1890 / 137 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 09 Jun 1890 18:00:01 GMT) scan diff

klärungen ebenfalls nicht für die Vorlage stimmen. In eine Zwangslage wird das Centrum nicht gebracht, denn es wird nicht gezwungen, etwa das Sperrgesetz von 1875 nachträglich anzuerkennen. Hier handelt es sig lediglich um die Aus⸗ führung eines Paragraphen eines estehenden Gesetzes, über welches selbst ihm das Urtheil unbeschränkt bleibt. Das Centrum ist nicht die Vertretung des katholischen Volks, aber es legt immer sein Urtheil als das Urtheil aller Katholiken in die Waagschale, und deshalb mußten wir das Zeugniß des Centrums fur dieses Gesetz haben. Wir haben die außerste Mühe aufgewendet, um zu einer friedlichen Lösung zu kommen. Wir wollen das Vergangene ruhen lassen; Seitens des Fentrums ist das nicht geschehen; auch heute ist immer von Neuem der Versuch gemacht worden, den Werth oder Unwerth des Gesetzes von 1875 in die Diekussion zu ö Nach den heutigen Erklärungen kommen wir zu dem Resultat: es ist besfer, die Sache bleibt unerledigt und wir nehmen sie ich will nicht sagen in der nächsten Session so doch in einer Zeit einmal wieder auf, wo sich die Anschauungen mehr ge— Indert haben. Das Centrum erschwert die Verhandlungen, indem es sich auch in kirchenpolitischen n n, auf den Standpunkt einer einzigen religiösen Konfession stellt.

Tin Antrag auf Schluß der Generaldiskussion wird ange— nommen.

Abg. Reichen sperger (persönlich): Mir fällt es selbst⸗ verständlich nicht ein, Hrn. Stöcker gegenüber nochmals die Worte für den Beweis der Wahrheit dessen, was ich behauptet habe, zu wiederholen. Dazu bin ich zu stolz.

Abg. Stöcker: ) habe nur gesagt, Sie haben das Evangellum nicht in Bezug auf die Sbrigkeit, und habe das daraus hergeleitet, daß der Papst preußische Gesetze für nichtig erklärt hat. Bezüglich der Wiedertaufe habe ich es als zu⸗ läfsig erachtet, daß in Bremen, wo eine Kirchenordnung nicht besteht, wo Geistliche das Christenthum leugnen, wiedergetauft wird. In Preußen besteht eine Kirchenordnung, welche jeden Geistlichen bei Strafe der Amtsentsetzung verpflichtet, auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes zu taufen.

t Abg. Porsch: Hr. Stöcker sagte dem Centrum gegen⸗ über wörtlich: „Sie haben Moses und die Propheten. Ich weiß nicht, was Moses und die Propheten bei Ihnen sind, aber das Evangelium und die rechte Stellung zur Obrigkeit fehlt Ihnen.“ Diese Worte des Stenogramms, das ich sofort eingesehen habe, hat Hr. Stöcker dahin geändert, daß er aus dem Worte „und“ die Worte „das heißt“ gemacht hat, sodaß der Satz jetzt lautet: Das Evangelium, das heißt die rechte Stellung zur Obrigkeit, fehlt Ihnen.“

Abg. Windthorst: Hr. Stöcker hat selbst zugegeben, daß man in Bremen nach der Stellung zum Glauben fragen darf.

fag. Stöcker: Die evangelische Taufe wurde von der katholischen Kirche anerkannt und das muß auch in, Preußen

eschehen, wo eine Kirchenordnung besteht. Die Dinge sind rüher anders behandelt worden. Wer jetzt in Preußen wieder— tauft, begeht ein Sakrileg. Aus dem Zusammenhange meiner Rede geht deutlich hervor, daß ich meine Worte be⸗ züglich des Evangeliums lediglich in Bezug auf die Stellung des Centrums zur Obrigkeit gebraucht habe. ;

Abg. Windthorst: Mir ist von irgend einer Aende— rung der Praxis beztiglich der Wiedertaufe, Nichts bekannt.

Sie besteht nur in der Phantasie des Hrn. Stöcker. . Darauf tritt das Haus in die Spezialberathu ng ein. Artikel 1 lautet: Diejenigen Beträge, welche auf Grund

der gemäß §. 1 des Gesetzes vom 22. April 1875 erfolgten Einstellung der Leistungen aus Staatsmitteln aufgesammelt sind, werden bei dem Inkrafttreten gegenwärtigen Gesetzes zu Gunsten der allgemeinen Staatsfonds vereinnahmt. Dagegen wird vom 1. April 1890 ab aus allgemeinen Staatsfonds für kirchliche Zwecke der katholischen Kirche eine jährliche Rente von hb0 480,58 S6 verwendet.

Dazu beantragt Abg. Windthorst, unter Ablehnung des Artikels 1 die Staatsregierung aufzufordern, zunächst mit den kirchlichen Oberen weitere Verhandlung zur Er⸗ strebung eines Einverständnisses über die Art der Verwendung derjenigen Beträge, welche auf Grund der emäß §. 1 des Gesetzes vom 22. April 1875 erfolgten Ein⸗ g der Leistungen aus Staatsmitteln aufgesammelt sind, einzuleiten und demnächst je nach dem Ergebnisse dieser Ver⸗ 3 dem Landtage einen neuen Gesetzentwurf über die

erwendung der betreffenden Beträge vorzulegen.

Abg. Windthorft: Ich wiederhole, daß der heilige Stuhl keine Stellung zu dieser Sache genommen hat. Der Minister behauptet, er habe das auf demselben Wege erfahren, auf welchem der heilige Vater auch Nachrichten einziehe. Ich be⸗ ö. daß die Guelle, auf die er sich bezieht, unrichtige In⸗ ormationen hat, und ich empfehle der Regierung, diese Quelle ferner nicht zu benutzen. Der Bischof von Paderborn kann keine andere Erklärung abgegeben haben als die übrigen Bischöfe, und er könnte seine Anschauungen nur mit Zustimmung seiner confratres geändert haben. Die vom Minister mitgetheilten Aeußerungen desselben sind nicht genau wiedergegeben. Ich lege übrigens Werth darauf, zu konstatiren, daß diese Vor⸗ lage noch nicht unserem neuen Regiment zufällt. Daß ich keine Nachforschung über die Stellung des Kultus-Ministers bei dem Minister-Präsidenten angestellt habe, kann der Minister-Präsident selbst bestätigen. Der Kultus⸗-Minister hat wohl optima file gesprochen, aber er kann sich irren, und er hat sich geirrt. Er müßte uns doch genau sagen, woher er das betreffende Schreiben hat. Im parlamentarischen Leben kann nichts geheim bleiben; wenn erst ein Stückchen angeschnitten ist, muß das Ganze heraus. Der Abg. Hobrecht beklagt es, daß wir einseitig unsere Kirchenverhältnisse vertreten und es daher anderen . schwer wäre, mit uns gemeinsam zu votiren.

as ist ja selbstverständlich, daß wir unsere kirchlichen Ver—⸗ hältnisse vertreten, wie es auch die Protestanten thun, selbst da, wo sie glauben, es nicht zu thun. Wo mehrere Kon⸗ fessionen bestehen, bleibt nichts übrig als sich gegenseitig zu vertragen. Todtschlagen können Sie uns nicht, und wir wollen Sie nicht todtschlagen. Können wir uns heute nicht einigen, so scheiden wir jedenfalls nicht von der Sache ohne die Hoffnung, daß, was heute nicht geschieht, vielleicht morgen geschieht. Sie haben uns nöthig und wir haben Sie noch nöthiger, weil Sie die Majorität haben. Weil Sie solche

lacht haben, sollten Sie uns nicht immer niederstimmen. Die Kartellparteien, die hier gegen uns stimmen, sind nichts Anderes als die Sammlung der Protestanten des Hauses.

Abg. Rickert: Wenn der Artikel 1 abgelehnt wird, so weiß ich nicht, welchen Werth die Regierung noch auf die

Bemerkung des Abg. Windthorst, daß hier die vereinigten Protestanten gegen die vereinigten Katholiken stehen. Das ist nicht richtig, denn wir werden für das Gesetz stimmen. Ich bedauere, daß es den Anschein hat, als ob zwei Konfessionen streiten und hadern und die eine die andere zwingen will, sich zu fügen, und ich bedauere die unverständlichen laktischen und diplomatischen Züge der Majorität. Ein Gesetz abzulehnen, weil man das Centrum nicht zwin⸗ gen kann, dasfelbe anzunehmen, darf niemals ein Grundfatz für den Gefetzgeber sein. Wir werden für die Regierungsvorlage stimmen. Daß der Abg. von Meyer (Arnswalde) in die ungünstige Situation gebracht wird, allein mit der freisinnigen Partei zu stimmen, nehme ich nicht so tragisch. Ich bin immer zufrieden, wenn ich mit ihm, in dem sich das allkonservative Prinzip verkörpert, zusammen stimmen kann. Er stimmt sachlich für das Gesetz hat uns aber die Enthüllung gemacht, daß er auch für die Auslieferung des Kapitals wäre, wenn nicht das Centrum zu weit ginge. Ich verstehe nicht, weshalb er einmal korrekt, das andere Mal inkorrekt ist. Was gehen Sie die Motive des Centrums an? Die Angelegenheit kann nach Ihrem Verhalten nur dann zu Ende geführt werden, wenn das Centrum eine andere Haltung einnimmt. Sie legen also die ganze Entscheidung in die Hand des Centrums. (Abg. v. Eynern: Sehr wahr! Ja wohl, Herr v. Eynern, mit dem Gesicht, mit dem Sie „Sehr wahr!“ sagen, gerirt sich ein Gesetzgeber aber nicht. Es giebt keinen Präzedenzfall für ein solches Verhalten der Majorität, und wir müssen in letzter Stunde gegen dieses Verfahren Protest einlegen. Der Parla⸗ mentarismus kann durch solche künstlichen Operationen nicht gewinnen. Wir werden stets für ein Gesetz stimmen, sobald es uns sachlich möglich ist.

Die Diskussion wird geschlossen.

Persönlich bemerkt Abg. von Meyer⸗Arnswalde: Ich bin von mehreren Seiten angegriffen worden, und man ver— langt natürlich eine persönliche Bemerkung von mir. Ich bedauere, dieser Erwartung nicht entsprechen zu können, weil mit den persönlichen Bemerkungen ein solcher Unfug getrieben wird, daß ich ihn nicht noch vermehren will. ;

Abg. von Eynern: Die Belehrungen des Abg, Rickert

über das, was 2. thun und nicht thun dürfen, halten wir für völlig entbehrlich. In 6. nen wird der Antrag Windthorst gegen die Stimmen des Centrums, der Polen und des kon⸗ servativen Abg. Knoch, der (aus der zweiten Berathung be⸗ kannte und von Neuem eingebrachte) Antrag Brüel auf Herausgabe des Kapitals gegen die Stimmen des Centrums, der Polen, der konservativen Abgg. Knoch und Sack und des freisinnigen Abg. Langerhans abgelehnt, eben so Art. 1 der Kegierungsvorlage, für welchen nur der Abg. von Meyer⸗Arnswalde und der größte Theil der 9 stimmen. Die übrigen Artikel werden ebenfalls a gelehnt.

Schluß 3 Uhr.

Aktenstücke, Ost⸗Afrika betreffend.

Dem Reichstage ist eine weitere Sammlung von Akten⸗ stücken, Ost-⸗Afrika betreffend, zugegangen, welche wir in Fol⸗ gendem wiedergeben:

(Auszug aus dem Bericht des ältesten Offiziers der ostafrikanischen Station Korverten⸗Kapitän Valette an den kommandirenden Admiral)

Sansibar, 27. Arril 1890. Der für die Zeit vom 15. bis 20. April geplante Angriff von Kilmg mußte verschoben werden, da die am 2 April eingettoffenen 600 Sudanesen noch nicht einexerzirt waren. Am 4 April hat sich Bang Heri mit dem größten Theil feiner Leute in Saadani ergeben. S. M. Krz. „Sperber“ hielt sich wahrend des Tages in Signalweite von der Station auf, um für den Fall einer hinterlistigen Handlung zur Hülfe bereit zu sein. Dem Bana Heri ist vollständig verziehen worden; er lebt in Saadani. Sein Besitz ist ihm zurückgegeben und seine Leute haben nur die Hinterladergewehre abgeben müssen. Er hat dem Reichskommissar sofort nach dem Friedensschluß einen großen Dienst geleistet, indem er die für die Emin Pascha⸗Expedition nöthigen Träger aus seinen Leuten sofort stellte, was bieher in Sansibar auf Schwierigkeiten gestoßen war. Die Expedition ist, soweit mir bekannt, 1 abgegangen; sie gebt nach dem Victoria. Nyanzasee. Die militärische Begleilung des Reichs kommissars schließt sich erst in Mywapwa an. Nach dem Friedens schluß mit Bana Heri ist der Norden absolut ruhig und friedlich, so daß S. M. Krz. „Sperber“ gemäß Verfügung Ew. Excellenz vom 27. März d. J, welche am 26. April, Abends, hier eintraf, die Reis nach der Südsee antreten konnte.

(Becichte des Kaiserlichen Kommissars für Ost Afrika an das Auswärtige Amt. )

Sansibar, 28. April 1890. Dem Auswärtigen Amt berichte ich geborfamst übe die Vorkommnisse des letzten Monats und das Resultat meiner Inspektionsreise auf den Stationen. In Tanga scheint sich die europäische Kolonie am schnellsten zu ver— Frößern. Außer den Mitgliedern der deutsch ostafrikanischen Gesell schaft und der Pflanzer⸗Gesellschaft haben sich auch Deutsche dort angesiedelt, die aus privaten Mitteln Unternehmungen ins Leben rufen wollen. Ich habe daher jetzt dem Hrn. Krämer von der Missions« Gefellsckaft Erlaubniß ertheilt, die Ginrichtung der dortigen Mission vorzubereiten. Erwähnen möchte ich, daß in Tanga, wie in allen übrigen Stationen, sich auch griechische Kleinhändler niedergelassen haben, welche die Konkurrenz der Inder auszuhalten scheinen. Tanga oder Dar-⸗cs⸗Salam, eventuell auch beide Plätze, werden sich außerordentlich zur Kohlenniederlage für die neue deutsche Dampferverbindung eignen und Lieser Linie große Schwierigkeiten und Unkosten, die sie in Sansibar beim Koblennehmen haben würde, ersparen. Sobald die fuüdliche Küste eingenommen ist, wird von Tangg aus eine, wenn auch nur schwache Besetzung der großen Ortschaft Muoa nöthig, da dort wegen der Nahe unserer Nordgrenze sich manche Flüchtlinge auf— haften und Sklavenschmuggel getrieben werden kann. Als ein aͤußerst günstiges Zeichen der Ueberwachung des Sklavenhandels ist der Umstand zu bezeichnen, daß es dem Chef Kreniler, jetzigen Stationschef von Pangani, der von der Ankunft einer großen Sklavenkarawane Nachricht erhalten hatte, gelang, sämmtliche 207 eingeführten Sklaven, die schon zum Theil auf die Schambas bei Pangani vertheilt waren, innerhalb zwei Tagen zur Station zu schaffen. In Pangani wurden einige von früher ber versteckte Waffendepots aufgefunden und deren Besitzer bestraft, weil sie dieselben nicht angemeldet hatten. Vom Kilimandscharo be— richtet mein dortiger Agent von i. daß der Häuptling Mandara, mit dessen Führung er außerordentlich zufrieden ist, an Einfluß gewinnt. Am Kilimandscharo verkehren fast unausgesetzt Karawanen von englischen, amerikanischen und russischen Sportsleuten zu Jagdzwecken. In Mtwadja ist die Bevölkerung vallständig beruhigt und in Folge der Unterwerfung von Bana Heri auch Hinterland sicher. Bana Heri, zeigte mir, wie ich felegraphisch geborsamst gemeldet habe z seinen Entschluß an,

e

erhielt, nachdem er die Auglieferung sämmtlicher Hinterlader ver=

sprochen batte. Auf meine Erlaubniß bezog der ganze Anhang Bana

HDerüzz wieder seine alten Wohnsitze, die in der Umgegend von

Saadani jerstreut liegen. Zweihundert in seiner lg aft befind⸗

siche Waniamwesi wurden nach Bagamoyo gebracht und dort

für Emin Pascha als Träger angeworben Ein Rest der

Truppe Buschirisß ging nach Pangani zurüg, und die früheren

Bewohner Saadanis ließen sich mit Bana Heri in Ndumi und

Mlembule nieder und begannen mit dem Wiederaufbau von Saadani.

Da sich Bana Heri durchaus loyal benahm, überwies ich ihm ein

Geschenk von 2600 Rupies als Beisteuer zum Wiederaufbau seiner

Moschte in Saadani. Nach den Aussagen Bana Heri's waren seine

Verluste in den Gefechten mit uns an Todten bei Weitem höher als unsere Schätzung. Vom Viktoria see nach der Küste kommend, wird der Elfenbeinhändler Stokes, ein Irländer, mit 5000 Waniam⸗ wesi erwartet. Der seit langer Zeit südlich des Victoriasees thätige Missionar Makay ist gestorben. In Bagamoyo war die Aus rüstung und Zusammenstellung der Expedition für Emin . cha am 23. vollendet; am 2A marschirte der Pascha ab. Ich habe den Lieutenant Langbeld zur Expedition Emin's kommandirt und ihm ausgesucht gute Soldaten der Schutztruppe mitgegeben. Der Zustand des Chefs Freiherrn von Gravenreuth verschlimmert sich derart, daß ich ihn bereits mit der englischen Post am 20. absenden mußte. Mit der Leitung der Station Bagamoyo habe ich Chef Ramsgy betraut. Von der Station Mpwarwa trafen Meldungen ein, nach welchen der Kriegszug gegen die Massai vorläufig mit dem einen Gesecht beendet zu fein scheint. Auf der Station Dar-es⸗Salam, die auch zum Sammel- und Ausgangspunkt für die Overation im Süden bestimmt ist, wird mit der Herstellung von Anlagen begonnen, durch welche größere Reparaturen an den Schiffen sowie schnelle und billige Einnahme von Kohlen und Waffer ermöglicht werden sollen. Gleich nach dem Gintreffen der letzten 600 Mann formirte ich aus diesen und dem früheren Expeditions corps 2 Bataillone zu je 500 Mann und brachte diefelben in Bagamoyo und Dar es ⸗Salam unter. Es ist demnach die ganze Schutztruppe in 3 Bataillone eingetheilt. deren eines das Besatzungsbataillon des Nordens, das zweite zur Besetzung des Suͤdens und das dritte das Expeditions corps ist. Im Süden greift die Furcht vor den bevor⸗ stehenden Aktionen immer mehr um sich, bis zum Rufidji haben saͤmmtliche größere Ortschaften ihre Unterwerfung angezeigt, und selbst von Lindi haben die Araber eine Gesandtschaft hierher geschickt, die mich begleiten wird, um vor meinem Eintreffen in Lindi die Auf⸗ ständischen noch einmal zur Niederlegung der Waffen aufzufordern. Morgen am 29. breche ich von hier auf, am 30. findet die Verschiffung der Truppen auf meine Schiffe und die von dem Sultan gecharterte ‚Barawa“ statt. Am 1. gehen wir nach dem südlich von Kilwa ge⸗ legenen Hafen Kisuere und demnächst findet der Angriff auf Kilwa statt. Da trotz der Charterung der Barawa“ meine Schiffe die zur Aktien im Süden kommandirten 5 Compagnien (inklusive Europäern 1200 Mann) nicht aufnehmen konnten, so wind S. M. Krz. . Schwalbe“ 3 Com- pagnien trantportiren. Es wird in diesem Monat, wegen der Truppenverschiebungen der Raxport über den Gesundheitszustand der Schutztruppe unmöglich. Im Allgemeinen war derselbe trotz der in diefem Jahre sebr häufig aufgetretenen Regenzeit ein guter. Er⸗ krankungen von Europäern waren sehr unbedeutend. Der Tod des Chefs Theremin trat in Folge einer Bauchfellentzündung ein und ist alfo klimatischen Einflüssen nicht zuzuschreiben. Die auffallende Ab⸗ nahme klimatischer Erkrankungen bei der Schutztruppe ist ein unum⸗ stößlicher Beweis dafür, daß mit der Zunahme des Komforts, beson⸗ ders der Schaffung von guten Unterkunftsräumen, die Krankheits- gründe vermindert werden. ;

Wissmann.

Sansibar, den 1. Mai 1890. Dem Auswärtigen Amt beehre ich mich über die gegenwärtigen Verhältnisse des Sklaven handels in unserer Interessensphäre Folgendes gehorsamst zu be⸗ richten. Wie unzureichend zur Verhinderung des Sklavenexports nur die Ueberwachung der Küste durch Fahrzeuge des Reichs Marine ist, beweist der Umstand, daß, obgleich englischerseits seit 10 Jahren Sklavenüberwachungsschiffe an der Insel stationirt waren, der Export doch nichtsdeftoweniger bis zur Besetzung der Küßste durch die Schutztruppe fortgesetzt wurde. In ganz Afrika fand der Hauptexport von Sklaven auf der Strecke von Lamu im Norden bis zum Zambesi im Süden statt. Nördlich an der Küste der Somali war der Export ein bei Weitem geringerer, bauptsächlich wohl descalb, weil die Somali und Abessynier aus dem Innern kommende Sklaven selbst absorbirten. Deutschland hat den größten Theil der vorher erwähnten Küste besetzt, und damit die moralische Verpflichtung übernommen, gegen den Re innerafrikanischen Länder entvölkrnden Handel vorzugehen. Das Verhältniß der aus Afrika ausgeführten Sklaven zu denen, die in den Küstenländern auf— gekauft werden, ist heutzutage schon ein geringes. Der Plantagenbau, der von Arabern und arabisirten Küstenleuten ausgeführt wird, ist demjenigen auf Sansibar und Pemba mindestens gleichstehend an Be—⸗ deutung, so daß auch der Sklavenverbrauch, der den Arabern bis zum heutigen Tage allein den Plantagenbau ermöglicht, ein entsprechender ist. Es ist allo die Kuüͤste einmal der Sammelpunkt zum Export bestimmter Sklaven und andererseits verbraucht die Küste selbst ein großes Kontingent. Aus diesen Gründen ist offenbar der wirksamste Punkt, die Sklavenwirthschaft zu unterbinden, die Küste selbst. Die Erfolge, die das Reichskommissariat in dieser Richtung bis heute er zielt hat sind große. Ich erwähne, um dies am besten darzulegen, den Punkt, daß mir Eingeborene Araber und Küstenleute, die sich be⸗ sonders mit dem Sklavenhandel befaßten, zur Bestrafung ausgeliefert haben. Wenn wir überall erst soweit gekommen sind, daß sich die Eingeborenen an uns um Schutz wenden und daß wir diesen Schutz zu gewähren stark genug sind, dann wird auch von keiner Seite mehr gewagt werden. Sklaven zu fangen und zu transportiren. Die Sklavenjagden zu unterdrücken, kann uns nur dadurch gelingen, daß wir den Transport derselben zur Küste und den Handel damit unmöglich machen. Gejagt werden die Sklaven in den unglücklichen Gegenden, wo sich der Eingeborene nur mit Speer und Bogen gegen die unmenschlichen Räuber wehren kann, Um in diesen Ländern den gejagten Eingeborenen Schutz zu gewähren, müßten wir durch eine Reihe von Stationen eine Verbindung bis in jene weiten Gebiete hinein ermöglichen. Diese Länder liegen fast ausschließlich innerbalb der Grenzen des Congostaats, aber der Abzug der gejagten Sklaven gebt fast ausschließlich nach Deutsch⸗Ost Afrika und wird über einige ganz bestimmte Straßen geleitet, an denen sich die Slavenhändler Stützpunkte geschaffen baben, wie Tabora und Ujidii. Tabora ist der Ledeutendste Knotenpunkt solcher Straßen. Die im Nordwesten des Victoria⸗Sees zusamm engetriebenen Sklaven, die aus dem Innern des Congostaats Kommenden ('die bei Weitem größte Zahl), und viele, westlich vom Nyanza See Gejagte treffen auf ihrem Wege nach der Küste in Tabora zusammen, und ist aber dieser Ort der wichtigste zur Ueberwachung Der nächst bedentendste Punkt Cinja liegt an den drei. großen Seen, und würde mit der Ueberwachung dieser, die hier durch ein bewaffnetes kleines Dampffahrzeug außerordentlich erleichtert wird, von Deutsch= land aus Alles gethan sein, was sich gegen diese afrikanische Pest über⸗ haupt thun läßt und, was mehr sagen will, es, würde zweifellos von Erfolg gekrönt sein. Bis jetzt habe ich nur eine Station und einen Beobachtungsposten im Innern errichten können, die erste ist Mpuapua, der Engpaß, durch den die größte afrikanische Sklaven⸗ karawanenstraße hindurchfübrt, und wo ich auch im Stande bin, mit Gewalt meine Maßnahmen ju unterstützen. Die andere am Kili⸗ mandscharo ist vorläufig nur ein Beobachtungsposten, da es mir meine Mittel nicht erlauben, auch bier eine entsprechende Truppe zu stationiren. Aus den im Eingange dieses Berichts angeführten Gründen und weil ich von der Küste aus die Sklaven jäger durch Ueberwachung des Imports von Waffen und Munition schwächen kann, ist jedenfalls die Besetzung der Küste zunächst der wichtigste Schritt. Es sind die

sich zu unterwerfen. Ich sandte daher C Freiherrn von Graven⸗ reuth nach Saadani, wo Bana Heri jzunächst mit 590 Mann eintraf,

Weiterberathung des Gesetzes legen sollte. Ich bedauere die

um Frieden bat und Amnestie fur sich und seine saͤmmtlichen Leute

Araber, als welche man mit einem Wort die Partei der Sklaven jäger bezeichnen kann, durch solche Maßnahmen schon jetzt geschwächt.

Ihr Ruf der Unüberwindlichkeit ist nach den Vorgängen an der deutschen Küste zerstört und dadurch am besten ein weiteres Vorgehen gegen das Innere vorbereitet und die Unterdrückung dieses schrecklichen Menschenhandels in Wege geleitet, die zum Erfolge führen müssen, wenn ihr natürlicher Fortgang nicht durch Entziehung der noth⸗ wendigsten Mittel unterbrochen wird. :

Wissmann.

(Telegramm) Lindi, den 10. Mai 1890. Nach wirksamer Be schießung durch Carola? und Schwalbe“ Lindi genommen und

besetzt. Wissfmann.

(Telegramm) Sansibar, den 17. Mai 1890. Nach erfolgreichen Gefechten im Hinterlande von Lindi Unterwerfung der größeren Araber. Mikindani am 14. friedlich besetzt. Einwehner nicht ent-

flohen. Wissmann.

Amtsblatt des Reichs-Postamts. Nr. 25. Inhalt k Verfügung: vom 31. Mai 1890. Herausgabe eines Berichtigungs⸗ bogens und eines Ergänzungsbefts zur Zusammenstellung der Bestim mungen über den Werthbriefverkehr der Vereinsländer. Kentralblatt der Bauverwaltung. Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten. Nr. 22 A. Inhalt: Kaiser Wilhelm⸗Denkmal für die Rheinprovinz. Gen n, Vermischtes: Feier zum Gedächtniß des vierzigjährigen Bestehens des Vereins deutscher Eisenbahntechniker. Vierter Binnenschiff⸗ fahrts⸗Kongreß in Manchester. Ehrenbezeigung. Aufsetzung vom Schlußstein des Umer Münstertburms. Wetkbewerbung um Ent⸗

würfe für ein Bürgerhospital u. s. w. in Stuttgart. Wettbewer⸗

bung, zu einem Kreisständehaus für Kreuznach. Kunstausstellungs⸗ Gebäude in Berlin.

Nr. 23. Inhalt: Amtliches; Personal⸗Nachtichten. Nicht- amtliches: Mausoleum im Schloßgarten von Charlottenburg. . für die Annahme und Abfertigung der Züge auf dem

aupt-⸗Personenbahnhbofe in Frankfurt a. M. Der Rheinstrom und seine wichtigsten Nebenflüsse. Kirche in Atheneleben. Ver⸗ mischtes: Rathhausbau in Leipzig. Beizbrüchigkeit des Eisens. Flammensignale. Rudolf Gottgetreu F.

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

In Ham burg hielt der Centralverein deutscher Bött⸗ cher (Ortsverwaltung Hamburg) am Freitag eine zahlreich besuchte Versammlung ab, in welcher die Arbeitseinstellung resp. der Stand der Aussperrung der 130 Küper bei 6 verschiedenen Arbeitgebern zur Sprache gebracht wurde. Es wurde, wie wir dem ‚Vamb. Corr.“ ent- nehmen, bemerkt, daß es sich um die Einfübrung des Minimalwochen⸗ lohnes von 27 bei einer zehnstündigen Arbeitszeit handele, was bei sämmtlichen Küpermeistern und Inhabern von Küpereibetrieben schon seit geraumer Zeit anerkannt worden sei. Die Diskussion spitzte sich hauptsächlich auf die Frage zu, ob man die kleinen partiellen Strikes aufrecht erhalten und zum Siege führen könne, oder ob man kapituliren müsse. Es wurde eine Resolution angenommen, wonach die Arbeits einstellung fortbestehen und das von den Arbeitgebern in Vor— schlag gebrachte Arbeitsnachweisungs bureau in der Form, wie die Prinzipale es wünschen, nicht anerkannt werden soll. In Bezug auf den Strike der Baubandwerker berichtet das Blatt, daß man auf mehreren größeren Bauplätzen, wie beim Rathhausbau, dem großen Bau an der Ellernthorsbrücke ꝛc.,, auf welchen seit vier Wochen vollständige Stille herrschte, seit gestern wieder Maurer und andere Handwerker in Thätigkeit sebe, wenn auch noch nicht in der vollen Zahl; allem Anscheine nach gehe auch der Strike der Maurer und Zimmerer seinem baldigen Ende entgegen. In Wandsbek hat der Fach⸗ verein der Fabrikarbeiter beschlossen, fortan von jedem Mit gliede Beiträge zur Unterstützungskasse einzuziehen, und zwar sollen von jedem Thaler Lohn 10 3 abgeliefert werden.

Aus Gera schreibt man der „Mgdb. Ztg.“ unter dem 5. . M.: Der Massenausstand der Weber und Weberinnen ist nun beendet und in den großen Websaälen herrscht die gewohnte Thätigkeit wieder. Die Zahl der Arbeitnehmer, welche in keinem Betriebe wieder an⸗ genommen wurden, hat sich von 300 auf ungefähr 150 verringert. In einer Bekanntmachung sagt das Comits der ausgesperrten Weber für die gewordene Unterstützung im Lohnkampfe Dank und weist darauf hin, daß die brotlos Gewordenen der Unterstützung dringend bedürfen. Man giebt die Absicht nicht auf, später einmal wieder den Kampf aufzunehmen und wartet nur auf einen gerigneten Zeitpunkt.

Hier in Berlin ist das allgemeine Central Strike Comits nun—⸗ mehr ins Leben getreten. Dasselbe ist, der Baugewerksztg.“ zufolge, aus allen Gewerken heraus gebildet und soll die Organisation und Direktion für die Strikes in die Hand nehmen. Das Comits bestimmt künftig, welche Gewerbe und in welchen Bezirken dieselben in den Strike einzutreten haben. Das für den Strike ausersehene Gewerk soll bis zur Niederlage der Arbeitgeber von allen übrigen Gewerken unterstuüͤtzt werden. Die Graveure und GCiseleure Deutschlands wollen, der B. Börs. Ztg. zufolge, dem Beispiel anderer Gewerk schaften folzend, einen Kongreß einberufen, um über ihre Lage zu berathen und dann event. in die Lohnbewegung eintreten. Sie erstreben neunstündige Arbeitszeit, Abschaffung der Sonntags- und Ueberstunden⸗Arbeit und 25 9υ– Lohnerhöhung.

Aus Freudenthal in Oesterr-Schlesien theilt der „Oberschl. Anz.“ mit, daß daselbst am vorigen Montag eine Demonstration von Arbeitern stattfand. Etwa 400 Weber versammelten sich auf dem Hauptplatze und zogen lärmend nach den Wohnungen mehrerer Leinenwaaren-Fabrikanten. Die Arbeiter ver- langten Lohnerhöhung, welche ihnen zum größten Theile be willigt wurde. Der „Magdb. Ztg.“ wird unter dem 7. d. M. aus Troppau berichtet, daß in Folge der Bewilligung des größten Theils der Forderungen der Arbeiter die Arbeiterbewegung in Freudenthal beendet. In Mährisch⸗Schönberg striken 1500 Seiden und 3000 Leinenweber, welche 30560 Lohn— erböhung bei 10 Stunden Arbeitszeit verlangen. Auch aus Bennisch wird ein Ausstand der Weber angekündigt, welche 60 9 Lobn— erhöbung und Rezulirung der Arbeitibedingungen verlangen.

Aus Proßnitz wird der ‚Voss. Ztg.“ geschrieken: Die aus⸗— stndigen Weber erklärten in einer Denkschrift an die Fabri⸗ kanten, nur gegen fünfzigprozentige, vom Mai 1891 jedoch hundert⸗ prozentige Lohnerhöhung die Arbeit wieder aufnehmen zu wollen. Auch die Weber aus der Umgegend schlossen sich dem Ausstande an. Die Feiernden werden mit Geld und Lebensmitteln von der Bauernschaft unterstützt.

Zur wirthschaftlichen Lage.

Alus Arnsberg schreibt man uns: Die Land und Forstwirth, schaft hat, trotz der Schwierigkeiten, mit welchen die Landwirthe noch sortdauernd zu kämpfen baben, keinen weiteren Rückgang erfahren, und beeinflußt durch die im Allgemeinen günstige Lage der meisten Industriezweige bat der Wohlstand der Bevölkerung unverkennbare Fortschritte gemacht. Ecgab sich für die Arbeitgeber und 6 in letzter Zeit ein günstiger Ertrag ihrer Unternehmungen, so hatten auch die Ärbeiter ihren Antheil daran. Der Steigerung der Löhne der Kohlenarbeiter folgte auch eine fortsteigende Lohnerhöhun

sämmtlicher anderer erg⸗ und Industriearbeiter, und au

die Löhne der lende. cha i ben Arbeiter sind wenn auch nicht gerade zum Vortheil, der Landwirthe ziem ˖ lich beträchtlich gestiegen. Die günstigen Erwerbsverhältnisse der arbeitenden Klassen hatten aber nicht überall den günstigen Erfolg, den man erwarten sollte. Die Löhne der Arbeiter werden in c genügendem Umfang zur Kapitalansammlung verwandt. Namentlich herrscht unter der jugendlichen Arbeiterbevölkerung eine bedenkliche

Zunahme der Genuß und Vergnügungssucht und in Verbindung damit eine zunebmende Verwilderung und Entsittlichung, die sich in 2 und Rohbeitsverbrechen Luft macht. Mit der im Allgemeinen anhaltenden Lebhaftigkeit des Geschäfts- . der Bergwerkebetriebe ging auch eine rege Thätigkeit der auf erarbeitung der gewonnenen Robstoffe gerichteten Industriezweige Hand in, Hand. Insbesondere darf auch die Lage der Eisen indu strie im Allgemeinen als eine günstige angesehen werden Zwar leiden die Werke zur Zeit unter der Höhe der Kohlenpreise, insbesondere diejenigen, welche ihren Bedarf an Kohlen nicht auf Grund früherer Verträge gedeckt haben, und außerdem hat der ausländische Eifen⸗ markt im letzten Quartal kein jo günstiges Gepräge gezeigt, wie in den vorhergehenden Monaten. Die auf Grund dieser . von verschiedenen Seiten ausgesprochene Befürchtung eines gewaltigen Rückschlages und Niederganges in der Eisenindustrie erscheint jedoch mindestens übertrieben. Die Hüttenwerke sind im flotten Betrieb. Ein befriedigendes Bild zeigt auch die Eisenfabrikation.

Seidenindustrie.

In der linksrheinischen Seiden und Sam metindustrie sind während des letzten Quartals wesentliche Aenderungen nicht ein= getreten. Die Beschäftigung der Arbeiter blieb eine gute und regel mäßige. Die Hgusweber hatten in der Seidenindustrie genügende Beschäftigung. In der Sammetindustrie waren nur diejenigen bin⸗ reichend beschäftigt, welche schwere Sammete verarbeiteten. In der

Bürstenfabrik zu Oedt, welche im vorigen Jahre errichtet wurde, um

den Handwebern Ersatz für ihre bisherige Beschäftigung zu bieten, waren 50 Personen thätig und werden demnächst noch weitere an⸗ genommen werden.

; In deutschen Ferienkolonien sind im Jahre 1889 zusammen 23 870 arme Kinder in der einen oder anderen Form verpflegt worden.

Die öffentlichen Sparkassen im Königreich Bayern ; im Jahre 1888.

. Die Zahl der bayerischen Sparkassen betrug am Schlusse des Jahres 1888 nach der Zeitschrift des Königlich bayerischen st at ist i schen Buręgaus. 307. Gegen den Stand am Schluffe des Jahres 1879 haben sich die Sparkassen um 174 Y, also beinahe um ein Sechstel vermehrt; denn damals belief sih ihre Anzabl auf 252. Vergleicht man die Zahl, der Sparkassen mit der Volkszahl, so trifft im Königreich Bayern eine Sparkasse auf 17 929 Einwohner gegen 19971 Einwohner am Ende des Jahres 1879. Unter den Regierungs⸗ bejirken hat relativ Oberbayern die wenigsten, Unterfranken die meisten Sparkassen; denn in dem ersteren trifft auf 26 657 Einwohner, in dem letzteren auf 13 674 Einwohner eine Sparkasse.

Am Schlusse des Jahres 1838 hinterlagen bei den Sparkassen des Königreichs 159 718 556 66, in den letzten zehn Jahren hat sich das angesammelte Sparvermögen beinahe verdoppelt und in den letzten zwanzig Jahren mehr als verdreifacht. Wie für die Spareinlagen, so ist auch hinsichtlich der Zahl der Einleger eine fortwährende Zunahme zu verzeichnen. Ebenso ist aber auch das auf den einzelnen Einleger treffende Durchschnittskapital ein höheres geworden. Die Einleger haben gegen 1879 um 0,6 c, gegen 1869 um 92,1 G zugenommen. Auf 190 Personen der Bevölkerung trafen bis zum Jahre 1833 rund 7 Einleger; seither ist auch diese Verhältnißzahl und zwar für 1887 auf 9 und für 1888 auf 10 gestiegen. Das auf einen Einleger ent⸗ fallende Durchschnittssparkapital betrug im Jahre 1869 177 , im Jahre 1879 bereits 238 M und Ende 1888 301 M

Im Jahre 1888 betrugen die Zugänge an Sparkapitalien im Ganzen 38 350 312 6, wovon 92,5 Oo neue Geldeinlagen und 7,5 0c5 gutgeschriebene Zinsen waren. Die Rücknahmen bestanden aus 28 222736 S oder 73,6 oo der Zugänge.

Der von den sämmtlichen SDparkaffen gewährte Zinsfuß machte für das Jahr 1888 wie im Vorjahre durchschnittlich 35 Yo aus.

Mit einzelnen Sparkassen sind Pfennig⸗ oder Schulsparkassen in der Art vereinigt, daß die kleinen bei den hierfür bestimmten An⸗— nahmestellen eingezahlten Beträge an die betreffende Sparkasse abge⸗ liefert werden. Im Ganzen bestanden im Jahre 1888 143 Pfennig, Schul⸗ oder Kindersparkassen; Sparmarken sind bei 44 Sparkassen eingeführt.

An Zinsen für die eingelegten Sparkapitalien wurden im Jahre 1888 2 23 892 ausgezahlt; die Verwaltungskosten betrugen 400 432 S Auf 100 S Spareinlagen trafen durchschnittlich 25 gegen 30 3 im Jahre 1879. In den letzten zehn Jahren sind dem nach die Verwaltungskosten verhältnißmäßig geringer geworden.

Der Reinertrag der Sparkassen bezifferte sich für das Jahr 1888 auf 1 662 054 M gegen 536 620 M im Jahre 1879. Auf 1090 4 Sparkapital traf ein Reinertrag von 1 S 4 8 gegen 64 3 im Jahre 1879.

Am Schlusse des Jahres 1888 belief sich das Reinvermögen der Sparkassen auf 13 823 173 66 und der Reservefonds auf 11 1951734 4 oder 7 5so der Einlagesumme. Von den Aktivkapitalien einschließlich des Reservefonds sämmtlicher Sparkassen waren angelegt: in Hppotheken 56,4 oo oder annähernd sechs Zehntel, in Schuldverschreibungen bayerischer Gesellschaften und Kreditinstitute 17,0 9, in Schuldver— schreibungen der unter unmittelbarer Aufsicht der Staatsregierung stehenden juristischen Personen Bayerns 14,0 ο, in Schuldverschreibungen des bayerischen Staates 8,7 G und auf andere Weise 3,0 oso.

Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin sind bei den biesigen Standesämtern in der Woche vom 25. Mai bis inkl. 31. Mai er. zur Anmeldung gekommen: 280 GEheschließungen, 905 Lebendgeborene, 27 Todtgeborene, 676 Sterbefälle.

Kunst und Wissenschaft.

Der Geographischen Gesellschaft wurde in der Sitzung vom Sonnabend durch den Vorsitzenden, Professor Freiherr von Richt⸗ hofen, der Jahresbericht vorgelegt. Nach demselben hatte die Gesellschaft im . Geschäftssahre eine Gesammteinnahme von 42492 S Das Reich gewährte einen in. von 10 000 , 28 050 S½ς wurden an Beiträgen, 2226 S6 an Zinsen vereinnahmt, 2000 S6 wurden bei Auflösung der Afrikanischen Gesellschaft der Gesellschaft speziell zu dem Zwecke überwiesen, die afrikanische Ab theilung der Bibliothek zu vervollständigen. Verausgabt wurden insgesammt 42401 ; die Verwaltung erforderte 9480 , die Miethe der Gesellschaftsräume 5400 M; für die Bibliothek wurden 1766 A, für die monatlichen Versammlungen 4165 verausgabt; außerdem entstanden in Folge des Umzugs in neue erweiterte Raume 7767 M6 außerordentliche Ausgaben; 1099 6 Lerhielt Pr. Hettner zur Ausführung von Studien der Plateau Abfälle Brasiliens. Die Gesellschaft ist im neuen Jahre daran gegangen in einem opulent ausgestatteten Werk von 39 Blättern jene 3 auf der Breslauer Stadtbibliothek gefundenen Karten Mercator's her auszugeben, von denen zwei, ir 15954 vollendete Karte von Europa und die 1564 nach einem englischen Entwurf entstandene Karte von England, Unika find, während von der dritten, der großen Welt karte, bisher ein einziges Exemplar in der Pariser National- bibliother existirte. Die von der Gesellschaft, herausgegebenen Reproduktionen werden in der biesigen Reichsdruckerei unter Ober aufsicht des Prof. Röse, des Vorstebert der kartographischen Abtbei lung, bergestellt. Zwei der 39 Blätter konnten bereits in der Sitzung vorgelegt werden. Die Gesellschaft bat es ferner übernommen, die gifeg aftliche Ausbeute einer Studienreise zu veröffentlichen welche Dr. Conrad Kretschmar mit Unterstützung des Kultus ⸗Ministeriums nach Rom unternommen hat jur Erforschung der Quellen mittel · alterlicher Geographie. Prof. von Richthofen legte in der Ir Sitzung auch den Bericht über die von der Gesell— chaft verwaltete Karl Ritter -Stistung vor, welche durch ein Ver⸗ mächtniß der afrikanischen Gesellschaft ihr Vermögen um 15 0090 M, von 38 705 Æ auf 55 705 S6, hat erhöhen können, von welcher

Summe allerdings wieder einige Abzüge erfolgen werden, da die Stiftung verschiedene Verpflichtͤngen, Zahlungen für die beiden Nachtigal Denkmäler, für das Grabdenkmal des Premier⸗Lieutenants Kuntze auf San Salvador und Beschaffung eines dem Ras Alula zu schenkenden Gewehrs übernommen hat. Die Benefizien der Stiftung erhielt im letzten Jahre Dr. Philippson.

Sandel und Gewerbe.

Berlin, 7. Juni. (Wochenbericht für Stärke, Stärtke⸗ fabrikate und Hüälfenfrüchte von Max Sabersky.) Ia. Kar- toffelmehl 156 165 „, Ja. Kartoffelstärke 151 = 166 606, 3. Kar toffelmebl und Stärke 13 145 4, feuchte Kartoffelstärke —, gelber Syrup 186 - 186 AÆ, Capillair⸗Export 209 - 21 AÆ, Capillair Svruy 195 —20 4A, Kartoffel jucker Capillair 20 –203 A, do. gelber 184 —19 . Rum Couleur 34 - 35 M, Bier Couleur 34-35 , Dextrin, gelb und weiß, la. 25. —– 263 4M. do. sekunda 223 23 A, Weizen stãrke Cieinst) 36 = 37 , Weinen tarke großfft) 153 114 K, Dallesche und Schlesische 04 42 . ½, Schabe⸗ Stärke 51-32 *, Mais- Stärke 309 1 * Reisstärke (Strahlen) 403 47. do. (St cken) 45 4 46, Victoria Erbsen 17-20 4M, Kocherbsen 15 1 1M, Futtererbsen 15H 161 M, grüne Erbsen 17 20 4, Leinsaat 2 24 ½, Linsen, große 26 44 M, do. mittel 20-26 , do. kleine 14-20 0, gelber Senf 18— 24 M, Kümmel 42— 46 M, Buchweizen 15 18 , Mais loco 1H - 118 16, Pferdebohnen 15 18 , inländische weiße Bohnen 17 —20 , breite Flachhohnen 29 22 416. ungarische Bohnen 17 19 , galizische und russische Bohnen 15 —17 , Wicken 17—175 4, , , . 15 —165 4A, Leinkuchen 144 15 ½ , Weizenschale 97 10 , Roggenkleie 9p 10 n Rapskuchen 13 135 , Mohn, weißer 54 66 , do. blauer 0 45 ½ , Hirse, weiße 20— 23 Alles per 100 kg ab Bahn bei Partien von mindestens 10 000 kg..

Am Sonnabend fand in Köln die Konstituirung der Köln— Rottweiler Pulver⸗Fabriken Aktiengesellschaft“ statt, welche die Fusion der Vereinigten Rheinisch⸗Westfälischen ar ref ar nr Aktiengesellschaft! und der Pulver⸗

abrik Rottweil Hamburg“ bezweckt. Das Aktienkapital der neuen Gesellschaft ist vorläufig, wie W. T. B.“ meldet, auf 16500 000 t normirt, und zwar sollen die Aktien der Vereinigten Rheinisch⸗Westfälischen Pulver⸗Fabriken Aktiengesellschaft! gegen den gleichen Nominalbetrag vollgezahlter neuer Aktien und die Aktien der Pulver⸗Fabrik Rottweil ⸗Hamburg“ gegen den doppelten Nominal⸗ betrag der neuen Aktien mit der Maßgabe umgetauscht werden, daß davon die Hälfte vollbezahlt und die, andere Hälfte mit 40 969 Ein- zahlung versehen ist. Den neuen Aktien soll ein Gutschein über die Halbjahrsdividende 1389 mitgegeben werden. Den ersten Aussichts⸗ rath der neuen Gesellschaft bilden die Herren Geheimer Rath Dutten hofer (Rottweil), Bankdirektor Königs (Köln), J. Loewe (Berlin), Louis Lepy⸗Hagen (Köln) und Wasserfuhr (Köln). Die Direktion übernimmt der bisherige General -Direktor der Pulverfabriken Hr. Heidemann in Köln. Die neuen Aktien sollen sofort nach Erledigung der Formalitäten zur Einfübrung in Berlin, Köln, Frankfurt a. M. und Stuttgart gelangen.

Danzig, ZT Juni. (W. T. B.) Die Einnahmen der Marienburg⸗Mlawkger Eisenbahn betrugen im Monat Mai 1890 nach provisorischer Feststellung 124 000 ƽ gegen 142 000 4A nach provisorischer Feststellung im Mai 1839, mithin weniger 18 000 ½ Die definitive Einnahme im Mai 1889 betrug 140 312 4

Breslau, 7. Juni. (W. T. B. Wo llmarkt. Vorbericht. Im Lauf des heutigen Tages wurden ca. 4000 Ctr. verkauft. Gute Mittelwolle gefragt, Preislage derselben 150 180 6. Die gezahlten Preise stellten sich meistens um 3—6 niedriger als die Preise des vorigen Jahres. ir feine Wollen bestand geringere Nachfrage. Die Zuführen zu den Lägern sind erheblich geringer als in den vorher⸗ gebenden Jahren; die Zuführen für den offenen Markt sind noch nicht feststell bar.

Gleiwitz, 9. Juni. (W. T. B) Der Abschluß ider Ober schlesischen Eisen⸗Industrie ⸗Aktien-Gesellschaft für Bergbau und Hüttenbetrieb für das 1J. Quartal 1890 ergiebt einen Gewinn abzüglich aller Kosten von 1 335346, 03 4 gegenüber einem Gewinne des J. Quartals des Vorjahres von 751 359,51 Der Abschluß ergiebt somit ein Plus gegen das J. Quartal des Vor— jahres von 583 986,52 Die Aussichten für die weitere Geschäfts⸗ entwickelung sind ebenfalls befriedigende.

Leipzig, 7. Juni. (W. T. B.) Kammzug⸗Termin⸗ handel. La Plata. Grundmuster B. pr. Juni 4,37 S, pr. Juli 4,35 S6, pr. August 4,329 S, pr. September 4,323 „S, pr. Oktober 4,30 , pr. November 4,30 S, pr. Dezember 4.30 „S, pr. Januar 4,27 6, pr. Februar 4,275 ½½ Umsatz 230 000 kg.

Fest.

Wien, 7. Juni. (W. T. 2 Ausweis der öster⸗ reichisch - unggrischen Staatsbahn in der Woche vom 28. Mai bis 3. Juni: 552 734 Fl., Mehreinnahme 6611 Fl.

Ausweis der Südbahn vom 28. Mai bis 3. Juni: 855 632 Fl.,

Mehreinnahme 4140 Fl. (W. T. B.) An der Küste 1 Weizen

London, 7. Juni. ladungen angeboten.

J. Juni. (W. T. B.). Die Getreidezufuhren betrugen in der Woche vom 31. Mai bis zum 6. Juni: englischer Weizen 2449, fremder 87 845, englische Gerste 175, fremde 5316, englische Malzgerste 20 976, fremde 1, englischer Hafer 1092, fremder 67 885 Qrts. Englisches Mehl i6 614, fremdes 39173 Sack und

2 Faß.

. 7. Juni. (W. T. B.) Wollauktion. An⸗ geboten wurden 1623 B. Montevideo,. 742 B. Buenos⸗Ayres, 8 B. australische und 8 B. russische Wollen; verkauft wurden 497 B. Montevideo, 515 B. . Bueno ⸗Ayres und sämmtliche australische Ballen; von der russischen Wolle wurde nichts verkauft.

New⸗Jork, 7. Juni. (W. T. B. Der Werth der in der vergangenen Woche eingeführten Waaren betrug 9277283 Doll. gegen 9 674971 Doll. in der Vorwoche, dabon für Stoffe 1841 674 Doll. gegen 1922 800 Doll. in der Vorwoche.

Taganrog, 38. Juni. W. T. B.) Der Schah von Persien hat dem hiesigen persischen General⸗Konsul Jacob Poliakow eine 75 Jahre währende Konzession zur Gründung einer Diskonto⸗Gesellschaft und Lombard ⸗Anstalt für das ganze persische Reich ertheilt.

Submissionen im Auslande.

Serbien.

360. Juni. Serbisches Finanz ⸗Ministerium: Belgrad. Lieferung Königlich serbischer Silbermünzen neuer Prägung im Werthe von 6 000 000 Dinars, und zwar:

vier Millionen Stück à 1 Dinar, eine Million Stück à 2 Dinar. Nähere Bedingungen zur Einsicht in der Redaktion des „Reichs Anzeigers).

Verkehrs ⸗Anfstalten.

Auf den Linien der Großen Berliner Pferde ⸗Eisen⸗ babn⸗Aktiengesellschaft sind im Monat Mai 1890 10 979 646 Personen befördert und dafür 1276 727,73 ½ oder durch⸗ schnittlich auf den Tag 41 184,377 4A eingenommen. Die Einnahmen im Monat Mai 1889 , . 1252 054,14 ½ oder durch⸗ schnittlich auf den Tag 39 743,68 M

Hamburg, 8. Juni. (W. T. B.) Der e n n Sue via der Hamburg ⸗Amerikanischen Pagetfabtt-⸗ Aktiengesellschaft hat, von New York kommend, gestern 4 Uhr Nachmittags Lizard passirt.

Triest, 7. Juni. (W. T. B.) Der Lloyd⸗Dampfer Thalia!“ ist heute Nachmittag bier eingetroffen.

8. Juni. (W. T. B.) Der Llopvd⸗Dampfer „Urano“ in * Konstantinopel kommend, heute Nachmittag hier ein getroffen.