fühlte, daß die Entscheidung nahe; es machte einen wunder⸗ baren Eindruck, als wir in den Feuerpausen die Be fatzung der Boma nach lautem Vo
zu Allah rufen hörten — dies war das erste Mal während unserer Kämpfe, daß wir ein Zeichen von religibsem Fanaiizmus bei unferen Gegnern, lönstatirten.! — Die An⸗ riffs⸗AÄbtheilung hatte unterdessen die Waldlisigsre erreicht. Die Konad fuchten und fanden eine Oeffnung, die an die Boma führte. Iach dem verabredeten Zeichen stopfte ich, das Feuer, und gingen die Sudanesen mit dem Bajonett ünter Hurrah vor. Das Feuer in der uns zugelegenen Front der Befestigung hörte auf, ein Zeichen, daß sich die We rüffenen' ahbe nch der bedtohten Plant, warfen. Süe erwiderten den Angriffsruf der 4 enfalls mit Hurrah und im Walde enkspann sich ein heftiges Feuergefecht. Jetzt ging ich auch in der Front vor. Bevor ich jedoch die Höhe erreichte, schwieg das intensive Feuer oben und die schwarz⸗ weiß⸗rothe Flagge erschien auf der Boma, Hornsignale unter— richteten uns von dem gelungenen Sturme.
An der genommenen Boma y,, n, warf ich sofort zwei ur en el zur Verfolgung dem Feinde nach.
n der genommenen Boma war lauter Jubel der siegesreichen
ngriffs⸗Abtheilung. Die Sudanesen umarmten sich jubelnd, Alle stürzten auf die Europäer zu, um ihnen im Ausdruck ihrer Freude die Hände zu drücken und zu küssen, Wir Alle hatten den Eindruck, daß wir mit einer solchen Truppe auch noch schwierigeren Aufgaben gewachsen seien. .
Vie Boma war die stärkste, die ich je sah. Hinter 4 m hohen, starken Pallisaden waren manns hohe Erddeckungen auf⸗ geworfen, die auch unsern Grangten widerstanden hatten. An ben Ecken waren reguläre Bastionen erbaut, vor den Pallisaden ein freies Schußfeld von cireg W m, an das sich ringsherum die dichte, fast undurchdringliche Urw alddschungel anschloß. Das Lager war bedeckt mit abgeschossenen Pa⸗ , die bewiesen, daß der Feind hauptsächlich mit Hinterladern bewaffnet gewesen war. Der Feind hatte mit großer Bravour ausgehalten, jeder Baum in der Boma hatte eine große Zahl von Schüssen aufzuweisen. Die Shrapnell⸗ und Granatsplitter lagen überall im Lager umher; Leichen, die man nicht mehr? hatte in den Wald schleppen können, zeigten Massen von Wunden. .
Da sich die Urwalddschungel, die von vielen ganz schmalen Gängen durchkreuzt, gegen eine halbe Stunde weiter nach Wesien erstreckte, blieb der Erfolg der, Verfolgung gering. h ließ sämmtliche Pallifaden niederreißen und zu großen Scheiterhaufen zufammentragen und diese wie die Häuser in der Bona niederbrennen. ; ;
Der soeben beschriebene Kampf ist der erbittertste, den ich während der Zeit meines Wirkens hier geführt habe. Es erklärt fich dies aus folgenden Gründen. ;
Bei der ersten kriegerischen Expedition, die ich durch Süd— Useguhha gehen ließ, war die beschriebene Befestigung „Mlem⸗ bule“ nicht gefunden worden. Bwana⸗Heri hatte dagegen wahrscheinlich geglaubt, daß sie uns zu stark gewesen sei, um sie anzugreifen; der Glaube an die Uneinnehmbarkeit hatte sich gesteigert durch den Ew. Durchlaucht bereits , abgeschlagenen Angriff meiner Truppe am 7. Dezember. Vor acht Jahren hatte Bwang Heri die Truppe des Sultans Said Bargasch geschlagen, Bwang Heri ist niemals besiegt worden; er erkannte die Ober hoheit des Sultans von Sansibar an, so weit es ihm paßte und erhielt jährlich Geschenke vom Sultan. Er hat sich nie Wal, sondern stets Sultan von Useguhhg genannt und hat, was besonders merk⸗ würdig ist, während der Zeit des Aufstandes begonnen, eine Art religibfes Band um seine Anhänger zu schließen. Aus diesen Gründen hat er auch wohl meine viermal wiederholte Auffor— derung, mit mir in friedliche Verhandlungen zu treten, zurückge⸗ wiesen · Daß er Saadani nicht halten konnte, begründete er durch das große Uebergewicht der Schiffsgeschütze, wie überhaupt an der ganzen Küste die Ansicht herrschte, daß wir wohl unter den Geschüͤtzen der Marine oder mit weißen Sol⸗ daten ihnen Überlegen feien, aber nicht im Land, bis ich durch die Reife nach Mpywapwa und mehrere Gefechte im Innern ihnen diese Hoffnung nahm. Jetzt ist der Glaube an die Un⸗ besiegbarkeit Bwana⸗Heri's gr uͤndlich zerstört — man hielt überall Mlembule . unangreifbar und kannte die große und besonders wohlbewaffnete Macht Bwana⸗Heri's,
Ein Zeichen dafür, wie ergeben die Süd Waseguhhg ihrem Fürsten waren oder wie sie ihn bisher fürchteten, ist der Ünmstand, daß es so lange Zeit gelang, uns über den Verbleib und die Maßnahmen VBwanga-⸗Hexri's zu täuschen. Wir erfuhren stets, er treibe sich flüchtig im Lande umher, während er mit großem Fleiß und Geschick seine Befestigung verflärkte. Außer der Besetzung von Saadani lasse ich die Schlupfwinkel für Dhaus an der Küste durch stationirte Fahrzeuge beobachten. Die Munition wird Bwana⸗Heri ziemlich ausgegangen sein. .
(gez. Wissmann.
Sr. Durchlaucht dem Fürsten von Bismarck.
Sansibar, den 28. Januar 1890.
Ew. Durchlaucht melde ich ganz gehorsamst, daß ich mit dem Direktor der deutsch⸗ostafrikanischen Gesellschaft, Herrn. Vohsen, und dem General-Vertreter, Herrn von Saint Paul Illaire, alle Küstenstationen befucht habe, um die geplanten wirthschaft= lichen Unternehmen der Gesellschaft vorzubereiten, und bei dieser Gelegenheit gleichzeitig Anordnungen zur Ueberwachung des Waffenhandels gegeben habe. (
Die Gesellschaft beabfichtigt in allen bedeutenderen Küsten⸗ stationen Faltoreien zu errichten, an die größeren Sklaven—⸗ besitzer und Häuptlinge der Umgegend. Samen für Helfrüchte ö vertheilen und für einen von beiden Theilen festgestellten
reis die Ernten einzukaufen. Es werden für eine ent⸗
sprechende , Ernte den Häuptlingen Prämien bezahlt
und bei der auf Witte Februar zur Feststellung der Preise anberaumten Versammlung Geschenke vertheilt. Ich habe der Gesellschaft passende . für Faktoreien angewiesen und habe zu Mitte Februar die Häuptlinge der Umgegend nach den Stationen berufen. Was die Ueberwachung der Waffen anbetrifft, so habe ich fͤlgende Anordnungen erlassen: Jeder Besitzer eines Vorderladergewehres (Perkussion, Steinschloß oder unte) hat erst Erlaubniß, das Gewehr zu tragen, wenn dasselbe von der Station des betreffenden Be— zirks abgestempelt ist. Nach Ablauf von drei Monaten kann jedes ungestempelte Gewehr konfiszirt werden. Sämmtliche Hinterlader sind verboten. Die Besitzer haben diese Waffen nach den Stationen zu bringen, wo ste für das ab zuliefernde Gewehr den Werth desfelben in Geld oder in Perkussions—
waffen erhalten. Nach Ablauf von drei Monaten ist jeder 6 , zu o e und der Besitzer eventuell mit eid⸗ oder Freiheitsstrafen zu belegen. Es darf kein Hinter⸗ ladergewehr an der Kuͤste ö wohl aber ausgeführt werden. Ich hahe das Kaiserliche Konsulgt ersucht, den Deutschen in Sansibar zu verbieten, Hinterlader zu verkaufen oder zu verschenken. Jeder ins Innere gehende Europäer hat an der Küstenstation, von der er ins Innere zu gehen beabsichtigt, eine Kaution zu hinterlegen, die ihm, wenn er die Waffe wieder zurückbringt, zurückgezahlt wird, Der 9. lische len f dein fh hat mir versprochen, bei indischen Händ⸗ lern in Sansibar, die nur noch mit Hinterladern handeln, Daussuchungen anzustellen, und hat mir ferner erklärt, daß er jeden englischen Unterthan, dem ich Handel mit Hinterladern oder Hinterladermunition nachweisen könne, strengstens bestrafen werde. Da ich die ins Innere gehenden Karawanen felbst mit Waffen und Munition versorge, sa bin ich in der Lage, die Preise für beide so hoch als möglich zu stellen und verkaufe nur das mir im Verhältniß zur Länge der Reife nothwendig Erscheinende. Ich habe mich mit dem englischen Zeneral-Konsul über alle diese Punkte ausgesprochen, damit die englisch⸗ostafrikanische Gesellschaft analog handelt, und ist es sein wohlberechtigter Wunsch, daß auch in Witu gleiche Maßnahmen getroffen werden. Der englische General ⸗Konsul ist stets bereit, mich bei den vorgeschlagenen Maßnahmen 7 ,, Sklavenausfuhr und den schädlichen Einfluß der Araber überhaupt zu unterstützen.
Auf meiner Inspektionsreise fand ich in Tanga Alles in bester Ordnung. . . .
In Pangani stellte ich die Expedition nach Usambara unter dem Kommando des Chef Dr. Schmidt zusammen. Dieselbe wird Hrn. Ehlers mit den Geschenken Sr. Majestät des Kaisers bis zu Simbodja begleiten.
Die Einwohner von Kipumbwe haben von den ihnen auferlegten 1006 Rupien Strafzahlung für Ausplündern einer Dhau bereits 600 Rupien entrichtet und erhalten auf An⸗ suchen einen Militärposten und damit die Erlaubniß des An⸗ legens von Fahrzeugen. In Mlwadja und Saadani war von Patrguillen festgestellt, daß sich Bwana⸗Heri weiter ins Innere gezogen habe. Es liefen die Meldungen ein, daß Bwana⸗Herbs Sohn, Abdallah, schwer verwundet, und daß Jehasi, der unermüdliche, man, könnte fast sagen, Generalstabs⸗-Offizi⸗r früher Buschiri's, jetzt Bwanag-⸗Heri's, wahnsinnig und in Ketten gelegt sei. Bwana⸗Heri's Verluste bei Mlembule sollen schwere gewesen sein, .
Von Bagamoyo aus sandte ich Chef Freiherrn von Gravenreuth mit einer Compagnie nach Nordwesten, um über den Aufenthalt und die Maßnahmen Bwana Heri's Aufklärung zu erhalten und eventuell durch Eingeborene verstärkt, ihn aber⸗ mals anzugreifen, wenn möglichaufzuheben. Bwana⸗Heri hat seit dem Gefechte bei Mlembule viel Anhang verloren und wird es keine Schwierigkeiten haben, 500 und mehr Eingeborene gegen ihn aufzubieten. Der Kommandant des Postens in Bweni hat den Chef einer kleinen Räuberbande, die, unseren Schutzbrief mißbrauchend, Wasaramodörfer ausgeplündert hatte, ergriffen und standrechtlich mit dem Tode bestraft. .
In Dar⸗es⸗Salaam traf Nachricht ein, daß die Eingebore⸗ nen am Rufigji sechs an der Küste Sklaven jagende Araber aus Kilwa . haben. ;
(gez. Wissmann.
Sr. Durchlaucht dem Fürsten von Bismarck.
— Zur Berliner Arbeiterschutz-Konferenz meldet W. T. B.“ aus Amsterdam, 5. März... .
„Snyder van Wissenkerke, Ministerial⸗Rath im Justiz⸗Ministerium, wird voraussichtlich zum Vertreter der Niederlande auf der Berliner Konferenz ernannt werden.“
— Die soeben erschienene, im Reichsamt des Innern . „Amtliche Liste der Schiffe der deut⸗ chen Kriegs- und Handels-⸗Marine mit ihren Unter⸗ scheidungs⸗-Signalen für 1890“ bildet einen Anhang zu dem amtlichen Werk, welcheg in erster Auflage unter dem Titel „Signalbuch für die Kauffahrteischiffe aller Nationen“ 1870 und in zweiter Auflage unter dem Titel „Internationales Signalbuch“ 1884 herausgegeben ist. .
Das Signalbuch gewährt den Schiffen die Möglichkeit. durch Signale sich zu erkennen zu geben und sonstige Mit— theilungen unter einander sowie mit Signalstationen auch dann auszutauschen, wenn die signalisirenden Theile verschie— dener Sprachen sich bedienen.
Zu diesem Zweck enthält das Signalbuch eine große An⸗ zahl sowohl vollständiger Sätze, als auch zur Verbindung mit einander geeigneter Satztheile, einzelner Wörter, Namen, Silben, . und Zahlen, welche durch Gruppen von je 2, 3 oder 4 der 18 Signalbuchstaben B, C, D. E, G, H, 7 K, L, A, N. P, Q, R, 8, L, V und W bezeichnet sind. Solcher Gruppen, deren jede anders geordnete oder andere Buchstaben enthält als alle übrigen, giebt es 306 von je? Signalbuchstaben (BC, Bl, BFE, BG 6 bis MV), 4896 von je 3 Signalbuchstaben (Bob, B9F, BCG, BBoGHL 2c. bis WV) und 3 440 von je 4 Signalbuchstaben (BODE, BGbd, Bepfi, Böb] 26 bis VFS),
Alle 306 Gruppen von 2 Signalbuchstaben, alle 4896 Gruppen von 3 Signalbuchstaben und von den Gruppen von Signalbuchstaben die ersten 13960 (BobF bis G6PMWV) dienen zur Bezeichnung der in das Signalbuch aufgenommenen Sätze, Satztheile, Wörter u. s. w.
Von den übrigen Gruppen von 4 Signalbuchstaben sind die 1440 Gruppen von GBC bis GW VI zur Bezeichnung der Schiffe der Kriegs-Marinen und die letzten 53040 Gruppen von HEBGD bis WVXrFsS zur Bezeichnung der Schiffe der Handels⸗ Marinen in der Art bestimmt, daß jedem Kriegs- und be⸗ iehungsweise Kauffahrteischiffe eins dieser (1440 4 53040 =)
S6 Signale als Unterscheidungs Signal zuzutheilen ist.
Jedem Stagt stehen alle Unterscheidungs-Signgle Behufs Vertheilung auf die Schiffe seiner Flagge zur Verfügung. Schiffe von verschiedenen Flaggen führen daher vielfach , . Unterscheidungs⸗Signal, Schiffe unter derselben Flagge niemals.
Die Vertheilung der Unterscheidungs-Signale auf die einzelnen Schiffe wird durch die zuständigen Behörden bewirkt. Jedem deutschen Kauffahrteischiffe wird gleich bei der Ein— tragung in das Schiffsregister ein solches Unterscheidungs— in r zugetheilt und in seinem Schiffs-Certifikate vermerkt. So lange das Schiff unter deutscher Flagge fährt, behält es dieses Unterscheidungs⸗Signal auch beim Wechsel seines Deimathhafens oder seiner Registerbehörde unverändert bei.
Die nach der systematischen Reihenfolge der Unterschei⸗ dunge⸗Signale geordnete Liste ergiebt, welche Unterscheidungs⸗
1
ignale den einzelnen Schiffen der deutschen Kriegs- und ö beigelegt sind. . Für die Schiffe anderer Staaten, welche das Signalhuch ebenfalls angenommen haben, sind ähnliche Listen vorhanden. Die Art und Weise, wie die Unterscheidungs-Signale zu signalisiren sind, ergiebt fich aus dem in dem Signalbu enthaltenen Abschnit? über Einrichtung und Gebrauch, des Signalbuches“. Will ein Schiff fich elnem anderen Schiffe, einer Signalstation u. s. w. zu erkennen geben, so muß es außer seinem Unterscheidungs⸗Signal stets auch seine National⸗ Flagge zeigen, da, wie erwähnt, Schiffe verschiedener Flaggen vielfach dasselbe Unterscheidungs⸗Signal führen. ; Ein Schiff, welches das Unierscheidungs Signal eines anderen Schiffes wahrnimmt, kann 3 Namen, Heimath⸗ hafen, Ladungsfähigkeit und Dampfkraft aus der Liste sofort ersehen. Besitzs es die Liste nicht, so wird es sich Behufs späterer Feststellung oder Weitermeldung die Nationalität und das Unterscheidungs⸗Signal zu merken haben. 6 erscheinen neue Ausgaben dieser Schiffsliste und im Laufe jedes Jahres drei Nachträge zu derselben.
— Se. Durchlaucht der Prinz Albert zu Sachsen⸗ Altenburg, General⸗Major und Commandeur der 3. Garde⸗ Kavallerie⸗Brigade, hat sich mit kurzem Urlaub nach Düssel⸗ dorf begeben:
— S. M. Kreuzer „Habicht“, Kommandant Kgrvetten— Kapitän Burich, ist am 4. März in Kapstadt angekommen.
— In der Ersten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs- und Staats⸗Anzeigers“ wird eine Uebersicht der uckermengen, welche in der Zeit. vom 16. bis 28. Februar 1890 innerhalb des deutschen Zollgebiets mit dem Anspruch auf Steuervergütung abgefertigt und aus Niederlagen gegen Erstattung der Vergütung in den freien Verkehr zurückgebracht worden sind, veröffentlicht.
Bayern. München, 5. März. Se. Königliche Hoheit der Prinz⸗Regent hat genehmigt, daß das diesjährige Hauptfest des Georg s-⸗Ritter⸗Ordens am 23. April statizufinden habe, womit auch ein Ritterschlag verbunden sein wird. Als Kandidaten werden, der „Allg. Itg.“ zufolge, jetzt schon genannt: Erbprinz und Altgraf Alfred, Sohn des Fürsten Leopold zu Salm-⸗Reifferscheidt⸗Krautheim und Dyck, sowie Graf Joseph, Sohn des Fürsten Franz von Waldburg— Wolfegg⸗Waldsee.
Ihre Durchlauchten Fürst Georg Victor zu Waldeck⸗ Pyrmont und Fürstüin Helene mit Gefolge sind heute früh mit dem Ingolstädter Schnellzuge hier eingetroffen und nach im Königssalon des Centralbahnhofes eingenommenem Frühstück nach Verona weitergereist.
Staats-Minister Dr. Freiherr von Lutz ist nunmehr wieder so weit hergestellt, daß er den Tag über außer Bett zubringen kann.
Sachsen. Dresden, 5. März. Das „Dresd. Journ.“ meldet: Die Abreise Ihrer Majestät der Königin nach Nervi wird morgen Abend 7 Uhr 16 Minuten mit dem fahr— planmäßigen Zuge über Leipzig, Frankfurt a. M., Basel, Luzern, Mailand erfolgen. In der Allerhöchsten Begleitung werden sich befinden: die Hofdamen Gräfin Einsiedel und Freiin von Miltitz, der Ober⸗-Hofmeister Geheimer Nath von Watzdorf und der Königliche Leibarzt, Geheimer Medizinal⸗ Rath Dr. Fiedler. Alle offizielle Begrüßung bei dieser Reise wird dankend abgelehnt.
Beide Kammern hielten heute Sitzungen ab. Die Erste Kammer wählte zunächst die Rechtsanwälte Justiz—⸗ Räthe Oehme in Leipzig und Dr. Stein J. in Dresden, sowie den Ober⸗Landesgerichtssenats⸗Präsidenten a. D. No ßky zu Mitgliedern des Staatsgerichtshofs, den Rechts— anwalt Justiz Rath von Schütz in Deesden und den Landgerichts-Präsidenten von Mangoldt in Zwickau zu Stellvertretern derselben. Alsdann wurde nach einer kurzen geschäftlichen Debatte der bisherige erste Stellvertreter Peltz als Mitglied des Landtagsausschusses zur Ver— waltung der Staatsschulden einstimmig ernannt und der Bürgermeister Beutler als zweiter Stellvertreter in diesen Ausschuß gewählt. Die Zweite Kammer erledigte den Bericht der Rechenschaftsdeputation über den Rechen scha fts⸗ bericht auf die Finanzperiode 1886/87, soweit der— selbe den Etat der Zuschüsse und den außerordentlichen Staats haushalts⸗Etat betrifft. Nachdem der Abg. Matthes erneut die Hebung der inländischen Pferdezucht durch möglichsten Ankauf der Militärpferde im Lande be⸗ fürwortet hatte, beschloß die Kammer einstimmig, der Königlichen Staatsregierung wegen der Verwaltung der Staatsfinanzen in der Finanzperiode 1886,87, auch insoweit diese sich auf den Etat der Zuschüsse und den außerordent—⸗ lichen Staatshaushalts⸗Etat bezieht, Entlastung zu ertheilen. Weiter erklärte sich die Kammer durch den Bericht über die Verwaltung und Vermehrung der Königlichen 6 fu Kunst und Wissenschaft für be⸗ riedigt.
Lnürttenmberg. Stuttgart, 5. März. Zu dem mor⸗ gigen Geburtstage Sr. Majestät des Königs Karl bringt der „Staats⸗-Anzeiger f. W.“ folgenden Artikel:
Mt besonderer Freude schickt sich heuer unser württember gisches Volk und vor Allem die Haupt. und Residenzstadt Stuttgart an, das Allerhöchste Geburtsfest Sr. Majestät des Königs zu begehen.
Wird untz Loch in die sem Jahre das Glück zu Theil, an diesein vaterländischen Fest⸗ und Freudentage den geliebten Landezvater und Seire Hohe Gemahlin in unserer Mitte zu wissen, nachdem so manches Jahr zuvor Se. Majestät um Seiner leidenden Gesundbeit willen genöthizt war, unseren rauhen Winterhimmel mit einem milderen Aufenthalt zu vertauschen. . .
Freilich ist auch in jüngstverflossener Zeit die Sorge um das Wohlbefinden Sr. Majestät nicht von unt genommen gewesen; wir haben mit Betrübniß hören müssen, daß die schlimme Krankheit, die fo viel Taufende in diesem Winter befallen, auch an unserem Königs. hause nicht vorübergegangen ist; aber wir dürfen doch beute mit innigem Danke gegen Gott uns freuen, daß Se Majestät ohne ernftere Gefährdung Seiner theuren Gesundheit den heimathlichen Winter überstanden und auch der heftige Krankheitsanfall, der Ihre RMajestät die Königin befiel sich zum Bessern gewendet hat,
Roch klingt in unser aller Herzen die unvergleichlich schöne Fest⸗
zeit nach, in welcher wir im verflossenen Sommer das fünfundzwanzig jährige Regierungs . Jubiläum Sr. Majestät begangen haben. Da durste die Liebe und Treue zwischen Fürst und Volk im Festgewande fich zeigen und ihren sprichwörtlichen Ruhm vor einer erlauchten Ver⸗ sammlung von Kaiserlichen und Königlichen Gästen erneuern.
Diese Liebe und Treue ist dieselbe geblieben, nachdem wir wieder ins Älltageleben zurückgekehrt, und sie hat sich in den Herzen der Unterthanen nur aufs Neue bekräftigen können, nachdem wir auch im jängften Jahre der Regierung Sr. Majestät so unendlich viele Be⸗
weise treuer landes väterlicher Fürsorge und edelsten Wohlwollens für
alle Glieder des Vaterlandes vom Throne haben ausgeh en sehen.
Und so begehen wir denn den morgigen hohen Festtag wied rum mit freudigem Herzen und richten unsere Gebete zum Allgütigen, 34 er uns das theuere Leben vnseres in Ehrfurcht geliebten Königs no viele, viele Jahre erhalten möge!
Aus Anlaß des Geburtsfestes Sr. Majestät sind zahlreiche Verleihungen von Orden und Titeln erfolgt, welche das amtliche Blatt zur Veröffentlichung bringt. Ferner 'ent⸗
lt der heutige „St. A.“ eine Verfügung des Ministeriums des
irchen⸗ und Schulwesens, wonach der König genehmigt hat, daß die Thierarzneischule in Stuttgart künftig die Benennung Königliche Thierärztliche Höchschule zu führen habe. zLBamit , so heißt es in der Erläuterung, tritt unsere vater⸗ ländische Thierarzneischule in die Reihe derjenigen deutschen Lehr⸗ anstalten für Thierheiskunde ein, welche den Titel -Thierärztliche Hochschulen. führen. Mit Rügsicht auf die vorgeschrittene Entwick = lung und die wissenschaftliche Bedeutung der heutigen Thiermedizin ist den Königlich preußischen Thierarzneischulen in Berlin und Han nover durch Allerhöchsten Erlaß vom 20. Juni 1887 die Bezeich⸗ nung . Thierärztliche Hochschule. beigelegi worden. Dasselbe wurde im Juni 1889 von der Königlich sächsischen Regierung für die Thierarzneischule in Dresden verfügt. Nach diesen Vorgängen erschien es angemessen, entsprechend einem dringenden Wunsch der he= tbeiligten Kreise auch der Thierarzneischule in Stuttgart, welche seit ihrer Gründung (1821) allen Fortschritten auf dem Gebiete der thierärztlichen Wissenschaft und des thierärztlichen Unterrichts gefolgt ift. dieselbe Benennung beizulegen, welche die genannten Anstalten führen. In der bestebenden Srganisation der thierärztlichen Hoch ⸗ schule, welche schon bisher dem Ministerium des Kirchen: und Schul⸗ wefenz unmittelbar unterstellt war, sowie in den übrigen Verhältnissen derselben tritt eine Aenderung nicht ein.“
Heffen. Darmstadt, 5. März. (Darmst. Ztg.) Die Zweite Kammer hat heute den Gesetzentwurf, betreffend die Gehalte der Volksschullehrer, wonach die Lehrer nach fünfjähriger Dienstzeit 1000 S6 und nach fünfünd⸗ zwanzigjähriger 1600 M6 erhalten, mit allen gegen eine Stimme angenommen.
Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 5. März. (Weim. Ztg.) Der Landtag überwies in seiner gestrigen Sitzung den Entwurf eines Nachtrags zum Gesetz Über die Anlegung vormundschaftlicher und zu öffentlichen Depositen gehöriger Gelder dem Ausschusse für Rechtsgesetzgebung, und den Antrag auf Beschaffung von Räumen für die Zwecke einer statio nären Ohrenklinik zu Jena an den Finanzausschuß.
Anhalt. Dessau, 4. März. (St. -A. f. A.) In der heutigen Sitzung des Landtages wurde die Vorlage, betreffend die eräußerungen fiskalischer Grundstücke, in zweiter Lesung ohne Debatte angenommen. Die Petition des Gemeinderaths der Stadt Oranienbaum wegen Er— langung einer Eisenbahnverbindung wurde, ent— sprechend dem Antrage der Kommission, der Regierung zur Erwägung überwiesen und zugleich ein Antrag des Abg. Dr. Funck angenommen, wonach die Staats⸗ regierung versuchen möge, durch Verhandlungen mit dem Preußischen Eisenbahn⸗Minister die Bahnverbindung zu er— reichen und, falls solche Verhandlungen scheiterten, die Staats⸗ regierung ermächtigt sein soll, zu den Kosten der Seitens der . zu bewirkenden Vorarbeiten die Hälfte bis zum
etrage von 3000 „MS beizutragen.
Elsaß⸗Lothringen. Straßburg, 4. März. Der Landesausschuß erledigte in seiner heutigen Sitzung den Stat der Landwirthschaft. Eine längere Debatte ent— spann sich nur über die Gestüts verwaltung.
Metz, 4. März. (Straßb. Post. Der Gemeinderath nahm heute folgende, an die Adresse der lothringischen Ab— geordneten gerichtete Resolution einstimmig an:
In Erwägung, daß die elsaß⸗lothringischen Kanäle nicht die gleiche Tiefe haben wie die Karäle der angrenzenden Staaten, daß deshalb die volle Ausnutzung der bereits existirenden und in Zukunft noch zu erwartenden Wasserstraßen nicht möglich ist, daß auch Lothringen und dessen Hauptstadt hierdurch wirthschaftlich benach. theiligt werden, bezeichnet es der Gemeinderath der Stadt Metz als wa ünschenswerth, daß der Antrag Back und Genossen, welcher die Vertiefung der elsaß⸗lothringischen Kanäle bezweckt, im Landesausschusse zum Beschluß erhoben werden möge.
Großbritannien und Irland. London, 5. März. (A. C.) Die Königin kam gestern, trotz der strengen Kälte, von Windsor nach London und besichtigte die Tudor⸗-Ausstel⸗ lung. Heute hält Ihre Majestät im Buckingham⸗ Palast den ersten Damenempfang in dieser Saison ab. — Die Königin hat den General Sir Daniel Lysons zum Nachfolger des verstorbenen Feldmarschalls Napier von Magdala als Constable des Tower ernannt. Einer Depesche aus Malta zufolge segelte das britische Avisoboot „Surprise“, mit dem Großherzog von Hessen und den Prinzessinnen Victoria, Irene (Prinzessin Heinrich von Preußen) und Alix an Bord, am 3. d. M. von dort nach Neapel ab. H 5. März. (W. T. B.) Der hiesige Gesandte der Vereinigten Staaten, Abraham Lincoln, ist gestorben. Bei der gestern stattgehabten Er satz wahl zum Unter⸗ hause im Tondoner Wahlbezirk Nord⸗-St.⸗Pancras wurde an Stelle von Cochrane, welcher zum Peer aufrückte, der Gladstonianer Bolton mit 2657 Stinimen gewählt. Der konservative Gegenkandidat Graham erhielt 2549 Slimmen.
Die Anhänger Gladstone's haben damit einen neuen Sitz gewonnen.
Frankreich. Paris, 5. März. (W. T. B.) In Regierungskreisen wird der morgigen Kammerdebatte, betreffend die Interpellatien äber die Berliner Arbeiterkon ferenz e nicht ohne Besorgniß entgegen⸗
esehen; es ist indessen zweifellos, daß die republltanische Mehrheit nicht beabsichtigt, daz Kabinet wegen seiner Haltung in dieser Angelegenheit zu stürzen. Eine eventuelle Krise würde vielmehr anderen, in den letzten Tagen in Erscheinung getretenen Umständen zuzuschreiben sein.
In sonst gut unterrichteten Kreisen verlautet, daß der Minister⸗Präsident Tirard nach der morgigen Kammersitzun aus Gesundheitsrücksichten einen längeren Urlau nehmen und im Verlaufe desselben dem Präsidenten Carnot brieflich seine Demission einreichen werde.
Italien. Rom, 5 März. (W. T. B.) Nach offizieller
Feststellung übersteigen die Steuereinnahmen vom 1. Juli
39 bis zum 38. Februar d. J. die Steuereinnahmen der gleichen Periode des Vorjahres um 381 Millionen.
1
Pensionsgesetzes vom 27. März 1872. —
Schweiz. Bern, 5. März. Aus den Bundesraths⸗ sitzungen vom 28. Fehruar und 4. März theilt der „Bund“ olgendes mit: Mit Note vom 17. Februar zeigt das König⸗ sich nieder ländische General⸗Konsulat in Zurich an, daß seine Regierung beschlossen habe, vom 1. Juni laufenden Jahres an für ihre Kolonien Surinam und Curaçao der internationalen Ueberein kunft vom 20. März 1883, betreffend Schutz des gewerblichen Eigenthums, bei⸗ zutreten. Der Bundes rath hat von dieser Beitrittserklärung Vermerk genommen und sie den übrigen Vertragsstgaten zur Kenntniß er cht nämlich: den Vereinigten Staaten Amerikas, Belgien, Brafi
t ien, ö Großbritannien, Guatemala, Italien, Norwegen, Portugal, Serbien, Spanien, Schweden und Tunis.
8 Sachen der Postsparkassen hat der Bundes⸗ rath beschlossen: „I) Das Finanz⸗Departement wird einge⸗ laden, dem Bundesrath Bericht und Antrag darüber zu hinter⸗ bringen, ob auf die Einrichtung einer eidgenössischen Postspar⸗ kasse eingetreten werden und bejahendenfalls, in welcher Weise diese Einrichtung getroffen werden solle. ) Dem Post⸗Depar⸗ tement wird aufgetragen, die Frage zu prüfen, ob die Post⸗ taxen im Verkehr mit den Sparkassen ermäßigt, und weiter zu untersuchen, ob noch andere Erleichterungen im Verkehr mit den Sparkassen eingeführt werden sollen.“
Gestern Nachmittag kon ferirten im Bundesrathhause die Herren Bundesräthe Deucher, Vorsteher des Justiz— Departements, und Droz, Chef des Departements des Aeußern, mit Herrn Landammann Blumer in Sachen der Berliner Arbeiterschutz⸗Kon ferenz.
Die Einnahmen der Zollverwaltung betrugen im Monat Februar 2291 853, 80 Fr. oder 4094 237465 Fr. mehr als in demselben Monat des Vorjahres. Die Einnahmen der beiden ersten Monate des laufenden Jahres beziffern sich nun auf 4280 549,91 Fr. oder 584 645 59 Fr. mehr als in dem nämlichen Zeitraum des Jahres 1889. Es ist dies, bemerkt der „Bund“, ein überraschendes Resultat, da man allgemein gegenüber den schon sehr hohen Zolleinnahmen des letzten Jahres keine weiteren Mehreinnahmen erwartete.
Afrika. Sansibar. Einer Meldung des „Reuter'schen Bureaus“ aus Sansibar vom 5. März zufolge, wird Emin Pascha noch einige Tage dort verbleiben. Er erwarte die Befehle des Khedive und werde dann auf kurze Zeit nach Bagamoyo zurückkehren. Ende dieses Monats gedenke Emin nach Europa abzusegeln. Sein Gesundheitszustand sei noch schwach. Während seines Aufenthalts in Sansibar ist Emin Gast des Sultans.
Wie englische Zeitungen dagegen aus Sansibar berichten, verlautet dort, daß Emin Pascha nicht nach Kairo gehen, sondern Major Wissmann's Expedition in das Innere begleiten werde.
Der Stationsarzt von Bagamoyo, Dr. Brehme, hat, der „Nat.3tg.“ zufolge, an einen befreundeten Arzt in der Gegend von Saarbrücken eine Postkarte, datirt Sansibar, 3. Februar, gerichtet, worin es heißt:
Ich habe ein Doppellazareth, für Europäer und für schwarze Soldaten, zu leiten und ärztlich gerade genug zu thun, besonders die letzten zwei Monate, wo Dr. Emin Pascha hier unter meiner Behandlung lag. Wir haben den kühnen Pionier der Kultur und Wissenschaft wiederhergestellt, obschon er einen schweren Schädelbruch, zwei Rippenbrüche und eine Hüft verstauchung bei seinem Falle aus dem Fenster erlitten hatte. Emin ist seit vier Tagen so weit wiederhergestellt, daß er sein eigenes Haus beziehen konnte; er bleibt noch einige Zeit hier.
Transvaal. Nach einer Meldung des „Reuter'schen Bureaus“ aus Johannesburg vom 5. März war der Präsident Krüger am Tage vorher dort eingetroffen. In einer Ansprache an die Bewohner wurde derselbe häufig von einer feindlich gesinnten Volksmenge unterbrochen. Abends fanden auf dem Marktplatz Demonstrationen gegen die Regierung statt, wobei die Transvaalflagge von dem Regie— rungsgebäude heruntergerissen und vernichtet wurde.
Parlamentarische Nachrichten.
Auf der Tagesordnung der am Freitag, den J. März 1890, Vormittags 11 Uhr, stattfindenden 22. Plenar— sitzung ides Hanses der , n. stehen folgende Gegenstände: Erste und zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend Abänderungen der gesetzlichen Bestimmungen über die Zuständigkeiten des Ministers der öffentlichen Arbeiten und des Ministers für Handel und Gewerbe. — Fortsetzung der weiten Berathung des Entwurfs des Staatshaushalts-Etats ö 189091 und zwar: a. Justizverwaltung, b. Staatsschulden⸗ verwaltung. — Zweite Berathung des Gesetzentwufs Behufs Abän⸗ derung des Gesetzes vom 6. Juni 1888, betreffend die Verbesserung der Oder und der Spree Ü. — Zweite Berathung des Gesetz⸗ entwurfs, betreffend die Abänderung des § 19 Absatz 1 des Zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Abänderung des §. II des Gesetzes über die Pensionirung der Lehrer und Lehrerinnen an den öffentlichen Volksschulen vom 6. Juli 1885. — Zweite Berathung des Entwurfs einer Haubergordnung für den Kreis Altenkirchen.
— Dem Hause der Abgeordneten ist zu der zweiten Berathung des Etats der Berg-, Hütten- und Salinenverwal— tung der nachstehende Antrag des Abg. Schultz (Lupitz) zu— gegangen:
Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen:
Die Königlige Staatsregterung aufzufordern, für die Siche⸗ rung der den ischen Kaliiagerstätten vor Wassersgefahr nöthigenfalls auf gesetzgeberischem Wege Sorge zu tragen. 4 . *
— In dem Hause der Abgeordneten ist der nach—
stehende Antrag des Abg. Rickert eingebracht worden: Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: ;
Die Königliche Staatzreglerung zu ersuchen., dem Landtage einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen der Beginn und, ?43 Ende der Schulpfkicht für den preußischen Staat gleich mäßig geregelt wird, und bei dieser Gelegenheit in Erwägung zu ziehen, ob nicht der Anfangspunkt des obligatorischen Schulunter⸗ richts hinauszuschieben sei.
Ergebnisse der Stichwahlen.
Es sind heute noch folgende Ergebnisse der Stichwahlen nach W. T. B.“ zu melden:
Reg⸗Bez. Hannover. 12. Göttingen.
Götz von Dlenhusen ¶Welfe).
Reg. Bez. Hannover. 13. zlar. ; J ; Woll er cba nen Welfe). Goslar. Freiherr von Minnigerode
Reg. Bez. Hannover. 19. Geestemünde. Gebhard (natl.). Reg. Be. Koblenz. 1. Wetzlar. Kraemer 6 .
Reg. Bez. Arnsberg. 7. ; . (Centr.) ; erg Hamm⸗Soest. von Schorlemer ⸗Alst
Württemberg. 12. Krailsheim. Georg Pflüger (Demokrat). Baden. Wahlkreis 5. Freiburg. Bei der 3 i abt
, (Centr.) mit J2 650 St. gewäblt gegen Horst (natl.)
Hessen. 6. Bensheim ⸗ Erbach. Seipio (natl.). Sachsen Meiningen. 2. Sonneberg. . ͤyfts) Anbalt. 2. Bernburg. Dechelhäuser (natl.). Schwarzburg ⸗Sondershausen. Dr. Pieschel (natl.).
Bis jetzt liegen die Ergebnisse von 145 Stichwahlen vor. In diesen sind gewählt worden 20 ,, hehe dr. partei, 26 Nationalliberale, 16 Centrum, 45 Freisinnige 15 Sozialdemokraten, 7 Volkspartei, 9 Welfen, 2 Polen. ⸗ Insgesammt liegen die Resultate von 395 Wahlen vor: In diesen sind gewählt: Iö Konservative, 21 Reichspartei, 43 Nationalliberale, 106 Centrum, 67 Freisinnige, 35 Sozialdemokraten, 9 Volkspartei, 11 Welfen, 1Däne, 16 Polen, 10 Elsässer.
Seitungõstimmen.
Das Wahlergebniß giebt dem „Chemnitzer Tage— blatt“ Veranlassung zu folgenden Betrachtungen: ö.
„Den besten Beweis für die politische Ünreife und Urtbeils losigkeit der großen Massen bildet die Thatsache der Wahlagitation. Denn wären die Wähler in ihrer überwiegenden Mehrheit zu einem reifen politischen Urtheil hindurchgedrungen und hätten die einzelnen Parteien die Ueberzeugung davon, daß dem so sei, so würden Wahl- agitationen keinen Erfolg versprechen und deshalb in einem weit geringeren Maße betrieken werden, als es gegenwärtig geschieht. Leute von gereistem politischen Urtheil werden sich durch Wahlreden, Flugblätter und Zeitungsartikel von ihrer einmal gewonnenen paliti⸗ schen Ueberzeugung nicht abbringen lassen, wohl aber wird man durch diese Mittel auf solche bestimmend einwirken, deren politisches Verständniß ein mehr oder weniger geringes ist. Die Thatsache der Wablagitation stellt sich demnach als ein Armuthszeugniß für die großen Massen der Wähler heraus; und je heftiger eine Partei diese Agitation betreibt, desto mehr bekundet sie dadurch, daß sie wenig Vertrauen zu der Urtheilsfähigkeit der Wähler hat. Und deshalb bat der Verfasser einer Berliner Zuschrift des „Pester Lloyd“ nicht Unrecht., wenn er behauptet, daß politische Ideale, bestimmte Ansprüche an die Gesetzgebung, bewußtes Wollen unter dem freiesten, aber noch jungen Wahlrecht in vielen Wählerkreisen des Deutschen Reichs weit weniger wirksam sind, als die mechanische Güte des Wahlapparatzs.
Die sozialistische Arbeiterpartei“, heißt es in jener Zuschrift, hat, mit reichen Geldmitteln ausgestattet, diesmal vielleicht mehr Agita⸗ toren, welche die höchst wirtsame Beeinflussung von Mund ju Mund betreiben, in Sold gehabt, als alle anderen Parteien zusammengenommen. Hiermit wurde Alles überreichlich ausgeglichen, was andere Parteien etwa an Ueberzahl von Berufsparlamentariern, an Einfluß in der Presse u. . w., zumal bei den sozialdemokratischen Werbern meistens Geschäst und starke innere Begeisterung für die Sache eng verburden sind. Mir ist die Bauernschast manchen Dorfes hier in der Mark ziemlich genau bekannt, das jetzt 509, 100 sozial⸗ demofratische Stimmzettel zur höchlichen Ueberraschung des Amts- vorstehers geliefert hat. Würde man die Leute katechisiren, in welchem Sinne sie eigentlich gewählt haben, man müßte erstaunen über die gänzliche Unbekanntschaft mit den sozialdemokratischen Zielen. Die Wahlarbeit der Sozialdemokraten ist noch niemals so extensip und intensio zu gleicher Zeit gewesen, als gegenwärtig, und die Kandidaten von Parteien, welche viel auf äußeren Anstand und Vornebhmheit geben, werden sich künftig zu direkterer Berührung mit den unteren Hunderttausend bequemen müssen.“
Die Mahnung, welche in dem letzten Satze ausgesprochen ist, verdient sicherlich beherzigt zu werden Wir erfreuen uns im Deutschen Reich des fresesten Wahlrechts, das es giebt. und wir wollen durchaus nicht, daß dasselbe irgendwie eingeschränkt werde, so oft auch der Wunsch, daß dies gescheben möge, recht nahe herantritt. Wir wünschen aber, daß die Erkenntniß von den mit diesem freiesten Wahlrecht verbundenen großen Gefahren immer weitere Kreise erfasse und sie zu der Einsicht bringe, daß diese Gefahren nur beseitigt werden können, wenn die Edelsten und Besten belehrend und bildend auf ihre Mitbürger einzuwirken suchen dadurch, daß sie sich in leben digen Verkehr auch mit dem schlichtesten Manne setzen.“
Das Wahlresultat wird von der „Kölnischen Zei— tung“, wie Fölgt charakterisirt:
Als ein Reichstag ohne Mehrheit kann der neugenählte wohl bezeichnet werden. Er wird nach den noch nicht ganz vollständig vorliegenden Nachrichten bestehen ungefähr aus 68 Konservativen, 24 Treikonservativen, 40 Nationalliberalen, 70 Deutschfreisinnigen, 10 Demokraten, 36 Sozialdemokraten, 166 Ultramontanen, 10 Wel⸗ fen, 16 Polen und etlichen Elsässern, Antisemiten. Dänen, Wilden. Daraus ergiebt sich, daß zwar die bisherige Kartellmehrheit zerstört ist, daß aber auch eine konservativ ultramontane Mehrheit ebensowenig vorhanden ist wie eine freisinnig ultramontane. Um die erstere herzustellen, müßten schon die Freikonservativen und die polnisch⸗welfisch⸗elsässischen An⸗ bängsel des Centrums hinzugenommen werden, die letztere kann nur zu Stande kommen durch Zuzug der Demokraten, Welfen, Polen oder der Sozialdemokraten, Hr. Windthorst hat sich durch Beseitigu der konservatip⸗klerikalen Mebiheit offenbar selbst sebr ck mh ins Fleisch geschnitten; seine Anhänger sind gar zu eifrig für Deutschfreisinnig g und Sozialdemokraten ins Zeug ge⸗ gangen. Nicht nur das Anwachsen der Sozialdemokraten, die schließlich gegen 1884 nur ein Dutzend Mandate mehr besitzen, unterscheidet sonach den neuen Reichstag von allen früheren, sondern das Fehlen jeder Mehrheit, mit der irgend etwas zu erreichen ist. Im Reichstage von 1881 war doch wenigstens eine ultramontan frei ⸗ sinnige Mehrheit vorhanden, in dem von 1884. mit welchem der gegenwärtige Reichstaz noch die meiste Aehnlichkeit hat, war die konservativ / ultram ontane Mehrheit jedenfalls fester. Der Reichstag ist damit von vornherein jedes positiven Schaffens unfähig. es sei denn in Fragen, wo, wie z. B. bei dem Arbeiterschutz, das ganze Haus einig ist, oder, wie auch bisher schon in manchen wichtigen Fragen, das Centrum ganz oder theilweise mit den Kartellparteien zusammengeht.“
Die „Wiesbadener Presse“ beschäftigt sich gleichfalls mit dem Ausfall der Wahlen, indem sie schreibt: 6
Die Sitichwahlen sind in derselben Richtung ausgefallen, wie die Hauptwahlen. Auf der ganzen Linie sind die Sozialdemokraten, Volkspartei und Deutschfreisinnigen weiter vorgerückt; auch das Cen trum hat namentlich in Baden noch Fortschritte gemacht. Wenn der Sozialdemokratie bei den Stichwahlen manche von ihr erwartete Erfolge nicht zu Theil geworden sind, so ist das dem energischen Eintreten der Kartellparteien für die deutschfrei-⸗
sinnigen Mitbewerber zuzuschreiben. Berlin 2 und 3, Breslau,