1890 / 17 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 17 Jan 1890 18:00:01 GMT) scan diff

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Parlamentarische Nachrichten.

Schlußbericht der gestrigen (44) Sitzung des Re ich s⸗ tages. Fortsetzung der zweiten Berathung des Etats der Reichspost-⸗ und Telegraphenverwaltung. Gehalts—⸗ erhöhung der Postunterbeamten.

Staatssekretär Dr. von Boetticher:

Meine Herren! Es ist ja erllärlich und eigentlich selbstverständ⸗ lich, daß in dieser Zeit in dem hohen Hause die Frage der Erhöhung der Gekälter der Beamten erörtert und zwar lebhaft erörtert wird. Ich könnte mich nun heute auf den Standpunkt stellen, den mein Kollege, der Herr Staatssckretär des Reichs ⸗Schotzamts, und jwar durchaus im Einklang mit der verfaffungsrechtlichen Stellung der Vertreter des Bundesratbé, eingencmmen at und könnte mich darauf beschränken. zu sagen: der Bundesrath hat über diese Frage sich noch nicht schlüssig gemacht, ich bin deshalb nicht in der Lage, mich über seine Absichten zu äußern. Allein, meine Herren, ich empfinde um deswillen das Bedürfniß, ein Wort über die Frage zu sagen, weil der Herr Voiredner ausdrücklich Bezug ge⸗ nommen hat auf die in der gestern von mir verlesenen Eröffnungk⸗ rede für den preußischen Landtag enthaltenen Erklärungen, und sodann, weil ich auch nach Außen hin keinen Zweifel darüber lassen möchte, daß die Reicht verwaltung als selche nach wie vor das Programm verfolgt, auf eine Erhöhung derjenigen Gehaltssötze im Reichedienst, welche als unzulänglich erkannt werden, nach Maßgabe der vorhan⸗ denen Mittel und des vorhandenen Bedürfnisses hinzuwirken.

Wenn Ihnen bisher auf diesem Gebiet positive Vorschläge in dem erwarteten Umfange noch nicht gemacht sind, so liegt das eben daran, daß eine Erhöhung der Gehälter im Reich ganz nothwendiger⸗ weise und das, glaube ich, hat auch der Herr Voriedner anerkannt Tari passu gehen muß mit der Ausbesserung der Gehalisskala in Preußen. Die Königlich preußische Regierung hat sich nun, wie Sie aus der gestern verlefenen Eröffnungsrede ersehen, dahin schlüssig ge⸗ macht, daß mit dem Landtage ine Ausbeserung der Gehaltssätze für die unteren und mittleren Stellen des Dienstes zu vereinbaren sei. Sie hat dabei nochmals den allgemeinen Grundsatz aufgestellt, daß für alle Gehälter, foweit sie dem Bedürfniß nicht entsprechen, eine Erböhung anzustreben sei. Ich für meine Person halte es für durch- aus gusgeschlossen, daß, wenn in Preußen über die Aufbesserung der Gehälter ein Beschluß gefaßt ist, im Reich nicht die Konsequenz dieses Beschlusses für die Reichsbeamten gejogen werden sollte. Das heißt also, ich halte dafür, daß entsprechend den in Preußen vorgenommenen Aufbesserungen auch im Reich die Aufbesserung der Gehälter erfolgen wird. Die verbündeten Regierungen haben nach dieser Richtung hin, wie ich schon vorhin bemerkte, keinen Beschluß gefaßt; und man könnte mir ja einwenden, daß diese Hoffnung, die ich ausspreche, von keiner Bedeutung ist, so lange nicht die verbündeten Regierungen be— schlossen haben. Allein, meine Herren, es liegt kein Anlaß zu der Annahme vor, daß die verbündeten Regierungen nach dem Vorgange Preußens sich den Konsequenzen dieses Vorganges entziehen werden.

Wie die Sache in Preußen verlaufen wird, das läßt sich ja in diesem Moment nicht mit veller Bestimmtheit überseben. Der Königlich preußische Finanz⸗Minister stellt sich auf den Standpunkt, und ich glaube, dieser Standtunkt wird von allen Seiten als ein berechtigter anerkannt werden müssen, daß dauernde Gehalts aufbesserungen nur dann bewilligt werden können, wenn auch dauernd die Deckungsmittel für die Zahlurg der erhöhten Gehälter zur Ver füzung stehen. Es wird elso der Prüfung zu unterziehen sein, in welchem Maße dauernde Deckungsmittel für die Aufbesserung der Gehälter vochanden sind, und nach Maßaahe der Grenze, die sich aus dieser Prüfung ergiebt, wird die Aufbesserung der Gehälter in Preußen vorzunehmen sein. Ob da nun eine gleichmäßige prozentuale Aufbesserung stattfinden werde, oder ob man hier bis an eine be— stimmte Grenze der Staatstienerlategorieen in der Aufbesserung gehen wird, das weiß ich nicht. Das muß aber der Erwägung vor⸗ behalten bleiben, es wird aber naturgemäß auf diesein Wege so lange fortgeschritten werden müssen, als ein Bedürfniß rorliegt und als die Mittel, dieie Ansbesserung zur Turchführung zu bringen, vorhanden sind. Ist in Preußen, die Sache klargestellt, so wird sie hier bei uns im Reich auch in Angriff genommen werden müssen, und ich hin außer Zweifel, daß, wenn in dieser Landtagesession ein Beschluß in Preußen über die Aufbesserung der Gehälter zu Stande kommt für das Etate⸗ jahr 189091, das Reich ebenfalls schon für dieses Etatsjahr folgen wird. Ich halte demnach den Beschluß, daß die verbündeten Re— gierungen ersucht werden mögen, für dieses Etatsjahr eine Auf— besserung in Aussicht zu nehmen, nach dieser meiner Erklärung für überflüfsig; wollen Sie aber so beschlichen, so wird dagegen nichts zu erinnern sein. Man wird daraus die Alsicht des Reichstages ent nehmen können, daß er den verbündeten Regierungen auf dem Wege einer allgemeinen Aufbesserung der Gehälter zu folgen bereit ist.

Nun, meine Herren, lassen Sie mich noch ein Wort sagen über die einmaligen Zuschüsse. Der Hr. Abg. Dr. Baumbach hat den Antrag, der von seiner Fraktion früher eingebracht war, heute nicht wieder aufgenommen, er hat sich die Wiederaufnahme für die dritte Lesung vorbehalten. Diesem Vorbehalt gegenüber möchte ich darauf aufmerksam machen, daß die einmaligen Zuschüsse in der That erhebliche Bedenken gegen sich haben. Sie werden in diesem Moñ— ment begründet durch die Theuerung der Lebensbedürfnisse. Nun wird aber über diese Theuerung der Lebensbedürfnisse sehr gestritten; (s giebt ja auch Personen in diesem hohen Hause, welche zumal eine all⸗ gemeine Vertheuerung der Lebensbedürfnisse für den Augenblick durch— aus in Abrede stellen. Hr. von Kardorff, hat uns das beispielsweise neulich auseinandergesetzt. Und wenn keine allgemeine Vertheuerung der Lebensmittel anzunehmen ist, jo wird auch darauf kein allgemeiner Zuschuß zu den Dien steinnahmen begründet werken können. A-ßerdem aber ist das Bedenken dech berechtigt, daß ein einmaliger Zuschuß den Beamten nicht viel hilft, zumal wenn das Maß der Theuerung zu Grunde gelegt wird und dieses Maß verschieden geschätzt wird. Der Eine findet, daß seine Einnahmen nicht ausreichen, um die angebliche Theuerung zu überwinden, während der Andere sich mit seinen Mitteln einschränkt und auch da noch seine Existenz als gesichert ansieht Ich bin der Meinung, eine richtige Politit müsse dahin gehen, daß nicht mit einmaligen Zuschüssen gearbeitet wird, sondern daß eine allge⸗ meine Aufbesserung da stattfindet, wo sie sich als nothwendig erweist.

Und diese allgemeine Aufbesserung vorzunehmen, ist, wie gesagt, die preußiscke Reglerung innerhalb ihres Geschäftskreises nach Maß gabe der vorhandenen Mittel bereit, und ich wiederhole es: meine Persönliche Ueberzeugung geht dahin, daß die verbündeten Regierungen sich dem nicht werden entziehen können, auf diesem Gebiete zu folgen.

Ich spreche die Hoffnung aus, daß dies bereits für das nächste Etats

jahr möglich sein möge. . Abg. Kalle spricht für Annahme seiner Resolution.

Nach der Erklärung des Staatssekretärs sei mit Sicherheit eine Gehaltsaufbesserung der Postbeamten zu erwarten.

Abg. Singer ist im Prinzip für die Annahme seines

ein die Kommission verwiesenen Antrags, welcher auf eine bestimmt normirte Gehaltserhöhung für verschiedene Katego⸗

rien von Postbeamten abzielte; er zieht jedoch mit Rücksicht auf den Antrag Kalle seinen Antrag zurück in der Hoffnung, daß die Regierung im rächsten Jahre eine Gehaltzerhöhung vornehmen wird. ;

Abg. Dr. Win dt horst hält eine Aufbesserung der Be— amtengehälter für nothwendig. Der Antrag der Kommission entspreche den verfassungsrechtlichen Vorschristen, denn der Volksvertretung stehe das Recht der Initiative in Bezug auf die Finanzen nicht zu. Der Antrag Kalle gefalle ihm nicht recht; denn er verlange einen Vachtrags- Etat bis zur letzten Lesung. Wie solle denn die Regierung sich in so kurzer Frist entscheiden können? So sehr es auch wuͤn— schenswerth sei, den Beamten in ihrer Nothlage

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zu helfen und schnell eee. helfen, so könne er doch einen solch bedenklichen Antrag nicht annehmen. Die Er⸗ klärung des Hrn. von Boetticher habe ihn sehr erfreut, denn eine Aufbesserung der Beamtengehälter sei nothwendig, wenn man nicht ein Beamtenproletariat schaffen wolle. Den Antrag Kalle möchte er der Budgetkommission zur schleunigen Berichterstattung überweisen. ; .

Abg. von Helldorff theilt die finanzrechtlichen Bedenken des Vorredners. Er und seine Freunde hätten die Absicht ge⸗ habt, für den Antrag der Kommissien zu stimmen. Aber die Auslassung der Thronrede, mit welcher der preußische Landtag eröffnet worden ist, kann wohl zu anderen Entschließungen führen, des halb wolle er sich einer nochmaligen kommissarischen Berathung nicht widersetzgen.t -

Abg. Richter: Die Bereitwilligkeit aller Parteien, den Beamten eine Aufbesserung zu gewähren, ist hier festgestellt worden. Das ist eine Anerkennung der Theuerungs verhält⸗ nisse, die lediglich durch die Wirthschaftspolitik des Fürsten Bismarck hervorgerufen worden ist. (Lebhafter Widerspruch rechts.) Ihr Widerspruch ändert nichts daran, daß Sie (nach rechts deutend) die Verantwortung tragen . diese Politik. Es wäre besser gewesen, wenn die Regierung des Reichs ihrer⸗ seits die Initiative ergriffen hätte. In den Kommissionsver⸗ handlungen schien man von Seiten der Regierung auf nichts eingerichtet zu sein. Die preußische Regierung hat, wie die heutige Etatsrede des Finanz⸗Ministers von Scholz im preußischen Abgeordnetenhause ergiebt, eine Summe von 18 Millionen Mark für diese Zwecke zurückgestellt. Es ist be⸗ dauerlich, daß wir jetzt dem preußischen Beispiele folgen müssen. Ich halte auch eine kommissarische Berathung für nothwendig, um em ähnliches Verfahren im Reich in die Wege zu leiten. ;

Abg. von Kardorff: Nach dem Vorgange in Preußen wird die Reichsregierung ein ähnliches Verfahren einschlagen müssen. Hr. Richter hat wieder die Legende von der unge⸗ heueren Theuerung vorgebracht, die Schuld daran dem Reichs⸗ kanzler zugeschoben. Die Theuerung der Kohlen ist nicht durch den Reichskanzler veranlaßt. Mit solchen Geschichten haben die Freisinnigen bisher wenig Glück gehabt.

Der Antrag Kalle und die andern zu dieser Frage ge⸗ stellten Anträge werden an die Budgetkommission zurück— verwiesen. Die betreffenden Titel des Etats der Postverwal⸗ tung, zu welchen sie gestellt waren, werden genehmigt.

Unter den einmaligen Ausgaben der Postverwaltung werden verlangt 535 500 M zur Vergrößerung des Post⸗ grundstückes und zur Herstellung eines neuen Dienst⸗ gebäudes in Frankfurt a. M. als dritte Rate (erste Baurate).

Die Budgetkommission beantragt, nur 235 500 M6 zu be⸗ willigen und die Worte „erste Baurate“ zu streichen.

Staatssekretär Dr. von Stephan:

Meine Herren! In der Budgetkommission wurden namentlich aus drei Gründen Bedenken erhoben gegen den vorgelegten Bauplan. Dem einen Theil erschien der Bau überhaupt zu weit und groß an— gelegt und dadurch zu kostspielig; der andere Theil der gegenstimmen⸗ den Mitglieder das waren ja eigentlich alle, der Beschluß ist ein stimmig gefaßt worden ging namentlich davon aus, daß der Bau nicht so dringend sei, als daß er nicht noch ein Jahr hinausgeschoben werden könnte; und drittens wurde geltend gemacht, daß mit einer Summe von 200 000 4 für einen Neubau doch nicht viel auszurichten wäre, daß sie zu unbedeutend sei, um damit den Uebelständen Abhülfe zu verschaffen.

Was den letzteren Punkt anbetrifft wenn ich auf den gleich eingehen darf —, so habe ich allen Anlaß. nach genauer Feststellung der Verhältnisse aniunehmen, daß mit einer Summe von 200 000 4 in der That, wenn sie zum 1. April zur Verfügung gestellt werden sollte, den dringendsten Uebelständen in Frankfurt und namentlich solchen, die gefahrdrohend bereits geworden sind, Abhülfe geschafft werden tann. Denn für ein solche Summe von, sagen wir 150 200 000 6, können, unbeschadet des Bauplanes im Großen, immerhin Hinter“ gebäude hergerichtet werden, die dauernd beizubehalten sein würden und in welche zunächst die allerbedrohtesten Räume das ist die Telegraphie und das Packetwesen hineingelegt werden können. Denn die Zustände sind, wie auch aus den von dem Herrn Referenten

vorgetragenen Eingaben des Magistrats und der Handelskammer, also.

der berufensten Vertreter des Verkehcs in Frankfurt, hervorgeht, derart, daß wir unter keinen Umständen in den nächsten Winter mit dem jetzigen Lokal hineingehen können.

Es würden also in Frankfurt, wenn nicht eine solche kleine Summe für den Bau von Hintergebäuden jetzt noch zur Verfügung estellt werden sollte Sie können sich das ja noch bis zur dritten . überlegen —, die Uebelstände so groß werden, daß wir beispiels⸗ weise ganze Zweige des Verkehrs nach dem Bahnhof hinaus verlegen müßten, was für eine so große und so gewaltigen Verkehr treibende Stadt wie Frankfurt mit den hedenklichsten Schwierigkeiten, Ver⸗ säumnissen. Beschwernissen des Geschäftsverkehrs verbunden sein würde. Soviel, was diesen Punkt betrisst.

Was dann die Bedenken, die gegen die ganze Anlage des Baues von einem Theil der verehrten Mitglieder der Budgetkommission erhoben wurden, betrifft, so haben Se. Majestät AÄAllerhöchstihre Entschließung dahin gefaßt, auf die Herstellung eines Kaiserlichen Ab⸗ steigequartiers in dem neuen Reichs⸗Postgebäude in Frankfurt am Main überhaupt verzichten zu wollen. Dadurch, meine Herren, wird ja die ganze Sachlage nun wesentlich vereinfacht. Es muß ein anderer und selbstverständlich vereinfachter, also auch minder lost⸗ spieliger Plan aufgestellt werden, mit Kostenanschlägen und Zeichnungen. Daß das bis zur dritten Lesung und bis zum Tagen der jetzigen hohen Versammlung nicht mehr möglich sein wird, liegt auf der Hand. Wohl kann aber dieser Bauplan bis zum nächsten Reichstage fertig gemacht und demselben zur Genehmigung unterbreitet werden. Es verhindert das aber nicht, daß unbeschadet der späteren Prüfung des neuen vereinfachten Bauplanes jetzt auch noch von diesem Reichtta ne eine Summe bewilligt wird, wie ich sie vorhin ungefähr nannte, zwischen 150. und 200 000 4, zur Erbauung von Hintergebäuden und zur Einebnung des Bauplatzes alles unbeschadet der späteren Prü⸗ fung und Fesistellung des Bauplanes und Kostenanschlages und auch der Hauptsumme durch die Volksvertretung.

Wie dringend nun die Bewilligung eines solchen Provisoriums ist will ich es mal nennen, obschon nachher die Hintergebäude definitiv stehen bleiben sollen, es ist nicht die Absickt sie wieder niederzulegen das will ich mir nun im Anschluß an das, was der Herr Referent aus der Eingabe der Handelskammer und des Magistrats vorgetragen hat, hier etwas näher zu erläutern erlauben. .

Erstens die Baufälligkeit deß ganzen Häuserkomplexes betreffend. Diese Gebäude reichen zum Theil zurück in ihrer Entstehung in das Jahr 1631, und aus mehreren solchen mit der Zeit zusammen gekauften Gebäuden ist der jetzige Besitz entstanden Das Vorderhaus steht auf einem einzigen Tonnengewölbe mit, dem bautechnischen Gut⸗ achten nach, zu schwachen Widerlagern; die Wände sind durchweg zu schwach; die sämmtlichen Hoffluͤgel bestehen nur aus Fachwerk; der unkesel ige Flügel hat sich von der Nachbarmanuer bereits über 20 em abgelzst, und es ist ein klaffender Spalt da; Holzschwamm befindet sich in verschiedenen Gebäudetheilen. Nun haben in diesen alten Häaͤusern noch viele Umbauten stattfinden müssen. Zuerst schon ein größerer Umbau im vorigen Jahrhundert, 1764, dann ein zweiter Umbau im Jahre 1868, bei Uebernahme der Thurn und Taxieschen , in den preußilchen Staat beziehungtweise auf das

eutsche Reich; endlich im Jahre 1876 bei Hineinverlegung der

des Publikums im höchsten Maße behindert ist.

Telegraphie in das Postgebäude. Durch diese vielen Umbaußen bat natürlich der Stabilitätgzustand der Gebäude nicht verbessert, seine konstruktiven Theile sind erheblich aeschwächt worden und die Baufälligkeit hat zugenommen. Es mußte beispielsweise der Umbau der Schalterhalle, die vielleicht viele von den Herren bei ibrer Anwesenheit in Frankfurt gesehen haben werden und die unter allen Umständen zu klein und eng ist, aufgegeben werden, weil, wie es in dem betreffenden Baubericht heißt, auch die Matbigsten der Frankfurter Bauunternehmer es nicht wagen wollten, noch Hand an einen Reparaturbau zu legen. Was den GHesundheits. zustand betrifft, so besinden sich unter mebreren Diensträumen des Erdgeschosses alte, zugeschüttete Abtrittsgruben, Kanäle und Senk⸗ gruben mit üblen Ausdünstungen; es irt vielfach Licht⸗· und Luft⸗ mangel vorbanden. Was die Feuergefährlichkeit angeht, so sind Brandmauern nirgends vorhanden, wie solches nach den damaligen Bau⸗Polizeiverordnungen möglich war. Es befinden sich nur hölzerne Treppen in diesen Gebäuden bei einem Personal von 1000 Köpfen, diese Trerpen sind noch dazu schmal und dunkel. Das ganze Gebäude der Telegraphie, vier Geschosse hoch, hat nur eine einzige, durch die vier Geschosse sich hindurchziehende hölzerne Treppe, und es sind zuweilen mehrere Hundert Beamte in diesem Telegraphen⸗ ebäude anwesend. Nun vergegenwärtigen Sie sich, daß Tag⸗ und

achtdienst herrscht., daß zahlreiche Flammen brennen, und daß vielleicht die Entstehung einer Feuersgefahr, die die schrecklichsten Folgen haben könnte, bevorsteht; Hülfe zu schaffen durch mehrere Ausgänge eben nicht möglich ist. Es ist das einer der Gründe, warum es dringend nöthig ist, schon am 1. April mit dem Bau eines Hintergebäͤudes anzufangen, um dort einen Tele . graphensaal hineinlegen zu können.

Ferner befindet sich dort das Fernsprechamt. In Frankfurt be⸗ trägt die Anzahl der Abonnenten 1143, welche täglich über 14000 Gespräche führen. Es sind dort uͤber 1900 Drähte eingeführt mittelst eines Gerüsts auf dem an sich schon nicht mehr sehr stabilen. Gebäude. Gegen diese Drähte. wirkt ein gewaltiger Winddruck, und wer da weiß, welche unglaub⸗ liche Kraft der Wind ausübt, wenn er gegen eine Anzahl in der Luft straff ausgespannter Drähte seine Wirkung äußert, der kann nur mit den ernstesten Besorgnissen daran denken, was geschehen wird, wenn mehr Theilnehmer sich melden und die Anzahl der Drähte ver⸗ mehrt werden muß; es liegt auf der Hand, daß das Haus das nicht mehr aushalten kann.

Die Räume sind so dunkel, daß wir um 12 Uhr Mittags in dem Haghes⸗Saal, in welchem sich die leistungsfähigsten Apparate befinden, die den Dienst auf den großen Linien versehen, nach Berlin, Wien, Paris, London u. s. w., in diesem Saal, wo der wichtigste Verkehr abgewickelt wird, an etwas minderhellen Tagen Gaslicht brennen müssen. Der Vertrauentarzt der Ober Postdirektion in Frankfurt hat eine achtstündige Arbeit, welche das Pensum ist, das wir von unseren Beamten verlangen, aus hvgienischen Rücksichten in diesem Raum für nicht wohl ausführbar erklärt. Es ist ferner festgestellt worden, daß auf jeden Beamten weniger Luft kommt an Quadratmetern, als die Vorschriften für die Arbeiter in Fabriken vorfehen.

Meine Herren, das sind doch Zustände, die unmöglich noch ein Jahr länger aufrecht erhalten werden können! Der Fernsprechsaal besteht aus einem 25 m langen und nur 5 m breiten Raum, ge⸗ wissermaßen einem Korridor, darmartig. Darin haben die Fern⸗ sprechschränke für die 1200 Abonnenten alle in einer Reihe aufgestellt werden müssen, längs der langen Wand. Das erschwert den Dienst außerordentlich durch das Hin! und Herlaufen, durch gegenseitiges Zurufen. Es ist ein vollständiges Tohuwabohu von Stimmen in den Hauptverkehrsstunden und man muß es bewundern, daß es dem Geschick und Eifer der Beamten bisher noch möglich gewesen ist, den Dienst aufrecht zu erhalten.

Die Ober⸗Postlasse, die sich selbstverständlich parterre befindet, hat keine unterkellerten Räume, und es sind da fast Temperatur unterschiede, wie sie in den verschiedenen Zonen des Erdballs vor⸗ kommen. Die dortigen Beamten haben dem von mir zur Untersuchung entsandten Kommissar versichert es sind alte, zuverlässige, treue, brave Beamte —,̊ daß sie mitunter an den ihn eine Temperatur von nur 7 Grad haben, während ihr Kopf sich in der Temperatur von 18 Grad befindet.

Die Packetausgabe ist außerordentlich eng, sodaß die Abfertigung Wenn man sich in diese Stelle begiebt, so findet man auf den Bänken verschiedene Per⸗ sonen sitzen, die ihr Frühstück verzehren; nach näherer Erkundigung wurde uns mitgetheilt, daß die Hausknechte von den großen Geschäften in der Regel vor R bis Stunde wegen des Raummangels nicht abgefertigt werden, und diese Zeit, um sie nicht unbenutzt zu lassen, zu ihrem Frühstück verwenden. Das sind die Zustände kurz geschildert, die dort obwalten.

In dem Briefträgersaal sind 160 Personen anwesend, und der ganze Saal umfaßt nur 2900 4m

Die Steigerung des Verkehrs hat Ihnen schon der verehrte Herr Neferent geschildert; ich will mich dessen enthalten. Ich bitte Sie nur, in Etwäjung zu nehmen die große Verantwortlichkeit einer Ver⸗ waltung für die pünktliche Abwickelung des Verkehrs, für die Erleich⸗ terung des Dienstes, für die Gesundheit der Beamten, und sich die Sache vielleicht bis zur dritten Lesung zu überlegen, ob Sie Angesichts der nun so wesentlich durch die Allerhöchste Entschließung vereinfachten und anders vorbereiteten Sachlage und im Interesse des bedeutenden Vtrkehrs von Frankfurt am Main die Verwaltung nicht in den Stand setzen wollen, den wirklich hier vorliegenden, nicht nur äußerst dringlichen, sondern wahrhaft gefahrdrohenden Verhältnissen ein Ende zu machen, und uns zu ermächtigen, ror⸗ behaltlich der Feststellung des endgültigen Bauplans zur Erbauung von Hintergebäuden und zur Einebnung des Bauplans eine Summe von etwa 150 900 bis 207 000 M aufzuwenden.

Abg. Richter: Nachdem durch den Verzicht auf das Ab— steigequartier des Kaisers in dem Postgebäude der Hauptgrund, weshalb wir diese Position beanstandet haben, in Wegfall ge⸗ kommen ist, sind wir gern bereit, der Postverwaltung in Bezug auf die beschleunigte Herstellung eines neuen Postgebäudes ent⸗ gegenzukommen. Wenn es auch bei der zweiten Lesung schwer mög⸗ lich ist, alsbald eine Formulirung zu finden, um neben dem Erwerb des Grundstückes auch schon eine bestimmte Bausumme zu nor⸗ miren, so wird sich doch vielleicht bis zur dritten Berathung eine Formulirung finden lassen, daß wir schon in diesem Jahre eine Summe flüssig machen zur Einhegung des Bau⸗ platzes und zur Hernellung der Hintergebäude, vorbehaltlich der späteren Genehmigung der Plane.

Abg. von Wedell-Malchow: Wir haben uns gesagt, daß in einem Etat, welcher so große Mehrbelastung enthält, man 1st Bewilligung von anderen Ausgaben vorsichtig sein müsse.

Direktor im . Fischer: Es ist gesagt worden, wenn das Bedürfniß so dringend wäre, dann hätte die Postverwaltung schon früher mit Anträgen kommen müssen. Die Postverwaltung wäre auch früher gekommen, wenn nicht wegen des Ankaufs des Nachbargrundstückes sich die Ver⸗ handlungen sehr verzögert hätten.

Der Antrag der Budgetkommission wird darauf an⸗ genommen.

Es folgt der Etat des Reichs-Invaliden fonds.

Abg. Sçipio begrüßt es nit Freude, daß in der Budgetkommission in Aussicht gestellt ist, daß die unteren Chargen der Militärpersonen in Bezug auf die Pensionen be g e ffst werden sollen, wie dies bei den Offizieren schon geschehen ist. ö

Der Etat wird bewilligt, ; .

8m Etat des Reichs-Schatzamts liegt folgender An⸗ trag des Abg. Broemel vor: Die verbündeten Regierungen zu

. z ersuchen, in Zukunst alle Abänderungen des amtlichen Waaren⸗ verzeichnisses zum Zolltarif mindestens vier Wochen vor Inkraft⸗ treien derselben vollfländig im „Centralblatt für das Deuische Reich zu veröffentlichen. .

Abg. Broemel weist darauf hin, daß die Beschwerden über die zu späte Veröffentlichung der Aenderung des amt⸗ lichen Waarenverzeichnisses zahlreich vorgelegen hätten, vom Reichstage auch durch Ueberweisung von Petitionen an die Regierung anerkannt seien. Aber die Antwort der Regierung steht noch aus. Mit Rücksicht auf die Geschäftslage verzichtet Redner, auf die Einzelheiten einzugehen. Der Handelsstand sei berechtigt, eine Frist von 4 Wochen wenigstens zu ver⸗ langen, damit er sich auf Aenderungen des Waarenverzeich⸗ nisses einrichten kann.

Staatssekretär Freiherr von Maltzahn:

Meine Herren! Ich bin darin mit den Ausfübrungen des Herrn Vorredners vollständig einverstanden, daß es an und für sich wünscheng⸗ werth ist, die Abänderungen des amtlichen Waarenverzeich⸗ nisses so frühzeitig, als es irgend möglich ist, zur Kenntniß der Betheiligten zu bringen. Aus diesem Grunde ist auch die Publikation des letzten abgeänderten Waaren⸗ verzeichnisses, welches ich hier in der Hand halte, am 1. Juni 1888 erfolgt, während es am 1. Juli in Kraft getreten ist. Der Zeitraum, welcher hier zwischen der Publikation und dem Inkraft⸗ treten des amtlichen Waarenverzeichnisses lag, war ein weiterer, als er in früheren Fällen mitunter gewesen ist. Der Herr Ab⸗ geordnete hat nun in Bezug auf diesen Fall darauf aufmerksam gemacht, es sei ihm auffallend, daß der Beschluß des Bundetraths aus den letzten Tagen des März datire, während die Publikation durch das Centralblatt' erst am 1. Juni erfolgt sei. Die Verzögerung dieser Publikation liegt einfach in den Schwierig keiten der Drucklegung und der bei der Bedeutung dieses Werkes nothwendigen sorgfältigen und mehrfachen Revision des Druckes. Ich glaube, wenn die Herren das amtliche Waarenverzeichniß in die Hand nehmen, so werden Sie sagen, daß eine Verwendung von 4 Wochen auf diese Arbeit wahrlich nur dann ausreichen konnte, wenn die betreffenden Bebörden und Beamten auf daß Aeußerste ihre Sorgfalt und ihren Fleiß anstrengten. Der Termin, an dem damals die Publikation eifolgt ist, ist ja auch ein solcher, daß auch, nach dem Antrag Broemel, ein früherer Termin nicht hätte gewählt zu werden brauchen, denn zwischen dem 1. Juni und dem 1. Juli liegen mehr als 4 Wochen. Nun will der Hr. Abg. Broemel aber allerdings das ganze amtliche Waarenverzeichniß im Centralblatt publiziren (Zuruf: die Ab—= änderungen) die Abänderungen des amtlichen Waarenverzeichnisses im Centralblatt publiziren. Dieses Verfahren ist bisher ben bachtet worden und wird voraussichtlich auch in der Zukunft beobachtet wer⸗ den, wenn es sich um einzelne Abänderungen handelt. Wenn aber und das war vor 2 Jahren der Fall, das ist auch früher ein oder zwei Mal der Fall gewesen die Abänderungen sich so angesammelt hatten, daß eine vollständig neue Redaktion des ganzen Buches sich nothwendig machte, dann hat man bisher den Weg gewählt, daß nicht dieses ganze Buch, welches in den Händen des Publikums doch in Oktavform am bequemsten erscheint, noch in extenso in das in unbequemer Quartform erscheinende „Centralblatt für das Deutsche Reich' aufgenommen ward, und ich glaube wirklich, dieses Verfahren empfiehlt sich aus Zweckmäßigkeitsgründen. Ich will zugeben, daß eine Nummer des Centralblattes‘, die mit einer Anlage von der Stärke dieses Buchs erscheinen würde, dem Publikum mehr auffallen wird, als eine einfache Notiz, daß das neue Waaren— verzeichniß eischienen und da und dort zu haben sei; aber für den praktischen Zweck, glaube ich, reickt das letztere in der That aus.

Was nun die Frist von 4 Wochen betrifft, so habe ich nach wie vor gegen die Bemessung einer bestimmten Frist gewisse Bedenken. Es kann der Fall so liegen, daß irgend eine Abänderung

des amtlichen Waarenverzeichnisses nothwendig wird, für deren

Inkrafttreten selbst eine vierwöchentliche Frist zu lang sein würde.

Ich würde also aus diesem Grunde es für wünschenswerth halten, daß der Reichttag dem Antrage nicht zustimmt und sich damit begnügt, daß von meiner Seite hier erklärt wird, daß wir in Zukunft wie bisher bestrebt sein werden, so früh als irgend möglich im Interesse der betheiligten Kreise Abänderungen des Waarenverzeichnisses zur Kenntniß der Betheiligten zu bringen Will der Reichstag indessen dem Antrag zustimmen, so habe ich natürlich diejenigen erheblichen Bedenken, welche ich im vorigen Jahre dem Gesctzentwurfe entgegen— zusetzen hatte, dieser Resolution nicht entgegenzusetzen.

Abg. Hultzsch empfiehlt den Antrag anzunehmen; das amtliche Waarenverzeichniß wird vielfach für gleichwerthig ge⸗ halten mit dem Zolltarif, obgleich das nicht der Fall ist. Es sind manche berechtigten Beschwerden vorgekommen; so wurde z. B. auf Betreiben der Seilerinnung Kokosgarn für zoll— pflichtig erklärt; die Verfertiger von Kokosmatten erfuhren aber von dieser Zollpflichtigkeit erst, als von ihnen der Zoll verlangt wurde.

Abg. Witte weist darauf hin, daß verschiedene Artikel, die früher zollfrei waren, als zollpflichtig eiklärt sind, daß andere im Zoll erhöht worden sind, ohne daß die betheiligten Kreise davon etwas wußten, so Faßbodenholz, gebogene Reifen— stäbe, Fuselöl, Kokosgarn 2. Die Vorkommnisse bewiesen, wie nothwendig eine Aenderung des jetzigen Verfahrens ist.

Staatssekretär Freiherr von Maltzahn:

Zufällig liegen mir augenblicklich zwei Aktenstücke vor. welche sich auf diejenigen Positionea des amilichen Waarenverzeichnisses beziehen, von denen der Herr Vorredner soeben gesprochen hat und welche beide in der Zwischenzeit vom 22. Oktober, dem von ihm genannten Anfangs⸗ termin und dem heutigen Tage, bei mir eingegangen sind. Ich erwähne diese Thatsache nur als einen schlagenden Beweis dafür, daß wir nicht geschlafen haben und die Sache nicht einfach haben liegen lassen, sondern hin und her verhandelt baben, denn die Verhandlungen sind bis heute noch nicht zum Abschluß ge— diehen. Das will ich allerdings dem Herrn Vorredner nicht verhehlen, daß in Bezug auf den von ihm am speziellsten behandelten Gegen— stand, das Fuselöl, die uns bei diesen Verhandlungen aus dem Kreise der Interessenten zugekommenen Aeußerungen sich keineswegs mit den ,, decken, welche ich eben von dem Herrn Vorredner ge⸗

ört habe.

Der Herr Vorredner hat das ganze Gebahren des Bundesraths in Bezug auf das amtliche Waarenverzeichniß angegriffen. Wenn ich mich zurückversetze in die Zeit, als ich selber die Chre hatte, auf jenen Bänken im Reichstage zu sitzen, und mir vergegenwärtige, wie fremd mir damals dieser Gegenstand war, so glaube ich, ist es nicht nutzles für einen großen Theil der Reicht tags Abgeordneten, wenn ich zur Klarstellung den betrefftnden Paragraphen des Reichs ⸗Zollgesetzes hier einn al wieder verlese. Es ist der §. 12, welcher lautet:

Zur richtigen Anwendung des Vereingtolltarifs dient das amt liche Waarenverzeichniß, welches die einzelnen Waarenartikel nach ibren im Handel und sonst üblichen Benennungen in alphabetischer Ordnung aufzählt und die auf jeden derselben anzuwendende Tarif- nummer bezeichnet. Beschwerden über die Anwendung des Tarifs im einzelnen Fall werden im Verwaltungkwege entschie den.

Der Bundesrath bat das amtliche Waarenverzeichniß auf Grund dieser gesetzlichen Bestimmung. aufzustellen, er hat es auch anzuwenden, Beschwerden wegen unrichtiger Verzollung haben sich aber nicht zu richten gegen falsche Anwendung einer Bestimmung des Waaren⸗ verzeichnisseg, sondern gegen eine falsche Anwendung des gesetzlich fest ; geftellten Tarifß. Nun ist das wohl unbestreitbar, und ich glaube, guch die Herren, die das amtliche Waarenverzeichniß in seiner jetzigen Form krikisiren, werden mir zugeben, daß man über die richtige Subfumirung einer ganzen Reibe von Wagren unter die einzelnen Posttionen des Zolltarifs in easn concreto fehr rerschiedener Ansicht sein kann, daß man ferner bei einzelnen Positionen auf eine unbedingt richtige, nach der Meinung des Bundekraths oder der betreffenden

Reichsbebörde zutreffende Einreihung ein geringeres Gewicht legen darf. so lange die betreffenden Waaren nur in ganz verschwindenden Mengen gehandelt werden. daß aber die richtige Klassifikation einer Waare dann an Wichtigkeit gewinnt, wenn sie eine erhebliche Bedeu tung im Waagrenverkehr erreicht. Der letzte Fall ist z. B. bei Fuselöl eingetreten. Fuselöl hat früher lange nicht die Bedeutung gehabt, wie seit einigen Jahren. Man hat darauf eine andere Klassifikation des Fuselöls nach bestem Wissen und Gewissen vorgenommen. Von anderer Seite ist diese dann als unrichtig lritisirt worden. Es giebt eben verschiedene Meinungen darüber, wohin Fuselöl, wohin andere Waaren im Zolltarif gehören. . =

Nun ist es mir sehr interessant gewesen, in den Anführungen nicht bloß der beiden Herren von der linken Seite, 66 auch des Herrn. welcher von der rechten Seite des Hauses sprach, eine Bestätigung dafür zu finden, daß eine öffentliche Kritik der Verfügung des Bundesratbs nur dann eintritt, wenn dieselbe irgend einen Tarifsatz heraufgesetzt hat, aber niemals, wenn sie einen an und für sich zoll= vflichtigen Artikel durch eine falsche Klassifikation im amtlichen Waarenverzeichniß frei gelassen hat. Aber auch das letztere würde gegen die Pflichten des Bundesraths verstoßen. Wir sind dafür auch verantwortlich, daß der gesetzlich festgestellte Tarif auch zu Gunsten ö der Steuerzahler des Reichs, richtig gehandhabt werde.

Ich habe nun bereits erwähnt, daß man ja darüber, ob die getroffene Entscheidung im einzelnen Falle richtig ist oder nicht, verschiedener Meinung sein kann; das aber will ich ausdrücklich erklären, daß mir leine Entscheidung bekannt ist, von der das Wort gesagt werden könnte, welches der letzte Herr Vorredner, ich glaube, nicht im vollen Bewußtsein seiner Traͤg⸗ weite gebraucht hat. Er hat gesagt, es sei eine Reihe von Entschei⸗ dungen getroffen, welche mit dem klaren Inhalt des Gesetzes nicht in Einklang zu bringen seien. Diese Aeußerung muß ich selbst— verständlich zurückweisen.

. möchte ich noch erwähnen, daß, wenn der Herr Ab⸗ geordnete sagte, man habe zum Studium des jetzigen amtlichen Waarenverzeichnisses nach Publikation desselben nur 8 bis 10 Tage Zeit gehabt, doch nach einer Meinung zwischen dem 1. Juni und dem 1. Juli 30 Tage liegen. .

Abg. Struckm ann empfiehlt die Annahme des Antrages und bittet um Auskunft darüber, ob der Bundesrath über den Beschluß des Reichstages wegen Schaffung eines Reichs⸗Tarifs⸗ amts noch keine Entscheidung getroffen habe.

Abg. Goldschmidt bedauert die ablehnende Haltung der verbündeten Regierungen und geht namentlich auf die Zollbehandlung der Faßbodentheile ein, durch welche ein großer Industriezweig, die Faßböttcherei, erheblich geschädigt sei.

Staatssekretär Freiherr von Maltzahn: =

Ich empfinde eine gewisse Befriedigang daruber, daß so ziemlich alle Positionen des Verzeichnisses schwebender Fragen auf diesem Gebiete, welches ich mir zusammengestellt hatte, doch im Laufe der Diskussion noch aufgetaucht sind. Ich kann den Hecrn versichern, daß diese sämmtlichen Fragen eben thatsächlich noch nicht zu einer solchen Klarheit durch die Verhandlungen gediehen sind, daß wir bereits mit einer Aenderung des amtlichen Waarenverzeichnisses an die Oeffentlich keit treten oder von einer solchen Aenderung endgültig Abstand nehmen könnten. Die Dinge liegen nicht voll so einfach, wie die Herren das hier im Reichstag sagen. So hat der vorige Herr Redner aus- gesprochen, es sei ganz zweifellos leicht festzustellen durch einen oder zwei Sachrerständige, ob eine Faßdaube oder ein Faßbodentheil mit der Axt gespalten oder in der Längsrichtung gesägt fei. Es kommen aber im Verkehr nicht nur diese zwei Dinge vor, fondern auch Hölzer, welche in der Längsrichtung gespalten oder geschnitten sind durch ein scharfes Schneideinstrument, durch ein Messer oder der⸗ gleichen nach Durchtränkung des Holzes mit Dampf. Unter welche dieser beiden Kategorien gehört dies? Ist das eine Säge oder eine Axt? Ich will diese Frage nicht entscheiden und will nur an diesem Beispiel zeigen, daß in der Praxis thatsächlich eine Reihe von Fragen auftauchen, die nicht auf den ersten Blick zweifellos zu entscheiden sind. Wenn dann solche Fragen auftreten, so kann nicht etwa der Herr Reichskanzler oder sein Vertreter, der Staatssekretär des Reichs—⸗ Schatzamts, sagen: „Ich halte diese Entscheidung für richtig, alfo muß sie auch gelten“, sondern er ist verpflichtet, sich mit den obersten Zoll⸗ behörden der einzelnen Staaten darüber in Vernehmen zu sctzen, namentlich mit dem Chef der weitaus umfangreichsten Zollverwaltung Deutschlands, der preußischen, und ihn fragen: Sind Bir im Bereich Deiner Zollverwaltung diese Dinge schon vorgekommen? in welchem Umfange, in welcher Weise kommen diese Sachen zur Erscheinung? in welcher Richturg bist Du der Meinung, daß man die Entscheidnng treffen sollte, und welche Konsequenzen wird dies auf den Handel haben? Alles das sind Fragen. die nicht von heute auf morgen zu entscheiden sind, und es ist nicht zu verwundern, wenn Monate darüber vergehen, bis in dem Maße eine Uebereinstimmung der Meinungen gefunden wird, daß man wirklich zur Entscheidung des Gegenstandes kommen kann.

Wenn einer der Herrren Vorredner mich gefragt hat, ob in Bejug auf den Beschluß des Reichstages wegen Schaffung eines Reicht-Tarifamts seit der gedruckten Mittheilung der Bundesraths⸗ beschlüsse vom vorigen Herbst eine Aenderung vorgekommen wäre, so habe ich darauf zu erwidern, daß der Bundesrath Ende November vorigen Jahres beschlossen hat, auch der letzten Resolution des Reichs tages, übereinstimmend mit seiner früheren Stellung zu dieser Frage, eine Folge nicht zu geben. ; . ;

Der Antrag Broemel wird mit großer Mehrheit an— genommen. .

Der Etat des Reichs⸗-Schatzamts gelangt nach uner— heblicher Debatte 7 Annahme. Ohne Debatte wird der Etat der Reichs schuld angenommen.

Beim allgemeinen Pensionsfonds weist Abg. Struck— mann darauf hin, daß die Militär-Pensionäre eine Aenderung des Pensionsgesetzes wünschen, dahin gehend, daß ihnen nicht ihre Pension gekürzt werden möge, wenn sie ein so hohes Gehalt in einer späteren Anstellung beziehen, daß Gehalt und Pension zusammen das frühere Diensteinkommen übersteigen. Das jetzige Verfahren führe dahin, daß man solche Pensionäre gar nicht sest anstellt oder mit einem niedrigeren Gehalte, damit sie nicht das Anrecht auf ihre Pension verlieren. Dieses Verhältniß muß beseitigt werden, Redner bittet, dem nach; Reiche tage eine darauf bezügliche Vorlage zugehen zu lassen.

Staatssekretär Freiherr von Maltzahn:

Ich möchte doch die andere Seite des Gegenstandes auch hervor- heben. Bei dieser Gesetzesvorlage, welche ausgearbeitet war und auf welche der Herr Vorredner Bezug genommen hat, handelt es sich um Summen, welche sehr hoch in die Millionen hineingehen, und es sind die finanziellen Erwägungen gewesen, welche es bis ber verhindert haben, daß diesem Bedürfniß . werden konnte. Meine Herren, wir haben, eine ganze Reihe von , . dauernder Natur, die wir zurückstellen müssen wei dringendere Anforderungen vorliegen. Sie haben feiber heute die Frage der Erhöhungen der Gehälter der Beamten in den unteren Stellungen, welche sich noch im Dienste befinden, warm befürwortet. Wenn von diesen beiden Dingen, Erhöhung der Gehälter der Beamten, welche noch im Dienste find, und Erhöhung der Pensionen der verabschie⸗ deten Beamten nur eines würde durchgeführt werden können, welchem würden Sie den Vorzug geben?

Staats⸗Minister von Verdy du Vernois:

Meine Herren! Wir werden mit Freuden den Tag begrüßen, wo die Finanzlage des Reichs es gestatten wird, Ihnen die jängft ausgearbeitete Vorlage zu bringen und hier im kohen Hause zu ver⸗ treten. Wie Ihnen mein Herr Kollege beresig anführie, ist die Summe keine unbeträchtliche. Sle würde, soweit mir

die Zahl im Gedächtniß ist, den laufenden Etat um nahe an 10. Millionen erböhen. Der weitaus größte Theil fällt dabei auf, die Unteroffiziere und Mannschaften. Unserer seits wird die Vorlage nicht aus den Augen verloren werden; wir werden stets dessen eingedenk sein, daß wir die Pflicht haben, zu sorgen für die Kameraden, die aus unserer Mitte schelden, und Härten . . Ungerechtigkeiten, wie sie augenblick lich beftehen, bei Seite zu

Der Etat des allgemeinen Pensionsfonds wird beg h cio hiuß des e

er des Etats kann noch nicht erfolgen, ehe nicht die Budgetkommission über einzelne noch ausstehende Titer Beschluß gefaßt hat. .

Schluß 5 Uhr.

In der gestrigen (2. Sitzung des Herrenhauses welcher der Minister für Dunbar h , . . . Dr. Freiherr Lucius von Ballhausen und der Justiz-Minister Dr. Lon Schelling beiwohnten, gelangte zunächst ein Telegramm des Ober⸗Bürgermeisters hr. Miquel zur Verlesung, worin dieser erklärt, daß er die Wahl zum zweiten Vize-Präsidenten gern und mit bestem Dank annehme.

. Von dem Minister des Innern ist eine Uebersicht über die seit dem Schlusse der vorigen Session im Personalbestande des Herrenhauses eingetretenen Veränderungen eingegangen.

Gestorben find: am 2. Mai 1889 Graf Königsmarck, am 5. Mai Herr Schwerdtfeger in Hamburg, am 14. Mai Stadtrath Hausmann (Brandenburg), am II. Juli Gra von Alvensleben-Erxleben, am 10. August Landrat a. D. von Hellermann-Kartzin, am 21. August Kammer⸗ herr von Krosigk-⸗Poplitz, am 1. September Herr von Sperber-Gerskellen, am S8. Dezember Staats-Minister Graf zur Lippe, am 4 Januar 1890 Staats-Minister von Patow und Professor Nasse (Bonn), der erst im Sommer 1889 berufen worden war, am 8. Januar Herr von Reibnitz (Oberland⸗ Mohrungen) und Ober⸗-Präsident a. D. von Bardeleben.

Das Haus ehrt das Andenken an die Verstorbenen durch Erheben von den Sitzen.

Der Ober⸗Bürgermeister Breßlau (Erfurt) h sein i e, Amt aufgegeben; damit ist seine Mitgliedschaft erloschen.

Neuberufen sind: Der Justiz-Minister hr. von Schelling, der Legations-Rath a. D. Graf von Nedern, der . Leopold zu Salm⸗Reifferscheid-Dyck, der Professor Bier ling (Greifswald), der Professor Nasse Bonn), gestorben am 4. Januar, Herr von Gers dorff. (Meseritz, Herr von Schröter (Samland), Freiherr von Wilmows ki, der Land⸗ rath von Gerlach (Cassuben).

Der Fürst Leopold zu. Salm-Reiffer scheid⸗Dyck wird in der herkömmlichen Weise auf die Verfassung vereidigt.

Auf Antrag des Herrn von Winterfeldt 6 für den verstorbenen Grafen zur Lippe in die Matrikel⸗Kommission Herr von Oehlschläger gewählt.

Die Geschäfte der Quästur werden auch für diese Session von den Herren von Oehlschläger und Boie wahrgenom⸗ men werden.

Da das Haus am Geburtstage Sr. Majestät des Königs wahrscheinlich nicht versammelt sein wird, so erbittet und erhält der Präsident vom Hause für das Präsidium die Ermächtigung, Sr. Majestät zu diesem Tage die unter⸗ thänigsten Glückwünsche des Hauses auszusprechen.

Der Gesetz entwurf, betreffend die Lusdehnung des Gesetzes vom 3. Mai 18538 über den erleichterten Abverkauf kleiner Grundstücke auf die unentgelt⸗ liche Abtretung einzelner Gutstheile oder Zubehör⸗ stücke zu öffentlichen Zwecken wird der Justiz-Kommission; die Hauberg-Ordnung für den Kreis Altenkirchen und der Gesetzentwurf, betreffend die Lbänderung des §. 19 Absatz 1 des Pensionsgesetzes vom 27. März 1872, einmaliger Schlußberathung, die hre fg fn ne betreffend die Unterhaltung der nicht schiffbaren ö in der Provinz Schlesien und betreffend das Rechtsinstitut der Rentengüter, werden besonderen Kommissionen von 15 Mitgliedern überwiesen.

Zur nächsten Sitzung wird besonders eingeladen werden. Schluß 2 Uhr.

= Dem Reichstage ist eine neus Sammlung von Altenstücken, Ost⸗Afrika betreffend, zugegangen. Sie enthält einen Bericht des Kaiserlichen Kommissars für Ost -Afrika vom 11. November 1889 über Gefechte bei Saadani und Pangani und Vorgehen gegen Useguhha; ferner einen Bericht desselben vom 20. Nobember über Einnahme und Befestigung von Mkwadja, Bestrafung von Kipumbwe und Entsendung des Freiheirn von Gravenreuth zur Sicherung der Straße von Mpwapwa nach Bagamoyo; weiter einen Bericht desselben vom 28. November, wonach Simbodia und viele andere Häuptlinge Verhand⸗ lungen anknüpfen und um Frieden bitten. Vom 20. November datirt der seiner Zeit im „Reichs und, Stagts-Anzeiger. veröffentlichte telegraphisch« Bericht über die Ankunft Emin Pascha's und Stanleyns in Mpwapwa, weiter wird ein Bericht des Kommissars vom 2. November über die Meldungen aus Mpwapwa über die Ankunft Emin Pascha's und Stanley s, sowie ein Schreiben Emin's an den Kaiserlichen Kommissar veröffentlicht. Den Schluß bilden zwei telegraphische Berichte vom 16. Dezember, Betreffs der Bestrafung Buschiriÿs, und vom 5. Janugr 1890, über Angriffe auf eine befestigte Position Bana Heris und Einnahme derselben sowie ö. telegraphischer Nachtrag. Diese drei telegraphischen Berichte auten: „Zanzibar, den 16. Dezember 1389. Buschiri gestern stand rechtlich mit dem Tode bestraft. Uüttheil sofort vollzogen. Wiss mann.“ „Zanzibar, den 5. Januar 1856. Ein Theil meines Cxpeditions Corps griff am 25. Dezember v. J. Bana Heri an, wurde jedoch zurückgeschlagen, wobei der Sergeant Ludwig und acht Mann getödtet und fechs verwundet wurden. Um ö. Januar stürmte ich die stark befestigte und mit ungefähr 1500 Mann besetzte Position Bang ⸗Heri's mit Sö0 Mann von meiner Truppe, welche sich mit großer Bravour schlugen. Unsere Verluste in dem dreistündigen Kampf ,, zwölf Verwundete, worunter zwei Weiße. Hiermit ist vermuthlich die letzie Stütze des Aufstandes im Norden vernichtet. Wiss mann.“ . den 15. Januar 1880. Beagnadigte Rebellen kehren in großen Massen zurück. Wissmann.

Die Abtheilungen des Herren hauses haben sich konstituirt. Zu Porsitzenden bezw. Stellvertretern der Vor⸗ sitzenden wurden gewählt: in der 1. Abtheilung: Graf Brühl und Herr von Winterfeldt⸗Menkin; in der 2. n gr Staats⸗Minister von Puttkgmer-Carzin und Fürst Hatz⸗ feld⸗Trachenberg; in der 3. Abtheilung: Herr von Wederl und Fürst Radolin; in der 4. Abtheilung: Herr Camp⸗ r Berlin) und Prinz . . zu

ohenlohe⸗Ingelfingen; in der 5. Abtheilung: Herr von Rochow und Herr von Schöning.