1889 / 284 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 27 Nov 1889 18:00:01 GMT) scan diff

Der Landgerichts⸗Präsident Dr. von Rotteck trat diesem Antrage reich Ungarns

bei und schlug gleichzeitig vor, derselben Kommission auch den Gesetzentwurf, betreffend das Recht zur Ausübung der Fischerei zu überweisen, da auch dieser Entwurf wesentlich juristische und Verwaltungsfragen berühre. Der Vorschlag des Präsidenten wurde hierauf angenommen und von dem— selben beantragt, auch den weiteren Gesetzentwurf, betreffend das Recht zur Ausübung der Fischerei derselben Kommission zu überweifen. Die Kammer trat auch diesem Vorschlage hei und vertagte sich darauf bis zum Nachmittag. In der Nachmittags⸗Sitzung wurde sodann der Gesetzentwurf, betreffend die Steuererhebung in den Monaten Dezember 1889, Januar und Februar 1890 einstimmig angenommen.

In der Zweiten Kammer übergab der Staats⸗ Minsfter Dr. Turban einen Gesetzentwurf, betreffend die Versfiche rung der Rindviehbestände. Auf der Tages⸗ ordnung stand die Bildung der ständigen Kom⸗ misfionen. Die neugewählte Budgetkommission konstituirte sich sofort und wurde auf Antrag der Kammer um 12 Mit⸗ glieder verstärkt, um sofort in die Berathung des Gesetz⸗ entwurfs, betreffend die Forterhebung der Steuern, ein⸗ zutreten. Nach einer kurzen Pause erschienen die Mitglieder der genannten Kommission wieder im Saale, in deren Namen der Abg. Friderich über den Gesetzentwurf berichtete und den Antrag' auf Zustimmung zu der Regierungsvorlage stellte. Der Abg. IJleichert bemerkte, daß bei, der gegen⸗ wärtigen Lage der Landwirthschaft viele Leute ihre Steuer nicht bezahlen könnten; es möge die Regierung auf Mittel denken, in wie weit die Behörde diesen Leuten Steuernachlaß gewähren oder doch einen anderen Termin gestatten könne. Der Abg. Friderich glaubte, die Kammer sei nicht in der Lage, dahingehende Vorschläge machen zu können. Der An—⸗ trag der Budgetkommission wurde hierauf angenommen und 24 i hir der Kammer sofort der Ersten Kammer mit— getheilt.

Hessen. Darmstadt, 25. November. (Darmst. Ztg.) Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Christian zu V ler nig, Bork ein ist heute nach Wiesbaden zurück— gereist.

Sachsen⸗Coburg⸗ Gotha. Coburg, 25. November. (Cob. Itg.) Se. Hoheit der Herzog ist gestern aus Golha wieder hier eingetroffen.

Schwarzburg⸗Sondershausen. Sondershausen, 26. November. (Reg u. Nachr-Bl.) Gestern trafen zu mehr— tägigem Besuch am hiesigen Hofe Ihre Hoheiten der Herzog, die Herzogin und die Prinzessin Alexandra von Anhält, sowie Se. Durchlaucht der Prinz Albert zu Sachsen-Altenburg ein.

Waldeck. Arolsen, 23. November, Der Landtag der Fürstenthümer Waldeck und Pyrmont erledigte in heutiger Plenarsitzung die in den Kommissionssitzungen vorberathenen Vorlagen. Den Hauptgegenstand der Beschlußfassung bildete die Feftstellung des Staatshaushalts-Etats für die Jahre 1890, 1891 und 1892 welcher nach der Vorlage ein⸗ stimmig genehmigt wurde. Der Etat schließt in Einnahme und RUusgabe pro 1890 mit 1201420 6 81 , pro 1891 mit 1187 810 S O2 und pro 1892 mit 1186 802 ,S½ 2 8 in der laufenden Verwaltung ab. Der Zuschuß der preußischen Staatskasse beträgt wie bisher Il 566 S jährlich, der Antheil an dem Ertrage der Zölle und der Tabacksteuer ist zu 182 140 S6, der Antheil an dem Ertrage der Verbrauchsabgabe vom Branntwein zu 133 600 und der Antheil an dem Ertrage der Reichs-Stempelabgaben für Werthpapiere 2c. zu 24100 6 pro Jahr in Einnahme gestellt. Die Matrikularbeiträge sind zu 268 227 6 pro Jahr ver— anschlagt. Die gesteigerten Erträge aus den Zöllen 2c. haben es ermöglicht, einem langgehegten Wunsche des Landes entgegenzukommen, nämlich die Gehalte verschiedener Beamten⸗ klaffen aufzubessern und zu Dienstalterszulagen für Volks⸗ schullehrer und Lehrerinnen jährlich 13 590 6, sowie zur Verbesserung der äußeren Lage der Geistlichen aller Bekennt⸗ nisse jahrlich 12 750 in den Etat einzustellen. Der Etat für die Immobiliar-Feuerversicherungs⸗ Anstalt für die nächsten 3 Jahre wurde ebenfalls genehmigt; des⸗ gleichen ein Gesetzentwurf, betreffend die Abänderung des Art. 52 der Forstordnung von 1853, wonach der Kostenbeitrag der Waldeigenthümer für die technische Bewirthschaftung und den Forstschutz der unter Verwaltung des Domaniums stehenden Interessenten - und Kommunal- zc. Waldungen von L I auf 1 16 50 Y pro Hektar erhöht wird. Außerdem wurde die Staatskassen-⸗Rechnung vom Jahre 1887 geprüft und die vorgekommenen Etatsüberschreitungen genehmigt. Nach Erledigung noch einiger weiterer kleinerer Vorlagen erklärte der Landesdirektor von Saldern im Allerhöchsten Auftrage Sr. Majestät des Königs von Preußen den Landtag für geschlossen. Nach einem dreifachen Hoch auf Se, Majestät den König von Preußen und auf Se. Durchlaucht den n zu Waldeck und Pyrmont trennte sich die Ver— ammlung.

Oestterreich⸗ Ungarn. Wien, 26. November. (W. T. B.) hre Majestät die Ka iserin besuchte heute in Begleitung der rau Massicault, Gemahlin des gan r chen General ⸗Resi⸗

benten, und der Frau des österreichisch ungarischen Vize⸗ Konsuls Valensi den Harem in Tunis. Morgen wird der Aviso „Miramare“ La Goletta wieder verlassen.

Prag, 26. November. Der böhmische Landtag er⸗ ledigte gestern den Landes voranschlag und wurde darauf auf Grund Allerhöchster Ermächtigung durch den Statthalter Grafen Thun vertagt. Eine sehr erregte Debatte wurde dadurch hervorgerufen, daß, wie wir der „Wien. Ztg.“ ent⸗ nehmen, von jungezechischer Seite die Einreihung des Namens Huß in die Gedenktafeln im Museum beantragt wurde. Prinz Karl Schwarzenberg bezeichnete die Hussiten als Räuber und Mord⸗ brenner und die . als Neuhussiten, was diese mit demonstrativem Lärm aufnahmen. Zuletzt wurde eine Re⸗ solution des Prinzen Schwarzenberg: der Landes⸗Ausschuß möge Sorge tragen, daß bei der Auswahl der Namen für die Museumgedenktafeln die religiösen Gefühle nicht verletzt würden, an die Kommission verwiesen,

Bu dape st, 2ñz. November. (W. T. 69 In der heutigen Sitzung des Untexhauses betonte Joka bei der Fort⸗ setzung der Berathung des Budgets in einer sehr beifällig aufgenommenen Rede die Unerläßlichkeit des engsten Ansfchlusses Ungarns an Oesterreich, und der Unterstützung der auswärtigen Politik Oester—

nicht nur moralisch, sondern auch thatkräftig und, wenn nothwendig, mit Gut und Blut. Der Dreibund bilde eine Trias, welche den euro⸗ päischen Frieden lange Zeit vor Umsturz schütze. Der Redner hob fodann die ausgezeichneten Verdienste Tisza's hervor, Graf Apponyi rechtfertigte die Haltung der Opposilion und sprach sich gegen das Budget aus; die Beseitigung Tisza's sei die Vorbedingung für ersprießliche Reformen.

Gronbritannien und Irland. London, 265. November, Die amtliche „London Gazette“ veröffentlicht, wie „m. meldet, eine von Lord Salisbury u. d. 21. d. M. an den englischen Gesandten Petre in Lissabon gerichtete Rote, in welcher er energisch gegen die portugiesischen Dekrete vom 9. d. M. protestirt und daran erinnert, daß Mashona-Land unter englischem Einfluß stehe; England erkenne kein Recht ö über jenes Land noch überhaupt nördlich des Zambesi an. Außerdem weist Lord Salisbury in dem Dekret den englischen Gesandten an, den Protest vom 13. August 1887 zu erneuern. .

In Elswick lief, der „A. C.“ susolge am 25. d. ein für die australischen Kolonien gebauter neuer Kreuzer vom Stapel. Das Schiff ist gänzlich aus Stahl gebaut; die Armatur besteht aus 16 hr nf her Kanonen verschiedenen Kalibers, mehreren Mitrailleusen und vier Torpedoröhren. Die Besatzung wird 199 Mann stark sein. Die Kosten des Schiffes stellen fich auf nahezu 150 900 Pfd. Sterl. Der Kreuzer er⸗ hielt den Namen „Pelorus“.

Frankreich. Paris, 26. November. (W. T. B) Die Deputirtenkammer erklärte in ihrer heutigen Sitzung die Wahl Dillon's, sowie die Arnault Montauban's, die letztere wegen des von den Klerikalen ausgeübten Drucks, für

ungültig.

Italien. Rom, 26. November. (W. T. ) Die Depuütirten-Kammer hat in ihrer heutigen Sitzung den bisherigen Präsidenten Biancheri mit 242 von 267 Stimmen wiedergewählt.

Spanien. Madrid, 27. November. (W. 37 I9n der gestrigen Sitzung der Kammer erklärten der Minister des Innern und der Arbeits-Minister, daß auf Cuba voll—⸗ ständige Ruhe herrsche.

Niederlande. Einer Correspondenz der „Weser⸗-Ztg.“ aus Amsterdam zufolge gehört zu den Gesetzentwürfen, mit welcher die Zweite Kammer nach der Behandlung des Budgets in erster Linie sich zu beschäftigen haben wird, auch ein Antrag, betr. die Einfuͤhrung von Schutz zöllen gegen die Einfuhr von Korn, und zwar sollen gelegt werden: auf Weizen ein Zoll von 120 Fl. per 100 kg, auf Roggen von G60 Fl. per 100 kg, und auf Mehl, ohne Unterschied, ob es Weizen⸗ oder Roggenmehl ist, 240 Fl. per 100g. Dieser Antrag hat bereits seit mehreren Monaten eine allgemeine Adressen⸗ bewegung hervorgerufen. Die meisten Landwirthe in den süd⸗ lichen, überwiegend katholischen Provinzen unterstützten den Antrag ihres Führers in der Zweiten Kammer, Hr. Bahl⸗ mann, und die Industriellen schlossen sich an. Die Frei⸗ händler haben jetzl aus allen Provinzen ebenfalls Adressen an bie Zweite Kammer gerichtet, worin gebeten wird, den Antraß Bahlmann abzulehnen. Die Adresse, welche die Groß⸗ kornhändler einsandten, ist von allen großen Amsterdamer Firmen unterschrieben. Ob der Antrag der Schutzzöllner werde angenommen werden, sei so bemerkt der Korrespondent noch ungewiß. Die große Mehr⸗ heit der katholischen Partei sei schutzzöllnerisch, und auch ein Theil der anti-revolutionären Partei sei nicht abgeneigt, den Antrag zu unterstützen; allein des⸗ halb sei die Annahme des Entwurfs keineswegs gesichert. Jedenfalls aber sei es gewiß, daß die liberale Erste Kammer die Einführung von Schutzzöllen niemals gutheißen werde.

Belgien. Der Arbeitsplan der Antisklaverei⸗ Konferenz ist, wie der M. „Allg. Ztg.“ berichtet wird, nunmehr endgültig festgestellt; die Organe derselben sind in Funktion getreten, und man darf hoffen, daß die Verhandlungen ohne Ünterbrechung den Zielen werden zugeführt werden. Die türkische Regierung hat über ihre Stellung zur Sklavereifrage fuͤr die Antistlaverei-Konferenz eine Denkschrift ausarbeiten lassen, in welcher sie ausführt, daß die aus Afrika fo rt⸗ ,,, und als Sklaven in die mohammedanischen

änder eingeführten Schwarzen nicht zu beklagen seien. Diese

Sklaven würden mit Milde behandelt und seien glück— licher daran, als wenn sie inmitten der fortdauernden blutigen Kriege in ihrem Heimathslande verblieben, Günstiger stellt' sich die persische Regierung zur Antisklavereifrage, Auch diese Regierung ist, wie ihr Bevollmächtigter auf der Brüsseler Konferenz, General Nazare-Agha, erklärt, davon überzeugt, daß die nach den mohammedanischen Ländern fortge⸗ schafften afrikanischen Neger durch diesen Wechsel in hohem Maße gewinnen. Dagegen gesteht sie ein, daß ihr Wohlbefinden Tausen⸗ den anderer Neger, welche die Sklaven jäger erworben, das Leben kostet. Der General wird daher auf der Konferenz sich zu Gunsten der Schließung der Sklavenmärkte aussprechen. Hinsichtlich dieser stehen sich jedoch die Anschauungen noch schroff gegenüber; mehrere Regierungen wollen dieselben auf alle Fälle, selbst mit Gewalt, unterdrücken; andere Regierungen sind für ein schonendes, friedliches Vorgehen, damit diese Märkte allmählich verschwinden.

Der Präsident, Baron Lambermont, hat, wie man der M. „Allg. Itg.“ schreibt, Namens der Konferenz den englischen Konsul in Zanzibar, Smith, angewiesen, Stanley und Emin unmittelbar nach deren Eintreffen in Zanzibar einzuladen, nach Brüssel zu kommen, um inmitten der Konferenz zu erscheinen. Auch der König der Belgier hat perfönlich den gleichen Wunsch nach Zanzibar gelangen lassen. Die Vernehmung des Bischofs Brin cat, Koadjutors des Kardinals Lavigerie, ist von Seiten der Konferenz ab⸗ gelehnt worden.

Türkei. Konstantinopel, 27. November. (W. T. B.) Der Kaiserliche Ferman, betreffend die Amnestie für Kreta wird durch den Admiral Achmed Ratib Pascha überbracht werden. General von Hobe Pascha begiebt sich morgen nach Ber lin, um im Auftrage des Sultans 6 edle arabische Pferde dorthin zu bringen, von denen 2 für Se. Majestät den Kaiser Wilhehm, und je 1 für Ihre Majestät die Kaiserin, Se. Königliche Hoheit den Prinzen Heinrich, den Herzog Friedrich. Wilhelm von Mecklenhurg— Schwerin und den Staats⸗-⸗Minister Grafen Bismarck be⸗ stimmt sind.

seien im

Griechenland. Athen. (P. C.) Das Budget für das . 1890 schließt mit einem Ueberschuß von 2 8585 735 Brachmen ab. Dasselbe setzt sich aus folgenden Positionen zusammen: Einnahmen: Direkte Steuern 20 167 230 Dr., Konsumsteuern 28 J65 919 Dr., Zölle 15 986 900 Dr., Monopole 8 993000 Dr., Pachtertrag und anderweitige Einkünfte der Staatsgüter 7065 660 Dr., voraussichtliche Ersparnisse am Ausgaben-Etat 2720900 Dr., verschiedene Einkünfte 3 345 009 Dre, Stra ßenbaufonds 3 378 915 Dr., Leuchtthurmfonds 450 000 Dr., Gemein dezölle 56 000 Dr., internationale Telegraphengebühren 340 000 Dr. zusammen 9g3 967 720 Dr. Ausgaben; Dienst der Staatsschuld 39 587219 Dr., Pensionen 880 144 Dr., Ciyilliste des Königs und Apanage des Kronprinzen 1325000 Dr., gesetz⸗ gebender Körper 401 658 Dr., Ministerium des Aeußeren 2 263 154 Dr., JustizMinisterium 5 133 878 Dr., Ministerium des Innern L721 930 Dr., Kultus⸗ und Unterrichts⸗ Mini flerium 3222 990 Dr., Kriegs Ministerium 18 137 000 Dr., Marine⸗Ministerium 4 830 824 Dr., Finanz⸗Ministerium L464 318 Dr., Verwaltungs- und Steuexreinhebungskosten 8413376 Dr., verschiedene Ausgaben 6 400500 Dr.; zu— sammen 91 081 985 Dr.

Amerika. Washington, 25. November. (A. C.) Der Ausschuß des pan-amerikanischen Kongresꝙes für die Prüfung von Beglaubigungsschreiben hat sich zu Gunsten der Fulassung der brasilignischen Delegirten zu dem . geäußert. Der diesbezügliche Bericht wurde ge— nehmigt.

Brasilien. Im Auswärtigen Amt zu Paris sind, dem „W. T. B.“ zufolge, Depeschen aus Brasilien eingelaufen, welche berichten, daß bisher noch keine Regierung die Republik anerkannt habe. Die Regierung in Brasilien warte übrigens den Beschluß der demnächst zusammentreten— den konstituirenden Versfammlung ab, um alsdann für die von der Versammlung beschlossene Regierungsform die Anerkennung nachzusuchen. Die französischen Vertreter in Brasilien haben Instruktionen erhalten, die bisher zwischen Frankreich und Brasilien bestandenen Beziehungen auch ferner⸗ hin aufrecht zu erhalten.

Der brasilianische Finanz-Agent in London, De Castro, dementirt Namens der bhrasilianischen Regierung die Gerüchte, daß die Telegraphenkabel unter der Kontrole der provi⸗ sorischen Regierung ständen. Dem Depeschenverkehr würden nicht die mindesten Hindernisse bereitet. Er erklärt auch: der Kredit der Regierung werde aufrecht erhalten und alle vorher eingegangenen Verbindlichkeiten würden respektirt werden.

Afrika. Egypten. Kairo, 25. November. Die im Budget für 1890 vorgeschlagenen Maßregeln für den Wegfall gewisser, besonders die ärmsten Klassen der Bevölkerung drückenden Steuern haben, wie ein Telegramm des „R. B.“ meldet, im Lande allgemeine Billigung gefunden, und es sind große Abordnungen aus den Provinzen in Kairo angekommen, um dem Khedive und der Regierung für die dadurch dem Volke erwiesenen Wohlthaten zu danken. == Weiteren Nachrichten aus Wady Halfa zufolge setzten die Derwische ihre Ein fälle in Abessinien fort. Da der größere Theil der Aequatorial-Provinzen jetzt in der Gewalt der Derwische ist, haben diese eine größere Streitmacht für Operationen anderwärts verfügbar. Bei Om durman wird, wie schon mitgetheilt, eine Streitmacht zur Verstärkung der Derwische in Dongola angesammelt. Der Khalif, hat die Haupt⸗-Emirs nach Smdurman entboten, und es heißt, daß er aufs Neue in Egypten einfallen will. Die Derwische haben ihre Vorposten am Nil bis Suarda, 150 engl. Meilen südlich von Wady Halfa, vorgeschoben, ihre Patrouillen aber streifen bis Firket und hindern die Ein— wohner, nach dem Norden auszuwandern. Dennoch kommen Schagren von Flüchtlingen nach Wady Halfa. Der Khalif hat deshalb, um dies zu verhindern, den Emirs befohlen, die Leute milder zu behandeln. Einige Derwische sollen unweit Abu Hamed stehen; dieser Platz wird befestigt. Sir E. Baking ist am 22. d. von Assuan nach Wady Halfa abgereist.

Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (24) Sitzung des Reichstages, welcher die Staatssekretäre Dr. von Boetticher, Graf von Bismarck und Freiherr von Maltzahn-Gültz sowie andere Bevollmächtigte zum Bundesrath nebst Kommissarien beiwohnten, stand als erster Gegenstand auf der Tagesordnung der mündliche Bericht der Kommission für die Geschäfts— ordnung, betreffend die Frage über die Fortdauer des Mandats des zum ordentlichen Honorar-Professor an der juristischen Fakultät der Königlichen Friedrich Wilhelms⸗ Universität ernannten Abg. Dr, von Cuny.

Der Berichterstatter Dr. Porsch betragte Namens der Kommission, das Mandat für nicht erloschen zu erklären.

Ohne Debatte beschloß das Haus diesem Antrage gemäß.

Es folgte die Fortfetzung der zweiten Berathung des Entwurfs eines Gesetz es, betreffend die Feststellung des Reichshaushalts-Etats für das Etatsjahr 189091, und zwar des Spezial-Etats: „Auswärtiges Amt. Die Berathung wurde ö mit Kapitel 5 des Ordinariums „Gesandtschaften, Konsulate und Schutzgebiete“, Titel 111 (Kamerun).

Hierzu lag ein Antrag des Abg. Richter vor:

den Reichskanzler zu ersuchen, die Lokal ⸗Etats für das Kamerun⸗ gebiet das Togogebiet und das südwestafrikanische Schutzgebiet im nächsten Jahre durch Einverleibung in den Reichs haushalts⸗ Etat der Beschsußfassung des Reichétages zu unterbreiten.

Abg. Rlchter bezeichnete diesen Äntrag als unbedenklich und kam dann auf die Einfuhr von Spixituosen in die deutschen Schutzg biete zurück. Nach den Angaben Woermann ' Jahre 1888 nach Kamerun 1765 00, nach 17056066 1 eingeführt worden. Gegenüber den gestrigen Erklärungen des Geheimen Raths Krauel sei es doch von ichtigkeit, zu erfahren, wo denn und von wem dieser Branntwein getrunken werde. Die Missionäre führten im Widerspruch mit diesen Erklärungen Klage über die demoralisirende Wirkung des Branntweins in den Schutzgebieten. Es würde sich empfehlen, in Kamerun und Togo den Zollsatz von Reu⸗Guinea, d. i. 60 pro Liter, einzuführen. .

Staatssekretär Freiherr von Maltz ahn wies bezüglich des Antrages Richter darauf hin, daß die gegenwärtige Buchung der Einnahmen und Ausgaben nicht einseitig von den verbündeten Regierungen, sondern mit Zustimmung und auf

Togo

eingeführt

sei. Die Ein⸗ einzelnen

Gebiete liefen sondern es werde nur Zuschuß des Reichs dazu im Etat aufge⸗ führt; die Buchung in dieser Weise sei allerdings nicht durch die Verfassung vorgeschrieben. Ein dringendes Bebürfniß zur Abänderung des Verhältnisses sei aber bis sezt nicht hervorgetreten. Sellte das Haus die Resolution bes Abg. Richter annehmen, so würden die verbündeten Re— gerungen in Erwägung ziehen, ob es angezeigt sei, ihr Folge u geben. , ̃ g Rh. Dr. von Bennigsen beantragte die Ueberweisung des Antragè an die Budgetkommission, da eine Frage von solcher Frheblichkeit nicht gut im Plenum ohne Weiteres entschieden werden könne.

Abg. Dr. Ham macher nahm auf Grund, des Gesetzes über die Schutzgebiete vom Jahre 1886 die Finanzhoheit in den Schutzgebieten für den Deutschen Kaiser in Anspruch; diese Finanzen seien deshalb nicht so zu behandeln wie die allgemeinen Finanzen des Reichs. Auch aus wirthschaftlichen Gründen empfehle sich die Ablehnung des Antrags Richter.

Nach einigen kurzen Bemerkungen der Abgg. Richter und Baum bach wurde die Diskussion geschlossen, der Antrag FRichter der Budgetkommission überwiesen und der Titel selbst bewilligt. (Schluß des Blattes.)

(Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Reichstages befindet sich in der Zweiten bezw. Dritten Beilage.)

regung des Reichstages . und Ausgaben der

nicht durch den Etgt,

Die Kommission für das Sozialistengesetz trat gestern Abend in die zweite Lesung der Vorlage ein. Die ersten 23 Para— graphen wurden ohne erhebliche Debatte angenommen. Die in erster Lefuͤng beschlossenen Abänderungen Lingen gegen die Stimmen der Deutschkonservativen durch. Die weitere Verhandlung, namentlich sber 8. 24 (Ausweisungsbtfugniß) sowie über die Dauer des Gesetzes, wurde auf Antrag des Abg. von Helldorff, welchem die Abgecrdneten Pr. von Marquardsen und Dr. Windthorst zustimmten, vertagt, damit zunächst die Fraktionen Stellung zu den streitigen Fragen nehmen können. Dle nächste Sitzung wurde auf Mittwoch, 4. Dezember,

anberaumt.

Der Verwaltungsgerichte⸗Direktor von Ro senberg⸗ Gruszezynski, Mitglied des Hauses der Abgeord—

neten für den 5. Düsseldorfer Wahlbezirk (Essen, Mülheim 1. d. Ruhr, Duisburg und Ruhrort), hat, der „Köln. Itg.“ zufolge, sein Mandat aus Gesundheitsrücksichten niedergelegt.

Zeitungsstimmen.

Ueber die gestrigen Reichstags⸗-Verhandlungen schreibt die „National-Zeitung“:

„Die gehässige Feindseligkeit gegen jede Ausdehnung der über⸗ seeiscken Interessen Deutschlands hat heute den Führer der Deutsch-Freisinnigen, Hrn. Richter, zu einem Verhalten ver⸗ führt, dessen Gefährlichkeit für die Partei schließlich auch der Fraktionsgenosse Hr. Dr. Bamberger einsah und zu mildern ver— fuchte; ez war aber zu srät. Um es mit einem Wort zu sagen: während über die Ansprüche des deutschen Handels im Niger— gebiet eine diplomatische Verhandlung mit England schwebt, suchte Hr. Richter in tendenziösester Weise Gründe geltend zu machen, welche gegen die deutschen Forderungen zu verwerthen wären! Ez handelte sich um die in dem Weißbuch über das Niger— gebiet dargelegten Verhältnisse. Hier kommt in keiner Weise „Kolonialpolitik in Frage. Der Anspruch auf Gleichberechtigung, vescher in diesen Gegenden allen Stationen vertragsmäßig ver— bürgt ist, wurde zu Gunsten der monopolistischen Bestrebungen der Foyal Riger Company deutschen Kaufleuten gegenüher verletzt. Zu jeder Zeit, auch ehe von Kolonialpolitik überhaupt die Rede war, hat man von der Regierung des Reiches gefordert, daß sie solche An⸗ sprüche vertrete; man hat es in Preußen vor 1866 auch von der preu⸗ ßischen Regicrung verlangt, und sie Hat es nach Möglichkeit gethan. Aber eine der Klagen, welche vor der Begründung des Nationalstaates sberall ertönte und deren Abstellung man in erster Reihe von dem selben erwartete, war, daß der nichtpreußische Deutsche im Auslande schutzlos war. Jetzt aber, 20 Jahre nach der Einigung Deutschlands, mißkraucht ein Abgeordneter den Reichstag dazu, der Wahrnehmung folcher Interessen entgegenzuarbeiten! Als Hr. Richter merkte, daß er sich zu weit vorgewagt, wollte er nur dasselbe gesagt haben, wie der Reichskanzler vor einem Jahre bei der Erörterung der näm · lichen Angelegenheit. Cine vergebliche Ausflucht! Hr. Richter hat nebenbei auch etwas erwähnt, was damals Fürst Bismarck betonte; namlich, daß durch die monopolistischen Bestrebungen der Royal Riger Company auch Interessen englücher Privatleute verletzt werden, und daß deshalb auch im englischen Parlament und in der englischen Presse gegen diese Uebergriffe angekämpft werden sollte. Aber das war in den ersten Reden des Hrn. Richter ganz neben⸗ fächlich; seine hauptsächliche Argumentation ging dahin, daß dieselben Klagen, welche zu Gunsten der deutschen Forderungen gegen die Royal Niger Company erhoben werden, sich auch gegen die deutschen Ko—2 sonial⸗Gesellschaften in Ost -Afrika und in Neu-Guinea er heben ließen! Die Abgg. Dr. Hammacher und Wör mann haben die Haltlesigkeit dieser Behauptung nachgewiesen. Gleichwohl ist nicht ausgeschlossen, daß man sie sich in England gegen die deutschen Interessen aneignet mit der naheliegenden Argumentation, daß sie doch wobl begründet sein müsse, da fogar der Führer einer deutschen Partei sie im Deutschen Reichs“ tage aufgestelll. Wir hoffen indeß, daß wenigstens die maßgebenden Persönlichkeiten in England darüber im Klaren sein werden, wie es nur eine kleine und ifolirte, im deutschen Volkéleben immer mehr an Einfluß verlierende Partei ist.“

Zu der Diskussion über die Arbeiterschutzanträge am Montag im Reichstage bemerkt die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“:

Obwohl der im Namen der Antragsteller die Diskussion er— öffnende Abg. Hitze sich darauf berief, diese Anträge seien keine Partei⸗ anträge mehr, sondern solche des ganzen Reichstages geworden, so daß alfo zu vermuthen gewesen wäre, von keiner Seite wesentliche Be denken arftauchen zu sehen, begegnet man in den Verhandlungen diefem Eingeftändniß nicht. Im Gegentheil, von fast allen Seiten regnete es Bedenken, Bedenken oft gerade in den fundamentalsten . Bedenken, die z. B. bei dem für die Nationalliberalen prechenden Abg. Duvigneau so weit gingen, daß, falls denselben Rechnung getragen würde, vom Inhalt des vorhandenen Eesetzentwurfs nichts übrig bleiben würde. Jede einzelne Bestimmung des letzteren erfuhr, wenn auch von verschiedenen Ausgangspunkten, eine tiefeinschneidende Kritik, nicht nur durch Hrn. Tuvigneau, sondern auch durch andere Redner; dessen ungeachtet, kamen aber fast alle Redner in ihrer Schlußkonklusion darauf hinaus, die Anträge der Herren Hitze und Fr Lieber annehmen zu wollen. Wie dieses merkwürdige Ergebniß zu Stande gebracht wurde, daraus fällt aus der Rede des Abg. Schrader einiges Licht. Dieser Wortführer der „freisinnigen Sozial reformer“ meinte, die verbündeten Regierungen hätten eigentlich die Pflicht gehabt, dem Reichstage das thatsächliche Material zu liefern, um seine w verfolgen zu können; dieser Pflicht feien die verbündeten Regierungen nicht nachgekommen; es wäre also dem Reichstage nichts Anderes übrig geblieben, als sich das Material ur Beurtheilung des Thatbestandes selbst zu beschaffen. Dieses könne dadurch gefchehen, daß, entsprechend dem englischen Parlaments gebrauch,

eine parlamentarische Kommission für das Studium dieser Aufgaben

eingefetzt würde, welche das Material zu beschaffen hätte, Zeugen ver⸗ nehmen könnte, sodaß auf diese Weise ein Gesetzentwurf vor⸗ bereitet würde. Aber big heute sei dieser Weg nicht eingeschlagen und könne auch im Augenblick nicht gegangen werden; so sei nur der Ausweg geblieben, fich im Reichstage über diejenigen Punkte zu verständigen, über die man im Wesentlichen materiell übereinstimme. Wie es mit dieser materiellen Uebereinstimmung beschaffen ist, zeigten aber doch gerade die auch vorgestern wieder von Seiten der den An— trägen Zustimmenden vorgetragenen Bedenken. Aber abgesehen auch von die em gewiß nicht unwichtigen Punkt, dürfte die Darstellung des Hrn. Schrader nicht zutreffen. Unseres Wissens haben doch die ver bündeten Regierungen dem Reichstage Material geliefert, . B. betreffs der Sonntagearbeit, aber Hr. Schrader hat aus diesem Material eben andere Folgerungen gezogen, als die verbündeten Re⸗ gierungen, und über diesen Umstand hilft er sich dann einfach damit hinweg, daß er fagt: der Reichstag versteht mehr von diesen Dingen als der Bundeßrath; die großen industriellen Arbeiterfreunde, wie He. Hitze, außerdem die Soßialdemokraten sind ja einig. Allerdings ift es ja verstaͤndlich genug, weshalb der Deutschfreisinn in diesen Fragen eine so überaus merkwürdige Rolle spielt; für die Wahlen braucht man ein nachgewiesenes Quantum von Arbeiterfreundlichkeit, man muß ort betheuern können, mit dem „herzlosen Manchesterthum“ nunmehr gründlichst und definitiv gebrochen zu haben; deshalb muß man! Zwar fchon neulich, als über die wegen dieses Müssens vom Freisinn deantragte Resolution verhandelt wurde, mittelst deren man sich viel⸗ leicht davor zu schützen beabsichtigte, diese formulirten Anträge an⸗ nehmen zu müässen, hat Hr. Dr. Windtherst darauf hingewiesen, daß er nicht verstehen könne, was das Jagen der Freisinnigen nach der Grörterung diefer Fragen bedeuten folle; ‚indessen so sagte Hr. Windthorst es werden doch wohl bei dieser Art ses Vorgehens so fleine andere Gründe mit unterlaufen, die ich, um die Eintracht nicht zu stören lieber für mich behalte‘. Pure Arbeiterfreundlichkeit war es also nicht, die vorgestern im Reichstage das Wort führte, dafür bat man das Zeugniß des Hrn. Windthorst, der wohl, über die Coulissenmotive Derer informirt sein wird, die den Anträgen seiner Partei beipflichten wollen.“

Die it alten ische Thronrede findet in der „Köl— nischen Zeitung“ solgende Beleuchtung:

„Die Utalienische Thronrede athmet jene eigenartige Mischung von kraͤftiger Würde und peinlicher Sorge um das Volkswohl, die in dem Ursprung der Monarchie in Italien ihren Quellpunkt hat. Eingedenk der Bewegung, die seine Dynastie „durch den Willen der Ration! auf den Thron berufen hat, ist das Streben des Königs, diesem Willen der Nation in den versassungsmäßen Grenzen einen möglichst unverfälschten Ausdruck zu ermöglichen und ihn in seinen Regierungshandlungen zur Geltung zu bringen König Humbert ist deshalb stol; darauf, den von seinem Vater begonnenen Bau vollendet und die Gleichheit aller Bürger durchgeführt zu haben, er und jeder Italiener mit ihm ist stol; darauf, daß nach kaum 30 Jahren sein Land auf einer Höhe steht, die andere Nationen erst nach jabrhundertelangem Mühen erreichten, Und er faßt sein Königliches Streben in den schönen Leitsatz: .Ich will, daß der Ruhm meiner Herrschaft hauptsächlich in dem Wohlergehen der kleinen Leufe bestehe, damit aus der Uebereinstimmung Aller der größte Ruhm für Italien erwachse'. Die soeben nach dem er— weiterten Wahlgesetz vollzogenen Gemeinderaths- und Provinzial⸗ wahlen gaben der Regierung einen vollkommenen Anhalt zur Prüfung der Volksmeinung, und ihr Ausfall bestätigte ihr, daß sie, wenn auch nicht der Uebereinstimmung aller, so doch der Billigung der großen Mehrheit des Volks sicher ist. In dem Bewußtsein dieses kräftigen Rückhalts entwirft die Regierung der Volksver— tretung das Programm, dem sie zu folgen gedenkt. In der aus— wärtigen Politik halt Italien unentwegt fest am, Dreibunde und seiner aufrichtigen, auf der Kraft begründeten Friedens liebe. Im Gegensatz zu dem Abschließungssystem, dem Frankreich zuneigt, be⸗ stätign die Thronrede die Ankündigung Crispi's, daß Italien die Unterscheidungszölle gegen Frankreich aufheben wird, und benimmt damit den französischen Schutzzöllnern und Chauvinisten den Vor— wand, unter dem bisher der Abbruch der handelspolitischen Be⸗ ziehungen der beiden Lander Italien zur Last gelegt wurde. Als werthvolle Errungenschaft der auswärtigen Politik wird dann die Umgestaltung in Abessinien, die Italien zu thbätiger Mitwirkung in die Reihe der großen Kolonialmächte beruft, hervorgehoben und die Ausfälle Mißgzünstiger mit der einfachen Parade zurückgewiesen: „Der Erfolg fällt denen zu, die ihn zu verdienen wissen Auch auf die innere Politik eröffnet die Thronrede einen erfreulichen Ausblick. Sie weist weitere Ansprüche an die Steuerkraft des Landes klar und deutlich ab und stopft den Zweiflern im In und Auslande den Mund, indem sie die Thatsache, daß die Krisis überwunden ist, mit dem Königlichen Worte deckt. Wie die übrigen Staaten, die durch die Kraft ihrer Wehrfähigkeit sich nach außen gesichert wissen, hält auch die Regierung des Königs von Jitalien die Zeit für gekommen, da die Volksvertretung sich mit der Her— stellung des inneren Friedens, dem Studium der sozialen Fragen zu beschäftigen hat, und wird ihr demgemäß bestimmte Vorlagen über die Reform der Wohlthätigkeitsanstalten, die Lebens- und Unfall versicherung der Arbeiter, die Vereinheitlichung des Elementar⸗ Unterrichts und andere unterbreiten. Sache des Parlaments ist es, der Führung der Regierung auf dem Wege, den sie ihm gewiesen, zu folgen; weicht es ab, so ist der König gezwungen, sich andere Berather zu wählen, aber an der von Crispi befolgten auswärtigen Politik werden auch sie festhalten, das hat Nicotera, als er vor Kurzem die Leitung der Opposition übernahm, um jedem Mißverständniß im Auslande vorzubeugen, ausdrücklich erklärt.“

Neue Berichte über Stanley und Emin Pascha be— finden sich in der Ersten Beilage.

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur wirthschaftlihen Lage.

In der Stadt Koblenz hat sich der Wohlstand der Einwohner schafk im Allgemeinen gehoben. Wenn auch verschiedene Inhaber stebender Gewerbe hei dem Ueberhandnebmen kaufmännischer Betriebe über ungenügenden Ertrag klagen, so haben doch die gutfundirten Ge— schäfte befriedigenden Absatz und die Arbeiter aller Klassen hinreichenden Verdienst. Leider wird der letztere von einem großen, an Sparsam⸗ keit nicht gewöhnten Theile der Arbeiter der Vergnügungesucht ge⸗ opfert, und die häufigen, stets gut besuchten Lustbarkeiten in Stadt und Umgebung stehen in äußerem Widerspruch, aber innerem Zu— sammenhange mit der außerordentlichen Inanspruchnahme der Armen kasen. Anxererseits können die zwar geringe, aber doch vorhandene Zu⸗ nahme an Einlagen bei der städtischen Sparkasse durch die im Kleinen erwerbende Volksklasse, die Abnahme der Pfandleihen bei dem Pfand hause und die zur Aufführung gelangenden Bauten als Beweise dafür betrachtet werden, daß der Wohlstand im Allgemeinen bier in erfreu—⸗ licher Weise fortschreitet.

Kohlenförderungz und Absatz.

In der Kohlenbranche war, wie aus dem Regierungsbezirk Breslau berichtet wird, in den letzten drei Monaten reger Absatz; im Vergleich zum Vorvierteljahr nabm die Förderung um 24,5 osof, der Absatz um 28,2 G zu; ersterer betrug T796llt, letzterer 735 665 't“ Ebenso trat gegenüber dem gleichen Zeitraum im ver— flossenen Jahre eine Steigerung in Förderung und Absatz um 6,8 bejw. 66 ein. Der Bedarf an Kohlen ist ein großer, die Gruben können denfelben nur schwer decken; die jetzt verkürzte Arbeitszeit kann durch Mehrannahme von Arbeitern, an denen es mangelt, nicht aus— geglichen werden. In Folge dessen sind die Löhne über die nach

dem allgemeinen Strike eingetretene Erhöhung hinaus gestiegen und die Kohlenpreise haben neue Steigerung erlitten.

Der Kohlenmarkt befand sich im letzten Quartal auch im Re— gierungsbezirk Koblenz in fortwäbrender Aufregung; entgegengesetzt den früher herrschenden Verhältniffen hatten die Zechen nicht nötbig, Absatz zu suchen, sondern wurden mit Aufträgen förmlich bestürmt. Die in Folge des großen Strikes der Bergleute entstandene Kehlen⸗ noth, das Verschwinden der geringen Vorräthe, sowie das überall hervortretende Bestreben der, Bahnen, industriellen Unternehmer und Großhändler, sich vor Eintritt des Winters größere Vorräthe zu be schaffen, als sie feit Jahren üblich waren, stellten im Verein mit dem andauernd starken Konsum die Marktlage vollständig zu Gunsten der Zechen, welche dann auch nicht zögerten, dieselbe auszunutzen.

Die natürliche Volksvermehrung in Preußen 15879— 88.

Das natürliche Anwachsen der Bevölkerung, d. h. der Ueberschuß der Geburten über die Sterbefälle, ist in Preußen fast immer be— deutend gewesen. Zur Veranschaulichung stellen wir die bezüglichen Ergebniffe fur die letzten 10 Jahre hierunter zusammen. Es fanden statt:

Geburten Sterbefãlle einschl. der Todtgeborenen

1096519 711 337 10713832 735 749 1054725 724 166 108710 742 922 1070874 753 402 1094303 761 365 1108810 761 137 1118081 786 478 1125 064 756 213 5s 8öl 3633 708 209 425 789 14,8 . Demnach hat im letzten Jahrzehnt der natürliche Zuwachs sowohl überhaupt wie auch in seinem Verhältnisse zur jeweiligen Bevölkerung vielfach geschwankt; beide Ziffern erscheinen jedoch 1883 auf einer Höhe, wie sie vorher nicht erreicht worden war. Diese erfreuliche Thatfache verdient um so mehr hervorgehoben zu werden, als die Zahl der Geburten von 1884 ab ununterbrocken gewachsen. Diejenige der Sterbefälle dagegen (mit Ausnahme des Jahres 1886) trotz der großen Sterblichkeit der Kinder, welche z. B. 1888 ein Fünftel aller Lebendgeborenen vor Vollendung ihres ersten Lebensjahres hinraffte, nicht nur relativ zurückgeblieben, sondern sogar absolut gefallen ist.

Die natürliche Vermehrung der Bevölkerung würde ein noch viel schnelleres Anwachsen der Volksmenge zur Folge haben, als durch die Zählungen festgestellt worden ist, wenn nicht ein erheblicher Theil des Üeberschusses durch den züehrbetrag der Auswanderung über die Ein— wanderung bejw. des Wegzuges über den Zuzug wieder verloren ge⸗ gangen wäre, wie nachstehende Berechnung für den Zeitraum zwischen den beiden letzten Volkszählungen zeigt. Es wurden gejählt: am 1. Dezember 1889 27279111, am 1. Dezember 1885 28318470 Personen, so daß die Vermehrung in diesen 5 Jahren 1039 359 Köpfe betragen hat. Nach dem natürlichen Anwachsen der Bevölkerung hätten aber bei der letzten Zählung 28 945 al Personen vorhanden fein müssen, wenn nicht durch die Wanderungen ein Verlust herbei⸗ geführt worden wäre, welcher sich für 1881 85 auf 625 071 Köpfe beziffert.

Da seit dem Schlusse des Jahres 1885 die Zahl der Geborenen von Jahr zu Jahr zugenommen, die Zahl der Gestorbenen und Aus— gewanderten dagegen alljährlich abgenommen hat, so läßt sich sofern nicht das Jahr 1890 noch ein sehr ungünstiges Ergebniß liefern sollte, für die Volkszählungsperiode 1885 90 eine erheblich größere Volkszunahme, als für die Jahre 1880 S6 festgestellt worden ist, erwarten.

Hierdurch werden zum Theil Zahlen berichtigt, welche auf privatem Wege in die Oeffentlichkeit gelangt sind (Statist. Corr.)

natürliche Vermehrung: verloren, Lg überhaupt Jahres Lebende 385 182 14,4 336 083 330559 335 788 317472 332 938 347 673 331 603

im Jahre

1880 .. ö . . 1884. . —ᷣ 18868 .. 1887. 1888

6

rede .

C N Nd O = . O —· .

—— —— 5

Sanitäts⸗, Veterinär⸗ und QOQuarantänewesen.

Dänemark.

Durch Bekann machung des Königlich dänischen Justiz · Ministeriums vom 13. November 1389 sind die gesetzlichen Bestimmungen über gesundheitspolizeiliche Untersuchung g genüber den aus dem Hafen von Venedig kommenden Schiffen in Kraft gesetzt worden. Ferner ist

die Einfuhr folgender Gegenstände aus dem genannten Hafen ver—

boten worden: gebrauchte Leinwand, gebrauchte Kleider und Bettzeug, Lumpen, gebrauchte Watte, Kratzwolle und Papierabfälle Lein— wand, Kleidungsstücke und Bettzeug sind, insofern diese Gegenstände zum Reisegut von Personen gehören, einer Reinigung unter amtlicher Aufsicht zu unterziehen

Bie unterm 8. Mai 1889 (R. A.“ Nr. 119 vom 20. Mai 1889) angeordneten Quarantänemaßregeln, soweit dieselben die Häfen von Cuba, Hayti und Portorico betreffen, sind außer Wirksamkeit gesetzt worden.

Handel und Gewerbe.

Das französische „Journal officiel“ vom 21. d. M. ver⸗ öffentlicht eine von dem französischen Ackerbau⸗-Minister unter dem 20. d. M. erlassene Verordnung, wonach die Ein- und Durchfuhr von Rindvieh, Schafen, Ziegen und Schweinen deutscher und österreichisch-ungarischer Provenienz in Frankreich sowohl auf dem Land—⸗ als auf dem Seewege verboten wird. Vieh⸗ sendungen aus Ländern, aus welchen die Einfuhr nicht verboten ist, müssen vom 1. k. M. an von Gesundheits⸗ zeugnissen begleitet sein. Die Verordnung vom 25. April d. F, durch welche seiner Zeit bereits die Ein- und Durchfuhr der genannten Viehgattungen nach bezw. durch Frankreich über die gesammte deutsche und luxemburgische Grenze ohne Unter⸗ schied der Provenienz verboten worden ist, wird durch das neue Ein- und Durchfuhrverbot nicht berührt.

Submissionen im Auslande.

Niede lande.

4. Dezember, Vormittags 11 Uhr. Directie der Marine zu Amsterdam: Lieferung von: Nr. 1. ungetheertem Tauwerk, Nr. 2. getheertem Tauwerk.

Auskunft an Ort und Stelle.

Rumänien.

15. Januar 1890. Bukarest. Ministerium der öffentlichen Arbeiten. Bau einer Donaubrücke.

Näheres an Ort und Stelle.

Verkehrs ⸗Anstalten.

Hamburg, 27. November. (W. T. B.). Der Postdampfer California- der Samburg Amerikanischen Packetfahrnt⸗ Aktiengesellschaft hat, von New Jork kommend, beute 3 Uhr Morgens Lizard passirt.

London, 26. November, (W. T. B.) Der Union ⸗Dampfer „Pretoria“ ist heute auf der Heimreise von Capetown an—

gekommen.

27. November. (W. T. B.). Der Castle - Dampfer Warwick-⸗Castle“ ist gestern auf der Ausreise in Capetown an⸗ geksmmen. Der Castle⸗Dampfer ‚Duart Castle“ ist auf der

Heimreise gestern in London angekommen.