1890 / 74 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 22 Mar 1890 18:00:01 GMT) scan diff

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Bei der Abstimmung wurden alle Anträge gegen die Ver⸗ haftung Costa's mit 181 gegen 104 Stimmen abgelehnt, da⸗ gegen der Antrag der Kommission auf Verhaftung mit großer Majorität genehmigt.

Niederlande.

Gegenüber den über den Gesundheitszustand des Königs neuerlich verbreiteten beunruhigenden Nachrichten erfährt die Polit. Corresp.“ von wohlunterrichteter Seite, daß keine Meldung vorliege, welche Anlaß zu Besorgnissen geben könnte.

Belgien.

Brüssel. (Wes.⸗ Ztg.) Zur . jah chr l Unabhängigkeit Belgiens und, des fün fundzwanzigjährigen Regierungsjubiläum s des Königs werden auf Beschluß der Regierung National⸗ feste veranstaltet, zu welchen aus Staatsmitteln 500 90 Fr. bewilligt wurden. Eine aus Notabilitäten aller Parteien bestehende Kommission soll deren Verwendung bestimmen.

Schweden und Norwegen.

(F) Christianig, 19. März. König scar hat in einem am Montag abgehaltenen Ordenskapitel bestimmt, daß der Rittergrad des St. Olafs-Ordens in zwei Klassen getheilt werden soll. Zu Rittern zweiter Klasse werden bis auf Weiteres nur Ausländer ernannt. Die Ritter erster Klasse sollen die Insignien tragen, die in den Orvensstatuten für die Ritter vorgeschrieben sind. Die Ritter zweiter Klasse sollen als Ordenszeichen ein silbernes Kreuz erhalten, das auf der Brust auf dieselbe Weise getragen werden soll, wie das für die Ritter erster Klasse bestimmte Ordenszeichen. Die bisher ernannten Ritter des St. Olafe⸗-Ordens werden künftig als Ritter erster Klasse benannt und betrachtet werden. Be⸗ züglich der bereits bestimmten Theilung des Commandeur⸗ grades des St. Olafs-Ordens in zwei Klassen bemerkte König Sscar, daß er künftig gelegentlich den Commandeurgrad zweiter Klasse auch norwegischen Unterthanen zu verleihen

edenke. . Durch General-Ordre vom 17. d. hat der König befohlen, daß ein Geschwader gebildet werden soll, bestehend aus dem Panzerschiffe „Svea“, der Korvette „Freja“ und den Kanonen⸗ booten erster Klasse „Urd“, „Verdande“ und „Rota“. Das Geschwader soll zu einer zweimonatlichen Uebungsfahrt aus⸗ gerüstet und am 1. Juli in See gehen.

Amerika.

Vereinigte Staaten. Washington, 20. März, (A. E) Die republikanische Tarifvorlage ermäßigt die Zuckerzölle um 50 Proz, erhöht aber zie Zölle auf Wolle, Steingutwaaren, Glaswaaren, Weißblech, Sumatra⸗Taback, frische Fische und Rosinen. Eine außerordentliche Erhöhung des gegenwärtigen Zolles auf Weißblech um 129 Proz. ist in Aussicht genommen. Eisenerz und. Roheisen bleiben unverändert; der Zoll auf Stahlschienen wird um 4 Doll. per Tonne ermäßigt. Rohzinn bleibt frei. Der Zoll auf Taschenmesser wird, erhöht, während Gewehrläufe und Nähnadeln auf die Freiliste gesetzt werden. Neues Metall und Aluminium werden einem Werthzoll von 35 Proz. unterliegen. Die Zölle auf landwirthschaftliche Pro⸗ dukte sollen im Allgemeinen erhöht werden. Der Neiszoll wird um 2 Ets. per Pfund, der Zoll auf Reismehl um 3 Cts. per Pfund herabgesetzt. Häute, die gegenwärtig frei sind, werden einem Zoll von 116 Cts. per Pfund unter— liegen. Die Zölle auf Spirituosen, Wein und andere Getränke, sowie auf Salz und Chemikalien bleiben unverändert. Unge⸗ reinigte Wolle, Jute, Manila und verschiedene Gras sorten werden auf die Freiliste gesetzt. Die Zulassungen zur Freiliste werden, einer ungefähren Schätzung nach, die Staatseinkünfte um 1250 000 Toll. bis 1500 060 Doll. schmälern und die Revision der Tarife wird die Differenz zwischen der Freiliste und den erwarteten Gesammtermäßigungen, im Ganzen etwa 60 000 000 Doll., ausgleichen.

Afrika.

. Aus Kairo, 20. März wird den „Daily News“ telegraphirt: 1 . nn Regierung ist auf den Rath Sir F. W. Grenfell's im Begriff, eine Summe Geldes zur Linderung der Noth unter den an der Grenze aus dem Sudan ankommenden Flüchtlingen zu bewilligen. Nachrichten aus Assuan zufolge berrscht großes Elend unter dem britenfreundlichen Stamme der Bischarins, welcher zwischen dort und dem rothen Meere Handel treibt. Die Pocken grassiren dort auch sehr stark.

Feier der sechzig⸗

Parlamentarische Nachrichten.

Schlußbericht der gestrigen (6) Sitzung des Herren⸗ hauses. Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend Rentengüter. . . 2

Die Kommission, durch welche der Entwurf eingr Vor⸗ berathung unterzogen worden ist, hat denselben im esent⸗ lichen in zwei Punkten abgeändert. Der erste Absatz des 5. 1 lautet nach den Kommissionsvorschlägen: .

„Die eigenthümliche Uebertragung eines Grunzstücks gegen Ueber⸗ nahme ein er festen Geldrente (Rentengut), deren Ablösbarkeit von der Zustimmung beider Theile abhängig gemacht wird, ist zulässig.:.

Ferner hat die Kommission die Bestimmung hinzugefügt:

‚Das Rentengut muß frei von den Hypotheken; und Grund schulden des Grundstücks, von dem es abgetrennt wird, begründet werden.“ . . ;

Graf von Mirbach beantragt, dieser Bestimmung die Fassung zu geben:

Sofern das Rentengut durch Abgrenzung entsteht, muß es frei von den Hppotbeken⸗ und Grundschulden des Grundstücks, von den es abgetrennt wird, begründet werden, ö

Von dem Wirklichen . ih von Kleist⸗Retzow sind die folgenden Zusätze beantragt:

91 0m Hef wird dem Grundstücke, von welchem das mit Ihr belege Rentengut abgejweigt, ist, im Grundbuche zu= geschrieben. Sie tritt an Stelle des abgezweigten Rentengute, so⸗ fern bei landschaftlich beliehenen Gütern die Kredit direltion, bei anderen die Auteinandersetzungsbehörde bescheinigt, daß die Abzwei⸗ gung des Rentenguts den Realgläubigern des Stammguts un⸗ schädlich ist. Das Rentengut wird dadurch von den Hypotheken und Grundschulden des Stammguts frei.

Für jeden Fall muß das Rentengut frei von den Hypotbeken⸗ und Grundschulden des Grundstücks, von dem es abgetrennt wird, begründet werden.

Als §. 3: Durch ein vom Kreisausschuß festgeseßßtes Statut kann bestimmt werden, in welcher Weise die Besitzer der nach Maß⸗ gabe dieses Gesetzes gebildeten Rentengüter an den Pflichten

19. März 1881, im öffentlichen Interesse obliegen, Das Statut

liegt stätigung durch den Bezirksausschuß. unter gf 8* . . ben hn von Rentengütern nach Maß

8 be di s geschlossenen Verträge, vorgenommenen Auf⸗ 1 ö Grundl chern Eintragungen oder Löfchungen in denfelben, fowie die ausgestellten Unschãdlichkeitẽ⸗ Ätteste find gebühren! und stempelf rei. Nur die für letztere

Auslagen sind zu ersetzen. nt g fern; her h e r r eh, en der Provinzen, welche

unter ender Auegestaltung der Statuten jener Kassen sich prrent . , Rentengütern nach Maßgabe diefes Gesetzis Vorschüffe zur Herstellung der nöthigen Gebaͤude und des erforderlichen Inventars gegen Verpfändung des Renten · guts und Eintragung dieser Forderung unmittelbar hinter der über nommenen Rente als unkündbare und nach Bewilligung einiger Frei⸗ jahre mit geringem Zinssatze zu verzinsende, mit 19/0 zu amor- tifirende Barlehne Ju gewähren, erhalten hon der Königlichen 66 je eine Milllon Mark zunächst auf 30 Jahre un verzinslich. ; Berichterstatter Graf zu Eulenburg⸗Prassen; Die Kommission war von der Ueberzeugung durchdrungen, daß in der heutigen Lage es Jedermanns Pflicht sei, bereitwilligst den fozialen Nothftand in Arbeiterkreisen beseitigen zu helfen. Auch bieser Entwurf verfolgte dieselbe Tendenz. Die Trag⸗ weite des Gesetzes wird man allerdings nicht überschãtzen dürfen; es handelt sich lediglich darum, ein Gesetz zu schaffen, welches zu benutzen Jedem freisteht. Weder der Erwerber noch der Austheiler eines Guts soll irgendwie gezwungen werden, und der Erfolg der Maßregel bleibt daher ein unge⸗ wisser. Aber der Staat thut seine Schuldigkeit, wenn er seine Hand bietet, zu helfen, so weit er es kann. - Freiherr von Durant: Der Staatsregierung müssen wir für die Vorlage zu hohem Dank verpflichtet sein. Sie will die Seßhaftigkeit des Volks erhöhen, nachdem das Pro⸗ letariat fo ungeheuer angewachsen ist und die Atomisirung der Gesellschaft immer größere Fortschritte gemacht hat. Kirche und Schule können nur bei einer seßhaften Bevölkerung nicht bei einer fluktuirenden und heimathlosen ihre einflußreiche Wirksamkeit entfalten. Die Wahlen werden wohl jetzt guch Denen, die bis jetzt nicht sehen wollen, noch die Ausen geöffnet haben. Unter der großen Zahl der sozialdemokratischen Stimmen sind Tausende von Unzufriedenen, welche sich aus Verdruß über ihre Lage dem Umsturz angeschlossen haben, nicht bloß aus dem Arbeiter-, sondern auch aus dem Mittelstande. Alle diese Leute sind wiederzugewinnen, man muß nur den ernsten Willen dazu haben und ihnen das zeigen. Diese Unzu⸗ friedenheit ist das Produkt des Systems des persönlichen Egoismus, der, weit entfernt von den Grundsätzen christlicher Weltanschauung, möglichst großen Gewinn machen und die Freuden des Lebens in vollen Zügen genießen will; die Wahlen bedeuten einen Protest gegen diesen Egoismus und gegen den Opportunismus mit allen seinen Anhängern. Die Vorlage bewegt sich in der Richtung der Kaiserlichen Botschaft von 1881 und wirkt auch im Sinn des Ansiedelungsgesetzes von 1886, beides Bethätigungen des vorausschauenden Geistes unserer Dynastie. Denselben Zielen strebt auch das sozial⸗ reformatorische Genossenschaftswesen zu, welches jetzt unter der Fuͤhrung des Freiherrn von Broich ins Leben gerufen worden ist. Ich empfehle Ihnen die Vorlage mit einigen Abände— rungen, die ihren Zweck noch klarer ersichtlich und leichter er—⸗ reichbar machen sollen. . - Wirklicher Geheimer Rath von Kleist-Retzow empfiehlt in längerer Ausführung die Annahme des Gesetzes. Es hahe ihn nur gewundert, daß die Regierung die Erbpacht nicht wieder einführen wolle, da deren Wiedereinführung doch gar kein Bedenken entgegenstehe. Die Vorlage werde einen Fehler gut machen, den man seit 75 Jahren immer wieder gemacht habe, die Bevölkerung zu sehr zu mobilisiren. Aus den Erfahrungen seiner engeren Heimath heraus führt Redner zahlreiche Beispiele der bösen Folgen dieser Mobilisirung an. In den Fabrikbezirken sei von seßhafter Bevölkerung nicht mehr die Rede, das Heimathsgefühl sei zerstört, wie solle da die Liebe zum Vaterlande nicht schwächer werden? Was geschehen könne, müsse geschehen, um diese Heimathsliebe wieder zu entzünden. Die Vorlage sei aller⸗ dings nicht genügend, diesen Zweck zu erreichen; des halb beantrage er, der Kommissionsfassung einen Zusatz dahin zu geben, daß die Rente den Grundstücken, von welchem das mit ihr belegte Rentengut abgezweigt ist, im Grunobuche zu⸗ geschrieben werde und an Stelle des abgezweigten Renten⸗ guts trete, sofern behördlich ein Unschädlichkeitsattest aus⸗ gestellt werde. Dadurch solle dann das Rentengut von den Hypotheken und Grundschulden des Stammguts frei werden. Diese Verbesserungen müßten in den Entwurf hinein, wenn er brauchbar sein solle. (Schluß 31/ Uhr.)

Schlußbericht der gestrigen (34) Sitzung des Hauses der Abgeordneten. Fortsetzung der zweiten Berathung des Etats des Ministeriums der geistlichen, Unter⸗ richts- und Medizinal-Angelegenheiten.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. von Goßler: ; .

Meine Herren! Ich muß meine Rede mit der Bitte um Ent— schuldigung beginnen, daß ich die Erwiderung auf die eben gehörten Worte mik derselben Objektivität und Ruhe ertheile, wie ich es gestern zu thun veisucht babe, wie ich, überhaupt in Sachen meines Ressorts, wenn es irgend möglich ist, objektires Handeln zu meiner Gewohnheit mache. Nicht daß ich die Fähigkeit nicht besäß, in ähn— licher Weise zu sprecen, wie wir eben gehört haben. Ich kann ver⸗ sichern, als ich felbst noch im Parlament war, war es mir sehr riel bequemer, mit einer gewissen leid enschaftlichen Verve in die Diskussion einzutreten, als mir dieses Maß von Zurückhaltung und Beskränkang auferlegen, das ich, glaube ich, gerade als Unterrichts. Minister zu bewahren verpflichtet bin. ! .

Wenn der Hr. Abg. Rickert seine Rede damit begonnen hat, daß er seiner Verwunderung Ausdruck gab, wie ich darauf hätte hinmeisen können, daß er in feiner Eiwidcrung die Rede des Hrn. Stöcker in einer Weife aufgefaßt hätte, wie der Vortrag nicht gelautet habe, so darf ich daron erinnern, daß der Hr. Abg. Rickert aus dieser Auf— fasfung der Rede des Hrn. Stöcker heraus in einer sehr scharfen und schroffen Weife sich hier laut verwundert hat, daß ich nicht sofort nach Hrn. Stöcker Kas Wort ergriffen habe. .

Er hat mir heute klar zu machen versucht, daß ich die Absicht des Hrn. Abg. Stöcker nicht durchschaut habe, daß ich es nicht verstanden habe, aus den „eingestreuten Bemerkungen“ wie ir sich ausdrückte, die wahre Absicht dieser Rede ju erkennen, und um meinem Gedaͤchtnisse nachzuhelfen, hat er heute einige Stellen aus der ‚Post⸗ verlesen, (bg. Rickert: ‚Vassischen Zeitung: ) aus der „Vofflscken Zeitung!. Ich bitte um Entschuldigung, daß ich ver. suche, felbst aut Parteireden datjenige herauszulesen und heraus- zuhören, welches nach meiner Ansicht das Werthvollste ist. Ich kann nicht nach eingestreuten Bemerkungen meine Antworten und meine Erklärungen einrichten. Ich habe den Eindruck gehabt, daß in

drängen würden.

Unterrichts verwaltung schon im eigenen Interesse nicht hat vorbei⸗ ehen können. Diesen Gedanken habe ich versucht auszuführen. enn ich auf die elngeftreuten Bemerkungen den Nachdruck segen wollte, was sollte ich jetzt gegen. Hrn. Rickert an- führen! (Abg. Rickert: Geniren Sie sich gar nich) Ich mache von Ihrer Ersaubniß keinen Gebrauch; ich stehe an einer, anderen Stelle wie Sie, und bin meinem Amt schuldig, denjenigen Tenor zu bewahren, auch den Ton, welchen ich für nothwendig erachte. Wir kommen vielleicht bei einer anderen Gelegenheit guf derselben Arena zusammen, dann will ich zwar nicht derartige Bemerkungen . wie Sie es heute gethan haben, aber deutlich kann ich auch sein. * er, den eingestreuten Bemeikungen, meine Herren. habe ich also einige hervorzuheben, weil sie mich von dem Wege sonst weg⸗ Der Abg. Rickert hat die Tendenz meiner ,. Rede oder vielmehr die Tendenz, von welcher ich durchdrungen sei klar erkannt. Da bin ich in der That gespannt, wie er das gehört haben kann; die Tendenz kenne ich selber nicht, ich bin in dem Stadium, in welchem ich mich in vielen Sachen bewege, 3 ich über Sachen nachdenke, aber mit Tendenzen beschäftige ich mich erst dann, wenn ich eine Sache roll erfaßt habe. Daz habe ich nicht. Es wurde hier, ich kann nicht anders fagen mir die Unterstellung entgegengebracht, als habe ich hier dech eine Ahnung haben können, daß die Frage an⸗ efchnitten werden würde, ich bätte zu viel Material bei mir gehabt. a, meine Herren, ich bereite mich ich muß es zu meiner Schande bekennen auf die Diskussiöonen über meinen Etat vor, ich kann nicht, alles improvisiren; ich halte gewissermaßen eine Heerschau über diejenigen Fragen, die vielleicht vorkommen können. Konfessionalität ist ja eine Sache, die vielleicht bei der Spezialberathung noch vorkommen wird; wenigstens ist mir aus der ultramontanen Presse bekannt, daß nach gewissen Richtungen hin Beschwerden gegen mich erhoben werden. Ich bringe mir also grund- sätzlich zu der Berathung meines Etats dasjenige Material mit, welches ich an größeren Nachweisungen besitze. Das eine ist die Universitätsstatistit, die jetzt veröffentlicht wird, das andere ist die Nachweifung vom Jahre 1883 über die konfessionellen Verhältnisse der höheren Lehranstalten; die habe ich bei jeder Etatberathung bei mir, wenn ich eben annehmen kann, daß die Titel dazu Veranlassung geben. Ich habe das, wie gesagt, einfach aufgeschlagen. Ich kann mich wirklich nicht aufregen, aber ich muß doch sagen: es ift merk⸗ würdig, auch nur eine Andeutung nach der Richtung hören zu müssen, als ob ich mit irgend einem unter einer Decke steckte, oder von ihm irgendwie auf eine Sache vorbereitet würde, wenn ich fage: ich bin es nicht. . war die weitere Bemerkung angeknüpft: der Herr Por- redner wisse, nach welcher Richtung meine Sehnsucht ginge. Das beftreite ich auch. Ich habe Ihnen gestern gesagt: man kann der Auffassung huldigen, daß es unter Umständen wünschenswerth ift, felbst in den höheren Schulen eine konfessionelle Sonderung der Schüler eintreten zu lassen; ich habe aber gleich hinzugefügt; gesetz⸗ ssch liegt es so. der Hr. Abg. Rickert hat die richtige Stelle heute vorgeführt. Ich habe dann auch gesagt, daß eben der Raum und die Fülle der Kinder maßgebend ist, für die Konstruktion unserer höheren Schulen. Es ist unmöglich, beispielsweise hier in Berlin zwei katho= sische Gymnasien eicrzttrichten und die Kinder vielleicht zu zwingen, im Durchschnitt einen Weg von 10 km dahin zurückzulegen. Man muß mit den gegebenen Thatsachen rechnen. Es liegen ja auch noch andere Gesichtspunkte vor; ich habe das nur so eingestreut. Also nach diefer Richtung hat der Herr Abgeordnete vieles gesehen, was eben nicht da ist. Ich kann mich auch gar nicht darauf einlassen, hier vor dem Hause und dem preußischen Volke zu erklären, wie ich über eine Reihe von Fragen denke, die bier vorgekommen sind; ich bin weder Semik noch Antisemit; die Königliche Staatsregierung ist es, soviel ich weiß, auch nicht. Ich habe mich niemals in diese Streitigkeiten eingemischt, werde es auch nicht thun; aber ich darf mir doch das Recht anmaßen, bei Sachen, welche meine Unterrichts⸗ verwaltung betreffen, in einer klaren, möglichst allgemein verständlichen Weise mich auszudrücken. ;

Nun fagt Hr. Rickert, Hr. Metzler hat wieder alles über den Haufen geworfen. Ich habe mein Stenogramm nicht durchgelesen, ich korrigire e auch nicht, weil ich keine Zeit dazu habe; ich habe mehr Gefchäͤfte noch außerdem wahrzunehmen; ich habe ausdrücklich gesagt: in Frankfurt ist das Schulwesen der jüdischen Bevölkerung gegenüber konfesstonell getbeilt:; aber ich weiß wohl, daß dies nicht durchweg der Fall ist; ich glaube, das habe ich ganz deut sich gefagt. Nun war es mir ja sehr wohl be kannt, daß die eigentlicken Symnasien nicht konfessionell getheilt sind, wohl aber ift das bäbere Schulwesen in Frankfurt am Miain ich will einmal sagen zu Gunsten der Judenschaft kon feffionell in anderer Beziehung geröchlt. Wir haben dort sog. Real⸗ schulen, wir haben in Frankturt eine Realichule, welche die israelltische Religionsgesellschaft unterbält, in welcher im Januar 1883 156 Schüler waren, und zwar waren dieselben jämmtlich diefer Religionsgemeinschaft angekörig. In der Vorschulklasse waren sämmiliche 85 Schüler ebenfalls der jädischen Gemeinschaft angehörig. Dann ist dort eine Reälschule der israelitischen Gemeinde, welche 335 Schäler hatte und davon waren 323 Juden; in der Vorschule 139 Schüler, daron 145 Juden. Es gebt also in Frankfurt, wie wir seben, so weit, daß die Jaden unter sich nach Maßgabe ihrer religiösen Grundsäͤtze geschieden sind, und wenn es die Juden in Frankfurt fertig bringen, sich unter einander zu sceiden, so braucht, man sich nickt zu verwundern, wenn unter Umständen sich einmal die Christen scheiden wollen von den Juden. ; .

Unter den höheren Anstalten in Frankfurt a. M, ist die Wöhler sche als diejenige bekannt, die am meisten von Juden besucht wird, es ist ein Realgymnastum, wo sich 107 Juden unter etwa 400 Schülern befarden, und auf dem damals allein bestebenden humanistischen Gymnasium waren 134 jüdische Schüler. Ich erkenne also an, daß in den eigentlichen Grmnasien eine konfessionelle oder religiöse Sonderung nicht besteht; dagegen auf dem Gebiete des mittleren Schuswesens, der köheren Tochterschulen und des Volksschulwesens dort besteht eine Sonderung. Also ich glaube, ich habe gestern, auch wo ich nicht präparirt war, das Richtige getroffen.

Ich habe gestern gesagt und kann es heute nur wiederholen, jede verstaͤndige Unterrichts veiwaltung, welche die Pflicht hat, die Augen aufzumachen und nicht zu schließen, auch das zu sehen, was ihr viel⸗ leicht unbequem ist, und nicht glauben zu machen, daß, was man nicht sieht, auch nicht existirt, hat auch die konfessionelle Entwickelung zu studiren. .

Wenn Hr Rickert einmal die Güte hätte, sich selber in eine solche Lehrerstelle hineinzuversetzen, an Gymnasien, wo, wie gestern vorgetragen ist, die beiden christlichen Konfessionen und die jüdiscke Religion ungefähr gleichmäßig vertreten sind, wo as Lehrerkollegium aus den drei Religionsgesellschaften zusemmengefetzt ist. Jeder Lehrer das darf man doch hoffen ist von seiner religiösen Ueberzeugung durchdrungen; das darf man doch erwarten. Und nun bitte ich Sle, sich klar zu machen, welches Maß von Vorsicht ein j der Lehrer anwenden muß, den Kollegen und den Schülern gegenüber, um immer diejenige gerade Richtung einzu⸗ schlagen, welche die Unterrichts verwaltung mit unerbittlicher Strenge von den Lehrern fordert. Das ist in der That eine hohe An⸗ forderung. Ich habe weiter dargelegt, wie die ganze religiöse Aut gestaltung der Konfessionen eingreift in den Schulunterricht. Die Ratholiken haben zum Theil sehr ausgedehnte Festtage, die Juden haben. andere, und da. wir Alles berücsichtigen müsfen, so wörden wir vielleicht in der Lage sein, eine nicht unerheb⸗ liche Zahl von Wochen anders zu verwenden, als es nach dem Schulßetrieb nöthig ist. Wir würden also diese Zeit, mit Repetitionen ꝛc. ausfüllen müsffen, damit nicht die fehlenden Schüler einen Nachtheil davon haben, daß im Stoffe, voran. geschritten ist. So schalten sich an diesen Anstalten mindestens zwei Wochen aus, und das ist in der That nicht ganz leicht. Auf den Sonnabend bin ich schon gekommen. abe heute in der

ker eisten Rede des Hrn. Stöcker wichtige Sachen, wichtige Vor⸗

und Leistungen Amheil nehmen, welche dem Besitzer des Guts, ron welchem sie abgezweigt sind, nach §. 31 der Kreisordnung vom

jommntffe hervorgehoben worden sind, an welchen eine verständige

Nationalzeitung gelefen in der Beziehung müßte man den Juden anz bestimmt die Verpflichtung auferlegen, nachgiebig zu sein. Ja,

meine Herren, das spricht sich Alles sehr leicht aus, aber die Unter⸗ richts verwaltung ist wirklich darin milder. Ich habe, als ich kurze Zeit Minister war, mal eine Enquete veranstaltet, wie in den verschiedenen böberen Schulen die Juden sich am Sonnabend und an den Feiertagen verhalten. Da gab es ein ganz merkwürdiges Bild. Wie ich schon gestern andeuntete, waren diejenigen Religionslehrer, welche Rußland als ihre Heimath zählen, unendlich strenger, es wurden Fälle entdeckt, die, wenn sie eben nicht bewiesen wären, unglaublich erschienen wären. Ich entsinne mich einer westpreußischen höheren Schule, wo es auffiel, daß die jüdischen Schüler entgegen der sonstigen Erfahrung träge und überanstrengt waren. Es ergab sich. daß der frisch aus Rußland eingewanderte jüdische Religionslehrer 14 Stunden wöchentlich extra die jüdischen Kinder noch in der jüdischen Religionslebre unterrichtete. Das sind eben auch Rücksichten, die wir zu nehmen haben.

Ich bin und das konnte Hr. Metzler vielleicht wissen vor Jahren bei einer jüdischen höheren Töchterschule in Frankfurt ein geschritten. Ich glaube mich zu entsinnen, daß da 7 Religionsstunden exira gegeben wurden. Das geht eben nicht; es muß die häusliche Arbeit und was die Religionsgesellschaften extra geben, sich einiger⸗ maßen den Anforderungen der Schule anpassen. .

Ich kann, meine Herren, damit schließen. Ich kann mich un— möglich auf den Standpunkt stellen, daß ich mich auf Las große allgemeine rolitische Gebiet hinaufdrängen lasse; aber ich glaube, foviel gebt bervor ich könnte ja noch mehr Material beibringen daß die Unterrichtẽ verwaltung ein großes praktisches Interesse hat, diese Fragen zu verfolgen, und daß unter ÜUmftänden auch Wünsche ertstehen, die darauf gerichtet sind, wie gewisse Unzuträglichkeiten leichter vermieden werden könnten. Vor einigen Jahren kam eine Deputation der hiesigen altgläubigen Rabbiner zu mir und verlangte von mir, ich follte ein schriftliches Äbiturientenexamen verlegen. Ich bin in diesen Dingen febr gefällig, meine Herren, ganz egal, welcher Konfession die Ferren angehören. Ich schrieb sofort an das Provinzial-Schulkollegium mit eigener Hand, ob es möglich wäre, ich glaube, es waren 5 oder 6 jüdische Abiturienten in Frage eine Verlegung eintreten zu laffen. Das betreffende Provinzial⸗Schultollegium reichte sofort den Reifeplan des Sckulraths ein, es ergab sich daraus, daß es unmöglich war, den Termin zu verlegen. Darauf erklärten dann die Rabbiner, dann würden die Schüler eben frustriren. Ich sagte, das thäte mir sehr leid, dann würden sie das Examen nicht machen können und noch 3 Jahr warten. Darauf haben die Abiturienten geschrieben und haben das Examen gemacht. . .

Ich will nur sagen: es stoßen sich im Raum die Sachen. Ich bin in diesem Fall darüber hinweggekommen. Diese gltgläubigen Rabbiner haben mir ja auch dabei geholfen. Aber denken Sie sich in die Lage eines Lehrerkollegiums und eines Direktors; und es treten nun, wie die Praxis zeigt, fortwährend neue Anforderungen heran. Dann tritt eine gewisse Unruhe in einer solchen Anstalt ein, welche ich für die Erfüllung der Aufgabe eines ergiebigen Unterrichtsbetriebes unerwünscht halte. Leider kann ich nur sagen: ich studire die Sachen, und suche in einzelnen Fällen, sowcit es geht, Ordnung zu schaffen. Aber ich kann mich unmöglich auf den Standpunkt stellen, daß ich Semiten oder Antisemiten unterstütze, oder ich mit Retriminationen auftrete, für welche für die Königliche Staatsregierung gar kein In— teresse und gar keine Nötbigung vorliegt. . .

Abg. Cremer (Teltow): Die Judenfrage hat durch die frei⸗ sinnige Interpellation von 18380 das Bürgerrecht im Parlament erhalten; wenn jetzt bei dieser Debatte den Juden etwas Unange— . gesagt wird, so sind daran wieder die Freisinnigen Schuld. Ich fühle, daß der Antisemilismus eine gewisse. Be⸗ rechtigung hat; man hat im Volke ein gewissses Gefühl der Gefahr; aber wir sind nicht im Stande, die Judenfrage allein zu lösen. Die Emanzipation ist ein Fehler, aber wir können sie nicht rückgängig machen; der Fehler war aber erst möglich, als der christliche Staat von sich selber abgefallen war. Der Antisemitismus, der nicht sagt, was er will, ist unberechtigt; es handelt sich darum, jeden Schritt Bodens, den man den Juden abgewinnt, für das Christenthum zu erobern. Als Racenfrage kann man die Judenfrage nicht auffassen, denn man darf Niemandem seme Eltern zum Vorwurf machen. Die Frage muß wissenschaftlich behandelt werden. Die Staatsrechte können den Juden nicht verkümmert werden, sondern es könnte höchstens unser deutsches Straf—⸗ gesetzbuch nach dem Grundsatze „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ umgearbeitet werden. Für mich giebt es keine Juden⸗ frage, sondern nur eine deutsche Frage. Deutschland bleibt christlich oder es geht zu Grunde.

Abg. Rickert: Der Herr Minister hat meine Aeuße⸗ rungen so aufgefaßt, als ob er mit Hrn. Stöcker unter einer Decke stecken sollte. Wenn meine Aeußerung so zu verstehen wäre, dann würde ich das zurücknehmen. Ich habe nur sagen wollen, daß der Umstand, daß er das Material bei sich hatte, beweise, wie sehr ihm diese Frage am Herzen liege.

Abg. Stöcker: Die Judenfrage ist nur von den Abgg. Knörcke und Rickert angeregt worden, lediglich im agitatorischen Interesse. Ich habe nicht wegen des eingetretenen Wechsels die Frage vorgebracht, sondern in Folge der wüsten Agita⸗ tion bei den Wahlen habe ich diese Bildungsfrage an— geregt. Ich habe lange nicht die Sprache geführt, welche das Neue Testament gegen die Juden spricht, obwohl mir das kein Deutschfreisinniger verwehren könnte. Der Abg. Rickert hat Dinge, die zehn Jahre zurück liegen, wieder aufgewärmt. Es kann doch vorkommen, daß man auf der Tribüne nicht jedes Wort genau überlegt. Aber daß eine gemeine Presse sich darüber hermacht, daß der gute Ruf eines Menschen untergraben wird, das zeigt, daß gegen die Sache nichts zu sagen ist. Man zieht die Personen herunter, um eine schlechte Sache zu vertheidigen. Wenn gegen irgend einen Menschen die Nichtswürdigkeit der jüdischen Presse sich erschöpft hat, so bin ich es, und das hat mir gar nichts geschadet. Ich soll über Frankfurt eine Unwahrheit behauptet haben. Ich habe nur von höheren Schulen gesprochen, nicht von Gymnasien, und was ich gesagt habe, ist vollständig richtig. Den alten Fritz sollte der Abg. Rickert nicht aus seinen Schriften citiren, sondern aus seinen Regierungsakten und die sind nicht sehr judenfreundlich. Ich soll meine Unterschrift unter der Antisemitenpetition geleugnet haben. Hält man es wirk— lich für möglich, daß Jemand eine Unterschrift ableugnet, die auf 23 009 Exemplaren gedruckt ist? Den Prozeß Becker sollte der Abg. Rickert auf sich beruhen lassen; ich erinnere nur an den Richter, der den Varsitz dabei führte, und an die Erkennt⸗ nisse, welche ergangen sind. Ueber die Sache selbst habe ich nichts mehr zu sagen Es handelt sich nicht um die Emanzipation der Juden von den Christen, sondern der Christen von den Juden.

Abg. Dr. Virchom; Wozu ist denn die ganze Debatte eingeleitet worden? Welcher neue Gedanke ist denn vorgebracht, welcher Vorschlag ist denn gemacht worden? Es scheint sich jetzt nur darum zu handeln, wieder von Neuem Schmutz auf⸗ zuwühlen.

Präsident von Köller: Der Ausdruck ist nicht parla⸗ mentarisch, ich rufe den Redner zur Ordnung!

Abg. Dr. Virchow fortfahrend: Die Frage ist 1880 angeregt worden, weil die Petition die Juden von obrig⸗ keitlichen Stellen ausschließen wollte, vom Richteramt und von der Schule. Da diese Petition an den Minister⸗

Präsidenten Fürsten Bismarck gerichtet war, so wollte man 6 dadurch die Gesetzgebung in dieser Richtung beein⸗ flussen. Warum sollten wir diese Angelegenheit nicht einmal 6 behandeln. Das hat etwas genutzt; der Antisemitismus at sich ruinirt so weit, daß der Abg. Stöcker selbst eine Zeit lang kalt gestellt wurde. Wie kommt der Abg. Stöcker, wie kommt die konservative Partei dazu, wieder in Antisemitismus zu machen. Der Abg. Stöcker trat wieder auf bei der Waldersee⸗Versammlung, und damals wurden sogar die Nationalliberalen für ihn eingefangen. Die Herren National⸗ liberalen werden wohl eingesehen haben, daß die Operation eine verfehlte war. Die Waldersee⸗Artikel sind in Aller Ge⸗ dächtniß. (Rufe rechts: Zur Sache!) Ich bin bei der Sache, ich will ja wissen, weshalb Sie uns mit dieser Sache zwei Tage lang aufhalten. Was wollen Sie mit den Juden machen? Wollen Sie sie aus den Städten jagen und aufs Land bringen? Da würden die Juden auch nichts Anderes machen, als in der Stadt. Wir können die Juden nicht todtschlagen, wir müssen sie behalten. Es wird gesagt, Hr. Singer habe sich der Sozialdemokratie angeschlossen. Ich nenne dem gegenüber Hrn. von Bleichröder, der ja sehr konservativ gesinnt ist; der jedenfalls sehr opferfreudig für die konservative Sache gewesen ist. Wir müssen nun einmal mit den Juden eine einheitliche Masse bilden. In Bezug auf die jüdischen Schüler hat ja der Minister auch keine Abhülfe gewußt. Die Trennung ist doch nicht so weit durchzuführen, daß für jede Glaubensrichtung eine besondere höhere Schule ein—⸗ gerichte werden kann. Die ganze Untersuchung kann also zu einem praktischen Ergebniß überhaupt nicht führen. Was eigentlich Werthvolles in der Rede des Abg. Stöcker ist, habe ich nicht ersehen können; ich weiß nicht, worauf das Lob des Herrn Ministers sich bezog. Die Statistik war ja längst bekannt. Wir wollen einen weltlichen Staat, die volle Freiheit des Gewissens und der Religions— übung; wir wollen keinen christlichen Staat und auch nicht das heilige römische Reich.

Abg. Cremer (Teltow): Ich bedaure, daß der Abg. Virchow nicht auf die Frage eingegangen ist, ob die Juden nicht anthropologisch einer anderen Race angehören als wir. Mir ist es unverstaͤndlich, daß die Herren von links uns die Schuld an der Debatte zuschreiben. Hr. Knörcke hat das Wort „Juden raus!“ gebraucht. Keiner von uns wird so dumm sein, ein solches Wort zu gebrauchen. Daß die Sozialdemokratie wesentlich jüdische Mache ist, wird doch Niemand leugnen. Hrn. von Bleich⸗ röder Hrn. Singer gleichzustellen, ist falsch. Hr. von Bleichröder hat nichts gethan, als Geld zur Verfügung gestellt; warum sollten wir es nicht nehmen, ehe es die Anderen bekommen. Wir wollen nichts Anderes, als der Fürst Bismarck 1847 in Bezug auf die Juden gewollt hat: sie sollen nicht in Staats— ämter kommen. Ist es Ihnen denn unbekannt, daß vier Reichstags abgeordnete nur auf den Antisemitismus hin ge— wählt worden sind?

Damit schließt die Debatte. Der erste Titel des Kapitels höhere Lehranstalten wird genehmigt.

Beim Titel 2: Zuschüsse für die vom Staate zu unter⸗ haltenden Anstalten weist der Abg. Brandenburg darauf hin, daß beim Gymnasium Georgianum in Lingen von 11 Lehrern nur einer katholisch ist, trotzdem eine erhebliche Anzahl katholischer Schüler dasselbe besucht.

Abg. Tschocke: Das Friedrichs⸗Gymnasium zu Breslau entspricht nicht den bescheidensten Ansprüchen der Hygiene. Der Minister hat dasselbe aus eigener Anschauung kennen gelernt. Es ist auch ein Neubau geplant, die Stadt hat seit mehreren Jahren bereits einen Bauplatz beschafft, aber es ist immer noch keine Summe für den Bau ausgeworfen. Ich möchte den Minister bitten, das Geld für diesen dringend noih— wendigen Neubau in einem Nachtrags⸗-Etat zu beantragen, damit der Bau noch vor Anfang des nächsten Winters unter Dach gebracht werden kann.

Abg. Fritzen (Rees) beschwert sich darüber, daß ein der Centrumspartei angehöriger Gymnasial-Direktor Köhler nicht als Stadtverordneter von Emmerich bestätigt wurde, obgleich seine beiden liberalen Vorgänger Stadtverordnete gewesen sind.

sinister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. von Goßler:

Meine Herren! Die Nichibestätigung der Wahl des früheren Direktors Köhler zum Stadtverordneten hat mit der Parität und Imparität nichts zu schaffen. Im Allgemeinen sind für die Ertheilung der Erlaubniß an Lehrer, die zu Stadtverordneten gewählt werden, lediglich die Gründe für die Schulverwaltung maßgebend, die auf unterrichtlichem Gebiete liegen. ö

Es ist richtig, daß die beiden Vorgänger des Hrn. Köhler Stadtverordnete gewesen sind. Es ist rur darin ein Irrthum, daß Beide als Liberale bezeichnet sind, während der eine von ihnen jedenfalls von allen Parteien, sowohl von der ultramontanen wie von der liberalen, gleichmäßig als Kandidat aufgestellt und gewählt war. Die Verhältnisse in Emmerich haben sich aber geändert. An die Stelle der früberen einfachen Wahl bewegung ist ein hochgespannter, leidenschaftlicher Kampf getreten. Hr. Direktor Köhler war Leiter der einen Partei, ter ultramontanen Partei, und., ist nach, man kann sagen für die Stadt nicht gewöhnlichen Wablkämpfen, mit deren Details ich Sie verschonen will, weil ich nicht in der Lage bin, im Augenblick sie zu beweisen, aber unter Daransetung des letzten Restes der gegenseitigen Thätigkeit ist dann die Wahl zu Gunsten des Herrn Köhler mit wenigen Stimmen zu Stande gekommen. Sind schon solche Erscheinungen unbequem in einer großen Stadt, so sind sie jedenfalls, man kann sagen, nicht zu dulden in einer kleinen Stadt, wo das Gymnasium im Mittelpunkt aller Interessen liegt, denn die eine Partei, die unterlegen ist, wird jeden falls, wie die Erfahrung lehrt, verfuchen, das Eymnasium auf jede Weise in dem Vertrauen zu schwächen und in dem Virektor das Gymnasium zu strafen und zu schädigen. Das kann unter allen Umständen im Interesse der Unterrichtsverwaltung nicht liegen Wenn sich die Sache so zuspitzt, wie in Emmerich, dann ist es viel besser. es tritt gar kein Lehrer in die Stadtverordneten versammlung mehr hinein. Er thut lieber als Lehrer seine Pflicht.

Unter diesem Gesichte punkt sind die Angelegenheiten auch stets behandelt worden: lediglich unter dem Gesichtspunkt des Interesses der Anstalt. Gleichzeitig ist, wie ganz richtig hervorgehoben worden ist, ich glaube in Düsfeldorf und in Wefel einzelnen Herren (ich glaube, es waren auch Dircktoren) die Genehmigung ertheilt worden, in die Stadtverordnetenversanimlung einzutceten. Meine

erren, die Konfeffion spielt dabei abfolut gar keine Rolle, sondern ediglich das Interesse der Anstalt, und ich kann versichern, daß in diesem Falle, welcher den Direktor Köhler betrifft, wie in den anderen lediglich aus Zweckmäßigkestsrücksichten der Anstalt entschieden worden ift. Ich habe andere Gründe nicht anzuführen. Ich kann versichern, daß in diefem Sinne die verschiedenen Falle entschieden worden sind, ganz gleichgültig, ob der Betreffende Katholik oder evangelisch ist. ch kann auch eine Aenderung in dieser Anschauung nicht versprechen.

Abg. Knörcke tritt für eine Aufbesserung der Gehälter

der Zeichenlehrer ein und wünscht ihnen einen größeren Einfluß im Lehrerkollegium zuzuweisen.

Abg. Halberstadt plädirt für eine Aufbesserung des Wohnungsgeldzuschusses der Lehrer in Hirschberg, der jetzige Satz entspreche nicht mehr den Verhältnissen.

Abg. Mosler beschwert sich darüber, daß ein evangelischer Lehrer sür den Geschichtsunterricht an das Koblenzer Gym⸗ nasium, welches ein katholisches ist, berufen ist.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. von Goß ler:

Meine Herren! Wenn ich auf das zuletzt Gehörte zuerst antworte, so darf ich erwähnen, daß mir diese Angelegenheit noch nicht vor— getragen ist. Ich böre nur, daß die Zahlenverhältnisse fich in Koblenz so gestaltet haben, daß dort unter 167 Schülern) 3660 latholische, 147 evangelische und 20 jüdische vorhanden sind. Jetzt ist der zweite evangelische Lehrer dort angestellt, der aber nicht Ge schichtsunterricht geben soll, sondern er ist altklassischer Philologe; das Aeußerste, was er als Geschichte lehrer leisten würde, wäre, daß er etwa in der alten Gefchichte Üinterricht ertheilte. Die Cinrichtun zen in der Rheinprovinz sind im Allgemeinen so gewefen, wie in anderen Provinzen daß im Interesse der Minoritäten auch in stiftungsmäßig ken fessionelt festgelegten Gymnasien einzelne Lehrer anderer Konfession angestellt werden dürfen, namentlich um Religionsunterricht zu ertheilen, ohne daß dadurch irgendwie der Charakter der Anstalt verändert wärde; namentlich soll auch in diesem Fall das ganze Leben der Anstalt vollkommen dem stiftungsmäßigen Charakter entsprechen. Wie gesagt, ich kenne den Fall noch nicht in seinen Einzelbeiten, ich bin auch nicht in der Lage, das nicht unerhebliche Material, welches für die Ent scheidung in Betracht kommt, zu beherrschen. Ich kann nur wieder holt versichern, ich will nochmals die Gesichtspunkte prüfen, welche der Herr Vorredner eben angeführt hat. .

Was nun die anderen Bemerkungen der geehrten Herten Vor— redner anbetrifft, so will ich zunächst bemerken, daß die Zeichenlehrer in ihrer Geiammtstellung das hat der Hr. Abg. Knörcke auch an— geführt vor einigen Jahren geheben worden sind; namentlich in ihrer Stellung in den Lehrerkonferenzen. Was die Gehaltefrage an— betrifft, so steht die Sache im Allgemeinen so, daß die Zeichen— lehrer wie die Elementarlehrer, die an den Phöberen Lehranstaltrn angestellt sind, angiren mit einem Vorsprung von 2 Jahren. Wenn nun, wie zu hoffen ist, die Gehaltsrezelung sich auch auf die Elementarlehrer an den höheren Anstalten erstrecken wird ich kann darüber keine sichere Mittheilung machen, weil ich nicht im Stande bin, sie zu geben; angemeldet sind sie meinerseits, so wird der Punkt des Gehalts sich befriedigend regeln.

Was die Hülfslehrer anbetrifft, so erkenne ich an, daß da nicht Alles so ist, wie ich es wünschte. Vor allen Dingen ist richtig, daß die Hülfslehrer unter Umständen an den einjelnen An— stalten zablreicher sind, als es im Interesse der Lehrer sowohl wie der Anstalten liegt. Im Großen und Ganzen macht es immer Schwierigkeiten, Hülfslehrerstellen in ordentliche Lehrerstellen um— zuwandeln; meist geschieht es nur dann, wenn die Mittel, welche die Anstalt aus eigenen Einnahmen aufbringt, gewachsen sind und auf diese Weise die finarzielle Unterlage für die Umwandlung darbieten. Ich erkenne an, daß das ein Punkt ist, auf welchen man seine ganze Aufmerksamkeit zu richten hat.

Ferner ist mir auch bekannt es war mir nicht gegenwiürtig, aber es ist richtig daß die Hülfslehrer nicht vereidigt werden, sondern daß die Lehrer erst vereidigt werden auf Grund ihrer definitiven Anstellung. Ein Nachtheil in Bezug auf die Pensionirung entsteht denselben aber nicht, denn für die Pensionirung kommt, un⸗ abbängig von dem Zeitpunkt der Vereidigung, die gesammte Zeit der Beschäaftigung im oͤfffentlichen Schuldienst in Anrechnung und das Pensionsgesen schreibt sogar ausdrücklich vor, daß auch das Prebejahr zur Dienstzeit zugerechnet wird. Also nach dieser Seite kann ein Nachtheil für die genannte Kategorie von Beamten nicht eintreten.

bg. Sperlich bittet den Minister, die Uebernahme des Gymnasiums zu Tarnowitz auf den Staat in Erwägung zu nehmen. Die Stadt Tarnowitz sei nicht im Stande, die An⸗ stalt zu halten, nachdem ihr die bisher gewährten Zuschüsse aus der oberschlesischen Bergbau-Hülfskasse entzogen sind. Die Nothwendigkeit der Erhaltung des Gymnasiums hat der Minister selbst anerkannt.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. von Goßler:

Meine Herren! Die Angelegenbeit ist, wie ich höre, eingehend in Ihrer Budgetkommission erwogen worden. Ich kann Sie nur bitten, sich dem Antrag Ihrer Budgetkommission anzuschlieen, über die hier in Rede stehende Petitien des Magistrats zu Tarnowitz zur Tages- ordnung überzugehen.

Zweierlei ist Gegenstand des Vortrages des Herrn Vorredners, einmal die Befürwortung des Antrags der Stadt Tarnowitz auf Ueber⸗ nahme der Anstalt auf den Staat. In dieser Beziehung ist Hoffnung vor⸗ handen, daß auf Grund der zwischen der Staatsregierung und den Inter⸗ essenten gepflogenen Verhandlung sich eine Einigung erzielen lassen wird; im wesentlichen hat der Herr Finanz⸗Minister sich mit der Ueber⸗ nahme des Realgymnasiums in Tarnowitz auf den Staat schon ein⸗ verstanden erklärt. Das ist die Hauptsache. Die Nebensache betrifft

kann der Stadt alle Sympathien entgegentragen, daß durch die Zeitverhältnisse dahin gebracht worden ist,

dem Stadtsäckel eine so große Summe flüssig zu machen. Aber im Grunde genommen ist sie im wesentlichen an ihrer üblen Position selbst schuld, indem sie die Verstaatlichungsverhandlung durch neu gestellte Bedingungen so weit hinausgeiogen hat, daß die Zuschüsse, von denen der Herr Vorredner richtig sprach, eher zurück gezogen sind, eher abgelaufen sind, als die Uebernahme der Anstalt auf den Staat erfolgen konnte. Auf diese Weise kommt es, daß ein ganzes Jahr ungefähr verlaufen wird, ehe diese Stadt aus ihrer üblen Lage berauskommen kann. .

Die Staatsregierung ist absolut nicht in der Lage irgend einen Zuschuß zu gewähren, weil es in meinem Ressert wie in dem der Finanzverwaltung an jedem Dispositionsfonds fehlt. Jeder Zuschuß, welcher für das höhere Unterrichtswesen gezahlt wird, geht hier in der Einzelberathung durch den Etat, und es fehlt an jedem allgemeinen Fonds, aus welchem innerbalb eines Etatssahres irgend ein Wunsch der Interessenten auf dem Gebiet des höberen Schulwesens erfüllt werden könnte. Das können sich gewöhnlich die betreffenden Kommunen nicht vorstellen, es ist aber so und ich muß jedesmal den Herren den Staatshaushalt vorlegen, um ihnen nachzuweisen, daß jeder Pfennig, welcher zur Aus⸗ gabe kommt, sei es im Staatshaushalts Etat, sei es in seinen An⸗ lagen, genau berechnet ist.

Ich kann also nur damit schließen, womit ich begonnen habe: ich hoffe, daß der Hauptantrag der Stadt auf Verstaatlichung An⸗ nahme findet und die nicht erheblichen Differenzen, welche noch vor⸗ liegen, sich ausgleichen lassen werden.

Was den zweiten Antrag betrifft, so kann ich nur sagen, es thut mir leid, ich weiß aber nicht, wie der Stadt geholfen werden kann. Auf einen Antrag des Abg. Wuermeling erklärt der Regierungs- Kommissar Geheime Ober⸗-Negierungs-Rath Bohtz, daß der Plan fi den Neubau des Gymnasiums in Münster so weit fertiggestellt sei, daß vielleicht noch im Herbst mit dem Neubau begonnen werden könne.

Abg. Lr. Windthorst bittet, beim Gymnasium in Lingen mehr katholische Lehrer anzustellen.

Abg. Freiherr von Huenxg bittet den Minister, die Uebernahme des Gymnasiums Tarnowitz auf den Staat zu beschleunigen.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. von Goßler:

Meine Herren! Ich höre, daß in den letzten Tagen erst eine neue Petition der Stadt Tarnowitz eingegangen ist, . ich i