wie es scheint, dauernd gesichert in deutschen Händen. Im Norden des deutschen Gebiets ist nach Innen, nach den Karawanenstraßen ein für den Plantagenbau und 6 bedeutender Fortschritt gemacht. Nach den bisherigen Erfolgen ist sowohl im Norden als im Süden in absehbarer Zeit eine Pazifizirung unseres deutschen Gebiets und eine sichere Grund lage für das deutsche Unternehmen in Deutsch⸗Ost-Afrika ge⸗ wonnen. In der gestrigen Diskussion haben sich nur zwei Redner gegen die Vorlage ausgesprochen, der Abg. Dr. Bam⸗ berger, und dieser auch noch immerhin mit einer gewissen Re⸗ servirung, und ganz entschieden und prinzipiell nur der Abg. von Vollmar. Die Gründe, welche der letztere angeführt hat, können auf die andere Partei einen erheblichen Eindruck kaum gemacht haben. Er fürchtete, daß, wenn wir die Kolonial⸗ politik in Ost⸗Afrika fortführen, eine kriegerische Verwicklung u besorgen wäre, und daß wir dadurch in den großen ulturhistorischen, sozialpolitischen Aufgaben gehindert sein würden. Doch bin ich überzeugt, die Mehrheit des Hauses und die Reichsregierung ist, was die Frage der Verwickelung anlangt, doch anderer Meinung. Wenn wir Verwickelungen besorgen können über koloniale und andere deutsche Interessen, so ist die Gefahr dann am größten, wenn wir einen rechtmäßig erworbenen Besitz ohne Noth, ohne wingende Gründe einfach aufgeben. Die Achtung, welche eutschland bei Gegnern und Freunden gewonnen, würde in solchem Falle erheblich heruntergedrückt werden. Eine Politik, die so schwächlich ist, daß sie berech⸗ tigten Besitz ohne 6 und Zwang einfach preisgiebt, würde dem mr keinen Respekt und dem Freunde kein Zutrauen einflößen. Was aber die inneren Verhältnisse anlangt, so verstehe ich Hrn. von Vollmar nicht. In diesen letzten Jahren, in denen die Kolonialpolitik begonnen, die Forderungen für dieselbe vom Reichstage bewilligt wurden, ist in überaus energischer Weise mit der Aufwendung der bedeutendsten Reichsmittel für den schwächeren Theil der Bevölkerung in Deutschland sozialpolitisch gesorgt worden. Die paar Millionen, die wir jetzt und weiter für die Kolonial⸗ olitik aufwenden, können diese Ziele, die wir noch weiter ver⸗ olgen wollen, nicht beeinträchtigen. Was den Abg. Bam⸗ berger anlangt, so will ich anerkennen, daß im Ganzen sein Vortrag durchaus sachlich gehalten war in Vertretung des Standpunktes, den er und seine Freunde einnehmen. Er möge mir aber verzeihen, wenn ich mein Bedauern darüber aus⸗ spreche, daß er, etwas irritirt durch einen ziemlich harmlosen Zuruf von mir, davon sprach, daß die Wissmann'sche Truppe nun genug gesengt und gebrannt habe. Ich hätte doch ge⸗ glaubt, daß er nun zur Entschädigung für diese Aeußerung ein Wort herzlicher Anerkennung über den Major Wissmann, die Offiziere und Beamten hinzugefügt hätte, die dort für die preußische nationale Ehre mit Umsicht und Energie in ver— hältnißmäßig kurzer Zeit große Erfolge errungen und den ganzen Aufstand im Wesentlichen niedergeschlagen und diese Gegenden der Pazifizirung zugeführt haben. Der Abg. von Vollmar hat nicht unterlassen, indem er sagte, daß gewaltsame Mittel nöthig waren, einen solchen Aufstand niederzuschlagen, doch seine Anerkennung und Hochachtung vor den energischen Leistungen der Wissmann?⸗ schen Truppe auszusprechen. Wenn der Abg. Windthorst dann sozusagen für das ganze Haus den Ausdruck der An— erkennung hier zur Geltung gebracht hat für Major Wissmann, seine Offiziere und Beamten, so war er wohl berechtigt, im Namen des ganzen a. diese Worte zu sprechen, und ich möchte annehmen, daß auch der Abg. Bamherger und seine Freunde sich dieser Anerkennung nicht entziehen werden. Ich möchte nur eine Bemerkung hinzufügen. Der Major Wiss⸗ mann, bei dem großen Verdienst, das gerade ihm zuzuͤschreiben ist und das jetzt eben noch aus dem Munde des Majors Liebert bestätigt worden ist, hätte doch diese Erfolge nicht erkämpfen können ohne die kräftige und ausgezeichnete Mitwirkung seiner Offiziere und Beamten. Und da eur ich mich doch für verpflichtet, hervorzuheben gegenüber en vielfachen Angriffen, die nun seit Jahren in der Presse und auch hier im Reichstage gegen die Ostafrikanische Gesell— schaft erfolgt sind, daß 15 Offiziere und Beamte, Hr. von Gravenreuth an der Spitze, engagirt worden sind aus früheren Beamten und Offizieren der Deutsch⸗ostafrikanischen Gesell⸗ schaft. Es wird also doch zweifellos sowohl bei der Auswahl der Männer, wie bei der Ausbildung und Erfahrung, die sie sich im Dienste der Gesellschaft gesammelt haben, ein Material von Menschen dort geschaffen sein, welches jetzt dem Deutschen Reich und den Aufgaben des Reichskommissars Wissmann sehr zu Gute gekommen ist, und ö die dieser seine Aufgabe gar nicht hätte erfüllen können. ein früherer politischer Freund verz wenn ich sage: ein so fein an⸗ gelegter historischer Politiker hat sich für mich in einen ganz unlösbaren Widerspruch verwickelt oder in einem unlbsbaren Mangel an Konseguenz in dem letzten Theile seiner Ausführungen bewegt. Er erkannte an, der Reichskanzler könne im Großen gar nicht anders handeln, als wie er gethan. Es sei ganz unmöglich, daß der Reichskanzler und die Reichsregierung ohne Weiteres eine solche Position verlassen, die die frühere Reichsregierung mit Zustimmung des Reichstages dort in Ost⸗Afrika eingenommen. Ich war einiger⸗ maßen verwundert, als ich gegen Ende seiner Ausführung dieses Zugeständniß hörte und glaubte, daraus würde bis zu einem gewissen Grade auch die Konsequenz gezogen werden. Scheinbar that er es auch. Er sagte, es würde daraus zu folgern sein, daß man innerhalb gewisfer Grenzen wohl auch mitwirken könne für die Handlungen, die dort auf. deutschem Gebiet nothwendig seien Aber zum Schluß kam er doch dazu, zu sagen, daß das, was jetzt gefordert werde, von ihm und seinen Freunden nicht bewilligt werden könne. Ich verstehe das nicht, da der Abg. Bamberger nicht davon gesprochen hat, daß der Herr Reichskanzler von Caprivi als Gentleman gewissermaßen diese Position aufgeben könne. Wie kann man denn die Reichsregierung und die Reichsvertretung so aus— einanderreißen? Ich verstehe dies wohl für die Aufgabe der innern Politik, wo Froße Parteigegensätze vorhanden find, eine Regierung vielleicht einen vollstandigen Parteicharakter an— himmt. Da kann es der Opposition gleichgültig sein, was der — früher oder später beschlossen hat und kann sie ruhig bei ihrer ablehnenden Haltung verbleiben. Aber in Fragen der auswärtigen Politik, zu denen doch bis zu einem gewissen Grade die Kolonialpolitik immerhin wird gerechnet werden müssen, scheint immer eine Unterscheidung zwischen Reichs⸗ vertretern und Nation, zwischen Reichsregierung und Par⸗ lament gar nicht möglich, mindestens ist das außerordentlich gefährlich Wenn also von irgend Jemandem anerkannt wird, daß die Regierung zur Zeit nicht anders handeln kann,
möge mir verzeihen,
harmlose und jährlich dem Reich so und so viel einzelne
muß auch die Konsequenz gez werden, daß Sie sagen: 66 wir dieses . so ist das eine 1 e Maßregel, um den Besitz zur Zeit zu behaupten, wo wir ö. nicht ohne Weiteres . können. Wer nun schließlich Recht behalten wird ber, ob diese Unternehmungen wirth⸗ Hafi in absehbarer Zeit von Nutzen sein werden, oder ob sie demnächst aufgegeben werden muͤssen oder sich von selbst aufgeben können, wollen wir der Zukunft überlassen, bekehren werden wir uns gegenseitig doch nicht. Dasjenige aber, was bisher zu unserer Kenntniß gekommen, spricht mehr für Diejenigen, welche die Kolonialpolitik unterstuͤtzen, als für Diejenigen, die sie bekämpfen. England und Portugal, diese kleine Nation, würden nicht aneinander gerathen sein, wenn der Kolonialbesitz dort nicht von erth wäre. Ueberhaupt haben sämmtliche europäischen Mächte, welche den Beruf haben, an der Kolonisirung von Afrika sich zu betheiligen, seit einer Reihe von Jahren sich an der Besitz⸗ ergreifung von Afrika betheiligt, um von der Küste aus nach dem Innern ihre Handelsbeziehungen anzuknüpfen. Da sollte sich auch Hr. Bamberger nicht verwundern, wenn mir jetzt in der neuesten Zeit eine derartige kolonialpolitische Bewegung in Deutschland geltend gemacht haben. Forscher aus sämmt⸗ lichen europäischen Ländern, darunter deutsche, haben seit den siebziger Jahren diese bis dahin zum größten Theile unbekannten Gebiete erforscht. An diesen Forschungen sind die Deutschen und Engländer in erster Linie betheiligt. Die Gebeine großer deutscher Ir ch bleichen in Afrika, und selbst bei Denen, die mit schwacher Gesundheit zurückgekehrt sind, verschwindet nicht die Neigung, wieder nach dem dunklen Erdtheil zu gehen. Ich erinnere an zwei der größten, an Pogge, der mit Wissmann eine der ersten Durchquerungen des Kontinents gemacht hat, und an Flegel, der das Hinterlans von Kamerun, das Niger⸗- und Benuegebiet wiederholt besucht hat. Sie sind ihrer Wissen⸗ schaft zum Opfer gefallen. Nachdem in dem letzten Menschen⸗ alter der afrikanische Kontinent mehr erschlossen war, hat sich unter den europäischen . allgemein die Meinung verbreitet, daß hier ein Feld großer wirthschaftlicher, humani⸗ tärer und civilisatorischer Thätigkeit und der Ausbreitung des Christenthums sei. Eine große europäische Aufgabe steht da vor uns, und es wäre ein schlechtes Zeichen für die wiedererstarkte, einige deutsche Nation, wenn sie allein sich von dieser Aufgabe ausgeschlossen hätte. Der Herr Reichs⸗ kanzler hat gestern gesagt, daß ein Volk, welches seine nationale Einheit in großen Kriegen wiederhergestellt und den Nachbarn gegenüber gesichert hat, einer gewissen nationalen Bethätigung bedürfe, und da sich Anderes nicht bot, sei man auf die nationale kolonisatorische Aufgabe verfallen. Ich möchte dem hinzufügen: wenn nach dem entscheidenden Siege über Frank— reich, Wiederherstellung des Reichs und Beendigung der großen organisatorischen Arbeiten und Einrichtungen im Reich ein gewisser Stillstand der nationalen Thätigkeit einzutreten drohte, so war es sehr wohl möglich, daß sich der nationale Zug in viel gefährlichere Bahnen lenkte, als auf diese gewissermaßen
Millionen kostende Kolonialpolitik. In Europa sah man dieses Reich mit der größen Sorge entstehen, die kleineren Nachbarn namentlich wußten nicht, ob sie in Ruhe und , neben einem so mächtigen Militarstaat weiterexistiren önnten, und fürchteten Uebergriffe auf ihr Gebiet. Aber dem Mangel jedes Chauvinismus bei dem verstorbenen Kaiser Wilhelm J. und bei dem früheren Reichskanzler Fürsten Bismarck ist es zuzuschreiben, daß alle derartigen Neigungen, die auch hier und da vorhanden waren, trotz der von außen an, uns herantretenden Versuchungen spurlos verschwunden sind. Wenn Deutschland statt dieser gefährlichen Abenteuer an die kolonialpolitischen Unternehmungen sich gewagt . dann können wir über die Harmlosigkeit und geringe Kostspieligkeit dieser Unternehmungen durchaus beruhigt sein. Der g. Bamberger wollte mit größter Kühle und Nüchternheit prüfen und hielt eine möglichst große Philisterhaftigkeit für sehr am Platze. Bei den ersten Anfängen aller großen Unternehmungen kann man nicht lediglich die nüchterne und vorsichtige Än⸗ schauung entscheiden lassen. Die deutsche nationale Einigung wäre auch nicht zu erreichen gewesen, wenn man nicht für eine solche Aufgabe die hf f g nn. hätte zurücktreten lassen und selbst Gefahren nicht gescheut hätte. So ist es auch in diesen Dingen, und bei anderen Nationen ist es nicht anders verlaufen. Die Personen, auf deren Namen die übrigen europäischen Länder stolz sind, die Gründer der großen Kolonialreiche der verschiedenen Völker waren zum Theil Menschen von übergroßer Gewaltthätigkeit und zweifelhafter politischer Moralität, aber Philister waren sie nicht. Und die Schwierig⸗ keiten und die scheinbare Aussichtslosigkeit solcher Unter— nehmungen waren damals mindestens ebenso groß, wie heute bei den gesteigerten Mitteln der Wissenschaft und Technik und dem . größeren Reichthum. Bei den früher besiedelten Ländern waren auch Schwierigkeiten vorhanden in der Bevölkerung, im Klima, der Eifersucht der Nationen und kriegerischen Verwickelungen, sodaß jedenfalls die Aufgabe viel schwieriger und viel länger dauernd war, ehe man damals auf die Kosten gekommen ist. Herr Bamberger fürchtet, daß wir uns in weitgehende, abenteuerliche Unternehmungen hin⸗ einziehen lassen könnten. Aber zunächst handelte es sich für uns in Qst-Afrika um Erwerbungen für eine Gesellschaft und um die Sicherung einer Interessensphäre, welche die Küste mit dem Hinterlande verbindet, sowie ferner um die Anknüpfung mit anderen Mächten zur Bekämpfung des Sklavenhandels und der Sklavenjagd. Das nöthigt noch keineswegs dazu, daß wir in weit ausgedehnte Abenteuer und Unternehmungen hineingezogen werden. Auch der Zug Emin Pascha's in das Innere bietet diese Sorge nach dem, was man darüber gehört hat, durchaus nicht. Emin Pascha hat die Aufgabe, innerhalb der uns von anderen Mächten eingeräumten Interessensphäre Handel und Karawanenstraßen für unsere Kustenstriche zu sichern. Wenn man die Antisklavereifrage in ganz ungemessenen Dimensionen auffassen wollte, könnte man abenteuerliche Züge befürchten. Aber nach den Verträgen mit anderen Völkern ist es nicht so gemeint. Der Abg. Br. Windthorst sprach wiederholt von der Unterdrückung der Sklaverei. Es handelt sich aber nicht darum, sondern um die Unterdrückung des Sklavenhandels. Wenn man bedenkt, wie viel Jahrhunderte im Alterthum, im Mittelalter bis in die neueste Zeit — ich denke an Rußland — es gekostet hat, ehe die Sklaverei gin Europa abgeschafft wurde, so kann man nicht erwarten, daß sie in Afrika durch die Einwirkung von außen in kurzer Zeit beseitigt werden kann. Jahrhunderte werden dazu ge— hören, die Sklaverei auf dem afrikanischen Kontinent zu left tigen. Die Aufgabe der Mächte ist die Unterdrückung des Sklaven handels und der Sklaven j agd, und da treffen aller⸗
als wie jetzt die Reichsregierung in dieser Vorlage thut, dann
nothwendig zusammen. Denn eine wirthschaftliche Zukun
der Küstengebiete ist zweifellos nur möglich, wenn ein ö. land in regem Verkehr mit der Küste steht, und das ist nur möglich, wenn dieses Hinterland von der Verwüstung . die Sklavenjagden befreit wird. Da ist es ein Glück, da
eine solche Aufgabe uns nicht allein zufällt, sondern von allen Seiten andere Mächte dieselbe . kräftig und nachhaltig verfolgen. Daran mitzuwirken, wird auch die spezielle Aufgabe Deutschlands sein und dafür sind wir auch international engagirt. Die Sicherung der Kara⸗ wanenstraßen wird nicht möglich sein, wenn es nicht gelingt, nach bestimmten Plänen auch in das Innere Stationen vorzuschieben. Was Emin Pascha betrifft, so möchte ich nach dem, was wir gehört haben, und was namentlich aus den offenen und versteckten Mittheilungen Stanley's hervorgeht, glauben, daß Emin Pascha in der Art und Weise, wie er dort sein Regiment geführt hat, dem Ideal des Abg. Bam⸗ berger von einem Minister auf kolonialpolitischem Gebiete sehr nahe kommt. Alle Berichte sprechen von der Aengstlichkeit und mangelnden Entschlossenheit Emin Pascha's. Er hat nicht das Bild eines kühnen, entschlossenen Militärs gezeigt. Das große Verdienst Emin's scheint mir mehr darin zu liegen, daß er ein großer Forscher ist und zugleich ein großes Talent hat, untergeordnete Völkerschaften für einen friedlichen Beruf und eine friedliche Verwaltung zu erziehen. Darin hat er in Wadelai höchst Bemerkenswerthes geleistet, und ähnliche Erfolge wird man von der Lösung der neuen Aufgabe erhoffen dürfen. Die hesonderen Eigenschaften seines Charakters, seine Ruhe, seine Gelassenheit, seine Vorsicht, sein Mangel an Leidenschaft werden dazu beitragen, uns mit den dortigen eingeborenen Völkerschaften in unserem Hinterlande, speziell aber auch mit den Arabern, welche noch nicht ganz fanatisch sind, in ein gutes Verhältniß zu bringen. Wir haben ja gewiß noch eine schwere Zeit vor uns, schwer auch für die Gesellschaft, welche sich dort etablirt hat. Die gegen diese erhobenen schweren Vorwürfe, als ob sie schuld ware an den dort entstandenen Unruhen und Verwickelungen und an dem Einschreiten unserer militärischen Macht, sind nun doch nach und nach verstummt. Man kann jetzt als allgemein anerkannt bezeich⸗ nen, daß bei den ursprünglichen Versuchen der Be⸗ siedelung Afrikas durch europäische Mächte man die Macht und den Fanatismus der Araber ganz erheblich unterschãtzt r Durch die Abkommen über die Beseitigung des Sklavenhandels hat man sehr stark in die Interessen dieser dort mächtigen Klasse eingegriffen. Diese von den europäischen Mächten gemeinsam unternommenen Versuche, dem Sklaven⸗ i entgegenzutreten, haben sehr erklärlicher Weise Wider⸗
and hervorgerufen, und sehr natürlicher Weise gerade in Deutsch⸗Ostafrika, weil aus dem großen Seengebiet mehrere Karawanenstraßen nach der Ostküste und nach Sanfibar führen. Dieser Gegensatz also hat die aufrührerische Be— wegung hervorgebracht, nicht dieser oder jener Mißgriff, der ja auch bei der Gesellschaft vorgekommen sein mag. Uebrigens ist der von letzterer abgeschlossene Zollpachtvertrag für die deutschen Interessen von größtem Vortheil, er kann viel— leicht später einmal sogar für die Reichsregierung von Vortheil sein. Wenn die Ruhe wieder hergestellt ist, wird man sehr wahrscheinlich zum Abschluß neuer Abkommen zwischen der Reichsregierung und der Gesellschaft, zwischen dieser und dem Sultan, zwischen der Reichsregierung und dem Sultan übergehen; für alle diese Abkommen wird der mit dem Sultan auf 50 Jahre geschlossene Pachtvertrag sehr vor⸗ theilhaft sein, er wird für sie die . wirthschaftliche
rundlage und den Ausgangspunkt bilden. Bezüglich des Verhältnisses der Gesellschaft zum Reich möchte ich eine Aeuße⸗ rung des Reichskanzlers vor Mißverständnissen schützen. Er sprach davon, daß das jetzige, mehr private Verhältniß der . Schutztruppe sich auf die Dauer nicht würde aufrecht erhalten lassen, daß demnächst an ihre Stelle wohl eine Reichstruppe werde treten müssen. Da gestern auch die italienischen und französischen Kolonialoperationen erwähnt sind, möchte ich hier aussprechen, daß es mir ganz selbstver⸗ ständlich erscheint, daß auch bei veränderter Organisation der Truppe diese doch jetzt und in Zukunft auch als Reichstruppe nur auf Grund von Anwerbungen und Kontrakten zusammengestellt wird, und daß man nicht, wie andere europäische Mächte, deutsche Heeresbestandtheile dazu verwendet. Für die weitere Entwickelung kommen die Missions⸗, wie die wirthschaftliche und Handelsthätigkeit als gleich werthvolle Faktoren in Betracht. Aus den werthvollen Mittheilungen des Majors Liebert ist zu entnehmen gewesen, daß es den Missionaren gelungen ist, bei der dortigen eingeborenen Be⸗ völkerung tüchtige Arbeitskräfte für unsere Plantagen in genügendem Maße zu gewinnen. Auch darin liegt eine Haupt⸗ aufgabe für die Zukunft. Was , in unserem Besitz dort betrifft, so wird sich die Mehrheit des Reichstages nach den gestrigen Erklärungen des Staatssekretärs und des Reichskanzlers beruhigen können. Wir dürfen es Alle als besonders werthvoll anerkennen, daß der Reichs⸗ kanzler mit aller Offenheit ausgesprochen hat, daß er ursprüng⸗ lich gegen die Kolonialpolitik Bedenken gehabt habe, daß 3 auch noch später bei ihm vorhanden gewesen seien, daß es sich aber jetzt nur noch darum handeln könne, das Erworbene zu behaupten und innerhalb gewisser Grenzen auch noch zu entwickeln. Das ist eine klare und korrekte Fixirung der Auf⸗ gabe für die Gegner und für die Freunde der Kolonialpolitik. Nach der ganzen Verhandlung können wir vorbehaitlich der Prüfung der finanziellen Unterlage der einzelnen Forderungen die Vorlage bewilligen, in dem Vertrauen, daß die Reichs⸗ regierung in dem Sinne, wie die Kolonialpolitik hier auf⸗ gefaßt wird, als ein großes wichtiges humanitäres und wirth⸗ schaftliches Unternehmen, aber frei von aller abenteuerlichen Politik, diese Politik auch künftig durchführen wird.
Abg. Dr. Barth: Während wir gestern von Seiten des Bundesrathstisches aus vor dem Hause ., Kolonialpolitik ganz nüchtern behandeln gehört haben, führen uns die heutigen beiden Redner, der Hr. Major Liebert und Hr. von Bennigsen, auf ein ganz anderes Gebiet, führen sie uns die alten Illu⸗ sionen wieder vor. Speziell die Rede des 8 von Bennigsen zeigt uns, daß es im Interesse der Entwickelung des Deutschen Reichs doch außerordentlich wünschenswerth und zweckmäßig ist, daß fuͤr die weitere Gestaltung der Kolonialpolitik die Anschauungen des Reichskanzlers, nicht die des Hrn. von Bennigsen maßgebend sind. Hr. von . liebt es, wenn von Ekolonialpolitischen Dingen die ede ist, große istorische Perspektiven zu eröffnen. Heute wie früher at er auf das hingewiesen, was sich vor Jahr⸗ underten bei der idee r. Amerikas und der Er⸗
dings die wirthschaftlichen Interessen mit den humanitären
chließung der neuen Welt überhaupt vollzogen hat. Aber es ist doch eine kaum zu bestreitende Thatsache, daß in der
olitik niemals größere Irrthümer begangen
k 26 wenn man derartige historische er en zieht zwischen heutigen Verhältnissen und, den ganz anders earteten früherer Zeiten. 3 man das Auftreten des Hrn. in Frankreich heran, so findet man dort, abgesehen von nterschieden, die im Nationalcharakter begrůn et sind, ungefähr genau dieselben Erwägungen historischer, nationaler, politischer Natur, wie hier bei Hrn. von Bennigsen. Zweck⸗ mäßiger wäre es doch, wenn man Vergleiche anstellen will, Hrn. Peters nicht gerade mit Kolumbus zu vergleichen, sondern fieber Ost⸗ Afrika und Tongking in Vergleich zu stellen. Ich gebe bei dieser Gelegenheit Hrn. von Bennigsen den Wunsch zu erkennen, in Zukunft diejenige Art von Censur, die er auch heute wieder uns gegenüber für die Ausführungen Bam⸗ berger's für nothwendig gehalten hat, wegfallen zu lassen, oder doch nicht nur eine anders pointirte Redewendung hervor⸗ zuheben, wo es viel angemessener war, den ganzen Gedanken⸗ gang Bamberger's zum Ausgangspunkte der Betrachtungen zu machen. Hr. Bamberger hat ausdrücklich auch folgenden Satz ausgesprochen: „In Afrika wird man unsere Kanonen, Hinter⸗ lader und Offiziere auch weiter respektiren, und wenn wir heute aus Afrika herausgehen, wird kein Mensch sagen, wir hätten aus Schwäche Afrika im Stiche gelassen.« Mit großer Genugthuung konsiatiren wir nach den gestrigen Ausführungen des Herrn Reichskanzlers, daß dieser keineswegs geneigt ist, eine Kolonialpolitik zu begünstigen, welche reichlich mit Illusionen ver⸗ setzt ist. Er hat die Erwähnung, daß er nicht wohl aus Ressortgründen ein Gegner der Kolonialpolitik ursprünglich gewesen ist, sogar zum Ausgangspunkt seiner Ausführungen gemacht. Ebenso hat Hr. Windthorst gestern ausgesprochen, wenn wir heute tabula rasa hätten, würde er ganz entschieden nicht nach Afrika hineingehen. Sowohl Hr. Windthorst wie der Reichskanzler haben damit den Standpunkt nachträglich ganz entschieden gerechtfertigt, den Die freisinnige Partei von Anfang an eingenommen hat. Mit den ferneren Ausführungen des Reichskanzlers können wir nicht mehr so vollständig zu⸗ fammengehen. Hr. Bamberger hat gestern hervorgehoben, daß wir keineswegs an die Reichsregierung das Verlangen stellen, fie solle in brüsker Weise von heute auf morgen die ganze Kolonialpolitik abbrechen. Nein, es ist von uns vollstandig anerkannt worden, daß dies eine Unmöglichkeit wäre. Aber etwas Anderes ist es, ob man nun das weitere Vor— gehen einrichtet mit Rücksicht darauf, daß man langsam wieder zurückgehen will auf den Ausgangspunkt der Kolonial⸗ politik, nämlich darauf, daß man nicht das Reich als solches engagirt, sondern die Arbeit auf die Schultern privater Unter⸗ nehmungen legt, oder ob man von der Idee ausgeht, wir seien nun einmal so weit gegangen, zurück können wir nicht mehr, stehen bleiben auch nicht, deshalb müssen wir, wenn auch in der vorsichtigsten Weise, vorwärts gehen. Also der Reichskanzler wünscht seine Kolonialpolitik so einzurichten, daß sie, wenn auch in der vorsichtigsten Weise, vorwärts geht; wir wünschen sie, wenn auch in der vorsichtigsten Weise, langsam zu quittiren, die Regierung herauszuziehen und an die Stelle der Reichsregierung weite Privatunternehmungen zu setzen. Diese Entwickelung ist natürlich nicht von heute zu morgen möglich, sondern erfordert eine gewisse Zeit; sie ist auch nicht ohne Kosten möglich, die ich der Abkürzung wegen Liquidationskosten nennen möchte und die wir zu be⸗ willigen bereit wären. Der Unterschied zwischen. den Anschauungen des Reichskanzlers und den unserigen ist nicht unerheblich und bestimmt uns dazu, die 4 Millionen abzu⸗ lehnen. Wir können es mit unseren Anschauungen nicht ver— einbaren, für eine Kolonialpolitik, die in dieser anderen Weise vorgezeichnet ist, noch weitere Mittel zur Aufwendung zu bringen; wir find aber jeden Augenblick bereit, wenn man den von uns empfohlenen Weg einschlagen will, die dazu erforder⸗ lichen Kosten aufzubringen. Die Illusionen, von denen man bei Inaugurirung unserer Kolonialpolitik ausgegangen ist, haben heute auch in starkem Maße aus den Ausführungen des Majors Liebert gesprochen. Diese Ausführungen waren ein so recht deutliche? Beweis dafür, wie faszinirend der Anblick tropischer Gegenden ist und wie unendlich leicht es ist, beim Anblick blühender Palmen und schöner Natur an die wirth— schaftliche Nutzharnachung solcher tropischen Gegenden zu denken. Die wirthschaftlichen Vortheile heraus zuholen, ist aber eine unendlich schwierigere Aufgabe, und bisher it nach dieser Richtung kein Erfolg außzuweisen. Wie weit Major Liebert in . Enthusias mus geht, trat besonders am Schluß feiner Ausführungen hervor, wo er fagte, er könne mit Sicherheit behaupten, daß das in, den afrikanischen Besitzungen angelegte Kapital einen guten . bringen würde. 8 wollte nur, er könnte die Ostafrikanische Gesellschaft und ihre Freunde davon überzeugen, dann brauchten wir nicht in den Beutel der Steuerzahler zu greifen, und es ihr Üüberlassen, mehr Leute heranzuziehen, die an die Rentabilität glauben. Ich bin gerade außerordentlich skeptisch in dieser Beziehung, ebenso wie jene Kapitalisten, die sich bisher geweigert haben, irgendwie nennenswerthe Opfer für Sst⸗Afrika zu bringen. Von diesem Standpunkt würde ich es gar nicht als Errungenschaft betrachten, wenn demnächst eine Vertragsklausel eingefügt würde, welche die Ostafrikanische Gefellschaft verpflichten würde, in Zukunft, wenn sie einmal zu Geld kommen sollte, das zu ersetzen, was die Reichs⸗ regierung bei der Pazifikation u. s. w. geopfert hat. 39 bin überzeugt, daß dann die Ostafrikanische Ge— sellschaft erst recht keinen Heller mehr bekommen würde; ich wünsche aber, daß die Gesellschaft so viel reunde finden möchte, daß sie das Reich von der schweren ürde, die es übernommen, entlasten kann. Im weiter gehenden Interesse des Reichs liegt es deshalb gar nicht, irgendwelche erschwerende Klausel der Gesellschaft aufzuerlegen. — Gestern ist nf, weise die mehr ideale Seite betont worden: es handle sich nicht bloß um Baumwolle, Taback u. dergl, sondern auch um die Unterdrückung der Sklaverei, zum Mindesten des Sklaven⸗ handels, und um die Ausbreitung des Christenthums. Daß das Deutsche Reich sich an derartigen , der Civilisation betheilige, ist es sich selbst und seiner Größe schuldig. Etwas Anderes aber ist es, derartige Ideale anzustreben, und etwas Anderes, zu bestimmen, ob das, was man aufwenden will, zu den Erfolgen auf diesem idealen Gebiet im Verhältniß steht. Bei Missionen muß man unterscheiden, einmal das dogmatische Ziel derselben und dann jenes gil welches darauf ausgeht, den unkultivirten Völkern gewissermaßen zu zeigen, wie man Eivilisation macht. Das Letztere ist keine spezifisch hristliche Sache, sondern daran können sich alle Gebildeten betheiligen. Die Verfuche aber, die Negervölker mit den Wohlthaten des Christenthums in dogmatischer Beziehung vertraut zu machen, sind alle vollständig gescheitert. In Afrika kann die Bibel nicht entfernt die Konkurrenz aushalten mit dem Koran. Das
ist eine Erfahrung, die alle Forscher gemacht haben. Ich er⸗ wähne nur Döllinger, der in einer seiner akademischen Reden ausspricht, daß die dogmatische Kraft des Islam in Afrika ö grögten Erfolge errungen hat, daß neben dem Islam as Christenthum nicht aufzukommen vermöge. Andere Forscher haben berechnet, daß etwa 1 Million Menschen all⸗ jährlich als Bekehrte dem Islam neu e mr werden. Dem gegenüber sind die Erfolge der Misstonen wahrhaft minimal. Vauters in Brüssel, der ausgezeichnete Studien auf desem Gebiet gemacht hat, hat nachgewiesen, daß die missionarische Thätigkeit an der afrikanischen Küste eine Jahrhunderte alte Geschichte hat, und daß das Christenthum trotzdem kaum einen Schritt weiter gekommen ist; kaum habe eine Mission einen Platz verlassen, so seien die Wogen des Islam darüber hinweggegangen und hätten die Spuren christ⸗ licher Kultur verwischf. Aehnlich liegt die Sache in Bezug auf die Beseitigung der Sklaverei. Es ist dies eine huma⸗ nitäre Aufgabe, die, wenn sie sich erfüllen läßt, große Auf⸗ wendungen an Kraft und Geldmitteln auf das Entschiedenste verdient. Aber man darf nicht vergessen, daß die Sklaverei in Afrika auf das Allerengste verwachsen ist mit den ganzen dortigen Kulturverhältnissen. Livingstone hat das in sehr drastischer Weise zum Ausdruck gebracht, indem er sagte: Die Sklaverei wird in Afrika nicht eher zu Ende kommen, als bis das ganze Civilisationswesen auf einen anderen Fuß gekommen ist. Alle Bewegungen, die in Afrika zu vollziehen sind, erfolgen durch lasttragende Menschen. Dieses Material muß deshalb so billig als möglich beschafft werden. Das ist wesentlich die wirthschaftliche Ursache, weshalb sich die Sklaverei so lange in Äfrika be⸗ hauptet hat. Durch Erschießen eines Sklavenhändlers und durch kleine Polizeimaßregeln lassen sich wohl hier und da einige lokale Erfolge erzielen; wie dies aber auf einem so riesigen Gebiet einer solchen, durch Jahrhunderte hindurch erwachsenen Frage gegenüber von großer Bedeutung sein könnte, ist mir unklar. Man unterschätzt die Bedeutung der Aufgaben, die dort zu lösen sind, ganz ungeheuer, wenn man laubt, schon heute viel erreicht zu haben. Alles, was in
ezug auf das Christenthum und die Beseitigung der Sklaverei erfolgen kann, wird nur dadurch hervorgebracht werden, daß die gesammte Kulturentwickelung dieses Landes sich hebt, nur dann wird man größere Erfolge auch auf idealem Gebiet erzielen können. Fabri weist deshalb mit Recht darauf hin, daß, wenn man der Sklaverei entgegentreten wolle, man dies nicht mit Schwert und Bibel erreichen werde, sondern indem man eine Eisenbahn von der Küste nach den großen Seen einrichtet. Das ist durchaus logisch. Aus diesen Gründen erheben wir auch bei dieser Station der Kolonialpolitik, in der wir uns gegenwärtig befinden, wieder unsere warnende Stimme. Man kann nicht steptisch genug diesen kolonialen Ideen entgegentreten. Wir begrüßen es zwar auf das Wärmste, daß der gegen— wärtige Reichskanzler ein außerordentlich nüchternes ö gegenüber diesen Dingen hat, aber trotzdem können wir unsere Haltung in Bezug auf die Kolonialpolitik einstweilen nicht aͤndern, so lange man nicht mit uns zu der Ueberzeugung ge— kommen ist, daß es nothwendig sein wird, langsam das Reich aus Ost⸗Afrika herauszuziehen und alles was dort gemacht werden soll, auf die Schultern der Privatunternehmung zu legen. Sind solche Gesellschaften in Deutschland nicht zu schaffen, so ist es besser, diese Unternehmungen aufzugeben. Einstweilen die Dinge in Afrika in Ordnung bringen und dann sehen, ob derartige tragfähige Kräfte sich finden werden, entspricht unseren Anschauungen von dem Wesen einer rationellen Kolonialpolitik nicht, und deshalb können wir auch für diese 4 Millionen nicht stimmen.
Abg. von Kardorff: Hr. Liebknecht hat bestritten, daß er jemals zum Kriege gegen Rußland provozirt hat. Er fagte aber in der Sitzung von 24. November 1885: „Unser rufsischer Nachbar geht gegen das Deutschthum gewaltthätig vor; wenn die deutsche Armee dafür sorgte, daß das Deutch thum nach allen Richtungen gewahrt werde, dann würde die Erhöhung des Militärbudgets vielleicht besser gerechtfertigt sein; wie Rußland sich am Deutschthum vergreift, ist geradezu unerträglich geworden; wenn die deutsche Regierung dagegen eingeschritten wäre, würde ganz Deutschland hinter ihr gestanden haben.“ Wenige Wochen darauf nahm ich Gelegen⸗ heit, dem Abg. Liebknecht entgegenzuhalten, daß er zum Kriege gegen Rußland gereizt habe; der Abg Liebknecht hat aber auf diese meine Behauptung keine Erwiderun gemacht. Dem Abg. Bebel bemerke ich, daß er selbst einma Rußland als den Erbfeind der deutschen Nation bezeichnet hat. .
Abg. Fürst Radzi will: Ich widerstehe der Versuchung,
anknüpfend an die bemerkenswerthen Worte des Herrn NReichs⸗ kanzlers, zu untersuchen, ob nicht das Bedürfniß, nach 1870/71 gewisse Brennpunkte für das nationale Empfinden zu haben, weit Über Recht und Billigkeit hinwegschießend, in gewisser Beziehung die deutsche Politik in Bahnen gedrängt hat, welche einen großen Theil von vollberechtigten Mitangehörigen des Deutschen Reichs in ihrer religiösen und zum Theil auch in ihren nationalen Empfindungen sehr schmerzlich berührt und verbittert haben. Ich möchte nur Namens meiner Fraktion erklären, daß wir jede Gelegenheit gern benutzen, um ohne eine kleinliche Politik von Rekriminatisnen die großen Momente, die uns mit der großen Mehrheit dieses Hauses einigen, und dazu gehört diese 366 zu betonen und an der Verwirklichung dieser großen Ziele mitzuwirken. Es sind ohne Frage große humanitäre, ethische Ziele, die Bekämpfung der Sklaverei, der Schutz der bestehenden, segens⸗ reich wirkenden Missionen, mit einem Wort, die Ausbreitung des Christenthums, Ziele, denen wir durchaus zustimmen können. Wenn wir neben der internationalen Fürsorge für die Arbeiter⸗ welt auch diese Ziele gemeinsam mit den anderen Völkern ver⸗ olgen, so muß auch der Frieden der Völker und der Frieden im Innern sich befestigen. Die Mäßigung, mit welcher der Reichskanzler die Ziele der Kolonialpolitik abgesteckt hat, müssen wir durchaus anerkennen. Wir hoffen, das es die Reichsregierung verstehen wird, diese Grenzen einzuhalten. Nothwendig wäre es auch, daß die Summen, die Kredite, welche gleichsam vorschußweise für die Erreichung der Ziele der Reichsregierung aufgewendet werden, nicht à fonds perdu gegeben, sondern gleichsam als Grundschuld auf den dortigen Besitzungen eingetragen werden. Wir werden gleichfalls für die Kommission stimmen. —
Abg. R Windthorst: Ich stehe nicht auf dem Stand⸗ punkt, daß man die Gesellschaften in Ost⸗Afrika sich selbst überlassen soll. Wir sind in diese Sache hineingekommen durch die Nothwendigkeit der Unterdrückung des Sklaven⸗ handels und durch die Nothwendigkeit, die Unbill welche der
änden zugeben, daß an irgend einer Stelle der Welt der kene, ame und die deutsche Flagge beschimpft wird. Nirgends würde das zugegeben werden, und wo es geschähe, würde ich es tadeln. Ich würde im Uebrigen nicht das Wort genommen haben, wenn nicht der Abg. Barth über die Missionen und die Sklaverei sich in einer Art geäußert hätte, die ich abfolut nicht billigen kann und die, wenn sie wahr wäre, ganz unzweifelhaft weiten Schichten des deutschen Volkes gegenüber das Ansehen und die Be⸗ deutung der ganzen Bewegung vermindern könnte. Denn die ec lain der Sklaverei ist für Viele die Hauptfache. Der Abg. Barth hat gesagt, die Erfolge der Missionen wären schwache gewesen. Was in dieser Beziehung geschehen kann, hat die neuere Geschichte Brasiliens gezeigt. ch kann aber nicht leugnen, daß, wenn der Sklavenhandel rr und den Missionen volle Freiheit gegeben, diese viel mehr leisten könnten. Ich verstehe nicht, wie der Abg. Barth dem Jslam dieselbe civilifatorische Bedeutung beimessen kann, wie dem Ehristenthum. Das CEhristenthum verlangt Opfer und Demüthigung, und ich bedauere, daß eine Konfession, welche den Leidenschaften fröhnt, am meisten Anklang findet. Das ist eine der bedenklichsten Ei ein , der Gegenwart. Wenn der Abg. Barth sagt, die Mi sion hätte keinen Erfolg e,. so beweist das, daß er keine Muße ge—⸗ abt hat, die Missionsberichte zu lesen. Er würde sonst ge⸗ 6 haben, daß die Missionen bereits gute Erfolge erzielt haben. Sie würden noch mehr leisten, wenn sie nicht unter die Gendarmen der Ostafrikanischen Gesellschaft gestellt würden. Hat er denn nicht die Neger gesehen, die bereits in Deutsch⸗ land in Missionsanstalten erzogen wurden? Das Christenthum, welches er mit seinen Freunden im Auge hat, ist weiter nichts, als ein in philosophische Form gekleidetes Heidenthum. Ein Christenthum ohne dogmatische Basis giebt es überhaupt nicht. Glauben Sie, daß die alten Römer leichter zu bekehren ge⸗ wefen wären, als die Neger? Wir können diese Gegenden nicht anders erobern, als unter dem Zeichen des Kreuzes. Abg. von Vollmar: Ebensowenig wie durch die natio⸗ nalen Auseinandersetzungen des Abg. von Bennigsen, ebenso wenig werde ich mich durch die schönen Worte des Abg. Windthorst über Christenthum und Humanität für die Sache einfangen lassen. Ich gehe noch weiter und erkläre, daß meine Partei und ich die Frage wegen Christenthum und Sklavenbefreiung für nichts Anderes halten, als für eine fable convenne, für ein schönes Aushängeschild, welches der Eine braucht, ohne daran zu glauben, und das der Andere hergiebt, ohne für die Sache vielleicht von Anfang an das mindeste Ver⸗ ständniß zu haben. Uebrigens bemerke ich, auf die Gefahr, von Hrn. Windthorst nachher auch zu den Heiden ge⸗ rechnet zu werden, daß ich mich in guter Besellschaft befinde. Die Sklavenbefreiung halte ich mit dem Abg. Barth aus⸗ schließlich für eine wirthschaftliche Frage und glaube, daß das Christenthum in Afrika so wenig die Sklaverei beseitigen wird, wie es sie in Europa beseitigt hat, und weil der Abg. Windthorst so unvorsichtig gewesen ist, auf Brasilien hinzu⸗ weisen, so mache ich auf die merkwürdige Thatsache aufmerk⸗ sam, daß in Ländern, welche so lange bereits mit den Seg⸗ nungen des Christenthums beglückt gewesen sind, die Sklaverei am allerlängsten gedauert hat. Der Abg. Windthorst will dem Missionar in die eine Hand die Bibel, in die andere das Schwert geben, warum nicht auch die Brandfackel? Ich habe mir immer gedacht, daß man religibse Ueberzeugungen durch Ueberredung, aber nicht durch , schlagende“ Gründe der gröbsten Art beibringen kann. Ich habe nichts dagegen, daß die Missionare nach Afrika gehen und dort die Leute zu überzeugen suchen, wenn ich auch keineswegs meine, wie es bei dem Abg. Stöcker zum Ausdruck kommt, daß so zu sagen Jagdgehege für die beson⸗ deren Konfessionen eingerichtet werden. Der Abg. Windthorst hat in einem gewissen lehrhaften Tone gesagt, meine Partei und ich hätten gestern nichts Anderes als ihr Ein und Alles, die soziale Frage, vorgebracht, die nicht hineingehöre. Wenn ein Mann nicht das Recht hat, das Hineinmengen einer ein⸗ zelnen Frage in alle beliebigen Diskussionen zu verurtheilen, bann ist es der Abg. Windthorst. Nichts im , und auf Erden hat es durch alle diese 20 Jahre gegeben, wo der Abg. Windthorst nicht sein Ein und Alles vorgebracht hat. Wer im Glashause sitzt, soll nicht mit Steinen werfen! Ueber den Ton, den der Abg. Windthorst gegen uns anschlug, will ich heute nichts sagen. Furchtsam sind wir nicht, Hr. Windt⸗ horst weiß, daß wir unsern Mann zu stehen wissen. Es war mir auch gar nicht tragisch, als Hr. Windthorst auf eine Unterbrechung uns zurief, mit uns werde er schon fertig. Ich habe allen Respekt vor seiner Klugheit, aber mit uns wird er nicht fertig, ebenso wenig wie Andere, vielleicht noch weniger. Hr. von Bennigsen hat sich die Widerlegung meiner Aeußerung über die möglichen internationalen Ver⸗ wickelungen sehr leicht gemacht, indem er einfach den Spieß umdrehte; er hat nicht bewiesen, daß solche Verwickelungen ausgeschlossen sind. Mit der Rechtmäßigkeit unseres Besitzes in Afrika ist es, wie Jedermann weiß, nicht weit her. Hr. von Bennigsen trat auch meiner Auffassung über die Beachtung der sozialpolitischen Fragen entgegen und meinte, es seien bei uns auch dafür schon bedeutende Aufwendungen gemacht worden. Darin beruht ja der Unterschied zwischen uns und Ihnen; wir behaupten, was auf diesem Gebiet geschehen ist, ist so gut wie nichts, und was die Arbeiter dabei bekommen, müssen sie selbst bezahlen. So viel steht fest, daß das, was auf sozialpolitischem Gebiet geleistet worden ist, von dessen Nichtigkeit Sie sich erst überzeugen werden, wenn Sie einmal wirklich energisch in die soziale Frage hinein— ehen, während Sie jetzt nur außen herumgegangen ind, in gar keinem Verhältniß steht zu dem, was hier direkt und greifbar aus den Taschen der Steuerzahler für Ost⸗Afrika ausgegeben worden ist. Wenn der Abg. von Bennigsen meint, meine Ausführungen hätten auf das Haus keinen Eindruck gemacht, so beweist das gar nichts. Wir haben schon sehr viele , gemacht, die keinen Eindruck machten, und jetzt zeigt die Haltung der Mehrheit, daß sie sich damals mindestens in einem Irrthum befunden hat. Hr. von Bennigsen meinte, es wäre von mir sehr schön gewesen, daß ich im Unterschied zu dem Kollegen Bamberger wenigstens meine An⸗ erkennung für den Major Wissmann ausgesprochen habe. Ich habe den Namen gar nicht genannt, sondern nur meine Hoch⸗ achtung und Sympathie für die kühnen Männer, welche an der Erschließung jener Gebiete betheiligt seien, er lärt. Dazu gehört allerdings auch der Major Wissmann. Ich habe sogar einen großen Respekt vor der Art gewonnen, wie der Reichs⸗ kommiffar die Dinge unternommen und was er bis jetzt erreicht hat. Ich habe auch ein großes Interesse für diese Dinge, obgleich ich das Land gerade nicht für ein so großes Paradies ansehe
deutschen Flagge und dem deutschen Namen in Cst⸗ Afrika zu⸗ ö. We eh, zu sühnen. ir können unter keinen Um⸗
und meinen Aufenthalt dort nehmen möchte. Ich wünsche