sind. Die Gemeinden müssen darauf hingewiesen werden, daß in diesen Fragen Sparsamkeit am Wenigsten am Platze ist. Läge ein Bedürfniß zur Errichtung von Gewerbegerichten nicht vor, dann hätte das Haus nicht so lange mit diesem Gesetze sich beschättigen sollen. Sie sind aber eben ein Be⸗ dürfniß. Den Einwand, man solle warten, ob sich die neue Institution bewährt, kann ich nicht gelten lassen. In einer Neihe größerer Städte wie in , Frankfurt a. M., Stuttgart und Mannheim haben sich die gewerblichen Schieds⸗ gerichte durchaus bewahrt.
Abg. Eberty: Der Antrag Dreesbach wäre ganz gut, wenn er ausführbar wäre, aber er ist nicht ausführbar. Es giebt ganze Provinzen und Landstriche, bei denen die obli⸗ gatorische Einführung der Gewerbegerichte nicht möglich wäre. Es müßten für einen Kreis von vielen Meilen im Umfang Gewerbegerichte geschaffen werden, die nicht genügend Beschäfti⸗ gung hätten. Daß die Kommunen von Uebelwollen gegenüber der Errichtung von i , erfüllt seien, muß ich bestreiten, und besonders für die Berliner Stadtvertretung. Nach der ganzen Struktur ist der Gesetzentwurf eigentlich ein Normal⸗ statut für die Gewerbegerichte im Deutschen Reich. Unser Antrag bezweckt, den Gemeinden innerhalb dieses Rahmens noch eine gewisse Freiheit zu lassen. In den Gemeinden ist sogar die Erkenntniß der Bedürfnisse der Bevölkerung in dieser Beziehung in höherem Maße vorhanden als bei den vorgesetzten Behörden. Wer den Kommunen diesen bescheidenen Spielraum nicht lassen will, sagt eigentlich, daß ein Gemeindeverband nicht Verstand genug besitze, um an der Hand der Instruktionen dieses Gesetzes ein vernünftiges Ortsstatut zu machen. Die vorgesetzte Behörde soll nur die Entscheidung darüber haben, ob formell und materiell im Statut Alles enthalten ist, was dem Gesetze entspricht. Nur unter dieser Freiheit der Kommunen werden recht viele Ortsstatute entstehen. Die Annahme unseres An⸗ trages würde bewirken, daß diese neue Einrichtung nicht als ein staatlicher Zwang empfunden wird, sondern als eine Ein⸗ richtung, die auf Grund eines Gesetzes von den Kommunen selbst eingeführt wird.
Abg. Kurtz: Ich bin gegen den Antrag Eberty, nament⸗ lich um deswillen, weil im Ortsstatut eine ganze Anzahl Punkte reiner Zweckmäßigkeit, nicht Gesetzlichkeit zu prüfen sind. Wenn die starke Stimme des Abg. Dreesbach entscheiden würde, müßte der Antrag Auer einstimmig angenommen werden. Der Abg. Dreesbach hat die Frage der obliga⸗ torischen oder fakultativen Schiedsgerichte zu einer Prin⸗
von den Organen dieses Verbandes beschlossene gewerbegerichtliche Einrichtungen lediglich aus dem Grunde zerstört werden, weil irgend eine keine Gemeinde oder irgend ein Kreis von kleinen Gemeinden es seinem Interesse angemessen findet, ein besonderes Gewerbe⸗ gericht herzustellen. ;
Allo meine Herren, ich glaube Ihnen nachgewiesen zu haben, daß die Frage doch nicht so ganz einach ligt, daß man sagen könnte: weg mit der Kommunalaufsicht! Lafsen wir die Kommunen beschließen, ob sie es für zweckmäßig erachten, und lassen wir dabei der Staats aufsicht diejenigen Rechte, welche ibr wie bisher zugestanden haben. Ich bitte Sie deshalb, den Antrag Ebertv abzulehnen.
Was den Antrag der Hrrn. Abgg. Auer und Genossen anlangt, so kann ich nur auf das verweisen, was der Hr. Abg. Kurtz bereits gesagt hat. Meine Herren, wir haben im Beutschen Reich weite Distrikte, in denen die Errichtung von Gewerbe gerichten absolut überflüssig sein würde, wo Sie durch die Einrich jung dieser Gerichte Organe schaffen würden, von denen öberhaupt kein, oder wenigstens ein so seltener Gebrauch gemacht werden würde, daß die Kosten und Weiterungen, die damit verbunden sind, zu dem Nutzen, den Sie damit schaffen, außer Verhältniß stehen. Es handelt sich bier wirklich nicht um eine Frage des Wohlwollens oder des Uebel wollen. Auch wir sind der Meinung, daß wir, wenn sich das Gewerbegericht, wie die Vorlage es in Aussicht nimmt, bewährt, nur wünschen können, daß ein möglichst ausgiebiger Gebrauch davon gemacht, möglichst allen Arbeitern Gelegenheit gegeben werde, ihre Streitigkeiten mit den Arbeitgebern vor Gewerbegerichten auszumgchen. Allein wenn wir auch prinzipiell auf diesem Standpunkt stehen, so schließt das doch keineswegs aus, daß wir uns fragen: steht denn der Nutzen der obligatorischen Einführung der Gewerbegerichte im Verhältniß zu den Rachtheilen, die diese herbei führen kann? Und wenn ein Bedürfniß jur. Einfüh— rung der Gewerbegerichte für das ganze Land nicht anzuerkennen ist, so glaube ich, thrn wir sehr viel weiser, wenn wir es bei der fakulta—⸗ tiven Einführung belassen. Aber, meine Herren, auch von dem Standpunkt des Hrn. Abg. Dreesbach aus ist gar keine Gefahr vorhanden, daß nun nicht da, wo wirklich unter den beibeiligten Arbeitern eine lebhafte Strömung für die Ein— führung des Schiedsgerichts sich bemerkbar macht, mit den Vor schriften, wie sie der §. 1 der Vorlage enthält, auszukommen wäre. Denn. meine Herren, wenn die Gemeinde nicht geneigt sein sollte, auf den Wunsch der Arbeiter oder der Arbeitgeber einzu⸗ gehen, so kann die Korrektur zunächst dadurch herbeigeführt werden, daß der weitere Kommunalverband seinerseits ein gewerbliches Schiedsgericht einrichtet, und ist auch auf diesem Wege nicht zum Ziele zu kommen, so werden die Betheiligten ihre Anträge an die Tandesregierung zu richten haben, und wenn ihre Wünsche wirklich berechtigt sind, so wird auf dem Wege, den der Absatz b des § 1 vorsieht, zum Ziele zu kommen sein, d. b., die Regierung wird die Einrichtung des Gewerbe⸗Schiedsgerichts an⸗
ordnen. Also, meine Herren, ich glaube kaum, daß bei Benutzung
aller Eyentsglitäten noch irgendwo berechtigte Wünsche nicht zu ihrer
*
so müssen wir doch mit der Zukunft rechnen. Das Wohl⸗ wollen, welches heute besteht, kann vielleicht später nicht mehr vorhanden sein. Auch sind die Begriffe über Wohl⸗ wollen sehr verschieden, und der gegenwärtige Minister kann vielleicht durch einen von weiter rechts ersetzt werden. Der Hinweis darauf, daß die Gewerbegerichte nicht gut durch⸗ . sind innerhalb einzelner kleiner Gemeinden, widerlegt ich einfach durch den Inhalt des §. 1 selbst, wo den kleinen Gemeinden das Recht eingeräumt wird, mit anderen Gemein⸗ den Gewerbegerichte zu errichten. Sollte der Wortlaut des §. 1 diesen Zweck eich herbeiführen, so würde ich ein Amen⸗ dement beantragen, daß von Seiten der Landes⸗Centralbehörden die gemeinsame Anordnung getroffen werden kann, wonach die durch das Gesetz zur Errichtung von Gewerbegerichten verpflichteten Gemeinden angehalten werden können, sich zusammenzuthun, um ein gemeinsames Gewerbegericht zu machen. Die finanziellen Opfer der Gemeinden, die ja erleichtert werden, wenn sich mehrere zur Bildung eines gemeinsamen Schieds—⸗ gerichts vereinigen, können nicht ins Gewicht fallen gegen⸗ über den Nachtheilen, die in dem Vermissen eines Gewerbe⸗ gerichts für die betreffenden Gemeinden liegen. Bei gemeinsamen Schiedsgerichten mehrerer Gemeinden wür⸗ den auch Prozeßfälle genug vorhanden sein, und die Ungeschicktheiten, die ja im Anfang wohl bei den Gewerbegerichten vorkommen mögen, würden mit der Praxis entschieden verschwinden. Zur Unterstützung des Antrages Eberty weise ich darauf hin, daß auch nach dem Kranken⸗ versicherungsgesetz die Genehmigung von Kassenstatuten nur versagt werden kann, wenn sie den Anforderungen des Gesetzes nicht genügen. Bei allen Gesetzen, die Ortsstatuten vorsehen, müßten wir uns grundsätzlich auf diesen Standpunkt stellen. Sollte der Antrag Eberty abgelehnt werden, so , ich eine Bestimmung dahin, daß die Genehmigung der Drts⸗ statuten nur dann versagt werden kann, „wenn sie im Wider⸗ spruch mit den Gesetzen stehen.“
Abg. Heine: Daß die städtischen Verwaltungen die Be⸗ dürfnisse der arbeitenden Bevölkerung nicht überall erfüllen, beweist der Vorgang in meiner Vaterstadt Halberstadt, wo ein Antrag auf Errichtung von Gewerbegerichten abgelehnt wurde, nachdem die Innungen erklärt . daß die Gewerbegerichte lediglich den sozigldemokratischen Bestrebungen zu Gute kommen würden. Wir haben kein Zutrauen zu den städ⸗ tischen Veiwaltungen in Preußen, und können es auch nicht haben, denn sie sind so zusammengesetzt, daß der größere Theil der Bürgerschaft von jedem aktiven
— 2 * 9— 2 9 FE
wem eigenen Hug
zipienfrage anfgebauscht. Ich — halte fie ltedigtich für eine Zweckmäßigkeitsfrage. Im Prinzip hätte ich nichts dagegen, wenn auch kleine Gemeinden Gewerbegerichte bekämen. Aber es fragt sich, ob ein Bedürfniß dafür vorhanden ist. Die kleinen Gemeinden würden nicht einmal genügendes Personal zur Besetzung der Gewerbegerichte finden, und diese selbst hätten nichts oder nicht genügend zu thun, sodaß die Gewerberichter, die doch ebenso gut funktioniren sollen wie die staatlichen Richter, nicht die nöthigen Erfahrungen sich erwerben könnten, die sie um so mehr haben müssen, weil die Berufung gegen Urtheile der Gewerbegerichte nach 8 49 nur bei Streitgegenständen über 100 6 zulässig ist. Wenn Sie auch in den kleinsten Orten Gewerbegerichte einführen wollen, würde das Vertrauen, das man ihnen entgegenbringt, sehr bald durch ungeschickte Geschäftsführung ruinirt werden. Die Vereinigung einer großen Anzahl von Gemeinden zur Einführung von Gewerbegerichten würde einen so ausgedehnten Bezirk ergeben, daß der Nutzen des Gewerbegerichts wieder verloren ginge. Das Beste ist, aus Zweckmäßigkeitsgründen die Kommissions— vorschläge anzunehmen.
Staatssekretär Dr. von Boetticher:
Meine Herren! Ich kann Sie auch nur bitten, den §. 1 in der ef, anzunehmen, wie er aus den Kommissionsbeschlüssen ervorgegangen ist. Die Gründe, welche die Kommission dazu geführt haben, die Anträge Auer und Eberty ab⸗ zulehnen, sind bereits in dem Kommissionsberichte ausführ— lich niedergelegt. Der Herr Abg. Kurtz hat seine Meinung dahin ausgesprochen, daß diese Gründe ihm und seiner Partei zutreffend er= schienen. Ich kann mich den Ausführungen des Herrn Vorredners in dieser Beziehung nur anschließen.
Was zunächst den Anttag des Hrn. Abg. Eberty anlangt, so be—⸗ greife ich ja sehr wohl den Standpunkt, auf welchem dieser Antrag steht, daß nämlich eine möglichste Befreiung bei dem Erlaß des Ortsstatuts von der Einwirkung und der Prüfung der Kommunal ⸗Aufsichtsbehörden angestrebt wird. Allein, meine Herren, ich möchte zunächst prinzipiell mich auf den Standpunkt stellen, daß, wenn wir irgend ein Gesetz, eine Vorschrift dahin erlassen, daß durch Ortsstatut eine Einrichtung getroffen werden kann, an sich gar keine Veranlassung vorliegt, für dieses Ortsstatut, welches eine Einrichtung dieses Spezialgesetzes ermöglichen soll, andere Formen und andere Vorschriften zu erlassen, als für den Erlaß von Ortsstatuten im Allgemeinen in den Städte⸗ und Gemeindeordnungen aufgestellt sind. Sie werden mir zugeben, daß es, wenn das Gesetz sagt, es soll durch Ortsstatut gemacht werden, an sich vollständig rationell ist, dieses Ortsstatut nicht anders zu behandeln und nicht anders zu Stande kommen zu lassen, als alle übrigen Ortsstatuten. Nun erkenne ich aber nicht allein kein Bedürfniß an, welches sich etwa aus der Konstruktion des uns vorliegenden Gesetzes dahin ergeben könnt?. eine Ausnahme für die Ortsstatuten, welche, für die Errichtung von Gewerbegerichten beschlossen werden sollen, zu machen; sondern ich sage auch: es sind zwingende Gründe vorhan den, um rücksichtlich dieser Ortsstatuten die Kommunal ⸗Aufsichtsbehörde nicht auszuschließen. Ich habe in der Kommission meine Meinung dahin ausgesprochen, daß den größeren Kommunen im Reich volles Vertrauen dahin zu schenken ist, daß sie bei dem Erlaß der Ortg= statuten mit Sachkunde und nach den Rücksichten der Zweck⸗ mäßigkeit vorgeben werden. Allein. meine Herren, wir machen dieses Geseß nicht bloß für einen bestimmten Kreis von Kommunen und namentlich nicht bloß für die größeren Kommunen, sondern wir geben dasselbe für alle Kommunen, die davon Gebrauch machen wollen, und da ist denn doch in der That nicht mit so großer Sicher⸗ heit, wie das der. Herr Vorredner zu thun schien, die Möglichkeit auszuschließen, daß Gemeindebehörden an kleinen Orten recht unzweckmäßige Bestimmungen in den Ortesstatuten treffen können, die nicht bloß den praktischen Rücksichten nicht die gebührende Rechnung tragen, sondern auch die Angehörigen der Gemeinde unter Umständen erheblich schädigen. Beseitigen Sie die Prüfung und Bestätigung der Kommunagl-Aufsichtsbehöͤrde, fo ist gegen ein solches Ortestatut absolut keine Remedur gegeben. Ich kann mir z. B. denken, daß aus einem mißverstandenen Interesse der be⸗ treffenden Kommunalorgane durch das Ortsstatut beschlossen wird, das Gericht solle, ich will einmal sagen, aus 7 oder 9 oder 12 Mitgliedern beslehen, wobei dasselbe so stark besetzt werden würde, daß eine Lanz unverhälmißmäßige Belastung der Gemeindekasse, die weit über den Zweck der ganzen Maßregel binaus geht, einträte. Wollen Sie dagegen keine Remedur zulasser? Wollen Sie hier keine sach—⸗ gemäße Prüfang der Kommunal ⸗Aufsichtsbehörde darüber zulassen, ob in diesem Falle nicht wirklich über das Ziel hinaus geschossen worden ist? Aker mäter, meine Herren, es kann auch, wenn Sie diese Peüfung ausschließen, beispielsweise der Fall eintreten, daß im wohlverstandenen Interesse eines weiteren Kommunalverbandes
Befriedigung gelangen. Ich bitte Sie also, auch diesen Antrag ab⸗ in. und lediglich bei den Beschlüssen Ihrer Kommission stehen zu bleiben.
Abg. Freiherr von Pfetten: Die gewerblichen Schiedsgerichte sind ihrer Natur nach außerordentliche Gerichte. Als solche sind sie nur da berechtigt, wo ein wirkliches Bedürfniß zu ihrer Errichtung vorliegt. Wo sie nicht nöthig sind, würden sie von den Gemeinden und den Betheiligten finanziell sehr un— angenehm empfunden werden. Ich bin deshalb für fakulta⸗ tive Gewerbegerichte.
Abg. Singer: Auch in Berlin ist ein Interesse an der Errichtung gewerblicher Schiedsgerichte erst in dem Augenblick hervorgetreten, wo die sozialdemokratische '. ihre Ver⸗ freter in die Kommunalverwaltung geschickt hat. Trotzdem hat es noch lange gedauert, bis das Ortsstatut zu Stande ge—⸗ kommen ist. Wenn der Abg. Eberty gemeint hat, daß der Zwang vom Uebel sei, und daß man sich in dieser Beziehung auf die freiwillige Thätigkeit verlassen müsse, so meinen wir, daß diese Dinge dem Bürgerthum aufgezwungen werden müssen, weil es sonst aus freiem Willen nichts thut. Das Streben meiner Partei, die Gesetzgebung zu Schritten zu veranlassen, durch welche die soziale Lebensstellung der arbeitenden Klassen gefördert wird, resultirt gerade daraus, daß das liberale bür— gerliche Manchesterthum sich als durchaus unzulänglich be⸗ wiesen hat. Das Manchesterthum hat in Bezug auf viele Iragen schöne Redensarten und hübsche Versicherungen, die aber an geeigneten Stellen nicht zum Ausdruck kommen. Ich bin über— zeugt, daß der Minister von Boetticher die ernste Absicht hat, nach Möglichkeit die Errichtung von . zu befürworten. Die besten Absichten können aber durchkreuzt werden durch den Mangel an Willfährigkeit der Gemeinden, zumal in den mitt⸗ leren und kleineren Städten. Diejenigen selbständigen Ge— meinden, bei denen ein Bedürfniß für die Errichtung von Schiedsgerichten nicht vorhanden ist, können sich doch mit den Nachbargemeinden verbinden und gemeinsam ein Schiedsgericht errichten. Die Hoffnung des Ministers, daß gegenüber dem Andrängen von Arbeitern und Arbeitgebern die Aufsichtsbehörden die Kommunalverwaltungen zwingen werden, gewerbliche Schiedsgerichte einzuführen, ist doch eine trügerische. Die Stadt Solingen hat be— schlossen, ein gewerbliches Schiedsgericht zu errichten, und das Ortsstatut der Aufsichtsbehörde eingereicht. Diese hat dies zurückgewiesen und gemeint, die Stadt Solingen solle sich an das große rheinische Schiedsgericht wenden, welches im Umkreise von Solingen besteht. Der Abg. Kurtz hat an der starken Stimme meines Kollegen Dreesbach Anstoß genommen. So stark die Stimme des Hrn. Dreesbach, so schwach waren die Einwendungen des Hrn. Kurtz. Daß er gegen unseren An⸗ trag ist, wundert mich nicht, denn er kommt aus Sachsen, wo jede selbständige Regung des Arbeiterstandes unter⸗ drückt wird.
Abg. von Cuny: Wo die Gemeinden sich weigern, die Schiedsgerichte a , kann die Landes⸗3Zentralbehörde ihre Einrichtung erzwingen. Das Beispiel von Solingen, auf das sich Hr. Singer bezog, paßt nicht ganz. Dort bestand bereits ein rheinisches Gewerbegericht mit einem größeren Bezirk. Die Genehmigung zu dem erwähnten Statut ist von der Aussichtsbehörde versagt worden, nicht weil sie der Ansicht gewesen wäre, die Stadt Solingen solle sich an einen weiteren Bezirk wenden, sondern weil ein solches Ge⸗ werbegericht für einen weiteren Bezirk bereits bestand. Wären die Argumente des Abg. Dreesbach durchschlagend, so hätte man auch seiner Zeit die Handelskammern obligatorisch einführen müssen. Das ist aber aus guten Gründen nicht eschehen. Gegen den Antrag Eberty könnte ich noch an⸗ ühren, daß die Unterwerfung unter die Schiedsgerichte nicht etwa freiwillig ist, sondern daß es sich hier um Gerichte mit Zwangsgewalt handelt. Hier muß der Staat das Recht e diejenigen Satzungen zu prüfen, auf Grund deren die Errich⸗ tung des Gerichts stattfindet.
Abg. Harmening: Im Gegensatz zu meinen politischen Freunden muß ich mich für die obligatsrischen Gewerbegerichte erklären. So dankenswerth auch die Bereitwilligkeit der Re⸗ gierung ist, die Errichtung von Schiedsgerichten zu befördern,
Wahlrecht ane gefchloffen ist, und der andere Theil fo tin ftttẽh gruppirt ist, daß von einem Ausdruck des Volkswillens nicht die Rede sein kann, zumal die Wahl öffentlich ist und be⸗ einflußt werden kann In kleineren ländlichen Gemeinden mag allerdings noch kein Bedürfniß für Gewerbegerichte vorhanden sein, aber dem ließe sich leicht abhelfen, wenn das ländliche Gesinde auch unter die Gewerbeordnung gestellt würde. Diese den größten Theil der deutschen Arbeiterschaft ausmachenden Leute stehen heute noch in der Leibeigenschaft im vollsten Sinne des Wortes. In Sachsen besteht sogar noch die Prügelstrafe für das ländliche Gesinde. Der Arbeiter darf sich der Prügelstrafe nur widersetzen, wenn sein Leben in , ist. Die freisinnige Partei will die Initiative der Bevölkerung selbst abwarten, ehe sie zur Errichtung von Gewerbegerichten schreitet. Das ist aber bei der ungenügenden Bildung auf dem Lande nicht u verlangen. Hier in unmittelbarer Nähe von Berlin hat äh sogar ,, daß ein vierzehnjähriger Junge noch nicht ein Wort lesen und schreiben konnte. Wie kann man von solchen Leuten verlangen, daß sie die Initiative in dieser Beziehung ergreifen? Das einzige Mittel ist, die Gewerbe⸗ gerichte obligatorisch * machen. ; .
Abg. Meyer (Berlin): Das ausführliche Eingehen auf die e halt se der landwirthschaftlichen Arbeiter verzögert nur den Abschluß dieses Gesetzes, und ich weiß nicht, ob die Herren, welche diese Anregung gegeben haben, das für wün⸗ schenswerth halten. Bisher ist die Einführung der landwirth⸗ schaftlichen Arbeiter in das Gesetz nicht beantragt. Es ist auch nicht ersichtlich, wohin solche Erörterungen führen sollen, um so weniger, wenn es richtig ist, da ringen Bildung auf dem Lande die Möglichkeit, das Material für Schiedsgerichte zu finden, nicht 2 erleichtert wird. Ich möchte, daß Schiedsgerichte überall eingeführt werden, wo sie möglich sind, und möglich sind sie dort, wo man das Material an geeigneten Streitsachen und an richterlichem Personal hat. Ein Gewerbegericht, das nur im Staats-Hand⸗ buch paradiren soll, ohne etwas n thun zu haben, würde keinen Nutzen haben. Ein Gewerbeschiedsgericht muß aber auch einen strengen lokalen Zusammenhang haben, sonst gehen diejenigen Charakterzüge verloren, die es auszeichnen sollen, die genaue Kenntniß der Sachverhältnisse und die schnelle Entscheidung Wir können nicht weiter gehen, als die Vorlage. Wenn die Gewerbeschiedsgerichte bisher nicht so große Fortschritte gemacht haben, wie es wünschenswerth wäre, so liegt das daran, daß große Schwierigkeiten zu über⸗ winden waren, die in Zukunft ,, werden; es wird an der Hand dieses Gesetzes die Arbeit von wenigen Stunden sein, ein solches Ortsstatut auszuarbeiten. Was der Einführung der Gewerbegerichte im Wege stand, war, daß man nicht recht daran glaubte. Gerade die Verhandlungen in den letzten Jahren haben uns die Ueberzeugung von ihrer Nützlichkeit beigebracht. Wenn in Halberstadt wieder gesagt werden sollte, die Schiedsgerichte wären eine Dial ern f, Einrichtung, so hat man nur nöthig, dieses Gesetz in die
and zu nehmen, und zu sagen: „Es steht aber im Reichs⸗
esetzblatt“. Auch ohne die Einrichtung obligatorischer Schiedsgerichte werden wir dazu kommen, daß diese Gerichte überall, wo sie nothwendig sind, eingeführt werden. Gegen den Antrag Auer erkläre ich mich mit Entschiedenheit. Dagegen befürworte ich den Antrag Eberty. Wenn Hr. von Cuny entgegenhält, da, wo ein Gericht geschaffen wird, welches wirkliche Zwangsgewalt hat, müsse der Staat auch die Normen prüfen, so setze ich dem gegenüber, die Normen sind in diesem 66 gegeben und die Regierung soll auch nach unserem Antrag befugt sein, zu prüfen, ob diese Normen innegehalten sind. Der Justiz⸗ oheit des Staats ist also damit vollständig Genüge ge— eistet. Wir möchten aber eine Garantie dafür haben, daß den Gemeinden nicht Schwierigkeiten in den Weg gelegt werden, die in dem Gesetz keinen Anhaltspunkt haben. Ein wirklich konkretes Beispiel, wie der Staat dazu kommen könnte, einem von den Gemeinden genehmigten und dem Gesetz entsprechenden Statut seine Zustimmung zu versagen, ist bisher nicht vorgeführt worden. Wir haben nur mit der allgemeinen Möglichkeit zu rechnen, daß in einem solchen Statut eine unzweckmäßige Bestimmung enthalten sei, und nach
in Folge der ge⸗
eständniß des Staatssekretärs soll diese Be⸗ jg n nur in kleineren Gemeinden obwalten. Selbst in einem selchen Falle aber hat die Regierung die Möglichkeit, ehe sie die Bee r ertheilt, der Gemeinde zu sagen: wir haben diese denken, überlegt sie euch einmal. Die Ge⸗ meinde, die schlecht berathen war, wird das mit Dank an⸗ nehmen, sie wurde sich ja selbst schaden, wenn fie eigenwillig auf ihrem Willen beharrte. Wenn aber die Gemeinde fagt: wir haben die Bedenken der Regierung in Erwägung gezogen und sind nach bestem Wissen und Gewissen 4 der Ueberzeugung gekommen, daß unsere Vgrschläge zweckmäßiger sind, als die Gegen⸗ vorschläge der Regierung, so wird man sich der Regel nach auch darauf verlassen können, daß die Gemeinde im Recht und die Regierung im Unrecht ist. Wenn der Staats fekretär den Bescheid des Ober⸗Präsidenten an die Stadt Berlin durchliest, dann wird er sich selbst kaum der Ueberzeugung verschließen, daß darin so manche unhaltbare Behauptung fich findet. Der Gemeinde, die hei der Bearbeitung des Statuts sich innerhalb der gesetzlichen Schranken hält, sollte man billigerweise keine k machen. Ich empfehle die Annahme des An⸗
Abg. Dr. Windthorst spricht sich gegen die Anträge Auer und Eberty aus, erklärt aber für seine Person, dem 6 K. . wollen.
urtz bestreitet, daß die Prügelstrafe in der säch⸗ sischen Gesindeordnung eingeführt 6 . .
Staatssekretär Dr. von Boetticher:
Ich halte mich doch für verpflichtet, noch einmal das Wort zu nehmen und auf die Inkonsequenz hinzuweisen, die gegenüber den Vorschriften unserer Gemeindeverfaffungsgesetze in der Annahme des Antrages Harmening liegen würde. Der Herr Vor- redner hat soeben den 5. 11 der Städteordnung für die sechs östlichen Probinzen eitirt und bat garz richtig hervorgehoben,
a. ; . Stadt befugt ist, besondere statutarische Anordnungen zu ber solche Angelegenheiten der Stadtgemeinden, sowie über solche Rechte und Pflichten ihrer Mitglieder, hinsichtlich deren das gegenwärtige Gesetz Verschiedenheiten gestattet, oder keine ausdrück⸗ lichen Bestimmungen enthält.
Meine Herren, der Schlußsatz dieses Paragraphen schreibt aber ausdrücklich vor, daß dergleichen statutarische Anordnungen die Be—⸗ stätigung der Regierung erfordern. Daraus ergiebt sich, daß es ge . meinen Rechtes in Preußen ist, daß Ortestatuten der enn, der Regie rung unterliegen, und daß diese Bestätigung nicht an solche Be. schrãn kungen geknüpft ist, wie sie der Antrag des Hrn. Harmening in Aussicht nimmt, Nun frage ich Sie, liegt Veranlassung vor, in einem Spezialgesetz, wie es das, vorliegende Gesetz über
Antrag), während zur Beschlußfähigkeit 199 Abgeordnete er⸗ n * * zur Beschlußfähig g Schluß 45/4 Uhr.
Rekursentscheidungen, Bescheide und Beschlüsse des Reichs⸗Versicherungsauts.
(839) In einem Ziegeleiofen älterer Konstruktion mit einer jährlichen Produktion von etwa 80 000 Steinen wurden bei dem jedes maligen Brennen der Ziegel einige Schichten Kalksteine auf der Sohle des Ofens miteingesetzt und gebrannt und zwar lediglich zu dem Zwecke, um die unteren Ziegelschichten nicht dem direkten Feuer auszusetzen und dadurch unbrauchbar werden zu lassen. Der auf diese Weise gewonnene Kalk, etwa 80 bis 90 Scheffel jäbrlich, wurde vom Unternehmer verkauft. Das Reichs Versicherungsamt bat durch Besckeid vom 21. April 1880 diesen Betrieb für nicht versicherungs⸗ pflichtig erklärt. Die Ziegelproduktion erreicht nicht die in der Regel als unterste Grenze für die r m,. eines ständigen Ziegeleibetriebes angenommene enge von jährlich 100 0560 bis 200 000 Steinen (vergleiche Bescheid 190, Amtliche Nachrichten des R- V. A. 1886 Seite 160). Andererseits liegt unter den obwaltenden Umständen und bei der nicht erheblichen Quantität des verarbeiteten Materials auch eine gewerbzmäßige Kalkbrennerei' im Sinne des Bescheides 890 (Amtliche Nachrichten des R. V. A. 1885 Seite 366) nicht vor.
(840) Im Anschluß an den Bescheid 127 (. Amtliche Nachrichten des RV. A. 1886 Seite 16) hat das Reichs⸗Versicherungsamt unter dem 9. April 1890 beschloffen, daß Taback⸗ und Cigarrenmachereien, welche nicht mit Motoren betrieben werden, dann, aber auch nur dann, als Fabriken im Sinne des 5. 1 Absatz 1 des Unfallversicherungs⸗ gesetzeg anzusehen sind, wenn der Unternehmer staͤndig mindestens einen fremden Arbeiter beschäftigt, und diese Beschäftigung die Ver⸗ wendung einer vollen Arbeitskraft darstellt.
841.) Eine Berufsgenossenschaft erkannte den Entschädigungs⸗ anspruch eines Arbeiters, welcher einen Unfall erlitten hatte, um deswillen nicht an, weil sie der Meinung war, daß der Betrieb, in welchem der Unfall vorgekommen, zur Zeit desselben nicht versicherungs⸗ pflichtig beziehungsweise nicht zu ihr gehörig gewesen sei, während sie die Versicherungspflichtigkeit von einem späteren Zeitpunkte ab nicht bestritten und den Betrieb von diesem letzteren Zeitpunkte ab in ibr Kataster aufgenommen hatte. Es war die Frage aufgeworfen worden, ob in einem solchen Falle der Streit über die Versicherungs⸗ pflicht und über die berufegenossenschaftliche Zugehörigkeit für die Vergangenheit im Wege des Verfahrens gemäß 5§. 59 Absaß 3 des Unfallversicherungsgesetzes — durch Ertheilung eines förmlichen Be scheides des zuständigen Genossenschaftsorgans — oder nach 5§. 69 Absatz 4 a. a. O. — durch eine Entscheidung der unteren Ver ⸗ waltungsbebörde — jum Austrage zu bringen sei. Das Reichs⸗
schon mit fünf Jahren dazu herangezogen werden und daber viel fach einer Verkümmerung ibrer körperlichen Entwickelung preis⸗ gegeben sind. Zum Theil müssen ja auch Erwachsene diese Arbeit verrichten, doch können dieselben, wenn sie nicht in irgend einer Art und Weise Unterstützungen erhalten, sich davon nicht nähren. Die Frau des Webers muß ebenfalls am Webstuhl arbeiten und verdient während der Zeit, wo ste nicht von den häuslichen Arbeiten in Anspruch genommen ist, einen Wochendurchschnittslohn von zwei Mark fünfzig Pfennigen! Besonders zu bemerken ist auch, daß wir bei unserer Arbeit nicht ununterbrochen beschästigt werden können, bei Ablieferung der fertigen Waare müssen wir oft Tage lang auf die Kette warten, und es ist darum nicht zu hoch gerechnet, wenn wir sagen, daß dadurch jährlich ein Monat unserer Arbeitszeit ver ⸗ soren geht. Unsere Fabrikanten, die ohne Dampfbetrieb ihre Waare fertigen lassen, sind beim besten Willen nicht in der Lage, uns höhere Löhne zahlen und uns ununterbrochen beschäftigen zu können; denn sie finden bei der Ueberfüllung des Weltmarktes fast kein Absatzgebiet mehr. Die theueren Lebensmittel und die Preis- steigerung des Feuerungsmaterials machen bei unserem geringen Ver⸗ dienst das ung so nothwendige Fleisch fast unerreichbar, und es müssen daher Kartoffeln unser Hauptnahrungsmittel bilden.“
In dem weiteren Theil ihrer Petition bitten die Weber um Ge- währung der zur körperlichen und geistigen Erfrischung unbedingt erforderlichen Sonntagsruhen und weisen ferner auf die traurige, durch ihre wirthschaftliche Lage bedingte Nothwendigkeit hin, daß die Kinder, anstatt sich einem lohnenden Handwerk zuzuwenden, sich immer wieder der Handweberei widmen.
Auf einer am 14. Juni in Berlin abgehaltenen Kellner versamm lung wurde der B. B. Ztg. zufolge beschlossen, sich der allgemeinen Arbeiterbewegung ,, und, von diesem Schritt eine Besserung der gedrückten Lage erwartend, Mann für Mann dem Verein Berliner Gastwirths ⸗ Gehülfen“ beizutreten. In gleicher Weise soll in allen größeren Städten vorgegangen und zum Herbst ein Kellnerkongreß einberufen werden zwecks Gründung eines Central⸗Vereins der Kellner Deutschlands. I‚n „Verein Berliner Gastwirthe“ erklärte dagegen der Vorsitzende, daß die Prinzipale, nachdem der Gastwirthsgehulfen⸗ Verein nunmehr ins sozialdemokratische Lager abmarschirt sei, keine Veranlassung hätten, in eine Verbindung mit demselben, sei es auch nur durch Besuch ihrer Versammlungen zu treten.
In Lyon ist ein umfassender Strike der Gasarbeiter aus— gebrochen. Er wurde durch die Entlassung eines Heizers hervor⸗ gerufen. Während die Arbeiter zunächst nur die Wiederanstellung dieses Arbeiters verlangten, bestehen sie jetzt auch auf einer Lohn erhöhung, sodaß Arbeiter aus St. Etienne aufgeboten werden mußten. Auch sollten Soldaten zur Aushülfé herbelgerufen werden. Die Direktion der Gesellschaft hat inzwischen mit aller Bestimmtheit erklärt, daß sie auf die Forderungen der Arbeiter keineswegs eingehen will, da sie sich von diesen in einer durchaus inneren Angelegenheit keine Vorschriften ertheilen lassen will.
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Fin richtung der — gerrer blicher Schiedsgerichte t, Var⸗ schriften zu erlassen, welche den prinziviellen Erfordernissen der allgemeinen Gesetze widerstreiten. Der Antrag Harmening wünscht, daß die Regierung bei der Bestätigung der Ortsstatuten. welche für die Errichtung gewerblicher Schiedsgerichte erlassen werden sollen, nur solche Einwendungen erheben und solche Bedenken geltend machen darf, welche mit irgend einem Gesetz im Widerspruch stehen. Damit wünscht er also ausgeschlossen zu sehen alle diejenigen Bedenken, welche aus Zweckmäßigkeitsrücksichten erhoben werden können, also solche Bedenken, welche nach den allgemeinen Vorschriften der Städte ⸗ ordnung bei der Prüfung von Ortsstatuten uneingeschränkt erhoben werden dürfen.
Nun habe ich bereits in meinem ersten Vortrage Ihnen auks— einanderzusetzen mir erlaubt, daß, wenngleich für eine ganze Reihe von Gemeinden die Frage, ob eine statutarische Festsetzung zweckmäßig ist oder nicht, ruhig und ohne irgend welche Gefahr den Gemeindebehörden überlassen werden darf, doch eine allgemeine Befugniß, ausschließlich über die Zweckmäßigkeit statutarischer Einrichtungen zu befinden, nicht wird eingeräumt werden können. Ich habe Ihnen den Fall konstruirt, daß für eine Provinz ein wohlüberlegtes und begründetes System von gewerblichen Schiedsgerichten von allen übrigen dabei zur Mitwirkung berufenen Organen gebilligt und be⸗ schlossen ist, und daß dann durch einen aus Hartnäckigkeit oder aus irgend welchen untergeordneten und unzutreffenden Rücksichten gefaßten Beschluß einer einzelnen Gemeinde ⸗Vertretung, die vielleicht gar nicht die Tragweite dieses Beschlusses übersieht, ein solches wohlerwogenes System vollständig gestört werden kann. —;
ch habe schon daran erinnert, daß, wenn Sie die Vorschrift er lassen, wie sie Ihnen der Hr. Abg. Eberty vorgeschlagen hat, und dies trifft auch bei dem Vorschlage des Hrn. Abg. Harmening zu, dann gar kein Rechtsmittel, gar keine Remedur dagegen gegeben ist, daß etwas Unzweckmäßiges eingeführt wird.
Meine Herren, die Dinge liegen heutzutage nicht mehr so und werden auch ferner nicht so liegen, daß aus irgend welchen politischen oder aus irgend welchen nicht in der Sache gebotenen Rücksichten die Genehmigung zu einem Statut über die Errichtung eines gewerblichen Schiedsgerichts versagt werden sollte (Widerspruch bei den Sozial⸗ demokraten) — — ja, das ist meine Auffassung; haben Sie eine andere, ich nehme sie Ihnen nicht; aber Ihre ist unrichtig. — Also ich sage, die Dinge liegen nicht mehr so, daß dese Befürch—= tung dazu führen müßte, die von den Hrrn. Abgg. Eberty und Har— mening angestrebte Kautel in diesem Gesetz zu schaffen. .
Ich resümire mich, es ist eine Verletzung des Prinzips der Ge— meindeordnungen, die Ihnen angesonnen wird, und es ist eine Verletzung der Rüäcksichten der Zweckmäßigkeit, welche Sie herbeiführen, wenn Sie diesen Beschluß fassen. Ich kann Sie nur dringend bitten: lehnen Sie den Antrag ab und lassen Sie es bei den sehr wohlerwogenen und in der Kommission gründlich durchberathenen Beschlüssen Ihrer Kommission!
Abg. Eberty: Ich kann nicht finden, daß der Antrag Harmening ein wesentliches Prinzip der Gemeindeordnung durchbricht. In den Fällen, die der Herr Staatssekretär im Auge hat, handelt es sich um Materien, die ge⸗ setzlich nicht geordnet sind. Die Bestimmungen über Gewerbegerichte sind aber hier bis ins Einzelne geregelt. Nur ganz wenige Nebenpunkte sind nicht geordnet. Des— wegen kann man allerdings diese Sache der Selbstverwaltung überlassen. Ist es nicht auch sehr viel, besser, daß in der Gemeinde einmal etwas Unzweckmäßiges beschlossen wird, als wenn Sie hier die autonome Ordnung der Gerichte den Kommunen nicht üherlassen⸗ Wesentlich würde sich, die Sache nach dem Kommissionsbeschlusse so gestalten, daß vielleicht ein Regierungs-Assessor das Statut macht und nachher den Gemeinden zuschickt. Diese Folgen würde es haben, wenn Sie die Bestätigung durch die Aufsichtsbehörde zulassen. Der Reichstag muß an dieser Stelle entscheiden, ob er Ver⸗ trauen zu den Gemeinden hat, ob er ihre Freiheit oder ihre Bevormundung haben will. ;
Damit schließt die Diskussion über §. 1.
Abg. Heine (persönlich: In der sächsischen Gesinde⸗ ordnung heißt es ausdrücklich Scheltworte oder geringe thät⸗ liche Handlungen gegen das Gesinde begründen kein Straf⸗ verfahren und keinen Anspruch auf Genugthuung. In der Regierungsvorlage hieß es, daß das Gesinde über 18 Jahre körperlich nicht gezüchtigt werden darf; die sächsische Landes⸗ vertretung lehnte aber diese Bestimmung ab und setzte die eben erwähnte an deren Stelle.
Bei der Abstimmung über den Antrag Harmening ergiebt sich die Beschlußunfähigkeit des Hauses, da im Ganzen nur 145 Abgeordnete anwesend find (26 für und 69 gegen den
Versicherungsamt hat — entsprechend der in äbnlichen Fällen bereits geübten Praxis — den ersteren Weg als den richtigen angesehen. Der 5§. 55 Absatz 4 a. a. O. enthält eine höchst subsidiäre Bestim ⸗ mung und kommt nur dann zur Anwendung, wenn auf andere Weise eine Entscheidung über den erhobenen Anspruch nicht getroffen werden kann; die Thätigkeit der unteren Verwaltungsbehörde dient dann dazu, die Parteien für das eventuell folgende Verfahren nach §. 55 Absatz 3 a a. O. festzustellen. Eines solchen vorbereitenden Eingreifens der Verwaltungsbehörde bedarf es aber dann nicht, wenn diejenige Berufsgenossenschaft, welche allein in Betracht kommen könnte, schon ohnebin feststeht und nur die ihr angesonnene Ver⸗ pflichtung bestreitet. In diesem Falle ist bei Gelegenheit des Ver⸗= fahrens nach 5. 59 Absatz 3 des Unfallversicherungsgesetzes — eventuell durch das Schiedsgericht oder durch das Reichs ⸗Versicherungsamt in der Rekursinstanz — auch die für die Vergangenheit streitige Frage
der berufsgenossenschaftlichen Zugehörigkeit zu entscheiden. 2.
(842) Im Anschluß an den Bescheid 3390 E- Amtliche Nachrichten des R. V. A. 1887 Seite 135) hat das Reichs- Versicherungsamt unter dem 29. Mai 1890 beschlessen, daß alle Tiefbohrungebetriebe, da sie theils sich als Schürf⸗ arbeiten darstellen, theils diesen ihrer Natur nach am nächsten stehen (5. 37 Absatz 4 des Unfallversicherungsgesetzes), der Steinbruchs Berufsgenossenschaft anzugehören haben. Ausgenommen sind nur solche Tiefbohrungen, die wegen der knappschaftlichen Organisation ihrer Arbeiter zur Knappschafts⸗Berufsgenossenschaft gehören, sowie die⸗ jenigen, welche sich überwiegend auf die Ausführung von Brunnen arbeiten erstrecken und deshalb in das Kataster der örtlich zuständigen Bau gewerkz⸗Berufsgenossenschaft aufzunehmen sind.
Statistik und Volkswirthschaft.
Zur Arbeiterbewegung.
In einer am 14. Juni in Sachen des Malerstrikes abge⸗ haltenen Malermeister Versammlung in Magdeburg theilte, wie die „Magd. Ztg. schreibt, der Vorsitzende mit, daß es wahrscheinlich die letzte Messterversammlung in dieser Angelegenheit sei, da durch die öffentliche Erklärung der Gehülfen, sie hätten den Strike vertagt, derselbe thatsächlich erloschen sei. Die Bewegung habe die Meister wieder einmal gelehrt, wie nothwendig ein einheitliches Zusammen—⸗ stehen sei, um ungerechtfertigten Forderungen und Umwälzungs⸗ bestrebungen eatgegenzutreten.
In der am 13. Juni in Leipzig einberufenen allgemeinen Metallarbeiter Versammlung wurde, wie die Leipz. Ztg.“ mit⸗ theilt, Bericht über den Verlauf des vom 26. bis 31. Mai in Weimar abgehaltenen Metal larbeiter⸗Kongresses erstattet, über dessen Verhandlungen schon in Nr. 132 des R. und StA‘ berichtet ist. Die Versammlung erklärte sich mit allen Kongreßbeschlüssen einver⸗ standen und beschloß die Verbreitung eines Flugblattes, um das Publikum über den Hamburger Ausstand aufzuklären. Hieran schloß sich ein kurzer Bericht über den zu gleicher Zeit mit y,, Kongreß der Metallarbeiter in Weimar abgehaltenen Schlosser⸗ Kongreß, welcher von 58 Delegirten aus 45 Orten besucht war und auf welchem nur beschlossen wurde, eine allgemeine Metallarbeiter Union anzustreben.
In Köln wurde am 12. Juni, der „Köln. Ztg. zufolge, eine Dachdecker⸗ und Bauklempner-⸗Versammlung abgehalten. Unlängst war in einer hiesigen größeren Werkstelle die Arbeit ein
estellt worden. Die Gesellen einer anderen großen Werk⸗
elle baben nunmehr die Arbeit auch niedergelegt, weil sie theilweise dem Meister der erstern helfen sollten. Man be— schloß, daß die Lohnkommission mit den feiernden Gesellen zu dem be treffenden Meister gehen und ihm ein Schriftstück zur Unterschrift vorlegen solle, worin derselbe sich verpflichtet, die Gesellen sämmtlich wieder einzustellen und nur an selbst übernommenen Bauten arbeiten zu lassen. Wenn die Unterschrift nicht erfolgt, so will man weiter feiern. In der ersteren Werkstelle will man die Arbeit nicht eher wieder aufnehmen, bis die betreffenden Gesellen wieder ein⸗ gestellt sind. . ;
Der Feilenfabrikanten⸗ Verein in Remscheid hat, W. T. B.“ zufolge, in einer am 14. Juni stattgehabten zahlreich befuchten Versammlung die von den ausständigen Feilenhauern gefor⸗ derte Erhöhung des Hautarifs abgelehnt und beschlossen, bis auf Weiteres den Feilenhauern keine Feilen mehr zu geben.
Die 26 0d schlesischen Weber im Eulengebirge haben sich, wie die Nat. Itg. mittheilt, mit einer Petition an Se. Majestaät den Kaifer gewandt, in der es u. A. folgendermaßen heißt:; „Die Löhne sind so weit beruntergedrückt worden, daß ein Weber der Hausindustrie bei täglich vierzehnstündiger Arbeitszeit einen wöchent⸗ sichen Durchschnittslohn von nur fünf Mark — auch noch darunter — verdient; daron fallen noch do bis 60 auf Spuler lohn ab. Das Spulen ist meist Beschäftigung der Kinder, welche
Errichtung von Hausbfattungsfchuten-=
Die Bestrebungen, welche darauf gerichtet sind, den heran wachsenden Töchtern der bäuerlichen Bevölkerung und dec Arbeiter⸗ bevölkerung, welche im elterlichen Hause keine genügende Anleitung für die Verrichtungen des Haushalts empfangen, diese Anleitung in Haushaltungsschulen zu geben, haben im Regierungsbezirk Aachen schon seit Jabren Anhänger und Förderer gefunden. In St. Vith im Kreise Malmedy besteht schon seit mehreren Jahren eine solche — von dem Aachener Verein zur Beförderung der Arbeitsamkeit mit erheblichen Zuwendungen unterstützte — Anstalt speziell für Bauerntöchter. Eine ähnliche Anstalt in der Stadt Aachen läßt sich besonders die Unterweisung der jungen Fabrikarbeiterinnen angelegen sein. In Düren haben neuerdings die Erben des Hrn. Oskar Schnell dem dortigen vaterländischen Frauen ⸗Verein Behufs Gründung und Unterhaltung einer Hausbaltungsschule eine Summe von 60 060 M zur Verfügung gestellt.
Kunft und Wissenschaft.
Dem Königlichen Museum für Völkerkunde ist wie die ‚Nat.-Ztg.“ mittheilt, durch Vermittelung des Staats Ministers Dr. von Goßler eine bedeutende ethnographische Sammlung aus Marokko, welche Premier Lieutenant 4. D. M. Quedenfeldt von seiner letzten Reise im Sultanat mitgebracht hatte, und die dann in den Besitz des Direktors Dr. Richter in Pankow übergegangen war, von Letzterem als Geschenk überwiesen worden. ie Samm⸗ lung umfaßt etwa 400 verschiedene Gegenstände aus allen Zweigen dortiger Gewerbthätigkeit, wie: Töpferei, Waffenfabrikation, Flechtereien aus Ssär (Binsengras) und Palmattogebüsch, Weberei, ferner Fischerei⸗ und Jagdgeräthe, Musikinstrumente u. s. w. in einer großen Zabl von Exemplaren, und zeichnet sich besonders durch eine genaue, fachgemäße Bestimmung, Angaben über Herkunft, Gebrauch und Herstellungs art 2c. aus, welche den wissenschaftlichen Werth dieser an und für sich werthvollen Sammlung noch um Vieles erhöhen. Diese und die fchon früher von Kapitän Zembsch und Premier ⸗Lieutenant Queden⸗ seldt auf ihren Reisen im Sultanat Marokko zusammengebrachten bedeutenden Bestände in ihrer Vereinigung dürften unsere Berliner marokkanische Sammlung neben der Pariser zu der hervorragendsten des Festlandes machen. Außerdem hat Premier ⸗ Lieutenant a. D. W. Rottenburg, der jetzt im Dienst des Sultans von Marokko dort Küstenbefestigungen anlegt, vor Kurzem dem Museum besonders wichtige Stucke, darunter ein seltenes Marterwerkzeug einer der selbst⸗ quälerischen Sekten, als Geschenk zugewandt. Bisher hat leider wegen vorläufigen Platzmangels von diesen neu erworbenen Schätzen noch nicht viel ausgestellt werden können.
— Am 13. d. M. eröffnete das Königliche Kunstgewerbe—⸗ Museum im Lichtbof eine Ausstellung von Skizzen, Studien und Aufnahmen des Architekten Rohde und des Malers Seliger. Die von Rhode ausgestellten Blätter umfassen die verschiedenartigsten Darstellungen russischer Dekoration und Kleinkunst, zu denen als Er⸗ gänzung Photographien und andere Abbildungen aus dem Besitz des Museums herangezogen wurden. Die Kollektion des alers Seliger, eines ehemaligen Stipendiaten des Museumd, setzt sich aus figürlichen, landschaftlichen, Thier- und Pflanzenstudien verschiedenster Art sowie aus Aufnahmen von Wandmalereien und Innendekorationen aus Italien und aus dem in reichstem Rococo dekorirten Schloß Bruchsal zusammen.
— Der ‚Augsb. Abendzeitung. wird aus München berichtet: Im Atelier des Erzgießerei ⸗Direktors F. von Miller ist jetzt das Hülfsmodell fim Kaiserdenkmal in Metz fertig gestellt. Auf einem Steinsockel erhebt sich die 5 m hohe Reiterstatue in Erz, Kaiser Wilhelm J. in Feldzugsuniform mit dem Mantel darüber, die Rechte jum Gruß ausstreckend mit hoheitsvollen, freundlichen Mienen, wie der zurückkehrende Sieger etwa den Willkomm des jubelnden Volkes , , oder wie er den wiedergewonnenen Provinzen die Hand zum Frieden bietet. Es ist ein glücklicher Gedanke, bei dem Denkmal für die lothringische Grenzstadt in der soldatischen Erscheinung des Kaisers weniger den sieggewohnten Helden, als den milden, von der Liebe des Volks beglückten Herrscher hervortreten zu lassen. Das Kaiserbildniß ist von großer Lebenswahrheit, die ganze Auffassung edel und monumental. Am Sockel, werden auf beiden Langseiten Erz⸗ reliefs angebracht, das eine die Bewillkommnung des Kaisers Wil⸗ helm und des Kronprinzen Friedrich beim Besuch in den Reichslanden darstellend, das andere den Kronprinzen mit seinem Stab in Mitte der zur Schlacht vorrückenden Truppen; an der im Halbrund aus gebogenen Vorderseite die Kaiserkrone von zwei Genien getragen mit Schild und Inschrift.“ J z
— (CEtrbl. d. Byw.) In der Preisbewerbung für ein Kaiser Wilhelm ⸗Denkmal in Köln ist, die Entscheidung getroffan worden. Den erften Preis erhielt Bildbauer R. Anders in Berlin, den zweiten Bildhauer W. Albermann in Köln; die drei dritten 5. wurden den Bildhauern Buscher ⸗Düsseldorf, Kühn u.
allinger⸗München und einem Verfasser zu Theil, der sich bis jetzt noch nicht genannt hat.