1890 / 103 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 26 Apr 1890 18:00:01 GMT) scan diff

6) der Allerbhöchste Erlaß vom 10. Februar 1890, betreffend die Verleihung des Enteignungerechts an die Gemeinde Langendernhach im Kreife Limburg für das zum Ausbau und zur theilweisen Ver legung des von Langendernbach nach der Eisenbahnstation Wilsenroth führenden Weges in Anspruch zu nehmende Grundeigenthum, durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Wiesbaden Nr. 11 S. 103, ausgegeben den 13. März 1890;

M der Auͤcrhöchste Erlaß vom JJ. Februar 1890 betreffend die Verleihung des Enteignungsrechts an den Kreis Templin bezüglich der zum Bau der Kreis-Chausseen von Templin nach Lychen und ven Boitzenburg U. M. nach dem Fährkruge an der Templin Prenzlauer Sträße unweit Templin, durch das Amtsblatt der Königlichen Re⸗ glerung zu Potsdam Nr. 13 S. 119, ausgegeben den 28. März 18803

8) der Ällerböchste Erlaß vom 17. Februar 1890, betreffend die weitere Herabssetzung des Zinsfußes der bon dem Kreise Freystadt auf Grund des Allerhöchsten Privilegiums vom 17. Juli 1867 auf- , Anleihe auf 35 Yo, durch das Amtsblatt der König . e zu Liegnitz Nr. 13 S. 86, ausgegeben den

März ;

s) der Allerhöchste Erlaß vom 24. Februar 1890, betreffend die Genehmigung des Statuts der Posener landschaftlichen Darlehnt= kasse, des Reglements ber die Aufbringung des Betriebskapitals für die zu errichtende Pofener landschaftliche Darlehnskasse sowie des sechsten Nachtrags zum Statut der Posener Landschaft vom 13. Mai . und zum Regulativ vom 5. November 1866, durch die Amts—⸗

ãtter

der Königlichen Regierung zu Posen Nr. 12 S. 135, ausgegeben

den 25. März 1890, der Königlichen Regierung zu Bromberg Nr. 13 S. 97, aus⸗ gegeben den 3 März 1890; .

10 das Allerhöchste Privilegium vom 3. März 1890 wegen Aus stellung auf den Inhaber lautender Schuld verschreibungen der Haupt- und Residenzstadt Hannover im Betrage von 16009 000 durch das Amtsblatt für den Regierungsbezirk Hannover Nr. 14 S. 97, ausgegeben den 5. April 1890; .

11) das Allerhöchste Privilegium vom 3. März 1890 wegen Ausfertigung auf den Inhaber lautender Anleihescheine der Ent— wässerungsgenossenschaft der Ilmenau⸗Niederung im Betrage von 200 000 46 durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Lüneburg Nr. 12 S. 73, ausgegeben den 14. März 18960,

12) das Allerhöchste Privilegium vom 3. März 1890 wegen Ausfertigung auf den Inhaber lautender Anleihescheine der Stadt Ronsdorf im Betrage von 300 000 Se durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Düsseldorf Nr. 15 S. 195, ausgegeben den 17. April. 1835,

13) der Allerhöchste Erlaß vom 10. März 1890, betreffend die Herabsetzung des Zinsfußes der von der Stadt Kettwig auf Grund des Allerhöchsten Prwilegiums vom 11. Mai 1878 aufgenommenen Anleihe auf 35 Co, durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Düsseldorf Nr. 13 S. 171, ausgegeben den 29. März 1890;

14) das unterm 12. März 1890 Allerhöchst vollzogene Statut der Entwässerungsgenossenschaft Walberthal zu , . im Kreise Schleiden, durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Aachen Nr. 15 S. 111, ausgegeben den 3. April 1890.

Per sonalver änderungen.

Königlich Preußische Armee.

Ernennungen, Beförderungen und Versetzungen. Im aktiven Heere. Berlin, 19. April. v. Groß, Hauptm. und Comp. Chef vom Inf. Regt. Herzog von Holstein (Holstein.) Nr. 85, in das Inf. Regt. Nt. 97, Rothe, Hauptm. vom 2. Hess. Inf. Regt. Nr. 82, als Comp. Chef in das Inf. Regt. Herzog von Holstein (Holstein.) Nr. 86, versetzt.

In der Gendarmerie. Berlin, 19. April. v. Wedell, Hauplm. und Comp. Chef vom Inf. Regt. Nr. 97, mit Pension zur Disp. gestellt; gleichzeitig bei der Gend. Brig, in Elsaß Lothringen als Hauptm. und Distrikts⸗Offiz wiederangestellt, in welchem Ver— hältniß er auch à la suite der Land⸗Gend. zu führen ist.

Abschiedsbewilligungen. In der Gendarm erte. Berlin, 19. April. Staabs, Major à la suite der Land ⸗Gend. und von der Gend. Brig. in Elsaß Lothringen, mit Pension nebst Aussicht auf Anstellung im Civildienst und der Uniform des Inf. Regts. von Courbisre (2. Posen.) Nr. 19 der Abschied bewilligt.

Nachweisung der beim Sanitätscorps im Monat März 1890 eingetretenen Veränderungen. Durch Verfügung des Kriegs ⸗Ministe⸗ riums. 25. März. Dr. Wernicke, Assist. Arzt 1. Kl. in der etatsmäß. Stelle bei dem Corps-Gen. Arzt des XIV. Armee-Corps, als Assistent zum hygienischen Institut der Universität Berlin bis auf Weiteres kommandirt.

Königlich Bayerische Armee.

189. April. v. Orff, General der Infanterie und komman⸗ dirender General, des II. Armee Corys, in Genehmigung seines Ab⸗ schiedsgesuches mit Pension zur Diep. gestellt.

XIII. (Königlich Württembergisches) Armee⸗Corps.

Ernennungen, Beförderungen und Versetzungen. Im aktiven Heere. 21. April. Graf v. Berlichingen Rossach, Königl. preuß. Sec Lt. a. D, zuletzt im 3. Bad. Drag. Regt. Prinz Karl Nr. 22, im Armee -Corxs als Sec. Lt. mit einem Patent vom 19. September 13888 im Ulan. Regt. König Karl Nr. 19 angestellt. Frhr. v Röder, Major à la suite des Generalstabes, unter Enthebung von dem Kommando nach Preußen, als etatsmäß. Stabkoffizier in das Drag. Regt. Königin Olga Bruckmann Mir n, neee, Wilhelm Nr. 124, als Bats. Commandeur in das Inf. Regt. Kaiser Wilbelm König von Preußen Nr. 120, Muff, Major im Gren. Regt. König Karl Nr. 123, als Bats. Commandeur in das 8. Inf. Regt. Nr. 126, rersetzt. Wul z, Hauptm. und Comp. Chef im Fuß⸗ Art. Bat. Nr. 13, à la suite des Bats. gestellt und nach Preußen kemmandirt Behufs Verwendung als Comp Chef im Westfäl. Fuß⸗Art. Regt Nr 7. Bispinck. Königl. Preuß. Hauptm. à la suite des Westfäl. Fuß⸗Art. Regts. Nr T7, kommandirt nach Württem⸗ berg, die Stelle eines Comp. Chefs im Fuß⸗Art. Bat. Nr. 13 über⸗ tragen. Hofacker, Pr. Lt. à la suite des Drag. Regts. Köpigin Olga Nr. 25, als überzähl. Pr. Lt. in diesem Regt. wieder eingetheilt. v. Schertlin, Major und Bats Commandeur im 8. Inf. Regt. Nr. 126, mit Pension zur Diep. gestellt und zum Commandeur des Landw. Bezirks Stuttgart, Glaser, Major und Bats. Commandeur im Inf. Regt Kaiser Wilhelm König von Preußen Nr. 120, mit Pension zur Diep. gestellt und zum Commandeur des Landw. Bezirks Rottweil ernannt. Krieg, Major a. D., zuletzt Comp. Chef im 3. Inf. Regt Nr. 121, unter Versetzung in die Kategorie der mit . zur Diep. gestellten Offiziere, zum Bezirks- Offizier im Landw. Bezirk Ellwangen, Baur, Hauptm. a. D., zuletzt Comp. Chef im Gren. Regt. Königin Olga Nr. 119, unter Versetzung in die Kategorie der mit Penston zur Die p, gestellten Offiz, zum Bez. Offiz. im Landw. Bez. Rottweil, v. Donat, Hauptm. und Comp. Chef im Inf. Regt. Nr. 126, unter Stellung zur Tisp. mit Pension, zum Bezirks. Offizier im Landw. Bezirk Mergentheim, Bayer, Hauptm. u. Comp. Chef im 4. Inf. Regt Nr. 122, unter Stellung zur Disp. mit Pension, zum Bezirks- Offizier im Landm. Bezirk Eßlingen, Osterberg, Hauptm. z D., zuletzt Battr. Chef im Feld ⸗Art Regt. König Karl Nr. 13, zum Bezirks⸗Offizier im Landw. Bezirk Stuttgart, v. Go st⸗ kowski, Rittm. a. D., zuletzt im 2. Drag. Regt. Nr. 26, unter Versetzung in die Kategorie der mit Pension zur Disp, gestellten Offiziere, zum Bezirks⸗-Offizier im Landw. Bezirk Biberach, ernannt.

Parlamentarische Nachrichten.

Schlußbericht der gestrigen (8) Sitzung des Herren⸗ hauses. Fortsetzung der Berathung des re, nr, n,, betreffend die Bildung von Rentengütern.

Graf von der Schulenburg-Beetzendorf (fort fahrend): Der gesetzgeberische Gedanke von Rodbertus, die Ueberführung der Kapitalverschuldung des Grundbesitzes in , wird doch durch dieses Gesetz nur in einem ganz kleinen 6 te durchgeführt. Kommt es später zu einer umfassenden Gesetzgebung in diesem Sinne, dann wird das gegenwärtige Gesetz ein . bilden. Freudig will ich mich in den Dienst der Schaffung von unverschuldbaren Heimstätten unserer ländlichen Bevölkerung über das ganze Land stellen, aber nicht von einem einzelnen Besitz ein Stück abbröckeln, um auf das Rentengut einen Mann zu setzen, der mir seine Arbeit doch nicht weiter leisten wird. Zur Ausführung eines Heimstättengesetzes könnte man eine einmalige Steuer vom ganzen Kapitalbesitz erheben; so sozialistisch dieser Gedanke scheint, er ist besser als der Ge— danke dieses allzu zagen, dabei aber doch bedenklichen und gefährlichen Gesetzes. In der Provinz Sachsen ist ein Gesetz viel nothwendiger, welches den bäuerlichen Besitz sichert und für die Zukunft untheilbar macht; sonst könnte gerade durch dieses Gesetz eine Spekulation mit aus zerschlagenen Höfen hergestellten Rentengütern im Kleinen und Großen befördert werden. Es ist nicht im Interesse des Grundbesitzes, nicht zum Vortheil des Landes, eine solche Verschiebung des Grund⸗ besitzes zu begünstigen, der doch im Großen und Ganzen richtig vertheilt ist. Ich stimme gegen das Gesetz, weil es mir be— denklich und schiphlsch erscheint.

Graf von Mirbach tritt den Ausführungen des Ministers für Landwirthschaft ꝛc. entgegen, als ob nach diesem Gesetz an Stelle der Kapitalverschuldung die Rentenverschuldung treten würde. Einen prästationsfähigen Grundbesitz werde man nur durch gut geregelten genossenschaftlichen Kredit er— halten, der im Verhältniß zu den Erträgen des Guts ertheilt wird und erst, nachdem man den Grundbesitz prästationsfähig gemacht habe, könne man an die Seßhaftmachung der länd⸗ lichen Arbeiter denken. Das e, mache einen kleinen Anfang mit dieser Seßhaftmachung, deshalb rathe er zu seiner Annahme.

Ober⸗Bürgermeister Zweigert beantragt, dem von der

Kommission zu §. 1 beschlossenen Zusatz noch hinzuzufügen: „mit der Maßgabe, daß das Unschädlichkeitsattest auch bei der Abveräußerung größerer Trennstücke ertheilt werden kann, wenn die Sicherheit der Realberechtigten dadurch nicht vermindert wird.“ Graf Brühl verweist auf seine schon bei der früheren Berathung gekennzeichnete Stellungnahme. Mit der Ansetzung von Arbeitern auf dem imaginären, weil meistens übermäßig verschuldeten Eigenthum von Rentengütern werde man eine schlimmere Sorte von Sozialdemokraten erziehen, als bisher existirte; das Gesetz sei aber unschädlich; die Zahl der Renten⸗ güter werde eine außerordentlich geringe bleiben, darum werde er für dasselbe stimmen.

Professor Dr. Dernburg hält die vom Grafen v. d. Schulenburg vorgeschlagenen Mittel zur Abhülfe für zu scharf und darum wirkungslos. Das Gesetz werde mit den jetzigen Verbesserungen der Kommission jedenfalls eine gute Wirkung äußern. Provinziell wäre ja das Beste gewesen, dem Antrage des Wirklichen Geheimen Raths von Kleist in der Kommission entsprechend, die Dotirung der Provinzialhülfskassen eintreten zu lassen; dieser Antrag sei am Widerstande der Regierung gescheitert, man werde aber endlich doch dahin kommen. Um das Gesetz aber auch jetzt lebensfähig zu machen, werde der von der Kommission gemachte Vorschlag sehr brauchbar sein, daß auf die Veräußerung zu Zwecken der Bildung von Rentengütern die gesetzlichen Bestimmungen über den erleichterten Abverkauf von Grundstücken Anwendung finden sollen, ebenso das Amendement des Ober⸗Bürgermeisters Zweigert, welches soeben eingebracht sei und auch die Abtren⸗ nung größerer Trennstücke gestatte, wenn die Sicherheiten der Realberechtigten dadurch nicht vermindert würden.

Wirklicher Geheimer Rath von Kleist-Retzow tritt der Ausführung des Vorredners wegen der Geltung des Gesetzes von 1850 durchaus bei und giebt auch dem Antrag Zweigert, der nur formell etwas geändert werden müßte, seinen Beifall.

Minister des Königlichen Hauses von Wedell: Der Erwartung gegenüber, welche man an das Gesetz geknüpft hatte, hat sich eine große Ernüchterung eingestellt, nachdem man die Bestimmungen des Gesetzes näher geprüft hat. Jeden⸗ falls wird es sehr lange dauern, bis in größerem Maße von dem Gesetze Gebrauch gemacht werden wird. Dagegen fürchte ich auch nicht große Gefahren davon: dem Spekulanten ist am schnellen Gewinn, aber nicht an einer Rente gelegen. Ebenso wenig wird der Entwurf ein Hemmniß für ein Heim⸗ stättengesetz sein, welches ich mir allerdings nicht so sozialistisch gefärbt denke, wie Graf von der Schulenburg. Ein solches Heimstattengefetz dürfte vielmehr nur eine Verschuldung über ein gewisses Maß und eine Dismembrirung des Grundbesitzes zu verhindern suchen. Daß möglicher Weise Unzufriedenheit mit dem Gesetz hervorgerufen wird, gebe ich zu; die neuen Ansiedler werden vielfach mit Verschuldung zu kämpfen haben, aber wir können unmöglich kleine Grundbesitzer mit Kapital aus der Erde stampfen, und die Verwendung von Staats— mitteln für Zwecke dieses Gesetzes halte ich doch für bedenklich, da die Verwendung auf die einzelnen Provinzen eine gar zu verschiedene sein würde; im Osten würde viel, im Westen fast gar kein Gebrauch von dem Gesetz gemacht werden. Außerdem würde es ein gutes und der Spekulation begehrens⸗ werthes Geschäft sein, wenn man die Abtrennung durch Geld⸗ mittel unterstützte. Wir stehen vor einem Experiment, welches keinesfalls viel schaden, aber wohl einen Beitrag liefern kann zur Besserung und Gesundung unserer ländlichen Verhältnisse.

Der Regierungs⸗-Kommissar Geheime Regierungs⸗Rath Frei⸗ herr von Wil mowski bittet Namens der Staatsregierung, den §. 1 nach dem Vorschlage der Kommission unter Ablehnung der entgegenstehenden Anträge anzunehmen. Die Uebertragung eines ganzen Grundstückes als Rentengut sei nach dem Wort⸗ laute des Paragraphen möglich. Der Antrag Zweigert aber scheine namentlich um deswillen bedenklich, weil es an positiven Merkmalen für die Wahrung der Interessen der Realberech⸗ tigten fehle. Es würde alles in die willkürliche Entscheidung der Behörden gelegt sein, und dies könne doch wohl nicht der Wunsch der Mehrheit des Hauses sein.

6 von Durant: Nach der Ablehnung der Anträge von Kleist fällt das eine der Ziele des Entwurfs, die Seßhaft⸗ machung von ländlichen Arbeitern, meiner Meinung nach voll⸗ ständig fort, und es bleibt nur die Besiedelung der Moore

übrig, welche ja allerdings der Regierung sehr am Herzen zu liegen scheint. Mir scheint es wichtiger, bei der Lage der ei gn Entwickelung den Mittelstand zu stärken und vor dem Untergang zu bewahren. Dahin rechne ich auch die kleinen ländlichen Besitzer. Die große Zahl der Subhastationen solcher Besitzungen in den letzten Jahren zeigt, welche schwierige Aufgabe hier der Gesetzgebung noch obliegt. Obwohl ich mir dabei von den Erfolgen des Gesetzes nicht mehr viel verspreche, werde ich doch aus den von dem Grafen Udo zu Stolberg angeführten Gründen für dasselbe stimmen.

Ober⸗Bürgermeister Dr. Mi quel tritt für das Amendement Zweigert ein, welches für die praktische Bedeutung des Gesetzes einen sehr hohen Werth habe; es solle ermöglicht werden, die Vorwerke der großen Güter in Mengen zu Rentengütern um⸗ zuwandeln. Da würde die Behörde ein Unschädlichkeitsattest nicht ertheilen, weil es sich nicht mehr um Trennstücke von geringem Werth handeln würde. Das soll das Amendement verhindern. Die Lage des Gläubigers soll nicht verschlechtert werden; die Prüfung dieser Frage wird eben den zuständigen Behörden obliegen. Einem Heimstättengesetz stehe er grund⸗ sätzlich nicht entgegen, aber mit dem gegenwartigen Gesetz habe dieser Gedanke nichts zu thun. Der Fehler der Auf⸗ hebung der Erbpacht sei durch das Gesetz zum Theil wieder gut gemacht. Die Vorwürfe, daß hier ein Stück altes Feudal⸗ recht wiedergeschaffen werden solle, seien völlig sinnlos. Auch für die Besiedelung der Hochmoore werde sich das Gesetz als eine Wohlthat erweisen; es komme aber viel darauf an, daß die Einsicht der großen Grundbesitzer und das entschlossene Vorgehen der Staatsregierung hinzutrete.

Ober⸗Bürgermeister Zweigert tritt im Anschluß an die Worte des Redners für seinen Unterantrag ein.

1 wird darauf mit dem Amendement Zweigert mit großer Majorität angenommen; ebenso 558. » ohne Debatte.

Bei 8. 6, der von der Kommission neu hinzugefügt ist und die Gebühren- und Stempelfreiheit der Unschädlichkeits—⸗ atteste betrifft, bemerkt der Finanz-Minister Dr. von Scholz: Die Regierung muß prinzipiell jeder Abbröckelung an der Stempelgesetzgebung widersprechen. Bei jeder Gelegenheit, wo man einer Sache Sympathie entgegenbringt, verlangt man auch Stempelfreiheit für dieselbe, einem solchen Verlangen kann der Stempelfiskus nicht nachgeben. Bei kasuistischer Ein⸗ führung von Stempelfreiheiten würden wir Gefahr laufen, daß von der Stempelgesetzgebung ein Torso übrig bliebe, der Un⸗ gleichheiten und Ungerechtigkeiten nach allen Seiten enthielte. Was den finanziellen Erfolg der Maßregel anlangt, so kann ich ihn nicht, wie bei, dem analogen Vorschlage in Betreff des Gesetzes über die erleichterte Abveräußerung kleinerer Grundstücke, als einen geringen bezeichnen. Die Kommission hat allerdings die Stempelfreiheit auf kleine Renten bis zu 100 S beschränkt. Aber eine Rente von 100 repräsentirt einen Kaufpreis von 2500 M½½, und es ist gar nicht zu be— zweifeln, daß, wenn Jemand in Zukunft ein Grundstück bis zu dieser Preishöhe erwerben will, er sich in den meisten Fällen mit dem Verkäufer einigen wird, die Uebertragung zunächst in der Form der Rente zu machen, um den Stempel zu um— gehen. Man weist darauf hin, daß die Regierung in dem Gesetze über die Kolonisation in Posen und Westpreußen selbst die Stempelfreiheit vorgeschlagen habe. Das ist richtig; aber dort handelte es sich um eine Maßregel, die der Staat im Interesse der Erhaltung des Deutschthums traf und für die er 100 Millionen zunächst zur Verfügung stellte. Die Stempelfreiheit war eine Verstärkung dieser 100 Millionen. Eine Rücksicht der Billigkeit vermag ich weder vom Standpunkte des Verkäufers noch dem des Bewerbers für das Verlangen der Stempelfreiheit anzuerkennen; denn nicht immer wird es sich um arme Leute handeln, denen man aufhelfen möchte. Man legt dem Gesetze weit größere Ziele unter, als die Staatsregierung im Auge hat. Die Regie⸗ rung hat es für ihre Pflicht gehalten, den Vorschlag zur Einführung einer Rechtsinstitution zu machen, von der sie sich viele Vortheile verspricht, aber damit hat sie noch nicht die Verpflichtung übernehmen wollen, diese Rechtsinstitution nach irgend einer Seite mit materiellen Staatsmitteln, mit Privi⸗ legien zu versehen. Das hat der Staatsregierung völlig fern gelegen. Ich kann nur sagen, daß die Annahme eines solchen Vorschlags ein Hinderniß für das Zustandekommen des Ge— setzes sein würde, und wenn der Minister von Wedell sagt, es handle sich um ein Experiment, das vielleicht nützen, aber ge⸗ wiß nicht schaden würde, so meine ich, kann man für ein so charakterisirendes Gesetz nicht Privilegien verlangen, die effektiv in den Staatssäckel empfindlich einschneiden.

Wirklicher Geheimer Rath von Kleist⸗Retzow: Der Entwurf will dem ländlichen Arbeiterstand die Seßhaftmachung ermöglichen und findet sich dabei in Uebereinstimmung mit den Tendenzen, welche in den Kaiserlichen Erlassen bezüglich der Industriearbeiter ausgesprochen sind. Gegenüber so hohen Ab—⸗ sichten muß die kleinliche fiskalische Rücksicht der Ste mpel— steuer in den Hintergrund treten. Im eigenen Interesse werden die Grunsbesitzer sehr selten von dem Gesetz Gebrauch machen, aber sie werden es aus allgemein sozialpolitischen Ab⸗ sichten thun, und da müßte ihnen der Staat diese Absicht durch Erlaß der Stempelabgaben erleichtern. Was den Einwand betrifft, daß wir im Herrenhause verfassungs— mäßig nicht berechtigt seien, eigene finanzielle Gesetzesvorschläge einzubringen, so trifft das nicht zu; uns steht es nur nicht zu, von der Regierung eingebrachte Finanzgesetze vor dem anderen Hause zu berathen, wir können aber wohl auch finanzielle Vorschläge machen. Wenn man im Ansiedelungs⸗ gesetze Stempelfreiheit gewährt hat, so wollen wir die Wohl⸗ thaten dieses Gesetzes auf das ganze Land ausdehnen. Will heute die Staatsregierung lieber das Gesetz fallen lassen, ehe sie den neuen 5. 6 annimmt, so hoffe ich, daß sie im nächsten Jahre zu anderer Meinung kommen wird. Die Rücksicht auf ein zukünftiges Heimstättengesetz darf uns nicht abhalten, die ersten Schritte zur Ge—⸗ währung eines eigenen Heims für den Arbeiter zu thun. Wer in spekulativem Sinn von der Stempelfreiheit bei Ver⸗ käufen Gebrauch machen würde, würde sich leicht des Betrugs schuldig machen, auch in dieser Beziehung haben wir nichts zu fürchten. Ohne diesen Paragraphen würde das Gesetz praktisch nutzlos sein.

Der 8. 6 wird mit großer Mehrheit angenommen. Des⸗ gleichen hierauf das ganze Gesetz. 3

Professor Dr. Dernburg beantragt eine Resolution, die die Staatsregierung auffordert, die Rentenbanken zur Ablösung der Rentengüter wieder zu eröffnen, zieht dieselbe aber auf den Wideispruch des Wirklichen Geheimen Raths von Kleist⸗Retzow zur Zeit zurück.

Schluß 5 Uhr.

Schlußbericht der gestrigen (49) Sitzung des Hauses der Abgeordneten. Fortsetzung der Berathung über die Petition des Propstes Ober⸗Konsistorial⸗Raths B. Freiherrn von der Goltz um Einstellung einer größeren Sum mezu kirchlichen Einrichtungen in das Extraordinarium des Staatshaushalts-Etats für 1891,92.

Von den Abgg. Althaus u. Gen. ist inzwischen folgender Antrag eingebracht worden:

Die Petition um Einstellung einer größeren Summe zu kirch lichen Einrichtungen in das Extraordinarium des Staatshaushalts« Etats für 1891382 der Königlichen Staatsregierung mit dem Er— suchen zu überweisen, zu ermitteln, ob ein Bedürfniß zu vermehrten Staatsbeihülfen zu den von dem Petenten angegebenen und anderen gleichartigen Zwecken vorhanden ist, im Falle eines solchen Bedürf⸗ nisses dasselbe im Einzelnen festzustellen und über das Ergebniß der stattgehabten Enquete dem Landtage der Monarchie in seiner nächsten Sitzungsperiode Mittheilung zu machen und nöthigenfalls mit dieser Mittheilung geeignete administrative, bezw. gesetz⸗ geberische Aushülfevorschläge zu verbinden.

Abg. Stöcker: Die Sache kann nicht vorwärts gehen, wenn nicht die Staatsregierung die Initiative ergreift; es müssen alle betheiligten Behörden zu Konferenzen zusammen berufen werden; solche Konferenzen sind bereits im Gange, wie wir gehört haben. Die Regierung verschließt sich auch gar nicht der Anschauung, daß vielleicht Staatsmittel noth— wendig sind, aber sie will sich noch nicht binden. Der Abg. Freiherr von Zedlitz hält Alles für gethan, wenn er Berlin auf eigene

üße stellt, wenn er den Reichthum Berlins hervorhebt.

ber wir haben für J bis 800 0090 Seelen zu sorgen und ich halte es für bedenklich, die Seelsorge für diese große Menge auf die Steuerkraft allein zu stellen. Es handelt sich nicht blos darum, den vereinigten Kreissynoden Direktiven zu geben, welche sie vielleicht nicht einmal befolgen können, sondern es muß gesehen werden, wie der Nothstand angefaßt werden kann. Der Nothstand Berlins wächst von Jahr zu Jahr schneller als in jeder andern Stadt. In Berlin kommen auf jeden Geistlichen 25 000 Einwohner, die aber fluktuiren und in der ganzen Stadt umherwandern. Den Standpunkt der Kommission kann ich eigentlich nicht mißbilligen; aber falsch ist es, daß die paritätische Berücksichtigung der kirchlichen Verhandlungen betont wird, das ist in der Petition schon ge⸗ schehen. Es ist von den reicheren Gemeinden Berlins schon Manches geschehen zur Verbesserung der Kirchennoth, aber das ist nicht richtig, daß diese Gemeinden Geld hergeben sollen für Ge— meinden, die mit ihnen in gar keiner Beziehung stehen. Für den Bau der Kirchen, soweit sie durch die vergangene Ent— wickelung nothwendig geworden sind, Anleihen aufzunehmen, würde die Verwendung der Mittel für die Kirchenbauten beschränken, welche durch die zukünftige Entwickelung noth⸗ wendig sind. 127 000 sozialistische Stimmen sind in Berlin abgegeben worden, das ist ein Fingerzeig, wie nothwendig das Eingreifen des Staates ist. Berlin kommt nicht allein in Betracht, sondern auch das ganze Land. Wenn Sie das be— denken, werden Sie unserem Antrage beistimmen.

Abg. Dr. Windthorst: Der Grundsatz, daß jede kirch⸗ liche Gemeinschaft für sich selber sorgen muß, darf nicht ver— lassen werden, ohne die größte Gefahr hervorzurufen. Leider haben die Konservativen diesen Standpunkt verlassen. Sie berücksichtigen nur die evangelische Kirche und wollen von der katholischen gar nichts wissen. Es handelt sich nicht bloß um Berlin, sondern auch um das platte Land. Ihrer Majestät der Kaiserin ist es zu danken, daß die Herren im Kultus— Ministerium sich etwas in Tritt gesetzt haben; sie hätten der Monarchin die Mühe ersparen sollen durch ihre frühere Thätigkeit. Aber von der katholischen Kirche und ihrer Noth hat der Vertreter des Kultus-Ministeriums nicht gesprochen, beschäftigt sich das Kultus-Ministerium damit? Wenn die Kaiserin erfährt, daß für uns auch eine Kirchennoth besteht, wird sie ja wohl auch für uns eintreten. Ich will durchaus keinerlei Hoffnung auf Staatshülfe erregen; denn dadurch würden die Evangelischen vielleicht zum Erlahmen gebracht in Bezug auf ihren Eifer, namentlich in Bezug auf die Organisation der Kirche. So gern ich mit den Evangelischen zusammengehe, so wenig kann ich mich dem konservativen Antrage anschließen; denn er ver⸗ langt doch versteckt nur die staatliche Organisation der evangelischen Kirche in Berlin, und einem solchen Antrage kann ich nicht zustimmen. Nach Lage der Sache ist der Antrag des Abg. Freiherrn von Zedlitz allein an⸗ nehmbar, weil er den Bestrebungen der Regierung entgegen⸗ kommt. Die Regierung hat anerkannt, daß neue Kirchen ge— baut werden müssen, dies wollte sie früher nicht anerkennen; wenn neue Kirchen gebaut werden müssen, müssen auch neue geistliche Stellen geschaffen werden. Wir fordern, daß die Re⸗ gierung die Fesseln löst, welche uns abhalten, auf diesem Wege vorzugehen. g

Abg. Francke zieht den Antrag der Nationalliberalen zu Gunsten des Antrags von Zedlitz zurück. ;

Abg. Rickert: Alle Parteien, selbst der Abg. Stöcker, erklären das Verlangen der Petition für ungerechtfertigt, aber trotzdem machen sie sämmtlich allerhand Kreuz- und Quer— züge, anstatt über dieselbe zur Tagesordnung überzugehen. Die Konsequenzen, die der Abg. Dr. Winxthorst zieht, sind noch garnicht zu übersehen. Wir lehnen, das Ver⸗ langen der Petition aus prinzipiellen Gründen und aus besonderen für Berlin völlig ab. Die Kirchengemein⸗ schaften haben für sich selbst zu sorgen, und dieser richtige Grundsatz muß in einem Staate wie Preußen unbedingt auf⸗ recht erhalten werden. Für alle Protestanten, die auf ihre Kirche etwas halten, ist es demüthigend, wenn hier von einem Nothstand der reichsten Parochien in Berlin gesprochen wird. Das ist kein Beweis für die Kraft der protestantischen Kirche. Wenn der Abg. Stöcker Anfangs Staats hülfe ablehnte, dann aber doch danach förmlich schrie, so verstehe ich das von seinem Standpunkt wohl. Sie haben nicht den Einfluß auf die Ge⸗ meindemitglieder, den Sie wünschen, und können den Umsturz nicht allein bekämpfen; darum wollen Sie mit Staatshülfe diefen Einfluß gewinnen. Der Staat kann Ihnen den Zugang zu den Herzen der Menschen nicht verschaffen. Den Antrag Althaus weist der Abg. Dr. Windthorst mit Recht zuruck aber es ist wunderbar, daß der Abg. Dr. Windt— horst sich zu dem Antrag des Abg. Freiherrn von Zedlitz be— kehrt, der doch das Gegentheil von dem Grundsatz ist, daß alle Kirchengemeinschaften für sich selbst zu sorgen haben. Dieser Antrag ruft die Staatshülfe an und ist um so gefähr⸗ licher, als er nicht klar sagt, was er will. Was heißt: „das Geeignete zu veranlassen?“ Unter dem „Geeigneten“ versteht der Abg. Stöcker etwas Änderes als der Abg. Dr. Windthorst, und diefer wieder etwas Anderes als der Abg. Freiherr von Zedlitz. Die vereinigten Kreissynoden von Berlin sind jetzt allerdings etwas anders zusammengesetzt, aber diel große el h der Mit⸗ glieder, welche damals den Protest ausgesprochen haben, sitzt

noch darin. Damals sagte der Kammergerichts⸗Rath Schröder in seinem Referat, daß es eine Bankerolterklärung der evan— gelischen Kirche nicht nur Berlins, sondern des ganzen Landes sei, wenn sie nicht mehr für fähig gehalten werden soll, nor— male kirchliche Verhältnisse in Berlin herzustellen. Ich stimme dem zu. Wir erweisen der evangelischen Kirche einen Dienst, wenn wir solche Forderungen a limine zurückweisen. Ich bitte Sie, die einfache Tagesordnung anzunehmen.

Von den Abgg. Eberty und Genossen ist der Antrag eingegangen, über die Petition mit Rücksicht auf die heutigen Verhandlungen . Tagesordnung überzugehen.

Abg. Stöcker: Ich bedaure die Stellungnahme des Abg. Dr. Windthorst in einem Augenblick, wo die katholische Kirche vor der Thatsache steht, daß sie durch die Aufhebung des Sperr⸗ gesetzes Mittel vom Staat bekommt. Der Abg. Dr. Windt⸗ horst will zwar mit den Evangelischen gehen, macht aber gleichwohl einen Ausfall gegen dieselben. Eine ähnliche Art, parlamentarisch zu diskutiren, ist mir noch nicht vorgekommen. An die anderen Konfessionen haben wir wohl gedacht, wie unser Antrag in der Budgetkommission vor drei Jahren beweist, einen Allerhöchsten Disposilionsfonds zur Befriedigung des dringenden Bedürfnisses an Kirchenbauten aller Konfessionen in den Etat einzustellen. Die Centrumsmitglieder habn diesen Antrage abgelehnt. Die Petition des Propstes von der Goltz verlangt gleich⸗ falls Staatshülfe für die verschiedenen Bekenntnisse. Man kann also nicht deshalb zur Tagesordnung übergehen, weil nicht pari⸗ tätisch vorgegangen sei. Ohne gesetzgeberische Initiative, welche dem Abg. Dr. Windthorst verdächtig erscheint, kommt man nicht aus. Die Provinzen haben das Bedürfuiß, daß für ihre nach Berlin ziehenden Kinder besser gesorgt wird; denn es wohnen in Berlin mehr Leute aus jeder Provinz, als in mancher Provinzialstadt. Die gi nf ist also eine Frage, die das ganze Land angeht; daß darauf nicht wohlwollend eingegangen ist, bedauere ich, denn es zeugt davon, daß man der Kirche nicht entgegenkommen will. Daß jede Kirchengemeinde für sich selbst sorgt, ist ein schöner Grundsatz, aber jede Seite unseres Kultus⸗Etats spricht dagegen. Wenn die Kirche Geld zur Aufbesserung der Gehälter der Geistlichen nimmt, dann kann sie noch viel eher Geld zu Kirchenbauten nehmen. Die Liberalen haben acht Jahre lang die Leitung der Stadt-Synode gehabt, aber nichts erreicht; dadurch haben wir die Mehrheit in der Stadt-Synode schließlich bekommen. Nach Staatshülfe „schreien“ brauchen wir nicht. Wer den kirchlichen Nothstand nicht selbst hört, hat kein Herz für die Kirche.

Abg. Dr. Windthorst: Die Petition und die Anträge beziehen sich hen ch ch auf die evangelischen Verhältnisse, von den Katholiken wird gar nicht gesprochen. Da kann man nicht behaupten, daß die Parität beachtet worden ist. Wenn angedeutet worden ist, durch das Gesetz über die Aufhebung der Sperrgelder werde der katholischen Kirche etwas zugewendet, so ist das falsch; es wird nur das Geld restituirt, welches der Kirche vorenthalten worden ist. Der Abg. Stöcker denkt nur an Staatshülfe, und diese ist nicht angebracht, so lange die evan— gelische Kirche Berlins nicht selbst bewiesen hat, daß sie in— solvent sei. Die Bedenken des Abg. Rickert gegen den Antrag des Abg. Freiherrn von Zedlitz kann ich nicht begreifen. Die Berliner sollen nur frei gemacht werden in ihrer Bewegung. Wenn eine Kirchennoth vorhanden ist, dann stelle man den anderweitigen Luxus ein. Woher entstehen denn immer neue Paläste, während es an Kirchen und Geistlichen fehlt? Warum ist man erst so spät zu der Erkenntniß gekommen, daß ein Mangel besteht?! ; .

Abg. Dr. Enneccerus weist darauf hin, daß der frei— konservative Antrag dem der Nationalliberalen sehr nahe komme; er verlange nicht Staatshülfe, sondern fordere nur die Befreiung der kirchlichen Gemeinden von den Fesseln, welche jetzt ihre Bewegung hindern. ; .

Abg. Freiherr von Huene: Der Antrag der Konservativen, einen Allerhöchsten Dispositionsfonds für Kirchenbauten in den Etat einzustellen, wurde abgelehnt, weil man Se. Majestät damit nicht behelligen wollte; wenn eine solche Stagtshülfe nothwendig ist, dann muß auch der verantwortliche Minister mit seiner eigenen Person dafür eintreten. Die Petition ist nur auf die Berliner evangelischen Verhältnisse zugeschnitten und durchaus nicht paritätisch gehalten.

Abg. Korsch tritt für den konservativen Antrag Althaus und Genossen ein.

Damit schließt die Debatte. :

Der Antrag Eberty wird darauf gegen die Stimmen der Freisinnigen und einiger Nationalliberalen, der Antrag Althaus gegen die Stimnien der Konservativen und des Frei— konservativen Abg. Gerlich abgelehnt, der Antrag von Zedlitz gegen die Stimmen der Konservativen und Freisinnigen von einer aus den Nationalliberalen, Freikonservativen, Centrum und Polen bestehenden Mehrheit angenommen,

Es folgt die erste Berathung des von den Abgg. Muhl und Genossen beantragten Gesetzentwurfs, betreffend die nach⸗ trägliche Berücksichtigung der erloschenen Entschädigungs⸗ anfprüche für frühere Grundsteuerhefreiungen. und Grundsteuerbevorzugungen in Schleswig⸗Holstein.

Abg. von Bülow (Wandsbeck) weist darauf hin, daß die Entschädigungen für die Heranziehung früher steuerfreier Grundstücke zur Grundsteuer in vielen Fällen ungleichmäßig gezahlt worden sind. Dadurch sei viel. Unzufriedenheit ent— standen. Das Bestreben, solche Unzufriedenheiten durch Auf⸗ hebung der Mißstände zu beseitigen, sei im Hause allgemein. Redner hält es für nothwendig, daß der Antrag zunächst einer Kommission überwiesen wird. . *.

Regierungs-Kommissar Geheimer Ober⸗Finanz⸗Rath Fuisting: Entschädigungen für die Aufhebung der Grund⸗ steuerfreiheit sind in allen Provinzen gezahlt worden. Die Sache ist überall, gleichmäßig geregelt. Das entspricht dem Grundsatze vom gleichen Recht für Alle; die Regierung kann deshalb nicht zugeben, daß für eine einzelne Provinz eine Ausnahmegesetzgebung geschaffen wird. Es kann, nicht ge⸗ stattet werden, daß eine Gesetzesvorschrift, welche die Geltend— machung von Ansprüchen bis zu einer gewissen Frist verlangt, aus der Welt geschafft wird. Die Ansprüche der meisten Petenten, welche sich an das Haus wenden, entspringen nur der Begehrlichkeit der Menschen; sie beruhen auf Illusionen.

Abg. Brandenburg theilt mit, daß der Petitions⸗ kommission mehrere Petitionen bezüglich dieses Gegenstandes vorlägen; sie habe die Entscheidung bis zur Berathung dieses Antrages ausgesetzt. .

Abg. von Bülow (Eckernförde) bittet, den Antrag nicht einer besonderen, sondern der Agrarkommission zu über⸗ weisen.

senzg Jürgensen empfiehlt die Berücksichtigung des Antrages. . Abg. Krah weist darauf hin, daß die gesetzlichen Be⸗

stimmungen über diese Frage so unklar seien, daß ein ein⸗ facher Landmann sie nicht verstehen könne. Deshalb sei es zur Beseitigung der Unzufriedenheit nothwendig, eine erneute Frist zur Geltendmachung berechtigter Ansprüche zu eröffnen.

Der Antrag wird darauf der Agrarkommission überwiesen. * 23

Auf Grund des Antrags der Petitionskommission werden die Petitionen des Professors Rabe in Berlin wegen Er⸗ richtung von Findelhäusern, des Gerichtsvollziehers a. D. Schlaack in Leobschütz wegen Erhöhung seiner Pen sion, des Lehrers Kant in Neuhof, betreffend die anderweite Regelung der Verhältnisse der Lehrer an den ländlichen Volksschulen, und die Petition von Interessenten des Deichverbandes Riehl⸗Waorringen, betreffend die Nichtausführung der für den Deichverband ge— planten Deicharbeiten, durch Tagesordnung erledigt.

Die Petitionen verschiedener Gemeinden aus der Provinz Schleswig-Holstein, betreffend die Auf⸗ hebung der sog. Jagdrekognition, bezüglich derer die

etitionskommission ebenfalls Uebergang zur Tagesordnung

beantragt, wünscht der Abg. Jürgensten der Staatsregierung zur Berücksichtigung überwiesen zu sehen, .

Das Haus folgt dem Antrage der Kommission. Hierauf vertagt sich das Haus. .

Schluß nach 4 Uhr.

Statistik der Armenpflege.

A.. Wer sich an der Armenpflege seiner Gemeinde praktisch be= sheiligen will, soll vor allem die Menschen und Verhältnisse in seiner Umgebung recht zu erkennen und mithin auch das Armenwesen in seinen Urfachen und Wirkungen zu ermitteln fuchen. Es geschieht dies mit Hilfe der Armenstatistik, welche nicht nur den Behörden, sondern jedermann im Volke Klarheit darüber verschaffen soll, wie viel Arme in dem weiteren und engeren Vaterlande, wie viele in der eignen Gemeinde wohnen, ob es Männer, Frauen, Kinder sind, wie sich die Unterstützten nach Alter, Beruf, Civilstand, Gebürtigkest gliedern, aus welchen Ursachen die Armuth entstanden ist, wie die Versorgung erfolgt, wie hoch sich die Aufwendungen für die Unter— stützten belaufen und vieles andere mehr. Niemandem kann es gleich gültig sein, ob die Armuth zunimmt oder abnimmt, ob sie mit un— zulänglichen und gefährlichen oder mit wirksamen und heilsamen Mitteln bekämpft wird. ö

In Deutschland sind bisher von Reichswegen zwei große Er— mittelungen über das Armenwesen, 1881 und 1885, veranstaltet worden, von denen namentlich die letztere von 1885 sehr werthvolle Unterlagen geliefert hat.

Nachstehende Tabelle orientirt über die Zahl der Armen in den einzelnen deutschen Staaten nach der Armenstasistik des Jahres 1835.

Armenziffer (Auf 100 der Be⸗ völkerung ent⸗ fielen insgesamt Unterstuützte.)

Selbst⸗ und Mit- unterstützte.

Staaten.

De

t O —=— 966 23

Preußen . JJ 953 292 i S8 60ꝛ w,, 63 320 k 68 426 e 30199 Mecklenburg Schwerin.... 23 205 , ,, 5773 Mecklenburg ⸗˖Strelitit. ... 990 Oldenburg. . 2753 Braunschweig . Sachsen-Meiningen . Sachsen⸗Altenburg ; Sachsen ⸗Coburg⸗Gotha . Anbalt w, Schwarzburg⸗Sondershausen . Schwarzburg⸗Rudolstadt

5 e 0

t 0 6 . O M 7

d O CCC

re —— 1 QD Q ö 1 8

Schaumburg⸗Lippe

Lippe.

Lübeck.

Bremen.

Hamburg .

Geltungsgebiet des Unterstützungswohn⸗ sitzgesetzes. d

50039

1367347

d 151 550 Fließ dot ingen 73 489 Deutsches Reich 1592 386

Nach einzel nen Armuthsursachen gegliedert, entfielen auf

Unfall. KJ .. 3,3 Oo sämmtlicher Unter

Tod des Ernährers ö

Krankheit .

Gebrechen.

Altersschwäche

große Kinderzahl...

,,,

wn, w 0

,, 4

andere und unbekannte Ursachen 8 Im Jahre 1885 betrugen in Deutschland die Aufwendungen für

Armenzwecke 90 282159 6, d. i. pro Kopf der Bevölkerung 1,93 (6 Von Oesterreich kann nur die Zahl der in Anstalten unterstützten

Armen angegeben werden. Dieselbe betrug:

in Anstalten unterstützte Arme

,, . 6 ö , n

. . . 1

die Höhe der Ausg. Jal es. 2 in Pro; absolut . n, / . überhaupt ö. . s . ; häu instituten . ; schnitt fern Beylk. 1871/75 27722 157 8090 185 522 0,88 1876/80 31 696 187 754 219450 1,01 5 264 764 0, 24 1881/85 35912 234 9132 270 854 1,20 6 212 793 0, 27 In Italien bestehen Nachweise über die Zahl der Unterstützten nicht, dagegen über die Höhe der Aufwendungen. Die Ausgaben der opere pie betrugen im Jahre 1880: S5 841 763 Lire (d. i. 3, 02 Lire pro Kopf der Bevölkerung). Die Ausgaben der Provinzen für Wohlthätigkeitszwecke erreichten im Mittel der Jahre 1881/85: 18 835 836 Lire, d. i. 2.66 Lire pro Kopf der Bevölkerung, die der Gemeinden 37 123 830 Lire, d. i. 1,74 pro Kopf der Bevölkerung. In den Etablissements hospitaliers Frankreichs wurden im Durchschnitt der Jahre 1881/85: 4565 669 Kranke (1,21 96 der Be—⸗ völkerung) und 64379 Sieche (O, 17 Cο der Bevölkerung) verpflegt, wofür 163 985 250 Fr. (d. i. 288 Fr. pro Kopf der Bevölkerung) aufgewendet wurden. An der Kinderpflege nabmen zur gleichen Zeit 95 534 Kinder (— 0.25 ( der Bevölkerung) Theil mit einem Auf— wande von 15 183221 Fr. (— O40 Fr. pro Kopf der Bevölkerung). Die allgemeine offene Armenpflege der Bureaux de bienfaisance unterstützte durchschnittlich jährlich 1505115 Personen (— 3,93 Co der Bevölkerung) mit einem Aufwande von 33 620 382 Fr. (d. i. O, 89 Fr. pro Kopf der Bevölkerung).

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