lieder und die Größe des Genossenschaftsvermögeng, als die Art und 6 Umfang des Geschäftsbetriebes zu berücksichtigen haben. Ich laube, es würde nicht an der Zeit fein, wenn der Bundesrath sich 6. schon im weiteren Maße diefer Angelegenheit bemächtigen wollte, & belanntlich erst feir dem 1. Sktober das Gengssenschaftsgesetz in Geltung getreten ist und seitdem bis beute maßgebende Erfahrungen
kaum gemacht sein können. . Abg. B aum bach (Berlin): Dieser Ansicht bin ich auch.
Ueber kurz oder lang wird das Gesetz allerdings revidirt und vor Allem die lex Kulemann, die nur durch Zufall in das Gesetz gekommen ist, eliminirt werden müssen. Wichtiger aber ist mir die Frage nach dem gegenwärtigen Stand der Arbeiten in Bezug auf das bür Vn, Belanntlich ift der Entwurf des deutschen burgerlichen Ge etzbuchs einer vorwiegend abfälligen Kritik unterzogen worden. Diese Kritik geht namentlich von den Germanisten aus, während die juristischen Praktiker sich auf den Boden des Entwurfs gestellt haben. Merkwürdig, daß der Reichs⸗ tag, dessen Mehrheit sich als eine besonders nationale bezeichnet, in dieser hochwichtigen Frage sich bisher recht kühl verhalten hat. Man hat, sich im Wesent⸗ lichen nur bis zu einem Dank für ein Freiexemplar aufge⸗ schwungen. Zunächst hat man die Sprache, die Darstellung bes Entwurfs scharf getadelt. Ein hochangesehener Rechts⸗ lehrer in Berlin, Prosessor Gierke, nennt sie ein abstraktes Juristendeutsch, unvolksthümlich, den Laien vollkommen un— derständlich; sie entbehre der Kraft und Tiefe, sie arte vielfach ine Doktrinäre, Pedantische, Verkünstelte, und dann wieder ins Triviale, Seichte und Schleppende aus. Noch niemals habe ein großes Gesetzbuch so gänzlich den Ton der Volks⸗ esetzgebung verfehlt. Aehnlich spricht sich auch Felix Dahn aus. . Urtheil geht doch wohl zu weit. Die Darstellung ist in den verschiedenen Theilen verschieden. Zuweilen ist die Sprache allerdings eine rein bureaukratisch⸗geschäfts⸗ mäßige und enthält sogar sprachliche Unrichtigkeiten. Was den materiellen Inhalt des Entwurfs betrifft, so vermißt man namentlich schöpferische Ideen und soziale Gesichtspunkte. Es — sich aber hier doch nur um eine Kodifikation des in eutschland vorhandenen Privatrechts. Der soziale Gedanke ist in unserer Privatgesetzgebung eins vollständig neuer. Felix Dahn urtheilt über den Entwurf: Jes ist eine traurige Un—⸗ deutschheit in dem Gedankeninhalt kind Gedankenausdruck, es ist eine durchaus römische Denkweise, es ist eine Abgunst gegen zahlreiche deutschrechtliche, vollberechtigte, . entwickelungsfähige und höchst ersprießliche Rechtsgebilde. Gierke sagt: das deutsche Recht ist in Gefahr, sehe die Nation, daß sie nicht Schaden nehme. List sagt: Es ist reines Ju⸗ ristenrecht; nichts von dem Fleisch und Blut unseres Volkes steckt darin. Dem gegenüber hat Professor von Gneist auf dem. Juristentage in. Straßburg. mit Recht ausgeführt daß wir nun einmal das römische Recht mit seiner ganzen Logik und Technik bei uns aufgenommen haben, wie unsere Kunst das griechische Ideal. Auch eine andere Kommission, welche man mit der Sache betrauen könnte, würde nach dem ganzen Gange unserer Entwickelung in denselben an⸗ geblichen Fehler verfallen, wie die erste. Die Einen ö den Entwurf überhaupt für ungeeignet für weitere erathung erklärt, während Andere, z. B. Baer, ver— langen, daß man sich auf einzelne Partien des Zivilrechts be⸗ schränke. Goldschmidt will zunächst einen geschickten Redaktor mit der Sache befassen, um den Entwurf volksthümlicher zu gestalten. Ich weiß nicht, ob er sich selbst dieser Arbeit unter⸗ ziehen will, ich halte die Sache für unausführbar. Man will auch eine neue Kommission konstituiren, die durch das Laien— element verstärkt werden soll. Eine große Anzahl von Ver— tretungen des Handelsstandes und der Landwirthschaft hat sich dann auch schon mit der Sache befaßt. Jedenfalls sollte man die Sache nicht zurückstellen und abwarten, bis der Streit der Germanisten und Romanisten beendet ist, da könnten wir lange warten. s. frage also den Herren Staatssekretär: in welcher Weise sollen überhaupt diese Arbeiten fortgesetzt werden? Wenn die Aufgabe noch in diesem Jahrhundert erledigt wer— den soll, so bleibt nicht viel Zeit. Hinter uns liegt nur die erste Lesung des Entwurfs; die Ausschüsse des Bundesraths, der Reichstag haben sich noch gar nicht mit der Sache befaßt. Die zweite Lesung, hoffentlich derselben Kommission, wird noch lange dauern. Es handelt sich hier nicht um eine Partei⸗ frage, und so dürfen wir Alle wünschen, daß dem deutschen Volk diese schöne Frucht der deutschen Reiche gesetzgebung mög⸗ lichst bald, jedenfalls noch in diesem n,, , zu Theil werde und wir so zu der langersehnten Rechtseinheit auf diesem Gebiete gelangen.
Staatssekretär von Oehlschläger:
Wenn den Herrn Vorredner die Sorge beunruhigt, daß die ver bündeten Regierungen mit weiterem Vorgehen in dieser großen Gesetz⸗ gebungsfrage warten wollten, bis sich Romanisten und Germanisten mit einander verständigt haben, dann kann ich ihm diese Sorge nebmen: Nein, meine Herren, die verbündeten Regierungen werden unbekümmert um diesen Streit vorgehen, wie sie glauben, pflichtmäßig zu handeln, um so bald als möglich das Werk zu Stande zu bringen.
Ich hege die Zuversicht, daß dies nicht so lange dauern wird, wie Manche es befürchten, und wenn der Herr Vorredner einen besonderen Werth darauf legt, daß noch im Laufe dieses Jahrhunderts das Werk zustande komme, so will ich am wenigsten meinerseits dieser Hoff nung entgegentreten. Daß aber ein solches Werk immerhin einer geraumen Zeit bedarf, um zur Vollendung zu gelangen, kann nicht Wunder nehmen. Werke ahnlicher Art haben einen Zeitraum in Anspruch genommen, welchem gegenüber die Zeit, die wir bis jetzt gebraucht haben, gering erscheint. Ich will in dieser Beziebung nur daran erinnern, daß von dem Tage, an welchem der große König Friedrich IL. seinen ersten Befehl zur Inangriffnahme des Preußischen Landrechts gab, bis zu dessen Publikation nicht weniger als 45 Jahre ver⸗ strichen sind, und daß das österreichische bürgerliche Gesetzbuch nicht früher als 58 Jahre nach den ersten Vorarbeiten erschienen ist. Meine Herren, ich hoffe, uns wird es beschieden sein, das Werk schneller zu vollenden. Aber ich glaube, Sie werden nicht verlangen, daß ich auch nur annähernd die Zeit bis zur Vollendung voraussage. Denn es können so viele Zwischenfälle eintreten, daß jede Aeußerung dieser Art von meiner Seite ohne Werth sein würde Ich will mich daher darauf be⸗ schränken, Ihnen Auskunft darüber zu geben, was seit vorigem Jahre geschehen ist und wie die Sache augenblicklich liegt. Ich darf an die früheren Mittheilungen anknüpfen, die Ihnen von meinem Amts vorgänger gemacht , Die zur Aufstellung des Entwurfs eines bürgerlicken Gesetzbuchs berufene Kommission batte auch die Aufgabe, eine Grundbuchordnung und ein Gesetz über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen zu entwerfen. Die Kommission ist am 1. April d. J. verabschiedek worden, nicht ohne daß sie auch diese zweite Aufgabe erledigt hat. Wenn die Publikation dieser Entwürfe noch nicht erfolgt ist, so hat das seinen Grund darin, daß es zweg⸗ mäßig erschien, dieselben wegen ihres inneren Zusammenhanges gleich⸗ zeitig zu publiziren, und daß zur Zeit der n ,. der Kom⸗ mission die Motive für die Subhastationsordnung noch nicht ausge⸗ arbeitet waren. Diese Motive sind inzwischen auf meine Veranlaffung fertig
estellt worden und zwar durch einen Herrn, welcher an sämmtlichen ein⸗ chlagenden Berathungen und Arbeiten der Kommission theilgenommen hat.
Die Drucklegung der beiden Entwürfe und der Motive hat begonnen, und eg werden nur wenige Wochen vergehen, bis sie im Buchhandel erscheinen.
Nun war ja, wie auch vom Herrn Vorredner hervorgehoben ist, der Entwurf des Civilgesetzbuchs selbst schon vor Jahr und Tag publisirt worden, und es ij bekannt, daß von den verschiedensten Seiten Kritiken aber denseiben erfchienen find. Daß sich die öffent. siche Aufmerkfamieit auf diefes Werl in so hohem Maße gerichtet bat, kann ich meinerfeits nur als erfreulich bezeichnen, nicht etwa deswegen, weil die Kritiken fämmtlich erfreulich wären, sondern deg⸗ wegen, weil aus den Kundgebungen hervorgeht, daß die ganze Nation theilnimmt an dem JZusftandekommen dieses Gefetzes; das ist ein Moment, welches den Regierungen Muth giebt, an dem schwierigen Werke weiter zu arbeiten. Es war natürlich, daß zuerst aus juristischen Kreisen die Urtheile sich kund⸗ gaben, theils durch die Tagespreffe, theils in besonderen Arbeiten oder Zeitschriften, ja es sind ausschließlich zu diesem Zweck solche neu herausgegeben. Auch der deutsche Juristentag hat sich mit der Sache beschäftigt. Erfreulich aber ist insbesondere, daß demnãchst auch volkswirthschaftliche und landwirthschaftliche Kreise in eingehende Erörterungen uber den Entwurf getreten sind; der Landwirthschafts rath hat hier lange über ihn berathen, und gegen⸗ wärtig ist das vreußische Landes ⸗Oekonomie⸗Kollegium damit befaßt. Auch die Handelskammern haben schon Gutachten eingereicht, und der Deutsche Sandeletag ist in Begriff, Stellung zu dem Entwurf zu nehmen. Selbst von kirchlichen Vereinen sind Beleuchtungen des Entwurfs zu einzelnen Materien eingegangen. Alle diese Arbeiten werden in sorgfältigster Weise im Reichs ⸗Justizamt gesammelt und ihrem Inhalte nach zusammengestellt. Zum Zwege dieser Arbeit sind , in das Reichs⸗Justizamt berufen und unter ihnen
efinden sich drei der Herren, die als Hülfssarbeiter in der . thätig gewesen sind und den Entwurf genau kennen. Die Arbeit soll sobald als möglich den Bundesregierungen mitgetheilt werden, um diesen das Studlum des Entwurfs und ihre Stellung nahme zu demselben zu erleichtern. Ich hoffe in der Lage zu sein, noch vor Schluß des Jahres den ersten Drugdband, welcher die bis zum 1. November d. J. eingegangenen Kritiken zu dem allgemeinen Theil des Entwurfs und zu dem Obligationenrecht umfassen wird, den verbündeten Regierungen mittheilen zu können, und ich hoffe, daß in nicht zu ferner Zeit der zweite die übrigen Theile des Entwurft betreffende Drudkband, vielleicht auch noch ein dritier — das läßt sich jetzt noch nicht übersehen — folgen wird. Injwischen sind die verbuͤndeten Regierungen, soweit ich informirt bin, auch ihrerseits bemüht, die nöthigen Vorbereitungen zu treffen, um zu dem Entwurf Stellung zu nehmen. Im preußischen Justiz⸗Ministerium z. B. wer— den in diefen Tagen Berathungen darüber beginnen, und im bayeri⸗ schen Justiz⸗Ministerium haben gleichfalls Berathungen stattgefunden, und auch bei sämmtlichen übrigen Regierungen herrscht bereits eine große Thätigkeit, um des umfangreichen Stoffes Herr zu werden. Denn, meine Herren, das ist fürwahr keine leichte Aufgabe, und zu ihrer Erledigung bedarf es nicht bloß einer längeren Zeit, sondern es muß auch mit großer Vorsicht vorgegangen werden. Dies näher ausjuführen, werden Sie mir erlassen; ich darf, aber noch bemerken, daß auch Seitens des . Reichskanzlers allen Bundesregierungen eine Anregung zur Aeußerung und Stellung⸗ nahme gegeben, beigefügt worden ist eine übersichtliche Zusammen stellung der am meisten bestrittenen und von der Kritik umstrittenen Punkte.
Meine Herren, entnebmen Sie daraus, daß an dem Entwurf ernst gearbeitet wird. Wenn ich aber weiter gefragt worden bin, in welcher Weise man weiter prozediren werde, so bedauere ich, darüber eine Antwort zur Zeit nicht ertheilen zu können Daß die frübere Kommission wieder einberufen werden sollte, ist schon aus dem Grunde unwabrscheinlich, weil sie nicht mehr zusammenzubringen ist. Es sind ein⸗ zelne der perren inzwischen gestorben; andere sind in Stellungen übergetreten, die es ihnen unmöglich machen wärden, an weiteren Berathungen theilzunebnen. Es würde also, sofern noch überhaupt eine Kom mission zu diesem Zweck berufen werden sollte, eine neue Kommission sein müsfen. Indesfen über diese Frage stebt noch nichts fest; auch kann darüber noch kein Beschluß des Bundesraths gefaßt werden, weil zurächst die Aeußerungen der Regierungen abzuwarten sind und von deren Inhalt es abhaͤngen wird, welche Wege demnächst weiter einzuschlagen sein werden. . ⸗ ö
Ich glaube aber dem hohen Hause dargelegt ju haben, daß Seitens der Bundesregierungen Fleiß und Mübe aufgewendet wird, um dem Werke förderlich zu sein. e 2 d
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Abg. Veiel: Nach der Aeußerung von Allerhöchster Stelle
im vorigen Jahre hat sich erwarten lassen, daß in etwas rascherer Weise vorgegangen werden würde, als geschehen ist. . hatte vorausgesetzt, daß nunmehr nach Jahresfrist der undesrath sich schluͤssig gemacht haben würde, in welcher Weise vorgegangen werden soll. Es ist doch schon eine sehr lange Zeit vergangen, seitdem wir uns mit dem bürgerlichen Gesetzbuch beschäftigen. Die Kommission war seit 10 Jahren daran thätig, und die verbündeten Regierungen waren in der Lage, sich während dieser Zeit jeweilig über den Stand der Berathung zu informiren. Immerhin bin ich aber erfreut, zu hören, daß der Entwurf der Kommission wohl geeignet sei, als Grundlage für die ferneren Verhandlungen zu dienen und daß man dabei ist, auf dieser Grundlage weiter zu arbeiten. Ich hoffe, daß wir nicht erst in 58 Jahren, sondern in kürzerer Zeit, wo möglich vor Ablauf dieses Jahrhunderts, mit dem Gesetz fertig werden. Es kann nicht Sache des Reichstags sein, jetzt schon Stellung zu dem Entwurf zu nehmen, der noch gar nicht an ihn ge⸗ kommen ist; er ist doch der Gerichtshof, der seiner Zeit als letztes Glied über den Entwurf zu entscheiden haben wird. Der Meinung bin auch ich, daß es sich um eine Kodifikation des vorhandenen Rechts, nicht um ein neues Recht handelt. Ich hoffe, daß das Werk in möglichster Bälde zum Abschluß kommt und wir in späterer Zeit eine günstigere Auskunft über den Stand der Arbeiten erhalten, als heute.
— * 2 06 7 e ‚ bs Kulemann: Ich bedauere allerdings, daß das erbot für die Konsumvereine, auch an Nichtmitglieder zu verkaufen, nicht durch eine entsprechende Strafbestimmung wirksam gemacht ist, das Verbot an sich ist aber gerechtfertigt. Der damalige Beschluß des Reichstages beruht durchaus nicht auf Voreiligkeit oder Zufälligkeit, das Haus hat meinem damaligen Antrage vielmehr mit vollem Bewußtsein zugestimmt. Bezüglich des bürgerlichen Gesetzbuches ist der Reichstag wohl berechtigt, fich schon jetzt über den Entwurf zu äußern, da dies für die weitere Gestaltung desselben bestimmend sein kann. Ich wünsche auch, daß das bürgerliche Gesetzbuch dem Publikum durch eine andere Redaktion verstaͤndlicher gemacht werde. Vorübergehende Strö⸗ mungen in der Jurisprudenz dürfen in dem Gesetzbuch nicht zum Ausdruck gelangen. Was die Frage des ger⸗ manistischen oder romanistischen Standpunktes betrifft, so hat man allerdings auf das Gewohnheitsrecht einen zu großen Werth gelegt. Im Interesse der Rechtsentwickelung und Rechtssicherheit muß hierin große Vorsicht geübt werden, das n, . darf nicht darunter leiden, daß in der Jurisprudenz heorien auftauchen und wechseln. Endlich hat man der partikularen Gesetzgebung in dem Entwurf einen allzu weiten Spielraum gestellt. Man hat dieser Gesetzgebung Theile über⸗ ie. die einheitlich für das ganze Reich geregelt werden müssen.
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Abg. Oechelhäuser; Der . haben wiederholt auf die Nothwendigkeit 3 einer Aenderung unseres Handelsrechts dahin aufmerksam emacht, daß den Aktiengesellschaften eine andere Gesfell⸗ f aftsform nach Art der berggewertschaftlichen Gesellschaften moglich gemacht wird. Im Jahre 1887 hat man über diese wichtige Frage Gutachten der Sani und Gewerbekammern einge⸗ holt, und die große Mehrzahl derselben, unter anderen auch die Aeltesten der Berliner Kaufmannschaft, hat sich für unseren Vorschlag ausgesprochen. Damit ist die Frage von der wirth⸗ schaftlichen Seite entschieden, aber auch von juristischer Seite; von bedeutenden Kennern des Handelsrechts ist die Noth⸗ wendigkeit und Durchführbarkeit der Maßregel an⸗ erkannt worden. Man hat die jetzige Zeit, weil sie eine Schwindelperiode sei nicht für geeignet zur Ausführung einer solchen Maßregel erklärt. Die jetzige Periode, obwohl sie eine unglaubliche Courstreiberei zeitigt, unterscheidet sich doch von früheren Schwindelperioden wesent⸗ lich. Allerdings liefert jede neue Gesellschaftsform neues Material für die Börsenspekulation, aber bei der von dem Abg. Hammacher und mir vorgeschlagenen neuen Gesellschaftaform wäre das absolut unmöglich. Der Staats⸗ sekretär des Reichs⸗Justizamts hat mir privatim erklärt, daß auch von ihm die Nothwendigkeit und Zweckmäßigkeit aner⸗ kannt werde, daß aber eine sehr genaue Prüfung der Materie erforderlich fei. Ich bin damit völlig einverstanden, daß wir nicht ohne die gründlichste Prüfung vorgehen können. Auch ist diese Aufgabe in quantitativer Beziehung sehr belangreich. Aber das Reichs-Justizamt verfügt über so autoritative Kräfte, daß das Zustandekommen eines solchen Gesetzentwurfs wohl möglich ist. Ich frage den Herrn Staatssekretär, 6b ein solcher Entwurf in Angriff genommen ist. . .
Staatssekretär von Oehlschläger: Das Reichs⸗-Justiz⸗ amt erkennt das Bedürfniß einer solchen Gesellschaftsform an und ist bemüht, einen Gesetzentwurf auszuarbeiten. Ich möchte aber darauf aufmerksam machen, daß die Gutachten der
andels- und Gewerbekammern durchaus nicht so überein⸗ k dafür sind. Die Handelskammer von Frankfurt a. M. hat sich ziemlich ablehnend gegen jede Reform in dieser Be⸗ ziehung verhalten und namentlich das Bedürfniß nicht an⸗ erkannt. Es sind also noch sehr ernstliche Erwägungen nöthig und auch noch andere Ressorts darüber zu hören.
Abg. Dechelhäuer: Ich habe keineswegs gesagt, daß alle Handelskammern zugestimmt hatten, wohl aber die große Mehrheit, namentlich hat sich auch der deutsche Handelstag auf das Entschiedenste für die neue Gesellschaftsform erklärt.
Abg. Kulemann hält es für nothwendig, auch für die Vollstreckung verwaltungsrechtlicher Anordnungen eine Rechts⸗ hülfe zwischen den einzelnen Bundesstaaten herzustellen, ebenso wie es jetzt für gerichtliche Urtheile bereits der Fall ist.
Staatssekretär von Oehlschläger erklärt, daß dazu eine Erweiterung der Zuständigkeit des Reichs nothwendig sei.
Der Etat der Reichs-Justizverwaltung wird bewilligt.
Es folgt der Etat des Reichs amts des Innern.
Bei dem Ausgabetitel des Gehalts für den Staatcsz— sekretär bemerkt Abg. Lingens: Die meisten Berichte der Fabrikinspektoren sind schablonenhgft abgefaßt, ich bedauere insbesondere, daß der Düsseldorfer Bericht nicht mehr von dem früheren dortigen Gewerbe Rath Dr. Wolff abgefaßt ist, der die Verhältnisse seines Bezirks stets sehr eingehend und sorg— fältig bearbeitete und Vorschläge zur Einführung von Wohl⸗ fahrtseinrichtungen für die Arbeiter machte. Es ware wünschenswerth, wenn die anderen Fabrikinspektoren ihre Auf⸗ gabe ebenso auffaßten. Auf Seiten der Arbeitgeber ist ein Entgegenkommen zur Einführung von Wohlfahrtseinrichtungen wohl bemerkbar, und es sind auch schon in den letzten Jahren hierin erhebliche Fortschritte gemacht worden. Daß Dr. Wolff aus seinem Bezirk sortgenommen ist, bedauere ich sehr, denn er war dort eine Autorität für Arbeitgeber und Arbeiter ge⸗ worden. Von der größten Bedeutung für die Arbeiter ist die Sonntagsruhe, und die Möglichkeit, am Gottesdienst theilzunhmen. Bei den öffentlichen Verwaltungen, z. B. bei der Post und den Eisenbahnen, ist ja auch darauf schon vielfach Bedacht genommen. Der Fabrik— inspektor meiner Heimathstadt Aachen hat es mir übel genommen, als ich von ihm verlangte, er solle darauf auch sein Augenmerk richten und Vorschläge in seinem Berichte machen. Er erwiderte mir, daß er nicht zuviel in seinen Be—⸗ richt hineinschreiben werde, damit er nicht im Reichstage zum Gegenstand der Besprechung gemacht werde. Bei uns haben
wir Gott sei Dank einen gläubigen Arbeiterstand, unsere
Arbeiter haben sich aus eigener Initiative in ihren Fabrik⸗ werkstätten Altäre errichtet. Diesem religiösen Gefühl muß Rechnung getragen werden. Die Fabritinspektoren müßten vor allen Dingen Leute sein, die mit den Verhältnissen ihres Bezirks genau bekannt sind. Unrichtige Angaben über die stellenweise allerdings sehr komplizirten industriellen Verhält⸗ nisse würden dann nicht möglich sein. Auch so wird ihre Auf⸗ gabe noch immer eine sehr schwierige sein.
Abg. Frohme: Die Berichte der Fabrikinspektoren lassen hinsichtlich eines unparteiischen, die wirthschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Arbeiter richtig erfassenden Urtheils sehr viel zu wünschen übrig. Die Herren haben sich auch diesmal wieder bemüht, die Arbeiterbewegungen und Arbeitervereinigungen zum Gegenstande ihrer Anfechtungen zu machen. Es liegt in unserer Zeit, über die Arbeiter herzufallen und ihren Be— strebungen allerlei unlautere Motive unterzulegen. Diese Manie hat sich auch der Fabrikinspektoren bemächtigt. Schon in den Berichten von 1886 wird das Fachvereinswesen einer ganz unzulässigen Kritik unterzogen, es soll angeblich nur sozialdemokratischen Zwecken dienen. Nach den Be⸗ richten des vergangenen Jahres sollen die Arbeitseinstellungen nur zur Vermehrung des Pioletariats dienen. Der diesjährige Bericht vollends enthält unerhörte Anfechtungen gegen die Arbeiterkoglitionen. Darnach sollen die Arbeiter nur immer systematisch zur Unzufriedenheit aufgehetzt werden, während man sich doch lediglich bemüht, den Arbeitern den richtigen Weg zu einer besseren Vereinbarung mit den Arbeit⸗ gebern zu zeigen. Man kann sich schließlich nicht wundern, wenn jede freie Regung auf dem Gebiete der Koalitions⸗ freiheit unterdrückt werden soll. Die Beamten in Schleswig⸗ Holstein erklären das Vorgehen der Arbeiter nicht aus ihrer unterdrückten Lage, sondern lediglich aus agitatorischen Zwecken. . Zeitungen haben auch den großen Bergarbeiterstrike in Westfalen aus ähnlichen Gründen herleiten zu müssen geglaubt, während es sich doch hier wie überall nur um das Recht des Arbeiters handelt, seine Lage zu verbessern und einen größeren Theil vom Produktionsertrage zu verlangen. Es giebt ost kein anderes Mittel für den Arbeiter, hierzu zu gelangen, als den Strike. Es kann höchstens die Zweckmäßigkeitsfrage bei den
Striles erörtert werden, nie aber die eigentliche Rechts frage. Die Fabrikinspektoren sollten sich also von derartigen Angriffen fern halten. In jedem Bericht werden aber die Unternehmer als durchaus unschuldig, wohlwollend und niemals irrend . Die Arbeiter bases werden besonders in der
hnfrage und der Frage des gnsa e als vollständig un⸗ mündige Kinder hingestellt. Die atsache, daß einige Arbeiter am Sonnabend mit dem Lohn nicht Haus zu halten wissen, trifft nicht zu auf die große Mehrheit der Arbeiter. Wohl aber weiß ein großer Theil der Arbeiter, daß er trotz allen Fleißes es nie in seinem Leben zu etwas bringen wird. Die Fabrikinspektoren haben sich bemüht, gewisse Lohnformen zu empfehlen, so auch die Akkordarbeit, während gerade Seitens der Arbeiter ganz energisch dagegen Front gemacht wird. Nur einer der Fabrikinspektoren scheint erkannt zu haben, daß es sich bei der Atkordarbeit um eine ganz übermäßige Ausnutzung der Arbeitskraft des Ein⸗ zelnen handelt. Auch zur Beilegung der Strikes haben sich dir Fabrikinspektoren als durchaus ungeeignet erwiesen, da sie immer vom Standpunkt der Unternehmer aus urtheilen, und man muß deshalb auf die von uns vorgeschlagenen Einigungs⸗ ämter zurückkommen. Ich wünsche, daß die Berichte unver— kürzt und nicht wie bisher in Auszügen vorgelegt werden, wenn es auch nicht zutreffen sollte, daß die Regierung diese Auszüge ; aus den Berichten zusammenarbeiten läßt. Es müßte der Regierung selbst daran liegen, jede verkehrte Beurtheilung der Berichte auszuschließen. Auch die Zahl der Inspektoren müßte nothwendigerweise vermehrt werden, da die bisherigen in keiner Weise ausreichen.
Staatssekretär des Innern, Staats-Minister Dr. von
Boetticher:
Meine Herren! Ich habe wirklich nicht geglaubt, daß in diesem Jahre von Neuem die Form, in welcher die Fabrikinspektorenberichte publizirt werden, zum Gegenstand von Bemerkungen genommen werden würde, denn jetzt schien mir in der That von Seiten der Regierung gegenüber den laut gewordenen Wünschen ein Zustand her gestellt zu sein, bei welchem ibr zu thun nun nichts mehr übrig bleibt. Die Herren erinnern sich, daß in früberen Jahren lebbatt darum ge⸗ stritten worden ist, ob die Fabrikinspektorenberichte vollständig dem Reichstage mitgetheilt werden sollen oder ob ein Auszug, eine Zu— sammenstellung des wesentlichen Inbalts der Berichte dem Reichstage zugänglich gemacht werden solle. Die Meinungen im Reiche tage selbst waren getheilt. Ich babe erklärt, daß mir jede Form der Publikation recht ist, welche der Reichstag beschließen wird. Die Majorität ent⸗ schied sich damals für die Beibehaltung des neuerdings gewäblten Publi⸗ kationsmodus, wonach eine Zusammenstellung des wesentlichen In— halts der Fabrikinspektorenberichte dem Reichstage zugebt. Daneben ist nun nach dem Vorgange in anderen Bundesstaaten in Preußen eine vollständige, mit den Originalen wörtlich übereinstimmende Ausgabe der ,,, veranstaltet. Diese Ausgabe ist, vier Wochen bevor der Extrakt an den Reichstag gekommen ist, im Buch⸗— handel erschienen. Es kann also jeder im Lande, der ein In— teresse daran nimmt, zu erforschen, ob die Regierung nicht eiwa boshafter Weise irgend etwas aus den Fabrikinsvektoren . berichten in der Zusammenstellung unterscklagen habe, diese Untersuchung selber anstellen und sich davon überzeugen, daß das, was in dieser dem Reichstage zugänglichen Ausgabe gebracht wird, auch wirklich materiell mit dem Inhalt der Originalberichte übereinstimmt. Außer- dem kann aber jeder Reichstags ⸗Abgeordnete sich die Kosten der Be—⸗ schaffung der preußischen Berichte ersparen, wenn er sich nur die Mühe nebmen will, auf das Bureau dieses hohen Hauses zu gehen und die dort im Originale auflegenden Berichte einzufehen.
Ich war hiernach zu der Hoffnung berechtigt, einen Zustand der zeröffentlichung hergestellt zu haben, der alle Theile befriedigen werde, und ich bedaure sehr, daß mir das doch noch nicht gelungen st. Ich werde aber den heute laut gewordenen Desiderien doch nicht anders gerecht werden können, als wenn ich durch einen Beschluß ieses hohen Hauses in dem Vorgehen bestärkt werde, welches jetzt von Seiten des Hrn. Abg. Frohme gefordert wird.
Das Studium der Berichte der Fabrikinspektoren scheint nun nber bei dem Abg. Frohme kein so gründliches gewesen zu sein, wie es nothwendig wäre, wenn er die Behauptungen, ie er hier aufgestellt hat, auch beweisen will. Es bat mich wirklich überrascht, von dem Hrn. Vorredner zu vernehmen, daß ie Fabrikinspektoren im Bunde mit den Unternehmern ständen, und aß die Folge dieses Bundes die sei, daß für die Bedürfnisse und Empfindungen des Arbeiterstandes gar kein Verstaͤndniß bei den Fabrikinspektoren vorbanden sei, und daß von ihnen nur daz berichtet nd das vorgeschlagen würde, was den Unternehmern zum Vortheil ereicht Diese Behauptung ist eine durchaus unbegründete und ge— dezu wahrheitswidrige. Wenn der Hr. Abgeordnete nur die Güte aben will, auf Seite 61 des ihm zugänglich gemachten General— erichts einen Blick zu werfen, so wird er darin eine Zusammen ellugg derjenigen Uebertretungen finden, welche den Fabrik⸗ nipektoren im Königreich Sachsen Veranlassung gegeben haben,
e Intervention der Behörden anzurufen, Uebertretungsfälle, denen die Arbeitsunternehmer die Vorschriften der Gewerbeordnung rerseits übertreten haben, und er wird sich aus diesen Darlegungen berzeugen können, daß die Zahl der Anzeigen der Fabrikinspektoren gen die Unternebmer eine fortschreitende, höhere ist, daß alfo gerade einem Sinne zum Schutze der Arbeiter von Jahr ju Jahr mehr schieht. Andererseits kann ich nicht verschweigen, daß aus den Be⸗ chten der Fabrikinspektoren und zwar nicht nur als Behauptung, ndern als bewiesene Behauptung die Wahrnehmung entgegentritt, 6 die sozialdemokratische Preffse und die sozialdemokratischen gitaioren ibre Bemühungen darauf richten, die Beziehungen zwischen n Arbeitnehmern und Arbeitgebern in einer ganz empfindlichen eise zu zerstören. Es liegt hier unter anderen auch — ich verweise in ier Bejiehung nur auf eine Stelle, Seite 109 des Generalberichts —, e Mittheilung vor, wie in einem sozialdemokratischen Blatte auf ne ganz beweislos bingestellte Behauptung irgend eines Arbeiters n ein Arbeitgeber auf das Heftigste angegriffen worden und be— uldigt worden ist, daß er seinen Arbeitern das Verlassen der Fabrit ährend der Arbeitspausen untersagt habe. Der Fabrikinspektor, smerksam gemacht auf diesen Fall, untersuchte die Sache und fand, auch absolut an der ganzen tendenz iösen und wahrheitswidrigen chauptung nicht ein einziges wahres Wort ist. Und, meine Herren, nn der von dem Hrn. Abg. Frohme zitirte Fabrikinfpektor
R Schleswig. Holstein die Behauptung aufsteilt, daß die sozial⸗
molratische Agitation in der Provinz Schleswig-Hosstein darauf richtet sei, di Unzufriedenheit mit den Lobnverhältniffen zu ver⸗ hren, so ist das eine Behauptung, die auch nicht beweislos dasteht, für die der Fabrikinspektor die Beweise, die ihm zu Gebote nden, in seinem Berichte auch gebracht hat. Ich verweise in dieser tie bung auf Seite 10 und 105 des Berichtes. Also, was sollte Jun beißen, wenn hier die Behauptung aufgestellt wird, die rikinspektoren arbeiteten nur im Bunde mit den Ünternehmern und aten egen das Interesse der Arbeiter. Das Koalitionsrecht der Ar⸗ er will iemand unterbinden, und es ist nicht Aufgabe der Fabrikinspek⸗ en es za unterbinden. Was unterbunden werden soll, das ist die sozial⸗ ‚‚brati ce Aufreizung zur Unzufriedenheit, die ibre Berechtigung 97 den tbatsãchlichen Verhältnifsen, sondern nur in dem propa⸗ wdistischen Bedürfniffe der soziaidemokratischen Partei Pat. Io, meine Herren, die Vorwürfe gegen die Fabrikinspertoren sind gerechtfertigt. Es ist für den aufmerksamen Beobachter ganz lughar, ; unsere ¶ Fabrikin spettoren sotg eg bemũht den für das öffentliche Leben und für die Beseßtzgebung die für die Verwalkung intereffanten Zuständen in der Arbeiter? ie , . mehr und mehr zuzuwenden. Ich glaube, zesehen von den Mitgliedern der fozialdemokratijchen Partei. wird
Niemand diese fortschreitende Würdigung unserer Arbeiterzustände in den Berichten der Fabrikinspektoren verkennen können.
Wenn der Herr Abgeordnete den Wunsch auggesprochen bat, es möchten zu Fabrikinspektoren nur Personen genommen werden, welche den erforderlichen Bildungsgrad und das erforderliche Ver- ftändniß für die Aufgabe miteringen, der sie ich zu widmen baben, so ist das selbstverständlich ein Wunsch, der nicht bloß von uns Allen getheilt wird, sondern der auch, soweit ich die preußischen Verbältnifse kenne — und ich habe keinen Grund, anzunehmen, daß es in den übrigen Bundesstaaten anders wäre — durchaus zu seiner Geltung kommt. Wir sind sehr sorgfältig in der Auswahl des Personals für die staatliche Fabriken⸗ aufsicht und wir werden sogar vielleicht dazu übergehen, daß wir für die Fabrikinspektoren, äbnlich wie es auch in anderen Branchen üblich ist, demnächst den Nac weis einer formellen Qualifikation erfordern. Bisber ist mir nicht entgegengetreten, daß die Fabrikinspektoren kein Verständniß für die Aufgaben ihres Berufes hätten. Wenn aber der Hr. Abg Frobme darunter versteht, daß sie Verständniß und damit auch Neigung für die sozialdemokrgtischen Bestrebungen haben e. dann allerdings würde ich diesem Wunsche nicht dienstbar sein önnen.
Ich kann mich auf diese Bemerkungen beschränken und kann dem Hrn. Abg. Dr. Lingens, dessen Vortrag mir ja im Allgemeinen sym⸗ patbisch gewesen ist, nur sagen, 2 er in der günstigen Beurtheilung der früher aus dem Bezirke Düsseldorf eingegangenen Berichte meine vollständige Zustimmung bat. Daß die Berichte ver—⸗ schieden sind in ihrem Werthe, daß sie sich nach der Indi⸗ vidualität des Berichterstatters bemessen, wer wollte das leugnen tönnen? Das ist eben eine Eigenschaft, die allen solchen Arbeiten anhaftet, welche von verschiedenen Personen angefertigt werden, die zwar dem Beruf nach dasselbe ju treiben haben, die aber in ibrer Anlage naturgemäß ganz verschieden geartet sind.
Der Hr. Abg. Dr. Lingens hat von einer gewissen Schablone , . die ihm in diesen Berichten entgegengetreten sei. ine solche Schablone ist den Fabrikinspektoren nicht vor geschrieben, es wird im Gegentbeil von uns verlangt und sehr gerne gesehen, wenn die Fabrikinspeftoren alles was ibnen in ihrem Bezirk entgegentritt, und was die Verwaltung und Gesetzgebung von Bedeutung sein kann, auch in ihren Berichten bringen. Daneben freilich baben wir in jedem Jahre eine Anzahl bestimmter Fragen gestellt, bei denen wir das Bedũrfniß empfanden, über die betreffenden thatsächlichen Zustãnde im Lande aufgeklärt zu sein. Daß die Berichte der Fabrik⸗ inspektoren kein vollständiges Bild unserer gewerblichen Zustände geben, das weiß ich; sie können ein solches auch gar nicht geben und können nicht allen Wünschen gerecht werden; aber ich habe das Vertrauen — und die bisherigen Erfahrungen sprechen dafür —, daß sie immer vollkommener werden, und so hoffe ich denn, daß wir schließlich einen Zustand er— reichen werden, an welchem auch der Hr. Abg. Lingens Befriedigung und Freude empfinden wird. Seine persönliche Einwirkung auf den Fabrikinspektor in Aachen scheint mir dock nicht ganz richtig gewesen zu sein. Ich glaube, es wäre besser, wenn er solche Wünsche an eine andere Stelle richtete, als wenn er sich der Gefahr aussetzt, von dem Lokalbeamten mit seinen Desiderien zurückgzewiesen zu werden. In zwischen erkenne ich ja aus seinen Bemühungen ein lebhaftes Interesse für die Verbesserung unserer Zustände auf dem Gebiete des Ärbeiter⸗ wesens und ein Interesse für die Thätigkeit der Fabrikinspektoren, für die ich ihm meinen Dank aussprechen kann.
Abg. Frohme: Die Zunahme der Verurtheilungen wegen Uebertretung der Gewerbeordnung beweist höchstens, daß diese Uebertretungen zunehmen. Dem Unwesen des Trucksystems wird in den Berichten nicht die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt. Es scheint nach diesen Berichten, als existire es Überhaupt nicht mehr oder in verschwindend wenigen Fällen. Thatsächlich sind viele hundert Fälle vorgekommen, besonders in Sachsen. Die dortigen Zeitungen berichten von Dutzenden von Fällen. Auch der „Hannoversche Kourier“ berichtet dar— über. Die Behauptung des Staatssekretärs, daß wir die Arbeiter gegen die Arbeitgeber aufreizen, weise ich zurück. Freilich, die herrschenden Klassen, und ihnen gehören ja auch die Fabrikinspektoren an, sehen in jeder Belehrung des Ar— beiters in jeder Wahrung seiner berechtigten Interessen neue Aufreizungen. Professor Schmoller hat dies Gebahren schon hinlänglich gekennzeichnet.
Staatssekretär des Innern, Staats-Minister Dr. von Boetticher: 22
Der Herr Abgeordnete ist sehr streng in der Beurtbeilung der
Pflichten des Fabrikinspektors. Bezüglich der Anführungen in den erichten verlangt er sehr strikte Beweise und bält die Bebauptungen der Fabrikinspeltoren, die nicht unter Beweis gestellt sind, für tendenziös und unrichtig. Er selbst aber dispensirt sich davon, für seine Bebauptungen Beweise anzuführen. Ich kann ihm auch hier wieder nicht den Vorwurf ersparen, daß er den Fabrikinspektoren ⸗Berichten doch nicht die Aufmerksamkeit zugewandt hat, deren es bedarf, wenn man hier im Haufe solche Behauptungen aufstellen will, wie er sie aufstellt Er bat gemeint, über das Trucksystem wären die Fabrikinspektoren garnicht unterrichtet, darüber ergäben ihre Berichte nichts. Das ist einfach unrichtig, Herr Abgeordneter; ich verweise Sie auf Seite 109 des Generalberichts. Da ist ausdrücklich Folgendes ge— sagt, — und ich kann mir, weil die Sache wichtig ist, doch nicht ver sagen, die betreffende Stelle zu verlesen, sie giebt ein ganz interessantes Bild gegenüber den Behauptungen, die von sozialdemokratischer Seite über die Anwendung des Truckfystems im Gewerbebetriebe auf— gestellt sind:
Fälle der Anwendung des Truckspstems sind, wie insbesondere die über die Lobnzahlung angestellten Ermittelungen ergeben haben, nur vereinzelt wahrgenommen worden, so unter Andern in den Auf sichtsbezirken Zwickau, Sachsen Coburg-Gotha, Hessen und Schwarz⸗ burg ⸗Sondersbausen. In dem ersteren Bezirk erfolgte in 2 Fallen eine Bestrafung von 10, beziehungtweise von 30 , in einem anderen Falle auf Grund des 5. 115. der Gewerbeordnung in Verbindung mit den §§. 33 und 147 Ziffer 1 eine solche von so * In einer Ziegelei des Aufsichtsbezirks Hessen erhielten die Arbeiter einen Theil des Lohnes in Blechmarken ausbezahlt. für welche ihnen Speisen und Getränke verabfolgt wurden. Wegen Verstoß gegen 5. I5 der Gewerbeordnung wurde der Geschäfts⸗ führer der Ziegelei in Strafe genommen. Im Aufsichtsbezirke Schwarzburg⸗Sondershgusen gelangte ein Fall zur Bestrafung.
Meine Herren, diese Notizen sind um deswillen besonders werth⸗
voll, weil sie die Vermuthung für sich haben, daß sie ganz zuverlässig sind. Es war nämlich den Fabrikinspektoren für das vergangene Jahr die Aufgabe gestellt, die Lohnverhältnisse einer ganz besonderen Betrachtung zu unterniehen, namentlich über die Lohntermine und die Art und Weise der Zahlung des Lohnes sich befonders zu unterrichten. Das haben sie gethan und das Ergebniß ihrer Nach⸗ sorschungen ist, was das Truchsystem in der Fabrikindustrie anlangt, hier in diesen Sätzen des Generalberichts niedergelegt. Wie kommt nun der Hr, Abg. Frohme dazu zu sagen: Das ist alles nicht wabr, denn ich habe in verschiedenen Zeitungen gelefen, daß das Trucksystem noch häufiger vorkommt. Ja, wer giebt ihm denn die Gewähr dafür, daß das, was er in verschiedenen Zeitungen gelesen hat, wahr ist? Ich lese alle Tage in den Zeitungen so viel Lügen, daß ich an der Halfte genug habe und ich möchte ibn doch auch bitten, mit einer etwas schärferen Kritik an die Dinge heranzugehen und nicht alles das, was gedrugt ist, um dezwillen, well es gedruckt ist, zu glauben. Gr glaubt ja dem, wa unsere Zeitungen sagen, nicht, weshalb sollen wir das glauben, wag seine Zeitungen fagen. Zu folcher Forderung hat er kein Recht, Ich meine alfo, meine Herren, nachgewiefen zu haben, 9. die Fabrikinspektoren auch in diefer 3 sorgfältig ver⸗ ie
fahren sind, und ich weise den Vorwurf, d ö . fiene ea orwurf, daß fie tendenziös berichten,
Abg. von Frege: Ich konstatire, daß die Fabrik⸗ r,. sich nirgends so das Vertrauen der Arbeiter und Arbeitgeber erworben haben, wie gerade in Sachsen. Der allgemeine wirthschaftliche Aufschwung hat auch die Löhne in die Höhe getrieben. Es wäre bei den sieigenden Löhnen aller⸗ dings Veranlassung gewesen, das Trucksystem anzuwenden. Die Arbeitgeber sind aber genöthigt,; allen Wünschen der Arbeiter entgegen zukommen, um ihre Verpflichtungen erfüllen und auf dem Weltmarkt bestehen zu können. Aus praktischen Verhältnissen wie aus ethischen Gründen, die Gott sei Dank noch eine Macht in den Kreisen unserer Arbeitgeber sind, war das größte Entgegenkommen gegen die Arbeiter geboten. Hr. Frohme sollte, statt von mangelnder Gleichberechtigung der Arbeiter mit den Arbeitgebern zu sprechen, lieber den ten⸗ denziösen Bestrebungen gewisser Preßorgane, die Thatsachen zu verdrehen und die Arbeiter aufzuhetzen, entgegentreten, dann würden, wir eher erreichen, was wir Alle erstreben, das allgemeine Wohl der Arbeiter. Es herrscht allgemeine Ueber⸗ einstimmung der Fabrikinspektoren über das fortschreitende wirthschaftliche Gedeihen der Arbeiter in Sachsen, und wir wünschen dasselbe erhalten und nicht gestört zu sehen durch Agitationen in den Arbeiterkreisen, wie sie in Sachsen that— sächlich nachgewiesen sind. Es wird deshalb mit Freude ver— nommen werden, daß die verbündeten Regierungen die Stellung der Fabrikinspektoren kräftigen und dieselben unterstützen wollen gegen sozialdemokratische Agitatoren, welche das gute Verhãltniß stören wollen. Nach 5 Uhr wird die Berathung vertagt. Nächste Sitzung Mittwoch 1 Uhr.
Statistik und Volkswirthschaft.
; Der Wucher auf dem Lande.
Auf Veranlassung tes Deutschen Landwirthschafts— rat hs sind auch im Herzogthum Coburg, und zwar unter bebörd— licher Leitung, Ermittelungen über die verschiedenen, die Land wirtbschaft schädigenden Arten von Wucher angestellt worden. Die— selben baben, der . C. Z. zufolge, leider ergeben, daß dort in letzter Zeit mebrfach sowohl Grundstücks!, als auch Viebwucher stattgefanden hat. Das Herzogliche Landratbs-Amt tritt empfeblend für die Gründung Raiffeisen'scher Darlebnskassen ein, wie sie berzits in ein— zelnen Orten des Herzogthums bestehen.
Deutscher Sparkassen-Verband.
In Biel e feld findet Donnerstag, den 21. November d. J, Mittags 12 Uhr, in der Gesellschast Eintracht“ eine General versammlung des Deutschen Sparkassen⸗Verbandes statt. Auf der Tagesordnung stehen: Erstattung des Jahresberichts (Syndikus Dr. jur. Heyden). Rechnungslage bezw. Dechargirung der Rechnung. Wahl einer Rechnungs-Revisions⸗-Kommission. Wahl von Vorstands⸗ mitgliedern. Abänderung des Statuts, Referent Ober⸗Bürgermeister Lebr⸗Duisburg. Sparkassen⸗ Beamten ⸗Versorgungskaffe, Referent Bürgermeister von Bock. Mülheim (Rubr), Korreferent Syndikus Dr. jur. Pevden⸗Essen. Amortisations-Kapitalien, Referent Bürger- meister Baur · Wesel.
Pensions⸗ und Krankenkassen der preußischen . Stagtz bah narbeiter. ;
Die Ergebnisse dieser Kassen liegen jetzt für das Jabr 18388 vor. Dem Archiv für Eisenbaknwesen“ zufolge sind gejahlt worden: a. Ruhelöhne, Wittwen⸗, Waisen⸗, Sterbegeld und Unterstützungen an dauernd erwerbtunfäig gewordene Arbeiter aus den Pensionskaffen rund 313 000 „* (im Vorjahre 280 090 M), aus den Eisenbahn⸗ betriebssonds und aus den der Verwaltung zur Verfüzung stebenden Hülfsfonds — außer den Unterstuͤtzungen hülfsbedärftiger, noch nicht erwerbsunfähiger Arbeiter — rund 450 000 S (im Vorjahr 355 090 6 zusammen 743 000 Æ (635 000 M); b. Krankheitekosten särztliche Behandlung, Arzaei. Krankenpflege, Kranken geld — durch⸗ schnittlich! K neben freier ärztlicher Behandlung und Arznei — Sterbegeld und dergleichen) bei den Erkrankungen und Sterbefällen unter den Krankenkassenmitzliedera und in ihren Familien nach Abzug der von den Eisenbahnbetriebsfonds erstatteten, unter e. mitgezäblten Beträge, rund 2 964 007 ½ (2 860 000 gο) aus den Krankenkassen; C. Renten. Abfindungen, Heilungskosten, Sterbegelder und dergl. an die, bei den Betriebsunfällen verletzten Arbeiter und an die Hinterbliebenen verunglückter auf Grund der Unfall— persicherungsgesetze rund 550 000 S', (390009 S) und der Haftpflichtgesetzt rund 979 0900 M (1012000 S6 zusammen 1629 0900 * (1402 000 1ν aus den Eisenbahnbetriebs fonds. — Am Sclusse des Jahres waren einschlicßlich der von Unternehmern bei Eijsenbabnbauten beschäftigten Perfonen 177 603 Arbeiter bei Eisen— babnkrankenkassen und darunter 75 786 Arbeiter bei den Pensionskassen betbeiligt, während in den unfallversicherungs · pflichtigen Eisenbahnbetrieben ausschließlich der von Unternebmern bei den Eisenbahnbautzn beschäftigten Personen im Jahre 1888 durch— schnittlich täglich 164255 Arbeiter thätig waren. Laufende Beitrãge waren von den Arbeitern zu den Pensions- und Krankentassen, und iwar durchschnittlich für das Jahr, foweit sie nur der Krankenkasse an= gehörten, 13 28 M (13, 25 „A), und soweit sie sowohl der Pensions⸗ klasse als auc der Krankenkasse angehörten, 35,35 S (34 AÆ) zu entrichten, während die Eisenbahnverwaltung einen Baarzuschuß in Hö be der Hälfte der Mitgliederbeiträge zu den Pensions und Kranken« kassen beisteuerte, die Kosten der Rechnungs ⸗ und Kassenführung trug und die Haftpflichts! und Unfallestschädigungen neben den' Auf⸗ wendungen an Unterstützungen und Beihülfe aus den eigenen Mitteln zu bestreiten batte. Am Schlusse des Jahres verfügten die Pensions⸗ und Krankenkassen der Eisenbahnarbeiter über ein Vermözen von insgesammt mehr als 144 Millionen Mark.
BevsSlkerungsbewegung in Württemberg im Jahre 1888. Die für die Zwecke der Reichestatistik alliähbrlich stattfindenden Erhebungen über die Bewegung der Bewölkerung haben nach den Mitt heilun gen des Königlichen Statistischen Landesamts“ im Kalen derjahre 1885 nach einer vorläufigen Zusammenstellung der oberamt— lichen Uebersichten folgende Hauptergebnisse geliefert. Es fanden 13167 Ebeschließungen statt, während 71 171* Rinder (einfchließlich der Todtgeborenen) geboren wurden und 52 307 Perfonen (ebenfalls einschließlich der Todtgeborenen) starben, sodaß eine natürliche Bevölkerungszunahme von 18 864 Köpfen zu verjeichnen war. Gegen den Durchschnitt der zehn Jahre 1875-1837 mit 12783 Eheschlietzungen, 78 141 Geborenen und 56 Ol Geftorbenen ist zwar die Zahl der Ebeschließungen nicht unerheblich gestiegen; da⸗ gegen hat die Zabl der Geborenen stärker abgenommen 'als die' der Sestorbenen, sodaß der Ueberschuß der ersteren über die letzteren be— trächtlich geringer geworden ist. Auf die vier Verwaltungs ezirke des Königreichs vertheilen sich die Haupljablen für 1888 wie folgt: Ehe⸗ Geborene Gestorbene Geburten⸗
schließungen (einschl. der Todtgebor.) Überschuß
3180 4414
17129 22518
Donaukreis.
i, . 6 warmwaldkreis i535 117458 i 715 17
Jagstkreis. 2464 14266 10 289 *
Die Ergebnisse der Kapitalrentensteuer im rtoß-
—— — E E berzogtbum Baden. 66 Nach dem Ab sch luß det Kapitalrentensteuer Registers belaufen sich, wie die Karlstr. Zig. meldet, die für das Jaber oog sen? gestellten Kapitalrentensteuer · Fapitalien in Baden auf 1 0890 441 820 2;
13 451 15 S52
3678 6466
die für das Jahr 1888 konstatirten Rentenfteuer. K italien betru 1041685 386 4, somit ergiebt sich eine Zunahme 68 'ne 3