1890 / 108 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 03 May 1890 18:00:01 GMT) scan diff

weiligen Einstellung der Geschworenengerichte im Ge— richtsbezirk von Cattaro. ö

Karlowitz, 1. Mai. (Er.) Der Kongreß wählte den Bischof von Temesvar Georg Bran kovies mit 41 Stimmen zum Patriarchen. Bischof Zsivkovies erhielt 11 Stimmen. Achtzehn Kongreßmitglieder enthielten sich der Abstimmung. Der Kongreß nahm das Wahlresultat mit großer Begeiste—⸗ rung auf.

Großbritannien und Irland.

London, 2. Mai. (A. C.) Im Unterhause wurde gestern die seit Dienstag vertagte Debatte zur zweiten Lesung der irischen Güterankaufs-Vorlage sortgesetzt. Zunächst ergriff der Obersekretär für Irland Balfour das Wort zu einer erschöpfenden und stellenweise recht ge— lungenen Widerlegung der von den Gegnern der Vorlage bislang erhobenen Einwände. Die Angriffe der Opposition bezeichnete er als zaudernd und unwesentlich, was einen Mangel an Organisation in der Frage anzudeuten scheine. Er trat auch dem Vorschlage Chamberlain's, den in Irland zu bildenden Grafschaftsräthen eine Stimme in der Ausführung der Vorlage einzuräumen, entgegen. Der Zweck der Vorlage, sagte er, sei ein nationaler, und so lange in Irland keine nor— malen Verhältnisse herrschten, würde es höchst übereilt sein, Lokalbehörden, welche dem Einfluß politischer Agitatoren unter— worfen seien, die Befugniß zu geben, zu bestimmen, ob dieser Zweck durchgeführt werden soll oder nicht. Sodann sprachen Sexton, Macartney (ein Konservativer) Namens der irischen Grundbesitzer, und die Gladstonianer Hunter und W. A. Macdonald gegen die Vorlage, während Jesse Collings (liberaler Unionist) dieselbe unterstützte. Hierauf trat der Marquis von Hartington entschieden für die Vorlage ein. Er behauptete, daß eine Bodenankaufs— maßregel einer Vorlage für eine durchgreifende Reform der Lokalverwaltung in Irland vorangehen müsse, da die gegen— wärtig bestehende unglückliche Feindseligkeit zwischen Guts— besitzern und Pächtern das größte, wenn nicht das einzige Hinderniß für ausgedehntere Lokalverwaltungsfunktionen bilde. Die liberal unionistische Partei werde wie ein Mann für die zweite Lesung einer Vorlage stimmen, mit deren Prinzip sie vollkommen einverstanden sei und welche hinreichende Sicherheiten für den Schutz des britischen Steuerzahlers Sicherheiten, welche der Gladstone'schen Vorlage von 1885 gänzlich mangelten gewähre. Daß den irischen Abgeord— neten die Vorlage mißfalle, überrasche ihn nicht, da die Lö— sung der irischen Bodenfrage ihnen eine der stärksten Waffen, mit denen sie für größere und künftige Zwecke kämpfen, rauben würde. Nachdem noch John Morley Namens der Opposition gegen die Vorlage gesprochen, wurde zur Abstimmung über Feel Antrag auf Verwerfung der Vorlage geschritten, welche die Ablehnung dieses Antrags mit 348 gegen 268 Stimmen ergab. Die Vorlage wurde alsdann (wie schon telegraphisch gemeldet) ohne Abstimmung zur zweiten Lesung zugelassen, und gegen 1 Uhr Morgens vertagte sich das Haus. 2 Mi eee fand heute Abend zu Ehren Stanley's großer Empfang statt, zu welchem sich eine zahlreiche Gesellschaft eingefunden hatte. Auch der Prinz und die Prinzessin von Wales, der Herzog und die Herzogin von Edin— burg und mehrere Minister waren anwesend. Der Prinz von Wales führte den Vorsitz. Stanley hielt eine lange Rede, in welcher er sagte: es sei ihm nicht gestattet, von Emin Pascha zu sprechen; das Comité habe anfänglich beschlossen, daß eine Expedition von der Ostküste Afrikas aus unter— nommen werden sollte, und alle Vorbereitungen seien bereits getroffen gewesen, als das Comité die Nachricht erhielt, daß die französische Regierung sich gegen diese Route aus— gesprochen habe. In Folge dessen werde nun der Weg vom Congo aus genommen werden. Stanley erklärte sodann, daß der einzige Zweck seiner letzten Expedition der gewesen sei, Emin Pascha zu Hülfe zu kommen; er gab eine ein— gehende Darstellung von dem Marsche der Expedition und hob schließlich die Gastfreundschaft der deutschen Offiziere an der Ostküste mit großer Anerkennung hervor.

Das Unterhaus hat in seiner heutigen Sitzung den Antrag Cameron's auf Entstaatlichung der schottischen Kirche mit 25 gegen 218 Stimmen verworfen.

Frankreich.

Paris, 3. Mai. (W. T. B.) Der Ministerrath be— schloß heute Morgen, dem Minister des Aeußeren Ribot nicht die Autorisation zu ertheilen, mit Tigrane Pascha und Palmer über die Konversion der egyptischen Schuld zu unterhandeln.

Amerika.

Vereinigte Staaten. Washington, 30. April. (A. E) Das Repräsentantenhaus genehmigte heute eine Vorlage, welche den Sekretär des Schatzamts anweist, alle importirten Kammgarnstoffe, gleichviel ob sie Kamm— garntuch, Diagonals genannt werden, oder irgend einen anderen Namen tragen, als Wollenstoffe zu klassifiziren.

Der Ausschuß des Senats für auswärtige An⸗ gelegenheiten hat sich zu Gunsten einer Resolution erklärt, welche den Präsidenten ersucht, mit Großbritannien und Mexiko über Verträge zu unterhandeln, welche die Einwanderung von Ehinesen aus Canada und Mexiko in die Vereinigten Staaten verhindern.

Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (52.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher die Staats-Minister Dr. Freiherr Lucius von Ballhausen, Dr. von Schelling und Herrfurth nebst Kommissarien beiwohnten, nahm vor der Tagesordnung der Abg. Letocha das Wort, um einen in der Sitzung vom 29. April während der Rede des Abg. Dr. Windthorst gegen den Abg. von Eynern gerichteten Zwischenruf zurückzuziehen.

Auf der Tagesordnung stand an erster Stelle die erste Berathung des Gesetzentwurfs über Rentengüter.

Abg. Sombart wies nach, daß der Großgrundbesitz namentlich im Osten an Fläche zugenommen habe, daß der Bauernstand dagegen immer mehr verschwinde. Frühere Ver— suche, im Innern Preußens zu kolonisiren, seien meist un— günstig ausgefallen, weil die Käufer von Land gegen Kapital meist stark, verschuldet und deshalb in ihrer Wirth— schaft beschränkt seien. Es empfehle sich, die Tagelöhner dadurch seßhaft zu machen, daß man ihnen ein eigenes Häus— chen und ein paar Morgen Land gebe; der Stand der

kleineren und größeren Bauern sei durch Abtrennung von Bauernstellen von den Rittergütern zu stärken; größere Bauern könnten durch Parzellirung eines Ritterguts oder einer staatlichen Domäne in drei oder vier Bauerngüter geschaffen werden. Wie die Rentengüter in der ö. Posen mit Hülfe des 109 Millionenfonds er— richtet worden seien, so könnten Rentengüter überhaupt nur mit Kapitalunterstützung ins Leben gerufen werden. Eine Bestimmung hierüber fehle in dem Gesetzentwurf, der deshalb ein Rumpf ohne Kopf und Beine sei. An der Spitze eines vom Redner ausgearbeiteten Gegenentwurfs stehe die Forderung, daß bis zum Jahre 1891 die Provinzen Landes⸗ kulturrentenbanken eröffnen müßten; sie allein könnten das für . und Inventar nothwendige Geld beschaffen.

bg. Wessel hielt die Wünsche des Vorredners in Bezug auf die Landeskultur-Rentenbanken und die Parzellirung der Domänen für bedenklich; diese Fragen seien noch nicht genügend geklärt. Die Seßhaftmachung der Tagelöhner sei eine schöne Idee; aber mit ihrer Verwirklichung gehe es nicht so schnell; die Grundbesitzer würden durch die Rentengüter die fehlenden Arbeitskräfte nicht erhalten. Nicht die höheren Löhne veranlaßten die Landarbeiter zur Auswanderung, sondern die größere Ungebundenheit des Lebens und die Möglichkeit, unter Benutzung aller Konjunkturen die Arbeitskräfte auszunutzen. Die Landwirthe würden des⸗ halb auch, wenn sie nicht reiche und besonders menschenfreund⸗ liché Leute seien, von den Rentengütern keinen Gebrauch machen; das werde nur Seitens des Staats oder größerer Korporationen geschehen können. Ein Mißbrauch mit dem Institut der Rentengüter sei nicht zu fürchten. Es empfehle sich die Vorberathung der Vorlage in einer Kommission von 21 Mitgliedern. . .

Abg. von Meyer (Arnswalde) führte aus, daß das Gesetz nicht viel Anwendung finden würde, wenn nicht der Staat etwa ein Hochmoor parzelliren wollte; dazu gehöre aber viel Geld. Durch die Anlegung von Rentengütern werde der Gutsbezirk zerstört werden, denn er könne nur erhalten werden, wenn er in einer Hand bleibe. In der Nähe des Guts könne, man die Ansiedlung nicht vornehmen, weil man die Rentenguts-Inhaber nicht zwingen könne zur Arbeit für die Gutsbesitzer. Mit der Ablösung der Rente sei es auch eine zweifelhafte Sache, denn Niemand könne dafür stehen, daß die Gesetzgebung nicht später einmal die Rentengüter statt gegen den 25 fachen schon gegen den 10 fachen Betrag ablösen lasse. Die Ein— richtung von Rentengütern würde nur den Naturallohn be— seitigen und damit den einzigen Wall, der das Uebertreten der Sozialdemokratie auf das Land hindere. Abg. Seer bemerkte, daß Rentengüter nur dann selbst— ständig seien, wenn sie so groß seien, daß der Besitzer sich selbst Gespann halten könne; sonst sei er abhängig von dem nächsten großen Grundbesitzer und könne sich noch viel weniger frei bewegen als der Tagelöhner. Deshalb habe nur der Gutsbesitzer ein Interesse daran, Rentengüter auszuthun. Zu bedenken wäre aber auch, daß ein Rentenguts-Inhaber Wohngebäude auf seinem Grundstück bauen könne, welche dann von zahlreichen Familien bewohnt würden und dadurch die Kommunallast des Gutsbesitzers vermehrten. Diesen Punkt sollte die Kommission ins Auge fassen. ö Bei Schluß des Blattes erhielt der Abg. Zelle das Wort.

Centralblatt für das Deutsche Reich. Herausgegeben im Reichs amt des Innern. Nr. 18. Inhalt: Zoll. und Steuerwesen: Einschränkung der im Bezirk des Haupf-Zollamts Emmerich eingeführten Kontrole über den Handel mit Getreide. Konsulatwesen: Ernennung. Todesfall. Exequatur⸗-Ertheilungen. Polizeiwesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Das gemäß §. 98 der Reichs-Konkursordnung vom Gericht an einen Schuldner erlassene Veräußerungsverbot enthält nach einem Urtheil des Reichsgerichts, III. Strafsenats, vom 5. Dezember 1889 keine Beschlagnahme oder Verstrickung im Sinne des 8s 137 des Strafgesetzbuchs. Eine Verletzung dieses Verbots Seitens des Schuldners ist demnach nicht als Arrestbruch zu bestrafen.

Das formlose, mündliche Versprechen einer Zuwendung gegen Entgelt zum Zwecke einer zu schließenden Ehe (beispielsweise der käuflichen Ueberlassung eines bestimmten Grund—⸗ stücks zu einem bestimmten gleichviel zu einem hohen oder niedrigen Preise) wird nach einem Urtheil des Reichsgerichts, V. Civil senats, vom 7. Dezember 1889, im Geltungsbereich des Allgemeinen Landrechts durch die Eheschließung ein klagbarer Erfüllungsanspruch.

Die Eisenbahntransport-⸗Gefährdung Seitens eines Eisenbahn⸗Bediensteten durch Vernachlässigung einer durch eine Dienstanweisung gebotenen Pflicht, indem er nach seiner Einsicht, um den Zug vor einer anderen, schlim meren Gefahr zu sichern, sich zur Außerachtlassung jener Dienstanweisung für berechtigt erachtete, ist, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, IV. Straffenats, vom 14, Januar 1890, nicht strafbar.

Der §. 14 des Reichs ⸗Nahrungsmittelgesetzes bestimmt hinsichtlich des fabrlässigen Herstellens oder Feilhaltens gesfund“ heitsschädlicher Nahrungsmittel ein höheres Strafmaß, „wenn durch die Handlung ein Schaden an der Gesundhheit eines Menschen verursacht worden?. In Bezug auf diese Bestimmung hat das Reichsgericht, III. Strafsenat, durch Urtheil vom 6. Februar 1896 ausgesprochen: Ein Schaden an der Gesundheit liegt dann vor, wenn durch die Einwirkung auf den Körper eines Menschen dessen Organismus in den zum Leben erforderlichen gewöhnlichen Verrich— tungen eine, wenigstens theilweise, Störung erleidet; ein krankhafter Zustand von längerer Dauer ist nicht erforderlich.

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Eine auf den Buß und Bettag nach Schnappach einberufene Versammlung des Rechtsschutzvereins des Saar- reviers war sehr zahlreich bejucht. Den Vorsitz führte Bergmann Thome, der, wie die „Saarbr. Ztg. berichtet, ein Hoch auf den König Otto von Bavern und den Prinz Regenten Luitpold aus— brachte. Der Vorsitzende sprach sich gegen die Feier des 1. Mai aus und machte die Mittheilung, daß die am 4. Mai stattfindende Del e—= gärtenversammlungin Völklingen drei Eingaben erlassen werde, welche, an die Bergwerksdirektion, das Ober ⸗Bergamt und das Handels⸗ Ministerium gerichtet, die noch zu stellenden Forderungen präzifiren sollen. Außerdem sollen sich Bergmanns. . Deputirte nach Berlin be= geben, um sich mit Mitgliedern des Abgeordnetenhauses in Verbin— dung zu setzen. Sämmtliche Redner erklärten sich gegen eine Feier des 1. Mai. Die Abstimmung ergab auch, daß Niemand für die

Feier war. Die trotz der großen Menge sehr ruhig verlaufene Ver⸗ sammlung wurde wieder mit einem Hoch auf den König Otto und den Prinz⸗Regenten geschlossen.

Aus Hamburg berichtet die H. Börs.- H.“, daß sich am Rathhausbau sowie am Erweiterungsbau des Stadthauses gestern Morgen die Bauhandwerker, welche am 1. Mai ge⸗ feiert hatten, wieder einstellten, aber abgelohnt und entlassen wurden. Auf Steinwärder und am Kleinen Grasbrook stellte sich gestern Morgen von 5 Uhr an auch ein großer Theil der Arbeiter ein, welche am 1. Mai ohne Erlaubniß gefeiert hatten. Die Leute wurden sämmtlich abgelohnt, und es wurde ihnen bedeutet, daß sie vor dem 5. Mai nicht wieder in die Arbeit eingestellt würden. Die Ablobnung ging obne Störungen vor sich. Bei Blohm u. Voss erfolgte die Ablohnung zwischen 10 und 12 Uhr, und trotz der großen Zahl von Leuten, die entlassen ward, etwa 800, ging Alles völlig ruhig ab. Ebenso volljog sich gestern Vormittag die Ablohnung von 500 Arbeitern bei der Reiherstieg Schiffswerft und Maschinenfabrik in rollster Ruhe und Ordnung. W. T. B.“ meldet vom gestrigen Tage aus Hamburg, daß das Löschen und Laden der Schiffe im Hafen in vollem Umfange wieder aufgenommen worden ist, auch die Ewer⸗ führer arbeiten wieder.

Wie die „Ostsee⸗ Ztg.“ aus Stettin berichtet, sind auch dort auf den Bauten und in den Werkstätten, wo gestern Morgen die Feiernden von vorgestern sich wieder zur Arbeit einstellten, diese Arbeiter, dem zwischen den Arbeitgebern getroffenen Ueberein⸗ kommen gemäß, überall abgewiesen.

In Breslau sollen die im Ausstande befindlichen Tischler⸗ gesellen, wie die „Schl. Ztg.“ berichtet, entschlossen sein, am Montag, den 5. d. M., die Arbeit unter den von den Meistern ihnen gestellten Bedingungen wieder aufzunehmen.

Aus Görlitz wird demselben Blatt geschrieben: Die Schuh— macher, welche nach vorausgegangener Kündigung am 29. v. M. die Arbeit niedergelegt haben, erlassen durch die Lohnkommission einen Aufruf an die „Arbeiter, Genossen und Freunde“, in dem es heißt, sie hätten, um ihre Lage zu verbessern, eine 20 prozentige Lohn⸗— erhöhung und 11stündige Arbeitszeit von den Meistern ge— fordert; diese Forderungen wurden rundweg abgeschlagen. Die Kom⸗ 3 bittet um Arbeit, damit die Verheiratheten versorgt werden önnen.

In Chemnitz hat gestern, wie W. T. B.“ meldet, eine Ver⸗ sammlung der Arbeitgeber der Eisenindustrie beschlossen, da das gemeinsame Vorgehen sich so erfolgreich gezeigt habe, eine ständige Vereinigung für den Chemnitzer Industrie⸗ bezirk zu gründen. Diese solle mit den anderen, den gleichen Zweck verfolgenden Vereinigungen Füblung nehmen, um dadurch zur Bildung eines allgemeinen deutschen Verbandes zu gelangen, als Schutzwehr gegen muthwillig heraufbeschworene Strikes. ;

In Netzschkau haben nach einem Telegramm des „Wolff'schen Bureaus“ am 30. April die Arbeiter sämmtlicher mechanischen Webereien, mit Ausnahme von dreien, die Arbeit eingestellt; die Arbeiter verlangen ein- Lobnerhöhung von 290 „o und Ab⸗ kürzung der Arbeitszeit auf 10 Stunden. Die Rube ist nicht gestört.

Hier in Berlin wurde gestern in einer Versammlung der Schrauben und Metalldreher über die Lage des Strikes Bericht erstattet; danach haben die Fabrikanten, die zum größten Theil der neu gegründeten Fabrikanten-Vereinigung angehören, ab— gelehnt, mit dem Vorstande des Fachvereins in Unter⸗ handlung zu treten. Nur eine außerhalb der Vereinigung stehende Firma hat sich, wie die B. Börs. Ztg. berichtet, verpflichtet, die neunstündige Arbeitszeit (Sonnabends acht Stunden), sowie für Lohn und Akkordarbeit einen sofortigen Zuschlag von fünf Prozent und vom 1. Juni ab noch fünf Prozent Zuschlag zu bewilligen. Es wurde eine Kommission gewählt, um mit den Fabrikanten in sofortige Unterhandlung zu treten. Den Fabrikanten sollen folgende Forde⸗ rungen unterbreitet werden: Neunstündige Arbeitszeit (Sonnabends achtstündige); sofortige Lohnerhöhmmg (auch für Akkordarbeiten) um fünf, und vom 1. Juni ab um noch fünf Prozent. Die Strikenden hoffen, vielleicht schon am Montag die Arbeit wieder aufnehmen zu können. In der Berliner Brotfabrik ⸗Aktiengesellschaft ist, der ‚Voss. Ztg.“ zufolge. der in Folge des Ausstandes seit dem 26 v. M. eingestellte Betrieb der Mühle gestern wieder voll aufgenommen worden. Die wegen Widersetzlichkeit entlassenen Arbeiter sind durch andere neu eingestellte ersetzt worden. Die Graveure und Ciseleure der Aktiengesellschaft für Bronze⸗Industrie J. C. Spinn u Sohn haben wegen Nicht genehmigung der Feier des 1. Mai sämmtlich die Arbeit nieder gelegt. In einer Fabrik getriebener Holzornamente der Hornstraße haben die Arbeiter den Aus stand beschlossen, weil ihnen die neun stündige Arbeitszeit nicht bewilligt wurde. Der 1. Mai war ihnen freigegeben worden.

Aus Wien meldet W. T. B.“, nach einem Telegramm des K. K. Tel.« Corr. Bur.“ aus Freiwaldau, daß die Handwerker und ein Theil der Arbeiter der dortigen mechanischen Webereien, sowie die Wirker der Fezfabrik in Niklasdorf weiter striken; dieselben verhalten sich je— doch ruhig. Die Fabriken haben den Bezirkshauptmann um Ver—⸗— mittelung gebeten. In den Werkstätten der Staatsbahn⸗ gesellschaft in Prag und Kolleschowitz haben 600 Arbeiter die Arbeit eingestellt.

Aus allen Kantonen der Schweiz wird bestätigt, daß am 1. Mai nirgends Störungen der Ruhe vorgekommen sind. Den einzigen Zwischenfall bildete, wie W. T. B.“ berichtet, in Genf der Anschlag eines anarchistischen Aufrufs zur Revolution.

Nach den letzten aus Paris vorliegenden Meldungen war die Zahl der Ausständigen in Tourcoing auf 70 000, in Roubaix auf 50 900 angewachsen. Gestern Abend wurde die Ruhe nicht gestört, einige Anarchisten wurden verhaftet.

Aus Livorno theilt W. T. B.“ mit, daß die Arbeiter der Werft Orlando, der metallurgischen Gesellschaft und der Glasfabrik, sowie die Kohlenarbeiter die Arbeit eingestellt haben. Die öffentliche Ruhe ist nicht gestört.

Wie dem Wolff'schen Bureau aus Madrid gemeldet wird, hat gestern die Strikebewegung in Valencia und Barcelona zugenommen. In Valencia bewilligen viele Arbeitgeber den achtstündigen Arbeitstag, andere lehnen diese Forderung noch immer ab. Der Güterverkehr auf den Bahnen wird von den Strikenden vielfach verhindert, daher konnten viele Schiffe im Hafen ihre Waaren nicht abladen. In Valencia und in Barcelona mußte die Civilgarde wiederholt zur Zer⸗ streuung größerer Menschenansammlungen einschreiten. Gestern Abend ist für Barcelona und Umgegend das Standrecht verkündet worden.

Landschaft der Provinz Westfalen.

Am 28. April d. J. fand zu Münster i W. die General⸗ versammlung der Landschaft der Provinz Westfalen statt. Aus dem vorgetragenen Bericht für das Geschäftsjahr 1889 ging hervor, daß im verflossenen Jahre das emittirte Pfandbrief⸗ Kapital einen Zuwachs erfahren hat von 2356 100 S; da— gegen sind gelöscht 53 500 . Das noch verzineliche Pfandbrief⸗ kapital betrug am Schluß des Jahres 29 290 500 Æ, die Zahl der Mitglieder 2139, der Ueberschuß des Jahres 59 802,35 S, der Reservefonds 203 135,10 ½Æ½, und der pro 1890 vorgetragene Bestand, welcher zugleich als Betriebsfonds dient, g6 922,57 Vorher schon war in der Sitzung des Verwaltungsraths die Jahresrechnung und Bilanz als richtig anerkannt und der Direktion Decharge ertheilt. Zugleich wurden Hr. Land⸗ rath Dr. von Borries auf Steinlake als Vorsitzender des Verwaltungsraths, Hr. Kammerherr Major a. D. und Landrath Graf Wedel auf Sandfort als dessen Stellvertreter einstimmig wiedergewählt, auch für die verschiedenen Kommissionen deren bis⸗— herige Mitglieder durch einstimmige Wiederwahl bestätigt.

Zur Lage der Arbeiter.

Im Regierungsbezirk Merseburg waren im eisten Vierteljahr 1890 die Gesinde⸗ und Arbeitslshne fortgesetzt im Steigen begriffen und hatten die arbeitenden Klassen bei fortgesetzter lohnender Beschäftigung keinerlei Grund zu Klagen. Auf dem Lande namentlich fiel es immer schwerer, Gesinde und Arbeiter zu erlangen, weil die jüngeren Kräfte sich zumeist den größeren Städten zuwenden, wo sie in den Fabriken, Kohlengruben z. höhere Löhne erhalten, die der Landwirt bei den gezenwärtigen wirthschaftlichen Verbält- nissen nicht zu zahlen im Stande ist, ohne selbst zu Grunde zu gehen.

26 Christiania, 256 April. (E) Der Ertrag der dies⸗ jährigen Kabliaufischerei ist der größte feit Finführung der offiziellen Statistik. Die Lofotenffscherei kat! den Schätzungen? des Aufsichtschefs zufolge in dem beaufsichtigten Diffrikt 30 96000 Kabliau, 58 000 bl Leber, 16700 hl Medizintbran und 36 800 hl Rogen ergeben. Der Bruttowerth dieses Ertrages ist 7250 00 Kronen, sodaß durchschnittlich 240 Kronen auf jeden der 30 324 be— schäftigt gewesenen Fischer entfallen. Außerhalb des Aufsichtsdistriktes war der Ertrag 4357 500 Kabliau, 13 347 hl Leber, 1757 hl Medizin- thran und ödös hl Rogen. Die Fifchereien an der Küste von Romsdal haben zusammen gegen 11 900 960 Kabliau ergeben (cg. 2 Mill. Stück mehr als der zehnjährige Durchschnitt) und der Ertrag der noch nicht beendeten Finmarksfischereien (vom Nordkap bis zur russischen Grenze) belief sich am 22. 3. M. auf 1500000 Kabliau.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Die Eröffnung der TVI. Mastvieh⸗Ausstellung auf dem Central ⸗Viehhof der Stadt Berlin findet am 7. Mai statt. Die Aus⸗ stellung dauert zwei Tage; sie ist geöffnet von Vormittags 9 Uhr bis Nachmittags 7 Uhr. Der Preis des bereits erschienenen Katalogs beträgt 50 3.

Wie bekannt, hatte eine außerordentliche Preissteigerung des Thbomasschlgchenmehls, dieses rasch beliebt gewordenen Dünge— mittels, den Widerstand der Konsumenten, der Landwirthe, unter Führung der Deutschen Landwirthschafts. Gesellschaft und der land— wirthschaftlichen Genossenschaften hervorgerufen. Man warf der Konvention der Thomasschlackenfabrikanten vor, die Preisbewegung künstlich hervorgerufen zu haben, und nahm den Kampf gegen die Kon— vention durch eine recht allgemein durchgeführte Enthaltung vom Ver— brauch des Düngemittels auf. Die Sache wurde auch in weitere Kreise getragen und dort vom allgemeinen volkewirthschaftlichen Stand punkte behandelt. Inzwischen wurde versucht, die Streitpunkte aus der Welt zu schaffen, und dies ist auch gelungen. Es hat in voriger Woche ein Ausgleich stattgefunden, nach welchem eine Preis ermäßigung des Thomasmehls stattgefunden hat. Das Wesent— lichste an der Uebereinkunft ist aber die Festlegung eines Maximal- preises auf zwei Jahre, der für alle Betbeiligten sichere und feste Verhältnisse auf diese Zeit schafft und vor Allem dem Landwirth ge— stattet, mit festen Zahlen für seinen Düngungsplan zu arbeiten und der ihn gegen unvermuthete Preissteigerungen zu einer Zeit schützt, wo die Phosphate im Allgemeinen eine gesuchte Waare sind. Außer— dem sind noch einige andere Konzessionen gemacht, welche den Land— wirthen die Genugthuung geben, daß sie durch ihr einmüthiges Vor— gehen etwas Wesentliches erreicht haben.

Land- und forstwirthschaftliche Ausstellung in Wien 1890

Nachdem nun endgültig alle Anmeldungen geordnet sind und mit der Drucklegung des Katalogs demnächst begonnen werden wird, umfaßt die permanent ausgestellte Abtheilung der Zahl nach 1700 Anmelder resp. Anmeldungen. In den Kollektiv⸗Ausstellungen sind oft Hunderte von Ausstellern auf einer Anmeldung enthalten, sodaß sich heute noch keine Ziffer angeben läßt, welche die thatsächliche Aussteller—⸗ zahl richtig anzeigen würde. So umfassen die Kollektivausstellungen der Weinproduzenten Nieder ⸗Oesterreichs, Tirols 2c, jene der Gastwirthe, der Zuckerindustriellen ꝛc. jede einzelne Hunderte von Namen, die jedoch nur als eine Anmeldung zählen. Nicht berückichtigt ist hierbei die reiche Sonderausstellung Ungarns sowie jene von Frankreich, Italien, Schweden und Norwegen ꝛe. Ebensowenig können die zabllosen Aussteller in Rechnung gezogen werden, die sich an den temporären Schauen betheiligen werden; bei vielen derselben ist der Anmeldungs— termin noch nicht abgelaufen. Bei der überaus regen Theilnahme aller Kreise dürfte die heurige land und forstwirthschaftliche Ausstellung wohl zu den numerisch am stärksten von den Ausstellern beschickten Schauen gehören. Die Kartenausgabe soll in den nächsten Tagen beginnen. Das Direktionscomits hat sich in Permanenz erklärt, um den dringenden Arbeiten gerecht zu werden. Die land⸗ und forst⸗ wirthschaftliche Ausstellung wird in der Richtung eine Ausnahme machen, daß am Eröffnungstage Ausstellung und Katalog pünktlich fertiggestellt sein werden, was sonst zu den Seltenheiten gehört.

Handel und Gewerbe.

Bei den Abrechnungsstellen der Reichsbank sind im April 1890 abgerechnet 1 453 965 500 SW gegen 1452 222 400 MS im März d. J. und 1668 274 000 „S im April 1889.

Berlin, 2. Mai. (Amtliche Preisseststellung für Butter, Käse und Schmal.) Butter: Hof⸗ und Genossen⸗ schaftsbutter Ia. 103— 105 6, Ia. 100—-— 102 , IIIa. (A, do. abfallende 95 99 ½, Land., Preußische 90 94 M, Netzbrüchen 90 94 ½Æ, Pommersche 92 96 ½, Polnische 90 94 ½ , Baverische Sennbutter MS, do. Landbutter S, Schles. —— , Galizische 8 7? 6 Margarine 40—- 70 ½ Käse: Schweizer Emmenthaler 90 —95 S, Baverischer 70 75 46, do. Ost- und West— preußischer, Ia. 70-75 69, do. IIa. 60— 65 S, Holländer SH 90 Æ, Limburger 42 45 6, Quadratmagerkäse 12 25 60 Schmalz: Prima Western 17 9,½ Ta. 41,00 „M, reines, in Deutsch— land raffinirt 45, 00-48 Ss, Berliner Bratenschmalz 48 51 p0 Fett, in Amerika raffinirt 40,900 S, in Deutschland raffinirt 13— 46 Tendenz: Butter: Wenngleich der Absatz befriedigend war, verursachten doch große Zuführen von feiner Butter einen Rück— gang der Preise. Schmalz: Tendenz sehr fest und steigend.

Vom oberschlesischen Eisen⸗ und Metallmarkt berichtet die Schles. Sig.: Die Herabsetzung der Preise, welche der deutsche Walzwerksverband sowie der westfälische Roheisenverband vorgenommen hat, ist auch für die oberschlesischen Werke hinsichtlich des Konkurrenzgebietes maßgebend. Den betreffenden Werken erwächst hieraus, wie bemerkt wird, kein Verlust, insofern sie den bisherigen Konventionspreis nicht erzielt haben, söndern noch auf Monate hinaus Abschlüsse zu den alten Preisen besitzen und nur bei wenigen Werken die bisherigen billigen Abschlüsse jetzt schon zu Ende gehen. Ein Absatz der fremdländischen Eisensorten ist wegen deren Minderqualität nur in wenigen Fällen gelungen. Man darf nach dieser Preisregulirung auf eine erneute Kauflust rechnen. Im oberschlesischen Reviere ging der Betrieb der Hohöfen ohne Veränderung und in dem bis—⸗ berigen regsamen Umfange vor sich, und hatte Roheisen ungeminderten Absatz. Die Preise für gewöhnlichen Herdguß stellen sich zur Zeit auf 11,50 12,50 S½, für Röhrenguß auf 14 46 und für feineren Guß auf 15 16 6 pro 100 kg ab Ofen. Die heimischen Eisenerzförde⸗ rungen, wie diejenigen der Oberschles. Industrie⸗ AG, der Königs und Laurahütte und der Kattowitzer A.-G., wurden bedeutend er⸗ weitert. Der Betrieb der Waljeisen⸗ und Stahlwerke ist in Folge der vorliegenden Schlüsse ein angespannter und auf Monate hinaus gesicherter. Die Anfertigung fast sämmtlicher Fabrikate für Rechnung fester Abnehmer, und die sofortige Verladung der Fertig waaren läßt die Ansammlung von Beständen der Magazine nicht auf kommen; Bandeisen, Träger, Grob und Feinbleche gehen in ansehn— lichen Posten zum Versandt. Ebenso finden die Fabrikate der Draht⸗ und Nägelindustrie prompten Absatz. Am Zinkmarkt blieb der in London eingetretene Stimmungswechsel zwar nicht ohne Einfluß, und es wurden hier einige tausend Centner Silesia⸗Marke à 43— 43,20 60 gehandelt. Im Ganzen war aber

das Geschäft noch ziemlich leblos, weil die Produzenten in Er⸗ wartung weiterer Preisbesserung mit Oßerten jurückkalten, anderer- seits aber der Londoner Preis noch kein Exvortgefchäft nach' England erlaubt. Blei ist fest und in guter Nachfrage bei 238 M per 106 Eg. Bleifabrikate finden weiteren regen Absatz. Auf der Königlichen Friedrichshütte bei Tarnowitz werden namhafte bauliche Erweiterungen vorgenommen.

ö Köln, 3. Mai. (W. T. B) Die Generalversammlung der Lebens Versicherungs⸗ Gesellschaft Concordia? ge⸗ nehmigte die Vertheilung einer Dividende von 7E oιο sowie die Bilanz und ertheilte Decharge.

Leipzig, 23. Mai. (W. T. B) Kammzug⸗Termin⸗ bandel. La Plata. Grundmuster B pr. Mai 4525 M6, pr. Juni 4,525 6, pr. Juli 4,523 M, pr. Auaust 4,50 606, pr. Sep⸗ tember 4.55 4, pr. Okteber 450 6ƽ, pr. November 4,50 66, pr. Dezember 450 ½ Umsatz 250 9000 kg. Unregelmäßig.

Wien, 3. Mai. (W. T. B.) Ausweis der 5sterreichisch⸗ ungarischen Staatsbahn in der Woche vom 23. bis 29. April: 651 4867 Fl., Mehreinnahme 23 236 Fl.

Ausweis der Südbahn vom 23. bis 29. April: 794158 Fl., Me hreinnahme 3505 Fl.

London, 2. Mai. (W. T. B.)) Wollauktion. Gute Be— theiligung. Stetig.

An der Küste 4 Weizenladungen angeboren.

Manchester, 2. Mai. (W. T. B.) 12. Water Tavlor 74.

Water Tavlor 5, 20r Water Leigb si, 30r Water Clapton 93,

Mock Brooke 96. 40r Mavoll 95, 45r Medio Wilkinfon 114

Warpeoys Lees Sz, 36r Warpeops Rowland 33, 40r Donbie Weston 105, 60r Double courante Qualität 133, 32 116 vds 165 X J grey Printers aus 32 46 180. Fest.

Glasgow, 2. Mai. (W. T. B.) Die Vorräthe von Roheisen in den Stores belaufen sich auf 781 538 Tons gegen 1 030133 Tons im vorigen Jahre. Die Zahl der im Betriebe befindlichen Hochöfen beträgt S7 gegen 86 im vorigen Jabre. Am Montag bleibt der Markt geschloffen.

New⸗YJork, 2. Mai. (W. T. B.) Baumwollen⸗ Wochenbericht. Zufuhren in allen Unionsbäfen 16 009 Ballen; Ausfuhr nach Großbritannien 23 000 Ballen, Ausfuhr nach dem Kontinent 18 000 Ballen; Vorrath 228 000 Ballen.

Submissionen im Auslande. Spanien.

1) 27. Mai, 2 Uhr Nachm. Fabrica nacional del Timbre in Madrid: Lieferung von 12560 kg Gummi arabicum. Näheres an Ort und Stelle.

2) 30. Juni, 1 Ubr Nachm Direccion general de obras püblicas, Madrid: Bau und Betrieb einer Pferdeeisenbahn in Santullano (Oviedo).

3) 6. Juni. 2 Uhr Nachm. Ayuntamiento constitucional de Valencia: Lieferung von 5500 m Metallschienen. Voranschlag 441990 Pesetas pro Kilometer. Kaution vorläufig 12 177,50 Pesetas, endgültig 24 255 Pesetas.

Näberes zur Einsicht in spanischer Sprache beim „Reichs- Anzeiger“).

Verkehrs ⸗Anftalten.

Hamburg, 2. Mai. (W. T. B.) Der Schnelldampfer Columbia“ der Hamburg ⸗Amerikanischen Packetfabrt⸗ Aktiengesellschaft ist, von New⸗York kommend, heute auf der Elbe eingetroffen. Der Postdampfer „Rhenania“ derselben Gesellschaft ist, von Hamburg kommend, gestern in St. Thomas eingetroffen.

London, 3. Mi. (W. T. B.). Der Union⸗Dampfer „German! ist gestern von den Canarischen Inseln auf der Heimreise abgegangen.

Theater und Musik.

Königliche Schauspiele.

Der Spielplan der Oper für die nächste Woche ist folgender maßen entworfen: Sonntag: „Der Ring des Nibelungen“, Vorabend: „Das Rbeingold“ꝰ; Montag: „Belmonte und Constanze“, oder: „Die Entführung aus dem Serail“; Dienstag: ‚Der Ring des Nibelungen“, 1. Abend: „Die Walküre; Mittwoch: ‚Martha“; Donnerstag: „Der Ring des Nibelungen. 2. Abend: Siegfried‘; Freitag: Othello“; Sonnabend: „Fidelio“.

Für das Schauspiel: Sonntag: ‚Die Quitzow's“; Montag: „Der Sturm“; Dienstag: ‚„Ein Schritt vom Wege‘; Mittwoch: Der Sturm“; Donnerstag: „Wilhelm Tell“; Freitag: „Der Sturm“; Sonnabend: Der Sturm“.

Deutsches Theater.

Am nächsten Donnerstag geht Goethe's „Egmont“, nach der Ein— richtung ven Schiller, zum ersten Mal in Scene. Zugleich beginnt Frl. Maria Reisenhofer vom Stadt-Theater in Mainz ein auf Engagement abzielendes Gastspiel und wird in der Rolle des Klärchen zum ersten Mal auftceten. Morgen wird ‚Der Sohn der Wildniß“ und übermorgen „Götz von Berlichingen‘ gegeben. Das weitere Repertoire der Woche ist folgendermaßen festgestellt: Dienstag: ‚Der Pfarrer von Kirchfeld', Mittwoch: ‚Mein Leopold“, Donnerstag: Egmont“, Freitag: „Der Sohn der Wildniß“‘, Sonnabend und Sonntag: „Egmont.

Berliner Theater.

Als Festvorstellung zur Jubelfeier Ludwig Barnay's gelangte gestern Abend Shakespeare's „Julius Cäsar“ zur Aufführung. Der Jubilar selbst gab die Rolle des Marcus Antonius, in welcher er vor 16 Jahren zum ersten Mal in Berlin auftrat. Die bewun— derungswürdige Gestalt, welche Barnay als Mark Anton auf die Bühne stellt, ist in der langen Reihe der Jahre hinreichend und ausführlich gewürdigt worden; man kann nichts Neues zu all dem Lobe, welches dieser kunstvollendeten Leistung immer gebührte, hinzufügen: es genügt, zu wieder— holen, daß sich in diesem Antonius edle Einfachheit, bestrickende Liebenswürdigkeit und vornehme Würde zu einem glänzenden Gesammt— bilde vereinen. Nach der großen Rede auf dem Kapitol und der Trauerrede an Cäsar's Leiche wollte der Beifall kein Ende nehmen. Lorbeeren und blübende Blumenspenden wurden in reicher Fülle auf das Podium gebracht, bis sich der Künstler endlich, seiner künstlerischen Empfindung, wie er sagte, entgegen, entschloß, an das Publikum, welches seiner künstlerischen Entwickelung so treu gefolgt ist, einige Dankesworte für alle Liebesbeweise und Erinnerungszeichen zu richten, welche ihm von allen Seiten, selbst von unserm lieben Kaiser“, von Sr. Majestät, dem Kaiser Wilhelm, zugegangen waren.

Nach dem Schluß der Vorstellung gelangte noch eine Widmung und ein Kranz der Bühnenmitglieder des Berliner Theaters, von Frl. Butze mit einer freundlichen Ansprache begleitet, zur öffentlichen Uebergabe. Es wurde Beifall geklatscht, Hoch geru, en, Tusch geblasen zu ungezählten Malen. Im Mittelpunkt aller Beifallsbezeugungen stand natürlich der beliebte Jubilar; aber neben ihm bestrebten sich alle Mitwirkenden mit rüh— rendem Eifer ihr Bestes zu leisten und zu bieten. Or. Kraußneck füllte seine Rolle als Marcus Brutus in jeder Beziehung würdig aus. Die heiße Empfindung des Vaterlandsfreundes, welcher den Freund nur tödtete, weil er das Vaterland mehr liebte, kam wahr und warm zum Ausdruck. Die Rolle des galligen Cassius spielte Hr. Drach, wenn man von einigen aͤußerlichen Posen und rhetorischen Uebertreibungen absieht, durchaus charakteristisch. Recht gut war Hr. Kober als Gasca und ebenso Hr. Jacobi als Julius Cäsar. Als Portia kam das vielseitige Talent des Frl. Butze glänzend zur Geltung; auch die edle Römerxin spielte Frl. Butze mit natürlicher Ungezwungenheit, voll ursprünglicher Frische und Liebenswürdigkeit. Voll staunenswerther Beweglichkeit in Bezug auf den Ausdruck der verschiedenen Empfindungen, besonders auf den Uebergang von einer leidenschaft⸗ lichen Erregung in die andere, wie bei der Leichenrede Mark Anton's, waren die Volksmassen und boten so ein Meisterwerk der Regiekunst. Der Beifall brach nach allen Akten stürmisch hervor, wie das die

. Feststimmung, welche über dem ganzen Hause lag, mit sich rachte.

Das Reperteire der nächsten Woche lautet: Sonntag: „A tempo“. „Der Weg durchs Fenster', . Gewitterschauer. Montag: Hamlet“. Dienstag: Der Veilchenfresser '. Mittwoch: Julius Cäsar?. Don nerstag: Die wilde Jagd.. Freitag: (33. Abonnements . Vorstellung): Julius Cäsar. Sonnabend: „Eva“.

Lessing Theater.

Das Repertoire der nächsten Woche lautet: Sonntag: „Ein Besuch“, bierauf: ‚Mädchenrache '. Montag: „Die Ehre“. Dienstag: Ein Besuch“, bierauf: ‚Mädchenrache '. Mittwoch: „Die Ehre'. Donnerstag: ‚Die große Glocke“. Freitag: ‚Ein Besuch“, hierauf: ädchenrache'. Sonnabend: „Die Ehren. Sonntag: „Die große Elocke. Beginn der Vorstellungen 73 Ubr.

Wallner Theater.

Die lustige Posse Rigobert? sowie der Einakter Das Arm— band“ bleiben nur noch bis Ende dieser Woche anf dem Spielplan; demnach findet morgen die letzte Sonntags ⸗Auffübrung der genannten Stücke statt.

Kroll's Theater.

Morgen Abend findet die letzte Sonntags ˖Vorstellung der italienischen Opern⸗Gesellschaft mit Signorina Prevosti in der Rolle der Traviata“ statt. Bekanntlich bat die berühmte Sängerin die größten Triumphe in dieser Oper erzielt, das Haus dürfte daher voraussichtlich wieder bis auf den letzten Platz gefüllt sein. Auf allgemeines Verlangen hat sich die Direktion der italienischen Oper entschlossen, noch zwei weitere Vorstellungen zu geben, welche am Dienstag, den 6., und am Donnerstag,

8. Mai stattfinden. Am Dienstag soll der

Siviglin“ nochmals mit Sgra. de Vigne und Sgr. Car

wiederholt werden. Zum Schluß findet dann am Donnerstaf eine greße Benefiz Vorstellung fur den Direktor statt, in welcher die beliebtesten Künstler auftreten und ihren Abschied vom Berline Publikum nehmen werden. Es wird dies eine bochinteressante Fest vorstellung sein, die das Publikum zu zahlreichem Besuch lassen dürfte.

Der Verein für geistlichen Chorgesang“, welcher jetzt unter der musikalischen Leitung des Hrn. Leopold Carl Wolf steht, bezweckt die Pflege eines gediegenen geistlichen Chorgesanges, ohne jedoch die Uebung besserer weltlicher Gesangswerke auszuschließen. Stimmbhegabte Damen und Herren, welche dem Verein beizutreten wünschen, wollen sich melden während der Donnerstags stattfindenden Uebungsstunden, Annenstr. 1b (Aula), von 74 33 Uhr Abends, oder beim Dirigenten, im Stern'schen Konservatorium, Wilhelmstraße 20, Montags und Donnerstags von 1 bis 2 Uhr.

Mannigfaltiges.

Der unter dem Protektorat Fhrer Majestät der Kaiserin und Königin Auguste Victoria stehende Evangelische Kirchenbau-⸗Verein hat sich gestern Abend in einer Versammlung im Landeshause, Matthäikirch⸗Straße 21, bierselbst konstituirt. Zum Vorsitzenden wurde der Minister des Königlichen Hauses bon Wedell gewählt. Der Evangelisch ⸗Kirchliche Hülfsverein, der im Auftrage Ihrer Majestät der Kaiserin das Interesse für Kirchbauten in den armen Massengemeinden Berlins angeregt hatte, hat wenigen Monaten den Bau dreier Kirchen in Rummelsburg, Elisabeth⸗Gemeinde und Invalidenhaus⸗Civil-Gemeinde sichergestellt. Da aber seine Hauptaufgabe seelsorgerische und Diakonissen⸗Arbeit betrifft, so muß er auch dazu seine Mittel bauptsächlich verwenden. Deshalb hat sich in Folge einer aus unseren guten Bürgerkreisen hervorgegangenen Anregung der Kirchenbau⸗Verein gebildet, um namentlich in den armen Massengemeinden den Kirchbau durch In— anspruchnahme aller Behörden und sonstigen verpflichteten Instanzen, sowie durch Sammeln von Mitteln zu fördern.

Die Verfassung des Exangelischen Kirchenbau-⸗Vereins ist folgendermaßen entworfen:

§. 1. Der unter dem Protektorat Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin Auguste Victoria stehende Evangelische Kirchenbau— Verein hat den Zweck, die Errichtung von Kirchen und anderen evangelisch-kirchlichen Gebäuden, sowie die Gründung neuer landes— kirchlicher Gemeinden im General⸗Superintendentur⸗Bezirk Berlin zu fördern.

Zu diesem Zwecke dienen die Beiträge der Mitglieder des Vereins, sowie die sonstigen Zuwendungen, welche demselben gemacht werden.

Sein Sitz ist Berlin.

§. 2. Der Verein wird begründet durch die in der Anlage ver zeichneten Mitglieder.

Die Aufnahme neuer Mitglieder erfolgt durch Beschluß des Vorstandes.

Es liegt dem Vorstande ob, die Liste der Mitglieder auß dem Laufenden zu halten. Zu diesem Behufe ist er insbefondere auch be— rechtigt, die Namen solcher Mitglieder, welche durch mehrjäbrige Nichtbethätigung der Theilnahme als dem Verein nicht mehr ange—Q börend zu betrachten sind, aus der Liste zu streicken.

§. 3. Der Vorstand bestebt aus mindestens 11 Mitgliedern, von denen eins durch Ihre Majestät die Kaiserin und Königin er— nannt wird.

Die übrigen werden durch die Generalversammlung gewählt

Von den gewählten Vorstandsmitgliedern scheiden jährlich fünf aus, und zwar die, deren Mandat das älteste ist.

Seweit dieses Merkmal nicht ausreicht, tritt Ausloosung hinzu.

Die Ausgeschiedenen können wiedergewählt werden.

5 4. Der Vorstand wählt alljährlich aus seiner Mitte einen Vorsitzenden dessen Stellvertreter und einen Schatzmeister.

8. 5. Der Vorstand ist beschlußfähig, wenn außer dem Vor⸗ sitzenden oder dessen Stellvertreter noch 4 Mitglieder versammelt sind.

Im Uebrigen regelt der Vorstand seine Geschäftsordnung.

§. 6. Der Vorstand führt die gesammte Verwaltung und wird durch den Vorsitzenden nach Außen vertreten.

In allen Rechtsgeschäften vor Gericht, in streitigen und nicht streitigen Rechtssachen, sowie bei dein Abschluß von Verträgen aller Art wird der Vorstand durch drei Mitglieder, einschl. des Vorsitzenden oder dessen Stellvertreters, vertreten.

Diesen drei Mitgliedern stehen alle Befugnisse gerichtlich bestellter Spezial⸗Bevollmächtigter zu.

§8. 7. Mindestens alljährlich einmal, in den ersten vier Monaten des Jahres, findet eine Generalversammlung statt, zu der die Mit— glieder durch Postkarten oder andere Postsendungen eingeladen werden.

In dieser Versammlung ist der Verwaltungsbericht zu erstatten und die Rechnung des vorangegangenen Kalenderjahres zu legen

S. 8. Anträge auf Auflöfung des Vereins oder Abänderung der Verfassung unterliegen der Beschlußfassung durch die Generalversamm⸗ lung, wenn sie vom Vorstande oder 20 Vereins mitgliedern gestellt werden. Die Anträge der letzteren Art müssen dem Vorstande vor dem Schlusse des der Generalversammlung vorangehenden Jahres eingereicht, und beiderlei Anträge müssen mindestens 14 Tage vor der Generalversammlung durch eingeschriebenen Brief den Mitgliedern bekannt gemacht sein.

Sie gelten als angenommen, wenn sie entweder in einer von zwei Dritteln der Mitglieder besuchten, oder in zwei aufeinander folgenden, jedoch mindestens um einen Zwischenraum von sechs Wochen getrennten Generalversammlungen zwei Drittel Majorität der Er— schienenen erlangt haben.

§. 9. Im Falle der Auflösung des Vereins fließen die nach Tilgung der Verbindlichkeiten vorhandenen Gelder in den Kollekten fonds des Evangelischen Oberkirchenraths für die Nothstände der evangelischen Landeskirche.

Der §. 10 enthält vorübergehende Bestimmungen, betreffend die Zusammensetzung des ersten Vorstandes. Dann wird bestimmt, daß der Absatz 3 des §. 6, betreffend die Spezialvollmacht, erst in Kraft tritt, sobald der Verein Korporationsrechte erlangt haben wird, sowie daß der Vorstand ermächtigt ist, alle Veränderungen dieser Verfassung