1889 / 292 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 06 Dec 1889 18:00:01 GMT) scan diff

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In der am 5. d. M. unter dem Vorfitz des Vize⸗ Präsidenten des Staats⸗Ministeriums, Staatssekretärs des Innern, Dr. von Boetticher, abgehaltenen Plenarsitzung des Bundesraths wurde in mehreren Zoll⸗ und Steuer⸗ angelegenheiten Entscheidung getroffen. Dem Entwurf eines Gefetzes, betreffend eine Postdampfschiffsverbindung mit Dst-Afrika, wurde die Zustimmung ertheilt. Von der vorgelegten weiteren Sammlung von Akt enstücken über den Aufstand in Ost-Afrika nahm die Versammlung Kenntniß.

Die Rang- und Quartierliste der Kaiserlich deutschen Marine für das Jahr 1890, abgeschlossen am 25. November 1889, Redaktion (das Ober⸗Kommando der Marine) ist soeben im Verlag von E. S. Mittler u. Sohn in Berlin erschienen. Zum ersten Mal wird hier ein Bild von der im Laufe des Jahres erfolgten Neuorganisation der früheren Admiralität gegeben, welche jetzt in das Ober⸗Kem⸗ mando der Marine und das Reichs-Marineamt zerfällt, neben denen das Kaiserliche Marinekabinet steht. Das Ober-Kom⸗ mando der Marine ist wie ein General⸗Kommando der Armee organisirt, während dem Reichs⸗-Marineamt mit seinen Abtheilungen die Verwaltungs⸗-Angelegenheiten überwiesen sind. Hiernach gruppiren sich auch die von beiden ressortiren⸗ den Behörden. Unter diesen ist als neu hervorzuheben die Inspektion der Marine-Infanterie und die Formirung von zwei See⸗-Bataillonen, von denen an Stelle der früheren Halb-Bataillone je eins den Marinestationen der Nordsee und der Ostsee zugetheilt worden ist. Von höheren Offizieren zählt die Marine 4 Vize-Admirxale, gegen 3 in 1889, 10. Contre⸗ Admirale, im vorigen Jahre nur 5, und 31 Kapitäne zur See, gegen 380 in der vorjährigen Rangliste. Die ahl der Schiffe und Fahrzeuge beträgt 18, 1 weniger als im Vorjahre, namlich 12 Panzerschiffe, 15 Panzerfahrzeuge (1 mehr als im Vorjahre, der im Bau begriffene „Sieg⸗ fried), 8 Kreuzer-Fregasten 10 Kreuzer⸗ Korvetten, 4 Kreuzer (1 weniger, der in Samoa gescheiterte „AYler, ), 3 Kanonenboote (1 weniger, der n Samoa gescheiterte Eber“), 7 Avisos, 10 Schulschiffe und Fahrzeuge und 9 Schiffe und Fahrzeuge zu anderen Zwecken. Ueber die Zahl der vor⸗ handenen Torpedoboote findet sich keine Angabe. In außer⸗ heimischen Gewässern befinden sich? auf der astasigtischen Station S. M. Kbt. „Wolf“ und S. M. Kbt. „Iltis“; auf der australischen Station S. M. Kreuzer⸗Korvette „Alexandrine 6 auf der ostamerikanischen Station S. M. S. „Ariadne . auf auf der ostafrikanischen Station S. M. Kreuzer „Sperber“ und S. M. Kreuzer „Schwalbe“; auf der westafrikanischen Statien S. M. Kreuzer „Habicht! und S. M. Kbt. „Hyäne“; der Mittelmeerstation S. M. Fahrzeug Loreley / ferner das Kreuzergeschwader, bestehend aus S. M. Kreuzer⸗-Fregatte „Leipzig“, S. M. Kreuzer-Korvette „Carola“ und 8. M. Kreuzer Korvette Sophie“, sowie das Uebungsgeschwader, bestehend aus S. Mt. Panzerschiff „Kaiser“, S. M. Panzerschiff „Deutschland“, S. M. Panzerschiff „Friedrich der Große“, S. M. Panzerschiff „Preußen“, S. M. Kreuzer-Korvette „Irene“ und S. M. Äviso „Wacht“ Die westamerikanische Station ist zur Zeit unbesetzt. In heimischen Gewässern befinden sich in Dienst: S. M. Panzerschiff „Baden“, Wachtschiff in Kiel, S. M. Panzerschiff „Oldenburg“, Wachtschiff in Wilhelms—

haven, S. M. Yacht „Hohenzollern“, S. M. Panzerfahrzeug „Mücke“, Stammschi

der Reserve⸗Division der Nordsee, S. M. S. „Mars“, Artillerie⸗Schulschiff, S. M. Fahrzeug „Hay“, S. M. S. „Blücher“, Toryedo Schulschiff, S. M.

ahrzeug „Rhein“, Minen⸗Schulschiff, S. M. Fahrzeug „Otter“, 66 wecke der Schiffs-Prüfungs⸗-Kommission, S. M. Torpedo⸗ Diviftonsboote „D. 1.“ und „B. 5.“, sowie die Schul-Torpedo— boote „S. 2.“, „8. 3.“, „8. 5.“ und „Ss. 23.“.

In der Ersten Beilage zum „R- u. StA.“ wird eine Uebersicht der Zuckermengen, welche in der Zeit vom 16. bis 30. No vember 1889 innerhalb des deutschen Zollgebiets mit dem Anspruch auf Steuervergütung abgefertigt und aus Niederlagen gegen Erstattung der Vergütung in den freien Verkehr zurückgebracht worden sind,

veröffentlicht.

Hannover, 5. Dezember. Der dreiundzwanzigste hannoversche Provinzial-Landtag, ist, heute. Nach— mittag 2 Uhr durch den Königlichen Kommissarius, Wirklichen Geheimen Rath und Ober⸗Präsidenten Dr. von Bennigsen, mit folgender Rede eröffnet worden:

Hochgeehrte Herren! . K .

Namens der Königlichen Staatsregierung babe ich die Ehre, Sie bei Beginn Ihrer Verhandlungen zu begrüßen. ö

Dle Anwesenbeit Sr Majestaͤt des Kaisers und Königs in der Provinz zur Zeit der großen Herbstmanöver hat Gelegenheit zu glän⸗ zenden Empfangefeierlichkeiten geboten, in denen die Ergebenheit der Bewohner der Provinj gegen Se. Majestät den Kaiser und König zum lebendigsten Ausdruck gekommen ist. Auf das schöne, bejonders gelungene Fest, durch welches der Provinzialverband Sr. Majestãt dem Kaiser und König und dessen hoher Gemahlin seine Huldigung dargebracht hat, können Sie mit berechtigter Genugthunng zurück— blicken. .

Dem Provinzial Landtage in seiner diesjäbrigen Sitzung Gesetzes⸗ vorlagen zur gutachtlichen Aeußerung vorzulegen, hat sich keine Ver⸗ anlassung geboten. .

n ö betreffend die Erleichterung der Veräuferung ein— zelner Theslle von Grundstücken, zu defsen Erlaß der Provinzial; Landtag in einer früheren Sitzung die Anregung gegeben hatte, ist injwischen am 25. März d. J. erlassen worden, im Wesentlichen unter Berücksichtigung der Anträge, welche der Provinzial-Landtag im vorigen Jabre zu dem vorgelegten Entwurfe gestellt hat.

Die Ueberfichten der Einnahmen und Auszaben des Hannover schen Klosterfonds und die Jahresberichte der Gewerbekammern werden Ihnen wie bisher zugehen, .

Den Schwerpunkt Ihrer diesjährigen Verhandlungen werden die Ihrer Fürforge anvertrauten kommunalstän dischen Angelegenheiten Filden. Der Ihnen durch den Provinzialausschuß unterbreitete Haus haltsplan für das Jahr 1890,91 liefert von Neuem einen Beweis für den erfreulichen Fortschritt in den verschiedenen Zweigen der von Ihren Organen geführten Verwaltung..

Ein befonderes Interesse für die Königliche Staatsregierung bietet in diefem Haushaltsplane die weitere Entwickelung der von dem Provinzial verbande unternommentn Kultur und Kolonisation der Moore westlich der Ems. Der von der Provinziglverwaltung so erfolgreich geförderten Aufforstung öder Flächen haben Sie hiermit in an. erkennenswerther Weise ein neuen Feld wirthschaftlicher Kulturarbeit hinzugefügt, welches bei der großen Auedehnung der Moore unserer Provinz mit der Zeit in feiner Wirkung von heute noch un⸗ geahnter Bedeutung werden kann. Hoffen wir, daß das von Ihnen mit kuͤhnem Entschluß, unter Aufwendung erheblicher Summen und unter Benutzung der Hülfsmittel modernster Wissenschaft und Technik auf völlig neuer Grundlage ins Leben gerufene Unternebmen auch im weiteren Fortgange sich bewähren und nach allen Seiten an— regend und fördernd wirken wird, . 3 ö

Im Allerhöchsten Auftrage Sr. Majestät des Königs erkläre ich auf Grund des §. 26 der Provinzialordnung den dreiundzwanzigsten Provinzial ˖ Landtag für eröffnet.

Nach dem Schluß dieser Ansprache brachte der bisherige a des Provinzial-Landtages, Kaiserlich deutsche Bot⸗ schafter, Erblandmarschall Graf zu Münst r⸗Derneburg, ein dreimaliges Hoch auf Se. Majestät den Kaiser und König aus, in welches die versammelten Mitglieder lebhaft einstimmten.

Als ältestes Mitglied übernahm der Landrath Dr. Meyer⸗ Essen den Vorsitz. Der Abg. von Rössing machte den Vorschlag, den Grafen zu Münster und den Stadtdirektor Haltenhoff zum Vorsitzenden bezw. Stellvertreter desselben per Akklamation wiederzuwählen. Der Vorschlag wurde ein⸗ stimmig genehmigt. Der Graf zu Münster erklärte sich ur Annahme des Amts bereit und dankte für das ihm sar so langen Jahren geschenkte Vertrauen. Ebenso war Stadtdirektor Haltenhoff dankend zur. Annahme des Amts bereit. Das Andenken an die inzwischen verstorbenen Mitglieder Gutsbesitzer Burmester zu Horn und Landrath von Schwartzkopf ehrte die Versammlung durch Erheben von den Sitzen. Eine Reihe von Schreiben des Königlichen Ober— Präsidenten und des Provinzialausschusses wurde darauf vom Schriftführer angekündigt.

Bayern. München, 5. Dezember. (Allg. Ztg.) Ihre Königliche Hoheit die Prinze ssin Ludwig ist mit ihren Kindern gestern von Schloß Leutstetten in das hiesige Wittels⸗ bacher Palais zum Winteraufenthalt übergesiedelt. Erb⸗ prinzefsin Helene von Thurn und Taxis kam gestern von Schloß Garatshausen hierher und gedenkt bis über Weih⸗ nachten hier zu bleiben. Sie stieg im Hotel „Bayerischer

of ab. . ö. Im „Gesetz. und Verordnungsblatt“ Nr. 46 wird das von Sr. Königlichen Hoheit dem Prinz Regenten im Namen Sr. Majestät des Königs d. d. Rohrbrunn, den 28. November d. J., sanktionirte Gefetz, die Ausführung des Reichs⸗ gefetzes vom 1. Mai iss9 über die Erwerbs- und Wirkhschaftsgenossenschaften betreffend, publizirt.

Sachsen. Dresden, 5. Dezember. Die Erste Kammer beschäftigte sich in ihrer heutigen Sitzung, wig wir dem Be⸗ richte des „Dr. Journ.“ entnehmen, mit der Schlußberathung über den Entwurf des Gesetzes wegen Umwandelung der 4 proz. Staats-Anleihen von 1852,68, 1867 und 1869 in eine Z3is, proz. Staatsschuld, bezw. die Tilgung der ersteren und die Aufnahme einer 3 proz. Renten⸗-A1nleihe betreffend. Die Majorität der Kommission beantragte die Annahme des Regierungsvorschlags, der Minderheitsantragsteller bie Ab⸗ lehnung desselben. Nach längerer Debatte beschloß die Kammer mit 23 gegen 15 Stimmen, den 5§. 1 der Vorlage und damit diese selbst anzunehmen.

Von den Abgg. Bebel und Genossen ist in der Zweiten Kammer eine Interpellation darüber eingebracht worden, ob die Regierung von den Bekanntmachungen der Polizei⸗Direktion in Dresden und der Amts hauptmannschaft zu Altstadt-Dresden, betreffend das Verbot von Verrufserklärungen und die Ver— breitung von Flugblättern, welche auf solche Verrufserklärungen Bezug haben, Kenntniß habe und welche Stellung sie zu den— selben genommen habe.

Diese Bekanntmachungen lauten: .

„Es sind hier in letzter Zeit wiederholt in Häusern, insonderheit aber auch auf öffentlichen Straßen und Plätzen Flugblätter zur Ver⸗ theilung gekommen, in welchen die arbeitende Bevölkerung ersucht wird, gewisse namhaft gemachte Lokale zu meiden, da über dieselben durch Volksversammlurgsbeschluß der Boykott ausgesprochen worden sei. Die aufdringliche Vertheilung dieser Blätter bat sich zumal in den letzten Tagen zu einem allgemein höchst unangenehm empfundenen Unfug gesteigert, sie hat nicht nur vielfach zu Verkehrsstörungen, sondern auch sonst zu heftigem Aergerniß bei dem ublikum Veranlassung gegeben, sodaß in einem besonderen Falle Schlägerei und Straßenexzeß nur durch gütliches Zureden der Polizei— beamten verhütet worden ist. Im Interesse der öffent⸗ lichen Ordnung und Ruhe sowie der Sicherheit des Verkehrs sicht daher die unterzeichnete Bebörde sich veranlaßt, das Austhiilen von allen derartigen, kiesige Lokale und Geschäfte in Verruf erklären⸗ den Druck- und Schriftstücken auf hiesigen öffentlichen Straßen und Plätzen, sowie in Häusern ohne Genebmigung der betreffenden Haus— besitzer zu verbieten und etwaige Zuwiderbandlungen mit Bestrafung nach §. 3666 Nr. 10 beziehungsweise 58. 3ỹ0 Nr. 11 des Reichs ⸗Straf⸗ gefetzbuchks zu bedrohen. Dresden, den 15. November 1889. Königliche Polizei⸗Direktion. A. Schwauß.“

„In neuerer Zeit sind im Bezirk der unterzeichneten Königlichen Amishauptmannschaft eine Anzahl öffentlicher Lokale, ebenso wie Gewerbtreibende in öffentlichen Versammlungen durch Beschluß in Verruf erklärt worden. Zur Durchführung solchen Beschlusses wird in den Zeitungen sowie durch Flugblätter, welche dazu auf öffentlichen Wengen, Plätzen, in den Häusern und in Schanklokalen vertheilt werden, durch öffentliche Anschläge, wie auch mündlich durch hierzu bestimmte Personen, welche zu dem Zwecke vor oder in der Näbe des betreffenden Schanklokals oder Geschäfts Aufstellung nehmen, oder sogar in dasselbe eindringen, aufgefordert. Da hierdurch viel fach öffentliches Aergerniß erregt und dem Publikum zu begründeten Beschwerden Veranlassung gegeben werden ist. wird, um solchem, die öffentliche Ordnung und Ruhe sowie den öffentlichen Verkehr störenden Vorgehen mit Erfolg zu begegnen, für den Bezirk der unterzeichneten Königlichen Amtshauptmannschaft im Einverständnise mit dem der letzteren beigeordneten Bezirkẽausschusse Folgendes bestimmt:

„Wer in Zukunft es unternimmt, den Gewerbebetrieb eines Anderen dadurch zu stören oder zu beeinträchtigen, daß er öffentlich vor einer Menschenmenge oder durch Verbreitung von Schriften, oder durch öffentlichen Anschlag, oder sonst auf öffentliche Weise dazu auffordert, bei einem bestimmken Gewerbtreibenden keine Waaren anzukaufen oder zu bestellen, beziehentlich in einem bestimmten Ge— schäftslokale nicht zu verkehren, wird insoweit nicht eine Be⸗ strafung nach §. 366,1 des Reichs Strafgesetzbuchs in Verbindung mit 5. 1 Absatz 1 und Absatz 2 Nr. 2 der Verordnung vom J. Juli 1872, den Verkehr auf öffentlichen Wegen betreffend, oder nack 5§. 360, n des Reichs ⸗Strafgefetzbuchs einzutreten hat mit Geld bis zu 100 oder mit Haft bis zu 14 Tagen bestraft.“

Königliche Amtshauptmannschaft Dresden ⸗Altstadt, am 25. Novem⸗ ber 1889. Dr. Schmidt.“

Den Ständen ist der Entwurf eines Gesetzes, be⸗ treffend die Gerichtskosten in Angelegenheiten der nicht streitigen Rechtspflege, zugegangen.

Hefsen. Darmstadt, 5. Dezember. (Darmst. Htg.) Se. Königliche Hoheit der Erbgroßherzog trifft heute Abend aus Leipzig hier ein. ̃

Worm s, 5. Dezember. (Worms. Ztg) Der Bürger⸗ meist er der Stadt hat an die Einwohner folgenden Aufruf erichtet: ö i n, den 8. J. M, Nachmittags, wird Se. Maje stät der Kaiser in Begleitung Sr. Königlichen Hoheit des Großberzogs unsere Stadt und ihr neues Spiel- und Festhaus besuchen Zum ersten Male seit Jahrhunderten wird unsere alte Raiserstadt wieder einen Deutschen Kaiser in ihren. Mauern beherbergen. Zur Feier dieses frohen Ereignisses bitten wir alle Ginwohner, die Häuser reich zu schmücken und am Abend vor der Absahrt Sr. Majestät festlich zu beleuchten. Mit—⸗ bürger! Die jubelnde Freude, den ehrfurchtsvollen Dank, den wir alle

im Herzen tragen, laßt ihn zum Ausdruck gelangen in dem festlichen Schrauck der Stadt, laßt ihn hinausstrahlen in unsere alten Straßen und Gassen, in hellstem (6 lanze. Die Beleuchtung der Stadt beginnt gegen Ende der Festvorstellung. Die Stunde wird noch besonders bekannt gegeben werden.“

Dil 8 planen besondere, dem Kaiser bei seiner Anwesenheit darzubringende Huldigungen. Gestern Abend u. a. war eine Anzahl von Arbeitern aus zwei oder drei Firmen versammelt, welche beschlossen haben, dem Kaiser eine Dankadresse und zwar durch eine Deputation überreichen zu lassen, während aus dem Arbeiterstande einer anderen ö. die Absicht hervorgetreten ist, die gesammte Ar—

eiterschaft als geschlossenes Ganze dem Kaiser einen Lorbeerkranz als sichtbares Zeichen des Dankes über— reichen zu lassen.

Mecklenburg⸗Strelitz. Neustrelitz, 4. Dezember. (Neustrel. Ztg) Se. Durchlaucht der regierende Fürst Reuß ä. L. traf heute am hiesigen Hofe zum Besuch ein.

Sachsen⸗Meiningen. Meiningen, 4. Dezember. (M. 3.) Der Landtag nahm in seiner gestrigen Sitzung die Neuwahl des Präsidenten vor. Es fielen 10 Stimmen auf den ersten Vize-Präsidenten von Stocmeier und die gleiche Stimmen— zahl auf den Geheimen Justiz-Rath Cronacher. Bei der Entscheidung durch das Loos wurde der Erstgenannte gewählt. Derselbe nahm die Wahl an, die zunächst noch der Bestätigung des Herzogs unterliegt. Im weiteren Verlauf der Sitzung wurden die einzelnen Ausschüsse gewählt.

Deutsche Kolonien. Die Nachrichten über Stanley und Emin Pascha werden noch durch folgende, von der „National-Ztg“ mitgetheilte Depeschen des „New-York Herald“ aus dem deutschen Schutzgebiet ergänzt. So berichtet der Korrespondent des „N. Y. H.“ aus Ubiki, 1. Dezember, Mittags:

„Bie Expedition Stanler's und die des „New Yo ck Herald“ sind heute glücklich hier eingetroffen. Alle Europäer sind gesund, aus— genommen Stevens, welcher an einem starken Fieberanfall leidet. Unter Gain's Leuten befinden sich viele alte und kranke Menschen, welche von den Zanzibar-⸗Leuten bis zur Küste getragen werden müssen. Die Truppen, sowie die Träger verdienen die größte Bewunderung, sie sind dis iplinirct, wie reguläre Truppen. Auf Anordnung Wisimann's eskortirt uns Lieutenant Schmidt mit einer Anzahl ron Soldaten bis zur Küste. Dieselben haben Befehl, dem Gros der Expedition vorauf zu warlchiren und Lager für die Nacht vorzubereiten. Stanley und seine Offiziere sind voll Lobes über den herzlichen Empfang Seitens der Deutschen und sehr dankbar für die befondere Karawane mit Provisionen aller Art, welche Wissmann bis Mpwapwa entgegen gesandt hat.“ .

Weiter bringt der „New⸗-Mork Herald“ einen langen Brief Stanley's aus Msug, 30. November, in welchem es heißt:

Er befinde sich wohl, fühle sich wie ein Arbeiter, der am Sonn— abend Abend nach Haufe zurückkehrt, wenn er der Woche Arbeit vollendet, den Wochenlohn in der Tasche hat, und fröhlich denkt, daß am anderen Tage Sonntag sei. Er habe Grund, mit voller Befriedigung auf die erreichten Erfolge zurück;zublicken, nicht allein wegen der Rettung Emin's, sondern auch wegen der bedeutenden geoglraphischen Entdeckungen, von denen die Er⸗ forschung der Quelle des Arruwimi obenan steße, sodann die des Congo ⸗Waldes, welcher eine Fläche so groß wie Frankreich, Spanien und Portugal bedecke. Dazu kommen der mit ewigem Schnee bedeckte Wolkenkönig Ruwenzori, der Zusammenhang des Albert Edward Nyanja mit dem Albert Nyanza und die Feststellung des Umfanges des ersteren Sees. Die Naturkunde werde eine große Anzabl neuer Arten ron Thieren und Pflanzen durch die Expedition erhalten. Stanley schildert drastisch die ausgestantezen Strapazen und Gefahren und schließt mit dem Ausdruck der Dankbarkeit für die göttliche Vorsehung, welche ihn beschützt. .

Ueber die Ankunft Stanley's und Emin Pascha's in Bagamoyo liegt folgendes Telegramm des „Reut. Bur.“ aus Zanzibar, 5. Dezember, vor: . .

Der Reichskommissar Major Wissmann traf gestern Stanley, Emin Pascha und Casati jenseits des King— ha ni-Flusses. Dieselben trafen heute früh in Bagamoyo ein, wo sie enthusiastisch empfangen wurden. Die ganze Stadt war mit Palmenblättern geschmückt. Die Reisenden wurden von dem Kommandanten des Kreuzers „Sperber“ im Namen Sr. Majestät des Kaisers begrüßt, ebenso von den englischen Vize-Konsuln Cracknall und Churchill. dem Kapitän des englischen Kriegsschiffes „Turquoise“, Bracken— bury und von Michol im Namen des englischen Emin⸗Pascha⸗Comitès. Die übrigen europäischen Begleiter Stanley's trafen später ein. Abends gab Wissmann allen anwesenden Europäern ein großes Festessen, bei welchem verschiedene Toaste ausgebracht wurden, die enthusiastisch aufgenommen wurden. Stanley wird an Bord des „Sperber nach Zanzibar kommen, die übrigen Mitglieder der Expedition sollen morgen an Bord der „Turquoise“ und der „Schwalbe“ folgen. .

Ueber einen höchst bedauerlichen Unfall, welcher dem glücklich in Bagamoyo eingetroffenen Emin Pa scha ugestoßen ist, sind heute Morgen folgende Telegramme aus dondon eingegangen: . U .

Nach einer Meldung des „‚Reuter'schen Bureau“ aus Zanzibar soll Emin Pascha gestern in Bagamoyo auss einem Fenfter gestürzt sein, welches er in seiner Kurzsichti keit muthmaßlich für eine Thür bielt. Er soll einen Schädel bruch erlitten baben und sein Zustand soll ein höchst bedenklicher sein, doch hofft Dr Parke ihn zu retten. .

Nach einer ausführlicheren Meltung des „Reuter'schen Bureau aus Zanzibar über den Unglücksfall Emin Paschas hatte derselbe sich in der Hohe des Gemäuers eines Balkons verrechnet und fiel, das Gleichgewicht verlierend, von einer Höhe von 20 Fuß hinab. Als man ihn aufhoò, zeigt« es sich sofort, daß er scwer verletzt sei. Das rechte Auge war geschlosfen, Blut drang aus den Ohren hervor; man befürchtet daß die Verletzungen gefährlich sind; der ganze Körper ist arg kontusionirt. Dr Parte, welcher die Stanley Expedition be⸗ gleitete, wird bei Emin Pascha bleiben. Die der tschen Aerzte sind sebr besorgt, Dr. Parke jedoch ist mehr hoffaungsvoll. Unter allen Umständen wird es unmöglich sein, Emin in den nächsten Tagen nach Zanzibar zu bringen. .

Nach einer weiteren Meldung aus Bag amo yo ist Emin Pa scha in Folge seines Sturzes schwer er krankt und hat in Bagamoyd zurückbleiben müssen. Stanley und seine Begleiter sind heute früh in Zanzibar eingetroffen.

Defterreich⸗ Ungarn. Wien, 5. Dezember. (W. T. B Se. Majestät der Kaiser und König empfing heute den neu ernannten sächsischen Gesandten von Nostiz-Wallwitz in Privat-Audienz und nahm dessen Beglaubigungsschreiben ent⸗ gegen. . ; Der König und die Königin von Dänemark haben heute Abend die Rückreise über Dresden angetreten.

Meran, 6. Dezember. (W. T. B.) Die Kron⸗ prinzessin von Schweden ist mit ihren Söhnen, den Prinzen Gustav Adolph und Wilhelm, zum Winter— aufenthalt hier eingetroffen. .

Agram, 4. Dezember. (Wien. Ztg.) Nach mehrtägigen Debatten nahm der krogatische Landtag heute die Budget—⸗ vorlage mit großer Majorität als Basis der Spezialdebatte, und darauf in dieser die drei Hauptstücke bis zum Tit. 11 ohne Debatte an.

Curzola, 5. Dezember. Das deutsche Geschwader ist heute Mittag 1 Uhr bei Kuciste vor Anker gegangen.

Großbritannien und Irland. London, 5. Dezember. (A. C) Der portugiesische Gesandte überreichte gestern dem Marquis von Salisbury im Auswärtigen Amt die Antwort seiner Regierung auf die neuliche englische Pretest note. Ueber den Jahalt der Note ist noch nichts in die Oeffentlichkeit gedrungen; man glaubt jedoch, die portu⸗ giesische Regierung sei geneigt, die a der Interessen⸗ sphären der verschiedenen Mächte im südwestlichen Afrika zum Gegenstand einer neuen Konferenz zu machen.

Dem Vernehmen nach beabsichtigt die Regierung, in der nächsten Parlamentssession eine Vorlage einzu— bringen, welche alle auf die Wohnungen der Armen be—⸗ züglichen Akte zu einem Gesetz verschmilzt, um den Lokal— behörden die Durchführung der bestehenden Vorschriften zu er— leichtern.

ch Aus der Rede, welche der irische Ober-Sekretär Balfour vorgestern in Glasgow hielt, sprach das Voll— gefühl des Bewußtseins einer guten That. Mr. Balfour erklärte, daß selten in der Geschichte eines Landes ein grö— ßerer Umschwung sich im Laufe von drei Jahren vollzogen habe als in Irland seit dem Amtsantritt der unionistischen Regierung. Hauptziel bleibe, die materielle Lage der Bevöl— kerung zu bessern. Manches sei gethan, vieles bleibe zu thun übrig. Sobald der Pächter Eigenthümer des von ihm be— bauten Landes werde, werde alles, was an den Homerule— Bestrebungen unecht und unwahr sei, schwinden.

Die große liberale Kundgebung in Manchester hat ihr Ende gefunden. Gladstone wohnte gestern Mittag einem nichtpolitischen Gabelfrühstück im Rathhause bei, welches der Bürgermeister der Stadt ihm zu Ehren gab, und trat dann mit seiner Gemahlin mittels Sonderzuges die Rückreise nach Hawarden an. Die Delegirten des nationalen Verbandes der liberalen Vereine hielten unter dem Vorsitze Sir James Kitsons eine weitere Sitzung, in welcher Re solutionen angenommen wurden zu Gunsten einer Reform der Wähler— einschreibungsgesetze, der Kürzung der Dauer der Parlamente, der Abschaffung der Thee-, Kaffee- und Cacgozölle, der weiteren Entwickelung der Lokalverwaltung, der Entstaatlichung der Kirche in Wales und Schottland, des freien Schulunterrichts und der Reform oder Abschaffung des Oberhauses sowie anderer Reformen.

Frankreich. Paris, 5. Dezember. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer erklärte heute die Wahl Robert Mitchell's (Gironde) für gültig, diejenige Thiriou's (Dordogne), obschon Leon Say im Namen des allgemeinen Stimmrechts für die Gültigkeitserklärung eintrat, mit 303 gegen 205 Stimmen für ungültig. Auch die Wahl des in Saint Denis gewählten Boulangisten Revest wurde für ungültig erklärt.

Die Kommission von 33 Mitgliedern zur Vor— berathung der Kredite wählte, wie das „Journal des Debats“ meldet, vorgestern Jules Roche mit 21 Stimmen zum Vorsitzenden; zu Vize-Präsidenten wurden Ribot mit 21 Stimmen und Felix Faure mit 16 Stimmen gewählt

Italien. Rom, 5. Dezember. (W. T. B.) In der die Thronrede beantwortenden Adresse der Depu—⸗ tirten-Kammer an den König heißt es: Nichts habe der Kammer eine größere Befriedigung verursachen können als die Ankündigung der Thronrede, daß der Friede, Dank den Rathschlägen der Großmächte und Dank dem Werke des Königs und seiner Alliirten, mehr als jemals gesichert er— scheine. Der Friede, auf welchen die Starken ein Anrecht hätten, bringe immer Früchte und werde Italien entschädigen für die weiteren Ausgaben sür die Armee und die Marine, die der Schutz seiner Einigkeit und Unabhängigkeit seien. In der Kammer meldete der Präsident heute eine An— frage Imbriani's an, betreffs der Ausweisung des italienischen Staatsangehörigen Umann aus Triest. Der Minister-⸗Präsident Crispi erklärte, daß er diese Frage nie— mals beantworten werde. Imbriani sprach seine Ver— wunderung über die kurze und für die Rechte des Parlaments so wenig achtungsvolle Antwort des Minister⸗Präsidenten aus, zog aber seine Anfrage unter Protest zurück.

Die Einnahme der Staatskasse hat in der Zeit vom 1. Juli bis zum 30. November d. J. 36 Millionen mehr betragen als in der gleichen Periode des Vorjahres.

Portugal. Lissabon, 5. Dezember. (W. T. B.) Der Kaiser Dom Pedro wird bei seiner Ankunft am Marine— Arsenal landen und vom König und den Ministern mit allen einem Souverän gebührenden Ehren empfangen werden.

Niederlande. gecac 5. Dezember. (W. T. B.) Bei der Berathung des Budgets für das Ministerium des Aus— wärtigen in der heutigen Sitzung der Zweiten Kammer erklärte der Minister des Auswärtigen, Hartsen, daß zu einer endgültigen Lösung der Frage betreffs Feststellung der Grenzen in Borneo Aussicht sei. Was die Be— ziehungen der Niederlande zu Deutschland anbetreffe, so seien dieselben vorzügliche; durch eine Broschüre, wie die von dem früheren Offizier Tindal veröffentlichte, könnten die— selben nicht beeinträchtigt werden.

Belgien. Brüssel, 5. Dezember. (W. T. B.) In der heutigen 359 der Deputirtenkammer wurde die BVeraihung der Interpellation über die Entlassung des Chefs der Sicherheitspolizei, Gauthier de Rasse, fortgesetzt. Der Justiz-Minister Lejeune fuhr fort, die gestrigen Ausführungen des Deputirten Bara zu widerlegen. Er suchte vornehmlich zu beweisen, daß es die Administration der Sicher— heitspolizei gewesen sei, welche Pourbaix in seinen Funktio— nen belassen habe. Bei dieser Bemerkung riefen zahlreiche Mitglieder der Linken dem Minister „Nein!“ zu. Ein leb— hafter Wortwechsel schloß sich an, während dessen Bara aus— rief: „Der Minister lügt!“ Hierauf erhob sich ein heftiger Tumult. Bara wurde vom Präfidenten zur Ordnung gerufen, der Ordnungsruf aber nach einer Erklärung des Abgeordneten urückgezogen. Sodann fuhr der Minister Lejeune fort: as inisterium besitze alle Protokolle, welche bewiesen,

daß die Sicherheitspolizei wüßte, wer Pourbaix sei, und was man zu gewärtigen habe, wenn man ihn gebrauche. Der Minister verlas hierauf das Protokoll über die Vernehmung Pourbaix durch die Sicherheitsbehörde. Aus demselben ergiebt sich, daß der Minister Devolder an der nächtlichen Unterredung von Pourbaix mit dem Minister Beernaert nicht theilgenommen hat. Der Sul e in, erklärte ferner: der Dirigent der Sicherheitspolizei hätte das gerichtliche Vorgehen gegen die Sozialisten hindern können, wenn er die betreffende That— sache zur Sprache gebracht hätte; er habt aber Still⸗ schweigen beobachtet. Der Deputirte Janson sprach die Er— wartung aus, daß der König, sobald er von den Verhand— lungen der Kammer Kenntniß genommen habe, die Minister nicht auf ihren Posten belassen werde. Aus der großen Menschenmenge, welche sich an den Eingängen zum Kammer— gebäude angesammelt hatte, ertönte zu wiederholten Malen der Ruf „Demission!“ Nach der Sitzuns zogen mehrere kleine Menschentrupps lärmend durch die Straßen, wurden aber von der Polizei zerstreut.

Türkei. Die Pforte hat es abgelehnt, bevor der Ferman, betreffend die Amnestie für Creta, veröffentlicht ist den Inhalt selbst den Botschaftern genau bekannt zu geben. Wie verlautet, werde die Pforte die Zahl der Mitglieder der kretensischen Nationalversammlung von 80 auf ö verringern und die Hälfte der Zolleinnahmen von Creta nicht mehr der Verwaltung der Insel überlassen, welche hieraus den Etat der Gen— darmerie bestritt, sondern für diesen nunmehr selbst aufkommen. Ferner werde beantragt werden: die Reorganisation und die Verminderung der Zahl der gewöhnlichen Gerichteshöfe, die Auswahl von Civilbeamten unter ehrenwerthen, keiner Partei angehörigen Personen, die Re form der türk schen sowie der christlichen Schulen, der Schutz der einheimischen In— dustrie, die Vermeidung von überflüssigen Ausgaben, die Zusicherung einer regelmäßigen Lokalverwaltung, die Ver— besserung der Häfen von Rethymno, Candia und Canea, die Errichtung einer Schifferschule, die den Be— dürfnissen der Mittelmeerschiffahrt entsprechende Vervoll— ständigung des Sudabai⸗-Arsenals, die Errichtung von Handels— kammern in Canea, Rethymno und Candia, die Gründung einer Handelsschule und die Errichtung einer Musterwirth— schaft in der Ebene von Candia, die Verbesserung der Pferde— zucht, die Vervollständigung der landwirthschaftlichen Bank, deren Gewinn der Bevölkerung zugesichert wird, endlich der Ausbau des Straßennetzes.

Der frühere Finanz⸗-Minister Mahmud Djellaleddin Pa scha ist zum Präsidenten der gesetz gebenden Sektion der Pforte ernannt worden.

Serbien. Belgrad, 5. Dezember. (W. T. B.) Die Zeitung „Narodni Dnewnik“ versichert, die Ausschrei—⸗ tungen gewisser serbischer Blätter gegen Oesterreich— Ungarn entsprächen nicht der in Serbien herrschenden nationalen Stimmung. Dieselben seien überdies ohne jeden praktischen Nutzen und bereiteten dem Staat und der Regierung nur Verlegenheiten.

Amerika. New⸗Orleans, 6. Dezember. (W. T. B.) Der frühere Präsident der konföderirten Staaten von Amerika zur Zeit des Bürgerkrieges, JFefferson Davis, ist ver— gangene Nacht gestorben.

Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (31.) Sitzung des Reichstages, welcher die Staatssekretäre Dr von Boetticher und Freiherr von Maltzahn, der Präsident der Reichsbank von Dechend sowie andere Bevollmächtigte zum Bundesrath nebst Kom— missarien beiwohnten, stand auf der Tagesordnung: die dritte Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Abänderung des Bankgesetzes auf Grund der in zweiter Berathung unverändert angenommenen Vorlage.

Der in der zweiten Lesung abgelehnte Antrag Huene ist von dem Abg. Grafen von Mirbach wieder aufgenommen.

In der Generaldiskussion hob der Abg. Klemm hervor, daß die Reichsbank den kleinen Leuten nicht dienen könne, zumal diejenigen kleinen Leute, die Kredit brauchten, zumeist auf dem platten Lande wohnten. Den kleinen Leuten sei der Weg durch das neue Genossenschaftsgesetz gewiesen, welches die Bildung von Genossenschaften erleichtere; die Genossenschaften sollten dann wieder unter sich ein Geschäftscentrum zu bilden bestrebt sein. Die Reichsbank habe höhere Zwecke wie eine Kommerzbank.

Abg. Freiherr von Huene erklärte, daß er zwar auf dem Standpunkt des Antrags des Grafen Mirbach stehe, davon aber abgesehen habe, den Antrag von neuem einzubringen, da derselbe in zweiter Lesung in namentlicher Abstimmung abgelehnt sei und weniger eine Prinzipien- als eine Zweckmäßigkeits— frage betreffe.

Abg. Graf von Mirbach bemerkte, er habe den Antrag Huene deswegen aufgenommen weil derselbe in zweiter Lesung mit einer sehr erheblichen Minderheit abgelehnt und dabei für das Reich eine nicht unerhebliche Summe zu gewinnen sei, während der Betrag, auf die Antheilscheine ver— . für jeden einzeinen Antheilseigner ohne Belang sei. Redner verwahrte die deutsch-konservative Partei gegen die mißverstänr liche Auffassung, als zolle sie dem legitimen Handel nicht die Achtung, die demselben gebühre; er schätze den Bankier ebenso wie den Landwirth als berechtigten Faktor im Leben. Es sei aber nöthig, dem Landwirth denselben billigen Kredit und aus erster Hand zu geben wie der Industrie und dem Handel. Bei allem Wohlwollen könne aber der Bank⸗-Prä⸗ sident bei dem jetzigen Stammkapital nicht helfen. Es müßte an das . Stammkapital ein besonderes Kapital mit besonderer Verzinsung zu diesem Zweck angelehnt werden. Neben der Aufrechterhaltung der Währungsordnung sei es die Hauptaufgabe der Reichsbank, für den Kredit zu sorgen.

Präsident der Reichsbank von Dechend widersprach der Behauptung, daß das Großkapital einen entscheidenden Ein⸗ fluß auf die Entschlüsse der Reichsbank habe. Daß im Reichstage bei irgend einer Partei eine feindliche Ge— sinnung gegen das Großkapital bestehe, habe er niemals angenommen. Wäre ein Noihstand in den östlichen Provinzen ähnlich dem von 1867 vorhanden, so würde er heute so wenig wie damals fehlen; aber ein solcher könne nicht als vorhanden angesehen werden. Dem Wunsche, neben der Reichsbank ein besonderes Kapital zu schaffen, um dem Grundbesitz zu dienen, könne er nicht entsprechen. Nur auf dem Wege der Genossenschaften könne sich der Grundbesitz helfen; so sei es

Konstantinopel, 5. Dezember. (W. T. B.

in Frankreich. Einem Parallel-Institut neben der Reichsbank

würde die letztere kräftig unter die Arme greifen. In der Beschränkung des Gewinns für die Antheils— eigner noch weiter zu gehen als die Vorlage, wäre hart. Es sei zu bedenken, daß die Antheilsscheine mit 130 Proz. erworben seien, der Reservefonds aber jetzt nur 11 Proz. enthalte. Redner schloß mit der dringenden Bitte, den Antrag Graf Mirbach abzulehnen; er sei überzeugt, daß man im Lande ihm zustimmen werde, nicht denen, die über die Vorlage hinaus den Gewinn der Antheilseigner herabsetzen wollten.

Abg. von Strombeck sprach gegen den Antrag Graf Mirbach, weil es unbillig sei, die Reichsgewalt in dieser Weise gegen das mobile Kapital zu benutzen, und weil er die Be— sorgniß habe, daß durch die Annahme des Antrages eine Ver—

schärfung des Gegensatzes zwischen Agrariern und dem mobilen.

Kapital hervorgerufen werden würde.

Abg. Meyer (Halle) war der Meinung, daß die Land— wirthe die Kreditinstitute, deren sie bedürften, aus eigener Kraft schaffen sollten; es sei zu verwundern, daß in dieser Hinsicht noch nichts Ausreichendes geschehen sei. Die Freisinnigen stimmten für den Dividendenvorschlag der Vorlage, weil sie, nach den Darlegungen der Regierung überzeugt seien, daß sie von Grundan— schauungen ausgehen, die durchaus zu billigen seien. Würde die Regierung der Ziffer des Abg. von Huene zugestimmt haben, so würden die Freisinnigen keinen Anstand genommen haben, auch diese anzunehmen. Da aber die Regierung an ihrem Vorschlage festhalte, so sei zu vertrauen, daß sie mit Recht daran festhalte. Für Sparsamkeit müsse man Sinn haben, aber auch für die nöthige Würde und Repräsentation. Den Antheilseignern würde mit dem Regierungsantrage durchaus kein Geschenk gemacht; ihr Verhältniß zur Bank beruhe auf dem gesunden Grundsatz von Leistung und Gegenleistung. An dem ungeschmälerten Ansehen der Bank im Inlande und Auslande hänge geradezu der nationale Wohlstand. Deshalb empfehle es sich, den Antrag von Huene abzulehnen.

Abg. Mogren rechtfertigte die von ihm eingebrachte Resolution.

Bei Schluß des Blattes sprach der Präsident der Reichs— bank von Dechend.

(Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Reichstages befindet sich in der Ersten Beilage.)

Zeitungsstimmen.

Ueber die letzten Sitzungen des Reichstages be— merkt die „National-Zeitung“:

Einer nach dem anderen fallen die agitatorischen Initiativ-⸗An—= träge der Deutsch-Freisinnigen im Reichstage ins Wasser. Am Dienstag und Mittwoch wußten sie die Verlegenheit, in die sie mit ihrem Antrag auf Abschaffung des ‚obligatorischen Arbeitsbuchs für Bergleute“ gerathen waren, nur dadurch zu vertuschen, daß sie von dem Gegenstand des Antrags so gut wie gar nicht sprachen und dafür eine all— gemeine Erörterung über die Verhältnisse im Kohlenrevier berbeiführten, welche bei der jetzt dort obwaltenden Stimmung die verhängnißvollsten Folgen für die ganze deutsche Industrie nac sich ziehen kann. Eben— falls ins Wasser gefallen ist am Mittwoch der Antag auf Ver— anstaltung einer Enquete über die Frage, ob durch Herabsetzung der Eisenbahntarife die Kohlenpreise sich ermäßigen lassen. Wenn Jemand nichts Positives vorzuschlagen weiß, aber den Anichein erwecken möchte, daß er etwas gethan habe, verlangt er eine Enquete“. Wer möchte nicht jedes brauchbare Mittel anwenden, um die Kohlen— preise herabzudrücken, deren maßlose Steigerung am lebhaftesten heute der Abg. Dr. Hammacher bellagte, der selbst zu den Bergbau— Interessenten gehört. Aber die Kohlenpreise sind im Auslande ebenso gestiegen wie in Deutschland, und desbalb kann eine Herab— setzung der Eisenbahntarife schwerlich etwas helfen. Die Leerheit des Antrags wurde so überzeugend dargetban, daß seine Urheber selbst das Begräbniß in einer Kommission beantragten; denn nichts Anderes be— deutet die Verweisung an eine solche für einen Antrag, welcher selbst nur wieder die Einsetzung einer Enquete ⸗Kommission verlangt.“

Dasselbe Blatt nimmt zu der Erneuerung des Kartells in einem längeren Artikel das Wort, in welchem es heißt:

„Das Wablkartell ist von den Rationalliberalen 1887 geschlossen und jetzt erneuert worden u. A zu dem Zweck, den Einfluß des Liberalismus auf unsere öffentlichen Angelegenheiten, welchen der Fortschritt, resp. der Deutschfreisinn vollständig zu ruiniren drohte, zu wahren. Hätte es im Jahre 1887 keine andere Vertretung des deutschen Liberalismus gegeben, als die deutschfreisinnige Partei, so hätte er ibr frivoles Unternehmen, in der Heeresfrage einen Verfassungskonflikt herbeizuführen, mit dem Untergange gebüßt; der Liberalismus wäre dann seit drei Jahren im Reichstage auf das kleine Häuflein der größten theils mit ultramontaner und sozialdemokratischer Hülfe gewählten Deutsch-Freisinnigen reduzirt, d. h. er bedeutete nichts mebr im offent— lichen Leben des deutschen Volkes. Die Nationalliberalen haben, wie sie im Gegensatz zur Fortschrittspartei in dem Jahrze ont von 1867 bis 1877 den Einfluß des Liberalismus bei allen gesetzgeberischen Schöpfungen jener Zeit zur Geltun gebracht, ihn in dem jetzt seinem Ende entgegen— gehenden Reichstage in allen den Fällen erfolgreich vertreten, wo der Gegensatz des Liberalismus zu anderen Richtungen des Staatslebens überbaupt in Frage lam. . ...

Soweit es sich bei der Erneuerung des Wablkartells um die In— teressen des Liberalismus handelt, berubt sie auf einer ebenso nüchternen wie einleuchtenden Erwägung Im Bündniß mit den beiden konser— vativen Fraktionen baben die Nanonalliberalen 1887 ihre jetzige Position im Reichstage errungen; ist es denkbar, sie auf andere Art zu erhalten? Für sich allein ist gegenwärtig in Deutschland vermöge der Zersplitte⸗ rung des Parteiwesens außer dem Centrum keine Partei im Stande, eine grofe Anzahl Mandate zu erlangen; soll die Zusammensetzung des Reichstages nicht zum größten Tbeil dem Schacher der Stich wahlen anheimgegeben sein, so müssen vorher Parteienbündnisse ge— schlossen werden. Mit wem sollten die Nationalliberalen sie anders eingehen, als mit den beiden konservativen Fraktionen? Etwa mit dem Centrum? Die Allianz mit dieser reaktionärsten Partei unseres Stants⸗ lebens überlassen sie den patentirten Bertretern der Freiheit, den Deutschfreisinnigen. Oder etwa mit diesen? Sie haben keinen höheren Lebenszweck, als die Nationalliberalen nieder— zuhetzen, und außerdem: wie soll der Hülflofe Anderen helfen? Auch um die Unterstützung der Sozialdemokraten und Welfen können wir uns nicht bewerben; und thäten wir es, so würden sie antworten, daß sie schon mit den Deutschfreisinnigen engazirt seien. . Mit der Mehrheit der Konservativen und mit den Freikonservativen haben die Nationalliberalen seit 1867 bei fast allen wichtigen Ent scheidungen zusammengewirkt; mit jenen Parteien verbindet sie die gleiche prinzipielle Beurtbeilung so wichtiger Aufgaben, wie die militärische und finanzielle Sicherung des Reichs, die Sozial⸗ und die Kolonialpolitik. Da sollten sie sich von einem Wablkartell, dem natürlichen Mittel zu einem berechtigten Zwecke, abhbalten lassen, weil der Deutsch-Freisinn wieder einmal thut, was seit einem Vierteljabrhundert das eintönige Geschäft des Fortschritts ist: über Verrat) schreien?! . . Wer die nationale Politik unterstützen und zugleich dem Liberalismus denjenigen Einfluß sichern will, welcher unter den beutigen Stimmungen möglich ist, der muß auf der Grund lage des Kartells gegen die Deutsch-Freisinnigen, Klerikalen und Sozialdemokraten am Wahlkampfe Theil nehmen.“