen der Manoer

Oefterreich⸗ Ungarn.

an möge endlich

nur die bestehenden Zustände geduldet.

mit 243 gegen 70 Stimmen ab. Im weiteren Verlaufe der Sitzung nahm das Haus mit großer Majgrität den Finanz⸗ ausgleich mit Kroatien an, nachdem der Minister⸗ Präsident von Tisza die Anschuldigung widerlegt hatte, daß die Regierung für Fiume nichts gethan hätte. Der Minister⸗ Präsident konstatirte auch, daß die Lage Kroatiens sich täglich und sichtlich bessere. ; Agram, 5. November. (Wien. Ztg.) Der kroatische Landtag begann heute mit der Berathung des Antrags Barcic, betreffend die Reinkorporirung Dalmatiens. Der Referent Miskato vic beantragte im Namen des Aus⸗ schusses den Uebergang zur motivirten Tagesordnung. Barcic vertheidigte den von ihm gestellten Antrag, gegen welchen sich

die Abgg. Kovacevic und Starcevic aussprachen. Die weitere Berathung findet morgen statt. Frankreich. Paris, 6. November (W. T. B.) Das

in der vergangenen Nacht anläßlich des Schlusses der Aus⸗ st ell ung veranstaltete Fest war durch schönes Wetter he⸗ günstigt. Die Anzahl der Besucher wird auf, etwa 500 000 geschätzt. Der Präsident Carnot wurde bei seinem Erscheinen mit lebhaften Zurufen begrüßt. .

Die hier verbreitete Nachricht von einer heftigen Er⸗ krankung Jules Ferry's wird von der „Estafette“ dementirt. Das Blatt fügt hinzu, Ferry werde voraussichtlich am 20. No⸗ vember hier wieder eintreffen.

Die „Patrie“ veröffentlicht einen Artikel über den Besuch des Prinzen von Wales in Egypten, welcher den gestern mitgetheilten Ausführungen des „Journal des Debats“ über denselben Gegenstand analog ist.

Italien. Rom, J. November. (W. T. B.). Der Prozeß wegen des Attentats auf den Minister⸗Präsidenten Crispi ist vor die Anklagekammer verwiesen. Die Anklage lautet auf versuchten Mord mit Vorbedacht, jedoch ohne meuchlerische Qualifikation.

Nach den offiziellen Feststellungen überstiegen die Einnahmen der Staatskasse im Oktober 1889 jene im Oktober 1888 um 10Ʒ Millionen; die Einnahmen vom 1. Juli bis zum 31. Oktober 1889 überstiegen jene der gleichen Periode des Vorjahres um 29 Millionen.

Amerika. New⸗Yaork, 6. November. (W. T. B.) Bei den Staatswahlen siegten in Staat und Stadt New⸗York die Demokraten mit Majoritäten von 10 000 bis 20 000 Stimmen. In Virginia und New⸗Jersey, wo die Demokraten ebenfalls siegten, beträgt ihre Majorität 35 000 bezw. S000 Stimmen. Die Demokraten gewannen ferner bedeutend in Maryland und Jowa. Die Republikaner siegten in Massachusetts mit verminderter, in Penn sylvanien . einer vergrößerten Majorität von 60 000 Stimmen. Die ünftige Part igruppirung, im Reꝑrä— Terst le e n ene ,: * sen.

Vom 6. November, Abends, wird weiter gemeldet: Bei den hiesigen Staatswahlen fiel der Kandidat von Tammany Hall für einen Richterposten durch. Mit dieser Aus— nahme sind die Demokraten in der Stadt New⸗DYork Sieger geblieben und haben auch im Staate New⸗Hork mehr als

der Legislatur wird daher von 30 auf etwa H vermindert. In Massachusetts wurde der Republikaner Brackett mit einer Mehrheit von 6000 Stimmen zum Gouverneur ge— wählt, während die Demokraten einige Siege für die Legislatur gewannen. In Ohio wurde der Demokrat Campbell mit einer Mehrheit von etwa 8000 Stimmen zum Gouverneur ge— wählt; die Demokraten erhielten auch die Majorität für die Legislatur; die Wahl eines demokratischen Senators für Washington ist somit gesichert. In Jowa wurde der Demokrat Boies mit einer Majorität von mehr als 10000 Stimmen zum Gouverneur gewählt. In Nebraska haben die Republikaner den Sieg davongeiragen. In Missis— s ipp . die demokratischen Kandidaten einstimmig gewählt.

Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (10.) Sitzung des Reichs tag es, welcher die Staats-Minister Dr. von Boetticher und Herrfurth, sowie an ere Bevollmächtigte zum Bundesrath nebst Kom⸗ missarien beiwohnten, stand auf der Tagesordnung die Fort⸗ setzung der ersten Berathung des Gesetzentwurfs, be⸗ treffend die Abänderung des Gesetzes gegen die ge— meingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemo— kratie vom 21. Oktober 1878.

Abg. von der Decken sprach sich im Namen der deutsch⸗ hannoverschen Abgeordneten gegen das Gesetz aus. Es geschehe dies nicht aus Sympathie für die Sozialdemokraten und ihre Tendenzen; im Gegentheil könne keine Partei dem Gedanken der Staatsomnipotenz antipathischer gegenüber stehen als die Deutsch⸗Hannoveraner. Das Sozia⸗ listengesetz bedeute ein Armuthszeugniß für das Deutsche Reich, das damit bekenne, nur mit Ausnahmemitteln dem sozialistischen Gedanken beikommen zu können. Ideen ließen sich nicht mit Gewalt aus dem Wege schaffen. Furcht vor diesen Ideen brauche man nicht zu hegen, sie würden im offenen Kampfe widerlegt werden. Durch das Sozialisten⸗

gesetz stärke man nur die Sozialdemokraten, indem man ihnen die Krone des Märtyrerthums aufsetze. Ein Ausnahmegesetz könne nur auf Zeit

. werden. Ein Ausnahmegesetz für die Dauer sei ein Widerspruch in sich. Redner schloß mit den Worten: Fürchten wir Gott, aber nicht das Gespenst der Sozialdemokratie!

Abg. Kulemann polemisirte zunächst gegen die gestrigen Ausführungen des Abg. Munckel. Die Behauptung, daß das Gesetz heilsam gewirkt, und die, daß es trotzdem noch weiter ver⸗ längert werden müßte, widersprächen einander nicht. Der Werth richterlicher Präjudize werde von den Gegnern der Vorlage unterschätzt. Andererseits überschätzten dieselben ihre Kraft, wenn sie der Meinung seien, durch ihre Reden in öffentlichen Versammlungen die Lehren der Sozialdemokraten , . und beseitigen zu können. Die Bestrebungen, von dem Ausnahmegesetz zum gemeinen Recht überzugehen, hätten bisher trotz der vielfachen Versuche zu keinem Ergebniß geführt. Verkehrt sei es, im Anschluß an das Strafgesetzbuch Ersatzbestimmiungen treffen zu wollen, denn die Bestimmungen des Strafgesetzbuches seien repressiv, die des Sozialistengesetzes aber sollten präventiv wirken. Die Behandlung der Sozialdemokratie vom Standpunkte der

Fahnen⸗Angelegenheit in Anklagezustand zu versetzen,

Repression sei sehr bequem, aber, von der Seite der Praxis aus betrachtet, verwerflich. Dem Einzelnen gegenüber reiche

zu i sentantenhause wird ch 2 , Kirche vine hoh

200900 St. Majorität. Die republikanische Majorität in.

wohl die repressive Strafe aus, nicht aber gegenüber einer so ausgedehnten Gemeinschaft, wie es die Sozialdemokraten seien; auch verlange das Strafgesetz jedesmal den häufig schwer zu erbringenden Nachweis des dolus. Möglich sei indessen der Ersatz des Sozialistengesetzes durch Aenderung der verwaltungs⸗ rechtlichen Gesetze auf dem Wege der Vereins⸗ und Versamm⸗ lungs⸗ und der Preßgesetzgebung. Bei Schluß des Blattes dauerte die Rede fort.

(Weitere „Parlamentarische Nachrichten“, insbesondere den Schlußbericht über . ar. e 6 des Reichstages, Beilage.

Seitungsstimmen.

Zu der Debatte über das Sozialistengesetz Reichstage bemerkt die Magdeburgische Zeitung“: Was die Sachlage so schwlerig gestaltet, ihr selbst einen Aus⸗ nahmecharakter aufdrückt, das ist, daß die sozialistische Partei nicht angesehen werden darf wie andere oppositionelle politische Parteien. Ihr Ziel ist nicht, die bessernde Hand an Schäden zu legen, die wirk⸗ lich vorhanden sind oder von ihr als solche anerkannt werden. Was sie an Vorschlägen zur Hebung der Lage der arbeitenden Klassen bringt, bezieht sich nach ihren eigenen Er— klärungen nur auf nebensaäͤchliche Punkte. Ihr Hauptziel ist der Umsturz des bestehenden wirthschaftlichen und politi⸗ schen Systems, der gegenwärtigen Gesellschafts⸗ ordnung, um so die angebliche Ursache alles Unheils, aller Unge⸗ rechtigkeit an der Quelle selbst zu verstopfen. Es liegt llar auf der Hand, daß auch, menn nach Aufhebung des Sezialistengesetzes die Bestimmungen des Strafgesetzbuches in rücksichtsloser Weise in Anwendung gebracht würden gegen Bestrebungen, wie sie die Herren Liebkknecht und Bebel vertreten, die Anklagen und Be— schwerden derselben darum um nichts sich ändern würden. Man würde das Strafgesetzbuch selbst als ein Ausnahmegesetz binstellen, welches die herrschenden Klassen, die Bourgeoisie, sich zurechtgemacht, um die Massen der arbeitenden Bevölkerung in Knechtschaft zu er⸗ halten. Daß es sich bier nicht um eine bloße Vermuthung bandelt, hat Hr. Bebel jüngst dargethan, als er in seiner Etatsrede gegenüber dem „‚wabren Staate“, den er und seine Freunde anstreben, die heutige Staatsordnung als eine bloße „Verwaltung der herrschenden Klassen“ bezeichnen zu können glaubte. .

Es handelt sich hier um den Kampf zweier Welt anschauungen. Wer von der Gerechtigkeit der gegenwärtigen Staats und Gesellschaftsordnung überzeugt ist, der muß auch die Mittel wollen, die zum Schutze und zur Veriheidigung derselben dienlich sind. d ) war nicht recht verständlich, ab in seinem eigenen Namen oder im Namen seiner Partei die Rückkthr zum gemeinen Recht anempfahl, das Christenthum und die Vaterlandsliebe als den Boden bezeichnet, auf dem es allein gelingen werde,

einer Lösung der sozialen Faße zu kommen. Ge—

ist in den Kampf gegen die Umsturzbestrebungen der Sozial eo wT*ufgake Jugewie em indeß won ihr allein alles Heil zu erhoffen, das beweist doch einen hohen Grad von Kunzsichtigkeit gegenüber den thatsächlichen Erscheinungen der Gegenwart. Der starke Arm des Staats kann in diesem Streit nicht entbehrt werden, nicht zur Abwehr allein, sondern auch zur Mahnung, um säumigen und unlustigen Arbeitgebern die Pflichten, die sie gegen ihre Arbeiter haben, ins Gedächtniß zurückzurufen In der Sorge um die Besserung der wirtbschaftlichen und gesellschaftlichen Lage der Arbeiter darf kein Stillstand eintreten.“

Unter der Ueberschrift „Die Sozialdemokratie eine Istaatserhaltende“ Partei“ entwirft das „Fran k— furter Journal“ in folgendem Artikel ein Bild von dem sozialdemokratischen Zukunftsstaat: .

„In seiner Etatsrede hat sich bekanntlich Hr. Bebel emphatisch dagegen verwahrt, daß die Sozialdemokratie staatsfeindlich sei. Sie wolle im Gegentheil gerade den Staat in die Hand bekommen, um einen wirklichen Volksstaat? und ‚Rechtestaat“ auch unter einem König oder Kaiser zu begründen. Diese Worte des sozialdemo kratischen Führers werden von den politisch wirklich gebildeten Leuten ihrem vollen Werthe nach schon gewürdigt werden, aber eine große Masse der minder Gebildeten wird sie als baare Münze nehmen und sich erstaunt sagen: Ja, dann ist die Sozialdemokcatie doch wohl besser als ihr Ruf! Zu Nutz und Frommen dieser Leichtgläubigen möchten wir doch einmal ein Bild von einem solcken sozialdemokra⸗ . Staat entwerfen, wie Hr. Bebel und Genossen sich ihn enken. . . .

Vor der Gründung eines solchen Staats bedarf es erst noch eines erbitterten Kampfes der Nationen und innerhalb derselben der verschiedenen Klafsen. Aber angenommen, dieser furchtbare Kampf, der sicherlich Millionen von Menschenleben kosten würde, sei zu Gunsten der Sozialdemokraten gleichzeitig in Deuischland, Frankreich, Belgien, den Niederlanden, der Schweiz und Oesterreich entschieden worden und auf den rauchenden, blutigen Trümmern der alten Staaten und. Gemeinschaften erstände unter Leitung der Herren Bebel, Liebknecht und Genossen der neue internationale Sozial staat '. Ein Direttoriat wird gewäblt. Die Herren Bebel, Liebknecht und Gucgsde werden Sonalstaatsdirektoren. Ein lonstituirender Kongreß wird gewählt, die „Internationale“. Wahlberechtigt ist jede Person ohne Unterschied des Ge schlechts, die das 17. Jahr vollendet hat und natürlich die neue sozialistisch Staatsordnung anerkennt. Der Kongreß tritt zusammen; eine Verfassung nach Marx wird geschafftn, danach zergliedert sich die „Internationale“ in verschiedene Verwaltungsbezirke, die ohne Unter schied der Nationalitäten durch rein geographische Grenzen und nach der Kopfzahl ihrer Bewohner gebildet werden. Verwaltunge direktoren, ein Singer in Berlin, ein Adler in Wien, ein Vollmar in München, ein Defuisseaux in Paris, ein Vaillant in Won steben diesen Bezirken vor. Das Prirateigenthum ist natürlich abgeschafft: den ersten Streit ruft jedoch die Frage hervor, ob die Besitzer der früheren, jetzt gestüriten Staats ˖ ordnung abgesunden werden sollen. Nach langen Streitigkeiten ent- scheidet man sich für eine Abfindung, indem derjenige, welcher früher so viel besaß, um ohne Arbeit leben zu können und älter als 35 Jabre ist, auf Lebenszeit eine Staatsrente erhält, welche ihm den Lebensunterhalt sichert Seine Kinder haben sich natürlich durch Arbeit zu erhalten. Damit ist also elles Priwateigenthum beseitigt; das „üetallgeld ist entwerthet und fließt in die Staatskasse, um im Verkebr mit dem Auslande benutzt zu werden. Grund und Boden, Häuser, Vieh u dgl. m. gehört der Allgemeinheit. Was der Einzelne an Haus- geräth, Lebens. und Gebrauchsmitteln besitzt, bleibt ihm vorläufig, doch werden Distriktskommissare ernannt, welche von Zeit zu Zeit dieses Privateigenthum zu revidiren und allen Ueberfluß für den Staat zu beschlagnahmen haben. . . ,

Jetz beginnt der rationell ausgestaltete Großbetrieb, indem die Verwaltungebtzirke in Produktionekreise eingetheilt werden, denen ein Vorsland und Wirthschaftsvertreter vorstehen. Diese beschließen den Werthsatz der Arbeitsleistung und der erjeugten Sachgüter. »Arbeitswerthscheine' werden statt des Geldes ausgegeben, für die man sich aus den öffentlichen Vorrathékammern seire Bedürfnisse kaufen kann. In diese öffentlichen Vorrathskammern wandern alle hervorgebrachten Güter. In jedem Verwaltungsbezirk wird ein ‚Ab⸗ satzami errichtet; eine Centralstelle vermittelt unter den ver. schledenen Absarämtern und mit dem Auslande, sofern dieles überhaupt mit der Internationale in Handelsverkehr tritt. Die Schwankungen in diesem Verkehr mit dem Auslande sollen durch die Centralstellen ausgeglichen werden, entweder durch

nordnung einer allgemeinen größeren Hervorbringung oder einer Betriebe einschrãnkung. Diejenigen Beamten, Lehrer ꝛc., welche Sach⸗ güter“ nicht erzeugen, aber doch nöthig sind, erhalten Anweisungen

im

Der Redner der Centrumspartei hat, indem er es

auf einen Antheil an dem Sachgütererzeugniß der Gesammtheit. Die Invaliden und Erwerbsunfähigen, die Kinder und Greise werden vom Staate verpflegt und jwar am besten in öffentlichen Ver sorgungshäusern. Der Stagt übernimmt auch die öffentlichen Luft- barkeiten, man würde ja sonst vor Langweile sterben. Alles das wird aus der Gesammtproduktion bestritten.

Es giebt keine andere Werthform als Arbeitswerthscheine“; keinen anderen Werthmesser als die Stundenzabl der normal“ ge⸗ leisteten Arbeit. Sind z. B. 100 Arbeitsstunden für Erzeugung eines Scheffels Getreide erforderlich und 10 für die Förderung einer Tonne Kohle, so sind 10st Kohlen für einen Zettel über 100 beim Getreide bau geleistete Arbeitsstunden zu erbalten. Wer nicht arbeiten will, kommt in eine Zwangsarbeitsstätte. Der Betriebsame kann sich manchen Arbeitswerthschein erübrigen, aber er kann sich niemals eine eigene Selbständigkeit begründen, denn alle seine Arbeitswertbscheine gestatten ihm niemals, auch nur eine Hobelbank ju erwerben, da alle Produktionsmittel dem Staate gehören und dieser vorschreibt. wie und wo ein Jeder an der gemeinschaftlichen Benutzung der Produktions⸗ mittel theilzunehmen hat. ;

Und was wird die Zukunft dieser Internationale“ sein, so fragen wir uns zum Schlusse? Allgemeine Verwirrung und eine Gegenrevolution, welche die „Internationale“ vergebens durch drako⸗ nische Gesetze aufiuhalten bestrebt sein wird. Diejenigen, welche sich durch Fleiß und Sparsamkeit ein Vermögen an Arbeitswerthscheinen erworben haben, wollen nicht mehr arbeiten; die Faulen empören sich in den Zwangsarbeitshäusern; die selbständig denkenden und arbeitenden Leute wollen sich nicht stets von den Sozialstaatsdirektoren und ihren

Beamten bevormunden lassen. Mißgunst, Haß, Mißtrauen sind an der Tagesordnung. Von irgend welchem privaten Interesse des einzelnen Haushalters an der Gesammt—

produktion kann keine Rede sein, da es ihm persönlich nichts nützt. Von einem Handelsverkehr mit dem Ausland kann in Folge dessen gleichfalls keine Rede sein; das Metallgeld geht aber ins Ausland zum Ankauf der nothwendigen Robstoffe; bald giebt es kein Metall⸗ geld mehr. Rolstoffe können nicht mehr eingekauft, manche Artikel gar nicht mehr verarbeitet werden; das Volk versinkt in Armuth und Elend oder es empört sich, um mit der Gewalt der Waffen die Herren Sozialstaatsdirektoren jum Teufel zu jagen! Das die Früchte der staatserhaltenden“ sozialdemokratischen Partei!“

Zu den Ergebnissen der deutschen Strafrechts— pflege im Jahre 1388, deren wir in Nr. 263 des „Reichs- und Staats-Anzeigers“ vom 4. November, Erste Beilage, in dem Aufsatz „Die Kriminalität im Deutschen Reiche im Jahre 1888“ unter „Statistit und Volkswirthschaft“ Erwähnung thaten, bemerkt die ‚„Kölnische Zeitung“:

„Sehr angenehm berühren die soeben zur Veröffentlichung ge— langenden vorläufigen Ergebnisse der deutschen Strafrechtspflege für das Jahr 1888, aus welchen zu entnehmen ist, daß der Umfang der Kriminalität sich im Vergleiche zu dem Vorjahre merklich verringert bat. Sowohl im Ganjen wie im Einzelnen weisen die Zahlen eine Verminderung der Extensität des Verbrechens im Deutschen Reiche auf und bei gewissen Verbrechens gruppen ist dieselbe besonders bedeutsam. Für die soziale Verwerthung des kriminalstatistischen Materials ist es von hervorragendem Interesse, daß die strafbaren Handlungen gegen das Vermögen z also vor allem die Diebstähle, auch im Verhältniß

zie Rent Bor jabie wiedekunt slch vermindert. Haben; Die Statistik

weist nun seit einer Reihe von Jahren eine fallende Bewegung bei diesen Vergehen nach, wiewohl weder das Strafrecht noch das Strafprozeßrecht während dieser Zeit eine Abänderung erlitten hat. Da zweifellos der Eifer der gerichtlichen Polizei bezüglich der Aufspürung strafbarer Handlungen nicht geringer geworden ist, so kann diese Erscheinung nur darauf zurüggeführt werden, daß die wirthschaftlichen Verhältnisse sich im Laufe der letzten Jahre immer mehr gebessert haben. Allen Behauptungen der politischen Opposition zum Trotze geht aus diesem Ergebnisse der Statistik mit größter Sicherheit hervor, daß die Möglichkeit der Beschaffung des Unterhaltes gerade für die unbemitteltern Klassen eine leichtere ge worden ist, und die Vermuthung liegt nahe, dieses Ergebniß neben dem wirthschaftlichen Auischwung wenigstens zum Theil auf, die Wirkung der sozialen Gesetzgebung zurückzuführen. Grade in diesen Tagen, in welchen man schon die Behauptung aufgestellt hat, daß die voraussichtlich nur vorübergehende Preissteigerung zu einer Ver— mehrung der Eigentbume verletzungen geführt . und in welchen der Radicalismut sich darin gefällt, von den staatlichen und gesell⸗ schaftlichen Zuständen Deutschlands das unerquicklichste und ab. schreckendste Bild zu entwerfen, grade jetzt ist es geboten, auf diese Thatsache die Aufmerksamkeit der weitesten Kreise zu lenken, denen sonst Alles, was mit der Statistik zusammenbängt, ziemlich fern liegt. Es kann doch wahrlich um die deutschen Zustände in wirthschaftlicher Hinsicht nicht so schlecht bestellt sein, wie die Reden der Herren Richter und Bebel die Welt glauben machen wollen, wenn sich aus den alljährlich veröffentlichten Rechenschaftsberichten der Strafrechtspflege eine stetige Verminderung der eigentlichen Noth— vergehen ergiebt.“

Das Kaiserpaar in Konftantinopel.

O Konstantinopel, den 3. November.

Bezüglich des gestern nach der Ankunft Sr. Majestät des Kaisers stattgebabten Truppen ⸗Vorbeimarsches ist noch ergäniend zu bemerken daß Alle höchst erselbe Sich sehr lobend über dieses mili— tärische Schauspiel, welches nicht in Marschkolonnen, wie ursprünglich beabsichtigt war, sondern in Zügen mit 20 Schritt Abstand erfolgte, Sr. Majestät dem Sultan gegenüber ausgesprochen hat. Der Sultan war herüber io erfreut, daß Allerhöchstderselbe zuerst den Kriegs ⸗Minister zu Sich rief und ihm sofort von der Zufrie⸗ denbeit Sr. Majestaͤt des Kaisers und Königs Kenntniß gab, dann aber den General Kamphövener ⸗Pascha, einen geborenen Schleswig Holsteiner, zu Sich beschied und ibm, längere Zeit seine Hand festhaltend, mit innigsten Dankesworten erklärte, daß diesem General allein das Verdienst zukomme, des Kaisers und Königs Majestaäͤt jufriedengestellt zu haben, da er seit Mongten die in Parade gestandenen Truppen für diesen Vorbeimarsch eingeübt habe. Der Sultan fügte binzu, daß er den deutschen Offizieren überhaupt sehr viel zu danken babe. Als der Sultan auch Sr. Majestät dem Deutschen Kaiser gegenüber eine ähnliche Bemerkung machte, erwiderte Allerhöchst⸗ derselbe: Ein deutscher Offizier thut überall seine Schuldigkeit!“

Von bejonderem Glanze war das gestern Abend stattgehabte Gala⸗Diner zu Ebren des Deutschen Kaiserpaares im Selamlit. Früber war nur der eine Saal zu derartigen Festlichkeiten, der davon getrennte gleich große Vorsaal aber nur zu Empfängen benutzt worden. Jetzt hatte der Sultan beide Säle in der Weise vereinigen lassen, nur bogenförmige Gänge eine Scheidewand bildeten. In jedem der beiden Prunksäle war eine kostbare Tafel, in ersterem mit mas⸗ siven Goldgeräthen, im zweiten, neu hergerichteten, in gediegenem Silber gedeckt. An der erstgenannten Tafel speisten die Aller⸗ böchsten und Pöchsten Herrschaften mit den hervorragendsten Personen Ihres Gefolgeg, an der zweiten die übrigen Herren des Gefolges der Majestäten. An der Spitze der bufeisenförmigen Tafel im ersten Salon hatte Se. Majestät der Sultan, zu Seiner Rechten Ihre Majestãt die Kaiserin und Königin in einer grau braunen Seidenrobe, mit kostbarem Brillantdiadem und Perlenschmug, zu Seiner Linken Se. Majestät der Kaiser und König im rothen Gala— rock der Gardes du Corps Platz genommen. Der Kaiserin und Königin zur Rechten saß Se. Königliche Hoheit der Prinz Heinrich von Preußen, an Höchstdessen Seite die Gemahlin des österreichisch⸗ ungarischen Botschafters ihren Platz batte. Neben des Kaiserg und Königs Majestät saß Se. Hoheit der Herzog Friedrich Wilhelm von Mecktlenburg Schwerin, einige Plätze weiter von diesem es war ein Raum gelassen worden die Hofdame Gräfin von Keller. An der inneren Seite der Tafel hatte gegenüber

Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin der Staatssekretãr Graf Bismarck seinen Platz, gegenüber Sr. Majestät dem Kaiser der Chef des Militärkabinets General ⸗Lieutenant von Hahnke, ferner der Chef des Civilkabinets Dr von Lucanus und mehrere Herren der persön⸗ lichen Begleitung Ibrer Majestäten. Im zweiten Saal, in welchem die Tafel so gedeckt war, daß die Oeffnung des Hufeisens mit jener des ersten Salons korrespondirte, saß an der Spitze der Großvezier Kiamil⸗Pascha und um ihn her die übrigen Gäste des Sultans, die Flügel Adjutanten Sr. Majestät des Kaisers ꝛc.

Nach dem Diner zogen Sich die Allerhöchsten Herrschaften mit dem Kaiserlichen Gastgeber in einen Salon zurück, woselbst Ihre Majestät die Kaiserin und Königin die Vorstellung der Gemahlinnen der Botschafter entgegenzunehmen geruhte. Abends wurde ein Brillant Feuerwerk abgebrannt, welches einen großartigen Eindruck machte Heute Vormittag wohnten die Allerböchsten und Höchsten Herr⸗ schaften dem Gottesdienste in der hiesigen evangelischen Kirche bei. In zwei vierspännigen und mehreren zweispännigen Wagen erfolgte die Fahrt nach dem Gotteshause. Ueberall bildeten Truppen mit Musikeorps Spalier, welche Letzteren beim Erscheinen der Maje⸗ stäten das „Heil Dir im Siegerkranz“ intonirten, während eine dichtae drängte Volksmenge das deutsche Kaiserpaar (wie gestern bei der Ausfahrt nach der Sopbien Kirche) mit stürmischem Jubel begrüßte. Se Majestät trug die Interimsuniform der Gardes du Corps mit Helm, Ihre Majestät die Kaiserin und Königin eine meergrüne gestickte Robe mit crémefarbigem Mantelet. Se. Königliche Hoheit der Prinz Heinrich von Preußen und Se. Hoheit der Herzog von Mecklenburg- Schwerin befanden sich in der Begleitung Ihrer Majestäten. Der Staats sekretär Graf Bismarck, die Hofchargen 2c. waren im Civilrock, die General- und Flügel Adjutanten in einfacher Uniform. Die Glocke der Kirche lautete den Einzug der Majestäten in das Gottes haus ein, und es folgte, nachdem die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften auf dem mit Lorbeer, Palmen und deutschen Fahnen ge— schmückten, am Plafond vorn mit einem Lorbeer und Immortellen⸗ kranz (mit einem W darunter) verzierten Logensitz Platz genommen hatten, der Gesang des Chors und darauf des Kirchenliedes: „Lobe den Herrn, den mächtigen König der Ehren“. Hierauf hielt Pastor Suhle die Liturgie; nach dem Gesange des Chorals: „‚Ein' feste Burg ist unser Gott“ predigte General⸗Superintendent D. Koegel über das Textwort des Hebräerbriefes Kap. 13 V. 8: „Jesus Christus gestern und beute und derselbe auch in Ewigkeit“, das agestern als. Danke, das „beute als ‚„Gewissensernst' und die „Ewigkeit“ als die „christ⸗ liche Hoffnung‘ kennzeichnend. Die Schlußliturgie wurde wieder vom Pastor Suhle gehalten, worauf der Gesang des Chorals: Nun danket Alle Gott“ den zur Feier des Reformationsfestes stattgehabten Gottesdienst beschloß.

Ihre Majestäten, die Prinzen und das Gefolge verließen alsdann das Gotteshaus in ähnlicher Weise wie auf der Hinfahrt. Endloser Jubel begleitete die Allerböchsten Herrschaften wieder auf der ganzen Fahrt, Kavallerie bildete die Eskorte.

Bei Abgang dieses Briefes findet auf der deutschen Botschaft ein Frühstück statt. Ihre Majestät ist nach dem Gottesdienst in das deutsche Hospital gefahren und hat um 15 Uhr Nachmittags die Vor— stellung der Gemahlinnen deutscher Offiziere und Beamten im deutschen Botschafts-Palais entgegenzunehmen geruht.

Kaisers und der Kaiserin von Sr. Majestät dem Sultan sowie die Abreise Allerhöchstderselben von Konstan⸗ tinopel entnehmen wir den Telegrammen des „W. T. B.“ Folgendes:

Se Majestät der Kaiser machte gestern, Mittwoch, nach einer 1 am Morgen Sr. Majestät dem Sultan den Abschieds⸗

esuch.

Um 11 Uhr 30 Minuten holte Se. Majestät der Sultan die Kaiserlichen Majestäten zur Fahrt nach Dolma ⸗Bagdsche ab; dort harrten die hohen Würdenträger sowie das Personal der Gesandt⸗ schaften der Ankunft der Allerhöchsten Herrschaften.

Bei dem Dejeuner von 50 Gedecken saßen Se. Majestät der Kaiser und Se. Hoheit der Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg Schwerin zur Linken, Ihre Majestät die Kaiserin und Se. Königliche Hoheit der Prinz Heinrich zur Rechten Sr Majestät des Sultans. Der Sultan war in großer Uniform erschienen und trug die Kette des Hohenzollernschen Haus⸗Ordens und den Stern des Schwarzen Adler Ordens. Die Majestäten unterhielten Sich auf das Lebbafteste und zogen Sich dann mit den Prinzen in den Kaffeesalon ijurück, wo Allerhöchstdieselben ungefähr eine balbe Stunde verweilten. Inzwischen hatten sich die hohen Würdenträger, das Gefolge sowie das Personal der Botschaften im Vestibul vor der auf den Bosporus führenden Treppe versammelt.

Wenige Minuten vor 2 Uhr erschienen die Majestäten unter dem Vortritt des Ceremonienmeisters Munir Pascha. Se Majestät der Sultan führte Ihre Majestät die Kaiserin Se. Majestät der Kaiser trug die Uniform Seines Leib ⸗Garde⸗Husaren Regiments. Ihre Majestäten verabschiedeten Sich buldvoll von dem Großvezir Kiamil Pascha und dem Minister des Auswärtigen Said Pascha, welchen Sie Allerhöchstihre Befriedigung über den Aufenthalt in Kon⸗ stantinopel ausdrückten. Auch von dem mit der Eisenbahn zu rückreisenden Gefolge nahmen die Majestäten huldvollen Abschied. Nachdem ace fie ern die Gemahlin und die Töchter des Botschafters von Radowitz noch besonders begrüßt hatten, schritten Ihre Majestäten zwischen dem von der Leibgarde des Sultans gebildeten Spalier der Landungstreppe zu. Bei dem Erscheinen der Allerböchsten Herrschaften vor dem Palais gaben das Panzerschiff ‚Kaiser“ und ein türtisches Kriegsschiff 33 Salutschüsse ab.

Der Abschied Ihrer Majeftäten vom Sultan war außerordentlich herzlich. Se. Majestät der Kaiser dankte wiederholt und sagte: Er werde den Aufenthalt nie vergessen. Der Sultan erwiderte im gleichen Sinne. Die beiden Souveräne schüttelten sich unmittelbar vor der Abfahrt wiederholt die Hände. Nach allseitiger Begrüßung des Gefolges und der türkischen Würdenträger begab Sich Ihre Majestät die Kaiserin an Bord der Kaiserlichen Vacht ‚Hoben⸗ zollern“, während Se. Majestät der Kaiser Sich mit Sr. Königlichen Hoheit dem Prinzen Heinrich auf dem „Kaiser“ einschiffte. Der Suitan kebrte, nachdem Se. Majestät Sich von dem Staatssekretär Grafen Bismarck, welchem Allerhöchstderselbe Grüße für den Reichskanzler . auf das Herzlichste verabschiedet hatte, nach dem Nildiz Palais zuruck.

Um 2 Uhr verließ das Geschwader den Boeporus. Die Jacht des Sultans, . Izzedin“, mit dem ottomanischen Ehrendienst an Bord, begleitete die Kaiferlich Deutschen Majestäten bis Mytilene, wo Aller böchstdieselben heute Mittag von dem deutschen Geschwader erwartet werden.

Graf Bismarck und ein Theil des Gefolges traten um ? Uhr 20 Minuten Abends mittels Sonderzuges die Ruckreise an.

Kunft und Wissenschaft.

Ein Telegramm der Times“ aus Zanzibar vom 5. d. M. meldet, daß die Nachricht von der Ermordung des Afrika— Reisenden Br. Peters und seiner Gefährten authentisch sei. Dieselbe sei nach Lamu gebracht worden. Auch der . Nat. Ztg.“ wird diese Nachricht bestätigt. Sie erfährt, „daß die von Pr. Peters gefübrte Expedition von Massais angegriffen und über wältigt worden sei. Peters selbst soll dieser Nachricht zufolge ge⸗ tödtet, von seinen Begleitern der Lieutenant von Tiedemann zwar verwundet, aber in Sicherheit gelangt sein. Der zweite Theil der Expedition unter Führung der Herren: Borchert und Kapitän⸗-Lieutenant Rust 6 sich zur Zeit des Ueberfalles noch nicht mit Peters vereinigt.“

Der letzte hier eingelangte Bericht von Dr. Peters datirte vom

8. September; er meldete, daß die Expedition am folgenden Tage

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