einer Tagung zusammengetreten. Die Sessionen müssen spätestens am 30. November geschlossen werden.
Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 20. November. Ueber den Besuch, welchen Ihre Majestäten der . Wilhelm und die Kai serin Augusta Victoria auf der Rückfahrt von Konstantinopel Ihrer Majestät der Kaiserin 2 ö . ; eth in Korfu abgestattet haben, wird der, Wiener Ztg.“ erichtet:
Das deutsche Geschwader kam am 9. November Abends vor Korfu an, wo es bis zum anderen Tage, um Kohlen ein⸗ zunehmen, verweilte. Vor der Einfahrt in den Hafen von Korfu wurde bei der Vorüberfahrt vor der von Ihrer Majestät der Kaiserin Elisabeth be⸗ wohnten Villa „Braila“ die österreichisch-ungarische Flagge gehißt. Noch an demselben Abend statteten Ihre Majestät die Kaiserin Augusta Victoria und Se. Königliche Hoheit der Prinz Heinrich von Preußen in der Villa Braila einen Besuch ab, der am folgenden Morgen in Gesellschaft Sr. Majestät des deutschen Kaisers wiederholt wurde. Ihre Majestät die Kaiserin Elisabeth machte mit den Erlauchten Gästen einen Ausflug nach dem Dorfe Hegiideke, und nach der Rückkehr verabschiedeten Sich Aller⸗ höchstdieselben um 11 Uhr Vormittags in der Villa Braila, um an Bord des bereits unter Dampf liegenden deutschen Geschwaders zurückzukehren, das eine halbe Stunde später nach Venedig in See ging.
Graz, 19. November. (Wien. Ztg.) Der steirische 3 ist nach Erledigung seiner Arbeiten heute geschlossen worden.
Pola, 20. November. (W. T. B.) Das deutsche Geschwader unter Kommando des Contre⸗Admirals Holl⸗ mann ist heute Nachmittag 4 Uhr im Vorhafen vor Anker gegangen .
u da pe st, 20. November. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Unterhauses führte bei der , der Generaldebatte über das Budget der Finanz⸗Minister Wecker le aus, Ungarn ertrage die wenn auch gesteigerten Steuerlasten viel leichter als zuvor. Die vollständige Herstellung des Gleichgewichts im Staatshaushalt könne durch ungünstige Erscheinungen, wie eine schlechte Ernte und dergleichen, nur für kurze Zeit hinausgeschoben werden. Der Finanz ⸗Minister erklärte sich als unbedingter Anhänger nicht nur der politischen, sondern, so lange die n n m. Interessen Ungarns dabei ihre Befriedigung fänden, auch der wirth⸗ schaftlichen Zusammengehörigkeit mit Oesterreich. Ungarn köäiwne im wirthschaftlichen Kampfe, der europäischen Staaten nur auf der gegenwärtigen Basis auf Erfolge rechnen. Gegenüber den persönlichen Angriffen, welche æinige Redner im bisherigen Verlauf der Budgetdebatten gegen den Minister⸗
räsidenten Tisza gerichtet hatten, wies der Minister auf die Solidarität des Kabinets hin.“
Frankreich. Paris, 20. November. (W. T. B.) Die Bureaux der Deputirtenkammer haben sich für die Gültigkeitserklärung mehrerer beanstandeter kon⸗ servativer Wahlen ausgesprochen. Reinach . wird in der morgenden Sitzung einen Antrag, betreffend die Ab⸗ änderung des Preßgesetzes, einbringen. Der Deputirte Maujan (Rad.) hat infolge der gestrigen Abstimmung gegen die Revision sein Mandat niedergelegt.
, n. und Polen. St. Petersburg, 21. November. ö T. B.) Bei der gestrigen Jubelfeier der Artillerie ielt der Kaiser eine if rache an die Artillerie⸗Offiziere, worin er ihnen für die unentwegt tapferen Waffen dienste dankte und die Ueberzeugung aussprach, daß sich die Artillerie ebenso wie die gesammte Armee auf den Schlachtfeldern ebenso wie früher auszeichnen werde. „Gott ebe nicht — sagte der Kaiser — daß dies bald ge⸗ 6e, ja der Herr bewahre uns vor dieser schweren Prüfung; aber wenn es geschieht, so bin ich überzeugt, daß unsere tapfere Artillerie wie auch alle anderen Waffengattungen für die Ehre und den Ruhm unseres theueren Vaterlandes ein⸗ stehen werden. — Zu Ehrenmitgliedern der Artillerie⸗ Akademie sind gestern ernannt worden: der Großfürst— Thronfolger, der Großfürst Wladimir, der Kriegs⸗-Minister, der Adjunkt des General⸗Feldzeugmeisters General Sofiano und der Finanz⸗Minister Geheime Rath Wyschnegradski.
talien. Venedig, 20. November. (W. T. B.) Der Großfürst-Thronfolger von Rußland ist heute in strengstem Incognito hier eingetroffen. Se. Kaiserliche Hoheit verblieb an Bord seiner Yacht.
Nunmänien. Bu karest, 20. Novemher. (W. T. B.) Die Königin ist heute Vormittag wieder hier einge⸗ troffen und wurde 39 dem Bahnhofe vom König, dem Thronfolger, den Ministern und den Spitzen der Behörden empfangen.
Amerika. Washington, 21, November. Die Kriegsschiffe „Talapoosa“ und „Ri dem Kommando des Admirals Gillis haben nach Brasilien abzugehen.
Süd⸗Amerika. Brasilien. Eine Depesche aus Rio de Janeiro übermittelt den Wortlaut des von der republi⸗ kanischen Regierung von Brasilien anläßlich ihres Amte⸗ antritts erlassenen Manifestes. Dasselbe lautet nach der Uebersetzung der A. C.“ wie folgt: ;
Mitbürger! Das Volk. das Heer, die Marine sowie die Pro= vinzen haben nunmehr den Sturz der Kaiserlichen Tynastie und die Unterdrückung des monarchischen Systems dekretirt. Diesem patrioti⸗ schen Entschlusse folgte die Bildung einer provisorischen Regierung, deren erste Aufgahe es ist, die Aufrechtbaltung der Ordnung sowie der — 1 und Rechte der Bürger ju verbürgen. Die Bildung dieser
egierung, bis eine endgültige Verwaltung ernannt worden ist, wurde mit vollkommener Berũchichtigung des kompetentesten Materials bewerkstelligt. Die Regierung ist lediglich aus zeitweiligen Agenten zusammengesetzt, welche herrschen werden, um Frieden, Freiheit, Brüderlichkeir und Ordnung aufrechtzuhalten. Die Attribute und außerordentlichen Ge⸗ walten, mit denen sie bekleidet ist, bezwecken die , . Integrität des Landeg und die Auftechthallung der er,, rd⸗ nung. Die provisorische Regierung verspricht, sich aller Mittel zu bedienen, die in ihrer Macht stehen, um die Sicherheit von Leben und Elgenthum aller Einwohner Brasillens, der elnheimischen wie gusländischen, und Achtung vor der individuellen politi- schen Meinung ju verbürgen. Mit Ausnahme der für das Wohl des Landes nothwendigen. Veränderungen werden Heer und Flotte, die ordentlichen Funktionen der Justiz, sowie die Civil⸗ und Militär⸗ petwaltung unter der bestehenden , , verbleiben und die Achtung für dikjenigen, welche Stellungen bekleiden, witd aufrecht ge= halten werden. Die Abschaffung des Senats und des Staatsraths
(W. T. B.) mond“ unter efehl erhalten,
Die provisorische Regieru letzten Regierung gemachten nationalen Kompromisse an. Alle barungen mit ausländis Mächten und die Staatsschuld, sowobl die internationale wie die innere, sowie alle bestehenden Kontrakte und gesetzlich eingegangenen Verbindlichkeiten werden 8 werden. (Gejeichnet Marschall Deodoro da Fonseca, Chef der provi⸗ sorischen Regierung.“
kammer.
Parlamentarische Nachrichten.
In der heutigen (20) Sitzung des Reichstages stand zunächst auf der Tagesordnung die erste Berathung des von den Abgg. Ackermann, von Kleist⸗Retzow, Dr. Hartmann und Dr. Kropatscheck ,, Gesetzentwurfs, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung vom 1. Juli 1883 — (Befähigungsnachweis) — in Verbindung mit der ersten Berathung des von dem Abg. Aichbichler und Ge⸗ nossen und den Abgg. von Kardorff, Lohren eingebrachten Gesetzentwurfs, betreffend denselben Gegenstand.
Abg. Ackermann begründete seinen Antrag mit der Nothwendigkeit eines Schutzes des Handwerks. Die Vollmacht für den Bundesrath, Ausnahmen zu gestatten, sei nothwendi in Folge der Verschiedenartigkeit des Handwerks; gesetzli ließen sich solche Ausnahmen nicht feststellen. Das Mißtrauen dagegen, den Innungen die Prüfung zu überlassen, sei un⸗ begruͤndet; die Zuverlässigkeit und Unparteilichkeit der Prüfung sei namentlich auch durch die Vorschrift der Anwesenheit eines Königlichen Kommissars gewährleiste;. Der Einwand, daß die Prüfung nur über die geistigen, nicht über die moralischen Fähigkeiten Aufschluß gebe, sei ohne Be⸗ deutung; dasselbe sei ja auch bei dem wissenschaftlichen Examen der Fall. Weil man nicht Alles erreichen könne, deshalb sollte man nicht auch auf das Erreichbare verzichten. Die Grenze wischen Fabrik und Handwerk werde sich in jedem einzelnen Falle e finden lassen. Mit den Innungsbestrebungen an sich habe der Befähigungsnachweis nichts zu thun. Die 109 000 Unter⸗ schriften von Handwerkern unter frühereren Petitionen be⸗ wiesen, daß die Handwerker selbst den Befähigungsnachweis wünschten. Agitatorischen Zwecken diene der Antrag nicht. Das Handwerk bilde ein Bollwerk gegen die Sozialdemokratie und müßte schon deshalb geschützt werden.
Abg. Metzner: Wollte Angesichts der wiederholten Be⸗ handlung des Gegenstandes und der gegenwärtigen Geschäfts⸗ lage im Hause von weiteren Erörterungen absehen. (Schluß des Blattes.)
(Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Reichstages befindet sich in der Ersten 6 gz
— Die Brdgetkommission sür den Marine⸗Etat hat den Antrag gestellt, der Reichstag wolle beschließen: die einzelnen Titel und Kapitel des Etats für die Verwaltung der Kaiserlichen Marine mit Auenahme der unten aufgeführten Etats. Positionen, sämmtlich mit den bei den einzelnen Titeln in Ansaß gebrachten , und unter den gebrauchten Bezeichnungen unveraͤndert zu be⸗ willigen.
Ferner beantragt die Kommission: von den fortdauernden Ausgaben (Kap. i Militätpersonal) bei Tit. 2. See⸗Offizier⸗Corpz- statt 1 602 580 Æ nur 1585 660 Æ zu bewilligen; bei Tit. 17 Bureauinventarlen und Schreibmaterialiengelder nur 23 562 M und bei Tit. 23 „‚Unterstützungsfonds nur 20 375 zu bewilligen. Bei Kap. 5 (Servig⸗ und Garnisonverwaltungswesen) sind bei Tit. 4 Servis und Miethsentschädigung' nur 202 109 M, und bei Kap. 56 (Wohnungsgeldzuschuß) nur 759 380 „, im Uebrigen die abgeänderten Titel unverändert zu bewilligen. Bei den einmaligen Aus- gaben wird beantragt: bei Kap. 6a. (Ordentlicher Etat) Tit. 12 zum Bau des Panzerfahrzeugs 8, erste Rate 1500 000 K, bei Tit. 15 zum Bau der Krerzerkorvette L, erfte Rate 2 300 000 , zu streichen; bei Tit. 16 zum Bau des Kreuzers E, erste Rate, statt 1 400 000 4A nur 900 000 M zu bewilligen; bei Tit. 20 zum Bau des Avisos H 1218000 zu streichen.
Des Welteren wird beantragt: Bei Tit. 25 werden als Konsequenz der früheren Beschlüsse für artilleristische Aus rüstung der Panzerschiffe 600 000 M abgesetzt. Tit. 26 wird ganz, von Tit. 27 werden 240 000 S, von Tit. 29 110 000 M und von Tit. 34 175 000 ½ abgesetzt, theils als Folge früherer Beschlüße, theils weil ein langsameres Vorgeben ge⸗ wünscht wird. Bei Tit. 4838, Vorarbeiten für Errichtung von Dienstgebäuden in Kiel, werden 20 000 M abgesetzt und nur für die Fertigung der Pläne 10 000 M bewilligt. Bei Tit. 52, Bau einer Kaserne für Kuxhaven, werden 220 006 M abgesetzt. Bei Tit. 53, zur Verstärkung der Kriegsborräthe, werden 1650 000 M abgesetzt. Bei Tit. 56, Erwerb eines Dienstgebäudes für das Oberkommando der Marine in Berlin, wird die ganje Summe von 1025 000 4 gestrichen. r,, r, . Ctat (Kap. 13) werden bei Tit. 2, Beschaffung von Geschützenꝰ nur 700 009 statt 1 409009 M, bei . Suschuß zu den einmaligen Ausgaben im ordentlichen Etat“ ewilligt.
Zeitungs stin men.
Die Ablehnung des freisinnigen Antrages f Aufhebung des Schweine⸗Einfuhrverbots an der dänischen Grenze Seitens des Reichstages wird von dem „Hannoverschen Courier“ mit folgenden Bemerkungen begleitet:
„Ob nach diesem parlamentarischen Mißerfolge Hr. Richter noch weiter Lust empfinden wird, die Höhe der Fleischpreise und das Verbot der Schweineeinfuhr als dankbares Agitationsmittel, zu verwerthen, könnte man fast bejweifeln; denn die Abstimmung hat festgestellt, daß, vom Freisinn und seinen Anhängseln abgesehen, der gesammfe Reichßtag die Maßnahmen der Regie⸗ rungen für die. Erbaltung unseres Vichbestandes gutheißt und ihre Nothwendigkeltt anerkennt Ibre Angriffe müßten sich jetzt nicht mehr allein gegen die Regierung, sondern gegen den ge⸗ sammten Reichztag, nicht bloß die Kartellmebrbeit desselben, richten, und es gehört doch eine etwas kühne Stirn dazu. behaupten zu wollen, daß die große Mehrheit der deutschen Volksvertreter kein Herz für die Leiden des Volks, keinen Sinn und kein Verftäͤndniß für die Sorgen des kleinen Mannes und des Arbeiters hat, daß sie nur die Sonderinteressen einiger bevorzugter Stände vertritt und es dem Freisinn allein überläßt, sich des kleinen Mannes, der Nothleidenden und Bedrückten anzunehmen. Wir meinen, das deuische Volk, das nicht vom Parteibah und Fanatismus ver⸗ blendet ist, wird von seiner Vertretung im Deutschen Reichstage eine bessere Meinung haben, und nicht auf die achten, die nur um ihrer Parteizwecke willen Unjufriedenbeit und Mißmuth säen, unbekümmert darum, was aus solch böser Saat aufgeht.“
Die ablehnende Haltung des Bundesraths in Sachen der Arbeiterschutzanträge wird von der Münchener „All gemeinen Zeitung“ wie folgt vertheidigt:
In den letzten Jahren haben die Regierungen und besonders der Staatssekretãt Hr. von Boetticher Beweise genug dafür geliefert, daß sie von dem ehrlichen Bestreben geleitet sind, das Loos der Arbeiter auf gesetzmäßigem Wege zu heben. So sind denn auch die
erkennt alle die unter der Verein⸗
um diese gũnftligen jebnifse leugnen wollen. Wenn sie nun in der Frage des iterschutzes Widerspruch gegen weitere Reformen erhebt. so scheint es, 2 sie sich ihrer Verantwortlichkeit für die wirthschaftlichen Folgen dieser Neuerungen in höherem Maße bewußt ist, als die Mehrheit des Reichstages. Durch die Alters, Unfall- und Krankenversicherungs ⸗Gesetze, deren sick der deutsche Arbeiter jetzt erfreuen kann, hat die deutsche Industrie gegenüber der ausländischen Konkurrenz eine ganz beträchtliche Mehrbelastung erfahren Ob sie auch eine weitere Belastung, die ja die erste Folge der Arbeiterschutzgesetze wäre, zu ertragen vermöchte, ohne von der ausländischen Konkurrenz. die von solchen Lasten frei ist, empfindlich getroffen zu werden, ist eine Frage, die sowohl im Interesse der Zukunft der deutschen Industrie wie im Interesse der Arbeiter selbst wohl erwogen zu werden verdient. Die großen Industriellen baben allerdinas wiederbolt ihre Bereitwilligkeit ausgesprochen und bethätigt. den Wünschen der Arbeiter auch auf diesem Wege entgegenzukommen. Aber die kleine Industrie, und auf diese kommt es an, würde jetzt durch neue Arbeiterschutzgesetze geschädigt werden. Schon bei den Vorarbeiten für die Arbeiter. Versicherungsgesetz gebung bat sich herausgestellt., daß zunächst die kleinen Industriellen durch diese Gesetze zu Opfern herangezogen werden. Wenn man sich vergegenwärtigt, daß jeder Betrieb, bei welchem eine Dampfmaschine angewendet wird, oder bei welchem die Arbeiterjahl mehr als zehn beträgt, von dem Gesetz als Fabrik betrieb angesehen wird, so muß man einräumen, daß der Standpunkt der Regierung, die dem kleinen Industriellen bis auf Weiteres nicht noch neue Opfer zumuthen will, etwas für sich hat. Es ist gewiß eine schöne und dankbare Aufgabe, im Reichstage große Reden zu halten und Forderungen zu Gunsten der Arbeiter aufzustellen. Aber es giebt auch andere nicht minder wichtige, der Schonung bedürftige Interessen, und je weniger diese im Reichstage vertreten werden, um so begreiflicher ist es, daß die Regierung sich ihrer annimmt.“
Uher das Ergebniß der Berliner Stadtverordneten⸗ wahlen, welches den Sozialdemokraten einen Vorsprung er⸗ bracht hat, bemerkt die „National⸗Zeitung“: .
„Die Deutschfreisinnigen jubeln über das Ergebniß! Jubeln
Angesichts folgender Zahlen: es sind für die Dentschfreisinnigen etwa 9460 Stimmen abgegeben worden, für die Sozialdemokraten 7800, für die Kandidaten der Bürgerpartei. 4490. Mit anderen Worten; die Deutschfreisinnigen befanden sich in einer Minderheit von 9400 gegen 12200 der beiden gegnerischen Parteien. Ihre Presse versichert, die Bedeutung der Abstimmung liege darin., daß man schon jetzt er⸗ kenne, wie schlechte Auesichten die Kartell⸗Parteien' in Berlin fuͤr die nãchste Reichstagswahl haben. Als ob es in Berlin darauf ankãme! Die Sozialdemokraten, welche nicht, wie die Deutschfreisinnigen, mit Phrasen und mit der Vertuschung der Wahrheit zu arbeiten brauchen, haben bei der Feststellung ihres Erfolges die Bedeutung des Ergebnisses für die nächsten Reichstagswahlen sehr einfach mit den Worten be⸗ zeichnet: wir werden von den sechs Berliner Reichs tage⸗ Mandaten zu den beiden, die wir schon besitzen, noch zwei andere hinzugewinnen.“ Die Angriffe auf die Berliner Stadtverwaltung sind von un immer einerseits wegen ihrer sachlichen Grundlosigkeit, dann aber auch wegen der offenbaren Gefahr zurückgewiesen worden, daß diese Agitation am letzten Ende die der Sozialdemokratie zu Nutze kommenden Stimmungen verbreiten und vertiefen mußte. Wie sehr wir also auch bedauern, daß die Dinge sich in der That so entwickelt haben, so kann uns dies doch nicht abhalten, die deutschfreisinnige Vertuschung der Sachlage zurückzu⸗ weisen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß in weniger als einem Jahr⸗ zebnt die Stadtverordneten der dritten Abtheilung durchweg sozial⸗ demokratisch sind. Und Angesichts der obigen Zahlen ist es unbestreitbar, daß die. Deutschfreisinnigen, die in der dritten Abtheilung bereits eine Minderheit sind, die Möglich⸗ keit der Aufreckterhaltung ihrer Stellung in der Stadt verordneten Versammlung lediglich dem erbärmlichsten aller Wabl⸗ zefetze, dem KlassenWahlsystem, verdanken. Bei gleichem Wabl⸗ rechi — das wir für Kommunalwahlen verwerfen, das sie aber wiederholt für dieselben befürwortet haben — wären sie trotz des Census und trotz der öffentlichen Abstimmung nur eine Minorität in der Stadtverordneten⸗Versammlung.“
Unter der Ueberschrift „Deutschland bei den Deutschen im Auslande“ bringt die „Wiesbadener Presse“ die Auslassung eines im Auslande wohnenden Deutschen, der wir Folgendes entnehmen:
Alt in der Sitzung des Deutschen Reichttages vom 30. Oktober Hr. von Bennigsen äußerte, die Deutschen im Auslande seien stolz auf ihr Vaterland, rief Hr. Richter dazwischen: Von außen sieht sich das hübsch an!“ Und als er am folgenden Tage zum Worte kam, warf er die Frage auf: Warum sollen die im Auslande lebenden Deutschen dafür besonders kompetent sein? Sie tragen zu den Lasten nicht bei, sie leiden nicht unter den beschränkenden Maßnahmen der inneren Politik. Sie haben nur den Eindruck, daß das Anseben Deutschlands im Auslande gestiegen ist? Darauf erlaubt sich ein im Auslande wohnender Deutscher einige Worte zu erwidern.
Wenn Hr. Richter fragt. warum gerade wir in diesen Fragen besonders kompetent sein sollten, so diene ihm zur Antwort; Weil in der Fremde das Vaterlandsgefübl (wenn es überhaupt noch vorbanden ist!! lebhafter und kräftiger wird, nicht etwa, wie er von seinem idealistischen Standpunkte aus urtheilt, durch den günstigen Umftand, daß wir nicht nöͤthig haben, unserer Steuerpflicht in Deutschland nachjuksömmen (die meisten von uns entrichten höhere Steuern in ihren Wohnsitzen), sondern in Folge der täglichen Gelegenheit, zu vergleichen, vorgefaßten Meinungen, nationalen Abneigungen und falschen Vorstellungen berichtigend entgegenzutreten. Wir erkennen, daß NUebelstände, die uns zu Hause unerträglich vortamen, und die wir für Eigenthümlichkeiten des Vaterlandeg hielten, überall, oft viel drücken ⸗ der, vorbanden sind, und daß andere Völker so manchen Vorzug, den wir als selbstverständlich genossen, schmerzlich entbehren. Wir beob⸗ achten das politische Leben und Treiben in anderen Ländern ohne die Brille einer Partei, ohne von eigenem oder fremdem politischen Ehr— geiz geleitet zu werden. Und das Ergebniß der Beobachtungen ist, daß der Deutsche heute nicht mehr genöthigt ist, sich zu wünschen, was die Anderen haben. Denn wir statten auch gern der alten Heimath Besuche ab, frischen die Eindrücke auf und sehen, wie sich dort Alles gestaltet hat. Nicht Alles, wie man es wünschen möchte, aber so gut und besser als anderswo.
Die re die nicht bitter und hart genug über ihr Land urtbe len können, thäten wohl, auch öfter zu reisen, nicht bloß in ihre Wahlkreise, um mit Gesinnungsgenossen Ansichten auszutauschen, wobei kein Theil gewinnen oder verlieren konn, weil jeder zurück empfängt, was er giebt; auch nicht bloß zu Versammlungen von Ge— sinnungsgenossen im Auslande, wie Hr. Bebel. Vielleicht würden 6 in den verschiedenen Spiegeln sich selbst so sehen, wie sie uns er⸗
einen.“ ;
entwickelung n 6 Niemend wird die Verdienste der Regierung
Entscheidungen des Reichsgerichts.
— Der bloße thatsãchliche Bestand eines Jagdpachtverhält⸗ nisset, dem es an einer rechtsgültigen Grundlage fehlt, macht nach einem Urteil des Reichsgerichts. IV. Strafsenats, vom 18 Juni 188 den sog. Pächter nicht zum Jagdberechtigten im Sinne des §. 117 des Strafgesetzbuches (betreffend den Widerstand gegen einen Jagdberechtigten in der rechtmäßigen Ausübung seines Rechts). Die Pachtung demnach einer Jagd in einem Gemeindebezirk auf Grund eines ledigl ich mit dem Gemeind evorsteh er abgeschlossenen Jagdpachtrertrages macht in den sechs östlichen preußischen Provinzen den Pächter nicht zu etnem Jagdberechtigten; weder er, noch sein Jagdaufseher haben einen Anspruch auf den Schutz des 5. 117 des
ist beschlossen worden, desgleichen die Auflösung der Abgeordneten⸗
Ar beiterverhältnisse in einer langsamen, aber stetigen Fort⸗
Strafgesetzbuchet.
— Das Anbieten von Geschenken an einen Beamten, um ihn zur pflichtwidrigen Unterlassung einer Dienfthandlung zu be⸗ stimmen, ist nach einem Urtheil des Reichsgerichts. J. Strafsenats, vom 14. März 1889 als Be stechung zu bestrafen, selbst wenn der Beamte bereits vor dem Anbieten der Geschenke die betr. Dienstband⸗ 1sung pflichtmäßig vorgenommen hatte und somit die vom Thäter erstrebte Unterlassung der Diensthandlung nicht mehr möglich ist.
3 9 ein einer Reichs ⸗ Stem pelabaa be unterliegendes Anschaffungsgeschäft von zwei Matern vermittelt. so muß, nach einem Urtheile des Reichsgerichts, I. Strafsenatz, vom 14. Juni 15359, jede Hälfte der darüber ausgestellten Schlußnote die Namen peider Makler enthalten. Ist auf der einen Hälfte der Name des cinen Matlers und auf der anderen der Name des anderen Maklers
enannt, so ist diese 6 . eine formwidrige und mit einer S nigs straf⸗ aus §. 33 des Reichs / Strafgesetzbuchs zu ahnden.
— Der Inhaber eines öffentlichen Versammlungs⸗— ortes, welcher Glücsspiele daselbst gestattet, kaan sich nach einem Urtheil des Reichsgerichts, 1I7. Strafsenats, vom 28. Mai 1885, dadurch nicht von seiner Bestrafung aus §. 285 Str. G. B. befreien, daß er der irrtbümlichen Meinung gewesen, daß der Werth der Einsätzegsowie des Gewinns und des Verlustes zu gering war, um fiberhaupt einen Vermögenswerth zu repräsentiren.
— Die bayerischen Fleischbeschauer genießen nach einem urtheil des Reichsgerichts, J Strafsenats, vom 26. April 1885, gleich den sonstigen bayerischen Gemeindebeamten den öffentlichen Glauben von Beamten erst nach ihrer Verpflichtung von der vorge— feßten Distriktsverwaltungsbehörde, auch wenn sie bereits längere Zeit vorher ihre amtlichen Funktionen übernommen haben. Die von sbnen vor ihrer, Verpflichtung vorgenommenen falschen Beurkundungen rechtlich erbeblicher Thatsachen sind nicht als Vergehen bezw. Ver⸗ brechen im Amte (55. 348, 349 Str. G.. B.) zu bestrafen.
Bescheide und Beschlüfse des Reichs⸗Versicherungsamts.
C70.) Auf Antrag der Eisen und Staobl⸗Berufegenossenschaft, bei welcher ein Dampfdresck maschinenbetrieb katastrirt war, erkannte der Voꝛstand der landwirthichaftlichen Berufegenossenschaft gegenüber der induftriellen Berufsgenossenschaft diesen Betrieb als einen land— wirthschaftlichen Nebenbetrieb an, nachdem die betreffende Polizei⸗ verwaltung auf bezügliche Anfrage die Auskunft ertheilt batte, daß die Maschine hauptsaͤchlich in dem eigenen landwirtbschaftlichen Be⸗ friebe des Besttzers gebraucht und nur gelegentlich an Nachbarn ver⸗ liehen, aus dieser Verleihung aber ein Gewerbe nicht gemacht werde Nachdem später in dem Betriebe ein Unfall vorgekommen war, stellte die landwirthschaftliche Berufsgenossenschaft ge⸗ nauere Ermittelungen über die Art des Betriebes an, welche, in Abweichung von der erwähnten früheren Aus kunft der Polijeiverwaltung, ergaben, daß die Maschine in den beiden der Anerkennung vorhergegangenen Jahren mindestens eben soviel in fremden landwirtbschaftlichen Betrieben wie in dem eigenen Betriebe des Maschinenbesitzers gegen Entgelt verwendet worden war. Die landwirthschaf tliche Berufsgenossenschaft verlangte nunmehr von der Eisen⸗ und Staklberufsgenossenschaft die Ruͤckübernghme des Maschinenbetriebs und die Uebernahme der aus dem Unfalle erwach⸗ senen Entschädigungsansprüche; beides lehnte die Eisen. und Stabl⸗ berufegenossensckaft jedech mit Rücksicht auf die ausdrückliche Anerken- nung der landwirthschaftlichen Berufsgenossenschaft ab. Dag Reichs VersicherungRs amt bat auf Anrufen unter dem 31. Oktober 1889 gegen die landwirthschaftliche Berufsgenossenschaft entschieden. Jener An erkennung muß eine ähnliche bindende Kraft beigemessen werden wie der Eintragung eines Betriebes in das Kataster einer industriellen Berufsgenossen schaft. (Bescheid 138 und Entscheidung 451 Amt⸗ siche Nachrichten des R- VrA.. 1886 Seite 55 und 18588 Seite 69.) Da die Anerkennung nicht durch Arglist herbeigeführt ist — was eine Ausnahme begründen würde —, so bat die landwirthschaftliche Berufs⸗ genossenschaft jedenfalls zu den aus dem Unfalle erwachsenen Ent. schädigungsansprüchen durch Ertheilung eines förmlichen Bescheides Stellung zu nehmen, wenn auch zumngeben ist, daß die Anerkennung den — später ermittelten — thatsächlichen Verhäͤltnissen nicht ent⸗ spricht, auch nicht etwa durch ein Versehen des Genossenschafts⸗ vorftandes verschuldet ist. Für die Vergangenheit kann ferner die Rückübernah me des Betriebes jedenfall; nicht gefordert werden, da gerade in einem Falle der vorliegenden Art, in welchem die berufsgenossenschaftliche Zugehörigkeit eines Betriebes von der Beurt heilung einer Quantitätsfrage abbängig ist, einer güt⸗ lichen Vereinbarung der beteiligten Berufggenossenschaften über jene — 3 besonders Raum geboten ist, wie dies auch in dem
undschreiben des Reichs- Versicherungsamts (vom 10. Januar 1889 Amtliche Rachrichten des Reichs Versicherungeamts“ von 1889 Seite 9),, ausdrücklich bervorgeboben wurde. Sofern aber eine solche Verein⸗ barung ju Stande gekommen ist, muß es auch dabei bewenden. Wegen der zukünftigen Gestaltung des Verbältnisses bleibt zunächst eine dauernde Gestaltung des Betriebes abijuwarten (Bescheid 441, Amtliche Nachrichten des R. V. A. 1887 Seite 377)
Statiftik und Volkswirthschaft.
Zu den Wirkungen des Krankenkassengesetzes.
Die Bedeutung der Entwickelung und der Leistungen der auf Grund des Geseßzes vom 15. Junt 1853 errichteten Krankenkassen fuͤr die Gestaltung eines Theils der materiellen Daseinsbedingungen des gesammten Ärbeiterstandes hat den Syndikus der Handelstammer ju Minden, Na gö6cy, veranlaßt, seine in dem Jahresberichte der dorligen Haͤndeis kammer pro 15658 veroffentlichte sehr beachtenswerthe Abbandlung über die Wirkungen des Krankenkassengesetzes mit be. sonderer Berücksichtigung der Krankenkassen der Stadt Minden durch einen Sonderabdruck weileren Kreisen zugänglich zu machen.
Nach den Ausführungen des Verfassers, welche durch die Ver⸗ gleichung mit den früberen Zuftänden die Vorzüge des Gesetzes in seiner praktischen Ausführung, wenn auch nur in einem leinen Rahmen, deutlich erkennen lassen, ergiebt sich aus einer Gegenüber · stellung derjenigen alten Mindener Krankenkassen. welche die Grund⸗ lage der Miebrjabl der beutigen Srtgkrankenkassen bilden, mit den letzteren, daß in dem elfjährigen Zeitraum von 1876 — 1887 im Ganzen die Mitgliederzahl von S63 auf 1348, oder um rund 100060, die Beitraͤge von S544 auf 13 176 M oder um J50 Co, die Gesammt. leistungen von 7o56 auf 13 088 Mαν oder um 86 Yo, die Vermeltunge. kosten' von 404 auf 1242 M oder um 200 0 ge. stiegen sind. Nach dieser Aufstellung würde nun eine Vergleichung der alten Kassen mit den neuen zu Ungunsten der leßteren besjw. der jetzigen Kaff enmitglieder ausfallen, wenn die Bei ⸗ traͤge um 150 G, die Fassenleistungen aber nur um Sh /o gestiegen wären. Um diese beiden Faktoren aber vergleichbar zu machen, sind die Beiträge der Arbeitnehmer ohne den Zuschuß der Arbeitgeber ju ermitteln. I‚ Jahre 1876 betrugen die Beiträge der Arbeitgeber 1324 M, wäbrend Tas im Jahre 1887 mit 4592 M. der Fall war. Bringt man diefe Summe in AÄbjug, so baben sich die Beiträge der Kaffenmitglieder in dem Zeitraum von 1876 - 188, von 4520. auf S784 4 oder, gerade wie die Mitgliederjahl um 100 9½G gehoben.
Wenn die Kaffenleiftungen nur um Sh o gestiegen sind, so muß berückfichtigt werden, daß einestheils die Verwaltung der Kassen namentlich in Folge der größern Beweglichkeit der Arbenerbevoͤlkerung theurer geworden ist, anderntheils aber die Entwickelung der medi⸗ zinifchen? Wissenschaft, sowie die Errichtung einer Klinit und die Zu ˖ nahme der Aerzte in Minden eine bessere bezw. eine schnellere Hülfe⸗ leiftung in Krankbeissfällen ermöglichen, sowig endlich, daß die
Außer den großen, allgemeinen Zwecken bat das Gesetz vom 16. Juni 1883 im Einzelnen Ordnung und System in die Kranken⸗ unterstũtzung gebracht und insbesondere vorgeschrieben, daß die Höhe des Krankengeldes in einem bestimmten Verhältniß zu dem durch- schnittlichen Tagelobn steben soll; weiterbin ift die kostenlese Ge⸗ währung von ärztlicher Behandlung und namentlich von Heilmitteln, welche früher in vielen Fällen den größten Theil des Krankengeldes in Anspruch nabmen, — einzelne Kaffen gewäbrten allerdings schon damals freie ärztliche Behandlung und andere kleine Vergünstigungen — zum Prinzip erhoben. ⸗
m Uebrigen ist die Zahl der Krankenkaffen in Folge der durch das Gesetz vom 15. Juni 1883 herbeigeführten Reform erheblich ver ⸗ mindert, ihre Leiftungsfähigkeit erböht, und es sind namentlich ibre Organisation und ihre Leistungen einem gemeinsamen, großen Gesichts⸗ punkte untergeordnet. ö.
Der 5. 1 des Gesetzes hat den Kreis der Versicherungepflichtigen wesentlich erweitert, um die Wobltbaten einer geregelten Kranken⸗ unterstützung einem möglichst großen Theil der handarbeitenden Be⸗ völkerung ju gute kommen zu lafsen. Wäbrend z. B. in Minden vorher nur Kassen für die wichtigeren Handwerkzarten bestanden, sind in Folge des neuen Gesetzes alle gewerblichen Arbeiter in den Kreis der Versicherungspflicht hineingezogen und jetzt genießen alle in irgend einem Gewerbebetrieb und in irgend einer Weise beschäftigten ständigen Arbeiter die Wohlthaten des Gesetzes. . Die früheren Kassen hatten ferner weder die weiblichen, noch die jougendlichen Arbeiter in die Versicherung eingeschlossen, der Kreis der versicherten Personen ist also auch in dieser Hinsicht in einer bedeu⸗ tungs vollen Weise erweitert worden, und die Arbeiterfamilien werden nun im Falle der Erkrankung eines ihrer Mitglieder in wirksamerer Weise unterstützt, als es die früheren Kassen zu thun vermochten Von den sich größtentheils auf die geãußerten Wünsche einer Reibe von Arbeitgebern und Arbeitnehmern des Mindener Bezirks stützenden Anträgen, welche Nagoezy am Schlusse seiner Abhandlung stellt, wollen wir nur des letzten Erwähnung thun, welcher lautet: Eine Ausdehnung der Krankenkassen⸗Unterstützung auf kleine, selbständige, aber ohne Gesellen und Lehrlinge arbeitende gewerbliche Personen, insbesondere Handwerker, deren Betrieb über den eines gegen Tagelohn beschäftigten Arbeiters nicht hinausgeht, ist wünschenswerth“; denn bei dieser Art von meist verheiratheten Arbeitern, welche, statt von einem gewerblichen, von vielen privaten Arbeitgebern abhängig, eine nur minimale Gewerbesteuer entrichten und nur ganz von dem Zufall des kommenden Tages ab— hängen, erscheine die Noth in Zeiten der Erkrankung in oft schreck= licherer Gestalt, als bei dem regelmäßig beschäftigten gewerblichen, direkt abhängigen Arbeiter.
Zur wirthschaftlichen Lage.
Von einer Hebung des Wohlstandes hat sich in Landwirth⸗ schaftlichen Kreisen und im Stande des kleinen Handwerk innerhalb des Regierungsbezirks Stettin, wie von dort berichtet wird, noch nicht viel bemerken lassen, doch läßt sich für die Zukunst eine geringe Besserung erhoffen, da die Preise für die landwirth⸗ schaftlichen Erzeugnisse ein wenig gestiegen sind, Mebr Leben und damit auch Verdienst zeigt sich auf gewerb⸗ lichem Gebiete bei der Rhederei und Schisfabrt treibenden Bevölkerung in Folge des Steigens der Frachten für größere Schiffs. gefaße und Kähne. Die Arbeiter finden fast durchweg reichliche und gut bezahlte Arbeit. Der Schiffahrtsverkehr, namentlich in den Häfen von Swinemünde und Stettin, war ein sehr reger und lebhafter, wenngleich die Anzabl der im Vorjahre in der— selben Zeit eingelaufenen Schiffe um ein Weniges größer war. Weizen, Roggen und auch Gerste wurden in diesem Jahre gan be⸗ deutend mehr, Hafer, Erbsen, Oelfrüchte, Kleesamen und Kartoffeln in bedeutend geringerem Maße eingefübrt, die Mehreinfubr an Roggen allein belief sich auf nahezu 0 005 hl. Die Ausfuhr von Mebl ist in Folge der schwedischen und französischen Schutz ölle zurückgegangen. Das Geschaͤft mit Spiritus war ziemlich still, auch sind die Preise wieder etwas gefallen. ; ; Außer den Schiffswerften sind auch sämmtliche anderen Eisen—= gießereien und Maschinenfabriken mit Aufträgen überhäuft, sodaß die Ausführung der Bestellungen besonders lange Zeit in An⸗ spruch nebmen wird. . ⸗ — Eine ganz hervorragende Thätigkeit entwickelte die Maschinen und Schiffebaufabrik Vulcan“, welcher die Herstellung einer Reihe großer Kriegs und Handelsschiffe im Gesammtwerth von annãbernd 10 Millionen Malk in Auftrag gegeben ist. Die genannte Fabrik beschäftigt zur Zeit etwa 5000 Arbeiter. . . J Auch der fonstige Stand des Gewerbebetriebes ist als ein günstiger zu bejeichnen, zumal da keine Arbeitseinstellungen von Bedeutung vorgekommen sind.
Zur Lage der Arbeiter.
Klagen über die Lage der Arbeiter im Hannoverschen sind in letzter Zeit, wie von dort berichtet wird, nicht bekannt geworden. Insbesondere war die materielle Lage der Bergarbeiter, namentlich dei der den fiskalischen Werken am Deister angehörigen Belegschaft, deren Verhäͤlinisse sich bei einem regen Betriebe wesentlich günstiger ge⸗ staltet haben, eine befriedigende. Für die Arbeiter der Körting schen Eifengießerei in Linden werden augenblicklich nahe bei der Fabrik in den Gemarkungen Bornum und Badenstedt Seitens der Fabrikbesitzer Wohnungen errichtet. Die mechanische Weberei mn Linden hebt sich immer mehr. Bestellungen liegen reichlich vor, so daß die Arbeiterzahl im letzten Quartal um I63 vermehrt und dadurch auf 1510 gestiegen ist.
Zur Arbeiterbewegung.
In der Heve'schen Glasfabrik ju Nienburg, welche ungefähr 450 Personen beschaͤftigt, war vor einigen Wochen unter den Arbeitern eine auf Bildung eines Facvereins gerichtete, auf sozialdemokrgtische Umtriebe zurückzuführende Bewegung entstanden, die aber Dank dem energischen Einschreiten der Fabrikleitung und des Magistrats in Nien · burg im Keime erstickt wurde und nur während einiger Tage eine Beiriebseinschränkung nach sich zog. Nachdem 30 der Paupt. rädelafübrer entlassen sind, die Mebrzabl der im Allgemeinen aͤußerst besonnenen Arbeiter aber sich den von dem Fabrikbesitzer gestellten Bedingungen vorbehaltlos unterworfen hat, darf gebofft werden, daß das bisberige Vertrauen sverbältniß jwischen dem Arbeitgeber und den in jeder Weise gut gestellten Arbeitern sich wieder befestigt.
Ueber die Strike Bewegung in London meldet die „Allg. Corr.“: Am Sonnabend stellten in den Londoner Docks auf Anordnung des Haupt. Strike ˖ Ausschusses mebrere bun dert Lichterleute die Arbeit ein, und jwar auf Grund einer angeblichen Verletzung der sich auf Lord Brassev's Schiedsspruch stützenden Ab ⸗ machung Seitens der Arbeitgeber. Letztere weigern sich nämlich, die . der Arbeiter von und nach den verschledenen, Jobs.; außer ˖ halb des festgesetzten Umkreises, sowie den Lobn für die Zeitversãumniß, welche zuweilen ? bis 3 Stunden beträgt, zu bewilligen.
Der Rbederverein London Direct Short Sea Trades Association bielt am 18. d. eine zablreich besuchte Ver⸗ sammlung ab und faßte einstimmig einen Beschluß, dahin lautend: daß sich den Eigenthümern von Schiffen, welche nach nahen Häfen fahren, in Folge der bedeutend vermehrten Kosten ernstlich die Frage aufdränge, ob fie nicht ihre Fahrten einstellen sollten. Zugleich beschloß man, ein Manifest an die Arbeiter zu veröffentlichen, in welchem den Letzteren klar zu machen gesucht wird, daß in. Folge ibrer maßlofen Förderungen der Schiffsverkehr sich täglich mebr von London abwendet. .
Die Verwaltung der General Omnibus Company hat es abgelehnt, mit der London Road Car Companvx bezüglich einer Einfchränkung der Arbeits stunden der Omnibus kutscher und Kondukteure beider Gesellschaften in Unterhandlungen zu
Company zu veranlaffen, ebenfalls zu Gunsten eines zwölfstündigen Arbeitstages zu agitiren. ; .
Den Bäckergesellen⸗Strike kann man thatsächlich schon als beendigt ansehen. Mit einer einzigen Ausnahme haben alle be— deutenderen Meister nachgegeben, und die kleinen Bäcker folgen schnell ihrem Beispiel. Am Montag erklärte wieder eine ganze Anzabl sich mit den Forderungen des Gewerkvereins einverstanden, sodaß die Zahl der Striker im Laufe des Tages erkeblich abnahm. NUur in Wöbitechapel und Süd ⸗Lond on besteht noch Widerstand. Dennoch darf man hoffen, daß das Ende der Woche zugleich das Ende dieses Ausstandes sein wird, welcher Anfangs unheimliche Dimensionen an⸗
zunehmen drohte. ; . Die Hoffnung, daß der Strike der Kohlenarbeiter in den
Departements du Nord und Pas -de ⸗Calais demnächst ein Ende nehmen werde, ist nicht in Erfüllung gegangen. Wie dem Journal des Débats“ aus Lille gemeldet wird, ist in einer am 18. d. M. in Dorignies abgebaltenen Arbeiterversammlung beschlossen worden, den Strike weiter fortzusetzen.
Sozialistische Staatslieferungen. Wie dem Hamb. Corresp.' aus Brüssel geschrieben wird, baben sich die Sozialiffen eines Erfolges zu rühmen. Bei der Vergebung der Brotlieferung für das staatliche Lehrer- Seminar und das Militär⸗ Lajareth in der Stadt Gent für das nächste Jabr war die sonalistische kooperative Bäckerei der sozialistischen Arbeitervereinigung der Mindest⸗ . und erhielt den staatlichen Zuschlag für beide Staats nstitute.
Theater und Mufik.
Berliner Theater.
Hebbel's „Nibelungen“, die im Frühling dieses Jahres mit un gewöhnlich starkem Erfolge am Berliner Theater zum ersten Male in Scene gingen, kommen am Sonnabend, den 23. d. M., daselbst neu einstudirt zur Aufführung. Die Brunbild wird diesmal durch Martha Baumgart, die Kriemhild durch Marianne Bedekowiecs dargestellt, während alle übrigen Hauptrollen in den Händen der früberen Dar⸗ steller bleiben; so spielt Friedrich Basil, den Siegfried, Arthur Kraußneck den Hagen, Franz Jacobi den König Gunther u. s. w.
Lessing⸗ Theater. (. Die nächste Novität fübrt den Titel „Die Ebre“ und ist von
Hermann Sudermann verfaßt, der den Stoff und die Gestalten
seines Schauspiels aus dem Berliner Leben geschöpft und zum Tbeil in unserer heimathlichen Mundart zum Ausdruck gebracht hat.
Sing: Akademie. .
Der Pianist Hr. Ludwig Hirschberg, dessen künstlerische Leistungen bereits vortheilbaft bekannt sind, gab gestern im Saal der Sing ⸗Akademie ein Concert, in welchem er von dem Violinisten Hrn. Andreas Moser und dem Cellisten Hrn. Carl Piening unter- stützt wurde. Die drei auf der Königlichen Hochschule aus⸗ gebildeten Künstler vereinigten sich zuerst zum Vortrag des Schubert'schen Trios (B-dur) op. 99, das sie mit lobens ⸗ werther technischer Sicherbeit und mit richtigem Verständniß aus = führten. Der Concertgeber brachte noch in den 32 Variationen von Beethoben, fowie in der Sonate (op. 22) von Schumann und einigen Stücken von Kiel, Mendelssohn, Chopin und Thalberg die mehrfach anerkannten Vorzüge seines Spiels zur Geltung und erntete reiche Beifallsbezeugungen von Seiten des zahlreich erschienenen Publikums. Auch der Violinspieler trat noch mit einigen Kompo- sitionen von Bruch, Schumann ⸗Rudorff, und Brahmz-Joachim bervor und ließ jarte Tonbebandlung und innige Ausdrucksweise er⸗ kennen. Lebbaf ter Beifall folgte jedem seiner Vorträge.
Congerthaug. .
Kapellmeister Meyder veranstaltet morgen einen Liszt⸗Wagner⸗ Abend. Das Programm dieses Abends enthält von Liszt: die sym ⸗ . Dichtungen ß und „Mazeppa“, Rhapsodie
r. 1. und den Rakocip⸗Marsch; von Wagner: Eine Faust - Quver⸗ türe, „Einzug der Götter in Walhall‘ 4. d. Mustkdrama . Rhein⸗ gold‘, . Walters Preislied', „Träume“, Vorspiel zu ‚Tristan und Isolde' und „Isoldens Liebestod“ u. s. w.]
Für Selischte, eine arme deutsch-evangelische Gemeinde in den Wäldern Slavoniens, wird am Mittwoch, den 27. d. M., 73 Uhr Abend im Saale des Stadtmissions hauses (8W. Johannistisch 5) von einem Damencomits (Gräfin Andreas Bernstorff, Freiin Julie von Buddenbrock, Freifrau von Cramm ⸗ Burgdorf, Generalin von Döring, Frau Superintendent Krückeberg, Gräßn Schlippenbach, geb. Gräfin Sermage, Frl. A. und C. von Strubberg und Frau Ober- pfarrer von , ein Concert veranstaltet, in welchem die Hrrn. Oberpfarrer von Cölln. Brück und Superintendent Krückeberg- Berlin Ansprachen halten wollen und die Concertsängerin Frl. Emilie von Cölln, der Dratoriensänger Hr. Th. Hauptstein und der Königliche Concertmeister Hr. Fabian Rebfeld den musikalischen Tbeil gütigst übernommen haben. — Selischte ist eine vor vier Jahren gegründete Filiale von Essegg, in welcher die 129 armen Kolonistenfamilien mit bewundernswürdiger Energie und Opferfreudigkeit unter dankens werther Unterfstuͤtzung des Grundherrn, eines edlen katholischen Grafen, es im Laufe dieses Sommers möglich gemacht haben, den Bau eines Bet.. Schul! und Peedigerhauses zu vollenden. Nun sind aber die Mittel völlig erschöpst und durch den Ertrag dieses Abends soll die dringend erbetene Hülfe geschafft werden. Die Ein trittskarten zu 16,50 M für reservirte Plätze, sonst für den unteren Saal ju 1 Æñ, für die Emporen ju 50 J sind zu haben in dem Centralbureau der Stadtmission (Fobannistisch 6), in den Buchhand⸗ lungen: Blücherstraße 11. Mobrenstraße 27, Oranienstraße 196, Acker- straße 142, Behrenstraße 29, Thurmsttaße 14, in den Musikalien⸗ bandlungen des Hrn. Glas, Potsdamerstraße 26 und Französische⸗ straße 38, sowie Abends an der Kasse.
Mannigfaltiges.
Zur Feier des Geburtstages Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin Friedrich hatten heute die König lichen und Prinzlichen ., sowie die öffentlichen und zahl⸗ reiche Privatgebaͤude geflaggt.
In Gegenwart Ihrer Majestät der Kaiserin ist gestern Abend das neuerbaute Vereins baus des. Christlichen Vereins
junger Männer“ feierlich geweiht worden. Eine zablreiche glänzende Versammlung wohnte der Feier hei, welche Gesang und ein Eingangsgebet des Pastor Knak einleiteten. Hierauf nahm der Vereins⸗ Präfes, der Königliche Oberförster von Rotbkirch, das Wort, um junächst der Kaiserin für ihr Erscheinen zu danken und die von einer beiligen LZiebe zum Volke getragenen Zwecke und Bestrebungen des Vereins in kurzen Zügen darzulegen. Die Zahl der Mitglieder, die sich bisber in den Jahren des Bestebens angeschlossen, beträgt 3833. Der Verein rekrutirte sich aus 28 verschiedenen Berufsständen, 1600 sind Handwerker, S800 Kaufleute, 450 Studenten. 4 bis 500 Mitglieder nahmen thätigen Antheil an der Vereinsmission, 34 widmeten sich berufsmäßig der Mission. o0 Freunde und Gönner stehen dem Verein helfend zur Seite. Mit Worten des Dankes für Alle. die an dem Bau des Hauses mitgewirkt, schloß der Redner. Hierauf sprach General ⸗Superintendent D. Brückner das Weihegebet und den Segen, worauf die Kaiserin mit den Ehren⸗ ästen einen Rundgang durch das Gebäude unternabm. In der Turn⸗ alle, die zunächst betreten wurde, führte eine Musterriege einen Reigen auf, worauf die Nationalhomne gesungen wurde Im Schleswig⸗ Holstein⸗ Zimmer erfolgte die Vorstellung des Vorstandes und der
dem Verein
Wohnunggverhältniffe seit der Entfestigung der Stadt sich für einen großen h aᷣ des . gebessert haben.
treten. Unter diesen Umständen werden die Angestellten der London Road Car Company verfuchen, die Bediensteten der General Omnibus
beiden Baumeister. In diesem Zimmer geruhte Ihre Majestät auch