1890 / 99 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 22 Apr 1890 18:00:01 GMT) scan diff

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verbinden, nicht aber die große Menge der Fxachtgüter, welche

der Oder zustreben, durch verthauerte Fracht zu belasten. Ich

6. . nach dem Antrage der Budgetkommission zu be⸗ ießen.

Abg. Broemel:; Nach den entgegenkommenden Erklärun⸗ en der Regierung liegt kein Anlaß vor, den Antrag des bg. Freiherrn von Huene abzulehnen. Erwägungen ver⸗ zögern allerdings den Bau der Linie überhaupt. Es handelt

sich ja aber nur darum, ob die Linie eine etwas veränderte

Richtung erhalten soll.

Abg. Hr. Rit ter: Die Linie Striegau—Maltsch dient wesentlich dem niederschlesischen Kohlenrevier und dem Kreise Striegau; sie soll die alte Straße Striegau— Maltsch, auf welcher früher von Waldenburg die Kohlen und Steine ans Wasser gebracht wurden, einfach ersetzen. Die niederschlesische Kohle soll ja nicht nach Stettin oder Berlin kommen, sondern sie will in Niederschlesien selbst mit der oberschlesischen Kohle konkurriren können, und dazu bedarf sie bequemerer Anschlüsse an den Wasserweg. Ein so kleines Revier, das gegenüber Oberschlesien ohnehin schon schwer mit Uebelständen zu kämpfen hat, sollte für seinen Transport Erleichterungen billigerweise erhalten. Die vor— geschlagene Linie hat außerdem einen nicht unerheblichen strategischen Werth. ; . J

Abg. Frhr. von Huene: Wenn die Linie Striegau— Maltsch im Interesse des Kohlenreviers liegt, so liegt die Heranziehung der Linie an die Stadt Neumarkt im Interesse der Landwirthschaft. Es sollten überhaupt nicht Spezialinter—⸗ essen, sondern allgemeine Interessen maßgebend sein.

Abg. Kletschke: Wenn der Antrag des Abg. Freiherrn von Huene angenommen würde, so würde ein großer Theil der Beiträge, die für die von der Regierung vorgeschlagene Linie bewilligt sind, zurückgezogen werden. Wer wird außerdem die durch die veränderte Linie entstandenen Mehrkosten tragen? Die Stadt Neumarkt will allerdings 15000 S6 aufbringen, aber es bleiben dann noch 200 000 M6 Mehrkosten übrig.

Abg. Dr. Ritter verwahrt sich dagegen, blos lokale Interessen vertreten zu haben, er habe im Allgemeinen wirth— schaftliche Interessen vertreten und außerdem im strategischen Interesse gesprochen.

Abg. Graf zu Limburg-Stirum: Als Vertreter der kleinen Stadt Neumarkt, und obgleich ich lebhaft der Stadt die Bahn wünsche, kann ich nicht für den Antrag des Abg. Freiherrn von Huene stimmen. Der Antrag gefährdet die ganze Bahn und mit seiner Annahme schädige ich den Kreis mehr, als wenn ich die Linie Striegau— Maltsch annehme. Wenn man die Mühe kennt, die es im Kreisausschuß gekostet, die Beiträge zusammen zu bringen, so ist man froh, daß das Projekt überhaupt zu Stande kommt. Die Kosten des neuen Projekts sind sehr er⸗ heblich bedeutender, und was Hr. von Kramsta angeboten hat, kommt auch nicht annähernd an die Mehrkosten heran. Es ist aber allerdings nothwendig, daß für Neumarkt etwas geschehe. Ich bitte deshalb die Regierung, zu erwägen, ob nicht ein An— schlußgeleise für die Stadt Neumarkt hergestellt werden kann. Wenn das geschehen kann, wird damit allen Wünschen Rech— nung getragen.

Die Bahnlinie wird bewilligt, der Antrag des Abg. Freiherrn von Huene, die Petition des Magistrats und der StadtverordnetenVersammlung in Neumarkt der Regierung zur Erwägung zu überweisen, abgelehnt.

Die Linie Rogasen Dratzig (Kreutz) wird ohne Debatte bewilligt.

Bei der Linie Goldberg Löwenberg bemerkt der Abg. Dr. Avenarius, daß sie sich nicht rentiren würde, wenn nicht der Anschluß nach Böehmen hin nach dem Reichenberger Revier durchgeführt würde.

Bei der Linie Goldberg Merzdorf wünscht der Abg. Halberstadt, daß der Staat von den Interessenten den Kostenbeitrag erst dann einziehe, wenn mit dem Bau vorge⸗ gangen werde, damit nicht den Interessenten die Zinsen bis dahin verloren gingen.

Bei der Linie Callies nach Walkow einerseits und Arns⸗ walde andererseits dankt der Abg. von Meyer (Arnswalde) dem Minister, daß er diesen bisher vergessenen Landestheil mit zwei Bahnen bedacht habe. Die Interessenten würden zwar den Kostenbeitrag schwer aufbringen können, müßten sich aber mit der lex Huene trösten. Die Petition des Domänenpächters Holzkamm in Saatzig, welcher eine Führung der Bahn nach Neu⸗Wedel wünsche, empfehle er nach dem Kommissionsantrag der Regierung als Material zu überweisen.

Die Linie wird bewilligt, die Petition als Material der Regierung überwiesen.

Bei der Linie Swinemünde Heringsdorf dankt der Abg. Höppner dem Minister sür dieses Projekt, giebt aber der Befürchtung Ausdruck, daß die Interessen der Stadt Swine— münde dadurch gefährdet werden könnten, wenn sich der Ver⸗ kehr der Badegäste und Touristen mehr nach Heringsdorf hinwende. Dafür könne Swinemünde entschädigt werden, wenn der jetzige drei Kilometer entfernt liegende Bahnhof nach der Stadt selbst verlegt würde.

Die Linie wird bewilligt.

Die weitere Berathung wird hierauf vertagt.

(Schluß 4 Uhr.)

In der gestrigen Sitzung des Hauses der Abgeord— neten bemerkte zu den Resolutionen der Rechnungskommission der Finanz⸗Minister Dr. von Scholz:

Obgleich der Herr Referent die Güte gehabt hat, die Erklärungen, welche die Regierung kommissare bei den Vorverhandlungen abgegeben haben und welche nachher formulirt worden waren, sogar wörtlich zu verlesen, so glaube ich doch, daß es nicht überflüfsig ist, wenn ich Namens der Staatsregierung doch noch auf einen Augenblick mir ,. erbitte zu einer rein mündlichen Erörterung unseres Stand punktes.

Die Kom missionen dieses hohen Hauses, welche sich mit dieser Sache beschäftigt haben, haben alle ihre Stellung zu der hauptsächlich vorliegenden Frage lediglich vom finanziellen Gesichtspunkte au ge— nommen. und ich glaube, das war auch durchaus richtig. Es ist viel⸗ leicht auffallend, daß trotzdem gerade die Finanzverwaltung mit allen diesen Vorschlägen hier sich im Widerspruch befindet und die Gelegen heit ergreifen muß, für die Aufrechterhaltung Ihrer Beschlüsse zweiter Lesung sich wärmstens zu verwenden.

Meine Herren, die ganze Einrichtung, die wir jetzt im Etat haben, ist seiner Zeit ich erinnere mich, bei den ursprünglichen Verhandlungen persönlich betheiligt gewesen zu sein vornehmlich mit aus finanzieller Fürsorge getroffen worden. Wir haben es im Jabre 1878 finanziell für das Beste gehalten, Ihnen diese Einrich⸗ tungen vorzuschlagen, welche seitdem 11 Jahre lang bestanden haben, und wir haben die Wahrnehmung gemacht, daß die Einrichtungen wirklich vortrefflich gewesen sind und Uebelstände nicht weiter haben aufkommen lassen, welche bis zum Jahre 1878 sich wiederholt in empfindlicher und unangenehmer Weise geltend gemacht haben. Ich

möchte also bitten, daß Sie an die Sache nicht etwa mit dem Vor⸗ urtheil herantreten, daß es darauf ankomme, der Finanzverwaltung etwa zu helfen gegen Uebelstände, die sich in der Unterrichts verwaltung finden, sondern überzeugt zu sein, daß die Finanzverwal⸗ zung mit dasselbe materielle Ire an der Sache hat. wie die Unterrichtsverwaltung selbst. Der Herr Referent und anscheinend auch die Majorität der Kommission, die er vertreten hat, sind bei der Darstellung des Sachverhaltes immer davon aus—⸗ gegangen, es handle sich bei dem, was die Königliche Staatsregierung im Jahre 1878 mit Zustimmung dieses hohen Hauses beschlossen hat, um eine zweifellose Abweichung von einer anerkannten allgemeinen Regel. Dies ist meiner Ueberzeugung nach der erste Irrthum, aus dem sich alles Andere erklärt.

Meine Herren, wenn der Staat eine Summe Geldes aufzuwen— den beschließt zur Erreichung irgend eines Zweckes, so kommt es dar auf an, innerhalb welcher Wirthschaft die Aufwendung stattfinden soll. Handelt es sich um die Aufwendung innerhalb der Staatswirth⸗ schaft, so hat der Herr Referent und die Majorität der Kommission unbedingt recht. Da ist es die allgemeine Regel. daß das, was erspart ist, zurückgeliefert wird. Soll der Zweck aber erreicht werden innerhalb einer fremden Wirthschaft, dann ist es gar keine selbstverständliche Regel, daß der Staat und die Faktoren der Gesetzgebung sich vor— behalten, in diese fremde Wirthschaft mit hineinzusteigen so tief, als ob es eine Staatswirthschaft wäre, und in dieser fremden Wirthschaft nun alles vor ihr Forum zu ziehen, die Selbständigkeit, die dort besteht, zu beendigen und zu erklären: wir behandeln es, ob— wohl es fremde Wirthschaft ist, doch als eine fiskalische Station. Die Staatsregierung ist sich im Jahre 1878 und zwar in voller Uebereinstimmung mit diesem hohen Hause bewußt ge— wesen, daß unser Gesetz §. 54, U Tit. 12 des A. L.“ R. den Grund satz ausspricht, der heute noch überall gilt:

Schulen und Gymnasia, in welchen die Jugend zu höheren Wissenschaften, oder auch zu Künsten und bürgerlichen Gewerben, durch Beibringung der dabei nöthigen oder nützlichen wissenschaft⸗ lichen Kenntnisse vorbereitet werden soll, haben die äußeren Rechte der Korporationen.

Das bittet die Staatsregierung nicht zu vergessen, meine Herren, das ist der Grund, von dem unsere ganze Stellung zur Sache ein genommen worden ist, und von dem sie allerdings auch nur verstan den werden kann. Ich behaupte, von diesem Standpunkt aus ist es vielmehr prinzipiell richtig, daß wir uns nicht in die Wirthschaft der in Rede stehenden Korporationen einmischen, außer auf Grund des Gesetzes, auf Grund des Aufsichtsrechts, aber nicht wirth— schaftlich mit einer Controle des. Verbleibens jeden Pfennigs der Unterstützungen, die wir gewähren. Die Unterscheidung zwischen selbständiger juristischer Perfon, oder, was dasselbe ist, einer Anstalt mit den äußeren Rechten der Korporation von der fiskalischen Station, das ist es, was ich bitten möchte, nicht außer Betracht zu lassen, z. B. das Beispiel, was ich zunächst anführe, erscheint vielleicht ganz unnatürlich, aber erläutert die Sache sehr dem Staat kommt es darauf an, seine Beamten in die Lage zu setzen, durch die Besoldung ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Die Besoldung ist in dieser Beziehung gewissermaßen wie ein Be— dürfnißzuschuß aus der Staatskasse, es würde doch aber Niemanden jemals eingefallen sein, in die Privatwirthschaft des Beamten hinein⸗ zusteigen und zu sagen: kannst du mit so viel weniger wirthschaften? ich will nur dein Bedürfniß befriedigen, zum Luxus will ich dich nicht erziehen und werde deine Ersparnisse am Jahresschluß wieder einziehen. Ganz ebenso liegt die Sache praktisch bei wirklichen Zuschüssen, die wir für andere Wirthschaften geben, z. B. die Fürstenthümer Waldeck⸗Pyrmont. Da handelt es sich un— zweifelhaft um einen Bedürfnißzuschuß Seitens des preußischen Staats für die genannten Fürstenthümer, und es ist unzweifelhaft immer anerkannt worden, daß der Zuschuß nicht eine Veranlassung sein soll, hier die Wirthschaft des andern selbständigen Gemeinwesens in die spezielle Kritik hineinzuziehen und sich darüber den Kopf zu zerbrechen, wo nachher die etwaigen Ersparnisse, von unseren Zuschüssen bleiben. Ich könnte Ihnen weitere Beispiele geben, will dies aber unterlassen, weil das hier Angeführte zur Illustration dessen, was ich gesagt habe, nämlich des Werthes, den wir auf die Bedeutung der Gymnasien und höheren Lehranstalten als selbständiger Korporationen legen, schon genügen wird.

. Nun, meine Herren, wenn es sich prinzipiell also zweifellos nicht um eine Abweichung von einer allgemeinen Regel handelt, sondern um etwas eigentlich Natürliches, so kommt. hinzu, daß das nach unserer Auffassung auch wirthschaftlich richtig ist. Der Herr Referent hat die Güte gehabt, schon die Gründe hierfür vorzutragen und Namens seiner, und Namens der Mehrheit der Kommission anzuerkennen, wie wirthschaftlich richtig es ist, die Ersparnisse den Anstalten Tit. 3 und 4 zu, be— lassen. Ich möchte nur einen Gesichtspunkt noch hinzufügen, den er nicht angeführt hat. Ich komme nachher auch gleich auf die Bitte, bei der Nützlichkeit nicht zu unterscheiden zwischen Staatsanstalten und solchen, die das nicht sind; denn das alles trifft meiner Ueberzeugung bei den Staatsanstalten ebenso zu. Ich möchte nur hervorheben, daß auch außer der Sparsamkeit, die die Verwaltung der Korporationen, die nach dem Gesetz geordnete und unter Aufsicht geführte Verwaltung der Korporationen, sich doppelt angelegen sein, läßt, wenn sie weiß, daß ihre Thätigkeit der von ihr geleiteten Anstalt selbst zu gute kommt, also außer dieser wichtigen Rücksicht noch eine andere existirt: das Publikum, die Bürger einer Stadt interessiren sich für ein GSymnasium viel mehr, wenn sie wissen, daß das, was sie für das Gymnasium thun, dem Gymnasium bleibt, als wenn sie denken, am Jahresschlusse zieht der Fiskus die Ersparnisse ein. Diese Wahrnehmung machen Sie bei allen dergleichen Anstalten, bei jeder Kirche, bei jeder Wohl⸗ thätigkeitsanstalt; das individuelle Leben will gefördert sein; die Theilnahme dafür kann nicht bestehen, wenn hinterher der Rothstift kommt und alle die Wirkungen der privaten Wohl⸗ thätigkeit aus der Rechnung gewissermaßen wegwischt. Wer wird Lust haben, in seinem Testament ein Gymnasium zu bedenken, wenn er sich sagen muß: dadurch erleichtere ich blos die allgemeine Staats⸗ kasse! Soweit geht der Patriotismus unserer Testatoren in der Regel leider Gottes nicht; wenn es heißt: dem Staat wird dadurch etwas gegeben, so läßt er es lieber bei der Erbschaftssteuer bewenden, darüber hinaus geht er für den Staat nicht gern! Es ist also sehr richtig, daß die selbständige Vermögenswirthschaft der selbständigen Korpora⸗ tionen nach allen Seiten anerkannt wird, um der Theilnahme der Nächststehenden auch in der Zuwendung von Vermögen nicht Abbruch zu thun.

Nun also, ich habe das schon gesagt, bitte ich in Bezug auf das prinzipielle wie in Bezug auf, das praktische Moment nicht zu glauben, daß es richtig und zulässig sei, einen Unterschied zu machen zwischen den Anstalten, welche unter dem Patronat, unter der Verwaltung der Staatsbehörden stehen oder unter der Verwaltung von Kommunal- oder Stiftsbehörden; für alle diese drei Arten von Anstalten, deren Verschiedenheit der Herr Referent in den Vordergrund gestellt hat, deren Uebereinstimmung auf dem Boden des Gesetzes er aber nicht ausgeführt hat, für alle die Anstalten gelten nach unserer Auffassung dieselben Gesichtspunkte. Es würde Alles, was der Herr Referent vorhin von Nützlichkeit der Sache für die Kommunalanstalten vorgetragen hat, bei Ergründung der Sache sich akkurat mit denselben Worten auch für jede Staatsanftalt aus⸗ führen lassen.

Endlich, meine Herren, möchte ich doch noch sagen, es ist die Umkehr der bisherigen Gepflogenheit, wenn Sie von den Be— schlüßsen der zweiten Lesung abgehen wollen und sich den Staats— anstalten gegenüber anders im Etat aussprechen als den übrigen Änstalten gegenüber. Es war bisher stets so, daß die Fürsorge der Regierung für das materielle Wohl dieser Anstalten und anderer Humanitäts - Anstalten hier immer eher noch als nicht genügend erachtet wurde, daß das hohe Haus hier Neigung hatte, über den Standpunkt der Regierung hinauszugehen. Es würde jetzt vielleicht zum ersten Male sich

zeigen, daß Sie hinter uns zurückbleiben, und ich möchte Ihnen das wahrlich nicht empfehlen. Ich bin auch nicht im Zweifel, daß es gar nicht lange dauern würde, daß Sie den heutigen Beschluß, wenn er im Sinne der Kommission ausfallen würde, wieder aufheben würden. Inzwischen aber, meine Herren, glaube ich, würde für die Staatsregierung sich vielleicht die Nothwendig⸗ keit ergeben, in dem Bewußtsein, daß sie eine ß willkürliche Unterscheidung zwischen den einzelnen Kategorien der höheren Unterrichtsanstalten nicht eintreten lassen kann, von der Ermächtigung keinen Gebrauch zu machen, welche Sie jetzt durch Ver merk zu Tit 3 und 4 geben wollen. Wenn wir den Staatsanstalten ihre Kapitalien, ihre Ersparnisse nicht belassen dürften, weil die Möglich= keit dazu durch den Etat abgeschnitten wäre, so würden wir wahr— scheinlich ez bedenklich finden müssen, sie anderen Anstalten zu belassen, und so eine merkwürdige Disharmonie zu Ungunsten der Staatsanstalten herbeizuführen. Wir würden es dann vielleicht auch bezüglich jener bei der Zurücknahme müssen bewenden lassen die Sie beiüglich der Staatsanstalten beschließen.

Ich gehe auf das Detail der Vorschläge der Kommission nicht weiter ein, ich möchte nur allgemein von meinem Standpunkt aus noch mich dagegen verwahren, daß ich glaubte, die Formulirung, wie sie die Kommisston gewählt hat, wäre an sich korrekt und ein wands⸗ frei. Meine Herren, wenn es z. B. in dem Vermerk zu Tit. z und 4 künftig heißen soll:

Bei Ablauf der Bewilligungsperiode vorhandene Ersparnisse

aus den Bedürfnißzuschüssen verbleiben den Anstalten, so harmonirt das nicht mit dem „können“ im ersten Absatz; denn wenn man sie ihnen nicht gelassen hat, verbleiben sie auch nicht. Das ist auch eine dispositive Vorschrift, die ich glaube, das wird schwer zu bestreiten sein überall anders eher hingehört, als in den Etat; das ist eine Vorschrift, die kann in ein Unterrichtsgesetz aufgenommen werden, das ist eine Vor— schrift, die kann in eine allgemeine Verfügung der Exekutive aufge⸗ nommen werden, aber in den Etat, glaube ich, gehört sie nicht, namentlich im Zusammenhange mit folgendem Satz:

sind jedoch für die einmaligen und außerordentlichen Ausgaben der

Anstalten an erster Stelle zu verwenden.

Das ist etwas, was ja immer erst, nachdem der Etat seine Wirksamkeit verloren hat, später im 5. oder 6. Jahre vielleicht in Frage kommen kann. Wer wird dann noch auf den Etatsvermerk vom Jahre 1889.90 oder 1590/91 zurückgreifen als eine gül— tige Verwaltungs vorschrift? Ich glaube, gegen diese ganze Formulirung läßt sich viel einwenden. Darauf kommt es mir aber nicht an; ich möchte nur nicht, daß deduzirt wird, in diesen Punkten wäre die Regierung als mit einem völlig unbedenk— lichen Vorschlage einverstanden. In der Hauptsache bitte ich nicht zu vergessen, meine Herren, daß es sich bei diesen Staatsanstalten wie bei den Stiftungs- und Kommunalanstalten, die in Frage sind, um selbständige Korporationen handelt, in deren Vermögensverhältnisse wir uns zweckmäßiger Weise hüten sollten, so tief einzugreifen, wie Sie es bezüglich der Staatsanstalten vorschlagen.

Dem Hau se der Abgeordneten ist der nachstehende Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Fest— stellung eines Nachtrags zum Staatshaushalts— Etat für das Jahr vom 1. April 1890,91, zugegangen:

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen 2c. verordnen, mit Zustimmung der beiden Häuser des Landtages der Monarchie, was folgt:

. 1. Der diesem Gesetze als Anlage beigefügte Nachtrag zum Staatshaushalts⸗Etat für daß Jahr vom 1. April 1890/91 wird in Einnahme auf 206 690 MSC und in Ausgabe, neben einem Zu⸗ und Abgang bei den dauernden Ausgaben von 18000 000 S, auf 206 690 „, nämlich auf 61 5690 6 an dauernden und auf 145 000 4. an einmaligen und außerordentlichen Ausgaben festgestellt und tritt 6 Staatshaushalts-⸗Etat für das Jahr vom 1. April 1890/91

inzu.

§. 2. Der Finanz⸗Minister ist mit der Ausführung dieses Ge— setzes beauftragt.

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen Insiegel.

Dem vorstehenden Gesetzentwurf ist, folgende Denk⸗ schrift, betreffend die auf Grund des vorliegenden Nachtrags zum Staatshaushalts-Etat für 1890j91 zu, gewährenden Dienste in kommens-Verbesserungen, beigefügt:

Bei den nachfolgenden Vorschlägen wegen der Gewährung von Diensteinkommens ⸗Verbesserungen aus dem einstweilen unter Kap. 37 Tit. 2 des Entwurfs zum Staatshaushalts Etat für 1890/91 in Ausgabe gestellten Betrage von 18 Millionen Mark ist davon aus— gegangen, daß zur Zeit noch darauf verzichtet werden muß, auch nur für die mittleren und unteren Beamtenklassen die Diensteinnahmen durchweg auf diejenigen Beträge zu er—⸗ höhen, welche als das Ziel der von der Staatsregierung ersirebten allgemeinen Erhöhung der Diensteinnahmen der Beamten ins Auge zu fassen sein wärde, daß es sich vielmehr gegenwärtig nur darum handeln kann, innerhalb der durch den Betrag der verfügbaren Mittel gezogenen Grenzen Einkommens⸗Verbesserungen für diejenigen Beamtenklassen, bei welchen dazu ein hesonders dringendes Bedürfniß obwaltet, insoweit eintreten zu lasfen, als zur Abhülfe dieses dringenden Bedürfnisses erforderlich ist. Die danach für jetzt zu berücksichtigenden Beamtenklassen sind insbesondere nahezu sämmtliche Klassen der unteren Beamten sowie einzelne Klassen von mittleren Beamten und die Volksschullehrer. ;

Da auch innerhalb der zu berüchsichtigenden Beamtenklassen das Bedürfniß der Diensteinkommens⸗Verbesserung seinem Maße nach ein sehr verschiedenes ist, so würde eine etwaige gleichmäßige prozentuale Erhöhung der bisherigen Gehälter ein geeignetes Mittel zur Befrie— digung des Bedürfnisses nicht bieten. Gegen ein Vorgehen auf diesem Wege spricht aber, was die vornehmlich in Betracht kommenden unteren Beamten betrifft, auch noch der weitere Umstand, daß es in hohem Grade wünschenswerth erscheint, in Verbindung mit der Erhöhung der Gehälter zugleich auch eine allgemeine anderweite Regelung der⸗ selben zu dem Zwecke vorzunehmen, um die gegenwärtig bestehenden zahlreichen Verschiedenheiten in den Besoldunge ätzen, soweit diese Verschiedenheiten, wie vielfach der Fall, der inneren Berechtigung ent behren, zu beseitigen und für den gesammten Bereich der Staats ver⸗ waltung alle unteren Beamten in bestimmte Besoldungsklassen nach dem Grund satze einzureihen, daß überall für gleichwerthige Stellung und Obliegenheiten auch gleiche Besoldung gewährt wird. Eine solche Regelung liegt ebenso im Interesse der Beamten selbst, welchen die bisherigen Ungleichheiten vielfach begründeten Aulaß zur Klage boten, wie in demjenigen der Verwaltung, welcher bei dem jetzigen Zustande häufig die Besetzung der geringer dotirten Stellen mit geeigneten Personen Schwierigkeiten bereitete. Auch ermöglicht eine Zusammenfassung der Beamten in größere Besoldungsklassen in weiterer Ausdehnung, als gegenwärtig, im Bereich jeder einzelnen Verwaltung die im Interesse der Beamten wünschenswerthe Bildung von Besoldungsgemeinschaften, . welcher ein Aufrücken in die höheren Gehaltsstufen statt— indet.

Die Anlage? enthält die Zusammenstellung der dem Vorstehenden nach für die unteren Beamten zu bildenden Besoldungsklassen und weist nach, in welche derselben jede einzelne Kategorie von Beamten eingereiht werden soll, unter Angabe der jetzigen Besoldungen sowie des künftig erforderlichen Mehrbedarfs. Insgesammt berechnet sich der letztere auf rund 106511 000 1K, das heißt rund 13 0ss der bis—⸗ herigen gesammten Besoldungen der unteren Beamten.

Für welche Klassen von Beamten der mittleren Stellen und in welchem Betrage für jede einzelne dieser Klassen eine alsbaldige Er—⸗ höhung des Diensteinkommens als ein besonders dringliches Bedürfniß zu erachten ist, ergiebt die Anlage 3. Der gesammte hierdurch er⸗ wachsende Mehrbedarf berechnet sich auf rund 1 994 000 S6

Neben der vorerörterten Erhöhung der Gehälter für etatsmäßige Beamte erscheint auch eine Verbesserung der Einkommensverhäl tnisse der diätarisch beschäftigten Beamten des unteren und des Bureaudienstes fowie der bei einzelnen Verwaltungen, namentlich der Gestütverwal⸗ tung, im Lohnverhältnisse stehenden Bediensteten erforderlich und bedarf es hierzu für die meisten Verwaltungszweige der Bereitstellung erhöhter Mittel. Auch in dieser Beziehung kann aber zur Zeit nur dem dringendsten Bedürfnisse Rechnung getragen werden, und es ist daher im Allgemeinen nur eine Verstaͤrkung der Fonds zur Remu⸗ nerirung von Diätarien im Unter⸗Beamtendienste, beziehungsweise zur Löhnung derartiger Bediensteter, um etwa 100,0, derjenigen zur Re— munerirung von Diätarien im Bureaudienste um etwa 5 do in Aus— ficht genommen. Der gesammte Mehrbedarf, für alle in Be⸗ tracht kommenden Kategorien berechnet sich, wie die Anlage 4 ergiebt, auf zd bed t .

Es wird fodann beabsichtigt, das Diensteinkommen der Lehrer und Lehrerinnen an Volksschulen durch weitere Ausgestaltung des bestehenden Systems der staatlicherseits gewährten Dienstalterszulagen zu verbessern, und zwar in der Weise, daß statt der gegenwärtigen Regelung, wonach Dienstalterszulagen nach einer Dienstzeit von beziehungsweise 10, 20 und 30 Jahren in Beträgen von jährlich 100, 200 und 300 ½ an Lehrer sowie von 70, 140 und 20 n an Lehrerinnen gewährt werden, eine anderweite Regelung dahin erfolgen soll, daß die Alters zulagen nach einer Dienstzeit von beziehungsweise 10, 15, 29, 25 und 390 Dienst⸗ jahren in Beträgen von jährlich 1090, 200, z00, 400 und 590 S an Lehrer sowie von 70, 1469, 210, 280 und 359 g an Lehrerinnen ge— währt werden. Der dadurch erwachsende Mehrbedarf ist auf rund 3 000 000 zu veranschlagen.

Endlich ist als nothwendige Ergänzung der vorbemerkten Maß⸗ nahmen und zur Vermeidung sonst fortdauernder Unzufriedenheit in Aussicht genommen, in weiterem Umfange als bisher bei verschiedenen Klassen von mittleren und unteren Beamten, und zwar sowohl solchen, deren Gehälter erhöht werden, als auch solchen, bei denen dies nicht der Fall ist, für einzelne Dienststellen besondere Stellenzulagen zu gewähren. Eg soll dies geschehen für solche Stellen, deren Wahrnehmung wegen der Art oder des Umfanges der Obliegenheiten besonders schwierig, verant wortungsvoll oder gefährlich ist, oder bei welchen mit außer⸗ gewöhnlich ungüänstigen örtlichen Verhältnissen wohin unter Um— ständen zum Beispiel auch besondere Theuerungẽ verhältnisse zu rechnen sein würden zu kämpfen ist, überhaupt für Stellen, bei welchen befondere Umstände irgend weicher Art es gerechtfertigt und beziehung weise zur Ermöglichung einer geeigneten Besetzung geboten erscheinen laffen, dem Inhaber der Stelle für die Dauer des Verbleibens in derfelben ein höheres Diensteinkommen, als die normalmäßige Besol— dung der betreffenden Beamtenkategorie, zu gewähren.

Solche Stellenzulagen sind, theils unter dieser Benennung, theils unter der Bezeichnung von Funktionszulagen, schon gegenwärtig mehr— fach im Staats haushalts- Etat ausgebracht. so für Oberförster, Förster und Waldwärter (Kap. 2 Tit. 12 und 13), für Kis ⸗Thierärzte (Kap 163 Tit. 15) für Kreis⸗Physiker (Kap. 120 Tit. 2); ferner für die Vorsteher der Centralbureaus in den Ministerien 2c. (vergleiche zum Beispiel Kap. 44 Tit. 7), für Kanzlei⸗Inspektoren und für Botenmeister bei verschiedenen Provinzialbehörden (wergleiche zum Beispiel Kap. 58 Tit. 3 und 4), für erste Gerichtsdiener bei Gerichts⸗ behörden (Kap. 73 Tit. 8 und Kap. 74 Tit. 10), für verschiedene Beamte der Gefängniß. und der Strafanstaltsverwaltung (Kap. 74 Tit. 5, Kap. 75 Tit. 8s, Kap. 96 Tit. 1 und 5). Insbesondere sind auch in dem Entwurf zu dem Staatshaushalt ⸗Eiat für 1890 51 insgesammt 1 020 009 S zu Stellenzulagen für untere Beamte der Eisenbahnverwaltung und 40 000 * zu Stellenzulagen für Stations⸗ Afsistenten neu ausgebracht. (Vergleiche S. 56 der Erläuterungen zu dem Etat der Cisenbahnverwaltung für 1890/91). Auch die Diensteinkünfte, welche unter der Bezeichnung als Lokalzulagen im Bereiche mehrerer Verwaltungen an Beamte in Berlin und Frank⸗ furt a. M. gewährt werden, sind unter die Stellenzulagen mit zu begreifen. .

. , nicht zum Nachtheile des Dienstes die Versetzbarkeit der be⸗ treffenden Beamten zu erschweren und da auch an sich keine Veran⸗ laffung vorliegt, diese Zulagen bei Berechnung des Ruhegehalts mit⸗ zuberücksichtigen, sollen dieselben fortan nur als nicht pensionsfähiges Diensteinkommen bewilligt werden und es sollen auch bei denjenigen Beamten, welche derartige Zulagen gegenwärtig als pensionsfähige be— ziehen und deren Gehälter jetzt erhöht werden, die jetzigen Zulagen auf die Gehaltserhöhung angerechnet und durch entsprechende nicht pensionsfähige Zulagen ersetzt werden. . .

Sollte mit der Ausdehnung des Systems der Stellenzulagen in dem an sich für wünschenswerth zu erachtenden Umfang vorgegangen werden, so würde es dazu der Bereitstellung einer Summe von mehr als 3 600 000 6 bedürfen. Da indessen von den jetzt zu Ein— kommensverbesserungen äußersten Falls zur Verfügung stehenden 18 000 000 M. nach Berücksichtigung der daraus dem Obigen nach zunächst zu befriedigenden Bedürfnisse nur noch ein Betrag von 1 176 000 ½ verbleibt, so kann zur Zeit auch nur die Verwendung dieses Betrags zu Stellenzulagen in Autsicht genommen werden und müssen demgemäß die bisher in dieser Beziehung geltend gemachten Anforderungen eingeschränkt werden.

In dem dem Hause der Abgeordneten zuge— gangenen Nachtrage zum Staatshaushalts-Etat für 1890/91

werben verlangt: für Diensteinkommens-Verhesse— rungen 18060000 M6, an sonstigen dauernden und ein— maligen Ausgaben: an Gehalt für den Minister für Handel und Gewerbe 36000 6, für einen vor⸗ tragenden Rath in demselben Ministerium 8700 6 und an Wohnungsgeldzuschüssen 1200 66, für die Dienstwohnung des Ministers 13590 (k, und zur Unterhaltung derselben S509 S6, für die Schiffbarmachung der Fulda von Münden bis Kassel 100 000 6 und zur Ausstattung der Dienst— wohnung des Ministers für Handel und Gewerbe 45 00 An Mehreinnahmen gegen den Etat sind an— esetzt: in dem Etat des Finanz-Ministeriums an Miethen ür Wohnungen in Dienstgebäuden 106 690 6, im Etat des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten an Bei⸗ trägen zur Unterhaltung der Land-Wasserstraßen

Statistik und Volkswirth schaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Der Vorstand des Bergmännischen Rechtsschutz vereins hatte auf den 20. d. M. eine Versammlung der Vertrauensmänner des Vereins, zu welcher auch die Knappschaftsältesten eingeladen waren, nach Bochum berufen. Die Beseitigung des jetzigen Bergarbeiter⸗ verbandes durch Gründung einer neuen Vereinigung sollte, der Köln. Ztg.“ zufolge, Gegenstand der Verhandlung sein. Der Geschäfts— führer Becker erklaͤrte den starken Rückgang des Rechtsschutzvereins aut der Hetze der Gegner, den übertriebenen Ansprüchen der Mit- glieder an die Leistungsfähigkeit des Vereins, der unzweckmäßigen Beitreibung der Beiträge, endlich aus der Ausstandshewegung des vorigen Jahres und dem in Folge derselben geschlossenen Bergarbeiter⸗ verbande, dessen Führer Schröder, Bunte, Siegel mit allen Mitteln gegen den Rechlsschutzverein gearbeitet hätten. Zum ersten Vor— sitzenden wurde der Bergmann Hohmann aus Steele (e— wählt, und zwar hat dabei, wie hervorgehoben wurde, Lie Rücksicht mitgewirkt, daß derselbe ebangelisch ist. Der Ge— schäftsführer Becker wirft der Verbandsleitung vor, daß sie nicht das Interesse der Bergarbeiter erstrebe, sondern das der sozialdemokcatischen Partei. Er fordert auf, einen neuen Berband

zu schaffen, dessen Spitze es treu meine mit den Bergarbeitern, aber auch ebenso treu mit der Kirche und dem Vaterlande Im Sinne Becker's sprechen sich noch verschiedene Redner aus. Die Satzungen für den beabsichtigten neuen Verband lagen schon im Ent⸗ wurfe vor. Dieselben wurden von dem Vorsitzenden Hoh mann der Versammlung unterbreitet und fanden den Beifall der letzteren. Der aus der Ausstandsbewegung vom vorigen Jahre her bekannte Bergmann Weber brachte schließlich folgende Reso⸗ lution in Vorschlag: ‚Die zur Generalversammlung in Bochum ver— einigten Vertrauensmänner des Rechtsschutzvereins erklären: 1) der sogenannte Bergarbeiterverband unter Leituͤng der Sozialdemokraten ist ein Unglück für den Bergarbeiterstand; 2) die Vertrauensmänner beauftragen ihren Vorstand, mit allen Kräften dafür zu wirken, daß ein neuer Verband auf christlicher, patriotischer Grundlage gegründet werde; 3) die Vertrauensmänner fordern die Mitglieder des Rechts- schutzrereins auf, insgesammt dem neuen Verbande beizutreten und nach Kräften für denselben zu agitiren. Die Versammlung nahm diese Resolution mit allen Stimmen gegen eine an.

In Braubauerschaft fand, wie wir der „Rh. Westf. Ztg.“ entnehmen, am Sonntag eine zahlreich besuchte Versammlung der Bergarbeiter von „Con solidation. Schacht III. statt, welche das Resultat lieferte, daß man öffentlich anerkannte, zum Strike im vorigen Monat keinerlei Veranlassung gehabt zu haben, daß man sich von gewissenlosen Schürern habe verhetzen lassen. Man beschloß, unter keinen Umständen sich für die Folge an Arbeitseinstellungen zu betheiligen, am 1. Mai ruhig zu arbeiten und nicht zu feiern, ferner dem Bergarbeiterverbande unter der bekannten sozialdemokratischen Führung von Bunte und Genossen den Rücken zu wenden und sich lieber einem von Weber ⸗Bochum projektirten christlich-sozialen Arbeiterverbande anzuschließen. Schließlich wurde beschlossen, bei der Zechen— verwaltung dahin vorstellig zu werden, daß die aus Anlaß des juͤngsten Strikes entlassenen bezw. von der Belegschaft ausgeschiedenen Arbeiter, soweit solche sich für die Folge von allen Bewegungen gegen die Zeche fern halten und jetzt arbeiten wollten, wieder in Arbeit ge— nommen würden.

Einer Meldung des „Hamb. Corr.“ zufolge wird auch das Eisenbahn⸗Betriebs amt in Hamburg alle Arbeiter, welche am 1. Mai ohne Erlaubniß nicht erscheinen oder vorzeitig die Arbeit verlassen, sofort und für immer vom Dienste entlassen.

Die Innung der Baugewerke zu Stettin und Kreis Randow hat, wie die „Mgdb. Ztg.“ berichtet, folgende Beschlüsse gefaßt: 1) Die Zimmergesellen erhalten vom 1. Mai 1850 ab a. pro Arbeitsstunde einen Lohn von 45 3, b. pro Ueberstunde, bei Sonntags. und bei Wasserarbeiten einen Lohn von 55 8 pro Stunde. 2) Die Maurergesellen erhalten vom 1. Mai 18990 ab einen Maximallohn, von 45 3 pro Stunde. 3) Sobald bei einem Mitglied der Innung der Baugewerbe zu Stettin und Kreis Randow die Gesellen bei einem Lohnsatze von 45 3 pro Stunde die Arbeit plötz⸗ lich einstellen und der Bau Seitens der Gesellen gesperrt wird, ver pflichten sich die sämmtlichen übrigen Innungsmitglieder, sofort die Arbeiten einzustellen und ihre Gesellen zu entlassen. 4) Diejenigen Gesellen, welche am 1. Mai von der Arbeit fortbleiben, sollen auch am 2. und 3. Mai von der Arbeit ausgeschlossen bleiben.

Die Metallindustriellen in Halle, Leipzig, Braun— schweig, Magdeburg, Hannover und Berlin haben sich, laut Mittheilung des „Wolff'schen Bureaus' zufolge der Strike⸗ bewegung gegenüber zu einem Verbande vereinigt. Ein Ausschuß von 9 Mitgliedern soll über die Ansprüche der Arbeitnehmer befinden. Bei unberechtigten Strikes wird die Sperre der betreffenden Arbeiter für alle Verbandsfabriken angedroht. .

Wie der „Madb. Ztg.“ aus Schönebeck geschrieben wird, hat der Zieglerverein für den Regierungsbezirk Magdeburg und das Herzogthum Anhalt ebenso wie die Ziegeleibesitzer von Rathenow, Genthin und Umgegend beschlossen, daß, sobald eine eine Arbeitseinstellung auf irgend einer Ziegelei erfolgt, auf allen Ziegeleien der Betrieb eingestellt wird und sämmt⸗ liche Arbeiter entlafssen werden. Demselben Blatt wird aus Aschersleben mitgetheilt, daß der Ausstand auf den dortigen Kaliwerken überhaupt nur einen Theil der Belegschaft umfaßte und bereits am 17. d. M. Abends als beendet anzusehen war. Obschon 40 Leute wegen Kontraktbruch ent— lassen wurden und von der Verwaltung keinerlei Zugeständniß gemacht worden ist, trat eine Störung der Ruhe in keiner Weise ein..

Aus Görlitz telegraphirt man der Köln. Ztg.“, daß Tie Be⸗ sitzer der 1200 Arbeiter beschäftigenden Glasfabriken in Penzig beschloffen haben, während vier Wochen keinen Arbeiter anzunehmen, der am 1. Mai ausbleiben würde. ö

In Lübeck beschloß, einem Telegramm der „Voss. Itg,“ zu— folge, gestern eine Verfammlung von Schneidern, Schnei⸗ derinnen und Näherinnen, von einer allgemeinen Kundgebung am 1. Mai abzusehen. .

Das „‚Lpz. Tabl.“ schreibt: Gegen die von den Arbeiterführern angeregte fozialistische Feier des 1. Mai richten sich folgende Beschlüsse einer Vereinigung Son Großindustriellen Leipzigs, die etwa 7000 Arbeiter beschäftigen: 1) Wenn in einer Fabrik zwei Drittel der Arbeiter feiern, soll der Betrieb auf gewisse Zeit ganz geschlossen werden. 2) Fehlen nur einzelne Arbeiter, so sollen diese sofort oder in kürzest möglicher Frist entlassen werden. 3) Wegen Arbeitsverweigerung am 1. Mai entlassene Arbeiter dürfen nur mit reduzirtem Lohn und nur von ihrem alten Arbeitgeber wieder ein⸗ gestellt werden. 4 Arbeiter, welche anläßlich des J. Mai entlassen werden, dürfen während der folgenden 6 Wochen in keiner anderen Fabrik Aufnahme finden. Die Namen dieser Leute theilen sich die betheiligten Arbeitgeber sofort nach dem 1 Mai mit.

Aus Weimar berichtet die Th. C.: Seitens der Mehrzahl der Arbeiter in den hiesigen Gewerken ist eine Demonstration für den achtstündigen Arbeitstag am 1. Mai außerhalb der Arbeitszeit nicht beabsichtigt; dagegen durften am Abend dieses Tages und am Sonntag darauf Versammlungen zu diesem Zweck abgehalten werden. Seitens der Arbeitgeber wird eine sofortige Entlassung der Arbeiter beabsichtigt, die am 1. Mai den Arbeitsvertrag brechen.

Hier in Berlin ist gestern, der ‚Voss. Ztg. zufolge, ein all ge⸗ meiner Ausst and der Berliner Schuhmacher von einer über Z0b0 Personen zählenden Versammlung verkündigt worden, Die Schuh⸗ macher erstreben die Durchführung des von ihnen aufgestellten Lohn⸗ tarifs, Mindestlohn von 18 wöchentlich und Einführung der täglichen zebnstündigen Arbeitszeit, Abschaffung der Sonntagsgrbeit und Lohnjahlung am Sonnabend. Mit der Vorlegung des Lohn— tarifs.; dessen Gewährung schriftlich verlangt wird, an die Arbestgeber wird unverzuͤglich vorgegangen werden. Auch in Charlottenburg, Potsdam und Spandau soll der Ausstand verkündet werden. Die Direktoren sämmtlicher Berliner Brauereien und Brauerei -⸗Aktien⸗Gesellschaften traten in Folge der Ausstandsbewegung der Brauer, zur Gründung eines Vereins der Bayerischbier⸗Brauereien von Berlin und der Um⸗ gegend zusammen und faßten gestern einstimmig folgenden Beschluß: „In dem neugegründeten Verein der Bayerischbier Brauereien ist u. A. beschlossen worden, für den Fall, daß über eine oder mehrere Brauereien der Boycott verhängt wird, zusammenzuhalten und sich gegenseitig zu unterstützen?. ö ;

Aus Wien meldet W. T. B.“: Eine am letzten Freitag beim Grafen Larisch in Wien abgehaltene Versammlung der Gewerke hat sich, dem ‚Fremdenblatt“ zufolge, dahin ausgesprochen, daß der im Ostrauer Revier ausgebrochene Strike als „force majenre“ zu betrachten sei und daher alle Lieferungsverträge löse. In diesem Sinne sind alle Zechenverwaltungen von Wien aus instruirt worden. Die Obmänner der Gehülfen-Genossenschaften beschlossen von dem am 1. Mai geplanten Massenumzuge im Prater ab⸗ zusehen und umfassende Vorkehrungen zu treffen, um Aus schteitungen und die Einmischung fremder Elemente unter die Arbeiter zu verhindern. Eine Kundmachung des Statthalters von Mähren droht der Arbeiterschaft im Falle eigenmächtiger Arbeitseinstellung. Bestrafung, eventuell sofortige Ent lassung an. Da sich erfahrungsmäßig bei größeren Menschen—⸗

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ansammlungen arbeitsscheue Indidlduen herandrängten, so sei es zweifelhaft, ob die besonnene Arbeiterschaft die redliche Absicht, streng gesetzlich vorzugehen, werde durchführen können. Der Statt⸗ halter fordere daher die Arbeiter auf, sich am 1. Mai jeder Be⸗ theiligung an etwaigen durch fremde Ruhestörer hervorgerufenen Aus schreitungen zu enthalten, gegen deren Urheber wie Theil nehmer mit der vollen Strenge des Gesetzes vorgegangen werden würde. Eine ähnliche Kundgebung ist auch von dem Statthalter in Triest erlassen worden. Einer Meldung der Morgenblätter aus Wag st adt (6sterr. Schlesien) zufolge, hätten die Arbeiter der Salcher— schen Fabrik in Folge Aufreizung durch beschäftigungslose Arbeiter die Arbeit eingestellt und auch die Arbeiter der anderen Fabriken zur Arbeitseinstellung gezwungen. Wegen verschiedener vorgekommener Ausschreitungen wurde militärischer Beistand requirirt.

Aus Mährisch⸗Ostrau liegt folgende Meldung des Wolff 'schen Bureaus vom gestrigen Tage vor: Die Situation ist heute ruhig. Weder in der vergangenen Nacht, noch heute Vormittag sind irgend— welche Unruhen oder Widersetzlichkeiten im Strikegebiete vor gekommen. In den Witkowitzer Werken, in den Kohlengruben in Karwin, Dombrau und Orlau, in der Ratimauer Fabrik fowie in einzelnen Ostrauer Schachten, ist die Arbeit theil⸗ weise wieder aufgenommen. Die Mehrzahl der Schachte in den Mährisch⸗ Ostrauer und Polnisch⸗Ostrauer Gebieten sowie diejenigen in Bruschau und Michalkowitz feiern noch immer. Aus Troppau wird berichtet. daß zur Leitung der politisch-administrativen Aktion im ganzen Strikegebiet nunmehr ein besonderer Civilkommissar in der Person des Regierungs-Raths Klinger aus Troppau ernannt worden ist. ;

In Prag ist es gestern Seitens der Maurer zu Ausschrei⸗ tungen gekommen; die Versuche, die Einstellung der Arbeit zu er— zwingen, haben sich erneuert. und es sind mehrere Verhaftungen vor genommen. Heute arbeiten die Maurer in allen Stadttheilen; nur der Klosterbau in Smichow ist auf eigene Veranlassung des Bauherrn unterbrochen worden. .

Aus Graz wird heute berichtet: Die Statthalterei erließ betreffs der Arbeiterfeier am 1. Mai eine Tundmachung, in welcher die Arbeiter vor eigenmächtiger Einstellung der Arbeit und vor Ausschreitungen gewarnt werden.

Aus Paris meldet W. T. B.“: Mehrere Zeitungen bringen einen Aufruf, in welchem auch die Handlungsdiener aufgefordert werden, fich an der Manifestation am 1. Mai zu betheiligen. Zur Aufrechterhaltung der Ordnung am 1. Mai sind umfassende Maßnahmen getroffen. Die gesammte Polizeimacht wird aufgeboten, die Truppen werden in den Kasernen konsignirt und er hallen Verstärkungen aus Nachbargarnisonen.

Roheisenproduktion.

Nach den statistischen Ermittelungen des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller belief, sich die Roheisen⸗ produktion des Deutschen Reichs (einschl. Luxemburgs) im Monat März 1890 auf 416 948 t; darunter Puddelroheisen und Spiegeleifen 187 858 t, Bessemerroheisen 39 941 t, Thomasroheisen 1444689 t und Gießereiroheisen 44 660 t. Die Produktion im März 1889 betrug 3860 500 t, im Februar 1890 362 026 t. Vom J. Januar bis 31. März 1890 wurden produzirt 1153 040 t gegen 10825231 t im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Literatur.

Denkwürdigkeiten aus dem Leben des Füärsten Bismarck. Von dem Verfasser von „12 Jahre deutscher Politik“. Leipzig, Verlag der Renger'schen Buchhandlung (Gebhardt & Wilisch). Den zahlreichen, in jüngster Zeit erschienenen Werken über den Fürsten Bismarck schließt sich das vorliegende würdig an. Der Ver— fasser, welcher über ein reiches Material gebietet, giebt darin ein Bild der letzten vierzig Jahre in dem Lichte, welches durch die zahlreichen neuen For⸗ schungen auf dem Gebiete der jüngsten deutschen Geschichte wir erinnern nur an die Memoiren des Herzogs von Coburg und des Generals von Natzmer, an die Werke v. Sybel s, v. Poschinger s u. s. w. auf, diese Perlode geworfen ist. Die Thätigkeit des großen Staatsmannes wird in ihrem vollen Umfange vorgeführt und sein Schaffen als Abgeordneter zum preußischen Landtage, als Gesandter, Minister-Präsident und Reichskanzler nach allen Richtungen hin gründlich beleuchtet und dadurch eine ebenso erschöpfende wie fesselnde Darstellung der großen Zeit geliefert, welche Deutschland durchlebt hat. Neben vielem Neuen, das geboten wird, wird auch Manches wieder ins Gedächtniß zurückgerufen, das im Laufe der Jahre in Vergessenheit gerathen war, Von ganz besonderem Interesse sind die Mittheilungen, welche Fürst Bismarck, den der Verfasser möglichst oft selbst zu Worte kommen läßt, aus der Fülle seiner Erinnerungen über seine Er— lebnisse und Erfahrungen zum Besten gegeben hat. Allen Verehrern des Fürsten sei das Werk bestens empfohlen.

Eneyklopädie der Rechtswissenschaft in systema⸗ tischer Bearbeitung. Herausgegeben unter Mitwirkung vieler Rechtsgelehrter von 4 Br. Franz von Holtzendorff, vorm. Pro⸗ fessor der Rechte in München. Fünfte Auflage. Lieferung 2 bis 16. Leipzig 1889/ñ90.,. Verlag von Duncker u. Humblot. (Pr. der Lieferung 1 S 40 3.) Die vorliegenden, in rascher Aufeinander folge erschienenen Fortsetzungen des obigen Werkes, dessen erste Liefe—⸗ rung in Nr. 13 des „Reichs Anzeigers“ besprochen wurde, enthalten zunächst den Schluß der Geyer'schen Uebersicht über die Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie, sodann unter der Rubrik „Die geschichtlichen Grundlagen der deutschen Rechtsentwickelung und die Rechtsquellen“ einen gegenüber den früheren Auflagen wesentlich unveränderten Abriß der römischen Rechtsgeschichte von dem verstor⸗ benen Professor Bruns (durchgesehen von Prof. Perniece in Berlin), der kanonischen Rechtsgeschichte von Prof. Hinschius in Berlin und

der deutschen Rechtsgeschichte von Prof. Brunner in Berlin, ferner in der Hauptsache gleichfalls unveränderte Uebersichten über die Geschichte der französischen, normannischen und englischen Rechtsquellen von dem zu⸗ letzt genannten Verfasser und über die Geschichte der nord⸗germanischen Rechtsquellen von Prof. Maurer in München. Hieran schließt sich als Uebergang von der historischen zu der dogmatischen Abtheilung des Sammelwerkes ein Aufsatz des jetzigen Reichsgerichtsrathes Behrend über die neueren Privatsrechts-Kodifikationen, welcher in der gegenwärtigen Auflage in Folge der Berücksichtigung des inzwischen veröffentlichten Entwurfs eines deutschen bürgerlichen Gesetz⸗ buchs erheblich an Ausdehnung gewonnen hat. Obwohl der Verfasser sichtlich bemüht ist, die Vorzüge des Ent— wurfs in ein möglichst vortheilhaftes Licht zu stellen, so gelangt derselbe dennoch am Schlusse seiner Erörterungen in wesent— liche Uebereinstimmung mit dem Urtheile Brunner's wal. dessen abfällige Kritik S. 297) zu dem Bekenntniß, daß der Entwurf in seiner jetzigen Gestalt sich zur Annahme als Gesetzbuch nicht eigne, hierzu vielmehr eine vorgängige „gewissenhafte Revision“ desselben (Brunner verlangt „gründliche Umarbeitung“) erforderlich sei. Der sodann folgende dritte Haupttheil des Werkes, welcher das gesammte Privatrecht in dogmatischer Beziehung umfaßt, enthält, wie in den früheren Auflagen, außer einer kur⸗ sorischen Darstellung des Pandektenrechtß von Bruns (durch⸗ gesehen von Prof. Eck in Berlin), des sog. deutschen Privatrechts von Behrend, des Handels und Seerechts von Prof. Ende mann in Bonn und des Wechselrechts von Prof. von Sicherer in München auch noch unter der Ueberschrift ‚Das Reichs ⸗Civilrecht“ eine systematische Zusammenstellung der in den einzelnen Reichsgesetzen zerstreuten, das Civilrecht betreffenden Bestimmungen aus der Feder des Prof. Man dry in Tübingen, ferner einen kurzen Abriß des französischen Civilrechts von Prof. Rivier in Brüssel, und endlich einen den Uebergang vom Privatrecht zum öffentlichen Recht vermittelnden Aufsatz über internationales Privatrecht! von Prof. von Bar in Göttingen. Von der vierten und letzten, das oͤffentliche Recht behandelnden Abtheilung des Werkes liegen bis jetzt vor systematische Darstellungen des Civil⸗Prozeßrechts von Prof. von

Bar, des Kirchenrechts von Prof. Hinschius, des Strafrechts von