es sich lediglich um solche Stellen handelt, für wel i Leistungen des Staats auf rechtlicher e ich fern .
Der Titel wird bewilligt und der Antrag von Strombeck mit den Abänderungsvorschlägen des Grafen zu Limburg⸗
Stirum angenommen. Ueber die Forderung „Für einen alte he i cem Bischof g. Mosler getrennt
48 0900 M6 wird auf Antrag des A abgestinmt. Das Kapitel wird gegen die Stimmen des Centrums und der Polen angenommen.
Bei dem Kapitel „Provinzial⸗Schulkollegien“ bittet der Abg. S ichmelzer in Erwägung zu ziehen, ob nicht dem Pro⸗ vinzial-Schulrath die Stellung eines Ober⸗Regierungs⸗-Raths egeben werden könne. Das Amt sei verantwortlich und an— trengend. Beim Eintritt in das Kollegium werde der Pro— vinzial-Schulrath jüngster Rath und stehe weit hinter dem Justitiar zurück, der vielleicht bei ihm, als er noch Gymnasiai— Direktor war, das Abiturientenexamen gemacht habe.
Abg. Halberstadt bringt ein Reskript des Provinzial— Schulkollegiums in Breslau zur Sprache, 3 ö. 3 nasial⸗ und Ober⸗Realschullehrern das Petitioniren unter agt worden ist. Neulich sei darüber im Hause geklagt worden daß die Beamten sich mit ihren Wünschen an einzeine Ab' geordnete wendeten. Was bleibt aber übrig, wenn ihnen die
nm. den offiziellen Weg zu beschreiten, verkümmert wird?
Der Regierungs-Kommissar Geheime O ber⸗Regierungs⸗ Rath Stauder erklärt, daß ihm von einem solchen Restript nichts bekannt sei.
Abg. Fuchs beklagt sich, daß in Euskirchen ein zum Mitgliede des Kuratoriums des dortigen Progymnasiums . . Kaufmann wegen seiner centrumfreundlichen Ge— innung die Bestätigung des Provinzial⸗-Schulkollegiums nicht erhalten habe. Die Beschwerde liege seit drei Monaten bei dem Minister, ohne daß eine Entscheidung ergangen sei.
Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. von Goßler:
Damit nicht aus meinem Schweigen falsche Schlüsse ge— zogen werden, will ich nur erklären, daß ich nicht weiß, daß diese Angelegenheit schon 3 Monate schwebt; ich habe sie erst vor einigen Wochen vorgelegt erhalten. Ich habe dieser Frage wegen, die eine allgemeine Bedeutung hat, mit dem Herrn Minister des Innern mich in Verbindung gesetzt und ihm bestimmte Fragen vorgelegt, weil ich nach dem mir zugegangenen Provinzialbericht über gewssse Punkte keine ausreichende Information erhalten habe. — So liegt die Sache.
Das Kapitel wird bewilligt.
Beim Kapitel „Prüfungskommissionen“ erklärt auf eine Anfrage des Abg. Mosler der Regierungs-Kommissar Ge— ö. Ober⸗-Regierungs-Rath Stauder, daß schon dafür ge⸗ orgt sei, daß die Lehrer auch einer allgemeinen Prüfung in der Religion unterzogen würden. Aber es beständen noch nicht auf allen Universitäten Einrichtungen zur Prüfung in der katholischen Religion; deßhalb habe der Minister nunmehr auf Antrag der Universitätsbehörden angeordnet, daß in Greifswald, Halle und Göttingen Prüfungskommissare für die katholische Religion bestellt werden.
Das Kapitel wird bewilligt. Es folgt das Kapitel Universitäten.
Bei dem ersten Titel „Zuschuß für die Universität Königsberg“ bemerkt der Abg. Schmelzer: Die Studirenden verlieren durch ihr Militärdienstjahr zwei Semester, die ihnen allerdings auf ihre Studien angerechnet werden. Wäre es nicht möglich, ihnen während dieser beiden Semester Nach⸗ mittags von 4 Uhr ab freie Zeit zu gönnen, damit sie wenigstens einige Kollegien hören könnten? Sollte das nicht möglich sein, so sollten wenigstens zu den nachfolgenden acht— wöchentlichen Urungen die jungen Leute nur in den Ferien eingezogen werden. Geschieht dies im Mai oder Juni, so geht ihnen wiederum ein Semester verloren.
Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. von Goßler:
Meine Herren! Die Frage, die der Herr Vorredner angeregt hat, ist bereits Gegenstand von Erwägungen in meinem Ministerium ge⸗ wesen. Ich kann zunächst zu meiner Befriedigung konstatiren, daß auf Anregung einzelner Kurateren, namentlich von Ober-Präsidenten, die kommandirenden Generale sich gern haben bereit finden lassen, die Zeiten der Einziehung so zu rerlegen, daß die jungen Leute keinen Nachtbeil in Beziehung auf ihre Semester haben. ch babe die Frage einer allgemeinen Erörterung unterzegen und bin ugenblicklich dabei, zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Bei der Art und Weise, wie die Militärverwaltung den allgemeinen Inter⸗ ssen der Civilverwaltung entgegenkommt, hoffe ich, daß, wenn in ein— elnen Provinzen diese Regelung sich als ausführbar erwiesen hat, ie Angelegenheit sich auch generell ordnen läßt.
Abg. Dr. Kropatschek: Zur praktischen Ausbildung unserer Lehrer der höheren Schulen ist auch ein theoretischer pädagogischer Unterricht auf der Universität nöthig. Es müssen deshalb wirkliche Professuren der Pädagogik eingerichtet
*
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werden. Die Professoren der Theologie oder Philosophie 1 . . J . n,, preußische Sternwarte in dieser Beziehung nicht aufnehmen.
welche zwar schon jetzt nebenbei über Pädagogik lesen, können die Bedürfnisse des zukünftigen Lehrers nicht genügend berück— sichtigen, das können vielmehr nur Dozenten, welche selbst einmal eine Praxis im Schulunmierricht durchgemacht haben. Die jetzige Lehrmethode in der philosophischen Fakultät faßt mehr den zukünftigen Gelehrten als den zukünftigen Beamten des Staats ins Auge. Auch das Spezialistenthum in der philosophischen Fakultät, besonders in der Geschichte, muß beseitigt werden.
Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. von
Herren! Mit dem Gedanken, daß die Unterrichts
waltung die Aufgabe hat, für theoretische Vorlesungen über
sorgen, bin ich vollkommen
tanden; ich bin es aber nicht seit heute, sondern seit einer Reihe
Jäbren, seit ich an der Hand von Wahrnehmungen in der
praktischen Schulverwaltung bemüht gewesen bin, an allen
Universitãten möglichst mehrfach befetzte Vorlesungen über Päda⸗ gogik halten zu lassen.
Wenn der Verr Vorredner sich darüber näher informiren will, so empfehle ich ihm das Blatt „ Pägagogische Studien. Ieue Folge, Jahrgang 1889, viertes Heft“; dort find historisch die Naßrahmen dargestellt, welche die preußische Unter⸗ richts der walt ng ergriffen bat, um den Gedanken des Herrn Vorred ners durchzuführen. Es giebt, abgesehen von der Univer⸗ ier esherg zwo ich erst cine Kraft hierfür gewannen babe, keine
ibersität in Preußen, welche nicht in jedem Semester in aus— reichender Weise von Philosophen und zum Theil auch von Theo⸗ . 'ne gute sustematische und methodische Vorlesung über Paͤda—⸗ 6 i. Die Nacweifurg, welche ich soeben empfahl, ist in neuester . ö h erganzt, Ich weise für Halle auf die erfolgte Versetzung 3 e annten Profe ssore Erdmann von Breslau nach Halle, und für Mar⸗ urg auf Professor Natorp und neben ihm auf Professor Achelis hin. Ich erwähne dies, weil ich glaube, daß der Her Vorredner sich das don mir angedeutete Material ansehen wird; ich würde ihm dankbar sein,
wenn er für die Verbreitung der Kenntnisse dieses Materials auch anderweit Sorge tragen möchte.
Ebenso bin ich mit ibm vollkommen einverstanden, daß in dem Spezialisiren in unseren historischen Wissenschaften eine Gefahr liegt. Auch diese Gefahr ist mir seit Jahren sehr wohl zum Bewußtsein gekommen, ich habe dagegen gewirkt, zunächst im persönlichen Umgang, — denn die Fragen sind diffleil — sodann auch in Schreiben an die 6 und in anderer Weise, namentlich in Ertheilung von
ehraufträgen. Der geehrte Herr Vorredner wird wissen, daß in neuerer Zeit gerade die Historiker sehr in Bewegung gewesen sind auf unseren preußischen Universitäten. Es ist mir gelungen, die allge⸗ meinen systematischen Vorlesungen, auf welche ich hohen Werth lege, nunmehr zu regeln. Gerade fuͤr die Vorbildung der Kandidaten des höheren Schulamts, auf die ich auch der Masse nach am meisten zu rücksichtigen babe, — die Spezialisten, die später Dozenten von Fach werden wollen, kommen naturgemäß erst in zweiter Reibe —, gerade für die große Reihe der künftigen Lehrer muß dafür gesorgt werden, auf dem Gebiete der H storie sowohl, als auf dem Gebiete der Naturwissenschaft und den anverwandten Wissenschaften, daß sie Gesammtvorlesungen erhalten, sei es im Rahmen der gesammten Weltgeschichte, sei es im Rahmen der Geschichte eines einzelnen Volks.
Wenn Sie sich einmal der dankenswerthen Mühe unterziehen wollen, die Lektionskataloge daraufhin anzusehen, so werden Sie die Mühewaltungen, die von den Professoren in dieser Be⸗ ziehung geleistet werden, anerkennen. Ich halte eben dafür, daß nichts schwerer ist, als wie allgemein zusammenfassende Vorlesungen zu geben. Ich halte es für schwerer, eine Weltgeschichte zu schreiben, als die Spezialgeschichte über ein abgegrenztes Gebiet. Jeder große Mann steht immer vor der sehr ängstlichen Gefahr, eine Phrase zu machen, wo er einem allgemeinen Gedanken Ausdruck geben soll, der auf Grund einer Fülle von Spezialstudien in ihm erwachsen ist. Ich darf an den Altmeister Ranke erinnern. Wiebiel Menschen kann es geben, die eine Weltgeschichte schreiben, wie Ranke sie geschrieben hat? Die seinige ist aus der Fülle von Einzelkenntnissen und Einzelarbeiten hervorgegangen und nicht etwa aus einer flüchtigen Berührung mit einer Fülle von Handbüchern über Universalgeschichte, woraus er eine neue zusammengeschweißt hätte.
Ganz dasselbe gilt auf dem Gebiete der Naturwissenschaften. Hier ist es mir zu meiner großen Freude gelungen, die hervorragend sten Zoologen zu gewinnen, gerade für unsere angehenden Lehrer zusammen⸗ bängende Vorlefungen zu halten. Erst dann, wenn die jungen Leute sich auch mit Historie, mit Naturwissenschaften im Allgemeinen be= schäftigt haben, wird naturgemäß nach der Neigung und nach der Fähigkeit auch der Wunsch erwachen, auf einem gewissen Gebiet ein gehender zu arbeiten.
Ganz dasselbe ist auf dem Gebiet der altklassischen Philologie und der neueren der Fall. Ich habe den dringenden Wunsch, daß jeder angehende Lhrer auf den Universitäten das gehört hat, was er später zu dozen verpflichtet ist. So dringe ich auch darauf, daß der junge altklassische Philologe auf der Universität auch Schulschriftsteller list; denn es ist sehr viel schwerer, jungen Leuten, Studirenden, einen Schulschriftsteler gut und tüchtig vorzutragen, als einen neben der großen Heerstraße wandelnden Schriftsteller vor⸗ zunehmen. Ich will mal Tererz nennen. Ich bin immer den großen
hilologen dankbar, wenn sie sich einmal rubig binsetzen und einmal
aesar „de bello Gallico“ lesen, oder einfach Tacitus' „Annalen“ oder so etwas. Da zeigt sich der große Mann, indem er aus der Fülle des Stoffs das Richtige auswählt; denn er muß eben dem angehenden Lehrer zeigen, daß aus der Fülle des Steffs dasjenige geleistet werden kann, was nachher in abgeminderter Form und Quantität dem Schüler zugeführt wird.
Ich will das Thema, meine Herren, nicht verlängern, aber ich möchte gerne die Ueberzeugung hervorbringen, daß das, was der Herr Vorredner aus seiner eigenen Erfahrung richtig erkannt hat, mir nicht verborgen geblieben ist, sondern daß ich in einer zielbewußten, der Oeffentlichkeit naturgemäß sich entziebenden Weise tbätig gewesen bin, 3 diese Uebel namentlich im Interesse der angehenden Lehrer abzu—
ellen. Abg. Olzem wünscht größere Berückfichtigung der gericht— lichen Medizin auf der Univerfität. Die Kenntniß derselben würde den Richtern namentlich bei den Voruntersuchungen die Arbeit wesentlich erleichtern. Im Auslande, in Frankreich, Italien, der Schweiz, Oesterreich⸗Ungarn, gebe es sogar ordentliche Professuren für gerichtliche Medizin.
Der Regierungskommissar Geheime Qber⸗-Regierungs-Rath Althoff: Dieser Wunsch findet bei der Unterrichts verwaltung Anklang, es wird auch schon über gerichtliche Medizin gelesen, wenn auch nicht von Ordinarien, sondern von Extraordinarien. Eine eigentliche Lücke besteht darin also nicht. Die Ordi— nariate zu vermehren, ist bedenklich, denn die Ordinarien bilden die Prüfsungskommissionen, und wenn ein Ordinarius eines solchen Nebenfaches der Prüfungskommission angehört, könnten die Studirenden leicht auf das Nebenfach zu Ungunsten der Hauptfächer zu großen Werth legen. Bꝛzüglich einer besseren Ausgestaltung der Vorlesungen in der gerichtlichen ö. wird die Unterrichtsverwaltung der Anregung gern olgen.
Abg. Graf von Kanitz: Mein im vorigen Jahre ge— äußerter Wunsch auf andere Verwendung der Mittel für die Sternwarte ist dahin mißdeutet worden, als ob ich die Mittel für die astronomischen Studien vermindern wollte. Ich habe wohl eine Verminderung der Sternwarten gewünscht, dafür aber eine bessere Ausstattung der übrigbleibenden. Die Stern— warte der hiesigen „Urania“ hat einen 12 zölligen Refraktor. Auch mit den übrigen deutschen Sternwarten kann es die
Die Sternwarte in Straßburg besitzt einen 138 zölligen Re— fraktor. Von den überseeischen Sternwarten hat die in Washington einen Refraktor mit einem 26 zölligen Objektiv, der Lickrefraktor in San Francisco eins von 36 Zoll. Ich wünsche, daß unsere deutschen Astronomen ähnlich vorzügliche Instrumente in die Hand bekommen möchten. Am besten wäre es, wenn man einige von den vielen preußischen Stern— warten eingehen ließe. Wir haben allein an den Universitäten 10 Sternwarten, an denen überall hervorragende Astronomen thätig sind. Man sollte die vorzüglichsten astronomischen Lehr— und Arbeitskräfte auf wenige Punkte concentriren. In Preußen sollte man zwei große Beobachtungsstationen bei den Sternwarten ersten Ranges einrichten, die in Göttingen, dessen Sternwarte unter Klinkerfues einen sehr großen Ruf erworben hat, und eine andere
in Straßburg, vielleicht eine dritte noch in Königsberg. Dann
würden wir in Dorpat, Königsberg, Göttingen nnd Straß— burg eine Kette vorzüglicher Sternwarten haben. Mit dem Refraktor in Washington ist es gelungen, Sterne zu entdecken und zu beobachten, welche bisher allen europäischen Fern— röhren unnahbar waren. Man hat nicht bloß entlegene Fix— sterne, sondern auch z. B. die Marsmonde entdeckt. Ich wäre dem Minister sehr dankbar, wenn er uns im nächsten Jahre eine entsprechende Vorlage machen wollte. Er würde sich da— mit . erhebliches Verdienst um die Pflege der Wissenschaft erwerben. ö der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr., von Goßler:
Ihren, Herren! Die Anregungen, welche der Herr Vorredner gegeben hat, kommen meinem aufrichtigen Herzenswunsch in vollem
Maße entgegen. Wie ich zu den Fragen stehe, welche der Herr Vor= redner vor Ihnen hier in so beredter Weise entwickelt hat, ist Ihnen
ja bekannt. Ich kann auch Alles unterschreiben., was er in Bezug auf die ziffermäßige Begründung und die Bedeutung auch der praktischen Seite der Astronomie Ihnen gegenüber entwickelt hat.
Wenn ich im gegenwärtigen Augenblick eine kleine Einschränkung mache in Bezug auf die Vorschläge, wie nach seiner Meinung der astronomische Unterricht gelehrt werken muß, so will ich diese Differenz, die ja nicht praktischer Natur jetzt ist, nicht weiter drücken; ich möchte nur anführen, daß das Unterrichtsbedürfniß die Erhaltung einer größeren Zahl von Sternwarten bedingt und daß zu scheiden ist zwischen dem Unterrichts bedürfniß, welches an verhältnißmäßig kleinen Instrumenten befriedigt werden kann, und der großen wissenschaftlichen Forschung, zu deren Förderung es, wie Hr. Graf Kanitz ganz richtig anführte, im übrigen sich empfiehlt, die gewaltigen Werkzeuge der Neuzeit auf einzelne Punkte zu kon⸗ zentriren. Ich will dies hier nur streifen, um nicht in der Außenwelt mißverstanden zu werden. Aber richtig ist, daß die Leistungen der preußischen Astronomen im umgekehrten Ver⸗ bältniß zu den geringen Mitteln stehen, die sie zur Verfügung haben, d. h. daß die preußischen Astronomen im Laufe des letzten Jahres in hervorragender Weise an dem gewaltigen Aufschwung betheiligt sind, der im Jahre 1889 auf dem Gebiet der Astronomie eingetreten ist. Es sind der großartigsten Arbeiten zum Abschluß gebracht, bezw. im Abschluß begriffen. Das ist zunächst die Ausmessung unseres ganzen Sonnensystemi mit neuen Methoden und neuen Beobachtungen, und wir haben uns nicht beschränkt, in Preußen allein die nöthigen Beobachtungen anzustellen, sondern einer unserer hervorragendften Astronomen hat im vorigen Jahre längere Zeit in der Kapstadt zugebracht, um dort unter dem dankenswerthen Entgegen kommen der englischen Sternwarte die grundlegenden Arbeiten über die Gestaltung unseres Seonnensystems auszuführen.
Ferner ist abgescklossen im vorigen Jahre die berühmte von Argelander ausgeführte, den Herren unter diesem Namen voraussichtlich bekannte topographische Aufnahme des Sternensystems bis zu den Sternen — ich glaube nicht zu irren — 9. Ordnung. Bei dieser großartigen Arbeit, welche ja zonenmäßig über die Haupt Sternwarten der Welt vertheilt war, hat Bonn den hervorragendsten Antheil. Dem Ruhmeskranze der Bonner Universität ist der Name des Mannes für alle Zeiten eingefügt, welcher in dem Argelander⸗ schen Stile, die Aufgabe erheblich erweiternd, diese großartige Arbeit zu Ende geführt hat. ö ; ö
An diese Arbeiten schließt sich nun eine, auch von preußischen Astronomen wesentlich geförderte Arbeit, die erst begonnen werden soll, von den Franzosen im Wesentlichen angeregt: die photographische Aufnahme des Fixsternhimmels. Man wird dort gehen bis zu den Sternen ungefähr 16. Größe und man wird gerade diejenigen Mittel und Methoden benutzen, die wir in Preußen ausgebildet haben, beispielsweise, wenn ich von Mitteln spreche, dasjenige Glas, welches, wenn ich nicht irre, in Jena vor einer Reihe von Jahren von Prof. Dr. Abbé erfun den worden ist. Ich brauche dies nur anzudeuten, um Ihnen klar zu machen, daß, wenn man einheitliche Erfolge auf diesem wissenschaft⸗ lichen Gebiet erreichen will, es absolut nothwendig ist, mit genau denselben Mitteln zu arbeiten und dieselbe Art von Instrumenten, dieselbe Art von Papier, von chemischen Oelen u dergl. mehr zu verwenden.
Die dritte große Arbeit, welche in Potsdam zu einem, ich will nicht sagen Abschluß, wir sind mitten in der Arbeit —, aber zu einem solchen Abschnitt gefördert ist, daß die Welt eine neue An⸗— schauung gewinnt, das ist die Ausmessung der Bewegung der Fix⸗ sterne in der vertikalen oder relativ vertikalen Richtung zu der Erd⸗ bewegung mit Hülfe der Spektralanalyse, welche in außerordentlich großartiger Weise in Potsdam ausgebildet worden ist. Es sind gerade die Arbeiten, die in Potsram gemackt worden sind, für mich der Ausgangspunkt gewesen, um mir die Frage vorzulegen, weshalb wir eigentlich dazu verurtbeilt sein sollen, hinter den anderen Nationen herzuhinken. Denn die Anstrengungen, welche die anderen Völker ge—⸗ macht haben, sind enorme. Es ist ja dankenswerth, daß wir auf der biesigen Prirat⸗ Sternwarte der ‚Urania“ jetzt ein Instrument haben, welches ein um einen Zoll größeres Objektiv hat, als das in Potsdam und ein um drei Zoll größeres Objektiv, als das auf der Berliner Sternwarte. Es genügt dies aber nicht, da man ja den wissenschaftlichen Dienst einer fortlaufenden Beobachtung nicht auf die Privat-Sternwart- Urania, welche ganz andere Aufgaben zu lösen hat, gründen kann. Die Universität Straßburg hat ein Objektiv von 18 Zoll, wie der Herr Vorredner ganz richtig angeführt hat. Wien ist uns weit voraus; ebenso die Sternwarte in Washington, und nament⸗ lich die Sternwarte in Pulkowa ist der unstigen unendlich überlegen. Wer die wunderbaren Erfolge der erst kurzen Beobachtungen, die auf der Lick⸗Sternwarte stattgefunden haben, einigermaßen kennt, wird sagen, man empfindet es als eine Ehrenpflicht der an der Kultur mit arbeitenden Nationen, sich in den Besitz ähnlicher Hülfs—
mittel zu setzen. So weit wie die Lick Sternwarte,
welche einer privaten Freigebigkeit ihre Entstehung verdankt,
werden wir ja nicht kommen, aber wir werden doch in aller Bescheiden⸗ heit jo weit kommen können, als z. B. die Wiener erreicht haben Also ich kann nur sagen, ich bin sehr dankbar, daß der Hr. Graf Kanitz hier diese meines Erachtens sehr wich⸗ tige Fraze angeregt hat; und ich bin überzeugt, daß, wenn es mir gelingt, eine Anmeldung, die ja eine erhebliche Summe ausmacht, hier anzubringen, sie auch Beifall vor dem Haufe finden wird und daß die Wissenschaft dem preußischen Abgeordneten hause dankbar sein wird, wenn es eine solche Forderung bewilligt.
Abg. Schmelzer bittet den Minister, seinen Einfluß auf die Professoren der Philologie dahin geltend zu machen, daß sie die jungen Teute mehr in Hinsicht auf deren späteren praktischen Unterrichtsberuf ausbilden möchten.
Abg. Dr. Kropatscheck wünscht, daß die Professoren der Pädagogik möglichst einen praktischen Turnus als Lehrer an den höheren Schulen durchgemacht haben sollen.
Bei Titel ? „Zuschuß für die Universität Berlin“ lenkt der Abg. Graf zu Limburg-Stirum die Aufmerksamkeit des Hauses auf den Zustand des Berliner Botanischen Gartens. Von den 97 500 60 entfallen nur 18 000 6 auf feste Gehälter, alles Uebrige auf das Institut selbst. Der Botanische Garten ist halb ein gelehrtes Institut, halb ein Garten. Die Haupt⸗ sache ist aber doch die Gärtnerei im Kleinen, und dafür ist nach meiner Erfahrung nicht ein Gelehrter, sondern ein Gärtner mit guter Volksschulbildung, Liebe zur Sache und Praxis am besten geeignet. Bei einem Besuch des Botanischen Gartens bin ich im höchsten Grade über den Zustand desselben enttäuscht worden. Die Treibhäuser, insbesondere das Orchideenhaus, machen einen sehr wenig erfreulichen Eindruck. Die Pflanzen sehen ver— kümmert aus. Es nimmt sich jedenfalls nicht gut aus, wenn Fremde unseren Botanischen Garten in diesem schlechten Zu⸗ stande sehen. Die Pflanzen sehen weniger gut aus wie in jeder beliebigen Handelsgärtnerei. Ich habe dies öffentlich hier gesagt, damit man den Herren aufs Dach steigt.
Der Titel wird bewilligt. .
Bei Titel 3 „Zuschuß für die Universität Greifswald“ bittet der Abg. Br. Kropatscheck, der Minister möge im nächsten Jahre das Extraordinariat für Gesgraphie an der Greifswalder Universität in ein Ordinariat umwandeln.
Der Titel wird bewilligt.
Bei dem Titel „Univerität Halle“ weist der Abg. Zelle darauf hin, daß das Haus im vorigen Jahre abgelehnt habe, dem Kurator von Halle eine besondere Wohnungsentschädigung zu gewähren; trotzdem soll der Kurator eine Dienstwohnun ene, indem aus Stiftungsfonds ein Haus angekau ein soll.
egierungs⸗Kommissar Geheimer Regierungs⸗Rath Nau⸗ mann: Aus dem Klosterberge'schen Stiftungsfonds ist ein Haus
als Kapitalsanlage erworben worden. Was aus dem Hause wird, weiß ich nicht. 85 vermuthe aber, daß so verfahren werden wird, daß das Haus dazu Stellung nehmen kann, wenn dem Kurator in diesem Hause eine Dienstwohnung überwiesen werden sollte. .
Abg. Dr. Sattler; In welcher Weise sollte das Haus damit befc h werden, da es sich um die Verwaltung von Stiftungen sonst nicht zu kümmern hat?
Regierungs⸗Kommissar Geheimer Regierungs-Rath Nau⸗ mann: Wenn dem Kurator eine Dienstwohnung überwiesen wird, fällt der , , weg, und auf diese Weise erhält das Haus davon Kenntniß.
Bei der Universität Göttingen bittet der Abg. Dr. Mit- hoff, um die Erhöhung des Fonds für die Bibliothek in Göttingen, der niedriger sei als auf anderen Universitälen.
Bei den Ausgaben für das Lyceum Hosianum in Brauns berg regt der Abg. Imwalle eine bessere Besoldung der Dozenten dieses Gymnasiums an.
109 000 4 sind ausgeworfen für Studirende deutscher Herkunft zum Zweck späterer Verwendung in ehemals polni⸗ schen Landestheilen. Dabei ist eine Bemerkung gemacht, daß dem Fonds zuwachsen die Beträge, welche von den Stipen⸗ diaten wegen Nichterfüllung der reversmäßigen Verpflichtung wieder eingezogen werden. .
Abg. von Czarlinski fragt, welchen Wortlaut dieser Revers habe. . .
Ministerial⸗Direktor Kügler: Der Studienfonds ist durch den Nachtrags⸗Etat von 1887 gegründet worden, und in der Begründung sind die Verwendungsgrundsätze aus⸗ gesprochen. Danach wird von den Stipendiaten beansprucht, daß fie nach Vollendung ihrer Studien mindestens fünf Jahre in den betreffenden Landestheilen Stellung nehmen.
Der Titel wird gegen die Stimmen des Centrums und
der Polen bewilligt. (Schluß gegen 4 Uhr.)
— Bei Beginn der gestrigen Berathung des Etats des Ministerium der geistlichen ze. Angelegenheiten beklagte der Abg. Brüel, daß durch die Zusammenlegung kleinerer, selbständiger Pfarrgemeinden in der Provinz Hannover zu
rößeren Bezirken die Gemeinden vielfach zu ihrem Nachtheile ihrer Selbständigkeit beraubt worden seien.
Hierauf erwiderte der Minister der geistlichen 2c. Ange— legenheiten Dr. von Goßler:
Meine Herren! Mit den Ausführungen des Heren Vorredners bin ich in den wesentlichsten Punkten einverstanden. Die Frage nach einer Vereinigung zweier Parochien zu einer einbeitlichen steht seit Jahrzebnten in verschiedenen Landesthbeilen der preußischen Monarchie auf der Tagesordnung. Meine Herren, die Gründe, weshalb diese Vereinigung angestrebt ist, können selbstverständlich nicht auf fingn ziellem fiekalischen Gebiet liegen. Ich glaube, selbst unter den Be⸗ theiligten müßte eine solche Ansicht gesichert sein. Die Gesichts⸗ punkte weisen wesentlich auf eine kräftigere Ausgestaltung des kirchlichen Lebens und des Pfarramts. Das sind Gründe. über die wir hier nicht weiter uns zu unterhalten brauchen, da die auf rein kirchlichem Gebiet liegen. Ich habe, angeregt durch die Eindrücke, die ich theils selbst gewonnen hatte, theils durch die Wünsche der Kirchenbehörden, diese Frage auch weiter geführt, und das Resultat der Verhandlungen mit den bethei⸗ ligten Gemeinden ist, daß die beiden Gemeinden — es handelt sich überhaupt nur um 2einjelne Lokalgemeinden — einig sind, daß das Pfarramt zusammengezogen werden soll, aber immer unter der Vor⸗ aussetzung, daß das Pfarramt in der betreffenden Gemeinde selbst seinen Sitz hat. Also das ist ein allgemeiner Grundsatz, den Alle anerkennen, aber wenn es sich im einzelnen Falle um die Durchfüh⸗ rung handelt, macht der Lokalpatriotismus Schwierigkeiten. .
Nun erkenne ich durchaus mit dem Herrn Vorredner an, daß bei den eigenartigen Verhältnissen unserer evangelischen Kirche, namentlich in seiner Heimathsprovinz, es nicht richtig wäre, auf diesem zarten Gebiete irgend einen Zwang eintreten zu lassen, sondern ich habe in einer Reibe von Fällen immer so entschieden und werde in anderen Fällen ebenso entscheiden, daß ein Zwang, eine Vergewalti⸗ gung gegen die betreffende Gemeinde in keiner Weise eintritt. Der Gewinn, der sich vielleicht in Zukunft entwickeln könnte, wird meines Erachtens federleicht aufgewogen durch die Nachtheile, die sich gegen⸗ wärtig einfinden.
Ich hoffe, daß die Beruhigung, welche der Herr Vorredner ge— wünscht hat, aus meinen Worten hervorgeht.
Dem Abg. Krebs entgegnete der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. von Goßler:
Meine Herren! Ich erkenne ja gern an, daß sowohl die Domherren, als die Beamten der bischöflichen Verwaltung, soweit mir ihre Ber⸗ hältnisse bekannt sind, in ihren Bezügen minder günstig gestellt sind. Daß eine Veränderung durch Etatseinstellung nicht hat eintreten können, hängt mit der sehr schwierigen Frage der Geschlossenheit der Dotation der katholischen Kirche zusammen. Bei dieser Gelegenheit die prinzipielle Seite der Sache zu erörtern, ist wobl kaum angezeigt. Ich bin auf diese Frage nicht vorbereitet, kann sie auch allein nicht entscheiden, denn sie ist eine allgemein politische; ich kann aber nur sagen, daß, wenn in katholischen Fonds sich am Schluß des Jahres Ueberschüsse finden, ich
ern bereit bin, insofern die Herren Bischöse es bei mir beantragen, ür ihre Beamten gewisse Summen zu bewilligen.
Die angeregten Fragen lassen sich vielleicht bei der Berathung des Gesetzentwurfs über den Sperrfonds erörtern, wenigstens würde sich da, glaube ich, ohne Zwang Gelegenheit finden, dort auf die Materie einzugehen. Ich kann also nur sagen, es stehen im Augen⸗ blick erhebliche staatsrechtliche Bedenken entgegen, den einzelnen Beamten der bischöflichen Verwaltung im Wege des Etats Zuwen— dungen zu machen. Es bleibt deshalb nichts übrig, als Mittel, die wir zur Verfügung haben, zu diesem Zwecke zu verwenden, wenn die Herren Bischöfe es wünschen.
Zu den Aeußerungen des Abg. Dr, Windthorst bemerkte
. der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. von o ßpler:
Meine Herren! Daß ich diese Frage nicht in eontinenti be— antworte, wird der Herr Vorredner sich selbst sofort gesagt haben; ich glaube auch nicht, daß er erwartet, daß ich in 'r aller schwierigsten Frage hier eine Eiklärung abgebe, unvorbereitet und ohne Mitwirkung des gesammten Staats, Ministeriums. Denn diese Frage nach der Dotation der katholischen Kirche und nach der
usführung der Bestimmungen, daß die Dotationen in silvis, wie es da heißt, gewährt werden sollen, ist ein Gegenstand, an welchem andere Ressorts mehr Interesse haben als das meinige und welche gewiß als eine bochvolitische Frage anzusehen ist. Diese Fragen sind kier sehr oft erörtert worden in den fuͤnfziger Jahren und bei spätern Gelegenheiten auf Grund besonderer Anträge der katholischen Fraktion. Es verbietet sich durch die Natur der Sache, daß bei einer zu fälligen Gelegenheit diese Frage zum Gegenstand einer Kontestation gemacht wird. . .
Wenn übrigens der Abg. Dr. Windthorst glaubt, datz, wenn die Dotationen in Grundbesitz angewiesen würden, die Finnahmen stetig wachsen, so überlasse ich es den Herren, welche das Glück oder Unglück baben, Grundbesitzer zu sein, sich einmal klar zu machen, wie beut die Einnahmen sich zu dem verhalten, was wir vor Jahrzehnten aus dem Grundbesitz bezogen haben. Diejenigen, die darauf angewiesen sind, aus dem var ihre Einnahmen zu ziehen, haben sehr erheblich ihre ganzen Ansprüche an das Leben zurückstecken müssen, wenn sie überhaupt ibren Besitz noch haben halten können. .
Ich will erwähnen, da ich nicht wünsche, daß meine frühere An=
deutung in Bezug auf die Verwendung des Sperrfonds mißverstanden wird, 4 es mir ferngelegen bat, die ganze Dotationsfrage mit hineinziehen zu wollen, ich glaube aber, man kann bei Berathung über die Bestimmungen wegen Verwendung der Sperrfonds — die Bestimmungen derart wie der Abg. Dr. Windthorst annahm — sehr wohl diese Fragen erörtern Ich glaube, daß, wenn erst der Gesetz entwurf dem Abg. Dr. Windthorst und seinen politischen. Freunden vorliegen wird, gewiß das Mißtrauen, welches nach der Richtung bin besteht, zerstreut werden wird.
Dem Abg. Dr. von Jazdzeweki erwiderte der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. von Goßler:
Ja, meine Herren! Wie die Sache eigentlich steht, weiß ich selbst nicht, — sie scheint, wie man so sagt, auf einen verlorenen Strang ge⸗ rathen zu sein, und zwar ohne jede Veranlassung Seitens der Staats · regierung. Als die Novelle vom Jahre 18865 erlassen wurde, bin ich sofort mit den beiden Diözesan Oberen in Verbindung getreten. In rascher Weise habe ich mich, mit dem Herrn Bischof von Kulm über be— stimmte Punkte geeinigt, und es ist alsbald die Allerhöchste Ver ordnung ergangen. Gleichzeitig ist die früher zum Gegenstand von unfruchtbaren Verhandlungen gemachte Geschäftsanweisang für die katholischen Kirchenvorstände und Gemeindevertretungen zwischen dem Herrn Ober - Präsidenten und dem Herrn Bischof, ver einbart und erlassen worden. Nicht so rasch ist die Sache ge⸗ fördert worden in der Erzdiözese Gnesen⸗Posen. Es handelte sich dabei um drei Punkte. Ueber zwei Punkte heirschte zwischen dem Erzbischof und der Regierung Einverständniß; der dritte Punkt betraf die Geschäftssprache der Kirchenvorstände. (Ruf bei den Polen: Aha! — Ich werde es Ihnen erzählen und dann bitte ich nochmals Aha!‘ zu rufenz dann wird die Sache eine bessere Be leuchtung finden Also in der Diözese Kulm ist auf Anorznung des Bischofs bestimmt worden, daß die Geschäftssprache des Kirchenvorstandes wie bisher die deutsche sei. Es hat damals Keiner, Aha? gesagt, Ich habe aber von vornherein angenommen, daß für den Herrn Etzbischof von Gnesen-Posen eine derartige Bestimmung unbequem sein würde, und die Differenz, meine Herren, die zwischen uns besteht, ist eigentlich eine, von der man nicht recht versteht, warum sie nicht ausgeglichen werden sollte. Der Herr Eribischof schlug damals vor, daß die Geschäftssprache sein soll die Sprache der Mehrheit der Mitglieder des Kirchenvorstandes. während die Staatsregierung der Auffassung war, die Geséäftssprache solle sein die Verkehrssprache des Ortes, und der Grund, meine Herren, ist ein sehr nabeliegender. In dem Augenblick, wo anerkannt oder verordnet wird, daß die Geschäftssprache sich nach der Sprache der Mehrbeit der Kirchenvorstandsmitglieder richte, ist selbstverständlich eine Prämie darauf gesetzt, daß die deutschen Katholiken noch mehr wie bisher aus den Kirchenvorständen hinausgedrängt werden, und allein die Räücksicht auf den Schutz der deutschen Katholiken ist es gewesen, welche nach sehr konkreten Vorgängen, meine Herren, die Regierung dahin geführt hat, an ihrem sehr bescheidenen Standpunkt festzuhalten. Wenn die Angelegenheit sich nach der Verkehrssprache des Ortes regelt, kann wohl eine Vergewaltigung der polnischen Katholiken nicht eintreten. Die Regierung hat also in der That auch ein wichtiges politisches Interesse daran, daß die deutschen Katholiken zu ihrem Rechte in der Provinz Posen kommen, und sie wird nicht nachlassen, den deutschen Katholiken den Rücken zu stärken.
Auf die Replik des Abg. Dr. von Jazdzewski ent— gegnete der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. von
Goßler:
Meine Herren, ich slaube, Sie werden alle, wenn Sie unsere Bemühungen verfolgt haben, den Eindruck haben, daß die Staats⸗ regierung sehr bescheiden in ihren Anforderungen ist; denn es ist in der That sehr wenig, wenn man verlangt, daß in einer überwiegend polnischen Provinz die Verkehrs⸗ sprache des Ortes maßgebend sein soll. Wenn nun von dem Herrn Vorredner gesagt worden ist, die Wahl ist frei, und die deutschen und polnischen Katholiken können wählen, wen sie wollen, — ja, meine Herren, das hört sich in diesem Hause sehr gut an, in der Praxis macht es sich aber ganz anders. Ich möchte doch den Deutsch— katholiken sehen, der jetzt einen Deutschen wählt, wenn es der Pfarrer nicht erlaubt; das halte ich für ganz ausgeschlossen. Ich will die Wunde, die wir haben, nicht weiter aufreißen. Ich habe vor Jahren,
1883, und bei anderen Gelegenbeiten hunderte von Fällen genannt, / ö 2 2 — 4 2 * * ö 2. Die höchsten Staatswürdenträger der Provinz sind vielfach aus
wo an der Hand der Correspondenz mit dem Erzbischof Über die
gottesdienstliche Versorgung der deutschen Katholiken konstatirt wurde, wie die deutschen Minoritaͤten allmählich in die Luft gesprengt sind.
Daß der gegenwärtige Erzbischof den Wunsch hat, den deutschen Katholiken zu helfen, erkenne ich durchaus an; welche Mühe es ihm macht, weiß ich ganz genau. In der Stadt Posen z. B. ist die Zabl der deutschen Katholiken eine sehr beträcht— liche. Glauben Sie, meine Herren, daß es im Laufe dieses Jahrhunderts möglich gewesen ist, dahin zu kommen, daß ein deutscher Katholik in der Stadt Posen eine Taufe, (ine Trauung, in deutscher Sprache ohne Weiteres erhalten kann? So liegen die Sachen. Er muß, meine Herren, sich bei dem zuständigen Piarrer melden, muß von dem einen Dispens haben, — er muß von dem polnischen Pfarrer einen Dispens haben, muß die Stolgebübren an ihn entrichten. Wenn das Alles vorbei ist, hat er allerdings die Möglichkeit, den Pfarrer an der Franziskanerkirche zu bitten, daß er die Handlung deutsch vollzieht. Und was aus den deutschen Katholiken dabei geworden ist. sehen Sie auf dem Marktplatz der Stadt Posen. Da sehen Sie alle die schwäbischen, schönen, herrlichen Trachten; das sind Deutsche gewesen noch in den 30er und 40 er Jahren, heute sind die deutschen Katholiken, die sog. Bamberger, alle Polen und zum Theil leidenschaftlicher als die ge— borenen Polen. Das haben wir ja hier schon alles besprochen.
Wie die Sachen in der Praxis angesehen wersen, sehen Sie in Westpreußen; da kennt man die Verhältnisse noch etwas genauer. Lesen Sie doch das, Westpreußische Volksblatt‘, ein hoch ultramontanes Blatt, welches mit aller Energie gegen die Vergewaltigung der deut- schen Katholiken durch die Polen eintritt. Ich habe Lie Artikel augenblicklich nicht bei mir, ich brauche sie Ihnen nicht vorzulesen, um meine Behauptung zu unterstützen. Als man den Wunsch hatte, eine gemeinsame Versammlung aller Katholiken in Westpreußen und Posen abzuhalten — ich glaube es war im vorigen Jahrg — wurde ausdrücklich von den deutscken Katholiken erklart, sie könnten sich darauf nicht einlassen. Weshalb? Weil die Polen durchaus verlangten, es solle nur in polnischer Spracke verhandelt werden, und die Deutschen müßten sich in den ehemals polnifchen Landestheilen gefallen laffen, daß nur der Inhalt der pol⸗ niscken Reden in kurzer Zusammenfassung ihnen verdolmetscht werde. Soviel Ehrgefühl hat doch auch ein Deutscher in ehemals polnischen Landestheslen, daß er sich auf diese Geféichte nicht einläßt, Darum ist aus der Katholikenverfammlung nicßts gexorden. Sæ sieht es in der Praxis aus. Das Thema ist unerschöpflich. Es sollte mich sehr freuen, wenn Hr. von Jazdzewski mit seiner milden Gesinnung, wie er derselben hier Ausdrück gegeben hat, bei seinen Landsleuten in der Provinz Beifall findet. Vorläufig habe ich Sorge, daß er dort des avouirt wird.
Dem Abg. von Jazdzewski erwiderte dann weiter der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. von Goßler:
Die Franziskanerkirche in Posen ist keine Pfarre, auch keine Irene einer einzelnen Pfarre, sondern schwebt in der Luft. Seit ahrzehnten haben die Staatsregierung und die deutschen Katholiken, soweit sie ihr Intereffe vertreten können, den dringenden Wunsch, daß eine Pfarrgemeinde denlscher Katholiken aus der Franzis kaner-= Kirche entftche. — Das geht eben nit, das wird nicht concedirt. daß die Deutfchen, wie Hr. von Stablewski sagt, in ihrer Sprache zu Ceremonien zugelaffen werden — ich weiß nicht, was wir in diesem Augenblicke darunter zu verstehen haben. Ich kann nur wieder holen, wenn einer eine Taufe, eine Trauung in der Franziskanerkirche in deutfcher Sprache haben will, so muß er sich einen Diepens bei dem polnischen Pfarrer holen, er muß dem
polnischen Pfarrer Stolgebübren bezahlen. Das ist in der That — mir persönlich als Evangelischem, kann es ja gleich sein, aber die deut⸗ schen Katholiken leiden darunter, und man hat ein Interesse daran, daß die deutschen Katholiken, die die gedrückten sind, zu ihrem Rechte kommen. Was nun die weitere Frage, die er an mich gerichtet hat, anbetrifft, so kann ich nur sagen: der Eräibischof steht mit mir nicht weiter in Unterbandlung, ich warte seit 2 Jahren — wenn ich nicht irre — auf Fortsetzung der Verhandlung Das Letzte was in der Sache ge⸗ schehen ist, geschah ven meiner Seite; wenn der Erzbischof die Frage wieder aufnehmen will, werden wir uns darüber weiter unterhalten. Aber damit die Herren nicht glauben, daß ich in dieser von mir nicht hervorgerufenen Diskussion etwas behauptet habe, was nicht zu= treffend wäre, möchte ich noch einen Fall zur Sprache bringen. Wie die deutschen Katholiken bebandelt werden, das ist wieder bei der Berufung eines deutschen Geistlichen Englert zum Lebrer des Priester- seminars in Posen hervorgetreten. Da ist ausdrücklich gesagt worden, man erwarte, daß dieser Hr. Englert gelernt habe, daß, wenn er zu uns kommt, er ebenso die Pflicht hat, Pole zu werden, als er in Famerun Kameruner werden müßte. — Das ist eben die alte Anschauung, daß ein Katholik, der nach Posen kommt, ein Pole fein muß; das ist aber vom Standpunkte des deutschen Katholiken nicht zu ver⸗ langen. . Noch eine Sache, die in den Provinzen Posen und Westpreußen ein ungeheures Aufsehen machte! Es war einem Propst Wabener eingefallen, einen Deutschen als Wahlmann zu wählen Darüber entspann sich in der polnischen Presse ein furchkbarer Spektakel, und Propst Wabener wurde in einer Dekanatsversammlunz veranlaßt, Abbitte zu leisten für das Aergerniß, welches er feinen volnischen Mitbürgern gegeben habe. Es verdient in der Tkat die Erklärung, welche der Vorsitzende des Kreis ⸗Wahlcomités, der Geistliche Walkowiak, im Kuryer und Dziennik Poznanski‘ erlassen hat, nochmals zur öffentlichen Kenntniß gebracht zu werden.
Er schreibt: Modlycewko, den 6. Oktober 18383.
In der engeren Versammlung, der Dekanatsgeistsiken am Peter und Paulstage erkläcte auf Interpellation der Propst W. zu L, daß er bedauere, bei den letzten Wahlmännerwaählen seine Stimme im Widerspruch mit den Grundsätzen eines rönisch. katho— lischen Priesters abgegeben zu haben. Derselbe hat mich ermächtigt, diese seine Erklärung in den polnischen Zeitungen zu veröffentlichen. Möchte dieses Beispiel doch noch weitere Nachabmer finden. Mit Hochachtung Geistlicher J. Walkowiak, Vorsitzender des Gnesener Kreis ˖ Wahleomitẽs. j
Es ist bei den Ermittelungen absolut nichts herausgekommen, als daß das „Aergerniß“ darin bestand, daß der Wahlmann ein Deurscher war. Wie sieht es also in der Praxis aus? Ich wünschte dringend, daß der versöhnliche Geist, den die Herren hier predigen, allmählich Nachahmung in ihrer Heimathsprovinz fände. ;
Dem Abg. Dr. von Stablewski erwiderte der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. von Goßler:
Meine Herren! Der Herr Vorredner hat mir in der Einleitung seiner Rede vollkommen Recht gegeben; er hat selbst ausgesprochen, daß die Franziskaner -Kirche keine unabhängige Kirche ist. Er fagt, sie sei eine Filialkirche der Adalbert ⸗Kirche
(Zuruf bei den Polen: St. Martins⸗-Kirche! Ich habe vorher gesagt, sie sei keine Filialkirche. Da liegt wahrscheinlich eine rechtliche Differenz vor. Die Franziskaner Kirche ist nicht für die dentschen Katholiken einer einzelnen Parochie bestimmt, sondern sie soll allen deutschen Katholiken in Stadt und Umgegend zur Pastorirung dienen. Jedenfalls halte ich es für den Interessen der deutschen Katholiken widersprechend, das, nachdem in den 30er oder 40er Jahren — ich bin auf diese Diskussion nicht vor— bereitet, ich glaube in den 30er Jahren — aus Königlichen Mitteln die Franziskaner-Kirche bestimmt worden ist für die Pastorirung der deutschen Katholiken, es noch nicht möglich gewesen ist, diese deutschen Katholiken zu einer Pfarrei zu ver— einigen, den deutschen Katholiken die Möglichkeit zu gewähren, ebenso frei und ebenso ungebunden in der Franziskanerkirche pastorirt zu werden wie die Polen in den anderen Kirchen. Ich weiß ja sehr wohl, daß die Bildung von Personalgemeinden sehr schwierig ist, aber es haben sich anderwärts Formen finden lassen. Wie gesagt, ich kann nur sagen, den Deutschkatholiken ist nach meiner Meinung nicht diejenige Berücksichtigung zu Theil geworden in der Provinz Posen, welche ihnen gebührt. Ihre Zabl wächst täglich.
deutschen Katholiken hervorgegangen; ich erinnere an den letzten kommandirenden General und immer ist es beim Alten geblieben. Ich darf auch erwähnen, daß die Mittel zur Pastoriruag der Franziskaner⸗Kirche, so viel ich weiß, aus staatlichen Fonds gegeben werden. Darum hat die Regierung ein besonderes Recht darauf, eine angemessene Regelung zu verlangen.
Was nun die Zurückweisung der Vorwürfe betraf, daß in der Provinz Westpreußen die deutschen Katholiken mehr berücksichtigt werden müßten, als es bisher der Fall gewesen ist, so behauptet Hr. von Stablewski, daß in Westpreußen nur 100 000 Deutschkatholiken unter 600 000 Katholiken wären. Dies bestreite ich. Nach den Tabellen, die vom Jahre 1867 vorliegen, betrug damals schon die Zahl der deutschen Katholiken 196 000. Ich zweifle nicht, daß, wenn wir die letzte Statistik nachsehen, die Differenz; zu Gunsten der Deutschen sich noch wesentlich wird gebessert haben.
Ich will nun auch auf den Fall des Propstes Wabener zurück⸗ gehen. Ich weiß nicht, ob der deutsche Wahlmann, für welchen Wabener gestimmt hatte, ein Protestant war, aber ich bitte doch einmal die Konsequenz der Auffassung zu ziehen, welche der Herr Vorredner vorhin ausgesprochen hat. Es ist ein Aergerniß für einen, dem preußischen Staatsverbande angehörigen katholischen Geistlichen polnischer Nationalität, wenn ein deutscher Amtsbruder einem deutschen Protestanten bei politischen Wahlen die Stimme giebt. Ich bitte, sich zu vergegenwärtigen, wie viele haben bei den letzten Wahlen einem Deutschen und vielleicht so⸗ gar einem unkirchlichen Protestanten die Stimme gegeben ohne Rück sicht auf ihre Stellung als katholische Geistliche oder als Laien. Ich glaube, es ist sehr nothwendig — ich will nicht weiter polemisiren — daß man diese Erklärung zusammenhält mit den gestern hier ge⸗ sprochenen Friedensworten, und ich kann Hrn. Dr. von Stabl ewski nur dringend bitten, daß er sich mit dem Geiste durchtränke, der in der gestrigen Diskussion hervortrat, und der dahin ging, daß wir uns nicht nach Konfessionen scheiden sollen auf Gebieten, wo es nicht nothwendig ist. Es ist unmöglich, daß für politische Wahlen die Konfessionsstellung die allein maßgebende ist. Wenn das der Fall ist und bis in die äußersten Konsequenzen durchgeführt wird, dann sind wir fertig, dann werden wir uns in diesem Saale nicht mehr versammeln, dann sehen wir uns an einem anderen Ort.
Dem Abg. Bachem bemerkte der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. von Goßler: .
Meine Herren! Soweit ich den sehr diffizilen Gegenstand im Gedächtniß habe, liegt die Angelegenheit so: Bis in eine verhältniß⸗ mäßig neuere Zeit haben niemals bei den Behörden Zweifel darüber bestanden, daß das französische Recht auf dem linken Rheinufer die An⸗ legung konfessioneller Kirchhöfe absolut ausschließt. Erst unter meinem unmittelbaren Herrn Vorgänger ist nach der Richtung eine Erleichterung oder ein Entgegenkommen, oder wie ich es nennen will, ein⸗ getreten, daß, wenn eine Kirchengemeinde einen Kirchhof anlegen kann, ohne daß ihr Unkosten daraus erwachsen — wie es in dem von dem Herrn Vorredner vorgeführten Falle einer Schenkung zu liegen scheint — dann könnte man eä, passiren lassen oder könnte es auch genehmigen. So ungefähr sind damals einige Fälle behandelt worden. Darüber hinaus sind meines Wissens die Behörden nicht gegangen. Ich bin ja in dieser Sache nicht allein kompetent; ich bin sogar erst in zweiter Linie bei diesen Fragen betheiligt; das eigentliche Referat liegt beim Herrn Minister des Innern. .
Die Fälle, welche der Herr Vorredner anführt, werden auch darin ihre Erklärung finden, daß die Polizei- und Kommunalbehörden ver⸗ pflichtet sind, darüber zu wachen, daß Jeder, wenn ich so sagen darf.
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