Königsberg, 26. März. Der Provinzial⸗Landtag der Provinz Ostpreußen wurde gestern von dem Ober⸗Prä⸗ sidenten von Schlieckm ann mit folgender Ansprache eröffnet:
Seit wir uns an dieser Stelle das letzte Mal gesehen, haben wir nicht immer fröhliche Tage verlebt. Unser erhabenes Hohen⸗ zollernhaus, an dessen Wohlbefinden wir nach alter Preußen Sitte immer den innigsten Antheil nehmen, ist von einem schweren Verluste betroffen. Die erste Deutsche Kaiserin, die edelste
rau des Vaterlandes ist zu ihren Vätern heimberufen.
benso hat die obnebin nicht aut situirte Landwirthschaft, welche gerade für unsere Provinz der Haupterwerbszweig ist, auf ein sehr schlechtes Jahr zurückzublicken — Die Ernte des vergangenen Jahres ist überall in der Provinz keine gute, mannigfach sogar eine recht schlechte gewesen und hat dadurch Störungen im Erm erbsleben ber⸗ vorgerufen, welche in allen Berufekreisen sich in 'trückender Welse füblbar gemacht haben. Hoffen wir, daß bessere Ernten und beffere Zeiten uns bevorstehen. Ich heiße Sie zu Ihrer dies maligen Thätigkeit berzlich willkommen. Der Sie erwartenden Arbeiten find nicht wenige und wichtig genug. Zwar die Staats regierung wird Ihnen nicht viel Arbeit verursachen, indem sie außer einigen Wahlen zu Ersatz kommissionen nur ein Gutachten von Ihnen über die Veränderung einer Kreisgrenze verlangen wird. Desto mannigfacher sind die Sie erwartenden Geschäfte Ibrer kommu—⸗ nalen Verwaltung. Sie haben den Verwaltungebericht Ihres Aus—⸗ schuffes entgegen zu nehmen, Rechnungen, zu entlasten und die ein⸗ zelnen Etats festzustellen. Es wird Sie hierbei freudig berühren, daß trotz mehrfacher von Ihnen erbetenen neuen Ausgaben es Ihrem Auszschusse gelungen ist, Ihnen einen Etat vorzulegen, welcher keine böbere Beläftung der Provin; beansprucht als im vergangenen Jahre. Sie werden ferner Gelegenheit haben, durch die Annahme der Vor—⸗ lage über die Reliktenbeiträge der Provinzialbeamten Ihr Wohl wellen für diefelben zu bethätigen. Sie werden sodann durch Bereitstellung erbeblicher fernerer Mittel Ihr Interesse für den fo überaus wichtigen Ckauffeebau zu bekunden haben. Sie werden auch in Bezug auf die Armenfürsorge im weiteren Sinne, und zwar durch Prüfung und hoffentlich durch Annahme der Ihnen in dieser Be⸗ ziehung gemachten neuen Vorschläge wegen Wiederaufnahme von Pflegllngen in die Landarmen · Anstalt zu Tapiau, durch Anngbme des neuen Reglements fär das Wilhelm ⸗Augusta- Siechenhaus in Pr. Eylau und durch geringe Unterstützungen zum Bau von Kreisarmenhäusern wenigstens Finizes dau ihun können, um die für unsere Zeit so unendlich wichtige soziake Frage, wenn auch nur um wenige Schritte, ihrer Lö ung ent- gegenzuführen. Auch ein Antrag auf Bewilligung der Mittel zur Erbauung einer neuen Brücke über die Szeßrppe bei Lenken wird in diesem Jahre nicht fehlen. Endlich werden auch dies rial von Ihnen Mittel zu allerlei gemeinnützigen und wohlthãtigen Zwecken er—⸗ beten, kesonders werden Sie Gelegenheit aten, durch Be— willigung der erbetenen Beihülfe für das Krankenhaus der Barmherzigkeit, welches vor einem bedeutenden Neubau steht, und dessen wobltbätige Wirkungen für die ganze Proxinz allĩeitig anerkannt werden, auch Ibrerseits Ibre Sympathien für diese Anstalt zu bekunden. Ich gebe mich der Hoffnung hin, daß es Ihnen gelingen wird, alle diese Arbeiten treu und erfolgreich zu vollenden, und erkläre hierdurch im Allerböchsften Auftrage den 14. ostpreußischen Provinzial⸗ Landtag für eröffnet.“
Sig maringen, 23. März. (W. T. B. Die Gräfin von Flandern nebst Gefolge ist heute zum Besuch bei der Fürstin-Mutter von Hohenzollern hier eingetroffen.
Bayern.
München, 25. März. Se. Königliche Hoheit der Pränz— Regent hat, der „Allg. Ztg.“ zufolge, genehmigt, daß 1) die sämmtlichen Mannschaften der Cheveauleger⸗Regimenter — die Unteroffiziere kmit Ausnahme der Portépée⸗-Unter⸗ offiziere) zunächst nur versuchsweise — mit Lanzen bewaffnet werden, 2) für die gesa mmte Kavallerie Stahl⸗ rohrlanzen zur Einführung gelangen, 3) die Vorschriften für das Hieb- und Stoßfechten außer Kraft treten.
— Sie Kammer der Äbgeordneten setzte in ihrer heutigen Sitzung die Berathung des Kultus-Etars fort, Die Pofitlon für die Ruhmeshalle wurde, wie wir der „Köln. Itg.“ entnehmen, an den Ausschuß zurückverwiesen, damit auch eine entsprechende Summe für die feierliche Enthüllung des Standbildes Ludwig's J. zum 25. August eingesetzt werde. Die Aufbesserung der Gehälter der Rektoren an Lyceen und Mittelschulen wurde genehmigt. Bei dem Kapitel der Lehrer-Bildungs anst alten wiederholte der Abg. Freiherr von Gagern die Wünsche der Bischöfe betreffs weiterer konfessioneller Trennung derselben, namentlich in Bamberg, und Errichtung einer dritten protestantischen Lehrer-Bildungs— anstalt. Andere Redner verlangten auch für die Lehrer— Bildungsanstalten Gewährung von Weihnachtsferien, die Abgg. Haus und Neindl gesonderte Prüjungen für klösterliche Lehramts⸗Kandidatinnen. Die Abgg. . Joseph Wagner und Seitz wiesen die Angriffe des Abg. Freiherrn von Gagern auf die simultanen Anstalten, als ob diese Indifferentismus und folgerichtig die Sozialdemokratie beförderten, zurück und meinten, man solle die Betonung dieser konfessionellen Gegensätze endlich weglassen.
Sachsen.
Dresden, 26. März. Ihre Majestäten der König und die Königin find, wie das „Dresd. Journ.“ meldet, Montag, den 24. d. M., von Nervi in Mentone zu mehrwöchigem Aufenthalt angekommen und im Hötel d' Italie abgestiegen. Im Allerhöchsten Gefolge befinden sich: General-Adjutant von Farlowitz, Ober⸗Hofmeister Geheimer Rath von Watzdorf, Leibarzt Ober⸗Stabszarzt Dr. Jacobi und die Hofdamen Gräfin von Einsiedel und Freiin von Miltitz.
Beide Kammern hielten gestern Nachmittag ihre Schl u ß— sitzungen ab. Die Erste Kammer bewilligte einstimmig und ohne Debatte in Uebereinstimmung mit der Zweiten Kammer zunächst Kap. 11, Reservefonds, in Tit. 1 mit 345 344 466 sstatt 78 945 ½) und genehmigte alsdann ebenso unter Namens⸗ aufruf das Finanzgesetz, soweit dies nicht schon hinsichtlich der ss. 2 und 3 früher geschehen ist. Auf Grund des verabschiedeten Staatshaushalts-Etats wurden sodann die Ueberschüsse und Zuschüsse des ordentlichen Staatshaushalts⸗Etats für jedes der Jahre 1890 und 1891 auf die Summe von T 566 64 S in Uebereinstimmung mit der Zweiten Kammer einstimmig und ohne Debatte mittels Namens⸗ aufrufs festgestellt, sowie zu außerordentlichen Staatszwecken für diese beiden Jahre überdies noch ein Gesammibetrag von 31 384 450 Je eingesetzt. Nachdem von Verlesung der ständischen Schrift über den Etat J., worden, trug Se. Königliche Hoheit der Prinz eorg das inzwischen aus der Zweiten Kammer herübergelangte Allerhöchste Acceptations-Dekret vor. Danach ergriff der Präsident Wirkliche Geheime Rath von Zehmen das Wort, um der Königlichen Staatsregierung, der Kammer und dem Direktorium zu danken, und gedachte der reichen Thätigkeit der Versammlung, auch mit dem Ausdrucke der Trauer der
mehrfachen Verluͤste, welche die Kammer während der Session erlitten hatte. Der Vize⸗Präsident Ober-Bürgermeister Dr, Stü bel gab dem Danke der Kammer für die Geschäfts führung des
Hrn. Präsidenten und des Direktoriums beredten Ausdruck, wäh⸗ rend der Staats⸗Minister von Nostitz⸗Wallwitz Namens der Königlichen ba, r,. der Kammer und dem Präsidenten für ihr Entgegenkommen dankte. Der Präsident von Zehmen seinerseits gab den Gefühlen des Dankes für die khm' entgegengebrachte wohlwollende Gesinnung Worte und schloß alsdann die Sitzung mit einem dreimaligen Hoch auf Se. Majestät den König, in welches die Kammer begeistert ein⸗ ssimmte Die Zweite Kamm er nahm den Vortrag des König lichen Acceptations⸗Dekrets zum Staatshaushalts⸗Etat entgegen, sowie denjenigen der üblichen Zusammen⸗ stellung der während des Landtgges von der Kammer er— ledigten Geschäfte, worauf der Präsident Dr. Haberkorn einen Ueberblick gab über den Verlauf der Tagung, die befriedigende Finanzlage rühmte, die gestattet habe, für Kunst und Wissenschaft, Handel und Gewerbe, Industrie und Land⸗ wirthfchaft bezeutende Einstellungen zu machen, und seinen Kollegen im Direktorium, den Deputationen und sämmtlichen Kammermitgliedern für ihre Thätigkeit den wärmsten Dank aus—⸗ sprach. Auf Ersuchen des Vlze⸗Präsidenten Streitgab die Kammer dem Präsidenten ihren Dank durch Erheben von den Sitzen zu erkennen, worauf der Staats⸗-Minister Dr. von Gerber Namens der Regierung dem Präsidenten, dem Direktorium und der ganzen Kammer für das einträchtige Zusammen— wirken mik der Regierung dankte. Mit einem dreifachen, mit Begeisterung aufgenommenen Hoch auf Se. Majestät den König, die Versassung und das Vaterland schloß der Präsident die Sitzung. .
Heute fand, wie bereits gemeldet, die feierliche Ver⸗ abschiedung des Landtages statt. Die hierbei von dem Staats-Minister, General der Kavallerie Grafen von Fabrice gehaltene Ansprache lautete:
Ehe ich nun, meine sehr geebrten Herren, zu der Verabschiedung des gegenwärtigen Landtages schreite, habe ich zunächst auf Grund des mfr hierüber ertheilten besonderen Befehls den heute hier vereinten hohen Ständekammern den gnädigsten Gruß unseres Königlichen Herrn zu entbfseten und Ihnen auszusprächen, wie lebhaft und aufrichtig Se. Majestãt bedauern, verhindert gewesen zu sein, die Herren Stände an dem heutigen Tage nicht nochmals um sich persammelt zu sehen. — Se. Majestãt erkennen zu Alterböchtfeiner hoben Genugthuung und Freude die lovase und patrirftische Gesinnung und Haltung sowie das getreue unausgesetzte Streben, die Interessen und die Wohlfahrt Sachsens zu förbern und weiter zu entwickeln, welche die Stände des Landes auch während diefes run berflossenen Landtages wiederum bethätigt haben, und wollen deshalb auch Allerhöchseinen desfallsigen huldvollen Königlichen Dank Ihnen ganz besonders ausgesprochen wissen.
Indem Se. Mejestät die sehr geehrten Herren nach einer er¶— sprießlichen Thätigkeit unter besten Wänschen in Ihre resp. Heimath in Gnaden wiederum entlassen, versehen Allerhöchstdieselben Sich dessen, daß auch dort ein jeder zu seinem Theile jenen Patriotismus und jene Hingebung für des Landes Wobl nur fort und fort bethätige, die nun schon seit langen Jabren die hohen Stände— kammern kennzeichnen und Ihnen zur Zier und zum Ruhme gereichen.
Anhalt.
Dessau, 25. März. (Anh. St.-A.) Der Landtag genehmigte heute in dritter Lesung die Vorlage, betreffend die Veräußerung landesfiskalischer Grund stücke, und setzte hierauf die zweite Lesung des Haupt-Finanz-⸗Etats für 1890791 fort, womit die zweite Lesung der Vorlage, be— treffend die Herstellung einer Reserveschachtanlage für das Salzwerk Leopoldshall, verbunden wurde. Zu der letzteren stellte der Abg. Kranz als Berichterstatter der Kom⸗ mission folgenden Antrag:
„Der Landtag wolle in Anerkennung der Nothwendigkeit der Her stellung einer selbständigen Reserveschachtanlage für das Herzogliche Salzwerk Leopoldshall auf dem Gegerflügel seine Genehmigung zur Ausführung derselben ertheilen und die Herzogliche Staatsregierung ermächtigen: 1) für den Grunderwerb einen Betrag bis zur Höhe von 50 600 ½ aus der Staatsschulden-⸗Verwaltungskasse zu entnehmen, 2) als erste Rate der mit 700 009 M veranschlagten Gesammikosten der bergbaulichen Betriebsanlage die Summe von 250 000 „ in den Etat für 1890,91 einzustellen.“
Der Kommissionsantrag wurde einstimmig angenommen und sodann „Eigene . Tit. III. Von Bergwerken. 1) Vom Salzwerk Leopoldshall und „Eigene Ausgabe“ Tit. V. Finanzverwaltung. D. Bergwesen. 14) Salzwerk Leopoldshall genehmigt.
Desterreich⸗ Ungarn.
Wien, 26. März. Die Kur Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin ist, wie der Presse“ aus Wiesbaden gemeldet wird, von gutem Erfolge begleitet. Das Befinden Ihrer Majestät ist ein sehr gutes. ; .
— Im Abgeordnetenhause brachten Rieger und Ge— nossen eine Interpellation ein wegen einer Entscheidung der Prager Statthalterei, nach welcher der Magistrat von Prag mit dem Pfarramte der Augsburger Konfefsion deutsch zu korrespondiren, habe. Die Interpellanten betonten, eine solche Entscheisung verletze Millionen treuer loyaler Staatsbürger in ihren nationalen Gefühlen.
Großbritannien und Irland.
London, 25. März. 89 C.) Die amtliche „London Gazette“ veröffentlicht den Wortlaut des neuen englisch— amerikanischen Auslieferungsvertrages. Er tritt binnen 160 Tagen nach der Veröffentlichung in Kraft.
Im Sberhause lenkte gestern Carl Percy (konsern) die Aufmerkfamkeit auf die Frage der Ausrüstung der Frei⸗ willigen und verlangte, daß die Kosten der Ausrüstung gänzlich vom Staate getragen werden sollten, da keine Aussicht vor—⸗ handen sei, daß die erforderliche Summe durch freiwillige Bei⸗ träge aufgebracht werden könnte. Nach längerer Erörterung erklärte der Unter⸗Staatssekretär für das Kriegswesen, Earl Brownlow, daß die Regierung nach der jüngsten Abstim— mung im Unterhause. über den Gegenstand wohl einsehe, daß eine nochmalige Erwägung der Frage nothwendig fei. Es wäre nur recht und billig, daß die freiwilligen Wehr⸗ kräfte des Landes in den Stand gesetzt würden, ihre Aufgabe mit einer hinreichenden ,, zu lösen.
Im Unterhause kündigte der Schatzkanzler Go schen die Linbringung des Budgets für den 14. April an. — Bryce richtete an den Unter-Staatssekretär für die auswärti= gen Angelegenheiten die Anfrage, ob eine Regelung mit der chinef ifchen Regierung und den Behörden von Tibet bezüglich der Siktim⸗Frage erzielt worden sei und wenn so, ob er Angaben über die Natur des getroffenen Abkommens machen könne. Sir . Fergus son antwortete: es sei von den Bevollmächtigten der Königin und des Kaisers von China ein Ver⸗
66 unterzeichnet worden, der behufs Ratifikation nach England gesandt wurde. Der Text des Vertrages würde als⸗ dann dem Parlament unterbreitet werden. — Cremer (radikal) erkundigte sich bei dem Ersten Lord des Schatz amtes, ob der Regierung vom Deutschen Kaiser eine amtliche oder andere Mittheilung zugegangen sei, bezuůglich des Wunsches Sr. Majestät nach dem Zusammentritt einer inter⸗
nationalen Konferenz, betreffend eine gegenseitige und
gleichzeitige Ab rüstung, und ob, falls ein solcher Vorschlag nicht erfolgt sei, die britische Regierung sich bestreben würde, die Anschauungen der Regierungen, mit denen sie freundliche Beziehungen unterhalte, über den Gegenstand zu ermitteln. Smith antwortete: die Regierung habe eine der⸗ artige Mittheilung 6 empfangen. Es sei offenkundig, daß eine derartige Absicht von keiner Regierung gehegt werde. Ihrer Majestät Regierung unterhalte friedliche Be⸗ ziehungen mit sämmtlichen Mächten, aber sie halte sich nicht für befugt, den von Cremer angeregten Schritt zu ergreifen. — Das Hauptereigniß der Sitzung bildete die Einbringung der in der Thronrede verheißenen irischen Güteran kaufs⸗ Vorlage. Der Ober⸗Sekretär für Irland, Balfour, welcher die Vorlage einbrachte, bezeichnete diese als Maß⸗ regel zur Erleichterung des Ankauss von Land in Irland, für die Besserung der Verhältnisse der ärmeren und über⸗ völkerten Bezirke sowie für die Bildung eines Land-Departe⸗ ments. Balfour schickte voraus, daß, so schwierig auch das Problem sei, die Zahl der Bauerngrundbesitzer in Irland zu vermehren, dies dort leichter sei als in England oder in Schott⸗ land, weil der Preis von Land in Irland stets billiger war als in England oder Schottland. Man habe es jedoch mit dem schwierigsten und verwickeltsten Bodensystem zu thun. In vielen Fällen wären in Irland nicht weniger als fünf Personen vom Pächter bis zum obersten Grundbesitzer an dem Besitz eines Pachtgutes interessirt, und die meisten Güter seien mit Hypotheken helastet, einige geradezu hoffnungslos. Sodann ging der Ober-Sekretär zu einer Eiläuterung der Bestim— mungen der Vorlage über:
Sämmiliche Körperschaften in Irland, welche Staatsgelder für Zwecke des Eüterankauis vorschießen, und es giebt deren nickt weniger is fünf, sollen in ein eirzig-s Departement, das sogenannte „Land Department“ verschmolzen werden, welchem die Handbabung des neuen Gefetzes anvertraut werden soll. Der Ankauf und Verkauf von Gütern werde freiwillig und nicht kompulsorisch sein Kom⸗ pulsorifch könnte das Gesetz nicht gemacht werden, ohne es auf ganz Irland anzuwenden. Eine solche riesige Maß⸗ regel sei indeß vorläufig nicht in Aussicht genommen. Die Vorlage bürde dem Pbritischen Steuerzahler kein Risiko auf., aber sie verpfände den hritischen Kredit. Die Methode Les Göüterankaufs sei nicht die im Ashbourne'schen Gesetz adoptirte. Die Regierung balte es nicht für nothwendig, mehr als den 29 ährigen Kaufpreis des reinen Pachtzinses vorzuschießen. Der Ausdruck „reiner Pachtzins“ bedeute den Zins nach Abzug der lokalen Abgaben, welche jetzt der Grundbesitzer entrichte, aber nach bewerkstelligtem Ankauf det Pächter zahlen würde. Wenn Verkäufer und Käufer sich über den Kaufpreis nicht zu einigen vermögen, stelle das Land Department den Preis fest. Etwaige rückständige Pachtzinse können auf den Kaufpreis geschlagen werden, aber sie durfen den Räücksttand eines Jahres nicht übersteigen. Sobald sich das Land Department überzeugt hat, daß es sich um eine bons fide Trans⸗ aktion handle, schießt es den Kaufpreis vor, und der Pächter wird unverzüglich Eigenthümer mit der alleinigen Verpflichtung, für die Dauer von 47 Jahren jährlich 490 des Vorschusses abzuzahlen. Wäh⸗ rend der ersten 5 Jahre würde der Pächter einen Extrabetrag zu zohlen haben, der als eine Act von Versicherungefonds gegen besonders schlechte Zeiten reservirt, aber später zurückerstattet werden würde. Die Sicherheit für die Vorschüsse würden die vom Reichsschat für allgemeine oder örtliche irische Zwecke beigesteuerten Gelder bilden, und die DOrtschaften würden für jedes Defizit aufkommen müssen. Die Vorlage verfügt die Bildung eines Garantiejonds, deffen kaxitalisirter Werth etwa 33 000 000 Pfd. Sterl. für Ankaufs= zwecke beschafft. Wenn diese Summe sowie die in Gemäßheit des Askbourne'schen Gesetzes vorgeschossenen 10 900 90990 Pfö. Sterl. zurückgezahlt sind, follen die e Beträge wieder für Güterankaufs;wecke vorgeschoffen werden, sodaß sie einen ewigen Fonds für die Verwand⸗ lung von Pächtern in Grundbesizer bilden würden. In den ärmeren und überrölkerten Distrikten soll eine Senderverwaltung gebildet werden, welcher eine gewisse Geldsumme zur Verfügung gestellt werden würde, um die Ein. und Auswanderung zu erleichlern, Kartoffel⸗ samtn zum Kostenpreise an arme Pächter gegen baares Geld abzu⸗ lassen, sowie den Fischfang und die Industrie des Einsalzens von Fischen zu heben.
Der Ober⸗-Sekretär schloß seine Auseinandersetzungen mit dem Wunsche, daß der Plan nicht nur die Wohlfahrt Irlands heben, sondern auch England die langgewünschte Ruhe ohne Risiko, für den Steuerzahler geben werde. Gladstone, der hierauf das Wort nahm, behielt sich seine Kritik vor, bis er die etwas verwickelten Finanzworschläge der Regierung bewältigt haben werde. Er versprach, die Vorlage soweit als möglich ohne Rücksicht auf Parteifragen zu prüfen. Die Vorlage wurde sodann in erster Lesung genehmigt.
Frankreich.
Paris, 27. März. (W. T. B.) Die Königin Victoria ist heute in Aix⸗Ies⸗-Bains und der Kronprinz von Schweden auf der Durchreise nach Nizza gestern hier eingetroffen.
Den Morgenblättern zufolge hätten die Arbeiter der Schlachthäu fer von La Viklette beschlossen, übermorgen zu feiern und eine Demonstration zu veranstalten.
Italien.
Rom, 23. März. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Senats erwiderte auf eine Anfrage Brioschi's, der eine feste Regierung verlangte, der Minister⸗Präsident Crispi; er könne versichern, daß die letzten Ereignisse in Berlin die auswärtige Politik Italiens nicht beun⸗ ruhigt hätten. Die Tripelallianz bleibe dadurch underändert. Alsdann widerlegte Crispi die Ansicht Brioschi's, daß die Politik der Regierung dahin gehe, große Rüstungen zu veranstalten; Italien habe wohl daran gethan in die K einzutreten; es hätte dies thun müssen, wenn es dasselbe bisher nicht gethan hätte. Eine andere Politik hätte noch größere Ausgaben, röͤßere Rüstungen veranlaßt, welche von den krankhaften Zuständen Europas abhingen. Italien sei nicht mächtig genug, um diese Lage zu ändern. Der Minister ist der Ansicht, die Rüstungen Italiens seien geringer als die anderer Länder. In Anbetracht jedoch, daß andere Rationen mehrere Millionen Soldaten unter Waffen stellten, könne man nicht sagen, daß Italien alles Nothwendige geihan habe. Trotz⸗ dem gestatte die gegenwärtige militärische Lage, gegen alle Eventualitäten Front zu machen, die darauf hinzielten, den Frieden zu stören, den man mit Aufbietung aller Kräfte auf⸗ recht zu erhalten suche. Er hoffe, diese Erklärungen würden
Brioschi zufrieden stellen und ihn zu der Einsicht bringen, daß die innere wie die auswärtige Politik des Landes nur das Ziel im Auge hatte, dem Lande eine gute Verwaltung und gute Finanzen zu sichern. Alfieri gegenüber bemerkte Crispi: die auswärtige Politik lasse sich nicht aus dem Stegreif machen. Das Bündniß sei bereits im Jahre 1882 abgeschlossen worden; er sei nur bemüht gewesen, die Wirkungen desselben noch zu verbessern. Wenn Alfieri an seiner (des Ministers) Stelle wäre, so würde er wohl der Erste sein, dem Bündniß Achtung zu verschaffen. Eine Politik der Neutralität, welcher Alfieri den Vorzug gebe, würde dem Lande bedeutendere Ausgaben und größere Rüstungen auferlegt haben.
Spanien. Madrid, 27. März. (W. T. B. Die Deputirten— kamm er nahm heute den Gesetzentwurf, betreffend das all— gemeine Stimmrecht, an.
Niederlande.
Haag, 21. März. (A. 3.) Die in den jüngsten Tagen von auswärtigen, namentlich französischen Tagesblättern über das Befinden des Königs verbreiteten ungünstigen Nach—⸗ richten stellen sich glücklicherweise als vollständig un begründet heraus. Der Zustand des Königs ist im Gegentheil höchst befriedigend, wie schon aus dem Ümstande hervorgeht, daß in der jungsten Zeit wiederholt Abendunterhaltungen auf dem Königlichen Sommerschlosse „Het Loo“ abgehalten wurden, bei welchen der hohe Herr anwesend war. ö.
Die Deutschen in Amsterdam haben an den Fürsten Bismarck folgende Adresse abgehen lassen:
„In dem Augenblick, in welchem der erste Kanzler des neu erstandenen Deutschen Reichs in den Stand der Rahe tritt, drängt es uns Deutfcke in Amsterdam, voll Bewunderong der tbatenreichen Geschichte der letzten Jahrzehnte, Eurer Durchlaucht unsere Gefühle der Dankbarkeit und Verehrung zum Ausdruck zu bringen. Möge das für ewige Zeiten festgefügte Deutschland, dessen wir stets in unwandel⸗ barer Änhaͤnglichkeit gedenken, der Lohn sein für Eurer Durchlaucht unermüdliches Walten! Möge es Eurer Durchlaucht vergönnt sein, nach dem mühevollen und glorreicken Werke noch langer Jahre der Erholung im Vollbesitze der Gesundbeit zu genießen!“
Belgien.
Brüssel, 25. März. Die „Gazette“ meldet: der König habe dem Fürsten Bismarck in einem längeren Schreiben sein Bedauern über den Rücktritt des Fürsten sowie seinen Dank für die Sympathien ausgesprochen, welche der Reichs— kanzler jederzeit Belgien entgegengebracht habe.
Türkei.
Wie „W. T. B.“ aus Canea auf Creta u. d. 27. März berichtet, hat die Pforte, amtlicher Meldung zufolge, die jüngsten auf Einsperrung lautenden kriegsgerichtlichen Verurtheilungen aufgehoben und in Geldstrafen um— gewandelt.
Amerika.
Vereinigte Staaten. Washington, 25. März. (A. C.) Der neue Auslieferungsvertrag zwischen Großbritannien und den Vereinigten Staaten wurde heute formell kundgemacht. — Der Prösident erließ ferner eine Bekanntmachung, durch welche Schiffe gegen das Einlaufen in das Behringsmeer innerhalb des Bereiches der Vereinigten Staaten zum Fang pelztragender Thiere gewarnt werden.
Das Repräsentantenhaus genehmigte in seiner heutigen Sitzung die Weltausstellungs-Vorlage sammt einem Zusatze, welcher vorschlägt, die Ausstellungsgebäude am 12. October 1892 einzuweihen und die Ausstellung am 1. Mai 1893 für 6 Monate zu eröffnen.
New - York, 25. März. (A. C.) Die große Jury des Assisenhofes gab heute eine Erklärung ab, welche das Sheriffsamt, in welchem jüngst arge Unregelmäßigkeiten vorkamen, als eine Schande für die Stadt New-York und die Civilisation bezeichnet.
Afrika.
Eg ypten. Kairo, 24. März (Times.) Die Kom—⸗ missare der Staatsschulden-Tilgungskasse haben die Auf nahme einer Summe von 1740 000 Pfd. Sterl. ge— nehmigt, welche einen Theil der geplanten „proz. Anleihe von 5 000099 Pfd. Sterl. bilden soll. Sie sind aber dafür, daß die egyptische Regierung die Anleihe nicht vor dem 1. Mai emittire und bis dahin nochmals versuche, die Zustimmung Frankreichs zu dem Konversionsplan zu er— halten. Das Geld wird gebraucht für Drainage und Be—⸗ wässerungswerke, sowie für Pensionszwecke.
Sansibar. San sibar, 24. März. (A. C.) Der britische Konsul Johnston ist auf dem Kanonenboot „Reindeer“ von Mozambigue hier eingetroffen, um den General⸗Konsul Oberst Euan⸗-Smith zu . — Der ita⸗ lienische General⸗Konsul hat dem Sultan eine prächtige Staats karosse als Geschenk des Königs von Italien über⸗ geben. — Der „Conquest“ und der „Som ali nebst einer großen Flotille von Booten sperren Pemba gegen den Sklavenhandel ab. Kapitän Casati reist am 3. April auf dem französischen Postdampfer nach Italien ab.
— (W. T. B.) Nach einer Meldung der „Köln. Volksztg.“ aus Sansibar soll die Herrschaft der Araber in Uganda am Victoria-See gestürzt sein. Die Araber hälten am 4 Oktober v. J. eine schwere Niederlage erlitten und sich in die frühere Missionsstation Rubaga, die am5ö. Oktober erstürmt wurde, zurückgezogen. Die meisten Araber sollen gefallen sein. Der Gegenkönig Karema soll nach Unyoro, wo ihn der Häuptling nicht dulden wolle, geflohen sein. Am 11. Oktober sei Mwanga wieder in Rubaga eingezogen.
Parlamentarische Nachrichten.
In der heutigen (38.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Minister der geistlichen 2c. An⸗ gelegenheiten Dr. von Goßler, der Fingnz-Minister Dr, von Scholz und der Minister des Innern Herrfurth beiwohnten, stand auf der Tagesordnung an erster Stelle die Verlesung der Interpellation der Abgg. von Rauchhaupt und Graf zu Limburg-Stirum, betreffend die Fürsorge für die Hinterbliebenen des Gendarmen Müller in Köpenick.
Die Interpellation lautet: ;
Beabsichtigt, die Königliche Staatsregierung für die Hinter⸗
bliebenen des bei einem Aufruhr am 2A. d. M. zu Köpenick er⸗ schoffenen Gendarmen Muller in derselben Weise Fürsorge zu
treffen, wie dies durch Gesetz vom 17. April 1885 für die Hinter ⸗ bliebenen des zu Frankfurt a. M. ermordeten Polizeikommissars Rumwff gescheben ist?
Der Minister des Innern Herrfurth erklärte, daß er die Interpellation im Namen der Staatsregierung sofort zu beantworten bereit sei.
Der Abg. Graf zu Limburg-Stirum führte aus, daß das Einbringen der Interpellation durchaus keinen Vorwurf gegen die Staatsregierung enthalte, die alles gethan habe, was sie habe ihun können. Der Regierung sei zuzustimmen, daß die militärische Macht nur im äußersten Nothfalle heran— gezogen werden solle. Der Tumult sei von jugendlichen Leuten, nicht von den Führern der Sozialdemokratie angezettelt, aber er sei die Folge der Hetzereien, und es würden noch ähnliche Dinge erlebt werden. Der Todesfall des Gendarmen Müller stehe ebenso wie der Meuchelmord des Polizei⸗Raths Rumpff im Zusammenhange mit der großen sozialen Bewegung und deren Ausschreitungen. Es solle nicht durch ein Spezialgesetz für die Hinterbliebenen des Gendarmen Müller gesorgt, sondern nur erreicht werden, daß die gewährten Mittel nicht in Form eines Gnaden— geschenks sondern in rechtsverbindlicher Form erschienen.
Der Minister des Innern Herrfurth erwiderte, daß die Regierung bereits vor Einbringung der Interpellation Ein— leitung getroffen habe, um in ausreichendster Weise den Hinter— bliebenen des Gendarmen Müller die nöthige Fürsorge zu Theil werden zu lassen. Die Staatsregierung sei gewillt, den Hinterbliebenen eines pflichttreuen, bei der Ausübung seiner Dienstangelegenheiten in schmählicher Weise ermordeten Beamten die Nactheile, welche sie durch den Tod ihres Ernährers erfahren hätten, so weit auszugleichen, als dies durch Bewilligung von Geldmitteln überhaupt möglich sei. Die Wittwe, welche bereits eine reichliche Unterstützung erhalten habe, werde bis zum 1. Juli das volle Dienst— einkommen ihres Ehemannes als Gnaden-Kompetenz beziehen; es solle ihr dann eine weitere Pension und ein erhöhter Erziehungsgelder-Beitrag gegeben werden, um die Familie nicht nur vor Nahrungssorgen zu schützen, sondern auch die tüchtige Erziehung der Kinder zu sichern. Di hierfür erforderlichen Mittel habe die Regierung in dem Gnaden— Pensionsfonds und in dem Fonds zur Unterstützung von Bearnten⸗Wittwen und ⸗-Waisen. Im Wege des Spezial— gesetzes diese Fürsorge zu bewirken, beabsichtige die Re— gierung nicht.
Abg. Graf zu Limburg-Stirum fand sich durch diese Erklärung vollständig befriedigt und verzichtete auf jede weitere Behandlung des Gegenstandes.
Damit war die Interpellation erledigt.
Hierauf wurde die zweite Berathung des Ent⸗ wurfs des Staatshaushalts-Etais für 186091 fortgesetzt.
h Ohne Debatte erledigte das Haus den Etat des Herren— auses.
Beim Etat des Abgeordnetenhauses empfahl der Abg. Berger eine Revision der Geschäftsordnung des Hauses, speziell die Beseitigung der Rednerliste.
Abg. Rickert meinte, daß die Rednerliste sich besser be— währt habe, als das im Reichstage übliche Verfahren.
Der Etat des Abgeordnetenhauses wurde bewilligt.
Beim Etat „Allgemeine Finanzverwaltung“ wies der Abg. von Meyer (Arnswalde) darauf hin, daß durch die Ueber— weisungen nach der lex Huene die Kreise zu Ausgaben ver— leitet würden, zu denen die überwiesenen Gelder eigentlich nicht verwendet werden sollten.
Abg. von Jagow hielt eine geordnete Finanzwirthschaft der Kreise für wohlvereinbar mit der lex Huene.
Der Eilat „Allgemeine Finanzverwaltung“ wurde hierauf bewilligt, ebenso ohne Debatte die „Allgemeinen Bemerkungen.“
Zum „Etatsgesetz“ lag folgender Antrag der Abgg. Olzem und Freiherrn von Zedlitz und Neukirch vor:
Das Haus der Abgeordnelen wolle beschließen, nach dem 8. 2 einzuschieben folgenden:
2a. Die bis zur gesetzlichen Feststellung des Staatshaushalts . Etats
(8. I) innerhalb der Grenzen desselben geleisteten Ausgaben werden
hiermit nas träglich genehmigt.
Abg. Olzem empfahl den Antrag mit dem Hinweis, daß der Etat vor dem 1. April nicht mehr zu Stande gebracht werden und auch ein Nothgesetz nicht mehr zur Verabschiedung kommen könne, da das Herrenzaus bereits in die Ferien ge⸗ gangen sei. Durch den Antrag werde dem der Verfassung nicht entsprechenden etatslosen Zustand die Schärfe genommen. Abg. Rickert erklärte sich mit dem Antrage einver— standen. ; ö.
Der Finanz-Minister Dr. von Scholz führte aus, daß es nicht ein korrektes, sondern ein bedenkliches Verfahren der Regierung wäre, ihrerseits ein Nothgesetz einzubringen. Wann sollte dieselbe den Zeitpunkt dazu für gekommen halten?; Einige Abgeordnete hätten noch gestern gemeint, den Etat fertigstellen zu können bis zum 1. April. Es sei auch keine Garantie vorhanden gewesen, daß ein Nothgesetz noch zur Verabschiedung kommen werde. Die Staatsregierung habe die Absicht gehabt, aus ihrer Initiative einen Antrag von dem Inhalt kes Antrages Olzem nach dem 1. April ein— zubringen. Durch den Antrag Olzem sei dieses Bedürfniß erledigt. Der Antrag Olzem sei sogar der korreltere Weg, denn die Seite, auf welcher die Verzögerung der Fertig⸗ stellung des Etats eingetreten, habe auch die Folgen derselben wettzumachen.
Die Abgg. Freiherr von Zedlitz, und Neukirch, Freiherr von Huene und Graf zu Limburg⸗Stirum sprachen ebenfalls für den Antrag. .
Der Antrag Olzem und mit ihm das Etatsgesetz wurden hierauf angenommen.
Damih war die zweite Berathung des Etats beendet.
Es folgte die erste Berathung des Gesetz entf wurfs, betreffend die Fürsorge für die Waisen der Lehrer an öffentlichen Vol sschulen. ö
Abg. Knörcke empfahl, die Vorlage einer Kommission zur Vorberathung zu uͤberweisen. Der Gesetzentwurf sei nur . einer Kerbesserung der Verhältnisse der Lehrer⸗ waisen. .
Abg. Graf d'Haussonville dankte der Regierung für Einbringung der Vorlage, die damit einer Anregung des Hauses gefolgt sei. .
Die Abgg. Seyffardt (Magdeburg), Gerlich und Dr. Windthorst erklärten sich mit der kommissarischen Vor⸗ berathung des Gesetzentwurfs einverstanden.
. 39 Rickert bedauerte, daß die Lehrer in Bezug auf ö. . tenversorgung nicht den anderen Beamten gleichgestellt würden.
Der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. von Goßler bemerkte, daß die Regierung bei dem bisherigen Modus habe bleiben müssen, weil sie auf die Gehaltsverhält—⸗ nisse der Lehrer keinen Einfluß habe. Es sei besser, wenn die Hinterbliebenen der Lehrer feste Zuwendungen erhielten, die sich nicht nach dem Gehalt richteten.
. Vorlage wurde der Unterrichts-Kommission über⸗
Die erste und zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend den Territorialsrsatz für die Ab⸗— tretung der braunschweigischen Hoheitsrechte über die Goslarsche Stadtforst und den Rechts— zustand der Stadtforst, sowie die erste und zweite Be⸗ rathung des Gesetzentwurfs, die Abänderung von Amtsgerichtsbezirken betreffend, wurden ohne Debatte erledigt.
(Schluß 11 Uhr.)
(Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung Ha Abgeordneten befindet sich in der Zweiten B
Zeitungs ftimmen.
In der „Nationalliberalen Correspondenz“ lesen wir: Q nr Wenn der neue Reichstag, defsen Zusammentreten gleich nach Ostern bexorsteht, eine einigermaßen nützliche und erfolgreiche Thärig- keit entfelten oll, so ist es nur dadurch möglich, daß für die Vor ge der Regierung eine aus den bisherigen Kartellparteien und den gemäßigten Elementen, sei es der Centrums, sei es d Tutschfreisinnigen Partei, bestehende Majorität sich bildet. D Oprositionsparteien für sich allein können bei dem vollständigen Au 6 7 a
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inand n in fast allen positiven Anliegen nichts leisten, und eine us den Konservativen und dem Centrum nebst seinen Anbängseln bestebende Mehrheit zur Stütze der Regierungspolitik zu machen, ist ein Gedanke, der in einigen Köpfen der beiden Parteien gehegt werden mag, von seiner Verwirklichung aber heute so welt wie nur je entfernt ist. Gelingt es nicht, das was den Kartell— parteien an der Mehrheit fehlt, durch ig aus den gemäßigten Elementen der anderen Parteien zu ersetzen, so geräth die Reichs⸗ gesetzsebung überhaupt in Stockung un tagnation und es würde sich in kürzester Frist zeigen, daß mit diesem Reichstage ein Aus— tommen nicht möglich ist. Darauf wird bei der bevor- stehenden praktischen parlamentarischen Thätigkeit ein Versuch gemacht werden müssen. Man wird, zumal nachdem der verflossene Reichstag in pflichttreuer Arbeit, wenn auch auf die Gefahr einer vorübergehenden Einbuße an Volks— gunst, die dringendsten Bedürfnisse befriedigt hat, noc l daß auf der bezeichneten
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Grundverhältnisse von den heutigen nicht allz:
schließlich auch manche werthro kommen. Die Sammlung aller
gegenüber den drohenden Mächten des Umsturzes ist heute mehr als je ein Gebot, das auch run besonnenen und über die kleinlichsten Partei— gesichtpunkte sich erhebenden Männern des Centrums und der Linken anerkannt werden muß. Wir wollen hoffen, daß auch der neue Reichs⸗ tag einsichtig und patriotisch genug ist, die große, auf ihm liegende und durch die Zerstörung der alten Mehrheit nur gewachsene Verant⸗ wortung zu begreifen und ihr gerecht zu werden.“
Aus Anlaß der Debatten des Abgeordnetenhauses über das Schulwesen bemerkt der „HHannoversche Courier“:
„Wir steben vor einer Aera der Reformen; auf den verschiedensten Gebieten des öffentlichen und staatlichen Lebens regen sich frische Triebe, sind neue Gestaltungen im Entstehen begriffen; in Bezug auf die sozial⸗ politischen Fragen und in militärischen Dingen hat eine lebhafte Reform- thätigkeit begonnen, dank der hochberzigen Initiative des Kaisers, die auch auf alle übrigen Zweige der Staatsverwaltung eine befruchtende Wirkung auszuüben nicht verfehlen kann. Namentlich aber scheint die beraufziehende neue Zeit auch berufen, auf dem Gebiete des Schulwesens mit veralteten Einrichtungen aufjuräumen und Neubil dungen zu schaffen, die, auf nationalem Boden erwachsen, den Bedürfnissen des modernen Lebens entsprechen. Unser Kaiser hat gerade auch den Unterrichtsfragen seine besondere Aufmerksamkeit zugewendet, wie nicht nur aus einzel⸗ nen bedeutsamen Aeußerungen, die in die Oeffentlichkeit gedrungen sind, sondern namentlich aus dem Erlaß über den Unterricht an den Kadettenschulen hervorgebt. Es weht in demselben durchaus der Geist einer modernen Zeit, und es kann tein Zweifel darüber bestehen, daß eine Uebertragung dieser Anforderungen auf unser bürgerliches Elementar und höheres Schulwesen zu erwarten ist. Der Kultusminister von Goßler scheint aber auch der rechte Mann zu sein, um diefe Reformen vorjubereiten und durchzuführen. Oft genug hat er schon gezeigt, daß er, ein Mann von seltener Bildung des Geistes und des Herzens, allen Reformgedanken ein offenes und verständnißvolles Gehör schenkte, mit sckarfem weltmännischen Blick das Gute an ihnen ber auch ihre Schwächen rasch erkennt; so wenig er aber ror kühnen einschneidenden Schritten zurückschreckt, so bewahrt ihn doch seine echt konservative Gesinnung, seine an den auten alten Traditionen fefthaltende Gewiffenhaftigkeit und Vorsicht des preußischen Beamten vor aller Ueberstürzung, an das Bestehende an knüpfend, wird er überall mit weiser Mäßigung auf dem Boden der ruhigen stetigen Reform den neuen Forderungen gerecht zu werden suchen und dem Uebereifer der Reformer Zügel an—⸗ zulegen wissen. Daß aber sein Augenmerk unaufhörlich auf die drin⸗ gend nothwendig gewordene Reform unseres Schulwesens — namentlich uch des höheren — gerichtet ist, das haben die Eröffnungen gezeigt, welche er während der Verhandlungen über den Kultus ⸗Etat im Abgeordnetenhause in diesen Tagen gemacht ,,
Eine wichtige Frage, der auch der KultusMinister in anerkennenswerther Weise seine Aufmerksamkeit widmet, ist die der körperlichen Pflege und Ausbildung unserer Jugend, namentlich auch in den höheren Lehranstalten. Troßz der Förderung, die dem Turnunterricht in letzter Zeit zu Theil geworden ist, liegt doch hier noch Vieles im Argen: von einer barmonischen Ausbildung von Geist und Körper, welche das Alterthum kannte und welche namentlich in den englischen Schulen erfolgreich angestrebt wird, sind wir noch weit entfernt. Herr von Goßler erwartet anscheinend neuerdings viel von der Pflege der Jugendspiele und befürwortet dringend die Einrichtung von geeigneten Spielplätzen. Wenn die Leitung der Spiele nicht gerade in pedantischer Weise gehandbabt, die Jugend vielmehr an eine Art Selbstregiment dabei gewöhnt wird, so möchten auch wir glauben, daß sie sich recht nützlich erweisen, der Jugend die Freude an kräftiger Körperbewegung in freier Luft wiedergeben, die Lust zu körperlichem Sport wecken und zur Kräftigung des Körpers wie zur Siählung der Willenskraft beitragen. In den Rahmen unserer heutigen Unterrichtspläne fügt sich freilich die Pflege der Jugendspiele und des körperlichen Sports ebenso wie der wichtige Handfertigkeitsunterricht wobl nur mübsam ein, und so drängt auch die unendlich wichtige Sorge für die körperliche Ausbil⸗ dung unserer Jugend auf den Weg einer Reform des gegenwärtigen Unterrichtsspystems hin.“
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