1890 / 23 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 24 Jan 1890 18:00:01 GMT) scan diff

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*Uber ein Unrecht, begangen an einem großen Theil des Volkes.

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jenigen, welche sie befürworten, keine so schwere. In einem großen Theil des Deuischen Reichs tann die Aus⸗ weisung verwaltungsgerichtlich angefochten werden, und das ist gegenüber dem jetzigen Zustande ein bedeutender Fortschritt. Ich meinestheils würde die Aufrechlerhaltung mancher anderer Bestimmung' für wichtiger halten und für wirksamer zur Be⸗ kämpfung der Sozialdemokratie als die Ausweisung. würde auch einen dem entsprechenden Antrag gestellt haben, wenn ich auf eine Mehrheit rechnen könnte. Wenn dieses Gesetz nicht ausreicht, so müßten wir auf den Gedanken der Expatriirung zurückkommen, den. Hr. von Puttkamer in seinem Gesetzentwurf angeregt hatte. Nur müßte die Expatrürung nicht der Willkür der Verwaltung an⸗ heimgegeben, sondern gesetzlich fixirt werden. In Frankreich existirt außer der Expatriirung auch die Entziehung der bürger⸗ lichen Rechte auf Zeit, die sich auch bei uns empfehlen dürfte. Von diese? Bestinimung ist gegen die Voulangisten ein sehr ausgiebiger Gebrauch gemacht worden. Trotz aller Meinungs⸗ verschiedenheiten dürste es nicht so schwer sein, bis zur dritten Lesung eine Einigung der Mehrheit zu erzielen. Ich hoffe, daß von Seiten der verbündeten Regierungen noch vor der drüten Lesung eine Erklärung erfolgt, welches 8 uns möglich macht, für ein Gesetz zu stimmen, dessen Foꝛrtbestand für unser Vaterland eine Nothwendigkeit ist.

Der Antrag auf Wiederherstellung des §. A nach der Kegierungsvorlage wird gegen die Stimmen der Deutsch⸗ konservativen und einiger Miglieder der Reichspartei ab⸗ gelehnt und 5. 4 in der Fassung der Kommission angenommen.

Die Beschränkung der Geltungsdauer des Ge— setzes soll nach der Vorlage in Wegfall kommen,

Abg. Dr. Reichen fperger: Das Ausnghmegesetz für die Dauer zu voliren, halte ich schon darum für undenkbar, fo klar die Thatsache auch ist, weil alle früheren Reichstage gar nicht daran gedacht haben, als sie das Gesetz bewilligten. Die Regierung selbst hatte in den Motiven zu dem Gesetz in Aussicht gestellt, daß dasselbe zu entbehren sein werde, sodald die Sozialreform in Wirkung getreten sein wird. Wenn es nun gewiß ist, daß diese Wirkung in einigen Jahren eintreten muß, so ist es ein absolut nicht zu loösender Wider⸗ spruch, wenn jetzt das Gesetz auf die Dauer gemacht werden soll. Tritt aber die Voraussetzung der Motive in einigen Jahren ein und will dann der Reichstag das bestehende Aus⸗ nahmegesetz beseitigen, was dann? Die Aufhebung des Expa⸗ triirungsgesetzes ist, obgleich wiederholt vom Reichstage an⸗ genommen, doch stets vom Bundesrath zurückgewiesen worden. Würde es, wenn es dem Sozialistengesetz ähnlich ginge, den Sozialdemokraten verdacht werden können, von einer Tyrannei des Bundesraths zu sprechen? Es würden viel beklagenswerthere Situationen heraufbeschworen als die, die wir jetzt haben, wenn ich auch die Gefahren der Sozialdemokratie keineswegs unterschätze. Es darf doch aber auch nicht vergessen werden, daß eine relative Berechtigung den sozialdemokratischen Agitationen durch unsere eigene Reformgesetzgebung zuerkannt worden ist. Oder glauben die Herren, daß wir ohne diese Agitation uns der sozialen Reformen erfreuen würden, die wir in den letzten Jahren ge⸗ schaffen haben? Ich hoffe, daß noch in letzter Stunde der Reichstag es sich überlegen wird, das Ausnahmegesetz auf unbeschränkte Dauer zu bewilligen.

Abg. Munckel: Die Abschwächung einzelner Be— stimmungen des Gesetzes kann kein Kaufpreis dafür sein, seine unbeschränkte Dauer zu bewilligen, welche man nicht gewagt hat, seit der ersten Einbringung in Vorschlag zu bringen. In der unbeschränkten Dauer liegt der eigentliche Kern des

Gesetzes. In einer Stunde der Bestürzung, wie im Jahre 1878, war es nicht zu rechtfertigen, aber zu entschuldigen, daß man zu gesetzgeberischen Maßregeln gegriffen, welche Dinge für strafbar erklären, die bisher kein Gesetz für strafbar erklärt hat, und Ungleichheit ein⸗ zuführen unter den verschiedenen Bürgern des Staats, und es war möglich, daß man für die Zeit ungewöhnlicher Gefahr der Regierung eine extraordinärs Vollmacht geben wollté. Weil es aber eine außerordentliche Vollmacht war, so folgte daraus, daß das Gesetz nur auf Zeit gegeben werden konnte; vielleicht hätte es überhaupt nicht gegeben werden sollen! Früher sagte man; auf Zeit ist das Gesetz gegeben, weil es Aus nahmebestimmungen enthält; jetzt findet die Regierung das so ost mißbrauchte und so oft mißhandelte Ei des Kolumbus und sagt: ein J ist es, weil es auf Zeit gegeben ist. Ich habe gehört, da man dann in Zukunft das Gesetz stait als Ausnahmegesetz als Spezialgesetz bezeichnen will, wobei ich nur bedaure, daß dieses Wort weniger national ist; im Grunde ist beides das⸗ selbe. Wir stehen zum ersten Mal vor der Frage, ob wir das, was man bisher immer als bald wegfallend bezeichnet hat, für alle Ewigkeit annehmen wollen; und da ist doch wirklich der erste Gedanke, der auch verschiedentlich schon aus⸗ gesprochen ist: Wie kommt dieser Neichstäg, dessen Dauer die denkbar kürzeste ist ich hoffe, daß wir schon morgen nach Hause gehen können und von dem die namhaftesten Vertreter glauben, daß viele Mitglieder ihn nicht wiedersehen werden, dazu, Gesetze von ewiger Dauer noch geben zu wollen? Es paßt dies doch eigentlich kaum, wenn wir schon jetzt durchdrungen sind von der Meinung, daß die gegenwärtige Majorität kaum noch getragen werden dürfte von der Majorltät des Landes. Ja, das haben Sie deutlich genug gesagt, das hat auch Hr. von Helldorff, wenn auch veischlciest, zugegeben, das agen Ihre Organe, und das werden Sie ind oler Wochen wissen. Wie kommt der Reichstag dazu, die letzten Stunden seiner Wirksamkeit aus= zunutzen, um das Volk und das Land mit einem Gesetz zu be⸗ glücken, von dem voraussichtlich die Mehrheit des Velkes nichts wissen will? Ich will auch nicht die feierliche Erklärung ab⸗ geben, mit der jeder Gegner der Vorlage hat geglaubt, sich entschuldigen zu müssen, daß ich ein Gegner der Soʒial⸗ demokraten bin Das versteht sich nach der Stellung meiner 1 und der meinigen ganz von selbst. Ich bin ein egner des Gesetzes, nicht als Freund der Sozialdemokratie, sondern als Freund des allgemeinen Rechts bewußtseins im Volt. Nichte war mir fympathischer als die Bemerkung des Herrn von Helldorff, die Aufrechterhaltung der Autorität im Tande thue Roth. Das fagé ich auch, aber ich fange mit der Aufrechterhaltung der Autorität des Hesetzes an, denn das ist die höchste Autorüät. Ber Autorität kami nicht wehr geschadet werden, als wenn man ungleiches Recht t für die verschiedenen Angehörigen des Staates. lurch, daß Sie eine Vorlage zum Gesetz machen, machen Sie sie noch nicht zum Recht. Dieses Gesetz ist zwar Gesetz,

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Gott sei Dank wird das Unrecht nicht schmackhaft gemacht durch alle die Rechtsgarantien, mit der Sie die Anwendung dieses Unrechts verzieren wollen. Man führt für das Gesetz Zweck⸗ mäßigkeits und Rechtsgründe an. Die einen sind so ver⸗ werflich, wie die andern. Man sagt, ohne dieses Gesetz wäre die Sozialdemokratie erheblich mehr angewachsen, Beweisen lassen fich dergleichen Dinge nicht; es ist das die Theorie vom Glauben Was wir von der Wirkung des Gesetzes gesehen haben, spricht gegen diese Illusion. Es ist richtig, daß das Gesetz die Sozialdemokraten zusammenhãlt wie mit eisernen Reifen, ihre Lehre vertieft und unangreifbar macht. Die Sozialdemokraten können unter der Herrschast des Gefetzes nicht einmal belehrt werden; sehr viele Sozialisten wissen vielleicht kaum den Inhalt der Lehre, die sie glauben, denn sie kann ihnen nicht gepredigt werden; sie wissen nur, daß man ihre Führer deshalb verfolgt und verbannt und meinen, sie müsse deshalb etwas Köstliches sein. Ideen, seien es kranke oder gesunde, bekämpft man mit Ideen, mit Knüppeln schlägt man sie nicht todt. Die Zweckmäßigkeit des Gesetzes nachzuweisen, ist immer noch nicht gelungen. Ueber die Zweckmäßigkeit der Ausweisungen habe ich heute wunder⸗ fiche Urtheile hier gehört. Selbst die Herren Nationalliberalen haben bei 8. 28 gefunden, daß er mehr geschadet als genutzt hat. Das finden wir bei allen übrigen Paragraphen des Gesetzes. Das Gesetz ist ein hoch revolutionäres, weil es nut der gesetzlichen Ordnung der Dinge aufräumt. Gesetzt, es wäre wirklich zweckmäßig und hätte die Wirkungen ge⸗ habt, die man, von ihm seit 12 Jahren vergeblich erwartet hat, sind wir darum berechtigt, Alles zu thun, was uns zweckmäßig erscheint? Der Minister Herrfurth sagte heute die denkwürdigen Worte: die Männer, welche wir treffen wollen, negiren den Boden der staatlichen Ordnung, folglich stellen wir auch sie außerhalb des Besitzes der politischen Rechte. Was heißt den Boden der staatlichen Ordnung negiren? Als in Amerika der Unabhängigkeitskrieg begann, nahm man im Süden an, daß die Abolitionisten die Grundlagen der fe n . Ordnung in Amerika negirten. Als man isi in Preußen an die Reorganisation der ganzen staatlichen Gesellschaft ging, nahmen viele Kreise an, daß, wer am feudalen Rechte taste, die Grundlagen der staatlichen Ord⸗ nung negire. Als vor wenigen Jahren der durch Falk an⸗ gerente Kulturkampf ausgefochten wurde, nahm die Regierung an, baß das Centrum mit manchen seiner religiösen und sonstigen Ordnungen die Grundlagen der staatlichen Ordnung negire. Was heißt die Grundlagen der Staats⸗ und Reichsordnung negiren, und wer urtheilt denn darüber? Derjenige, der je⸗ weils an der Gewalt ist, bis ein Anderer herankommt, der vielleicht findet, daß sein Vorgänger die Grundlage der staat⸗ lichen Ordnung negirt hat. Wo hört die Reform auf und wo fängt die Gewalt an? Weil einzelne Menschen sich erkühnen, die Grundlagen unserer Rechtsordnung zu ver⸗ neinen, deshalb soll der Staat, den ich für verständiger halten muß, als jene Individuen, dasselbe ihun, auch seinerseits die Grundlagen der Rechtsordnung, das gleiche Recht für Alle, negiren?“ Ist das die Stellung des christlichen deutschen Staats gegenüber falschen Theorien? Wenn Jemand die Staatsordnung negirt, strafen wir ihn auf Grund der bestehenden Staalsordnung, und der Gedanke jenes Ausnahmegesetzes ist ebenso unrichtig, wie es unrichtig ist, wenn Derjenige, der gestohlen hat, von Staatswegen wieder bestohlen würbe. Wir wollen Leute bestrafen für Handlungen, welche bei Nichtsozioldemokraten straflos sind! In der Kom⸗ mission waren wir Alle darüber einig, daß die Gedanken und die rein akademischen Erörterungen zoll⸗ und straffrei sind, andererseits darüber, daß rechtswidrige Handlungen bestraft werden müssen, gleichviel wer sie begeht, ob ein Sozialist oder ein Konservativer. Bleibt die gefähr⸗ liche Agitation Gedanke in dem Kopf des Einzelnen, so ist sie siraflos. Wird sie aber ausgesprochen, so kann sie sich als strafbare That darstellen oder nicht. Das Gesetz will den feinen Punkt in der Entwickelung treffen, wo der Gedanke anfängt, strafbar zu werden. Wir wissen wie schwer das Reichsgericht schon unter diesen schwierigen Inter⸗ pellationen gelitten hat, und nun wollen Sie mit jener noch viel schwierigeren Unterscheidung den Schutzmann, die unter⸗ geordneten Polizeiorgane, beauftragen! Was dabei heraus—⸗ kommt, ist mehr oder minder Willkür. Was jetzt der einen Partei geschieht, was das allgemeine Rechtsbewußtsein nach dieser einen Seite hin verletzt, das kann nach jeder Seite geschehen. Ich weiß nicht einmal, ob die Abstimmung der Nationalliberalen gegen den 5. 24 nicht durchaus ein staats gefährliches Element sn'sich trägt. Selbst auf dieser Seite ist man vor der Reichs— feindschaft nicht mehr sicher, und der treibende Gedanke der Vorlage ist nicht, die Sozialisten zu treffen, sondern die Reichs⸗ feinde. Hr. von Helldorff hat die Agitation mißbilligt, wohl nur die sozialistische, denn diejenige für die Kornzölle erwähnt er nicht. Wenn einmal jetzt ist es ja bekanntlich nicht der 36 die Wirkung einer Lebensmitteltheurung durch diese

eintreten soͤllte, denken Sie sich dann einmal die Bestimmungen dieses dehnbaren Gesetzes auf solche anständige Menschen ausgedehnt, die diese Kornzollagitation betrieben haben! Sie denken, man könne mit unseren sozialdemokratischen Staats⸗ angehörigen wie mit einem corpus vile umgehen. Aber denken Sie doch endlich auch einmal daran, es wäre auf Sie felber anwendbar, dann werden Sie es unerträglich finden, und Sie hätten Recht, es ist unerträglich. Deshalb muß bedauert werden, wenn durch solche Vorlage in großen Kreisen unserer StaatJangehörigen die Meinung verbreitet wird; Man behandelt uns als Parias, wir stehen außerhalb des Gesetzes. Wie wird dadurch der Wahlkampf verbittert! Ich glaube, die Stimmenzahl der Sozialdemokraten wird bei den Neu⸗ wahlen eine Million überschreiten. Ein solches Gesetz züchtet geradezu Reichsfeinde. Was es enthält, sind keine Medika⸗ niente mehr, fondern bei Feuer und Schwert sind wir schon angekommen. Es ist eine unbegründete Furcht, der wir uns hingeben. Ist das deutsche Volk noch 6 so werden die gesunden Ideen über die kranken siegen.

Abg. Kulem ann: Es ist vollständig gerechtfertigt, daß man gegenüber der Soz aldemokratie den Boden des gemeinen Rechts verläßt. Eine Partei, die sich zum Ziele setzt, den be⸗ stehenden Staat umtustürzen, kann nicht ebenso behandelt werden, wie ein einzelner Verbrecher. Anders würde auch im Falle einer Revolution der Staat nicht den Rechts boden ver⸗ lasfen dürfen und die aufrührerischen Leute ruhig ihrem Schick= sal überlassen müssen. Daß wir jetzt, entgegen unserem früheren Standpunkt, ein dauerndes Gesetz n, wollen, hat seinen Grund darin, daß jetzt die ausführenden Behörden bei Handhabung des Gesetzes sich nicht

ölle und damit eine eminente Gefahr für das Land

setzen können, was sehr wo . möglich r r, wenn gleich im Anfang ein dauerndes Gesetz bewilligt worden wäre. Heute könnte nur noch ein bewußtes Unrechtthun der Be⸗ börden die Absichten des Reichstages vereiteln. Auch in anderen Staaten, namentlich in Frankreich, wo die Internationale ein⸗ fach als eine verbotene Gesellschaft behandelt wird, schreitet man gegen die Sozialdemokratie ein. Ein Ausnahmegesetz soll das künftige Sozialistengesetz nach unserer Meinung nur noch in formeller Beziehung sein, Die einzige materielle, sachliche Bestimmung, die das bisherige Gesetz zum Ausnahme⸗ gesetz machte, die Ausweifungsbefugniß, wollen wir be⸗ seitigen. Die Unterscheidung zwischen einem Spezialgesetz und einem Ausnahmegesetz ist deshalb nicht so obenhin zu be⸗ handeln, wie es der Abg. Munckel, ihni. Es ist die Aufgabe des Gesetzes, die sozialdemokratische Bewegung innerlich zu einer anderen zu machen, ihr den staatsgefährlichen Charakter zu nehmen. Die elementare Kraft der Sozialdemokratie liegt darin, daß sie ihre Wurzeln tief in das gesunde Erdreich unserer Arbeiterwelt hineingeschlagen hat, daß sie die Arbeiter⸗

bewegung als Vorspann für ihre Bestrebungen benutzt. Eine

Scheidung der Geister wird fich in Zukunft unzweifelhaft vollziehen, indem man die Sozialdemokraten nicht mehr als die legitimen Vertreter der Arbeiter ansehen wird.

In namentlicher Abstimmung wird, darauf die Be⸗ schränkung der Geltungsdauer mit 166 gegen 111 Stimmen gestrichen. Für die unbeschränkte Dauer stimmen die Deutschkonservativen, die Neichspartei und die National⸗ liberalen mit Ausnahme des Abg. Sedlmayr; gegen die un⸗ beschränkte Geltungsdauer die Freisinnigen, Sozialdemokraten, Centrum, Welfen, Polen und der Abg. Hildebrandt.

Der Rest des Gesetzes wird ohne Debatte angenommen.

Schluß 31/9 Uhr.

Die Rede des Staats⸗Ministers Herrfurth in der gestrigen Sitzung des Reichstages hatte folgenden Wortlaut:

Ich kann Namens der verbündeten Regierungen nur den Wunsch

aussprechen, daß das von dem Hrn. Abg. Hegel befũrwortete Amende⸗ ment zu 5. 23 den Beifall des hohen Fauses finden möge, wie ich denn überhaupt nur wänschen kann, daß die sämmtlichen auf die Wiederherstellung der Regierungsvorlage gerichteten Amendements hier angenommen werden möchten. Meine Perren, was das Amendement zu §. 23 anlangt. so will ich zugeben, daß die von der Kommission befchlossenen Abänderungen der Reglerungsborlage nicht gerade von einer ganz prinzipiellen Be⸗ deutung sind, daß sie sich mehr und minder in der Richtung bewegen, welche die verbündeten Regierungen selbst, in ihrer Vorlage einge⸗ schlagen haben, daß sie aber doch erheblich weiter gehen, als dies in der Regierungsvorlage für zulässig erachtet worden ist. In dieser Hinsicht beziehe ich mich lediglich auf Datjenige, was der Hr. Abg. Hegel gesagt hat; etwas Weiteres glaube ich demselben nicht hinzu⸗˖ sügen zu sollen. Ich möchte aber doch zur Begründung des Wunsches, den ich ausgesprochen habe, auf die Stellung hinweilen, welche die verbündeten Regierungen bei Einbringung der Vorlage eingenommen haben und welche sie demgemäß den Abänderungen gegenüber ein nehmen müssen, welche von Ihrer Kommission vorgeschlagen worden sind.

Die verbündeten Regierungen sind davon ausgegangen, daß sich das Sozialistengesetz vom 21. Oktober 1878 im Großen und Ganzen durchaus bewährt hat. Das Gesetz hat keinek wegs vermocht, eine weitere Ausbreitung der Irrlehren der Sozialdemokratie zu hindern, dazu war dasfesbe' aber weder beftimmt, noch einer Natur nach geeignet. Das Gesetz war gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie gerichtet uad mit Hülfe dieses Gesetzes ist es allerdĩngs auch möglich geworden, die auf Umsturz der bestehenden Staats und Gesellschaftsordnung in friedenstörender Weise sich geltend machen⸗ den Bestrebungen der Sozialdemokratie in Schranken zu halten; es sist möglich geworden, die Ruhe und Ordnung liebende Bevölkerung vor der Röthbigung zu bewahren, mit welcher sie durch diese mit gesetz⸗ widrigen Mittein zu gesetzwidrigen Zwecken arbeitende Agitation bedroht worden ift. Es ist dies namentlich gelungen mit den wirksamsten Mitteln, die das Gesetz bietet, mit den werthvollsten Bestandtheilen desselben: nämlich mit den Vorschriften wegen des Verbots und der Auflösung von sozialdemokratischen Versammlungen, des Verbots und der Schließung von sozialdemokratischen Vereinen, des Verbots von Druckschriften, in welchen sozialdemekratische Umsturz⸗ bestrebungen in friedenstörender Weise hervortreten. Dazu hat aber auch in den einzelnen Orten, welche Lurch derartige Bestrebungen der Sozialdemokratie besonders bedroht waren, die Anwendung der⸗ jenigen Vorschriften mitgewirkt, welche in dem 5. 28 dieses Gesetzes zusaimengestellt sind, und welche man unter der Bezeichnung des kleinen Belagerungszustandes zusammenfaßt. Mit Hülfe der Vor⸗ schriften dieses Gesetzez ist es gelungen, Ruhe und Ordnung auf⸗ recht zu erhalten und jedem Versuch der Störung derselben mit Entschiedenheit entgegen zu treten, :

Aber, meine Herren, dieses Gesetz hatte allerdings und. hat noch heute einen sehr großen Mangel, und Lieser Fehler des Gesetzes liegt in seiner Friftbestimmung. Die Fristbestimmung ist dazu geeignet, die Wirksamkeit des Gesetzes abzuschwächen, die Agitation, welche es verlindern soll, immer wieder von Neuem hexvorzurnfen und ihr neue Nahrung zu geben. Die verbündeten Regierungen halten es des⸗ halb für dringend erforderlich, daß dem Gesetz dieser Mangel genommen werde und das Gefetz als ein fristloses, auf die Dauer geltendes erlassen werde, und sie glauben, daß alsdann dem Gesetz eine sehr erhöhte Wirksamkeit beizumessen sein wird. ;

Und gerade mit Rücksicht darauf, daß, wenn das Gesetz als ein dauerndes erlassen wird, es auch eine sehr erhöhte Wirksamkeit äußern wird, haben die verbündeten Regierungen ihrerseits es für zulässig erachtet, eine Reibe von Polizrimaßnahmen und Straf⸗ vorfchriften, welche in dem Gesetz enthalten waren, in Wegfall zu bringen, und sie haben es namentlich für zulässig er⸗ achtet, an Stelle der lediglich an die Aufsichtsbebörde, zu wichtenden Beschwerden eine vollstaͤndige Rechtskontr ole einzu- führen, und zwar, soweit es sich um die Verbote und Auflösungen von Versammlungen handelt, turch die Zulassung des Verwaltungs⸗ streiwwerfahrens, soweit es sich um Verbote von Vereinen und Druck⸗ schriften. bandelt, durch die Cinsetzung eines, mit alles Garantien richterlicher Unabhängigkeit ausgerüsteten, in kontradikiorischem Ver⸗ fahren verhandelnden Gerichtshofes, welcher an dieser Stelle die zur Zeit noch mangelnde Institution des Reichs Verwaltungsgerichts zu ersetzen geeignet ist, ;

Aber die verbündeten Reglerungen glauben mit dieser ihrer Vor⸗ lage auch diejenige Grenze erreicht zu haben, deren Ueberschreitung di? Gefahr nahe bringt, daß es nicht mehr möglich sein würde, mit den vorbandenen Mitteln der ungesetzlichen Agitation der Sozial⸗ demokratie in erfolgreicher Weise stets entgegen zu treten; sie glaub en,

daß eine weitere Abschwächung die Gefahr mit sich hringt, daß nicht mehr darauf gerechnet werden kann, mit diesen Mitteln die öffent⸗ iche Ruhe und Ordnung immer und übergll aufrecht zu erhalten.

uͤnd die Gefahr, welche die gemeingefährl ichen Best rebungen der So icl demokratie, die auf ümfturz der bestehenden Staatz; und Gesell= schaftgordnung gerichteten und in friedenstörender Weise hervor⸗ kretenden Bästrebungen der Sorigldemokratie mit, sich führen, ist wahrlich nicht zu unterschätzen. Meine Herren, diese Gefahr trifft keineswegs autschließlich oder auch Rur in erster Linie die Regierungen felbst; nein, es sst zwar richtig, daß dis Soꝛialdemokratie einen durchaus antimonarchischen Zug hat, und daß insofern fich ihre Be⸗ strebungen auch unmittelbar gegen die Regierungen richten; aber bei der Sozialdemokratie liegt der Aegent doch weniger auf den vier letzten Silben, als auf den drei ersten. Hauptsächlich sind es bie Angriffe gegen, das, was die Sozialdemokratie als kapitalistische

mehr in einen Widerspruͤch mit den Absichten des Reichstages

Prodrkijonsweise bezeichnet; da, glaube ich, kann man allerdings

sagen: nicht die Regierungen sind es hauptsächlich, die di

laufen, sondern es ist die Gesellschaft, welche in diesem . ihre Vertretung findet, es sind wesentlich auch diejenigen Parteien welche eine weitere Abschwãchung der Regierunge vorlage oder einẽ Cu cn 1 Regierungs vorlage in diesem Haufe beantragen. . 6. er, glaube ich, bin ich ganz berechtigt zu sagen: „tua

Meine Herren, in Fer letzten Nummer des Soi ö k , nnen , ren. gesprochen, die Sozialdemokratie sei die revolutionärste Partei, welche die Geschichte kenne; an einer anderen Stelle wird gesagt. daß sie ihre Ziele zu erreichen bestrebt sei und erreichen könne nur durch die fortdauernde Steigerung des Klassenkampfs zwischen Proletariat und Bourgeoisie. Ich glaube, diese Angaben sind duichaus zu—⸗ treffend. Nun möchte ich sagen: es unterscheidet sich eben die Sozialdemokratie von jeder anderen politischen Partei dadurch, daß sie gegen die Grundlagen und die Existenzberechtigung des modernen Staats sich richtet, während alle anderen Parteien ihre Bestrebungen auf der Grundlage dieser Rechtsordnung verfolgen.

Da kann man doch wohl wirklich zu der Frage kommen: sind die Vorschriften und Bestimmungen, welche diese Gefetzes vorlage enthält, nicht eigentlich eher zu milde als zu scharf? Die Sozial demokratie als solche negirt die Existenzberechtigung und die Grund= lagen des modernen Staats. Nun könnte man wobl in logischer Konsequenz dahin gelangen, daß man sagte: wenn der Staat auch dem einzelnen Sozialdemokraten in seiner privatrechtlichen Be⸗ ziehung den Schutz, den die Staatsordnung jedem Staatsbürger ge⸗ währt, zubilligen muß, so ist es doch eigentlich eine Art Selbst⸗ mord, wenn er auch Denjenigen, welche auf die Vernichtung dieser Sta ordnung aus gesprochenermaßen binausgehen, die auf dieser Stag! ard ung beruhenden politischen Rechte zu esteht. Ich glaube, im Licht dieser Erwägungen werden Sie wohl, dazu kommen, zu sagen, daß die Vorschläge, welche die verbündeten Regierungen Ihnen machen, eher milde als drokonisch sind, und daß kein Grund vorliegt, eine weitere Abschwächung derselben eintreten zu lassen

Denn ich wiederhole noch einmal: die Sozialdemokratie unter- scheidet sich von allen anderen Parteien dadurch, daß sig auf die Ver= nichtung dieser Staatsordnung ausgesprochenermaßen hinausgeht und daß sie die Neigung hat, diese ihre Theorie auch in die Praxis zu übersetzen. Sie können im Hinblick hierauf sagen, daß unbewußt und latent eigentlich in jeder sozialdemokratischen Versammlung die Keime des. Aufruhrs vorhanden sind. Meine Herren, es ist, wie wir neuerdingt ja bier in Berlin wiederholt gesehen, ein sehr großer Zauber, den die Führer dieser Partei durch ihre Person und durch ihre Schlagworte auf vie große Masse ihrer Anhänger ausüben. Aber sie sind deswegen keineswegs große Zauberer; denn sie vermögen wohl die Geister zu rufen, aber nicht wieder zu bannen. Und wenn durch einen Redner in solchen Versammlungen erst einmal die Massen in Bewegung gzesetzt worden sind und dann ron ihnen der Versuch gemacht wird, diese Agitation mit ungesetzlichen Mitteln zu ungesetzlichen Zwecken auch praktisch ins Werk zu setzen, dann ist jeder Versuch des Zurückhaltens vergebens, kann wird der Führer jelbst mitgerissen, dann kann man von ihm sagen: Du glaubst zu schieben, und Du wirst geschoben. Und wenn die Sache erst einmal so weit ist, sind alle Versuche, die Massen wieder innerhalb zer Schranken der gesetzlichen Ordnung zu halten, vergebens; dann be⸗ finden sich die Führer in der Lage des armen Zauberlehrlings:

Die ich rief, die Geister, Werd' ich nun nicht los.

Ii Herrenhause ist die Denkschrift des Ministers der öffentlichen Arbeiten, betreffend die in der Fa vom 1, April 1888 bis 31. März 1889 erfolgten Bauausführungen an Wasserstraßen, ferner der Bericht über die Bauausführungen und Be⸗ schaffungen der Eisenbahnverwaltung im Etats— jahr 1888 89 zugegangen.

Dem Hause der Abgeordneten ist der Nach⸗ weis über die im Verwaltungs jahre 1888/89 statt⸗ gehabte Aus- und Einrangirung in den, and— gestüten des Staates, sowie eine Denkschrift des Ministers der geistlichen ze. Angelegenheiten, be— treffend die praktische Ausbildung der Kandidaten für das Lehramt an höheren Schulen, nebst der dazu ge— hörigen Anlage, betreffend die Grundzüge der prakti⸗ schen Ausbildung der Kandidaten für das Lehramt an höheren Schulen zugegangen. Dieser Denkschrift, bezw. der Anlage entnehmen wir folgendes:

Unter den in neuerer Zeit so lebhaft erörterten Fragen der Reform unseres höheren Schulwesens nimmt die der praktischen Aus—⸗ bildung der Kandidaten für das höhere Lehramt eine hervorragende Stelle ein.

Wie verschieden man auch in den Kreisen dec Fachmänner, und des Publikums über die zukünftige Organisation unserer höheren Lehranstalten, über die Lehraufgaben und Lehrziele derselben, über die methodische Behandlung der einzelnen Lehrfächer u. s. w. denken möge: in dem Einen stimmen o ziemlich alle Betheiligten äberin, daß eine zweckmäßigere vraktische Vorbereitung der angehenden Lehrer auf ihren künftigen Beruf ein drin gendes Bedürfniß sei. Die früher vielfach verbreitete Meinung, taß für Len Kandidaten des höheren Schulamtz, die wissenschaftliche Kenntniß seiner Lehrfächer genüge und daß derselbe, auf diese gestützt, am besten durch eigene unterrichtlicke Versuche ju einem brauchbaren Lehrer sich selbst beranbilde, wird heute in den Kreisen der Sachver⸗ ständigen kaum mehr getheilt, vielmehr gebt die allgemeine Ucber⸗ zeugung dahin, daß solch ein tastendes Versuchen auf Kosten der Schüler sowobl, wie der jungen Lehrer stattfinde und daß die Pädagogik nickt bloß eine Wissenschaft, sondern anch eine Kunst sei, welche wie jedz ondere Kunst durch Lehre und Beispiel einerseits, durch Studium und Uebung anderseits gelernt werden müsse.

Freilich werde man von einer solcken praktischen Anleitung nicht zu viel erwarten dürfen; auch auf dem Gebiete der Pädagogik sei der Erfolg bedingt durch den Grad natürlicher Begabung und ernster Arbeit. sodaß das Maß des wirklichen Könnens immer verschieden bleiben werde. Noch weniger könne es sich darum bandein, die Ent⸗ faltung der Lehrerindividualität zu bemmen, vielmehr werde es Auf— gabe einer verständigen praktischen Anleitung sein müssen, den Kan⸗ didaten in geordreter Weise anzuleiten, daß er die allgemein gültigen Grundsãtze der Erziehungs« und UnterrichtUlehre auf die ihm in der Schule gestel ten Aufgaben in dentender Weise planmäßig anwenden lernt und dadurch vor dem rohen Empirismus bewahrt bleibt, dem jedes von Grundsätzen losgelöste Thun verfällt.

. Unterricht verwalturg, welcher, wie ein Blick auf, die ge⸗ schichtliche Entwickelung dieer Frage zeigt, die Mängel der seitherigen praktifchen Vorbereitung der Kandidaten für das höbere Lehramt nicht entgangen sind, erachtet auch ihrerseits jetzt den Zeitpunkt für ge⸗ kommen, um in der Sache Stellung zu nehmen und einen entschei⸗ denden Schritt vorwaͤrts zu dem erstrebten Ziele hin zu thun. Aber, getreu den Ueberlieferungen der preußischen Schule, bat sie auch hier sedes sprungweise Vorgehen vermieden, vielmehr, anknüpfend an das Bestehende, nach Maßgabe der bieherigen Cifahrungen, ibre Vor⸗ schläge für eine Aenderung der jetzigen Einrichtungen praktisch zu gestalten gesucht.

Nach der in Aussicht genommenen Ordnung der praltischen Aus⸗ bildung der Kandidaten für das Lehramt an höheren Schulen sind dieselben obne Ausnahme in Zukunft verpflichtet, behufs Er⸗

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werbung der Anstellungefahlgkeit na bedingungslot bestandener wissen⸗ schaftlicher Prüfung einer zweijährigen praktijchen Vor⸗ bereitung sich zu unterziehen. Dieselbe vollzieht sich in einem Sem inarsahr und in einem Probejahr. ;

Das Seininarjahr wird zurückgelegt entweder an einem der

bestehenden padagogischen Seminare, oder an einer der den Zwecken

der praktischen Ausbildung entsprechend eingerichteten böberen Lebr⸗ anftalten. Die Einrichtung der erfleren unterliegt vorläufig keiner Aenderung, die letzteren werden ron dem Unterrichtg. Minister bestimmt; für die Auswahl dieser ist hauptsächlich das Vorkandensein der ge eigneten Lehrkräfte, unter denen der Direktor sich befinden muß, entscheidend.

AÄlle Frandidaten, welche vier Wochen vor Ostern oder Michaelis zur Ableistung des Seminarjahres bei dem Provinzial ·Schulkollegium sich gemeldet haben und nicht in eines der bestehenden pãdagogischen Seminare aufgenommen sind, werden in Gruppen von in der Regel sechs Theilnehmern einer Seminaranstalt von neunjähriger Lehrdauer zur Ausbildung überwiesen.

Um den Zweck des Seminarjahres durch geordnete theoretische Unterweisung in der Unterrichts und Erziehungslehre, insbesondere in der Methode der einzelnen Lehrgegenstände, sowie durch Dar bietung vorbildlichen Unterrichts und Anleitung der Kandidaten zu eigenen Unterrichts versuchen zu erreichen, werden folgende Mittel, vorgesehen; wöchentliche pãdagogische Besprechungen des Direktors oder eines der beauftragten Lehrer mit den Kandidaten, Besuch der Unterrichtsstunden des Direktors oder anderer Lehrer, eventuell auch in Volksschulen oder Lebrerseminaren, Unterrichts versuche der Kandidaten unter Leitung, des Direktors oder eines der Lehrer, Anleitung zum Gebrauch besonderer Unterrichts mittel, Theilnahme der Kandidaten an den Lehrerkonferenzen und den Klassenprũfungen nach Anweisung des Direktors, Betbeiligung der Kandidaten an der Aufsicht über Arbeits-, Spielstunden ze.,, kürzere schriftliche Referate pädagogischen Inhalts und eine vor Abschluß des Seminarjahres von jedem Kandidaten zu liefernde Arbeit größeren Umfanges über eine konkrete didaktische oder vädagogische Aufgabe.

Am Schluß des Seminarjahres melden sich die Kandidaten zum Probejahr, wobei sie besondere Wünsche bezüglich des Ortes geltend machen können. Auf Grund der Meldung werden die Kandidaten in der Zabl von zwei bis drei zur Fortsetzung ihrer praktischen Vor⸗ bereikung höheren Lehranstalten ohne Unterschied der Lehrdauer von dem Provinzial · Schul kollegium überwiesen.

Nachdem Seitens des Direktors den betreffenden höheren Lehranstalten über das Probejahr berichtet ist, wird die Frage der Zu oder Aberkennung der Anstellungsfähigkeit der Kan⸗ didaten auf Grund der Berichte der Dirigenten über Seminar⸗ und Probejahr und der Beobachtungen der Provinzial · Schulräthe von den Provinzial · Schulkollegien entschieden. Die Versagung der Anstellungsfäbigkeit ist auszusprechen, wenn der Kandidat nach seiner bisherigen Thätigkeit wegen großen pädagogischen Ungeschicks oder fortgesetzten Unfleißes unter Nichtbeachtung erfolgter Warnungen oder wegen erbeblicher ittlicher Mãngel oder wegen körperlicher Gebrechen zur Bekleidung des Amts eines Jugendlebrers unbrauchbar erscheint. . . ist dem Kandidaten nebst den Entscheidungsgründen

it jutheilen.

Der Etat des Kriegs ⸗Ministeriums setzt als Ein⸗ nahme (Entschädigung für Feuerungsmaterial, Wasserversorgung von Dienstwohnungzzinhabern und sonstige Einnahmen) a0 M an (130 0 weniger als im vorigen Etat). Als dauernde Ausgaben führt der Etat nachstehende Positionen anf: für die Verwaltung des Zeug⸗ bauses in Berlin: Besoldungen 556 660 Æ (4 1350 66), zu Woh⸗ nungsgeldzuschüssen 8800 M C 240 M), andere persönliche Ausgaben 3623 M (4 360 „M), sächliche Ausgaben 53 600 MM C 670 4). Davon sind zur Unterhaltung, Vermehrung und Aufstellung der Waffen⸗ ꝛc. Sammlungen 166000 6, zu Diäten und Reisekosten 1090 M6, zur Unterhaltung der Gebäude 10 000 S, zu sonstigen sächlichen Ausgaben 26 600 bestimmt. Summa der dauernden Ausgaben 121752 Æ (290 60 mehr als pro 1889/90). An einmaligen und außerordentlichen Ausgaben werden 20 000 νι (gegen S0 900 Æ im Etat für 1889/3 90) zur anderweiten Einrichtung des Berliner Zeughauses gefordert und zwar als weiterer Mehrbedarf zu den durch Gesetz vom 17. März 1877 bewilligten Mitteln. Di; in Ansatz gebrachte Summe ist zur Vollendung Ter künstlerischen Ausschmückung des Zeughauses in Folge sparsamer Be⸗ messung der früher bewilligten Anschlags summen erforderlich, welche nicht überall ausgereicht haben Der Mehrbedarf über die Anschlags⸗ summe ist hauytfächlich dadurch herbeigeführt, daß die in Marmor—⸗ mörtel herzustellenden Putflächen für die Wandgemälde verschiedener Umänderungen, bedurft haben, daß die Materialienpreise für den Bronzeguß gestiegen sind, daß die Rüstungen für die Gemälde, ins besondere diejenigen im Kuppelraum, wiederholt wegen außerordent⸗ kf. K . wieder aufgefübrt werden müssen, und daß endli ebenkosten entstanden sind, auf welche vor nicht hat Rücksicht genommen werden können. ö

Der Etat des Ministeriums für Handel und Ge⸗ werbe setzt die Einnahmen aus Miethen und Pächten von fis kalischen Grundstücken auf 14 207 4M (4 179 Æ), von den Navi⸗ gationsschulen und den besonderen Vorschulen auf 28 084 C 3389 6), von der Barugewerkschule zu Nienburg auf 14 995 ( S26 MS), von der Werkmeisterschule für Maschinenbauer u s. w. in Dortmund auf 12 1400 M C 12400 αν) an, ferner die Einnahmen der Aichungs⸗ äamter auf 142 934 6 C. 1128 6, der Musterungsbehörden auf 35 29 6 9 1366 ), die Beiträge zur Tilgung der für aufgehobene gewerbliche Berechtigungen vorschußtveise gewährten Entschädigungs⸗ kapitalien auf 35 184 MSM (4 680 ), die Einnahmen der Königlichen Porzellan · Manufaktur auf 662 920 Se (4 31 000 M), die des König⸗ lichen Instituts für Glasmalerei auf 56 200 KA (4 2090 A6), die der Musterbleiche in Solingen auf 38 200 MS (4 CO), die sonstigen Einnahmen auf 21 358 M (— 2186 6) und den 4. Beitrag der Ge= meinde Westerhauderfehn zu den Baukosten des dortigen Navigations⸗ Vorschul Gebäudes auf 1000 Die gesammten Einnahmen sind so⸗ mit auf 1967 408 M ( 42270 M veranschlagt. Den Mehr⸗ einnahmen bei der Königlichen ern an⸗Manufaktur liegt die Zu⸗ nahme des Absatzez der Erzeugnisse, ebenso wie dies bei dem Koöͤnig⸗ 1 win fuͤr , ,. . 89 gh zu Grunde.

ie dauernden Ausgaben belaufen sich insgesammt au

4 362 543 6, za 318 M böher als im Vorjahre, Auf das . kommen 310 6h S (4 3330 66) nämlich: an Besoldungen 194 550 M (4 2559 „). Entsprechend dem Geschästszuwachse haben sich auch die Kanzleiarbeiten so vermehrt, daß zu deren Besorgung die Zahl der Beamten um vier hat vermehrt werden müssen, und ist der Norm, daß nur 4 der Kanzleibeamten fest angestellt sein dürfen, entsprechend eine neue Kanzleisekretãrstelle eingestellt worden. Die Höhe der Wohnungsgeldzuschüsse beträgt 39 840 M ( 80 6. Die anderen versönlichen Ausgaben belaufen sich, wie im Vorjahre, auf 34 075 S, ebenso die säͤchlichen Ausgaben auf 51 400 Æ Bei der Rand gse und SGewerbeverwaltung sind die Besoldungen auf 482 395 6p C 360 6. die Wohnungegeldzuschüsse quf H 3290 (4 83 die anderen persönlichen Ausgaben auf 209 396 A ( 4692 K. vtranschlagt worden. Die Erhöhung ist dadurch , daß in Folge der Zunahme der Geschäfte, des Ge— 64 eraths in den rovinzen Hannover und essenNassau je ein Zeamter nicht mehr augreichte und deshalb in beiden Provinzen dem Gewerberathe ein Assistent gegeben werden soll. Die sächlichen Aus gaben belaufen sich auf 367 185 ½ ( 18 424 M6. Von den Mehr- ausgaben kommen 4800 M auf die Verstärkung der iu Reisekosten und Tagegeldern für die Fabrikaufsichtsbeamten bestimmten Mittel . Folge der Vermehrung der Gewerberaths Assistentenftellen, 8 S dienen . Versfarkung des Zuschusses für das Ems . Behufs ,. des Zwangslootsengeldes und z . . auf den Mehrbedarf der Uichungsämter. Für das gewerh⸗ ö. nterrichtswesen, für wissenschaftliche und gemeinnützige Zwecke sind Ausgaben im Betrage von 116552 C 290 906 A) ein gehn, nämlich an Besoldungen 222 290 M (4 28 825 * an . ohnungsgeldzuschüssen 22 672 M (4 8220 AÆ), an anderen persön⸗ ichen Ausgaben 25 812 (4 3830 M, an sächlichen und ver . Ausgaben 65 759 M (4 4905 5) und an sonstigen Aus- gaben 1779 789 ½ (4 244 270 6). Was den bei diesem Kapitel

eingestellten Mehrbetrag anbetrifft, so finden sich darunter 3150 4

für eine in Folge der Zunahme des Besuchs der Baugewerkschule in k nõihig gewordene dreizehnte Lehrerstelle und . für die . einer Werkmeisterschule für Maschinenbauer, Schlosser 94. ö in Dortmund. Es hat sich schon lange als ein . . . erwiesen, daß es an einer derartigen gut eingerichteten ö,. fehlt, und da die Stadt Dortmund sich erboten, e. 5 ien n. herzustellen und zu unterhalten, auch . festen Zuschuß von 606 M jährlich zu den Ünterkaltungè- osten zu leisten, so ist Seitens der Regierung der Entschluß gEesaßt worden, die obige, den jährlichen übrigen Kosten entsprechende Summe in den Etat einzustellen. Bei den Wohnungsgeldzuschüssen ist die Erhöhung namentlich dadurch herbeigeführt worden, daß den Lehrern an den Navigations- Hauptschulen der Kang der Lehrer an Gymnasien und höheren Unterrichtsschulen zugedacht ist. Ferner ist durch die Zunahme der Schülerzabl an der Zeichenschule zu Hanau die Errichtung einer neuen Lehrerstelle daselbst nöthig geworden, und hierdurch, sowie durch die den akademisch gebildeten Lehrern zugedachte höhere Rangstellung eine Mehrausgabe von 4180 veranlaßt worden. Die Zuschüsse für die Provinzial Kunst⸗ und Handwerkö⸗ 8 schulen in Königsberg und Danzig sind auf Grund der Neuanstellung eines Lehrers und zur Deckung einer Minder⸗

schule in Breslau aus äbnlichen Gründen um 5126 5 worden. Auch bei den Baugewerkschulen in Henn. * Krone, Höxter und JIdstein, deren Besuch in den letzten Jahren erbeblich gewachsen ist, hat sich eine ande: weitige Regeläng der Lehr= kräfte als nöthig herausgestellt und betragen die hierfür erforderlichen Mehrbeträge 4 509 SM. Die Umwandlung des Technikums in Buxte⸗ hude, welche sich, soll die Anftalt überhaupt besteben bleiben, als un⸗ vermeidlich erwiesen hat, erfordert eine Summe von 35 66 4 Zuschüssen an eine in Magdeburg neu zu errichtende Baugewerk⸗ schule, an die Kunstgewerbe und Handwerkerschule in Magdeburg, an eine neu zu errichtende gewerbliche Unterrichts ansaalt? in Han . nover, an die Fachschule für. die Bergische Kleineisen und Stahl ⸗Industrie, an die Fachschule für Seedampfschiffwesen in Flensburg, an die Webeschulen in Berlin, in Spremberg, Nowawes an die Werkmeisterschulen für Tuch, und Bucks kin weber in Forf Sommerfeld und Finsterwalde, an die Webeschule fit die Wollen industrie in Aachen sind Mehr⸗ bezw. Neubeträge in Höhe von 148 250 S angesetzt worden. Bei der Königlichen Porzellan⸗ manufaktur sind an Wohnungẽgeldzuschüssen 71 530 M (* 1806 A) an anderen persönlichen Ausgaben 22 450 M ( 240 4) und an sächlichen Ausgaben, bei denen in Folge der durch die wachsende Thätigkeit gesteigerten Arbeits löhnen Behufs Verstärkung der Fonds zu den Betriebskosten 20 540 „M6 mehr erforderlich sind, 635 880 M ( 28 380 ) angesetzt worden. Das Königliche Institut für Glas⸗ malerei erfordert an Persönlichen Ausgaben 31 oM M (4 2090 A) an sächlichen Ausgaben 27 00 Æ (4 .I. Die Mehrausgabe von 2000 M entspricht der in Folge der Zunahme der Beschäftigung . ö ö . etatsmäßigen Bedarfs zur Honorirung er aler un eichner. ie vermischten Aus ren (er g dr schten Ausgaben betragen An einmaligen und außerordentlichen Ausgahen werden erfordert: die zweite und leßte Rate zur Errichtung eines Dienstgebäudes in Königsberg in ger von 25 600 M, desgl. in Danzig in Höhe von 260 416 „, zur Austattung der Navigatisng= schulen mit Lehrmitteln 10 909 , zur ersten Lusrüstung von ewerb⸗ lichen Fach⸗ und. Baugewerkschulen 223 00 und zur Crwesterung des Drehereigebãudes der Königlichen Porzellanmanufaltur 76 300 S 6. . J54 940 Me, mithin 64 636 S weniger als im Etatsjahr,

* Der Etat der Bauverwaltung einschließlich dee M iniste riums der öffentlichen Arbeiten gie ter die FGinnahmen aus Mieten und, Pächten ven fiskalischen Grund. stücken u. s. w. auf 320 90 6 (. 16000 11) aus Gebühren für die Staatsprüfungen im Baufach auf 20 00 M ( 5000 6, aus den Nebenbeschäftigungen der Bauinspeltoren auf bö0 000 M ( b0 000 AÆ, aus der Ruhrschiffahrts. und Ruhrhafenverwaltung auf 593 000 M ( O), aus den Beiträgen zur Unterhaltung der Land. und Wasserffraßen u, s. w. auf 257 Lo *. 6 boo C) und aus den Berge und Hülfslöhnen der Negierungsschiffe für Beistand in Seenoth auf 6000 MC ( O), im Ganjen auf 1696 500 C 2500 ),. Die Summe der dauernden Ausgaben beläuft sich auf 20 954 381 66 ( 340 1855 ). Von dieser Summe entfallen auf das Ministerium insgesammt 799460 c 000 AM mehr als im Vorjahre, davon auf Besoldungen 450 ho0 M ( O), auf Wohnungs⸗ geldzuschüsse Jo 440 (4 G6, auf andere persönliche Ausgaben 200 S560 υ (S b . Diese Mehrausgabe ist bei dem Fonds zur Remunerirung der Mitglieder und Peamten des technischen Ober · Prüfungspersonals und der technischen Prüfungsämter eingestellt und entspricht der böheren Einnahme an prüfungsgebühren, sie erhöht oder vermindert sich um den Betrag, um welchen die Isteinnahme binter der Solleinnahme zurückbleibt oder dieselbe übersteigt. Auf saͤchliche Ausgaben kommen 20 000 ( O.

Bie Ausgaben für die Bauverwaltung sind zusammen auf 19 965 121 M ( 321 65 M0) angesetz Auf Besoldungen kommen davon 3 i563 oöß 6 (. bo ots ch. Die Erhöhung ist Dadurch motivirt, daß in gel e der mit Beginn des neuen Etatsjahres statt⸗ findenden Inbetrie . des Oder ⸗Spree⸗Kanals eine große Vermeh⸗ rung der Beschäfte zu erwarten ist und deshalb, da die Wahrnehmung derselben durch eine der bestehenden Wasserbau· Inspektionen nicht in Frage lommen konnte, die Errichtung einer neuen Wasser bau ⸗Inspektorstelle in Aussicht genommen werden mußte. Ebenso erfordern die in neuerer Zeit in Angriff genommenen großen Kanal · und Wasserbauten sowie die Unter ⸗· fuchungen über die Hochwasserverbältnisse der Ströme eine Ver⸗ mehrung des Beamtenpersonals. Ferner wat, bei zahlreichen Leucht⸗ feuern ein besser qualifizirtes Beamtenpersonal zu beschaffen, was nur gegen eine entsprechende Erhöhung der Gehälter moglich ist, und schließlich stelltẽ es sich als nothwendig heraus, die Stellen der zu Hafenbauten, Baggerungen u. . w. benutzten Dampfer voll ständiger ju besetzen, als dies bisher geschehen war. Die ,,, e im Betrage von 359 ' M haben sich entsprechend der Vermehrung der Beamten um M68 M erhöht. Die anderen personlichen Ausgaben von 612586 M haben sich nur um 50 00 M an Vergütungen für die INebenbeschäͤftigungen der. Bauinspektoren, entsprechend der ange- feßten Mehreinnahme erhöht. Die sächlichen Ausgaben betragen 13 0 421 6 P 321 055 M., Von der Mehrausgabe ent -⸗ fallen auf die Dienstaufwands, Entschädigung u, s. w. der neu errichteten Wasserbau . Inspektorstelle und zu Pauschalvergütungen an die Wasserbau ⸗Inspektoren überhaupt für Porto und dergl., fowie an' Pferdegeldern von 4 Dünenmwärtern 45 559. , auf e e,, , , d ,. Fonds zur Unterhaltung der Dünenwerke auf den ostfriesischen Inseln und die Unterhaltung der Hafenanlagen ö der Greifswalder Oie 77 244 41, auf die balbe Jahresrate der Unterhaltungskosten des Oder Spree · Kanals 495 000 und zur Verstärkung des Disposition?« fonds ju lͤterarifchen und vwissenschaftlichen Zwecken 2800 .. Die vermischten Ausgaben belaufen sich auf 214 do M & 14100 9

ie einmaligen und außerordentlichen Ausgaben

erfordern im Ganzen 9 S62 000 , wovon auf die Regulirung der Wafferstraßen und die Förderung der Binnen schif fahrt 4680 590 entfallen, darunter u. A. auf die Regu⸗ lirung der Weichsel im Bereich der Weichselstrombauperwaltung und des Rheins von Bingen obwärts, 1900 000 6ο½, die Regultrung der Memel, Warthe, Saale Mnstrut und Ems d Coo , die Regulirung des Rheins von Mainz bis Bingen ein Restbetrag von Jas 005 M, die Regulirung der Oder unterhalb Küͤstrins big ü eine vierte Rate bon job o 6, auf, die Anlage eines Sicherd hafens bei Mülteim 9. Rb, eine erste Rate von z60 og9 M, den Neubau der Rohrbecker Schleuse eine erste Rate Ii os M, auf die Criweiterung des schmalen Graben den Neubau der Pareyer

einnahme im Schulgelde guf 4188 6, die für die Baugewerkg⸗ .

Schleuse eine Rat . 8 . auf die Beschaffund cines ö J