1890 / 136 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 07 Jun 1890 18:00:01 GMT) scan diff

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Angekommen: der Ministerial⸗-Direktor im Ministerium der geiftlichen, Unterrichts und Medi 6 , , Wirkliche Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. artsch, von Soest.

Nichtamtliches.

Deut sches Reich. Preußen. Berlin, 7. Juni.

Se. Majestät der Kaiser und König wohnten am Mittwoch um 2 Uhr im Stadtschlosse zu Potsdam der Taufe der Prinzessin-Tochter Ihrer Königlichen Hoheiten des Prinzen und der Prinzessin Friedrich Leopold bei und gaben am Abend Sr. Majestät dem König von Sachsen bei Höchstdessen Abreise das Geleit auf die Wildparkstation.

Am Donnerstag früh begaben Se. Majestät Sich mit Ihrer Majestät der Kaäiserxrin und Königin mit Sonderzug nach Pasewalk, besichligten daselbst das Kürassier⸗ Regiment Königin (Pommersches) Nr. 2 und trafen von dort kurz nach 5 Uhr wieder im Neuen Palais ein.

Gestern früh kamen Se. Majestät nach Berlin, inspizirten auf dem Tempelhofer Felde das Garde⸗Kürassier⸗ und das 2. Garde⸗Ulanen⸗Regi ment, begaben Sich demnächst nach dem Königlichen Schlosse, hörten dort die Vorträge des Reichs— kanzlers und des Staatssekretärs Freiherrn von Marschall und ertheilten dann noch einige Audienzen.

Gegenüber der von einem hiesigen Correspondenzbureau verbreiteten falschen Nachricht: Se. Majestät der Kaiser habe die geplante Reise nach Christiania aufgegeben, ist das „W. T. B.“ in der Lage festzustellen, daß im Gegentheil Se. Majestät vor wenigen Tagen mit dem Chef des Marine— kabinets die letzten Anordnungen in Bezug auf jene Reise getroffen hat, die zu dem von Anfang an festgesetzten Termin angetreten werden wird.

Für den Empfang Sr. Königlichen Hoheit des Kronprinzen von Italien sind folgende Bestimmungen getroffen: Se. Königliche Hoheit der Kronprinz trifft voraussichtlich am Montag, 9. d. M., von St. Petersburg kommend, Vorm. 8 Uhr, in Potsdam ein. In Eydtkuhnen wird auf dem Bahnhofe eine Ehrenwache vam Füsilier-Regiment Graf von Roon (Ostpreußi— schen) Nr. 33 aufgestellt. Die direkten Vorgesetzten sind zugegen. In Königsberg i. Pr. findet großer Empfang statt. Auf dem Bahnhofe ist eine Ehrenwache vom Grenadier-Regiment König Friedrich III. (1. Ostpreußischen) Nr. 1 aufgestellt. Die Generalität von Königsberg und die direkten Vor⸗ gesetzten der Wache sind zugegen. Bei der Ankunft in Berlin sind nur der Gouverneur und der Kom⸗ mandant auf dem Bahnhofe anwesend; diese werden Se. Königliche Hoheit bis Potsdam begleiten. In Potsdam findet großer Empfang statt. Se. Majestät der Kaiser und König werden den hohen Gast auf dem Bahn— hofe empfangen. Es sind ferner daselbst anwesend: die Prinzen des Königlichen Hauses, die in Berlin und Potsdam garnisonirenden Prinzen aus regierenden deutschen Häusern, das Allerhöchste Hauptquartier, der Vertreter des Chefs des Militärkabinets und der Kommandant von Potsdam. Auf dem Bahnsteig steht eine Ehrenwache des Garde-Jäger⸗ Bataillons. Der Commandeur des Garde-Jäger-Bataillons ist zugegen. Eine Eskorte des Regiments der Gardes du Corps im Parade-Anzug mit schwarzen Kürassen steht vor dem Bahnhof und setzt sich bei der Fahrt zum Königlichen Schlosse mit einem Zuge vor und mit einem Zuge hinter den Wagen Sr. Majestät. Auf dem Hofe des Stadtschlosses, in welchem Se. Königliche Hoheit Wohnung nehmen wird, steht eine Ehrenwache von der Leib⸗Compagnie des 1. Garde⸗ Regiments z. F. Die direkten Vorgesetzten sind zu⸗ gegen. Auf dem rechten Flügel der Musik sind die Spielleute des Garde⸗Füsilier-Regiments aufgestellt, welche die italienische Königsfanfare blasen, bis Se. Königliche Hoheit aus dem Wagen gestiegen ist. Dann wird von der Regimentsmusik des J. Garde⸗Regiments z. F. der Präsentir— marsch gespielt. Die Generalität von Potsdam und die Commandeure der dortigen Truppentheile ꝛc. nehmen ebenfalls auf dem rechten Flügel der Wache Aufstellung. Als Ehrenposten vor den Gemächern Sr. Königlichen Hoheit werden 6 Unteroffiziere vom 1. Hessischen Husaren-Regiment Nr. 13 kommandirt. Ein Unteroffizier vom 1. Garde⸗Regiment z. F. und 1 Gemeiner vom Garde⸗Jäger⸗Bataillon melden sich am Eingang zum Stadtschloß als Ordonnanzen bei Sr. Königlichen Hoheit. Dienstag, 10. d. M., Mor— gens um 10 Uhr, findet im Lustgarten zu Potsdam die Parade über die gesammte Potsdamer Garnison statt. Sie wird vom General-Lieutenant von Sobbe, Commandeur der 1. Garde⸗Infanterie⸗Division, befehligt. Nachmittags wird ein Galadiner und großes Hof— concert, Abends um 9 Uhr vor dem Neuen Palais großer Zapfenstreich der Musikcorps der Truppen des Garde⸗-Eorps ausschließlich des Königin Augusta⸗Garde⸗Grenadier⸗Regiments Nr. 4 stattfinden.

Wie aus Rom durch „W. T. B.“ gemeldet wird, wird Se. Königliche Hoheit der Kronprinz . Italien im . seiner Reise auch den Höfen in Dresden und München einen Besuch abstatten. Die Rückreise erfolgt über Innsbruck, woselbst der Kronprinz von einem

Abgesandten des Kaisers von Oesterreich begrüßt werden wird.

Heute trat der Bundesrath zu einer Sitzung zu⸗ sammen. Vorher tagten die Ausschüsse für Rechnungs und für Handel und Verkehr. chnungswesen

Der General, der Kavallerie Graf von Waldersee, à la suite des Königs-Ulanen-Regiments (1. Hannoverschen) Nr. 13, General-Abjutant Sr. Majestät des Kajsers und Königs und Chef des Generalstabes der Armee, und der General-Lieutenant von Kaltenborn-Stachau, Com⸗ mandeur der 2. Garde⸗Infanterie-⸗Division, sind von Dienst— reisen hierher zurückgekehrt.

Der General der Infanterie von Scheffler, à la suite des J. Thüringischen Infanterie⸗Regiments Nr. S6, ist zur Abstattung perfönlicher Meldungen bei Sr. Majestät dem Kaiser und König hier eingetroffen.

S. M. Kanonenboot „Hyäne“, Kommandant Kapitän⸗ Lieutenant Freiherr von Sohlern, ist am 5. Juni in Mossamedes eingetroffen und beabsichtigt, heute nach Capstadt in See zu gehen. S. M. Kreuzer-Korvette „Sophie“ Kommandant Korvetten⸗-Kapitän Herbing, sst am 2. Juni in Hoihow eingetroffen und beabsichtigte, am 5. wieder in See zu gehen. S. M. Kreuzer-Fregatte „Leipzig“, Komman⸗ dank Kapitän zur See Plüddemann, mit dem Chef des Kreuzer Geschwaders, Contre-Admiral Valeis an Bord, ist am 6. Juni in Manila eingetroffen und beabsichtigt, am II. nach Singapore in See zu gehen.

Kiel, 5. Juni. (W. T. B.) Ihre Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten die Erzherzöge Carl Ludwig und Ferdinand von Oesterreich trafen heute, von Hamburg ommend, hier ein und haben alsbald die Reise nach Kopen⸗ hagen fortgesetzt.

Bayern.

München, 6. Juni. In herkömmlicher Weise fand gestern unter glanzvoller Betheiligung des Königlichen Hofes die Frohn leichnams-Prozession statt. Die M. „Allg. Ztg.“ berichtet darüber:

Schon um halb 7 Uhr früh batten sämmtliche Truppen der Garnison unter Kommando des Stadtkommandanten, Generals der Infanterie von Wirthmann, in den Straßen Spal er gebildet; die Truppen waren im Paradeanzug Kavallerie und reitende Artillerie zu Pferde ausgerückt. Vor dem Hauptportal des Doms hatte eine Ehren-Compagnie des Infanterie ⸗Leib⸗Regiments mit Fahne und Regimentsmusik Aufstellung genommen. Dort traf kurz vor 7 Uhr Se. Königliche Hoheit der Prinz⸗Regent mit seinem Dienst ein und wurde von den Prinzen Leopold, Arnulf, Ludwig Ferdinand, Alfons und von den Herzogen Ludwig und Max Emanuel, sowie dem Erzbischof mit dem Dom⸗ kapitel empfangen und unter Trompetenfanfaren durch das im Mittel— schiff aufgestellte Spalier der Königlichen Leibgarde der Hartschiere nach dem Hochaltar geleitet, worauf das vom Erzbischof von Thoma celebrirte Hochamt bezann. Unterdessen hatte sich der erste Theil der Prozession in Bewegung gesetzt. Es war die herkömmliche Ordnung: zuerst die Gewerke mit ihren Standarten, die Bünd⸗ nisse und Bruderschaften, die Schuljugend, die Alumnen des Georgianums ꝛc. Gegen 8 Uhr war das Hochamt beendet und nun verließ der zweite Theil der Prozession den Dom. Voraus ging die Regulargeistlichkeit, dann der Klerus der hiesigen Stadt pfarreien, dem sich das Kapitel von St. Cajetan mit Stiftspropst pon Türk anschloß Nun kamen das Domkapitel, welchem Inful und Hirtenstab vorgetragen wurden, Hofpauker, Hoftrompeter, dann der Königliche Kammerfourier. Nun folgten zwei Königliche Kämmerer als funktionirende Ceremonienmeister, dann der Königliche Oberst-⸗ Kämmerer und funktionirende Oberst⸗Ceremonienmeister Freiberr Pergler von Perglas mit dem Stab und zuletzt der prächtige Traghimmel, unter welchem Erzbischof Antonius mit dem Sanctissimum schritt. Unmittelbar hinter dem Erzbischof, die brennende Kerze in der Hand, folgte Se. Königliche Hoheit der Prinz⸗Regent in großer Generalsuniform, mit der Kette des Hubertus⸗Ordens um den Hals. Zur Rechten des Traghimmels, welchen 12 Edelknaben mit brennenden Wachsfackeln umgaben, ging der capitaine des gardes, General der Infanterie Graf Verrt della Bosia, zur Linken schritt der General = Adjutant im ständigen Dienst, General⸗Lieutenant Baron Freyschlag, der Stadt ⸗Kommandant be⸗ gleitete zu Pferde mit gesenktem Säbel den Regenten. Die Leibgarde der Hartschiere umgab den Cortège. Dem Regenten folgten dann die obengenannten Prinzen mit ihrem Dienste, mehrere Georgiritter, die obersten Hofchargen, die Staats⸗Minister Freiherr von Leonrod, Dr. von Müller und Kriegs ⸗Minister General - Lieutenant von Safferling, die Generalität, das dienstfreie Offizier⸗Corps und die Stagtsbeamten sämmtlicher Ressorts, alle in großer Uniform. Es schlossen sich dann die Gemeindekollegien an und zuletzt kamen die katholischen Studentenverbindungen, worauf eine Abtheilung In fanterie den Zug abschloß. Die Prozession nahm ihren Weg über die Domfreibeit, Kaufingerstraße, Marienplatz, Dieners⸗, Residenz⸗, Ludwigsstraße, Theatiner⸗, Maffei⸗, Hartmannstraße zum Dom zurück. Alle Straßen prangten im frischen Grün junger Birken, viele Häuser trugen noch besonderen Schmuck. Bei jedem Evangelium wurden 12 Kanonenschüsse gelöst, und gegen halb 11 Uhr war die Prozession nach dem Dome zurückgekehrt. Se. Königliche Hoheit der Prinz Regent fuhr nach dem Schlußsegen, von dem in den Siraßen massenhaft angesammelten Publikum ehrfurchtsvollst begrüßt, nach der Residenz zurück, worauf die Truppen mit klingendem Spiel abrückten. Der Umgang war vom besten Wetter begünstigt.

Nach der Prozession fand Mittags 1 Uhr in der Königlichen Residenz die sogenannte geistliche Herrentafel statt, an welcher Dompropst Kronast, mehrere Domherren, der Hof- und Stadtklerus, im Ganzen etwa 90 Geistliche, theilnahmen. Stiftspropst von Tärk, welcher den Vorsitz führte, brachte folgenden Toast aus: „In der schönen Feier des heutigen Vormittags haben wir ein feierliches Bekennt— niß unseres Glaubens abgelegt. Zu unserer großen Freude und zur Erbauung für das gläubige Volk ist der allergnädigste Regent des Landes Allen in dieser Ehrung Gottes vorangegangen. Se. Königliche Hoheit haben sich dadurch neuerdings als treuen Sohn der Kirche und huldvollsten Schirmherrr. derselben bekundet. Durch Aller⸗ höchste Huld und gerade am heutigen Tage hier im Königshause ver— sammelt, ergreifen wir den hochwillkommenen Anlaß, um unseren Ge— fühlen innigster Verehrung und treuester Anhänglichkeit durch eine ehrfurcht vollste öffentliche Ovation freudigsten Ausdruck zu geben. Se. Königliche Hoheit der Prinz⸗Regent, des Königreichs Bayern Verweser, lebe hoch! Begeistert stimmte der anwesende Klerus dreimal in diesen Ruf ein.

Die beiden Töchter des Prinzen und der Prin—⸗ zessin Leopold, die Prinzessinnen Elisabeth und Augusta, werden am nächsten Sonntag durch den Erzbischof von Thoma gefirmt. Als Firmpathinnen fungiren Prinzessin Therese und Erzherzogin Valerie. Letztere kommt zu dieser feierlichen Handlung am nächsten Sonntag früh hierher und nimmt Absteigequartier im Palais ihres Schwagers, des Prinzen Leopold. Herzog und Herzogin Karl Theodor sind nach vierwöchigem Aufenthalt in Meran . Abend wieder hier eingetroffen, während die kleinen

rinzen und Prinzessinnen sich von dort über Rosenheim— Holzkirchen direkt nach Tegernsee begeben haben.

Baden.

Karlsruhe, 5. Juni. (Karlsr. Ztg.) Gestern Abend gegen 10 Uhr traf der Chef des Generalstabes der Armee, General der Kavallerie Graf von Waldersee, wieder in Baden-Baden ein. Derselbe verblieb bei Ihren Königlichen Hoheiten den Großherzoglichen Herrschaäften bis heute Mittag und trat dann die Rückreise nach Berlin an. Gestern Mittag empfingen Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Großherzogin den Besuch Ihrer Königlichen Hoheit der Fürstin zu Wied, geborenen Prinzessin der Nieder⸗ lande, welche für einige Tage in Baden-Baden Aufenthalt

genommen hat. Heute Abend 9 Uhr xreist der Großherzog nach Strazburg zum Besuch der 4. Wander⸗ ausstellung der Deutschen Landwirthschaftsgesellschaft. Höchst⸗ derselbe gedenkt morgen Nacht wieder im Schloß Baden ein⸗ zutreffen. Se. Königliche Hoheit ist begleitet von dem Oberst⸗ Stallmeister von Holzing, dem Geheimen Rath von Regenauer, dem Major Freiherrn von Lüdinghausen genannt Wolff, dem Flügel⸗-Adjutanten Hauptmann Freiherrn von Gagern und dem Legations⸗Rath Dr. Freiherrn von Babo; Höchstderselbe trifft in Straßburg mit dem Staats⸗Minister Dr. Turban

zusammen. Sessen.

Darmstadt, 4. Juni. (Frkf. Journ.) Die Landtags⸗ wahlen werden schon im kommenden Monat stattfinden. Die betr. Kreisämter fordern bereits die bez. Bürgermeistereien auf, die Aufstellung der Urwählerlisten sofort in Angriff zu nehmen.

Mecklenburg⸗Schwerin.

Schwerin, 6. Juni. (Mecklb. Nach) Die Groß— herzoglichen Herrschaften haben sich gestern von Biarritz zunächst nach Bordeaux begeben und treten von dort die Reise nach Sandown auf der Insel Wight an. Se. Kgl. Hoheit der Großherzog macht die Reise zur See. Das Befinden des hohen Herrn ist wenig verändert. Von der n. Wight aus wird dann die größere ärztlich verordnete

eereise angetreten werden.

Anhalt.

Dessau, 6. Juni. (Anh. St.“ .) Ihre Hoheiten der Herzog und die Herzogin sowie Ihre Hoheit die Prin— zessin Alexandra sind mit Gefolge gestern Nachmittag in Ballenstedt wieder eingetroffen.

Elsaß⸗Lothringen.

Straßburg, 6. Juni. (W. T. B.) Während der heutigen eingehenden Besichtigung der Ausstellung der Deutschen Landwirthschafts⸗Gesellschaft verweilte Se. König⸗ liche Hoheit der Großherzog von Baden längere Zeit bei der Abtheilung des Bochumer Vereins für Feld⸗, Forst⸗ und Industriebahnen. Das Diner nahm der Großherzog später bei dem Statthalter Fürsten Hohenlohe ein.

Oefterreich⸗Ungarn.

Wien, 6. Juni, (J , , der Kaiser und König ist heute Mittag nach Pest abgereist.

Ein Erlaß des Handels-Ministers an die Eisen⸗ bahn-Direktionen erwägt die Frage, inwieweit es thunlich wäre, für das wegen des gesteigerten Personenverkehrs am Sonntag und an den Feiertagen in erhöhtem Maße in An⸗ spruch genommene Personal der Transportanstalten Betreffs der Sonntags ruhe eine entsprechende Fürsorge zu gef, Der Erlaß empfiehlt eventuelle Maßnahmen und führt des Weiteren aus, daß bezüglich solcher Maßnahmen gegenüber den hinderlichen, zur Zeit bestehenden Einrichtungen eine internationale Verständigung über eine entsprechende Abänderung mit der Aussicht auf Erfolg ins Auge zu fassen sein dürfte. ;

Großbritannien und Irland.

London, 6. Juni. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Unterhauses erklärte der Unter-Staatssekretär Fer⸗ gusson in Beantwortung einer Anfrage: das Gerücht, eine Anzahl armenischer Arbeiter seien auf der Heimkehr aus Rußland von Kurden im Alaschgerdthale angegriffen und fünf derselben getödtet worden, werde von der Pforte dementirt. Es würden über den angeblichen Vorgang noch Nachforschungen angestellt.

(A. C.) Die Leiter der für Sonnabend, den T., in Aussicht genommenen Protestkundgebung gegen die Schanksteuervorlage im Hyde Park haben beschlossen, sich den Anordnungen der Polizei bezüglich der von den Temperenzvereinen einzuschlagenden Route nach dem Park zu fügen. Die Vereine werden sich mit ihren Bannern auf dem Themsequai versammeln und von da um Uhr Nach⸗ mittags mit klingendem Spiel nach dem Park marschiren, wo von 14 Tribünen herah Reden gegen die Schanksteuervorlage hauptsächlich von Mitgliedern von Temperenzvereinen gehalten und entsprechende Resolutionen angenommen werden sollen.

Für den Volksunterricht in England und Wales ist im Finanzjahr 1890,91 die Summe von 3 782 224 Pfd. Sterl. erforderlich, d. i. 97 SS88 Pfd. Sterl. mehr als im vor⸗ hergehenden Fiskaljahr. Dem neuen Schulcodex zufolge, gehören in den englischen Elementarschulen künftighin zu den Lehrgegenständen: Deutsch, Stenographie, Buch⸗ führung, Zeichnen, sowie Kochen und Waschen für Mädchen. Auch werden physische Uebungen für beide Geschlechter ein⸗ geführt.

w Frankreich.

Paris, 6. Juni. (W. T. B.) Die Bureaux des Senats wählten heute die Mitglieder für die Kommission des Senats zur Vorberathung der Zollangelegen⸗ heiten. Die Kommission ist aus 28 Schutzzöllnern und 8 Freihändlern zusammengesetzt.

Nach Meldungen der Abendblätter hat das Erträgniß der indirekten Steuern und Monopole im Monat Mai den Voranschlag um 2 800 09090 Fr. überstiegen und war um 16550 009 Fr. größer als im Mai vorigen Jahres.

Ueber die diesjährigen Herbstübungen des XVIII. Armee⸗Corps theilt das „Militär-Wochenblatt“ Folgendes

mit: Die beiden Divisionen werden die Manöver in der

Gegend zwischen Jonzac, Pons, Archiac und dem Né, einem Nebenflusse der, Charente, ausführen. Dem Armee⸗Corps werden eine Brigade Marine-Infanterie und drei Batterien Marine⸗Artillerie beigegeben werden; die erstere wird abwechselnd der einen und der anderen der beiden Divisionen zugetheilt werden, um der betreffenden Partei das numerische Uebergewicht zu verschaffen. Mit der 35. Division werden die 15. Dragoner, mit der 36. die 6. Husaren marschiren. Die Infanterie führt das Gewehr 86 und Patronen von rauchschwachem Pulver, deren jeder Mann 45 erhält. Der Mannschaftsstand der Compagnien wird 125 sein, die Ergänzung auf diese Stärke ge⸗ schieht durch Reservisten, welche mindestens drei Jahre im stehenden Heere gedient haben, und durch freiwillig Eingetretene. Die Artillerie einer jeden Division wird zwei Abtheilungen zu 3 Batterien zu 4 Geschützen begreifen; die eine derselben wird vom 14., die andere vom 24. Artillerie⸗Regiment gestellt. Die

Truppen müssen am 6. September in ihren Kantonnements eingetroffen sein; der 7. ist Ruhetag, am 8, 9, 19. manöp⸗ riren die Divisionen gegen einander; am 11. ist Ruhe; am 12, 13, 14. Corps⸗-Manbver; an das Manöver des 14 schließt sich eine Parade; am 15. ist Ruhe; am 16. gehen die Truppen auseinander. „Le Progrès militaire“ Nr. 989 vom 26. April theilt den vom Corps⸗Kommandanten General Ferron ein⸗ gereichten und vom Kriegs⸗Minister genehmigten Entwurf für den Gang der Manöver von Division gegen Division mit.

Der Herzog von Orleans hat von Basel aus an die Rekruten seiner Altersklasse folgenden Aufruf gerichtet:

An die Rekruten meiner Alters'lasse! Meine lieben Kameraden! Ich hatte verlangt, meine drei Jahre als Soldat abzudienen. Als Äntwort verurtheilte man mich zu zwei Jahren Gefängniß. Ich be— klagte mich nicht darüber. Bevor die Strafzeit zu Ende war, brachte man mich an die Grenze. Die Begnadigung giebt mich den Schmerzen der Verbannung; zurück; ich wechsele nur die Gefangenschaft. Mein Entschluß bleibt unverändert; nichts wird mich dazu bringen, auf meine leidenschaftliche Hoffnung, dem Vaterlande zu dienen, Verzicht zu leisten. Bewahret mir den Platz in eurer Mitte im Glied neben der Fahne, welchen ich im Traum erhoffte; ich werde kommen, ihn einzunehmen. Der Eure mit Gott und Frankreich!

Philippe, Herzog von Orlsans.“

Rußland und Polen.

St. Petersburg, 6. Juni. (W. T. B.) Der Kron— prinz von Italien kehrt heute Abend um 11 Uhr von seinem Ausfluge nach Finland zurück und wird, soweit bis jetzt bestimmt, morgen früh nach Gatschina fahren, um sich dort von der Kaiserlichen Familie zu verabschieden. Nach dem Dejeuner im Schlosse tritt der Prinz seine Reise nach Berlin an.

Die bei der Haupt⸗AUrtillerieverwaltung eingesetzte Kommission zur Neubewaffnung der Armee hat, dem „Russ. Inv.“ zufolge, ihre Thätigkeit am 17. März be⸗ gonnen. Allem Anschein nach wird ein Einladergewehr (ohne Magazin) mit drei Linien Kaliber anstatt des Berdan—

Gewehrs (vier Linien Kaliber) eingeführt werden.

Portugal.

Lissabon, 4. Juni. (Times,) In der Pairs kammer erklärte gestern der Präsident des Ministerraths Serpa Pimentel, in Beantwortung einer Anfrage Casto Lubo's: die Regierung habe die Zweckmäßigkeit eines Schieds⸗ gerichts in der Delagoa-Bai-Eisenbahnfrage an⸗ erkannt, aber nur in Betreff der Entschädigung und nicht bezüglich des Rechtes der Regierung, den Kontrakt zu annulliren.

Schweiz.

Bern, 6. Juni. (A. 3.) Der Nationalrath hat den Geschäftsbericht des Bundesraths bis jetzt ohne weitere Bemerkungen erledigt. Der Ständerath genehmigte die Staatsrechnung für das Jahr 18389; die Einnahmen be— trugen danach 65 571 699, die Ausgaben 64 45ę5 604 Fr.

Die seit 1885 in einem Manöver von Division gegen Division bestehende große Herbstübung findet im laufenden Jahre zwischen der 1. und 2. Division statt. Uebungsleiter wird Oberst-Divisionär Wieland sein, welcher den gleichen Auftrag bereits 1885 erfüllt hat. Die von ihm aufzgestellte und vom eidgenössischen Militär-Departement genehmigte General-Idee für das in den Tagen vom 6 bis 10. September abzuhaltende Manöver lautet: „Eine Süd⸗Armee ist im Wallis eingedrungen und beabsichtigt auf Bern zu marschiren. Unter⸗ Abtheilungen dieser Armee haben alle Pässe, welche aus dem Rhonethal in das Thal der Aare führen, zu überschreisen. Eine Division, die 1, die den äußersten linken Flügel bildet, hat die Aufgabe, von Vevey nach Freiburg zu marschiren. Eine Nord⸗ Armee ist in der Umgebung von Bern zusammengezogen, um die Stadt gegen einen möglichen Angriff von Süden zu ver⸗ theidigen. Alle Pässe, die in das Rhonethal führen, sind von Landsturm-Abtheilungen besetzt. Eine Division, die 2, rückt von Freiburg vor mit der Aufgabe, die feindlichen Kräfte nach dem Genfer See zurückzuwerfen.“ Das Uebungsgebiet liegt somit zwischen Romont, Ormont, Chätel-St. Denis, Valruz. Die 1. Division wird vom Oberst-Divisionär Ceresole, die 2. vom Oberst⸗Divisionär Lecomte, dem vorjährigen Uebungs⸗ leiter, befehligt werden. Die Inspektion (Parade) beider Divisionen durch den Chef des Militär⸗Departements findet am 11. September statt.

Niederlande. Amsterdam, 5. Juni. (A. 3) Die General staaten genehmigten den Gesetzentwurf, betreffend die Ab—⸗ schaffung der Zölle im Nordseekanal.

Rumänien.

Bukarest, 7. Juni. (W. T. B.) Der Senat nahm gestern das Bankreformprojekt, nachdem die Liberalen den Saal verlassen hatten, mit 70 gegen 1 Stimme an. Aurelian fragte an, was die Regierung Angesichts des französischen Maiszolls zu thun gedenke, durch welchen die Bedingungen des französisch-⸗rumänischen Handelsverkehrs im Augenblick der Promulgirung des verlängerten provi⸗ sorischen Handelsvertrags abgeändert würden. Der Redner wird seine Anfrage noch schriftlich formuliren. Die Session des Parlaments ist bis zum 14 Juni verlängert worden.

Die „Agence Roumaine“ erklärt die Meldung von einem angeblichen Protest Rußlands gegen die Rede Carp's, betreffend die Befestigungen Rumäniens, für durch⸗ aus unbegründet und bemerkt weiter: ein derartiger absolut ungebräuchlicher Schritt würde wohl auch niemals unternommen worden sein.

Amerika.

Vereinigte Staaten. Washington, 4. Juni.

(A. C.) Der Finanz⸗Ausschuß des Senats vernahm heute die Anfichten der zahlreichen Abordnung New-⸗Yorker Kaufleute und Importeure, welche gegen die Erhebung der Tarif⸗Bill zum Gesetz Verwahrung einlegten. Bis auf eine Ausnahme waren alle Mitglieder des Ausschusses an⸗ wesend. Senator Sherman führte den Vorsitz. James M. Constable, von der Firma Arnold, Constable u. Co., sprach im Namen der Abordnung und überreichte den schriftlichen Protest. Die Abordnung repräsentirte, wie er hervorhob, außer New— . auch die Importeure Chicagos, Philadelphias und incinnatis. Die Bill begünstige einseitig die Fabrikanten gegen die Importeure; würde sie Gesetz, so müßten viele Importeure ihr Geschäft aufgeben. Henry Curtis sprach im Namen der Seide⸗ und Sammt⸗Importeure, Isidore Strauß für die Thon⸗ und Glaswaaren-Industrie, Louis Windmüller und Ernst Werner für Wolle und Wollenwaaren, und James Thorpe für Posamentierartikel. Der Ausschuß hörte den Reden

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aufmerksam zu. Während der Vernehmung stellte Senator Sher⸗ man an Strauß die Frage, ob Trusts in der Thonwaarenindustrie beständen. Strauß erklärte, ein solcher wäre in vollem Schwunge in gelben Thonwaaren; diese würden aber nicht in die Ver⸗ einigten Staaten eingeführt. Für die besseren Sorten von Thon⸗ und Glaswaaren sei wahrscheinlich auch schon ein Trust in der Bildung begriffen oder schon im Gange. Hierauf stellte Senator Sherman die Frage, ob die Herabsetzung des Preises der Glaswaaren während der letzten 10 Jahre nicht das Resultat der einheimischen Konkurrenz seͤi. Strauß erklärte, die Ursachen seien die Weltkonkurrenz, die großen Fortschritte in der Kunstindustrie und die Benutzung des natürlichen Gases in Amerika. Zahlreich besuchte Meetings der Gegner der Tarif-Bill wurden gestern Nachmittag und gestern Abend in Philadelphia abgehalten. Mehrere demokratische Mitglieder des Kongresses waren von Washington herübergekommen und hielten An⸗ sprachen. Der Finanz⸗Ausschuß des Senats kommt mit der Einzelberathung der Bill nur langsam vorwärts.

Asien.

China. (A. C.) In Tam sui wurde jüngst General Cheng Tze⸗too nebst einem seiner Hauptleute häin—⸗ gerichtet. Die beiden Offiziere waren wegen Unterschleifs von Staatsgeldern und Veröffentlichung falscher Ausweise über die Anzahl der unter ihren Befehl gestellten Truppen zum Tode der Enthauptung verurtheilt worden.

Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (69) Sitzung des Hauses der Ab⸗ geordneten, welcher am Ministertische die Staats-Minister Dr. von Goßler und Herrfurth beiwohnten, stand an erster Stelle auf der Tagesordnung die dritte Berathung des Gesetzentwurfs zur Ausführung des §. 9 des Gesetzes, betreffend die Ein stellung der Leistungen aus Staats—⸗ mitteln für die römisch⸗katholischen Bisthümer und Geistlichen vom 22. April 1875.

Abg. Reichensperger protestirte gegen die Angriffe des Abg. Stöcker auf die katholische Kirche in zweiter Lesung, wies auf den Widerspruch der Behauptung des Ministers, daß die Konfiskation der eingestellten Leistungen bereits 1875 erfolgt sei, mit dem, was Minister Falk darüber seiner Zeit gesagt, hin und bezeichnete es als eine Verletzung konstitutionellen Brauchs, daß die Mehrheit ihre Abstimmung von der des Centrums abhängig machen wolle.

Abg. von Meyer (Arnswalde), meinte, daß der Staat nicht verpflichtet sei, die gesperrten Gelder zurückzu— zahlen. Er wäre gleichwohl bereit, nicht bloß eine Rente, sondern das Kapital der katholischen Kirche zu geben, aber die Art, wie das Centrum seine Ansprüche motivirt habe, sei ihm zu unsympathisch gewesen. Er werde für die Vorlage stimmen, auch wenn das Centrum sie ablehne; denn wenn die katholische Kirche zwangsweise eine Rente von 560 000 ( jährlich erhalte, so werde das auf die katholische Bevölkerung 36 beruhigenden Einfluß ausüben und gegen das Centrum wirken.

Abg. Graf Strachwitz wies darauf hin, daß die ge⸗ sperrten Staatsleistungen auf staatsrechtlichen Verträgen, auf Allerhöchsten Kabinetsordres, auf Fundationen beruhen, zum großen Theil einen privatrechtlichen Charakter tragen, und also mit den Privatberechtigten darüber eine Auseinander— setzung stattfinden müsse. Er protestire gegen den Vorwurf des Abg. Stöcker, daß er indirekt den hochseligen Kaiser Wilhelm J. einer Versündigung gegen das 7. Gebot beschuldigt habe. Er habe nur gesagt, daß nicht einmal 1875 eine Mehrheit für die ein—⸗ fache Konfiskation zu haben gewesen wäre, weil diese eine Verletzung des 7. Gebots enthalte; damals habe man nur von einstweiliger Einbehaltung der Gelder gesprochen; diesen Standpunkt habe die Regierung jetzt verlassen. Das Gesetz von 1875 habe auch gar nicht dem Charakter des hochseligen Kaisers Wilhelm entsprochen, der sich nur durch den Fürsten Bismarck von der scheinbaren Nothwendigkeit des Gesetzes habe überzeugen lassen. (Präsident von Köller unterbrach hier den Redner mit der Bitte, die Person des Monarchen nicht in dieser so ausgedehnten Weise in die Debatte zu ziehen.) Das Centrum scheine einen kleinlichen Standpunkt einzunehmen, daß es um Groschen feilsche; es handle sich aber um ein Prinzip, für dessen Vertretung das Volk ihm dankbar sein werde.

Abg. Stöcker bemerkte, daß es ihm nicht eingefallen sei, die katholische Kirche anzugreifen, er habe sich nur gegen die Angriffe des Centrums gewehrt. Der Abg. en dthe ft habe sich in empörender Anmaßung in die inneren Angelegenheiten der evangelischen Kirche eingemischt. Es sei zu bedauern, daß die fortschrittliche Presse sich auf die Seite des Centrums stelle und die parla⸗ mentarischen Vorgänge fälsche. Nachdem der Abg. Windthorst ausgesprochen, daß, wer für das Gesetz stimme, fuͤr die Sszial⸗ demokraten stimme, müsse Redner darauf bestehen, daß auch das Centrum für das Gesetz stimme, wenn er selbst dafür eintreten solle.

Abg. Dr. Windthorst wandte sich gegen die Aus⸗ führungen des Abg. Stöcker. Wenn Hr. Stöcker seine Ab⸗ stimmung von der des Centrums abhängig mache, so entspreche ein solches Verhalten nicht dem Ernst des Gegenstandes. In der Einbringung der Vorlage schon liege eine Anerkennung der Ansprüche der katholischen Kirche. Der heilige Stuhl habe nicht ein tolerari posse ausgesprochen; die Meinung der Bischöfe aber habe der Minister aus deren Fuldaer Eingabe gekannt. Das Centrum bringe seinen Antrag, daß das Kapital zurückgegeben werde, zur dritten Lesung erneut ein. So lange diese Angelegenheit nicht erledigt sei, werde sie immer wieder angeregt werden, und das Centrum würde sein Verhalten danach einrichten, wie die katholische Kirche be⸗ handelt würde. . 4.

Bei Schluß des Blattes sprach der Staats⸗Minister Dr. von Goßler.

(Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Hauses der Abgeordneten befindet sich in der Ersten Beilage.)

Auf der Tagesordnung der am Montag, den 9g. d. M., Nachmittags 1 Uhr, stattfindenden 12. Plenarsitzung des Reichstages stehen folgende Gegenstände: Interpellation des Abgeordneten Br. Baumbach n . den Deutsch— Schweizerischen Niederlassungsvertrag betreffend. Zweite Berathung des Entwurfs eines . betreffend die Fest⸗ stellung eines Nachtrags zum Reichshaushalts-Etat für das

Etatsjahr 1890ñ)91, auf Grund mündlichen Berichts der Kom⸗ mission für den Reichshaushalts⸗Etat. Berichterstatter: Ab⸗ geordneter Graf von Behr. Erste Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Abänderung von Bestimmungen des Strafgesetzbuchs.

Die Kommission des Reichstages zur Vorberathung des Militärgesetzes hat gestern ihre Arbeiten wieder auf⸗ genommen.

Die Kommission des Reichstages zur Vorberathung des Gesetzentwurfs über die Gewerbegerichte hat die zweite Lesung des Entwurfs beendigt und ihn mit 10 gegen 5 Stimmen (Freisinnige und Sozialdemokraten) angenommen. Berichterstatter für das Plenum ist Abg. Bachem.

In der Arbeiterschutzkommission wurde gestern, wie wir der „Nat -stg.“ entnehmen, 5§. 105 zu Ende be⸗ rathen, der von den an Sonn- und Festtagen zulässigen Arbeiten handelt. Gewerbetreibende, welche Arbeiter an Sonn— und Festtagen mit derartigen Arbeiten beschäftigen, sind ver— pflichtet, ein Verzeichniß anzulegen, in welches für jeden einzelnen Sonn- und Festtag die Zahl der beschäftigten Arbeiter, die Dauer ihrer Beschäftigung, sowie die Art der vorgenommenen Arbeiten einzutragen sind. Das Ver⸗ zeichniß ist auf Erfordern der Orts⸗Polizeibehörde, sowie dem besonderen mit der Gewerbeinspektion betrauten Beamten jederzeit zur Einsicht vorzulegen. Die Sozialdemokraten beantragten hier, statt der Orts-Polizeibehörde bezw. dem Fabrikinspektor das „Arbeitsamt“ zu setzen, was eine ziemlich ausgedehnte Diskussion über den ganzen betreffenden Organi— sationsplan der Sozialdemokraten hervorrief und zur Ab⸗ lehnung ihres Antrags führte. Die Bestimmung der Re—⸗ gierungsvorlage wurde angenommen. Nach der letzteren sollen ferner die Gewerbetreibenden verpflichtet sein, jeden mit den zulässigen Arbeiten beschäftigten Arbeiter entweder an jedem dritten Sonntage volle 24 Stunden oder an jedem zweiten Sonntage mindestens in der Zeit von 6 Uhr Morgens bis 6 Uhr Abends von der Arbeit frei zu lassen. Hier wurden aus dem praktischen Geschäftsleben heraus mannigfache Be— denken laut. Schließlich kam der Absatz in folgender Fassung zur Annahme: „Bei den unter Ziffer 2 und 3 bezeichneten Arbeiten, falls dieselben länger als drei Stunden dauern, sind die Gewerbetreibenden verpflichtet, jeden Arbeiter entweder an jedem dritten Sonn- oder Festtage volle 36 Stunden oder an jedem zweiten Sonn⸗ oder Festtage 12 Stunden von der

Arbeit frei zu lassen.“

Theater und Musik.

Königliche Schauspiele.

Der Spielplan der Oper für die nächste Woche lautet: Sonntag: „Die Afrikanerin?. Montag: „Der Waffenschmied“. Dienstag: „Der Prophet‘. Fides: Frl. Louise Geller, vom Hof⸗ Theater in Bessau, a. G. Mittwoch: Ein Maskenball“. Donnerstag: ‚Die Jahreszeiten“, Robert und Bertrand? (Anfang 77 Uhr) Freitag: „Das goldene Kreuz̃. Tanz. Sonnabend: Aida“.

Für das Schauspiel: Sonntag: „Don Carlos“. Montag: „Der Sturm“. Dienstag: Der Bibliothekar“. Mittwoch: Die Geierwallv '. Donnerstag: Unbestimmt. Freitag: ‚Die Quitzow's“. Sonnabend: „Don Carlos“.

Deutsches Theater.

Morgen wird Der Compagnon“, übermorgen Montag Faust's Tod“ und am Dienstag „Der Unter⸗Staatssekretär“ gegeben. Am Mittwoch findet eine Wiederaufnahme von Calderon's Schauspiel „Der Richter von Zalamea“ in theilweise neuer Besetzung statt. Die Titelrolle hat Hr. Max Pohl übernommen, den Don Lope spielt Hr. Friedmann und die Isabel Fr. Geßner. Das weitere Repertoire der Woche ist folgendermaßen festgestellt: Donnerstag: „Mein Leopold“; Freitag: Der Pfarrer von Kirchfeld?; Sonn⸗ abend: ‚Der Sohn der Wildniß:; Sonntag: „Der Richter von Zalamea!).

Berliner Theater.

Das Wochen ⸗Repertoire vom 8. bis 14. Juni lautet: Sonn⸗ tag: ‚Kean'. Montag: Die Räuber‘. Dienstag: „Der Kriegsplan“. Mittwoch: „Doctor Wespe“. Donnerstag:; „Kean“. Freitag: (38. Abonnements ˖ Vorstellung): „Doctor Wespe“. Sonnabend:

Hamlet“). Lessina⸗Theater.

Das Repertoire der am Montag beginnenden Schlußwoche der Saison ist, wie folgt, festgesetzt:; Montag: „Nora“, Dienstag, Donnerstag und Sonntag: ‚Die Ehre“, Mittwoch und Sonnabend: Der Fall Clsmenceau“, Freitag: Der Zaungast“.

Kroll's Theater.

Ernestine Heink vom Hamburger Stadt -Theater tritt am Dienstag zum ersten Male als Orpheus in der Gluck'schen Oper „Orpheus und Eurydike' auf. Diese Altistin besitzt bekannt⸗ lich, wie seit mehreren Saisons bereits hinlänglich bekannt, so unge— wöhnliche Vorzüge in stimmlicher, gesangskünstlerischer und drama— tischer Beziehung, alle ihre Partien tragen ein so indivi—⸗ duell interessantes Gepräge, daß sie längst zu den anerkannten Zierden der deutschen Oper gehört. Ernestine Heink tritt mit der klassischen Wiedergabe des Orpheus ihr diesmaliges Sommer— Engagement an, und die Saison, welche so reich und großartig ein⸗ setzte, hat mit der trefflichen Sängerin wiederum eine Anziehungs— kraft ersten Ranges gewonnen. Der Montag bringt zum ersten Male in dieser Saison Kreutzer's liebliche Oper „Das Nachtlager

in Granada“. . Belle ⸗Alliance Theater,

Da das Wetter am letzten Sonntag wenig günstig war, findet morgen wiederum ein sogenannter billiger Sonntag“ statt, indem der Eintrittspreis für alle Vergnügungen und Sehenswürdigkeiten einschließlich Eintritt ins Theater (soweit Raum) nur 50 3 beträgt. Im Theater geht zum 99. Male der „Nautilus“ in Scene.

Mannigfaltiges.

Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin wurden heute Mittag die Theilnehmerinnen am diesjährigen Turn⸗ kuürsus der Königlichen Turnlehrer⸗Bildungsanstalt vorgestellt. Die Anstalt hatte zu Ehren der hohen Frau reichen Schmuck angelegt. Die Vorstellung begann mit Ordnungs⸗ und Gangübungen, die von allen 5 Abtheilungen mit 93 Schülerinnen ausgeführt wurden; unter Oberleitung des Oberlehrers Eckler wurden sodann von den ersten 3 Aktheilungen Freiübungen gemacht und hierauf nach dem bekannten Liede O, Wanderlust“ ein Reigen geschritten. Den zweiten Theil der Vorführung bildeten Geräthübungen; die 4. Abtheilung übte Rundlauf, die 5. turnte an den Schwebestangen, die 2. am Springkasten. Ein Tanzreigen beschloß diesen Theil der Vorführung. Die 3. Abtheilung „Uebungen mit Handgeräthen! mußte etwas ge kürzt werden; sie bestand in Uebungen mit Holzn und Eisenstäben. Auch hieran schloß sich wieder ein Tanzreigen mit Gesang (. Blaue Luft“). Es folgten dann wieder Geräthübungen der J. 2. und 4. Ab— theilung an der wagrechten und an der schrägen Leiter und an schrägen Stangen. Den Beschluß der ganzen Vorstellung bildete endlich ein zusammengesetzter Castagnetten⸗, Ball- und Reifenreigen. Ihre Majestät die Kaiserin sprach ihre volle Befriedigung über die Vorführungen aus.