1890 / 82 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 31 Mar 1890 18:00:01 GMT) scan diff

Menschen als Sinnenwesen unter der Wucht des unerbittlichen Schicksals pᷣinstellen, obne gleichzeitig die befreiende Kraft des sittlichen Ideals zu zeigen. Diese Auflehnung gegen den pessimistischen Reglismug kommt dem Dichter aus tieffter Seele; er ringt für sittliche Freiheit und Wahrheit und kämpft für aufrichtige Näͤchstenliebe, für jene beitere und wahre Lebensanschauung, welche den natürlichen Inhalt und Ausfluß der Menschenseele bildet. z ;

In die Mitte seines Schauspiels stellt Heiberg die Gefstalt des Johannes Ramfetb. eines alternden Mannes, welcher den Wabrheits- durst und die Wabrheitsbegeisterung für eine ganze Nation in feinem Busen aufgespeichert zu haben glaubt; mit dem Fanatismus bes Wahrheinsscwärmers spürt er den Schwächen der Menschen nach, legt sie bloß und knickt dadurch alle holden Bläthen des Lebens. Seiner Freundin Anna, einer liebenswürdigen jungen Wittve, welche in treuer Liebe ibrem verstorbenen Gatten in ihrem Herzen Altäre baut, zertrümmert er mit roher Hand ihre fromme Gesinnung. Sie war gläcklich und sicher in ihrem Fühlen und Denken; ißr Mann hatte ihr kurz vor seinem Hinscheiden die liebende Versicherung gegeben, daß seine Gedanken, und Thbaten während shrer Che ihr unverbrüchlich angehört, hätten. Die Enthüllung und der deutliche Beweis vom Gegentheil verrücken das Gleichmaß ihrer Seele. Die Worte des sterbenden Gatten, welche ihr Stab und Stütze im Leben gewesen, werden nun ibr Verderben; sie sinnt und grübelt über das erlogene Glück, bis ibr Geist in die Nacht des Wabnsinns versinkt. . .

Heiberg wollte in seinem Schauspiel ein Prophet im ent⸗ gengefeßten Sinne Ibsen s sein; er predigt: Wendet euch dem freundlichen Lichte des Lebens zu, sucht nicht aus fanatischer Wabrhestsliebe jedes dunkle Fleckchen auf dem Lebenswege eures Rächften auf, seid nachsichtig, liebevoll, richtet nicht! Er ꝛüdt aber diese Ermahnung dem Publikum in densel ken grausigen, rũcksichtslosen Bildern vor Augen, welche seine Gegner kennzeichnet; man kann den ersten Akt in dieser Beziehung augnehmen; dersel be erõffnet mehr die Aussicht auf eine luflige Satire, als auf ein tragisches Schauspiel. In der Folge tritt eine vollständige Aenderung ein; es werden heikle Begenstande derb und unrerhüllt bebandelt, das Gemälde verdüstert sich, bis alle Schrecken der Menschenseele grell und grausig

hervortreten. Man erkennt da, daß der Verfasser doch auch vollstãndig ü Gen gen hre irc ere nmnitunter bezaubernd wirkt. Pie

unter dem Einfluß der naturalistischen Schule steht. Der Dialog zeigt., um möͤglichst wahr zu erscheinen, eine Menge abgerissener Sätze, unklarer Erläuterungen; ja die Handlung selbst bewegt sich oft sprungweise weiter, sodaß der Zuschauer sich selbst manches Mittel · glied ergänzen muß. Die Charaktere sind kräftig angelegt, zeigen aber in der Durchführung manches Verworrene. ; Da it suerst Johannes Ramserh, der Avostel der Wabrbeit; im ersten und weilen Akt hält man ihn für einen bewußten Heuchler; in den beiden letzen Aufzügen wird sein Wahrbeitsdurst auch von feinen Feinden als unantastbar dargestellt, sodaß er zum Schluß der Tragödie sittlich viel höher stebt als am Beginn der selben. Hierin liegt eine Unklarheit der Charakteristit. welche ben einbeiflicken Eindruck stört. Wenn Ramseth wirklich ein Märtvrer Fer Wahrheit ist, gleichniel in welcher Form so gebührte ihm Achtung und Verehrung. Andererseits läßt uns der Dichter erkennen, daß nicht die reine, keusche Wahrheit die Triebfeder seines Handelns ist, wie er sich selbst und seine Freunde glauben machen will, In der Seele des alternden Mannes erblüht ein Johannistrieh; er wil die liebliche Anna für sich gewinnen und enthüllt ihr erft, als er die Gefabr in der Gestalt eines jugendlichen Verehrers nahen fiebt, ihres verstorbenen Mannes Fehl; er deutet eine Wiederholung ihres Gefchickes an, wenn sie sich dem jungen Freunde verbindet; an feine Brust, die Felfenburg der Wahrheit, soll sie sich flüchten. Sein Thun ift 2lfo unwabhr, er handelt nicht aus reiner Wahrheitsliebe, sondern aus Eigennuß; sein Handeln ist unnatürlich, denn er möchte ein junges aufstrebendes Herz an eine im Riedergange befindliche Seele binden. Der Dichter mußte schãrfer hervortreten lafsen, daß er nicht die göttliche, reine Wahrheit, sondern den falfchen Schein der Wabrbeit verurtheilt. Wir lassen uns nicht widerstandslos einen großen sittlichen Gedanten verkũmmern.

Wenn die fanatische r n, und Augbeutung einer göttlichen Idee guf schmerzliche Abwege fuhrt, so ist nicht der klare Gottes- gedanke daran Schrld, sondern das armselige menschliche Miß derstehen. Die Heldin des tragischen Konfl ks, Anna, tritt uns An fangs als gesunde, starke Seele entgegen, mit naivem Empfinden: später mischt sich eine krankhafte Einbildung binein, welche das gräßliche Ende berbeiführt. Ein ursprüngliches Gemüth würde zwar tiefen Schmer; und bitteres Weh empfinden, wenn sie, nachträglich von, dem ißr angetbanen Leid erfäbrt; aber sie würde die Erschütterung über- winden, wie sie den Tod des Gatten überwunden hatte und heiter und fröblich in der Welt leben konnte. .

Bie Darsteũlung gab einen neuen Beweis ven der bohen Leistungs⸗ fähigkeit des Teurschen Theaters. Frl. So rm a al die junge Wittwe Anna wuchs mit ihrer Rolle eimpor; die heitere selbstbewußte Lebens- freude, der plötzlich in ihr ahnungeloses Gemüth einschlagende Blitz des Zweifels, den wachsenden nervösen Aufruhr der Gefühle bis zum grauenhaften Ausbruch, des Wabnsinnz, schuf sie mit känftlerischer Vollendung. Hr. Pobl gab den Johannes Ramseth besonders zu Anfang mit einem leichten Anflug von Fronie, welche den Schwulst seiner Reden erträglich machte; er arbeiteie den Fanatiker in seiner unnabbaren Hoheit kräftig beraus, auch da, wo seine lodernden Sinne hervorzublitzen be⸗ ginnen. Den humoristisch angelegten Gerhard Hielm sjpielte Hr. Ka dei burg mit liebenswürdiger Gewandibeit, Außer ihm ift, noch Hr. Nifsen in der Rolle des leidenschaftlichen Kai Dahl zu erwähnen.

Dag Pubiikam brach nach jedem Atte in mächtige und anhaltende Beifallsbezenguagen am 8, in welche sich im Heiteren Verlaufe des Abends energijcke Orreosition mischte. Hr. Direktor L'Arxonge mußte nach jedem Aftschluß vor der Gardine erscheinen, um im Ramen des Dichters zu danken.

Sing ⸗Akademie.

Die Altistin Fr. Lillian Sander ion aus Amerika. deren Mitwirkung in dem Concert des Profeffor Steckhausen, ihres Lehrers, noch in gutem Andenken stebt, gab am Sonnabend ein eigenes Concert, welches ungemein zablreich besucht war. Ihre volle, wenn auch nicht umfangreiche Stimme, ist von großer Klangschönheit, die in allen Lagen ihre Gleichmäßigkeit bebält und beim Hinabsteigen

Reinheit der Intonation und die Deutlichkeit der Aussprache sind gleichfalls fehr zu loben. Hierzu kommt ihre edle Art des Ausdrucks und die geistige Durchdringung des Inhalts der verschiedenen Gesänge. Die Arie aus . „Messias ?: O du, der Wonne verkündet‘, machte den nachhaltigsten indruck auf die Hörer, Nächst dem sehr charakteriftisch vorgetragenen Liede „An die Stolze! von Brahms, erweckte befonders Schumann's Ballade „Die rothe Hanne großes Interesse. Dies Werk (nach der Dichtung A. ron Cham ifso s), das die Sängerin bereits früher mit Klavierbegleitung allein zum Vor⸗ trag brachte, erschien diesmal in feiner ursprünglichen Fassung mit Befheiligung eines Chors, womit Frau S. einen mehrfach laut gewordenen Wunsch erfüllte. Die Ballade sowie die Arie La captive/ von Berlisʒ, in der nur die Orchesterbegleitung eine zu bedeutende Rolle spielt, gelangen vornreff lich. Einige neue⸗ recht bübsche Lieder von Tschaikowgky und zwei beliebte Lieder Chopin s kildeten den Schluß des Abendz. Lauter, oft stürmischer Beisall folgte jedem ihrer Vorträge. Das Phiiharmonische Orchester begleitete unter Hrn. Kogel's Leitung die Arien sehr präzis und erfreute außerdem durch einige bekannte und beliebte Instrumentalstücke. Der tüchtige Pianift Hr. E. Wolff führte die Klavierbegleitung mit großer Sorgfalt aus. Coneerthaus.

Kavellmeister Meyder veranstaltet zur Feier des 75. Geburts⸗ tages des Fürsten Bismarck unter freundlicher Mitwirkung des Maͤnnergesangvereins Cäcilia Melodian, unter Direktion des König⸗ sichen Musikdirektors Cdwin Schulz, morgen im Coneerthause ein Fest⸗ Concert. Das Programm dieses Abends enthält u. a: die Zubel · Duverture · ven Weber, ‚Königsgebetꝰ aus der Oper Lohen⸗ gün! von Wagner, Zu Schutz und Trutz, Hymne (neu) von Lechner,

D ler ö ü i 2 4 2 . (dem Fürsten Bie marck gewidmet

Manunigfaltiges. .

Der unter dem Protektorat Ihrer Majestät der Kaiserin Frie drich stehende Verein Vietoriabaus für Kranken⸗ pflege bielt vorgestern unter Vorsitz des Staats. Ministers Del bruck im großen Fraktionesaale des Relchgtagegebäudes die 4 Jabres. versammlung ab Das Victoriahaus umfaßt nach dem Jahresbericht 3 3. 85 angestellte Schweslern und 19 Schülerinnen, zu ammen also 104 Pflegerinnen, 17 mebr als im Jahre vorher. Aufgenommen wurden 48 gegen 30 im Vorjahre. ausgeschieden sind 17 an- gestellte Schweftern, davon zwei durch Tod, und 14 Probepflegerinnen, jusammen 31 gegen 20 im Vorjahre Dos letzte Jahr bet zum ersten Male die Möglichkeit, der Aug übung der häug lächen Krankenpflege planmäßig näher zu treten. Bis zum Jahresschluß sind inggesammt 89 Tage für Priratpflege rerzeichnet, und zwar 676 Tage, an welchen die Schwestern in Tätigkeit waren, und 113 Ruhetage. Die Einnahmen stellten sich mit Einschluß des 17207 4A betragenden Saldos auf 70 020 M 4532 S6 gingen an Beiträgen, 6000 ½υιν an Geschenken, 7373 M an Zinsen ein; 31 169 t brachten die für die Schwestern vereinnahmten Gehälter, 1983 die Privatpflege. Verausgabt wurden 51 721 und zwar 28 644 44 für Gehälter, 2553 M für Kleidung, 41 4 für das Haushaltungs⸗ onto, 1910 Æ für. Miethe. 2507 für Weihnachtsgeschenke, 180 6 für Alters versicherungszuschuß u s. w. Der Pensions und Unterstützungsfonds ist von 35 M00 auf 45 009 M angewachsen, die Suppenkasse hatte bei 141 4 Pestand 100 S Einnahme und 185 6 Ausgabe, die Erholungskasse 770 M Einnahme und 505 A Ausgabe. Die Bilanz vom 31. Dezember 1889 schließt in Einnahme und Aus gabe mit 215 627 4 ab.

Torgau, 28. März. (Köln. Ztg.) Im Königlichen Haupt gestüt Gradiß fand heute die große Frũhjahrsversteige⸗ rung siatt, bei welcher neun Vollblutpferde unter den Sammer gelangten. Sie wurden außerordentlich boch bezahit, und zwar insgesammt mit 33 860 M, was einem Durchschnittspreise von 3762 M entspricht.

Rom, 30. Mär. (W. T. B.) Ein gestern von hier nach dem Norden abgegangener Eisenbabnzug ist bei Chiusi entgleist, wobei 8 Personen verwundet wurden. ;

Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

Dortmund, 31. März. (W. T. B.) . Wie die „Rheinisch-⸗Westfälische Zeitung“ meldet, ist der Ober⸗ Präsident Studt am Sonnabend Abend nach Münster, und der Regierungs⸗Präsident Win zer am Sonntag früh nach Arnsberg zurückgekehrt. Die gestern Nachmittag abge⸗

altene Versammlung der Belegschaft der Zeche „Unser ritz“ beschloß, demselben Blatt zufolge, gegen den Stri ke ront zu machen und jede Betheiligung daran zu unter⸗ kassen. Auf den Zechen ‚‚„Dahlb usch“ und „Zollverein“ arbeitet Alles.

Wien, 31. März. (W. T. B.) Heute begann ein theil⸗ weifer Strike der Maurer- und Steinmetz gehülf n. Die Ansammlungen wurden von der Po izen zerstreut. Einige Verhaftungen sind vorgenommen worden.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

?zbdgahcḡnuEari— 2

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Wetterbericht vom 31. März, Morzens 8 Ubr.

Gtailonen.

Wind. Wetter.

Temperatur in oO Cel us e- e e e , is. e.

Bar. auf 0 Gr. u. d. Meeressy red. in Millim

Mallagbmore I569 ONO 2 wolkenlos qberdeen. 70 NW 2halb bed. Fhristiansund 261 WSW 2 Regen Ropenbagen. 760 WMW 2 bedeckk Stodholm. 754 W. 2 wollenlos St. PeterEbrg 744 NNW Schnee Moskatnu [41 SW 2 Regen Gorł. Queens;

Donnerstag:

beiter heiter wolkig bedeckt bedeckt

768 766 w 766 vlt 762 ö 6 rinemũnde 761 Neufahrwasser 758 Memel... 755 765 765 765 766 766 NO 766 N 766 WMW 760 NW 762 NW * halb bed. Ile d Aix .. 757 SMO 4wolkenlos Rha .... 762 Os 3 Nebel . .

predigten.

Urlaub.)

ro = e . r e e , oe oe oe

Donnerstag:

OO O . o X e oo o eo e = oo e, , d a e, = .

2 bedeckt

Carl Laufa. dritte Kopf.

* On

OMD 761 still wolkenlos

Uebersicht der Witterung. Ein barometrisches Maximum von nahezu 70 mm

Anfang 7 Uhr

variablen Winden vielfach beiter, An der deutschen

FRüste fanden stellenweise Regenfälle statt. In Finn .

land ist wieder leichter Frost eingetreten. Deutsche Seewarte.

Theater Anzeigen. Anfang 74 Uhr,

Ainigliche Schauspiele. Dienstag: Opern 3 77. . e g,. . der ängerkrieg auf der Wartburg. Große roman⸗ tiscke Oper in 3 Akten von i . Dirigent; Kapellmeister Sucher. Anfang 7 Uhr. Scanspielbaus. 81. Vorstellung König Lear. Trauerspiel in 5 Aufzügen von Shakespeare. In Scene gesetzt vom Direktor Dr. Otto Devrient. Anfang 7 Uhr.

Mittwoch: Opernhaus. 78. Vorstellung. Das Käthchen von Heilbronn. Romantische Oper burg in 4 Akten von Carl Rheinthaler. ;

Derliner Theater. Dienstag: Gräfin Lea.

Mittwoch: Wittwe Scarron. Ein Liebes⸗ zeichen. Sexenfang. Kandel s Gardinen

Donnerstag: Zum 1. Male: Wallenstein s Tod.

Mittwoch: Juliette. Schauspiel in 3 Akten von Octave Feuillet. Luftspiel in 1 Akt von Hans Hopfen.

Die Ehre. Schauspiel in 4 Akten von Hermann Sudermann.

Wallner Theater. Dienstag: Zum 100. Male:

Ein toller . , 34 4 . s. ö um - ale: ñ r in Alt. Mit tbeilweiser 124 11 Uhr. = Dienstag um 73 Uhr: Die Ge⸗

Benutzung einer englischen Idee von Franz Wallner.

Ein . ; . Mittwoch? Madame Bonivard. Schwank in n . den ,, n. . r,, 3 Akten von Alexandre Bisson und ö nima lagern über dem Biscqvischen Busen und (Digne: Frl. Auguste Brand, vom Landes. begter in dieser Sa Rerdwest⸗ Rußland. In Central Europa ist das in Hraz, . 86 Vorher: Die Schulreiterin. letzte Yorltell 6 in gieste Saisgn, Wetter käbler⸗ im Norden bei mäßigen nerdwest. Luftfpiel in J Alt von mil Dobl. (Baronesse langen:

sicken Winden trübe, im Süden bei meist schwachen von Nietocht: Frl. Aug. Brand, als Gast)

Victoria- Theater.

Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.

Friedrich Wilhelmstãdtisches Theater. . en card Wagner. und Julius 6 Mußft von * Nillocker. 2 Scene ge gt 5 Julius 8er . n FTavell meisfer Federmann. tiefer n i,, . nn Testz⸗,

Mittwoch: Margnise.

82. Vorstellung. Natalie.

Delle Alliance Theater.

und Tanz in 4

und A. Wicher. M. Volta. Anfang 73 Uhr.

Central · Theater.

Vorher: Trudels Ball.

schichte der Urwelt.

chenbrödel. vom Direktor E.

Briatore. Mittwoch: Napoli.

Phil harmonit.

Verne von Carl Pander. Musik von E. Christiani Ballets und Gruppirungen von

Mittwoch u. folg. Tage: Dieselbe Vorstellung.

Direktion:

Dienstag: Zum 26. Male: Ein fideles Saus. . mit Gesang in 4 Akten nach einer vorhandenen ; dee von W. Mannstädt. Musik von G. Steffens.

Tessing - Theater. Dienstag: Das vierte Anfgyg ? Ubr Gebot. Volkestück in 4 Akten von L. Anzengruber.

Mittwoch: Zum 21. Male: Ein sideles Saus. (Erftes Auftreten des Hrn. Adolph Klein nach seinem .

Adolph Ernst⸗ Theater. Dresdenerstraße 72.

Dienstag: Zum 53. Male; Der Goldfuchs. Gesangsposse in 4 Akten von Eduard Jacobson und Geboren: Ein Leopold Ely. Couplets theilweise von Gustav Görß. Musik von Franz Roth. Anfang 7 Uh

Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.

Circus Nenz, Karlstraße. Donnerstag, 10. April nnn, Abends 77 Uhr: Auf vielseitiges Ver⸗

Schulpferd Coriolan, geritten von Hrn. Oscar Renz. 3 Athleten auf 2 Pferden 9 den 3 Gebr.

Coneert⸗ Anzeigen.

. Dienstag, 1. April: Concert der Ferien · Kolonien, veranstaltet von

; hilinx Rüfer unter guüt. Mitwirk. der Kgl. Hof , Ba nn n Frl. Elisabeth Leisinger, 6 1

Nesidenz · Theater. Direktion: Sigmund Lauten · Hof⸗Opernsängers Hrn. Nieolaus Rothmübl, sowie

,

46 ; z tspiel in en von Victorien Sardon.

H. von Kleist's gleichnamigem Schauspiel von H. . 9 2

Dultf up * Anfat ? Uhr. von Robert Buchholz. Anfang 71 Ubr. Schausrielbaus.

Schaufpiel in 4 Aufzügen von Jwan Turgenjew. Nach

dem Rufsischen für die deutsche Bühne bearbeitet

von Eugen Zabel. Aafang 7 Uhr.

des Philharmon. Orchesters. Anfang 7 Uhr. Karten 4, 3, 2 u. 5 (Loge) 46 bei Bote und Bock.

Concert Jaus, Leivnigerstr. 18 (früber Bille). Karl Meyder Concert. Dienstag, 1. April: Fest⸗ Concert zum 75. Geburtstage Sr. Durchlaucht des Fürsten Bismarck unter Mitwirkung des Männer⸗

Dienstag: Mit gef ; a ,, Hesangvereins Cäcilia ⸗Melodia“, Dirigent: Kgl.

gänzlich neuer Ausstattung: Zum 31. Male: Der Irn r,. Edwin Schulz. ö ö

Zeutsches Theater. Dienstag: König Midas. Fiautilus. Großes Ausstattungsftück mit Gesang

Mittwoch: Jaufr o Tod ren und 13 Bildern nach Jules * m

König Midas.

Familien⸗Nachrichten.

Verlobt: Frl. Margarethe Boenisch mit Hrn. Apotheker Leo Faerber (Tarf b. Miechowitz= Beuthen i. Oberschl ). Frl. Emilie Meining⸗ haus mit Hrn. Richard Kluth (Broich b. Mül⸗ heim a. d. Ruhr Hamburg). Frl. Marie Gersch mit Hrn. Rittergutsbesttzer Hermann Möhring (Ischackwitz b. Döbeln —Schweta) Frl. Toni Martens init Hrn. Hans Crusfius (Han- nover. Frl. Gertrud Schwarz mit Hrn. Hein⸗ rich Thol (Orladen = Essen)

Verebelicht: Hr. Georg Jentzsch mit Frl. Antonie Wickmann (Leipzig = Plagwitzss. Hr Karl Heine mit Frl. Klara Gräser (eidzig).— Hr. Dr. . Hermann Schultze mit Frl. Marianne Hoenerkopff (Köthen i. A= Dessau).

Sobn: Hrn. Hauptmann Hörder

(Thorn). Hrn. Dr. med. Reebs (Gnoven)

t. rn. Georg Plenio (2yck). 2 Albert Brũnell

Köln). 31 Gymnasiallehrer Dr. H. Glesl

Wesel a. Rhein) Hrn. Georg Förster (Leipzig

Neusellerhausen). = Hrn. Adolph Beder (Esch).

Emil Thomas.

Urania, Invalidenstraße dl / s8, geöffnet von Hen, Georg Stobbe (Fotze; Hrn. Jofef

Stiel (Düsseldorh)h.— Eine Tochter; Hrn. Staatsanwalt Mrozek (Memel) Hen. Natbs. förster Schier (Chemnitz. Hrn. Dr. Alfred Will (Königsberg). Hin. Rechts anwalt Emil Schniewind (Köln). Hin. Regierungs Sekretär B. Rühmann (Hannover). Hrn. Paul Brinck⸗ 2 Hrn. Wilh. Ranek (Su⸗ ingen).

1 brö Großes phantast. Zauber⸗ . = elb märchen mit 6 und Gruppirungen, arrangirt ,, enz, mit dem gesammten Corps

Dienstag: Zum 226. M.: de Ballet. Großes Hürdle⸗ Rennen, Concert und ; , Bal hippiques von 8 arab. Schimmelhengsten von - . in r,. ö Sꝛitgen e wn . Yrn. . en e nl, Dre far 6. on Alex. Mosßzkowski un vorzugl. Reitkuͤnstlerinn itkũ 3 —— Wust6 von C. A. Raida. Ballet von C. Severtni. Fir reg 26 ,,,

(Reiff). Hr. Pfarrer Adolf Kieser (Gochsen a. Kocher)! = Hr. Landgerichtz Kath Edmund Heinzmann (Essen). Hr. Kaufmann Hugo Herrmann Quedlinburg)ẽ Hr. Georg 33 Auftreten Rostoc). Dr. Kantor emer. Ferdinand Krühn Krakau. Hr. Fritz Rauch (Berlin). Frau Auguste Manger, geb. Bückling ebdenich.

Redacteur: Dr. H. Klee.

Verlag der Eppedition (Sch oly.

Druck der Nordd Buchdruckerei und Verlag 1

Acht Beilagen seinschließlich Börsen⸗ Beilage).

Berlin:

(bsi)

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗AUnzeiger.

M SZ.

Berlin, Montag, den 31. März

1890.

w ä r ä r//tr/ea/rea/na/aera/arr/e/rerrarrrrr/erararrrrrrrrrr/rr/rtrrrrr/t/Fksks—

Sozialpolitik, Sozialreform und Sozialismus.

III. (Schluß.)

Nur der Staat ist im Stande, die Mängel der bestehenden Gesellschaft zu beseitigen und die Gesellschast durch Reformen gesund zu erhalten. Diese reformirende Thätigkeit ist eine Thätigkeit der ausgleichenden Gerechtigkeit, welche konform derjenigen ist, welche die Könige Preußens im 18. Jahr⸗ hundert zu Gunsten der damals wirthschaftlich schwächeren Klassen des Bauern- und Bürgerthums ausgeübt haben. Wie damals hierdurch die Gesellschaft stark und gesund erhalten und der Friede bewahrt wurde, weil den Störungen durch reformirende Maßnahnien zu Gunsten der leidenden Klassen vorgebeugt wurde, fo darf auch die von dem Thron aus⸗ gehende reformatorische Thätigkeit zu Gunsten der Arbeiter als im Interesse des Staats und der Gesellschaft ebenso noth⸗ wendig wie erfolgverheißend angesehen werden.

Bie Kranken⸗, die Unfall⸗, die Invaliditäts- und Alters⸗ versicherung, mit denen Deutschland allen Staaten bahn⸗ brechend voraufgegangen, werden wie auch die Stimmung der Arbeiter gegenwärtig sein mag sicher im Laufe der 3*t ihre Wirkung nicht verfehlen, weil fie sehr wesentliche

ängel, die sich auf dem Gebiete der bestehenden Wirth⸗ schafts und Gesellschaftz ordnung herausgebildet haben, beseitigen. Freilich aber ist so führt von Scheel aus mit diesen Gesetzen noch kein Mittel gefunden, durch welches die Verständigung der Lohnarbeiter und Unternehmer auf dem Boden der heutigen Produktionsweise gesichert wird. „Diese Verständigung wird erschwert einerseits durch Forderungen der Arbeitnehmer, die über das zur Zeit wirthschaftlich Mögliche hinausgehen, andererseits dadurch, daß sich die Mehrzahl der (größeren) Arbeitgeber aller Berufszweige nicht an den Gedanken ge⸗ wöhnen kann, mit ihren Arbeitnehmern als Gleichberechtigten zu verhandeln.“ ; .

Angesichts der hier charakterisirten Lage erkannte es Se. Majestät der Kaiser und König für nothwendig, den weiteren Beschwerden der wirthschaftlich leidenden Klassen auf den Grund zu gehen und für die als berechtigt erscheinenden Forderungen, soweit sie bisher nicht genügend berücksichtigt waren, mit seiner Königlichen Macht einzutreten., Die Frauen⸗ und Kinderarbeit, die Nacht- und Sonntagsarbeit bilden schon seit lange Stoff für sozialdemokratische Agitationen, die Regelung dieser Fragen ist nunmehr vom Staatsrath und von der internationalen Arbeiterschutz⸗ Konferenz in Angriff genommen worden. Des Weiteren bleibt die Lohnfrage und die Frage der Arbeitsdauer zu regeln übrig. Nach beiden Richtungen wird vornehmlich von den Arbeitgebern selbst das Mögliche und Erforderliche geschehen können. Die Wege dazu werden durch den Einfluß der ganzen sozialreformatorischen Richtung unserer Politik geebnet werden, wie auch die zu schaffenden Organe, welche ein Fühlung⸗ nehmen zwischen Arbeitgebern und Arbeitern ermöglichen, be⸗ gründeten Beschwerden hoffentlich abzuhelfen geeignet sein werden.

Die Fürsorge des Kaisers und Königs für den sogenannten vierten Stand ist eine aus den Bedürfnissen der Lit erwachsene. Es war von jeher der Beruf der Hohenzollern⸗Könige, an die Heilung der sozialen Schäden heranzutreten. Es mag sein, daß die wohlwollende Absicht von Manchen verkannt und die Begehrlichkeit gesteigert wird. Aber diese Möglichkeit lag ebenso in früheren Zeiten vor, und sie ist in Preußen⸗Deutschland doch nie zur Wirklichkeit geworden. Die Erwägung, daß die gute Saal auf unfruchtharen Boden fallen könne, hat einen preußischen König noch nie davor zurückschrecken lassen, das zu thun, was ihm sein Gewissen und die Einsicht in die Welt der Dinge gebietet. ö

Mit Schreckbildern, wie sie sich stets bei Reformen und bei Aenderungen des hergebrachten Zustandes eingestellt haben, kann die Aufgabe des Staatz, der gegenwärtig leidenden Klasse zu helfen, nicht hintertrieben werden. Sie ist eine Noth⸗ wendigkeit, welche einen starken und mächtigen Staat erfordert. Der Kaiser und König erkennt die Nothwendigkeit gleich seinen erhabenen Vorfahren an. Die in seiner Hand ruhende Macht des Staats wird denen, welche für ihre ehrgeizigen und phan⸗ taflischen Ziele hierbei etwas zu, gewinnen hoffen, ent⸗ gegenzutreten wissen. Aber die Lösung der Auf⸗ gabe erfordert die ganze Mitwirkung der. Gesellschaft und aller ihrer bewährten Lebensformen, der Kirche und der Schule, namentlich aber auch der bestehenden, aus anderen Be⸗ dürfnissen hervorgegangenen politischen Parteien. Gegenüber dem Schrecken, mit welchem die Gesellschaft von dem Sozialis⸗ mus und den Ideen der Sozialdemokratie erfüllt wird, und gegenüber den Gefahren, welche aus einem dem Sozialismus gegenüber beobachteten Eaissez faire erwachsen würden, müssen bie Parteien sich festzusammenschließen, die Streitaxt begraben, die politischen Machtfragen ruhen lassen und sich um den Hüter aller Klassen der Gesellschaft, um den Träger der starken und mächtigen Krone schagren.

Die Gesellschaft . einer Waage in der Hand des Monarchen: er muß bald hier, bald dort ein Gewicht hinzu⸗ fügen oder entfernen, um die Schwankungen zu beseitigen und so die Harmonie, wenn sie einmal gestört ist, wiederherzu⸗ stellen. Rur das Königthum kann sich dieser Aufgabe unter— ziehen. Die Aufgabe des Parlaments besteht hierbei vor⸗ nehmlich darin, daß es die Krone in ihrer Aufgabe, den Frieden der Gesellschaft zu fördern, unterstützt und sich uneigennützig als Mithelfer an dem Keri der ausgleichenden Gerechtigkeit und der Heilung der sozialen Schäden betheiligt. Geschlehl dies, dann wird und muß die Sozialreform gelingen, dem Sozializmus aber der Boden unter den Füßen abgegraben

werden.

Etatistit und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

älischen Koblenrevier liegen über die . . . ö g unter den Bergarbeitern folgende neuere Meldungen vor: Auf Schacht Hibernia der , Pibernia find in der Finhschicht am Sonnabend, wie der Rh. Westf.

Ztgn aus Gelsenkirchen berichtet wird, 188 Mann, auf- Zeche Rlbelmine Viftoria derselben Gesellschaft sind auf Schacht J. 375 Mann, auf Schacht II. 157 Mann angefahren. Auf Schacht Shamrock? derfelben Gesellschaft arbeitei die gesammte Beleg. schaft in gewohnter Weife. Nachmittags. sind dann auf Zeche Hibernia⸗- 11 Mann, auf Zeche Wilbelmine Viktoria Schackt J 125 Mann und Schacht ii 48 Mann angefahren. Auf Jecke Röbeinerber der Gelsenkirchener Bergwerksgesellschaft ist Tin Sonnabend Nachmittag nur ein Achtel der Belegschaft angefahren. Auf den drei Schächten der Bergwerksgesellschait Kon⸗ solldation sind Sonnabend früh im Ganzen ca. 300 Mann angefahren. Einer Meldung des, Wolff schen Bureaus ; zufolge sind zur heutigen (Montag / Morgenschicht angefahren: in Zeche Rhein. elbe 255 Bergleute, in Zeche Konsolidation⸗ 270, in Zeche „Hibernia‘ 171 und in Zee . Wilhelmine Viktoria. 497 Bergleute. Vie angekündigten Ver sammlungen der Belegschaften der Zechen Rheinelbe', Alma“ und.. Bismarck. haben nicht stattge funden.

Aus Dortmund wird der Rh.Westf. Itg. geschrieben, daß auf Zeche Crone“ bei Dortmund seit . Morgen 360 Mann strike n. Angefabren sind nur, 86 Mann. Ueber Tage arbeiteten alle Leute. Von der Nachmittagsschicht fuhren nur 45 Mann an,. ö .

Der Vorstand des Vereins für die bergbaulichen Inter⸗ essen, hat, wie dasselbe Blatt aus Essen berichtet, beschloßsen, gegen über den neuerdings auf einzelnen Zechen aufgetretenen Ausständen. den Zechen zu empfehlen, Bergarbeiter, welche die Arbeit auf anderen Zechen unter Kontrakt bruch niedergelegt haben, nich! anzunehm en. .

Gestern wurde, wie W. T. B. aus Bochum meldet, in Herne eine von etwa 805 Bergleuten besuchte Bersamm lung aufj⸗ gelöst und die Kasse polizeilich beschlagnahmt. Vie Anwesenden ver ließen unter Aufforderung zum Strike das Lokal.

Wie der Köln. Ztg. aus Saarbrücken geschrieben wird, ist das von Warken und Genossen wegen des im Dezember gegen sie wegen Beamtenbeleidigung ergangenen Urtheils an Se. Maje stät den Kaiser gerichtete Gng dengesuch abschlägig beschieden worden.

Gestern wurde, wie W. T. B meldet, in Bildstock (Saar⸗ reviery eine Vertrauensmänner; Persammlung von Bergzarbeitern abzgehalten, welche beschloß, den Arbeiter⸗ Kongreß in Brüfsel nicht zu beschicken. da sie mit den beraußfor dernden Tendenzen der belgischen Arbeiter nicht einver= standen sei. Bergmann Schelle wies außerdem auf die Erlasse Sr. Majestät des Kaisers und auf die Berliner Konferenz hin, dĩe sich fo eingehend mit dem Wohle der Arbeiter beschãstigten.

In Breslau haben, wie die Köln. Ztg., berichtet, sämmtliche Tis ler, nachdem der Centralvorstand die Absicht, in einen Aus⸗ stand einzutreten, gebin igt hat, beschlofsen, zu kündigen; der Beitrag zur Ausstandskasse wurde auf 50 3 festgesetzt.

Aus Pofen schreibt man der „Schles. Ztg.: Die Lohn bewegung der hiesigen Bauhandwer ker hat einen ernsteren Charakter angenommen. Auf dem Fort IB. haben gestern und auf dem Fort VIII. heute zusammen etwa 200 Maurer die Arbeit nieder gelegt. Bereits Anfang Mär; haben die Maurer den Arbeit- gebern ihre Wünsche unterbreitet; sie verlangen Einführung der zehnftündigen Arbeitszeit und einen Stundenlohn von 40 8 für jeden Maurer ohne Unterschied der Leistungs fähigkeit. Bis her dauerte der Arbeitstag 11 Stunden und der durchschnittliche Tagelohn betrug 3 „„. Die Meister haben sich mit der 10 stündigen Arbeitszeit ein⸗ verstanden erllärt, den geforderten Stundenlohn dagegen abgelehnt. Am Donnerftag fand eine von etwa 4600 Maurern besuchte Versamm lung statt, in welcher beschlossen wurde, an der 10 stündigen Arbeits- zeit und dem Stundenlohn von 40 3 festzuhalten und die Arbeit am 1. April niederzulegen, falls diefe Forderungen nicht bewilligt werden sollten. ;

In Stettin fand vorgestern, wie wir der „Ostsee⸗Ztg. ent⸗ nehmen, eine zahlreich besuchte Versammlung von Fabritarbeitern statt wegen der Arbeitseinstellung in der Stettiner Kerzen⸗ und Seifenfabrik und in der Chamottefahrik. Was die erstgenannte Fabrik anbetrifft, so hatten die dort beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen, etwa 150 an der Zahl, nach der Darstellung in der Versammlung Anfangs voriger Woche an die Direktion die Forderung gestellt, den Tagelohn durchschnittlich um 26 3 pro Tag zu erhöhen und die Arbeitszeit um eine Stunde zu verkürzen. Die Direktion hatte sich zu einer kleinen Erhöhung des Lohnes bereit er- klärt, aber die Verkürzung der Arbeitszeit abgelehnt, was zur Folge hatte, daß die Arbeiter und Arbeiterinnen mit wenigen Ausnahmen am. Mittwoch die Arbeit niederlegten. In der Chamottefabrik handelte es sich nicht um Lohn erhöhung; dort hatte eine aus etwa 25 Mann bestehende Kolonne von Ofenkarrern die Arbeit eingestellt, weil ihnen die von ihnen verlangte Verstärkung nicht gewährt worden war. Die Stimmung in der gestrigen Versammlung war eine augenscheinlich schr gedrückte und für die Strikeführer wenig günstige; mit Bezug auf den Strike in der Chamottefabrik wurde offen anerkannt, daß derselbe aussichtslos sei, da die Strikenden bereits zum größten Theil durch Andere erfsetzt feien und der Direktor sich schwerlich dazu ver⸗ stehen würde, die Strikenden überhaupt wieder einzustellen; es wurde denfelben gerathen, sich anderweit um Arbeit zu bemühen.

Aus 5 wird der „Köln. Ztg. telegraphirt: Die Arbeits- einstelung in der Spier'schen Tuchfabrik ist beendet; es wird font in sämmtlichen Tuchfabriken und Webereien wieder gearbeitet.

Hannover findet, demselben Blatt zufolge, in den Tagen vom JD. bis 11. April d. J. ein Kon greß der deutschen Bau⸗ arbeiter und deren Berufsgenossen slatt. In die sehr umfangreiche Tagetordnun ist auch die Besprechung über Einführung des ach t⸗ stündigen Normalarbeitstages aufgenommen.

Die aus Anlaß der Lohnbewegung in der Webwaaren⸗ branche gegründete Vereinigung von Webwaarenfabrikanten in Chemnitz bat6, wie wir dem „Ch. Tbl.“ entnehmen, den Namen Verein zur Wahrnehmung der gemeinsamen Interessen öer Webwagaren-Fabritanten von Chemnitz und Um⸗ gegend angenommen und nachstehende Bekanntmachung erlassen, welche in den Fabrikräumen angeschlagen worden ist: Der Verein hat be schloffen: Bei seinen hlesigen Webereien für pie olge 60 Stunden effektive Arbeitszeit pro Woche einzuführen. Eine Erweiterung dieser Acbeitgzeit kann nur nach gegenseitigem Cinverständniß zwischen. libeit˖ . a, ,. J. Biefe Bestimmung tritt mit Montag,

en 31. März d. J. in Kraft.

Aus Berlin wird der „Köln. Ztg. unter dem 28. d. M. ge⸗ schrieben: Die Lohnbewegung unter den Textilarbeitern wird aller Voraussicht nach im Frübjahr großen Umfang guntzhmen. An den hauptfächlichsten Fabrifkoͤrten werden fast tãglich Versamm⸗ lungen abgehalten, welche Forderungen, aufstellen Bemerkens · werih ist, daß neuerdings sich auch die Arbeiterinnen der all= gemeinen Bewegung angeschlossen haben, was bei der großen Anzahl kerfelben in dieseu. Beschäftigungözweige von großer Bedeutung ist. Eine zahlreich befuchte Versammlung der im Wirkerfach beschãftigten Arkeifer und Arbeiferinnen beschloß diefer Tage bereits, daß sich die Arbeiterinnen in der diesjährigen Lohnbewegung mit den Arbeitern folidarifch erklaren und für gleiche Leistungen den gleichen Lohn zu beanspruchen hätten. Der in den ersten . des April in Apolda kattsindende Textilarbeiter-Kong r wird wahr · scheinlich in Bezug auf die Frauenarbeit sehr weitgehende Beschlüsse

fassen und ebenso die Kinderarbeit bebandeln. In Bezrg auf die ö wird in allen Versammlungen der Neunstundentag ge⸗ ordert.

Wie die Wiener „Presse⸗ aus Prag berichtet, übermittelte das

Prager Buchdruckerei Sremium sämmtlichen Offizinen zur Verständigung des Arbeiterpersonals folgende Kundgebung: „Die achtstündige Arbeitszeit in den Prager Buchdruckereien, wenn dieselbe als Forderung erboben wird, ist abzu— lebnen, weil deren Einführung nur mit bedeutenden Opfern sowobl der Buchdruckereibesizer als auch ihres Personals ver⸗ bunden wäre und der am 1. Mai willkürlich abzuhaltende Feiertag, an welchem nicht gearbeitet würde, als Vertragsbruch zu betrachten und auch als Vertragsbruch zu behandeln.“ Der Stricke auf den Werkstätten der sst err eichischen Süd bahn, über welchen vorgesttrn „nach Schluß der Redaction“ telegraphisch kurz berichtet wurde, kann, neuerer Meldung zufolge, als beigelegt betrachtet werden. j

In London haben an 10000 Schuharbeiter die Arbeit ein- gestellt. Dieselben verlangen, wie W. T. B.“ meldet, daß ihnen

künftig die Meister die Arbeitsstätte gewähren

Wie man der Post, telegraphirt, wächst der Ausstand in Bar celona rasch; gestern zählte man 43 009 Ausständige. Die Gährung unter der Arbeiterbevölkerung reicht bis Huesca, Saragossa und Tortosa; aus Cartagena und Valencia wird von leb⸗ bafter Agitation unter den Fabrikarbeitern berichtet. Der Civil, Gouverneur von Barcelona forderte die Arbeitgeber auf, m lichst schnell ein Einvernehmen herbeizuführen, da das allgemeine öffentliche Interesse eine definitive Beilegung energisch erheische.

Aus Paris berichtet W. T. B.“: In den Koblengruben von Saint -⸗Elloy (Puy de Dome) haben die Grubenarbeiter die Arbeit eingestellt.

Kunst und Wißssenschaft.

Vorbildung und Lebensalter der Stupirenden auf den preußischen. Unipersitäten unter Einbeziehung der Akademie zu Münster und des Lyceum Hosianum zu Braunsberg.

Der Vorbildung nach hefanden sich unter den Studirenden den preußischen Universitäten im Studienjahre 1886,87 nach der . Statistik der preußischen Landes ⸗Universitäten⸗: unter den 11 529 Preußen S4, z So Gymnasial Abiturienten, 85o /o Realgymnasial ⸗Abiturienten und 7,2 Ho ohne Zeugniß der Reife; unter den 1359 anderen, Deutschen 78, 4 669 Gymnasial⸗ Abiturienten. II, 0O ! Realgymnasial⸗ Abiturienten und 16,559 ohne Zeugniß der Reife; unter den 771 Reichsausländern 43,9 o Gymnasick. Abiturienten, 4,9 00 Realgymnasial⸗Abiturienten und 51,2 Jo ohne Zeugniß der Reife; unter den 13 659 Studirenden überhaupt 81,5 0/0 Gymnasial⸗Abiturienten. 8,5 0 Realgymnasial⸗ Abiturienten und 90 ohne Zeugniß der Reife.

Die Gymnasialbildung wiegt unter den Studenten naturgemäß vor, mehr aber unter den Preußen als unter den übrigen Deutschen; daß sie mit einem verhältnißmäßig hohen Prozentsatze auch unter den Reichsausländern anzutreffen ist, hängt damit zusammen, daß viele reichsausländische Studirende bezw. deren Eltern 3 ibren Wohnsit in Preußen oder sonst im Deutschen Reiche haben. Die abgeschlossene realgymnasiale Bildung ist etwa zehnmal schwächer vertrelen als die gymnasiale. Den Abiturienten der Realgymnasien sind nach den in Preußen geltenden Bestimmungen eben die meisten Fakultätsstudien verschlossen; ihnen steht nur die philosophische Fakultät offen.

Von den 2712 bei der philosophischen Fakultät mit dem Zeugniß der Reise immatrikulirten Preußen waren 64000 Gymnasial ; und zb 0 o Realgymnasial⸗ Abiturienten. Von, den ersteren studirten 68.3 G Philofophie, Philologie und Geschichte, 26,9 0 Mathematik und Naturwissenschaften, 2,3 0 Landwirthschaft, Kameralia und Nationalökonomie, 6,6 Fo Pharmazie und Zahnheilkunde und 235 Yso andere Bisziplinen; von den letzteren 37,0 C Philosophie, Philologie und Geschichte, 50. 8 o Mathematik und Naturwissenschaften, 4.5 Co Landwirthfchaft, Kameralia und Nationalökonomie, 3, o/o Pharmanie und Zahnheilkunde und 40 0/0 andere Disziplinen Die Gymnasial⸗ Abiturienten sind demnach Überwiegend Philologen und Historiker, i. . Abiturienten Mathematiker und Naturwissen⸗

aftler.

Die Studenten ohne Zeugniß der Reife setzen sich neben den Ausländern vorzugsweife aus preußischen Studicenden der Pharmazie, Zahntechnik, Landwirthschaft, Naturwissenschaften und solchen zusammen, Delche eine allgemeine wissenschaftliche Bildung erstreben. .

Eine Verbindung bon Vorbildung und Lebensalter und die He= trachtung des letztern für sich hat vornehmlich für die mit dem Reife zeugniß immatrikulirten Reichsinländer (Preußen und andere Deutsche zusfammen) Interesse. Unter diesen (11 913 Studenten) waren 90,5 9so Gymnasial· und 9. 5 oo Realgymnasial Abiturienten, Von den ersteren bezw. letzteren standen im Alter von; unter bis 19 Jahren 58, 9 bezw. 2 boo, über 15 bis 23 Jahren 59, 7 bejw. 50, 3 o über 23 bis 25 Jahren 23.7 bezw. 24,9 60. über 25 bis 28 Jahren 26 bezw. 17,5 o, Föer 28 biz 30' Jahren 1,5 bejw. 2,5 o, über z0 Jabren 1353 bemw. 20 v0 unbekannt 6, bezw. G. /g. Diese Zusammenstellung läßt erkennen, daß die Gymnasiasten die Universität durchschnittlich in einem etwas früheren Lebengalter beziehen, als die Realgymnasiasten; wenigstens war dies bei dem Bestande des Studieniahres 1856 87 der Fall..

Außerdem geht aus den obigen Verhältnißzahlen hervor, daß die Studenten im Ganzen älter sind, als man erwarten sollte. Erfolgte nämlich der Eintrift in die Universität durchweg in dem normalen Alter zwischen 18 und 19 Jahren und der Abschluß der Universitãts ˖ studien demgemäß durchschnittlich mit 22 big 33 Jahren, so dürften nur die verhältnißmäßig wenigen Personen, die lich erst im spätern Lebens- alter jum Studlum entschließen, ältere als 25 jährige Studenten sein. Es stehen jedoch nur 62,5 0 aller Studenten in. einem angemessenen, z74 50 in einem übernormalen Alter. Aus dieser Thatsache muß gefolgert werden, daß die Studenten entweder auf der Schule zu alt werden, oder daß cin zu großer Theil derfelben sich weit über die 6 aner auf der Universität aufhält. Beides ist that ˖ sächlich der Fall. .

In den einzelnen Fakultäten liegen die Verhältnisse nicht überall so, wie eben geschildert; denn innerhalb derselben begegnet man den bemerkenzwerthesten Gegensätzen. Dies ist schon daraus erklärlich, daß die vorschriftsmäßige oder ubliche Dauer der Studien nicht in allen Fakultäten die gleiche ist; in der philosophischen Fakultät insbe⸗ fondere finden verbältnißmäßig häufiger als in den anderen Auf⸗ nahmen solcher fiatt, welche sich erst im spätern Lebensalter zum Studiren enifchließen oder noch einmal zur alma mater zurückkehren.

Ber Ältersklaffe bis zum vollendeten 23. Lebenejahre, dem nor-

malen Alter, wie man es nennen könnte, gehören 77, Go der Juristen ö

und 575 do der Philosophen, 59,9 ο der katholischen Theologen und 7 5 vo der evangelifchen Theologen an. Bei den Medizinern ist der selbe Antheil, berechtigterweise wegen des längern Studiums, noch kleiner; er beträgt 55,3 Ho. Die juristische Fakultät besitzt hiernach

die jugendlichste Studentenschaft; immerhin ist noch beinahe ein . ;

Viertel derselben älter als 25 Jabre. Viel unvortheilhafter sieht es in den übrigen Fakultäten aus. )

Der unter dem Protektorat Sr. Königlichen Hoheit des prinz-Regenten Luitpold stehende Historische Verein von Sberbayern veröffentlicht soeben seinen oo / S1. Jabres bericht für die Jahre 1887 und 1888, den im Auftrage des Vereingaut .