Großbritannien und Irland.
London, 14. April, (W. T. B) In der heutigen Unterhaussitzung erklärte im Laufe der Spezialdebatte über das Ausgabe⸗Budget der Unter⸗Stgatssekretär des Aeußeren Fergüsson: Mit Portugal seien noch einige Süd-⸗A Afrika betreffende Fragen ungeregelt, darunter diejenige der Eisenbahn nach der Delagoa⸗Bay. Von Liner an⸗ eblichen neuen portugiesischen Expedition nach Maschona⸗ and habe die portugiesische Regierung keine Kenntniß. Der Marine⸗Minister habe die Weisung zum Rückzuge gegeben für den Fall, daß eine solche Expedition siattgehabt habe. Die portu⸗ giesische Regierung habe erklärt: sie werde, so lange die Ver⸗ handlungen noch . keine neue Aktion billigen. Was die deutsche Expedition nach Central⸗A Afrika anbetreffe, so habe die deutsche Regierung England unauf⸗ gefordert die Versicherung gegeben, daß die Expedition unter Emin Pascha nur innerhalb der, deutschen Interessen⸗ sphäre wirken solle, ohne irgendwie britische Interessen zu schädigen, indem die Abgrenzungslinie völlig anerkannt werde. ergusson glaubt, daß niemals zwei Mächte in solcher VWeise zusammengewirkt hätten, wie dies jüngst Deutschland und Großbritannien mit vollkommener Loyalität gethan, ohne daß es dabei zwischen den beider—⸗ seitigen Beamten zu irgend einer Reibung gekommen wäre. Fu lic des Gebiets am Nyajssasee sei mit Deutsch— land kein definitives Abkommen getroffen worden; den britischen Interessen drohe indessen von dem Verhalten der Bundesgenossen Englands keine Gefahr. Die respektiven Einflußsphären in Nordost⸗ Afrika seien so endgültig normirt, daß bei kolonisirenden oder administrativen Operationen keine Schwierigkeiten entstehen würden. — Bei dem Posten „Gehalt des Gesandten in Brasilien“ erklärte der Unter⸗Staatssekretär: die pro—⸗ visorische Regierung in Brasilien werde von Eng— land so lange nur als Regierung de facto anerkannt, bis sie von der konstituirenden Versammlung bestätigt sein werde.
— 15. April. (W. T. B.) Die Erklärungen, welche der Unter⸗-Staatssekretär des Aeußeren, Fergusson, in der gestrigen Sitzung des Unterhauses über die englisch— deutschen Beziehungen in Afrika abgegeben hat, werden von den meisten Morgenblättern in sehr beifälliger Weise besprochen. Gleichzeitig wird in den— selben die Nothwendigkeit der Festsetzung internationaler Grenzen betont. Der „Standard“ bezeichnet es als erfreu⸗ lich, daß Lord Salisbury dabei auf das Wohlwollen und die Gerechtigkeit Deutschlands völlig bauen könne. Die „Mor— ningpost“ empfiehlt als das einzige Mittel zur Bewältigung der vorliegenden Schwierigkeiten die Abhaltung eines Kon⸗ gresses Seitens derjenigen europäischen Staaten, welche Be— sitzungen in Afrika haben.
Frankreich.
Paris, 13. April. In dem gestern abgehaltenen Ministerrath unterzeichnete der Präsident Carnot, wie wir dem „Journal des Debats“ entnehmen, ein Dekret, durch welches die Inspektion geschlachteten Fleisches, die bisher von dem Ministerium des Inneren ressortirte, von diesem abgezweigt und dem Ministerium für Landwirthschaft überwiesen wird.
Spanien.
Madrid, 14. April. (W. T. B.) Die internationale Konferenz zum Schutz des industriellen Eigen thums ist heute geschlossen worden. Die Delegirten unterschrieben ein Protokoll über die Interpretation und Ausführung der Bestimmungen der industriellen Konvention von 1883, sowie über un richtige Ursprungszeugnisse von Industrie⸗ waaren. Das Protokoll trifft zugleich Bestimmungen wegen Vertheilung der Ausgaben des internationalen Bureaus imn Bern. Die Konferenz hat mit unbedeutenden Modifi⸗ kationen den schweizerischen Entwurf für die internationale Registrirung der Handelsmarken angenommen. Art. 5 der Konvention vom Jahre 1883 bezüglich der Patentrechte bleibt unverändert. Das Protokoll wird der Genehmigung h . Mächte unterbreitet und demnächst ratifizirt werden.
Wie verlautet, beabsichtigte der Finanz⸗Mini ster, den Cortes eine Vorlage zu unterbreiten, welche die Bank von Spanien ermächtigt, das Maximum ihrer Noten⸗ Emission auf Tausend Millionen Pesetas zu erhöhen unter der Bedingung, daß die Bank ein Drittel dieses Betrages in baarem Gelde, halb in Gold und halb in Silber, reservire.
In der Deputirten kammer brachte der Abgeordnete Cassola einen Antrag ein, betreffend die Unverletzlich⸗ keit derjenigen Mitglieder der Deputirtenkammer und des Senats, welche dem Militärstande angehören. Der Minister-Präsident Sagasta nahm den Antrag mit einem ö an, worauf derselbe einstimmig genehmigt wurde.
Portugal.
Lissabon, 14. April. (W. T. B.) Se. Majestät der König verbrachte den gestrigen Tag im Palais das Necessidades in Gesellschaft Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Heinrich von Preußen. Das deutsche Ge⸗ schwader hat in Folge des stürmischen Wetters Lissabon noch nicht verlassen.
Bei den heute stattgehabten 50 Wahlen zur Pairs⸗ Kammer wurden nur Konservative und Progressisten und kein Republikaner gewählt. Die Konservativen werden die Mehrheit in der Pairs⸗Kammer haben.
Schweiz.
Bern, 14. April. (W. T. B.) Der Bundesrath hat beschlossen: 1) der Direktion der Jura-Simplonbahn seine Geneigtheit zu erklären, mit Italien über die Her⸗ stelung eines Simplontunnels mit der im Projekt vom Jahre 1882 angenommenen Höhenlage zu unter⸗ handeln; ?) die Direktion einzuladen, zur Beförderung des Unternehmens der a, ,, definitive Baupläne nebst Kostenberechnung und einen Plan über die Beschaffung der nöthigen Geldmittel vorzulegen; 3) der italienischen Re⸗ gierung seine Geneigtheit zu erklären, auf ihre in der Note an den schweizerischen Gesandten ausgesprochene Anschauung einzugehen. Der Bundesrath werde deshalb ungesäumt seiner⸗ seits die Ausarbeitung von definitiven Bauplänen anordnen und diese seiner Zeit der italienischen Regierung zum Zweck der Fortsetzung der Unterhandlungen vorlegen.
Schweden und Norwegen.
(E) Stockholm, 11. April. Die Staatseinnahmen haben im ersten Vierteljahr dieses Jahres betragen: Zölle
8 061 999 Kronen gegen 7403 330 Kronen, Branntweinsteuer 2 3b 300 Kronen gegen 2050 513 Kronen, Staatseisenbahnen (Ueberschüsse) 1 800 000 Kronen gegen 1 700000 Kronen oder zusammen 12 797 299 Kronen gegen 11 153 843 Kronen in der gleichen Zeit des Vorjahres.
Amerika.
Vereinigte Staaten. Washington, 12. April. (A. C) Präsident Harrison genehmigte die Vorlage, betreffend die Errichtung eines Landungsplatzes für Ein⸗ wanderer auf der Ellis insel.
Parlamentarische Nachrichten.
Dem Herrenhause ist der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die in Ansehung der ehemaligen Wall⸗ grundstücke in der Stadt Frankfurt a. Main unter dem Namen „Wallservitut“ bestehenden Bau⸗ und Benutzungsbeschrän kungen, zugegangen. Dem Entwurf ist eine Denkschrift des Professors Dr. Laband in Straß⸗ burg i. E. beigefügt.
In der heutigen (0) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Reichskanzler, Präsident des Staats⸗-Ministeriums und Minister der auswärtigen An⸗ gelegenheiten von Caprivi, der Vize⸗Präsident des Staats⸗ Ministeriums, Staats-Minister Pr. von Boetticher, der Minister der öffentlichen Arbeiten von Maybach, der Minister für Landwirthschaft 2c. Dr. Freiherr Lucius von Ballhausen, der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. von Goßler, der Finanz-Minister Dr. von Scholz, der Minister des Innern Herrfurth und der Justiz-Minister Dr. von Schelling beiwohnten, machte der Präsident von dem Ableben des Abg. Plincke, Vertreters des 4. Lüneburger Wahlkreises, Miltheilung, dessen Andenken das Haus durch Erheben von den
Sitzen ehrt.
Ein Schreiben des Abg. Kelch, in welchem derselbe von seiner Ernennung zum Hülfsarbeiter im Reichsamt des Innern Kenntniß giebt, wurde der Geschäftsordnungs⸗Kommission zur Prüfung Übergeben, ob das Mandat durch diese Ernennung erloschen ist. .
Vor Eintritt in die Tagesordnung nahm der Präsident des Staats-Ministeriums von Caprivi das Wort:
Nachdem Se. Majestät der Kaiser und König mich zum Präsi⸗ denten des Staats-Ministeriums ernannt hat, habe ich zum ersten Mal die Ehre, vor diesem hohen Hause zu erscheinen. Wenn ich mir vor der Tagesordnurg das Wort erbeten habe, so ist es nicht etwa geschehen, um im Namen der Staatsregierung ein Programm vor Ihnen zu entwickeln. Eine solche Maß— regel würde mir an sich und im Allgemeinen fragwürdig scheinen; sie wäre unmöglich heute gegenüber meiner Person. Den politischen Angelegenheiten bisher fremd, bin ich vor einen Wir⸗ kungskreis gestellt, den auch nur im Allgemeinen zu übersehen mir bis heute nicht möglich gewesen ist. Ich habe es aber für meine Pflicht gehalten und habe den Wunsch gehabt zu erscheinen, um den ersten Schritt zu einer Anknüpfung persönlicher Beziehungen zwischen Ihnen, meine Herren, und mir zu thun. Sie werden begreifen, daß gegenüber meinem großen Vorgänger ich ein fehr lebhaftes Bestreben haben muß, in persönliche Be⸗ ziehungen wenigstens insoweit zu treten, als solche persönlichen Be⸗ ziehungen die fachliche Erledigung der Geschäfte fördern. Ich müßte das Gefühl etwa eines Ministers haben, der seine amtliche Wirksam— keit mit einem bedenklichen Defizit anfängt, wenn ich nur meine Per son an dieser Stelle in Betracht zöge. Wenn ich aber trotzdem un— verjagt mein neues Amt angetreten habe, so geschah es in der Erwägung, daß andere Momente es mir möglich machen werden, wenn auch nicht in dem Maße, wie mein großer Vorgänger, aber in bescheidenerer Weise, die Geschäfte zum Segen des Landes zu führen. Ich bin überzeugt, daß das Gebäude, welches unter der hervorragenden Mitwirkung des Fürsten Bismarck entstanden ist, seiner genialen Kraft, seines eisernen Willens, seiner tiefen Vaterlandsliebe, daß dieses Gebäude fest genug gefügt und gegründet ist, um auch nachdem seine stützende Hand ihm fehlt, Wind und Wetter widerstehen zu können. Ich halte es für eine überaus gnädige Fügung der Vorsehung, daß in dem Moment, wo die Trennung des Fürsten von dem öffentlichen Leben eintrat, sie die Person unseres jungen erhabenen Monarchen in ihrer Bedeutung für das In und Ausland hat so klar hervortreten lassen, daß diese Person geeignet ist, diese Lücke zu schließen und vor den Riß zu treten. Ich habe einen unverwüstlichen Glauben an die Zukunft Preußens; ich glaube, daß die Fortdauer des preußischen Staats und des an seine Schulter gelehnten Deutschen Reichs noch auf lange eine welt— bistorische Nothwendigkeit ist, und ich glaube, daß dieses Land und dieses Reich noch einer hoffnungsvollen Zukunft entgegengeht. Sie werden das Wort Sr. Majestät gelesen haben, daß der Kurs der alte bleiben soll, und schon der. Unistand, daß meine Herren Kollegen unentwegt ihr Amt fortführen, wird Ihnen beweisen, daß die Staatsregierung nicht die Äbsicht bat, eine neue Aera zu inauguriren. Es liegt aber in der Natur der Verhält- nisse und Menschen, daß einer Kraft wie der des Fürsten Bismarck gegenüber andere Kräfte schwer Platz finden konnten, daß unter seiner zielbewußten, auf sich selbst gestellten Weise, die Dinge zu sehen und zu treiben, manche andere Richtung hat in den Hintergrund treten müssen. und manche Idee, manche Wünsche, wenn sie auch berechtigt waren, nicht überall haben in Erfüllung geben können. Es wird die erste Folge des Perfonenwechsels in Bezug auf die Regierung selbst die sein, daß die einzelnen Ressorts einen größeren Spielraum gewinnen und mehr hervortreten als bisher. Es wird darum ganz unvermeidlich sein, daß innerhalb des preußischen Staats Ministeriums die alte kollegiale Verfassung mehr und mehr zur Geltung kommt, als sie unter diesem mächtigen Minister⸗Praͤsi⸗ denten es konnte. Ohne formal dazu autorisirt zu sein, glauwe ich auch im Einverständniß mit meinen Kollegen aussprechen zu können, daß die Staatsregierung überall bereit sein wird, solche zurückgehaltenen Gedanken und Wünsche aufzunehmen, sie von Neuem zu prüfen und, soweit sie die Ueberzeugung von ihrer Durchführbarkeit gewinnt, sie zu realisiren. Wir werden es thun, von wo und von wem diese Ideen auch kommen, und wir werden ihnen Folge geben, wenn es nach unserer Ueber- zeugung mit dem Grete gl vereinbar ist. Wenn auf diese Weise die Staatsreglerung dem hohen Haufe und den Wünschen des Landes entgegenzukommen bereit ist, so darf ich die Hoffnung aussprechen, daß auch ich in diesem Hause und bei den Herren auf Entgegenkommen rechnen kann. Wir werden gern mit allen denjenigen zusammenarbeiten, und wir hoffen auf einen engeren Zusammenschkuß Angesichts der immer⸗ hin schwierigen Lage im Innern, vor der wir voraussichtlich stehen werden, mit allen denen, die ein Herz für Preußen haben und die gesonnen sind, den Staat im monarchischen, das Reich im nationalen Sinne weiterzuführen, gründen und ausbauen zu helfen.
Das Haus trat darauf in die dritte Berathung des Gesetzenkwurfs, betreffend die Feststellung des Staatshaushalts-Etats für das Jahr vom 1. Apri— 1890/91, ein; zunächst ergriff der Abg. Rickert das Wort. (Schluß des Blattes.)
Statistik und Volkswirthschaft.
Zur Arbeiterbewegung.
Am 12. d. M fand in Gelsenkirchen eine zahlreich besuchte Bergarbeiter⸗Versammlung der arbeitslosen Berg- leute ffatt, welche aber, der Rh.⸗Westf. Ztg.“, zufolge bald nach Eröffnung wegen heftiger Ausdrücke in einer Anfprache des ehemaligen Bergmanns, jetzigen Händlers Brodam durch den beaufsichtigenden Polizeikommissar geschlossen wurde.
Der „Frkf. Ztg. wird aus St. Johann a. Saar telegraphirt, daß eine allgemeine Arbeiterversammlung, die in Fisch bach abgehalten wurde, beschlossen hat, den 1. Mai nicht zu feiern. Die⸗ selbe sprach sich jedoch für eine achtstündige Arbeitszeit aus, die bei den Bergleuten Ein⸗ und Ausfahrt einschließen müsse; bei den Bau: handwerkern aber solle die Arbeitszeit zwölf Stunden mit zwei Stunden Pause betragen, ö
Der ‚Voss. Ztg.“ wird aus Beuthen O.« Schl. vom gestrigen Tage mitgetheilt, daß die gesammte Belegschaft der Gru be .Wildensteinsegen?, obgleich die Forderungen achtstündig er Arbeitszeit und höherer Löhne abgelehnt worden sind, wieder an ge— fahren sind. — Ber ‚Schles. Ztg.“ geht ferner aus Beuthen die Nachricht zu, daß die Belegschaft der Gräflich Hugo Henckel von Donnersmarck'schen Radzlonkau⸗Steinkohlengrube die Arbeit am 12. d. Mniedergelegt hat Die Belegschaft, durch einzelne Rädelsführer aufgehetzt, verlangt kürzere Arbeitsschicht und abermalige Erhöhuag des Lohnes. Die Verwaltung, welche ihren Arbeitern Vergünstigungen mannigfachster Art hat zukommen lassen, ist in Folge eingegangener kontraktlicher Verpflichtungen gegen die Kohlenabnehmer, an welche sie noch jahrelang gebunden ist, außer Stande, den Forderungen nachzukommen. Bei der Montagsschicht sollte deshalb Seitens der Verwaltung der Belegschaft die bestimmte Erklärung abgegeben werden: „entweder unter den bisherigen Bedin gungen die Arbett aufzunehmen oder sich für entlassen zu halten“,
Einer Hamburger Meldung des Wolff'schen Bureaus“ zufolge haben die dortigen Schuhmachergesellen gestern Mittag in den Werkstätten, deren Inhaber ihre Forderungen nicht bewilligt hatten, die Arbeit niedergelegt. Am Nachmittag fand eine öffentliche Versammlung sämmtlicher Schuhmachergesellen Hamburgs statt, in welcher die Namen derjenigen Meister bekannt gegeben wurden, welche die Forderungen bewilligt hatten. -
Der Ausstandauf der Germania⸗Werft in Kiel dauert unverändert fort, da der Aufforderung der Direktion, die Arbeit unter den früheren Bedingungen wieder aufzunehmen, keine Folge geleistet ist; vielmehr hat, wie die Kiel. Ztg.“ berichtet, eine am Sonnabend in Gaarden abgehaltene Versammlung der Werftarbeiter beschlossen, aus⸗ zuharren, bis die gestellten Forderungen bewilligt sind. — In einer am Freitag von ea. 400 Tischlern in Kiel abgehaltenen Versammlung wurde das Vorgehen der Direklion der Germania-⸗Werft schar getadel und eine Resolution angenommen, welche ausspricht, daß die Versamm⸗ lung sich mit den ausgesperrten Werftarbeitern für solidarisch erklärt. Die Gärtnergehülfen in Leipzig hielten vor einigen Tagen eine Versammlung ab, in welcher u. A. mitgetheilt wurde, daß gegen⸗ wärtig die durchschnittliche Arbeitszeit 15 bis 17 Stunden dauere; dabei betrage der baar zur Auszahlung gelangende Monatslohn nur 15 M, auch sei die von den Arbeitgebern gewährte freie Station oft sehr mangelhaft. Man einigte sich, wie die „Voss. Ztg.“ mittheilt, vorerst als Mindestforberung einen Mongtslohn von 24 6 bei 11 stündiger Arbeitszeit aufzustellen. — Eine Versammlung der Stellmachergehülfen Leipzigs beschloß, von der Nieder⸗ legung der Arbeit am 1. Mai abzusehen, dagegen sich an den für diesen Tag von anderen Gewerkschaften veranstalteten Versammlungen und Vergnügungen zu betheiligen; eine Versammlung der Cement arbeiter beschloß, den 1. Mai nicht durch Arbeitseinstellung, sondern durch Abhaltung einer Versammlung am Abend zu feiern. ö
In Hannover scheinen die Maler und Lackirer bei ihrer Weigerung, die Arbeit wieder aufzunehmen, durchaus zu verharren. Sie verlangten ursprünglich einen Mindestlohn von 45 3 für die Stunde, den sie inzwischen schon auf 40 herabgesetzt haben; ferner wollen sie die Arbeitszeit für den Sommer auf neun Stunden herabgesetzt wissen 2e. Die Arbeitgeber haben sich ganz entschieden gegen diese Forderungen erklärt, machten aber vermittelnde Vorschläge und sind, wie wir der „ Magdb. Ztg. entnehmen, entschlossen, keine anderen Zugeständ⸗ nisse an die sogenannte Lohnkommission der strikenden Gehülfen zu machen. — Die Tischlergefellen in Hannover haben an ihre Arbeitgeber ähnliche Forderungen gestellt, welche die Meister nicht ge⸗ neigt find, zu bewilligen. In der von den Meistern abgehaltenen Versammlung wurde der Meinung Ausdruck gegeben, daß die große Mehrheit der Gesellen nicht striken wolle, sondern die ganze Be— wegung vorzugsweise nur durch einzelne Rävelsführer hervorgerufen sei.
In Halle bielten die Buchdrucker am Sonnabend eine gut besuchte Versammlung ab, in welcher in Bezug auf die Feier des 1. Mai folgende Resolution angenommen wurde: „Die Halleschen Buchdrucker veranstalten am Abend des 1. Mai eine allgemeine Buchdruckerversammlung mit der Tagesordnung: Die Halleschen Buchdrucker und die Achtstunden bewegung.
Aus Görlitz wird der Voss. Ztg. geschrieben, daß nicht alle dortigen Fabrikbesitzer der Textilbranche beschlossen hätten, die am 1. Mai feiernden Arbeiter nicht wieder anzunehmen. Die Ver abredung soll sich, nach dem ‚N. Grl. A.“, auf einige Tuchfahritanten, die eine Konventionalstrafe von 50 s ausgemacht haben, beschränken.
In Braunschweig hielten, wie der „Köln. Ztg.“ geschrieben wird, 400 Arbeiter der Königlichen Eisenbahnwerkstätten eine Versammlung ab, in welcher beschlossen wurde, eine Lohnerhöhung mit allen gefetzlichen Mitteln zu erstreben. Weiter wurde beschlofsen, eine Lohnerhöhung von 30 96 zu verlangen; wird diese Seitens des dortigen Betriebsamts nicht gewährt, so will man sich zunächst an die Königliche Eisenbahn-Direklion Magdeburg wenden.
In Gerg ist am Sonnabend gegen 30600 Webern gekündigt worden, weil sie sich weigerten, die in einer Resolution der Arbeiter früher erwähnte Fabrikordnung anzuerkennen. Unter den Arbeitern gewinnt die Bewegung für die zehnstündige Arbeitszeit, wie dasselbe Blatt mitiheilt, immer mehr an Umfang.
Aus Wien wird der ‚Voss Ztg.“ telegraphirt: da unter den Manurergehülfen große Nothlage berrscht, minderten sie ihre Forderungen bedeutend herab und beschlofsen überdies, noch vor deren Annahme durch die Baumeister bereits gestern die Arbeit aufzunehmen. Dagegen begann gestern ein Ausstand der Gehülfen und Gehülfinnen der Bamenschneider, der aber, da die Besitzer der Modesalons den Arbeitern und Arbeiterinnen schließlich Zugeständnisse machten, bereits wieder beigelegt ist — Die Kohlenarbeiter der Nord bahn und die Bauarbeiter der Nordwestbahn verlangen gleichfalls Lohnerhöhung und kündigen einen Ausstand an. — Der Ausstand der Kaminfeger Lembergs ist beigelegt. In Graj beschlossen gestern 5000 Tischler die Arbeitseinstellung ohne Kün— digung. Der Ausstand hat gestern thatsächlich begonnen.
Der Berner „Bund“ schreibt unter dem 12. d. M.: Die Kom mission der Reservekasse schweizerischer Arbeiter tadelt die leichtfertige Art der Anbahnung von Strikes an verschiedenen Orten der Schweiz und giebt folgenden Beschluß der Kommission bekannt: „Es soll von heute an kein Strike mehr bewilligt, noch soll die Publikation von Hülferufen oder von Warnungen vor Zuzug in der Arbeiterpresse ge— stattet werden, wenn nicht vorher, und zwar so frühzeitig die Ver⸗ mittelung der Reservekasse⸗Kommission angerufen worden ist, daß sie Gelegenheit hatte, zu interveniren und an den Verhandlungen theil⸗ zunehmen.“
Aus Paris schreibt man der „Köln. Ztg.“: Die für den 1. Mai geplante große Arbeiterkundgebung wird wahrscheinlich Fiasco machen, da die sogenannte Arbeiterpartei sich nicht an der⸗ selben betheiligen will und ihre Mitglieder an diesem Tage ihre Arbeit nicht einstellen wollen. Bis jetzt sind für die Kundgebung nur die Blanquisten und dann die unter, der Leitung Guesdes stehenden Marxisten. Die Zahl der Mitglieder dieser beiden Parteien beträgt höchstens 10 000.
Die Gutsbezirke in der Provinz Posen. (Stat. Corr.)
Das auf Grund der Materialien der Volkszählung vom 1. De zember 1835 und anderer amtlicher Quellen vom Königlichen Sta—⸗ tistischen Bureau bearbeitete und herausgegebene Gemeindelexikon für die Provinz Posen! führt 2065 selbständige Gutsbezirke auf, deren Antheil an der Gesammtfläche dieser Provinz 55,81 und an ihrer Bevölkerung (von 1885) 2274 0 beträgt. Die Aecker dieser Gutsbezirke nehmen 48 ί, der Ackerfläche, ihre Wiesen nahezu die Hälfte des gesammten Wiesenlandes, ihre Holzungen 6 aller mit Holz bestandenen Flächen der Provinz ein; ihr Besitz ist mithin so aus—⸗ gedehnt an sich und so bedeutend im Verhältniß zu dem der Stadt⸗ und Landgemeinden, daß nähere Nachrichten darüber in mehrfacher
insicht ein volkswirihschaftliches Interesse erregen. Ueber den Guts— besitz in sprachlich nationaler Beziehung treten denn auch zuweilen Mittheilungen an, dig Oeffentlichkeit. Zu ,, . Zusammen⸗ stellungen giebt ein kürjlich herausgekommenes Tabellenwerk (Hand buch der Gutsbezirke der Provinz Pofen, nach amtlichen Materialien bearbeitet und herausgegeben durch W. von Lühmann, Posen, J. J. Heine, 1390) Anlaß, welches sich an das Gemeindelexikon an— schließt, durch alphabetische Anordnung sogar der Kreise aber seine statistische Benutzung sehr erschwert Wir ziehen daher aus dem Ge— meindelexikon entnommene Hauptzahlen in landschaftliche Gruppen zusammen, um erst einmal zu untersuchen, ob betreffs des Antheils der Gutsbezirke an der Fläche u. dgl. wesentliche Verschiedenheiten zwischen geographischen Untergebieten der Provinz stattfinden Wir beginnen mit jenen Gruppen von Nordwesten aus und enden im
Südosten. Die berechneten Zahlen sind: Antheil der Guts⸗
Hektar Fläche: * *. für die Gebiete Kreise äüber⸗ Gutg, berirke: i n haupt bezirke Fläche Bed lle
rung 381 767 183 697 48,12 16,62 335 468 206 1065 61,44 21.37 427 646 241 355 56,43 31.45 322 410 oo 15 6317 32452 ö 328 927 203 294 61,81 21,35 6 Norbwesten 257 6359 142 345 47,57 1665 Südwesten 472 107 2653 099 53,51 21,07 Südosten 330 416 185 725 56,21 20,91 zusaimmen 473 72895 770 161662 55,81 22,76. Im Osten der Provinz haben also die Gutsbezirke eine größere Be— deutung als im Westen, und zwar sowohl in Betreff der Fläche, wie der Bevölkerung. In 12 Kreisen, die sich auf alle Gruppen außer der ersten vertheilen, nehmen die Gutsbezirke über 3/3 der Fläche ein, davon in Samter 714, in Jarotschin 688 ,, in Pleschen 69 und in Inowrazlaw 68710 bo; am schwächsten ist ihr Antheil in Meseritz mit 37 und in Filehne mit 393 , . In 10 Kreisen, worunter Wongrowitz mit 396sr und Pleschen mit 382 ο, übersteigt die Be—⸗ wohnerzahl der Gutsbezirke ein Drittel der Gesammtbevölkerung; dagegen beträgt sie in Filehne nur 8æa Y derselben.
Die erstgenannte Gruppe umfaßt die Kreise an der unteren Netze, von denen Filehne noch an die Provinz Brandenburg und nebst den übrigen an Westpreußen grenzt. Die zweite Gruppe mit dem Stadt. kreise Bromberg setzt sich im Brahe“, mittleren Netze⸗ und Weichsel⸗ geblet ostwärts fort und grenzt init Inowrazlaw bereits an das russische Reich. Dasselbe ist mit den Kreisen Strelno, Mogilno und Wittowo im Reste des Regierungobezirks Bromberg, dem oberen Netze und Welnagebiet, der Fall. Die vierte Gruppe oder das untere Prosna und obere Warthegebiet grenzt mit Wreschen und Jarotschin an Rußland; hierzu hätte noch der Kreis Pleschen gezogen werden können, wenn nicht der Grundsatz maßgebend gewesen wäre, daß von dem Aneinanderschließen der Kreise auch der Uebergang aus einer zur anderen Gruppe zu treffen sei. Zum mittleren Warthe gebiet gehört auch der Stadtkreis Posen. Die sechste Gruppe, das untere Warthe⸗ und Obragebiet, trifft mit den Kreisen Birnbaum, Schwerin und Meseritz wieder die brandenburgische Grenze. Dasselbe geschieht Seitens des auch schon die schlesische Grenze berührenden Kreises Bomst in der um den Obrakanal und die Orla gelagerten siebenten Gruppe, von welcher noch Fraustadt, Lissa und Rawitsch an die Provinz Schlesien grenzen. Die letzte endlich wird von den oberen Gebieten mehrerer Oderzuflüsse und der Prosna eingenommen; hier besitzen Krotoschin, Adelnau, Schildberg und Kempen die schlesische, Pleschen, Ostrowo, Schildberg und Kempen die russische Grenze. Die Zahl der Binnen Landkreise beträgt in der zweiten Gruppe 1, der dritten 3, der vierten 2, der fünften 4, der sechsten 1, der siebenten 4 und der achten 1.
Kunst und Wißfssenschaft.
Die Vorlefungen der juristischen Fakultät hiesiger Universität beginnen Dienstag, den 22 April.
London, 15. April. (W. T. B) In der gestrigen Sitzung der Geographischen Gesellschaft wurde Emin Pascha die goldene Medaille zuerkannt, in Anerkennung der großen Dienste, welche er in den Ländern östlich, westlich und südlich vom oberen Nil während seiner zwölsjährigen Verwaltung der Aequatorial Provinz durch seine Forschungen der geographischen Wissenschaft geleistet hat.
Literatur.
Aus Friedrich Jacob's Verlag in Torgau (1890) ist soeben hervorgegangen: Martin Rinkart's (des Dichters von „Nun danket alle Gott) Lutherfestspiel vom Jahre 1617 Eislebisch Mansfeldische Jubel ⸗ Comödie), für die Gegenwart verfaßt von RUugust Trümpelmann.“ (Pr. 1 416 50 ). In diesem Werk, Eingangs dessen eine Abhandlung über die Geschichte und Bedeutung der Lutherfestspiele ihre wohlberechtigte Stelle einnimmt, liegt in neuzeitlichem Gewande das beste jener Dramen vor ung, welche der Reformation, ihre Entstehung verdanken und deren Gedankenfäden sich bis in Luther's Zelle zurückverfolgen lassen. Martin Rinkart, ein Mann, dessen Jugendzeit noch in das Reformation Jahrhundert hineinreicht und der mit Schülern und Mit— arbeitern der Reformatoren noch in Berührung gestanden, schöpfte den Stoff zu dem Lutherfestspiel, welches zur ersten Säkularfeier der Reformation im Jahre 1617 in Eisleben gespielt wurde, unmittelbar auß dem Strome neuen Lebens, welcher jener großen Geisterbewegung des 16. Jahrhunderts entquollen. Daher die packenden Züge, die Treuheit der Vorgänge und alle die dichterischen Schönheiten, welche sein Volksschauspiel auszeichnen. Gleichwohl, enthält dieses Driginal eine Menge von Breiten und Schwerfälligkeiten, welche dem Kunstgeschmack der Gegenwart widerstehen. Der vorliegen den Bearbeitung Trümpelmann's, ines durch viele frühere poetische Grzeugnisse bekannten und anerkannten Verfassers, gebührt das Verdienst, unter pietätvoller Schonung der Eigenart des ursprüng⸗ lichen Stücks dessen Unebenheiten beseitigt, manche Scene dra matisch zugespitzt, die lehrhaften Theile passend gekürzt, dem Ganzen poetisch nachgeßolfen und Überhaupt die Rinkart'sche Kunstfom dem Geschlecht unserer Zeit genießbar gemacht zu haben. Solchergestalt ist nun ein echtes Bolksstück herausgearbeitet worden, in welchem das Epische mit dem Dramatischen sich mischt, allegorische Figuren den Fortgang der Handlung versinnbilden, Lehrgedicht und Drama fich berweben und das Ganze von der Musik, vor Allem vom Chorol, umschlungen und durchzogen ist. Das Stück ist in Anbetracht des verhältnißmäßig geringen Umfangs der Rollen leicht aufführbar und dürfte sich namentlich wegen der mit gefundem Humor gewürzten Volks⸗ und Bauernscenen recht wirksam erweisen.—9
— „Deu tfche Jugend, Illustrirte Jugendschrift für Knahen und Mäbchen“, herausgegeben von Fulius Lohmeyer (Union, Deutfche Verkagsgefellschaft, Stuttgart; — Wieder liegen uns drei neue Hefte diefes altbewährten, trefflichen Jugendfreundes vor, aus deren reichem, unterhaltendem und belehrendem Inhalt wir die ergreifenden Erzählungen: ‚Unser täglich Brot gieb uns heute. von Julie Ludwig, illustrirt von A. von Rößler, und Bruderliebe von Wilhelm Fischer, sowie das liebliche Märchen „ Haucsgeister, von Frida Schanz, mit Illustrationen von H. Vogel, ferner die rührende
Brom ⸗ I Nordosten berg Süden Nordosten R. B Provinz mitte
. Nordwesten
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Schilderung „Lehr. und Leidensjahre Jean Paul Friedr.] Richter's! von Jos. Mayr, mit Bildern von W. Claudius, die spannende, farbenreiche Seemannsgeschicht. Das Beute⸗ schiff, illustrirt von F. Bergen, das afrikanische Märchen Der Scheinteufel! von alkenhorst und das frischerzählte überseeische Abenteuer: „Frisch gewagt“, sowie die kernigen Alpen bilder von Georg Lang besonders hervorheben. Außerdem bringen die Hefte den jungen Lesern und Leserinnen noch eine Fülle kleinerer Beiträge, Gedichte, naturgeschichtliche und geographische Schilderungen, ein Charakterbild Joseph's II. und ein Erinnerungsblatt, der hoch⸗ seligen Kaiserin Augusta gewidmet, welche seit dem Bestehen der „Deutschen Jugend“ durch fast zwanzig Jahre dem Jugendwerk huld⸗ volle Unterstützung und ehrenvolle Auszeichnungen gewähre. hat. Jedem Heft ist endlich eine Fülle von sinnreichen Verstandesanregungen beigegeben. Somit sei diese gediegene Jugendschrift allen sorgsamen Eltern aufs Neue angelegentlich empfohlen.
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Die im Mai hierselbst stattfindende 1. Mastvieh⸗Aus⸗ stellung verspricht nach den bisher vorliegenden Anmeldungen sehr hedeutend zu werden. Von größeren Zuchtgenossenschaften haben der Schleswig Holsteinische landwirthschaftlich' Generalverein und die Meißener Zuchtgenossenschaft Kollektionen angemeldet. Von alt— bewährten Ausstellern, die auch die diesjäbrige Schau mit Pro— dukten ihrer Zucht beschicken werden, seien Rehfeld⸗Golzow. Sattig⸗ Mürchwitz, Preuß Friedrichsaue, von Arnim-Kriewen und Bredt⸗ Karlsburg genannt. Eine Reihe von Anmeldungen ist noch in Aus— sicht gestellt. Auch Konkurrenzen bezüglich des Schlachtgewichts sind wieder geplant.
Handel und Gewerbe.
Berlin, 13. April. (Wollbericht des ‚Ctrbl. f. d. Textil⸗ Ind.“) Das Geschäft verblieb auch in den letzten acht Tagen ohne Anregung. Einzelne Bedarfskäufe in Rückenwäschen haben statt⸗ gefunden, und auch in ungewaschenen Wollen ist Mehreres umgegangen, ohne daß die verkauften Quantitäten eine nennenswerthe Höhe erreichten. In den Preisen konnte man ein größeres Entgegenkommen der Eigner bemerken. Angesichts des Preis abschlag in London und der vorgerückten Saison suchen letztere ihre Läger möglichst zu räumen, und dürften daher Fabrikanten, die in dem Artikel etwas unternehmen wollen, jetzt hillig anzukommen in der Lage sein. Die Bestände sind im Allgemeinen hier nicht bedeutend; in ungewaschenen Wollen sind einige größere Posten wieder berangekommen und werden in nächster Zeit noch erwartet. Da diese Wollen sehr günstig rendiren, finden sie schnell Abnehmer.
— In der Aufsichtsrathesitzung der Victoria zu Berlin, Allgemeine Versicherungs-Aktien⸗Gesellschaft, vom 11. April er. wurde festgesetzt aus dem Geschäftsgewinn des Jahres 1859 eine Dividende zu vertheilen an die Aktionäre von 159 S pro Aktie (26 0so der Baar-Einzahlurng), an die mit Gewinn-Antheil Versicherten der Lebensversicherungs-Abtheilung von 3 ι der Summe der seit Beginn der Versicherung gezahlten Prämien, der Unfall versicherungs⸗Abtheilung von 414 Cάίδlq der gezahlten Jahresprä mie. Von den günstigen Geschästsergebnissen des Jahres 1889 sind als bemerkenswerth die folgenden Punkte hervorzuheben: Die Gesammt⸗ Einnahme an Prämien und Zinsen aus allen Branchen betrug 10 530 098 S und sitieg gegen das Vorjahr um den bedeutenden Betrag von 1978 823 S6 Der Gesammt-Ueberschuß der Einnahmen über die Ausgaben betrug 1940 505 9 . Es wurden in der Lebens— versicherungs⸗Abtheilung 6537 neue Anträge über 36 694 486 M ein⸗ gereicht und 5273 Policen über 27 652123 6 Versicherungssumme ausgefertigt. Der Gesammt-Versicherungsbeftand dieser Abtheilung hob sich auf 154 269 352 A6 und zeigte gegen das Vorjahr einen reinen Zuwachs von 19576 566
— Der Aufsichtsrath der Union“ Baugesellschaft auf Aktien hat beschlossen, eine Dividende von 66 G gegen 5H Oe des Vorjahres bei der Generalversammlung in Vorschlag zu bringen.
— In der gestrigen 18. ordentlichen Generalpversammlung der Bank für Rheinland und Westfalen in Köln wurde die Bilanz einstimmig genehmigt, Entlastung ertheilt und die vom 16. er. ab zahlbare Dividende auf 6 C. — 18 6 pro Aktie festgesetzt.
— Die „Rhein. Westt Ztg.“ berichtet vom rheinisch-⸗west⸗ fälischen Eisen- und Stahlmarkt: Der rbeinisch ⸗westfälische Eisenmarkt zeigt noch immer die Stille der Vorwochen. Durch die Zurückhaltung der Käufer ist namentlich das Roheisengeschäft recht ruhig, jedoch haben sich die Preise auch in der letzten Woche fest be— hauptef. Unser einheimisches Erzgeschäft leidet noch immer unter der Stille, welche den Roheisenmark! beherrscht. Abschlüsse sind selten. Im Ganzen und Großen sind die Preise ziemlich fest. In den Noti— rungen fowohl wie in den AÄbsatzverhältnissen von lothringer Minette ist eine Aenderung nicht zu verzeichnen. Auf dem Roheisen⸗ markt haben sich noch keine Anzeichen von Wiederbelebung bemerk— bar gemacht. Die Abnehmer decken nur den nöthigsten Bedarf und stellenweise hat die Nachfrage fast ganz ausgesetzt. Bei den jetzigen Kohlen ⸗ preisen ist an einen Rückgang der Preise für Roheisen kaum zu denken. Die Hochöfen führen sogar noch vielfach Klage, daß die Höhe der Brennstoffe die Ausfuhr sehr erichwere. Es sollen selbst vom Auslande schon Angebote zu wesentlich niedrigeren Preisen gemacht worden sein; allerdings dürfte dieser Fall bis jetzt nur vereinzelt da—⸗ steben. Was die einzelnen Roheisensorten anbelangt, so ist Gießerei⸗ roheisen etwa ausgenommen, weder in den Preisen noch in den Ab- satzverhältnissen eine nennenswerthe Aenderung zu bemerken. Bei Gießerei⸗ roheisen ist feit der letzten Wache einige Maik billiger anzukommen. Bie Erzeugung von Röoͤheisen hat im März zugenommen; dieselbe be⸗ trug für sämmtliche Eisensorten 127 231 t gegen 111 666 t im Vor monat. Diese Mehrerzeugung hat auch bis auf rund 2300 t Absatz gefunden. Die Lagervorraͤthe sind dadurch von 388 310 au 40 666 gestiegen; eine Zunahme, welche Angesichts der geringen Ziffer der TLagervorräte üßerhaupt nicht von Belang ist. Die Vorräthe von Puddelroheisen haben im März abgenommen. Das Walzeisen⸗ geschäft ist im Ganzen und Großen unxgerändert geblirben. Die Stabeisenwalzwerte haben weitere Aufträge in mäßigem Um— fange gebucht und sind für die Zukunft noch gut mit Bestellungen verfehen. Formeisen geht verhältnißmäßig lebhaft, da die Bau unternehmungen größere Posten dieses Fabrikates bedürfen. In Bandeifen ijt die Marktlage unverändert geblieben; man hofft, daß der Bedarf sich in nächster Zeit stärker geltend machen wird. Die Grobblechwalzwerke sind in anhaltend lebhaftem Betriebe. Für Feinbleche hat sich die Geschäftslage in den letzten Wochen wenig geändert; die Nachfrage ist augenblicklich nicht so rege, wie sie sein sollte. Walzdrabt, gezogene Drähte und Drahtstifte finden nur sangsamen Absatz und es ist wenig Aussicht vorhanden, daß sich dieser Industriezweig ineder nächsten Zeit bessern werde. Die Beschãftigung Fer Cifengießereien und Maschinenfabriken ist in der letzten Woche im Wesentlichen dieselbe geblieben; die Aufträge gehen im Ganzen und Großen nicht mehr so flott ein wie früher.
— Der Rechnungsabschluß der konsolidirten Alkaliwerke Westeregeln für das Jahr 1889 ergiebt einen Bruttoüberschuß don 1565 509 66 Nach Abzug der Abschreibungen mit 357 549 M verbleiben nach Deckung der Zinsen für die Obligationen als Rein gewinn g68 s6l s Hlervon sollen: 45 433 6 der gesetzlichen Reserpe und 80 000 M der besonderen Reserve überwiesen werden. Es wurde die Vertheilung von 100; Dividende gegen 12 9 im Vgrjabhre be— antragt. Die Generalversammlung ist auf den 5. Mai aus⸗ geschrieben.
Submissionen im Auslande. Dänemark. 1) 265. Arril. Holbäk. Stadtverwaltung. Lieferung von eisernen Röhren für die Wasserleitung.
25 1. Mai. Holbäk. Dieselbe Verwaltung. Lieferung jweier Gastmaschinen und Pumpen für die Wasserleitung.
Verkehrs ⸗Anftalten.
Hamburg, 14. April. (W. T. B.) Der Postdampfer⸗ Dania“ der Hamburg⸗Amerikanischen Packetfabrt⸗ Aktiengesellschaft ist, von New⸗RYork kommend, heute Abend arf der Elbe eingetroffen. .
London, 14. April. (W. T. B.) Der Union⸗Dampfer Arab“ ist heute auf der Heimreise von Madeira abgegangen.
— 15. April. (W. T. B.) Der Castle⸗ Dampfer Roslin Castle' hat am Montag auf der Ausreise Lissabon passirt. Der GCastle⸗ Dampfer Pembroke Castle“ hat die Canaxischen Infeln am Sonntag auf der Heimreise passirt. Der Union“ Dampfer German“ ist am Montag von Capetown auf der Heimreise abgegangen. . . .
Wladiwostock, 15. April. (W. T. B) Die Schiffahrt ist heute eröffnet worden.
Theater und Musik.
Königliche Schauspiele.
Die Sängerin Frl. Marli, welche zuletzt an mehreren italienischen Theatern thätig gewesen und sich gegenwärtig ganz der deutschen Opernbühne zu widmen gedenkt, wird am Donnerstag im König⸗ lichen ODpernhause ein auf Engagement abzielendes Gastsptel als Leonore in Verdi's ‚Troubadour“ beginnen. Die zweite Gastrolle der Künstlerin, am Sonnabend, wird die Margarethe in Meyerbeer's „Hugenotten“ sein. Die „Hugenotten“ gingen am 20. Mai 1842 zum ersten Male im Königlichen Opernhaufe in Scene und haben nunmehr ihre 250. Vorstellung erreicht. — Am nächsten Senntag wird Verdi's ‚Othello“ bereits zum 17. Male zur Aufführan! gelangen.
Lessing⸗Theater.
Victorten Sardou's ‚Rabagas“ ruft fast das gesammte schau⸗— spielerische Personal des Lessing⸗ Theaters auf die Scene Die Titel⸗ rolle spielt Adolf Klein; Miß Blount wird von Jenny Groß, Prin— zessin Gabriele von Lilli Petri, der Fürst von Monaco von Eugen Ste mann, und die lustigen Fübrer der Umsturzpartei werden von Oscar Höll Oscar Blencte, Paul Nollet und CarlStallmann dargestellt. Außer⸗ dem sind in dem figurenreichen Werke die Hrrn. C van Hell, Eduard Possansky, Hugo Ranzenberg. Franz Schönfeld. Carl Waldow u v A. beschäftigt. Die Direktion hofft mit dem übermüthigen, satirischen Lustspiel, das in Berlin noch niemals eine seinem Werthe entsprechende Darstellung gefunden hat, einen sehr fröhlichen und nachhaltigen Heiterkeitserfolg zu gewinnen.
Kroll's Theater.
Die italienische Operngesellschaft bringt am Donnerstag Verdi's „Ernani“, ein Werk, welches in Berlin lange nicht gehört worden ist, aber den echten Verdi'schen Stvl aus der glänzenden jugendlichen Schaffenszeit des genialen Komponisten an sich trägt. Am Sonnabend gelangt „Lucia di Lammermoor“ mit der gefeierten Sgra. Prevosti in der Titelrolle zur ersten Wiederholung.
Der junge Pianist Hr. Georg Krüger, unter Leitung des drof. Barih ausgebildet, gab gestern im Römischen Hofe sein erstes öffentliches Concert. Er besitzt eine bereits weit entwickelte, musterhaft geschulte Technik, der eine sehr verständnißvolle Ausdrucks weise zur Seite steht; nur muß er ein Urbermaß im Gebrauch des Pedals zu vermeiden suchen, das z. B. die Deutlichkeit in dem fonst recht gelungenen Vortrage der großen C-dur-Sonate von Beethoven und des „Nachtstücks“ von Schumann gefährdete. Das sehr melodiös gehaltene „Wiegenlied von Frommel sowie die schwere Rubinstein'sche C.dur-Etüde gelangen dem Spieler vortrefflich und wurden gleich der bekannten Henselt'schen „Vogel⸗Ctijde! und der As-dur-Ballade von Chopin mit leb— haftem Beifall von dem zahlreich erschienenen Publikum auf— genommen. Fr. Müller«Ronneburger, die stets gern gehörte Sängerin. unterstützte das Concert und kewies in dem voll—⸗ endeten Vortrag einer Arie aus Mozart's „Figaro“ und einiger Lieder von Schubert, Sieber und Berger von Neuem, wie eine rationelle Behandlung und Schonung der Stimme, bei sorgfältiger Vermeidung des Forcirens der höheren Töne und des Tremolirens, dieselbe lange Zeit hindurch in gleicher Kraft und Klangschönheit zu erhalten im Stande ist. Reicher Beifall und Hervorruf folgte ihren Vorträgen. Auch die junge Violinistin Frl. Gabrielle Roy erwarb sich durch den Vortrag der D-edur-Sonate ron Nardini und einiger kleiner Stücke lebhaften und wohlverdienten Beifall.
Hr. Otto Richter, Dirigent des „Vereins für geistlichen Chorgesang“, ist vom Königlichen Konsistorium der Provinz Sachsen nach Cisleben als Organist und Chor ⸗ Dirigent an die dortige Haupt⸗ kirche (St. Andreas) berufen worden. An seine Stelle tritt Hr. L. C. Wolf, der bisherige Vize⸗Direktor der Berliner Sing⸗Akademie.
Mannigfaltiges.
In den Sälen des Ministeriums des Innern ist beute der große, vom Frauenverein der Gustav Adolf⸗Stiftung ver⸗ anstaltete Wohlthätigkeitsbazar eröffnet worden, welcher dem Verein die Mittel bieten soll, den vielen bedürftigen Schul: und Konfirmandenhäusern in der Diaspora die dringend gebotene Hülfe zu gewähren.
Der Gesundheitszustand in Berlin war auch in dieser Woche (30. März bis 5. April) ein der Vorwoche ähnlich günstiger; die Sterblichkeit zeigte jedoch eine erheblichere Zunahme (23,9 pro Mille und Jahr berechnet). Insbesondere kamen Darmkatarrhe und Brechdurchfalle der Kinder in ansehnlicher Zahl zum Vorschein und endeten auch in einer großen Zahl von Fällen (85) tödtlich Der Antheil des Säuglingsalters an der Sterblichkeit war gleichfalls etwas gesteigert, sodaß von je 10 000 Lebenden, aufs Jahr berechnet, 90 Säuglinge starben. Dagegen haben akute Entzündungen der Athmungsorgane bedeutend abgenommen und nur wenige Erkraykungen hervorgerufen. Todesfälle an Grippe wurden aus der der Berichtswoche vorhergegangenen Woche 2 gemeldet. — Von den Infektionskrankheiten blieb das Vorkommen von typhösen Fiebern ein beschränktes. Erkrankungen an Masern, Scharlach und Diphtherie wurden jeltener als in der Vorwoche zur Anzeige gebracht, obwohl sich Masern im Stralauer Viertel, in der diesseitigen Luisenstadt, in der Schöne⸗ berger, Tempelhofer und Rosenthaler Vorstadt noch sehr zahlreich zeigten, und Diphtherie in Moabit in nennenswerther Zahl Er⸗ krankungen hervorrief. Rosenartige Entzündungen des Zellgewebes der Haut kamen etwas mehr zur Behandlung, auch wurde 1 Todesfall und 1 Erkrankung an Genickstarre gemeldet. — Erkrankungen am Kindbettfieber zeigten eine wesentliche Steigerung. Erkrankungen an Keuchhusten haben abgenommen, doch stieg die Zahl der durch ihn be— dingten Sterbefälle auf 23 (von 12 der Vorwoche). Rheumatische Beschwerden aller Art zeigten in ihrem Vorkommen keine wesentliche Veränderung.
Der Deutsche Verein für öffentliche Gesundheits« pflege hält seine 16. Versammlung zu Braunschweig in den Tagen vom 13. bis 16. September 1890 ab. Auf der Tagesordnung stehen folgende Gegenstände: J. Krankenhäuser für kleinere Städte und ländliche Kreise. Referent: Geheimer Rath Dr. J. von Kerschen steiner (München). II. Filteranlagen für städtische Wasserleitungen. Referenten: Professor Dr. Karl Fränkel (Königsberg), Betriebs- Inge⸗ nieur der städtischen Wasserwerke C. Piefke (Berlin). III. Ueber die Verwendbarkeit des an Infektionskrankheiten leidenden Schlachtwiehs. Referent: Oher⸗Medizinal-Rath Professor Dr. O. Bollinger (Münchem). IV. Desinfektion von Wohnungen. Referent: Professor Dr. G. Gafffy (Gießen). V. Das Wohnhauz der Arbeiter. Referent: Hr. Fritz Kalle (Wiesbaden). VI. Baumpflanzungen und Gartenanlagen in Städten. Referent: Ober ⸗Ingenieur F. Andreas Meyer (Hamburg).