1890 / 149 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 21 Jun 1890 18:00:01 GMT) scan diff

ohne daß eine Kollision bisher vorgekommen ist. Der Abg. Auer hat zugegeben, daß in Hamburg den Innungsmeistern das Ehrenwort abverlangt worden ist, nicht mehr zu einer Innung zu gehören. Er hat auch zugeben müssen, was ich über den Zimmerstrike in München gesagt habe, und wenn der Abg. Auer nicht erfahren konnte, daß eine Strikekommission der Arbeiter den Meistern dik— tiren wollte, sie dürften während der Mittags und Frühstückspause nicht in die Werkstätte kommen, so * er sich in Hamburg schlecht umgesehen. (Ruf bei den Sozialdemokraten: Namen nennen) Fragen Sie doch nach in Hamburg! (Aktenstücke) Das steht in den Akten natürlich nicht drin. Hr. Auer hat dann mit Entrüstung behauptet, die Innungsmeister wollten mit den Strikekommissionen nicht unterhandeln. Die Meister unterhandeln allerdings nicht mit solchen Strikekommissionen, die aus sozialdemokratischen Führern bestehen, die gar nicht zu dem betreffenden Gewerbe gehören. Mit Strikekommissionen aus dem Gewerbe selbst haben die Meister immer verhandelt. Hr. Auer behauptete endlich, ich bezahlte in meinem Geschäfte nicht zu viel. Ich konstatire, daß in einer sozialistischen Versammlung ein Sozialdemokrat konstatirt hat, daß ich der beste Bezahler in München bin. . ;

Abg. von Kleist-Retzow: Ich will Sie nicht weiter mit dem Strike in Hamburg unterhalten, sondern bei der Sache bleiben, auf die der Abg. Auer erst im letzten Theil seiner Rede zurückkam. Der Sozialdemokratie paßt die Hebung und Ordnung des Handwerks natürlich nicht. Und darnach müssen die Redner von Links beurtheilt werden. Unser Hand— werkerstand ist durch das Eindringen der Industrie geschädigt, wie der Reichstag in seiner Majorität selbst anerkannt hat. Der Handwerkerstand besteht aus lauter ärmeren Personen, im Gegensatz zu den großen Industrie⸗Unternehmern und großen Grund oesitzern. Diese Schädigungen des Handwerks können wir nur dadurch bekämpfen, daß wir die korporativen Ver— bände des Handwerks, die Innungen, kräftigen. Das ist von solcher Bedeutung, wie irgend etwas im Deutschen Reich. Wir müssen den Mittelstand wiederherstellen, in welchem die Unter— nehmer aus eigentlichen Arbeitern hervorgehen. Am 20. Januar hat der Kaiser bei der Rede, mit welcher er den Reichstag schloß, seiner Freude darüber Ausdruck gegeben, daß der Reichstag dem an,, Hülfe geleistet habe durch die Gesetzgebung. a können wir doch nicht fünf Monate hinterher von anz entgegengesetzten Prinzipien ausgehen. Es handelt sich ier nicht um ein neu einzuführendes Privilegium, sondern um die Erhaltung eines bestehenden Rechts. An der Be— rufung braucht man sich nicht zu stoß en, denn in den meisten Fällen wird sie nicht stattfinden, da es sich um ganz einfache Sachen handelt. Die Schnelligkeit und Leichtigkeit des Ver— fahrens wird durch die Berufung nicht verhindert werden. Es kommen aber immerhin Sachen vor, in welchen schwierige Rechtsfragen zu entscheiden sind, und da ist die Berufung nothwendig und für die betroffenen Personen von höchster Bedeutung.

Geheimer Ober-Regierungs-Rath Lohmann: Der Abg. Meyer hat behauptet, die Vertreter der Regierung hätten zu den Anträgen von der linken Seite eine kühle und oft sogar erbitterte Stellung eingenommen, während sie gegenüber den Anträgen von der anderen Seite eine wohlwollende Zurück— haltung beobachtet hätten. Ich muß das bezüglich der Kom— missionsverhandlungen in Abrede stellen; von einem Freunde des Abg. Meyer haben wir sogar einen ausdrücklichen Dank entgegenzunehmen gehabt, daß wir uns so wohlwollend und entgegenkommend in der Frage über die Bestätigung des Vorsitzen⸗ den verhalten hätten. Wenn wir uns sonst zu den Anträgen passiv verhalten haben, so hat das seinen guten Grund. In der Kommission vertraten wir die Vorlage der Regierung und haben den Kommissionsantrag bekämpft. Als er aber beschlossen war, haben wir das Unsrige gethan, um ihm eine Fassung zu geben, die den Absichten der Antragsteller entsprach. Wir haben von vornherein den Standpunkt der Regierung vertreten, bei dieser Gelegenheit die Frage des Verhältnisses der Innungen überhaupt nicht anzuschneiden und es bei dem bestehenden Rechte zu lassen. Nach der Gewerbeordnung sind die Innungen verpflichtet, Streitigkeiten zwischen Meistern und Lehrlingen an Stelle der Gemeindebehörden zu ent— schsiden. Also nur da, wo die Gemeindebehörde über diese Streitigkeiten eine Entscheidung hat, hat die Innung ihrerseits zu entscheiden. Wo die Gemeindebehörde keine Ent⸗ scheidung hat, hat sie auch die Innung nicht; und das ist überall der Fall, wo gewerbliche Schiedsgerichte auf Grund der Ge— werbeordnung errichtet sind. Die Regierungsvorlage wollte diesen Zustand aufrecht erhalten, und die Folge wäre gewesen, daß die Innungen da, wo ein Gewerbegericht auf Grund des vorliegenden Gesetzes entstanden wäre, die Entscheidung über Streitigteiten eines Lehrlings und Meisters nicht mehr gehabt hätten. Was das Verhältniß zwischen Meistern und Gesellen betrifft, so bestimmt die Gewerbeordnung, daß es den Innungen nicht zusteht, solche Schiedsgerichte zu errichten, welche Streitig—⸗ keiten zwischen Meistern und Gesellen an Stelle der sonst zu— ständigen Behörden zu entscheiden haben. Wenn im jetzigen Gesetze nichts gesagt wäre, so könnten auch künftig die Innungen da, wo gewerbliche Gerichte auf Grund des neuen Gesetzes errichtet werden, durch ihre Innungs-Schiedsgerichte über diese Streitigkeiten entscheiden lassen. Nachdem . die Aenderung vorgeschlagen war, mußten wir uns sagen, daß es allerdings mehr angezeigt sei, die Entscheidungen über Streitig— keiten zwischen Meistern und Lehrlingen den Innungen zu belassen, als über diejenigen zwischen Meistern und Gesellen. Das ist dieselbe Rücksicht, die im Antrag Eberty genommen ist. Diese Umstände veranlaßten uns, unseren Anfangs er— hobenen Widerspruch gegen den in der Kommission gestellten

Antrag aufzugeben und bei der Redaktion des selben behülflich zu sein. Gegen die Anträge von der linken Seite, die in der Kommission angenommen worden, haben wir rechts das— selbe Verhalten beobachtet.

Abg. Miquel: Ich kann nur bezeugen, daß die Regie— rungskommissare sich auch solchen Anträgen gegenüber ent— gegenkommend verhalten haben, die , von der Regie⸗ rungsvorlage abweichen. Der 26 von Kleist vertheidigt sonst seine Ansicht stets mit guten Gründen und der größten Beredsamkeit. Wenn heute seine Gründe sehr schwach waren, so bin ich überzeugt, daß das nur in der Sache selbst liegt. Es handelt sich nicht um Aufrechterhaltung des bestehenden Rechts der Innung, wie der Kommissar des Bundesraths eben ausgeführt hat, sondern um die Erweiterung der Zustän— digkeit der Innung bezüglich der Verhältnisse zwischen den Meistern und Lehrlingen. Hr. von Kleist thut so, als ob

für die Bedeutng des korporativen Zusammenschlusses des Handwerks und für die berufsgenossen chaftliche Entwickelung hätten. Ich habe längst für diesen berufsgenossenschaftlichen rn , nn, gewirkt, ehe die Innungen irgend welche rivilegien hatten. Ich habe die . gemacht, daß, wenn nur Kraft und Einsicht im Handwerkerstand und Opfer⸗ freudigkeit für den Beruf vorhanden ist, solche Privilegien nicht nöthig sind. Die Frage ist allein die, sind die Bestim⸗ mungen der Kommission im wahren Interesse des Handwerks und der Innungsbewegung? Und wenn Sie diese Frage bejahen, dann stelle ich die andere Frage, find ie berechtigt, dem ganzen Inhalt der Vorlage gegenüber? Die Vorlage steht auf der Basis der vollen Gleichberechtigung von Meistern und Gehülfen, von Arbeitgebern und Arbeitnehmern bei den Wahlen zu den Ge— richten Der Grad von Abhängigkeit aber der naturgemäß in dem Verhältniß von Arbeitern und Arbeitgebern liegt, dauert in viel stärkerem Grade in den Innungsgerichten fort als in den modernen Gewerbeschiedsgerichten. Das ist das, was den Keim des Mißtrauens gegen die Objektivität der Gerichte aufs Neue und in stärkerer Weise als vorher in die Arbeiterkreise hineinträgt. Dies will ich vermeiden. Wie ich den Innungen die Vertretung ihrer gewerblichen Interessen gönne, so thue ich es auch den Arbeitern gegenüber. Nichts ist bedenklicher, als heute, wo man die Stellung der Arbeiter anerkennt, wo man begreift, daß die soziale Frage keineswegs blos eine Magenfrage, sondern eine Ehrenfrage ist, diesen Standpunkt zu verkennen und eine Bestimmung zu treffen, die mehr Nachtheil als Vortheil bringt. ö Abg. Böckel: Ich bin gegen jede Beschränkung der Innungsbefugnisse, also auch für die Zuständigkeit der Innungs— schiedsgerichte. Die Innungen würden sonst in der öffent⸗ lichen Miinung und in ihrer ganzen Verfassung auf das Empfindlichste geschädigt werden. Daß es bei den Innungen in mancher Beziehung besser werden kann, ist nicht zu verkennen, die Handwerkerbewegung hat bisher noch zu viel von der Hülfe des Stagts erwartet; wenn sie sich erst mehr auf ihre eigene Kraft stützt, wird sie auch besser vorwärts kommen. Wir sind erst dann im Stande, uns gegen die Umsturzbestrebungen zu schützen, wenn wir den Mittelstand erhalten. Die Sozialdemokratie bekämpft nicht bloß die Innungen, sondern auch den Bauern— verein, die antisemitische Bewegung und alle übrigen auf die Erhaltung des Mittelstandes gerichteten Bestrebungen. Ihr Ziel ist die Pulverisirung und die Vereinigung der Macht in wenigen Händen. Mit wenigen glauben sie dann leichter fertig zu werden. Die Sozialdemokraten nehmen sogar Geld von der Börse für ihre Wahlen. Das ist von Ihren eigenen Abgeordneten zugegeben worden. Sie nehmen Geld aus Gründergewinn. Sie wollen erst den Mittelstand ruiniren, dann hoffen sie auch das Kapital vernichten zu können. Dahin hat sich erst jüngst die „Volkstribüne“ ausgesprochen. Mit der Annahme des 5. 72 thun wir ein gutes Werk, nicht nur im Interesse der Innungen, sondern auch des Handwerker⸗ standes und des Staats. Damit bekämpfen wir am wirk— samsten die Bestrebungen der Sozialdemokratie.

Abg. Bebel: Der Abg. Böckel hat eine Reihe von An⸗ klagen gegen uns gerichtet, die ich als Lügen bezeichnen ,,

Präsident von Levetzow: Ich muß den Ausdruck „Lüge“ mit Bezug auf einen Abgeordneten entschieden verweisen und rufe den Abg. Bebel zur Ordnung.

Abg. Bebel (fortfahren): Wenn Sie den Satz mich hätten vollenden lassen, so ...

Präsident von Levetzow: Es war nichts weiter ab⸗ zuwarten.

Abg. Bebel (fortfahren): Behauptungen oder lügen⸗ hafte Behauptungen, wollte ich sagen, die in der Presse als solche erschienen find, wobei ich allerdings von der Voraus— setzung ausgehe, daß der Abg. Böckel sie als Wahrheit ansehen zu müssen glaubt .. ..

Präsident von Levetzow: Wenn das auszusprechen wirklich Ihre Absicht war, so liegt die Sache anders.

Abg. Bebel (fortfahrend): Das war wirklich meine Ab— sicht. Ich bin nicht gewillt, ein Mitglied in der Weise zu beleidigen. Es sind ja dieselben Anklagen, die seit geraumer Zeit in der Presse gegen uns erhoben worden sind, und zu denen wir den unschuldigen Anlaß insofern gegeben haben, als wir in den Quittungsnachweisen, die wir regelmäßig ver— öffentlichten, sehr namhafte Summen unter der Bezeichnung „Gründergewinne von norddeutschen Banquiers?“ aufgeführt haben. Ich war mir vollständig bewußt, was diese Bemerkung für eine Folge haben würde. Die Herren Antisemiten sind auf den Leim gegangen und haben angenommen, daß es sich um Beträge von der Börse und insbesondere von Juden an der Börse handelte. So bedeutend Ihnen diese Summen er— scheinen mogen es handelt sich in dem einen Falle um 25000 MS und um 20000 im anderen —, Pfennig für Pfennig sind es Arbeiterbeiträge. Dafür bürge ich mit meinem Ehrenwort. Sie sind von Arbeitern aufgebracht und zwar von Arbeitern einer Stadt. Das weiß meine ganze Fraktion. Nur weil wir sehen wollten, was eine solche Bezeichnung von Sammlungen auf gewisse Kreise für eine Wirkung ausübt, haben wir sie gewählt. Die ganzen, Ihnen solch Erstaunen erweckenden Beiträge gehen nie und nirgends von Leuten aus, die direkt oder indirekt mit der Börse zu thun haben, alle Beiträge gehören dem allerengsten Parteikreise an. Die Summen sind mehr oder weniger die Folgen von Sammlungen, welche Parteigenossen in ihren Kreisen vorgenommen haben. Damit glaube ich die Ver— dächtigung, als stände die Sozialdemokratie im Dienste der Börse, zurückgewiesen zu haben. Es ist doch unzweifelhaft, daß, wenn die Sozialdemokratie ans Ruder käme, es Niemand schlechter hätte als die Börse, daß unsere ganze Agitation darauf aufgebaut ist, der Kapitalmacht ein Ziel zu setzen. Wir sind fest überzeugt, daß, was Sie immer auf dem Boden der Innungen gethan haben und thun mögen, nicht im Allergeringsten im Stande ist, den Unter— gang des kleinen Handwerks auch nur um einen Tag aufzuhalten. Und gerade, weil wir diese Ueber⸗ zeugung haben, bekämpfen wir diese Bestrebungen als auf Täuschung des kleinen Handwerks ausgehend. Wir suchen den kleinen Handwerkern klarzumachen, daß das, was ihre sogenannten Freunde auf dem Boden der Innungsbewegung zu erlangen suchen, ein Schlag ins Wasser ist. Thatsächlich ist auch in den langen Jahren materiell, kein Vortheil dabei für das Handwerk herausgekommen. Die Erkenntniß von der Unfruchtbarkeit dieser Bestrebungen macht sich auch in Hand⸗ werkerkreisen immer mehr bemerkbar. Wer glaubt, daß man

des Handwerks, wie sie im dreizehnten und fünfzehnten Jahrhundert bestanden haben, herbeiführen könne, hat von dem wirklichen Stande der Dinge und von der Entwickelung der Dinge nicht die geringste Ahnung. Ein zweiter Grund, der uns bestimmt, den . scharf zu Leibe zu gehen, ist der, daß die Innungen mehr als jede andere kapitalistische Organisation die ausge⸗ sprochensten Feinde der Arbeiter und der selbständigen Arbeiter⸗ bestrebungen sind. Diese Erfahrung haben wir wenigstens bisher gemacht. Wenn im Allgemeinen jetzt ein keineswegs friedferliges Verhältniß zwischen Arbeitern und Arbeitgebern besteht, so ist es innerhalb der Innungen das denkbar unfried⸗ fertigste. Weil eben der Innungsmeister fühlt, daß er gegen⸗ über der Macht des Großkapitals wehrlos ist, wendet er die ganze Schale seines Zornes, der Unzufriedenheit und der Erbitterung gegen die Arbeiter und sucht aus deren Arbeitskraft möglichst viel herauszuschinden. Sie werden mit der Kommissionsfassung nichts weiter erreichen als daß Sie die Lage des kleinen Handwerkerstandes, soweit er in den Innungen vereinigt ist, verschlechtern. Die Arbeiter sehnen sich auch gar nicht danach, bei einem kleinen Meister e arbeiten, sondern streben lieber, in eine gut bezahlte Fabrikstätte zu kommen, weil dort eine eregelte Ordnung, Arbeitsweise und günstigere Lebens⸗ , vorhanden sind. Je unerträglicher Sie das Ver⸗ hältniß zwischen den Innungsmeistern und Arbeitern schaffen, um ss mehr ziehen sich die n, von dem Handwerk zurück. Der Abg. Biehl, der selbst Innungsmeister ist und mitten im praktischen Leben steht, müssen, daß, wenn auf irgend einem Gebiete, es dem kleinen Unternehmer schwer fällt, ordentliche Arbeiter u finden. Wenn Sie mit Ihren Innungsbestrebungen uns gn und dem Handwerk nützen zu können glauben, so täuschen Sie sich nach beiden Seiten. Wie wir heute bereits einen sehr namhaften Theil der kleinen Handwerker in unseren Reihen zählen, so wird die Ueberzeugung von der vollständigen Unhaltbarkeit der Stellung des kleinen Hand— werks und der vollständigen Nutzlosigkeit der Gesetzgebung, sie zu stützen, das Handwerk immer mehr auf unsere Seite treiben. Nur die Rücksicht auf Ihre bisherige Stellung zum kleinen i e,, bestimmt Sie, an dem 8. 72 festzuhalten, der im zrunde auch nach Ihrer Meinung einen unhaltbaren Zustand herbeiführt. Sie werden vielmehr die Sozialdemokratie, die Sie hassen und fürchten, durch solche Maßregeln statt zu schwächen nur stärken.

Abg. Böckel: Dafür, daß die Sozialdemokratie der Börse nicht zu Leibe geht, erinnere ich Sie an die Pariser Kommune, die vor Rothschild Halt gemacht hat. Was wollen Sie, wenn die ganze bestehende Ordnung zu Grunde ginge, an ihre Stelle setzen? Geben Sie uns doch ein deutliches klares Bild von Ihren sozialistischen Plänen. Sie sagen, die Innung habe nichts erreicht. Was haben Sie erreicht? Dann bezeichnen Sie die Innungen als Feinde der Arbeiter. Wenn die Sozialdemokraten fortwährend gegen die Innungen agitiren, so ergreifen ihrerseits die Innungen nur die Nothwehr. Die Anfälle der Sozialdemokratie sind für uns erst recht ein Sporn, sie zu bekämpfen. Hr. Bebel meint, wir fürchten die Sozialdemokratie. Kommen Sie nur hin, wo noch ein besserer Bauernstand und Handwerkerstand ist, da fürchtet man Sie nicht, da ist man bereit, den Kampf gegen Sie aufzunehmen.

Die Diskussion wird geschlossen.

In der Abstimmung uber §. 12 wird gegen die Stimmen der Konservativen der Antrag Porsch angenommen, daß die Wahlberechtigung schon nach einjährigem Aufenthalt eintreten soll; der Antrag, daß auch die weiblichen Arbeiter wahl— berechtigt sein sollen, wird in namentlicher Abstimmung gegen die Stimmen der Sozialdemokraten, Volkepartei, der Freisinnigen mit Ausnahme der Abgg. Koch, Uhlen⸗ dorff und Witte und der Antisemiten mit Ausnahme von Liebermann's abgelehnt und zwar mit 157 gegen 79 Stimmen. Der Antrag, das Alter der Wahlfähigkeit auf das vollendete 21. Lebensjahr herabzusetzen, wird gegen die Stimmen der . der Volkspartei und der Freisinnigen ab— gelehnt.

Mit der Aenderung Porsch gelangt der 5. 12 im Ganzen zur Annahme.

Die Anträge Eberty zu 5 114 Stimmen abgelehnt, §. 73 genommen.

Schluß 53 Uhr.

wird mir bestätigen

27 werden mit 122 gegen darauf un verändert an⸗

Eisenbabn Verordnungs⸗ Blatt. Herausgegeben im Königlichen Ministerium der öffentlichen Arbeiten. Nr. 14. Inhalt: Verordnung, betreffend Ergänzung des §. 35 der Militär Transport Ordnung für Eisenbahnen im Frieden (Friedens · Transport · Ordnung). Vom 26. Mai 1890. (R. G. S. 71) Allerhöchste Konzessions ⸗Urkunde, betreffend den Bau und Betrieb einer Eisenbabn von Ronsdorf nach Müngsten durch die Ronsdorf— Müngstener Gisenbahn-Gesellschaft. Vom 18. November 1839. Erlasse des Ministers der öffentlichen Arbeiten: vom 29. Mai 1890, betreffend Anwendung der Instruktion für das Central⸗Wagen⸗ Abrechnungsbureau und der Vorschriften über die gemeinschaftliche Wagenbenutzung der Staatsbahnen u. s. w. auf die Schleswig ⸗Hol⸗ steinische Marschbahn, Westholsteinische, Unterelbesche und Werns⸗ hausen Schmalkaldener Eisenbabn; vom 2. Juni 1890, betreffend Abänderung des §. 385 des Betriebs-⸗Reglements für die Eisenbabnen Deutschlands sowie der Anlage D. zu diesem Reglement.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Die statutarische Bestimmung einer geschlossenen Gesell⸗ schaft (erlaubten Privatgesellschaft)R, wonach die Ausschließung eines Mitgliedes wegen unehrenbafter Handlungen erfolgen kann, ist, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, IV. Civil- senatz, vom 20. März 1890, im Geltungsbereich des Preußischen Allgemeinen Landrechts gültig; die Ausschließung kann demnach er⸗ folgen, auch wenn die unehrenbafte Handlung keine Zuwiderhandlung gegen den gemeinsam en Zweck der Gesellschaft enthätl. Als un= ehrenhafte Handlung eines Gesellschaftsmitgliedes kann die von ihm bewirkte Veröffentlichung eines die Gesellschaft beleidigenden Artikelss in einer Zeitung erachtet werden.

wir kein Interesse für das Wohlergehen des kleineren Ge⸗ werbes und Handwerkerstandes und kein richtiges Verständniß

wennn ö

im 19. Jahrhundert mit irgend welchen Mitteln Zustände

; Zweite Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

M 149.

Berlin, Sonnabend, den 21. Juni

1890.

Die Bekämpfung der Reblauskrankheit.

Nach der soeben fertiggestellten zwölften Denkschrift über di Sekãmpfung der Reblauskrantheit sind in n, , . bis zum Schlusse des Etatsjahrs 1888/89 bejw. des Jahres 1889 , w 2518 527,83 S6 an Kosten

ndet worden. m Jahre 9 i ĩ der . 391 445, 49 4 J

Vie Hoffnung, daß es gelingen werde, den Schädling voll: vernichten, kann nach den Erfahrungen, welche man * Ergee 36. 3 gemacht hat, sestgehalten werden. Allerdings giebt die weitere Ver⸗ breit ung der Reblaus in der preußischen Prorinz Sachsen zu Besorg⸗ nissen Veranlassung, indessen dürfte die Entschiedenheit, mit welcher K 5 . endlich doch zum Ziele führen.

en gegenwärtigen Stand der Krankheit Denkschrif Folgendes zu entnehmen: J 3363

In der Rheinprovinz sind bei der Revision der älteren Herde (im Jahre 1888.89) Rebläuse nirgends ermittelt worden, selbst er. von abgestorbenen Thieren wurden nur selten gefunden. An neuen Derden wurden im linksrheinischen Gebiet 74 kranke Sto. mit einem Flächeninhalt von 42.40 a und in dem rechtsrheini⸗ schen Gebiet 175 kranke Stöcke mit einem Flächeninhalt von 107,68 a aufgefunden. Aus den bisherigen Erfahrungen scheint her⸗ borzugehen, daß die Behandlung eines verfeuchten Geländes mit Schwefel kohlenstoff und Petroleum im Allgemeinen größere Sicherheit . als . welches nur ausnahmsweife bei werem undurchlässigen Boden und bei sehr naff ĩ anzu- ee 14 ö t nasser Witterung anzu In; der Provinz Hessen⸗Nassau haben die Reblausarbeiten ein befriedigendes Resultat ergeben. Zwei infizsirte Wurʒelsysteme, welche bei iner Revifion aufgefunden würden, sind als neue Jufektion nicht anzusehen. Die Wurzeln rührten von Rebstöcken her, welche ror Jahren don ihrem Besitzer ausgehauen worden waren, nd sint , ,. ö en,. nicht sichtbar waren, bei der Desinfek— n jenes Herdes der Entdeckung und Vernichtun tg n k . nicht ermittelt. 1 Dagegen hat die Reblaus in der Provinz Sachsen große Fortschritte gemacht. Während im Jahr 1585 nur 5 neue 3. ,, . 26 beläuft sich die Zahl der im Jahre 1889 ermittelten Herde auf 1566 mit 3920 kranken Stöcken u it ei Flächeninhalt von 3 ha 80 a 29 am. ,, , ,

Ihm Königreich Sachsen wurden bei der isi

älteren Herde innerbalb, derselben oder in un n ng . 3 Infektionen entdeckt. Diese Stellen sind gründlich mit Schweefelkoh len stoff und Petroleum behandelt worden, so daß hiermit die Haupt⸗ infektion des Weingebiets der Lößnitz als beseitigt angesehen werden kann, Weiter wurden bei der weiteren Untersuchung der bisher un— , . , ö . er,. mit einem Flächeninhalt

2 4m und 35 kranken Reben aufgefunden. Hier aus- schließlich mit Petroleum des infizirt. . Im Königreich Württemberg wurden bei der Revision der ãlteren Herde nur wenige Stockausschläge vorgefunden und Rebläuse oder Reblansreste nirgends ermittelt. Dagegen wurden 235 neue Herde entdeckt, die sich sämmtlich in der Nähe alter Herde befinden. Einer mit Gos a Flächeninhalt und 5. kranken Reben liegt in der Markung Stuttgart, die übrigen 24 mit 1,R76 a Flächeninhalt und 176 kranken Reben gegenüber 339 im Jahre 1888 und 273 im Jahre 13887) sind in der Markung Neckarweihingen belegen. Die Vernichtungsarbeiten erforderten 20 774 kg Petroleum und 2960 kg Schwefelkohlenstöff.

In Schwarzburg-Rudolstadt sind in den früher infizirten Gemarkungen Tauschwitz und Fischersdorf nahe der preußischen Ge— markung Kaulsdorf an sechs Stellen wieder lebende Reblaͤufe (30 Exemplare) gefunden; in Folge der ungünstigen Bodenverhältnisse waren viele Rebwurzeln der Vernichtung entgangen.

In Elsaß-Lothringen sind im Ganzen 24 neue Reblaus— herde mit einem Flächeninhalt von 63 351 4m und Z49 kranken Reben aufgefunden worden, von denen 21 in unmittelbarer Nähe der älteren erde, in den Gemarkungen Lutterbach, Hegenheim, Valliéres und St. Julien belegen sind. 1

In Frankreich wurden im Jahre 1888 auf Grund des Gesetzes vom 1. Dezember 1887, betreffend die zeitweise Befreiung reblaus- befall ener Weinberge von der Grundsteuer, 108 396 ha, welche sich auf 4279 Gemeinden mit einem Srundsteuerbetrag von 659 417 Franken dertheilen, von dieser Steuer befreit. Während der Jahre 1838 und 1889 ist die Reblaus in drei, bis dakin verschont gebliebenen Devartementz Aube, Haute Sasone und Sarthe er— chienen. In folgenden 11 Arrondifsements wurden zum ersten Male in den genannten Jahren Reblausherde entdeckt: Tastellane (Hautes Alpes), Mende Tore), Riom Puy de Vome)] Joigny (Jonne), Tropes, Noyent⸗sur⸗Seine und Bar. sur⸗ Aube (Aube), Vesoul und Gray (Haute SaßneJ. Bonneville (Haute Savoie), Saint Calais (Sarthe)h. Außerdem wurde die Reblaus ge⸗ funden im Kanten von Moret (Arrondissement Fontainebleau) und an den Spalierreben der Ackerbauschule von Grignon. An Staats—⸗ unterstũtzungen zur Vernichtung der Reblaus wurden den Gemeinden im Jahre 1888 180985, im Jahre 1889: 193 852 Fr. gewährt. Besonders groß waren die Anstrengungen, welche zur Wiederkerstellung der Weinberge vermittelst der Anpflanzung amerikanischer Reben gemacht wurden. Im Jahre 1888 waren bereits 214787 ba in 13 Departements mit amerikanischen Reben bepflanzt (gegen 166 517 ha im Jahre 1887 und im Jahre 15859 fliegen diefe Zahlen auf 259 801 ha in 44 Departements. Der größte Theil wurde mit französischen Rebsorten veredelt. In Algier ist es in den funf Jahren, seitdem die Reblaus dort entdeckt worden, gelungen, das Uebel zu lokalisiren. Seit 1885 fielen dort der Reblaus zum Opfer 144 ha.

In Spanien sind die reichsten Provinzen durch die Reblaus schwer heimgefucht. In der Provinz Malaga besonders sollen die. kleineren Weingutsbesitzer gensthigt gewefen sein, entweder ihre bescheidenen Besitzungen zu schlechten Preisen zu verkaufen oder sie zu versassen. Diese Lage hat die Zahl der beschaͤftigungslofen Arbeiter ver- mehrt und eine erhebliche Auswanderung nach Süd-Amerika veranlaßt.

In Portugal dehnt sich die Anpflanzung von amerikanifchen Reben über das ganze Land aus. Besonders die nördlichen Provinzen haben bisher besonders unter den Angriffen der Reblaus zu leiden gehabt. Vor dem Eindringen der Reblaus wurden geerntet 410 328 hl, dagegen 1887: 194 554 hI. Der Schaden, welcher durch die Reblaus diefen Gebieten erwächst, wird auf 14535 575 Milreis jahrlich geschäßt; der Jahresertrag ist von 26054 125 Milreis auf 618 530 Milreis gesunken.

Im Kanton Zürich ist die Reblaus bis jetzt auf die drei Be— zirke Zürich, Bulach und Dielsdorf beschränkt geblieben Im Kanton Neuenburg wurde 18838 ein größerer, 48 Reben umfaffender Reb— lausherd entbeckt. Im Uebrigen zeigte sich eine Abnahme in der Anzahl der Reblausherde. Im Kanton Genf wurden in der Um— gegend der früheren Reblausherde 80 inftzirte Punkte gefunden und 9 Herde mit zusammen 12631 kranken Reben neu entdeckt. Im Kanton Waadt wurden 8 neue Herde entdeckt.

In Italien wurden neue Reblausherde mit einer Fläche von rund 72 ha aufgefunden. Die Gesammtgröße der in Italien 1888 durch die regelmäßigen Untersuchungen entdeckten Reblausherde betrug

verseuchten Flächen rund 34 605 ha. Die Kosten = bekämpfung Fetrugen 1888 bis 1889 539 577 Lire. e,

In Oesterreich bat die Krankheit beträchtlich an Ausdehnung gewonnen. Bis Ende 18853 wurde das Vorhandensein der Reblaus festgestellt in Niederssterreich in 61 Ortegemeinden auf einer Fläche von 4975 ha, in Steiermark in 39 Ortsgemeinden auf einer Flãche von 4000 ha, in Krain in 26 Ortsgemeinden auf einer Fläche von 3443 ha und im Küstenland in 13 Ortsgemeinden auf einer Sefammt⸗ . . 8358 ha. Im Ganzen betrug die heimgesuchte Fläcke 22776 ba.

In Ungarn wurde das Vorhandensein der Reblaus bis zu Ende

des Jahres 1388 in 41 Departements und 1249 Gemeinden . stellt. Die Zahl der infizirten Departements ist um 3, die Zahl der derseuchten Gemeinden um 452, d. h. um nahezu 55 G während des Jahres 1888 gestiegen. Die Regierung fuhr mit der Verbreitung der amerikanischen Reben fort und, obgleich die Staatsrebschulen schon groß Mengen von Schnitt und Wurzelreben Jieferten, ließ man doch gleichzeitig 249 080 Schnitt und 177 300 Wurzelreben aus Süd— frankreich kommen, um der Nachfrage der Weinbauern genügen zu können. Die Menge der aus Frankreich nach Ungarn in den Fahren 18814 1888 eingeführten amerkkanischen Reblinge belauft sich auf 6 296 097 Schnittlinge.

In Rußland, und zwar im Kaukasus, wurde 1888 in den Weinbergen der Kolonie Rosenfeld im Kuban'schen Distrikt ein kleiner Reblausheerd entdeckt; er wurde vermittelst eines Gemenges von Schwefelkohlenstoff mit Photogen behandelt. Mit demselben Mittel wurden die 1887 aufgefundenen Reblausheerde vernichtet. In der Umgebung von Suchum wurden alle Punkte unterfucht, an welchen die Reblauskrankheit seit 1881— 1888 entdeckt worden war. Die Reblaus wurde nur an einer sofort vernichteten Rebe gefunden. Die Kosten der Reblausbekämpfung im Kaukasus beliefen sich für das Jahr 1888 auf 21 500 Rubel. Im Jahre 1389 wurde die Reblaus auch in dei bis dahin für verschont geltenden kaukasischen Gouvernement Kutais entdeckt. Das Uebel zeigt dafelbst bereits eine große, ernste Befürchtungen rechtfertigende Ausdehnung.

In Kleinasien greift die Krankheit in der Umgegend von Smyrna mehr und mehr um sich.

„In Afrika ist die Reblaus am Kap wahrscheinlich schon seit 1889 vorhanden. Das Insekt tritt dort ebenso verheerend auf, wie in Europa. Der einzige Unterschied zu Gunsten der Reben wird be— dingt darch die dort das ganze Jahr hindurch dauernde Reproduktions— fähigkeit der Pflanzen.

In Kalifornien nimmt die Verbreitung der Reblaus zu. Das daselbst vor einigen Jahren in Anregung gebrachte Verfahren der Reblausvertilgung durch Quecksilber, welches in kleinen Mengen der die Rebwurzel umgebenden Erde beigemengt wurde, hat sich als unwirksam erwiesen. Obgleich die Verheerungen durch die Reblaus sehr groß sind und fortwährend an usdehnung gewinnen, und obgleich seit Jahren viel von der Widerstandsfäbigkeit der Wildreben die Rede ist, o ist doch die Zabl der in Kalifornien mit solchen Wildrebenunterlagen versehenen Pflanzungen noch eine verhältnitzmäßig geringe. . ;

Geographischer Monatsbericht.

Auf Grund von Dr. Petermann's Mittheilungen. (Geschlossen am 22. Mai 1890 Eurova.

Mittel Europa. Ein neues Forschungsergebniß von be— deutendem Werth ist die durch Dr. P. Elfert in Merseburg er—⸗

rund 438 ha; in den aufgegebenen Gebieten beträgt die Größe der

wiesene Vert beilung der mittleren jährlichen Bewölkung in Mittel, Europa, eines nicht zu unterschãtzenden klimatischen Faktors, durch welchen naturgemäß gewissermaßen alle anderen Elemente in ihrem Werth beeinflußt werden, vor allem die Temperatur. Als Frucht einer ron 120 Stationen geleisteten mehr als zebnjährigen mühevollen wissenschaftlichen Arbeit liegen nunmehr folgende Resultate vor: 1) Die Be—⸗ wölkung nimmt im Jahresmittel von der Nordsee, auf welcher sie ihre größte Höhe auf ausgedehntem Gebiet erreicht, sowohl nach der Ostsee wie nach Ungarn und der Balkan⸗Halbinsel und Südfrankreich und Italien beträchtlich ab, nämlich um 30—– 40 5. 2) Gebirgsketten., namentlich wenn ihre Streichungsrichtung den feuchten 8SW.“, W. und NVW.⸗Winden zugekehrt ist, haben eine höhere Bewölkung als ibre Umgebung. 3) Die Luvseite der Gebirge hat stets eine größere Bewölkung als die Leeseite; namentlich tritt die Verringerung der Bewölkung auf der Leeseite überall hervor (Thü— ringer Wald, Harz, Schwarzwald. Riesengebirge, Tatra u. s. w.. 4 Von Gebirgen eingeschlossene Gebiete (Böhmen, Mähren, Sieben bürgen), sowie tief eingeschnittene Gebirgs bzw. Flußthäler (Mittel thein, obere Donau. Drau, obere Rhone ꝛc., besonders wenn die⸗ selben den herrschenden Winden quer gegenüber stehen, zeichnen sich gleichfalls durch geringe Bewölkung aus. Andererseits finden sich aber auch Thalstationen (Mürzzuschlag7 mit hoher Bewölkung, die hier hauptsächlich auf die häufigen Thalnebel sich zurückführen läßt. 5) Bedentendere Abweichungen einzelner Stationen von ihrer Um⸗ gebung werden veranlaßt durch lokale Verhältnisse, namentlich durch die Lage an einem mehr oder weniger ausgedehnten See, in aus— gedehnten Wäldern oder deren Näbe, überhaupt in extrem feuchten Gebieten des Binnenlandes.

Ost⸗ Europa. Durch die kürzlich erfolgte Ausgabe der drei⸗ blätterigen hy psometrischen Karte des euro päischen Ruß—⸗ land vom General Major A. von Tillo (Maßstab: 1 Zoll 60 Werst) herausgegeben vom Ministerium der öffentlichen Verkehrswege. St. Petersburg (1: 2520 000) hat unsere Kennt⸗ niß der orographiscken Verhältnisse des europäischen Rußland eine Bereicherung erfahren, wie seit geraumer Zeit keine von ähnlichem Werth. Auf dieser Karte, welche das Gebiet des europäischen Ruß⸗ land mit Ausnahme der nördlichen Theile vom 61. Breitengrad nordwärts und des Kaukasus umfaßt, tritt zum ersten Mal eine Gliederung des großen sarmatischen Binnenlandes durch zwei breite, ausgedehnte, meridional streichende Bodenschwellen mit voller Deutlichkeit hervor. Die lange Zeit bindurch in vielen geographischen Lehrbüchern eingebürgerten Bezeichnungen Uralisch ⸗baltischer! und Uralisch⸗karpatischer Landrücken dürften durch von Tillo's Arbeiten nunmehr endgültig beseitigt sein. Die Vorstellung einer uralisch⸗ karpatischen Landschwelle scheint an die Verbreitung des Schwarzerde⸗ Distriktes anzuknüpfen, findet jedoch in den orographischen Verhält⸗ nissen des Landes keinerlei Anhaltspunkte. Auch eine jusammenhängende Terrainschwelle, welche, von WSV. nach 9X. das Innere des europäischen Rußland durchziehend, die preußische Seenplatte mit dem Ural in Verbindung setzen würde, existirt nicht. Vielmehr scheint die mittelrussische Bodenschwelle jenseit der Waldai⸗Berge eine Fort setzung in jenem Landrücken zu finden, der das Flußgebiet der Wolga von demjenigen des nördlichen Eismeeres scheidet und den Namen Uwalyr trägt. Doch bleibt es zweifelhaft, ob jener Landrücken that⸗ sächlich eine ununterbrochene Bodenerhebung darstellt, da das hypsome⸗ trische Material gerade für dieses Gebiet nur ein sehr spärliches ist. Kein Punkt innerhalb dieses ganzen ungebeueren Landgebietes über⸗ schreitet die Höhe von 425 m. Nur außerhalb des inneren Theils

Vberschlesischvolnischen Platte erheben sich die Krakauer Berge bei Olkusch zu 492 m, die Lystza Gora bei Ssandomir zu 617 m. In den Berggrurven von Ljublin und kÄwratyn erreicht kein Punkt 425 m, dagegen weist die podolische Platte bei Chotin Höhen von 470. m auf. In der Krim steigen im Jaila Dagh die beiden höchsten Spitzen Kemal Agerek and Tschatyr Dagk zu 1521 m, bzw. 1513 m auf. Im Ural erreicht der 23 Tau 1642 m, der Iremel 1595 m. ; z sien.

Die Aufnahme der Molo⸗Straße, deren Kartenbild Prof, Dr. A. Wichmann in Utrecht neuestens auf Grund einer Reihe von Einzelaufnahmen zusammengestellt und veröffentlicht hat, inter⸗ essirt hier zumeist. Ist doch unter den zahlreichen Meeresengen, welche die Kleinen Sunda⸗Inseln von einander scheiden, die Molo⸗Straße diejenige, deren Existenz erst im Laufe dieses Jahrhunderts bekannt geworden. Den Anlaß daza gab die energisch ins Werk gefetzte Ver⸗ folgung des Seeräuberunwesens: im Jahre 1855 drang das Kriegsschiff ‚Celebes“, von N. kommend, in die Badso-Bai (Labuan Badjo) ein, durchfubr die Molo-Straße und ge⸗ langte in die tiefe Bucht, welche sich an der Ostküste der Rindja befindet. Auf den bei dieser Fahrt gewonnenen Resultaten beruhen die bisherigen Darstellungen der Seekarten. Die jüngsten Aufnahmen stellen nun vor allen Dingen fest, daß der Verlauf der Westküste von Flores ein anderer ist, als bisher angenommen. Von der eigentlichen Meeresenge verläuft dieselbe in nordwestlicher Richtung, enthält aber zahlreiche kleine Einbuchtungen, unter denen die Madurabai einen guten Ankerplatz darbietet. Ebenso sind die Küstenkonturen nordwärts bis zum Kampong Badjo, sowie die Lage der vielen kleinen Inselchen in Folge dieser Aufnahmen festgestellt worden. Die schmalste Stelle der Straße befindet sich zu Seiten der Insel Tuko Husalo, westlich derselben 108 m, östlich daron 279 m breit. Die Richtung des starken Stromes derselben ist im Wesentlichen zweifellos von dem Stande des Mondes abhängig: mit aufgehendem Mond gen N., mit der Kulmination tritt Kenterung ein, worauf der Strom bis zum Untergange nach 8., bis zur unkern Mondkulmination wieder nach T. fließt u. s. f. Gleiches wird von der Balisstraße berichtet. Für die Konstruktion des Kartenbildes der Molo. Straße wurde die im Jahre 1883 durch den Lieutn. z. S. Lamin vorgenommene Positions⸗ bestimmung des Südostpunktes von Gilibodo zu 8 21 25,ñ5“ s. Br. und 1200 1 40,8! 5. L. v. Gr. benutzt.

. Afrika.

2st -Afrika. Nach des Grafen Teleki und L. von Höhnel's Aufnahmen, sowie nach den übereinstimmenden Angaben der Reisenden ist Ost Afrika von zahlreichen grabenförmigen Einfenkungen durch- zogen. Zugleich ist durch Höhnel's Darstellung der Gegend um den Rudolphsee und Stephaniesee erwiesen, daß sich in eigenthämlicher und unerwarteter Weise eine Verbindung mit dem erythräischen Graben und dem Graben des Todten Meeres herstellt. Der Nyassa liegt in einem meridionalen Graben, welcher knapp nördlich vom See gegen XW. abgelenkt ist und vielleicht den Leopoldsec in sich faßt. In einer selbständigen Grabensenkung liegt der Taganvika, welcher, wie seine abweichende Fauna zeigt, wahrscheinlich von höherem Alter ist. Entfernter daron, aber, wie aus Stanley's Dar— stellung hervorgeht, auch in einem Graben liegen der Albert⸗See und Albert Edward⸗ See. Während der meridionale Graben des Nyaffa im Norden abgelenkt ist, tritt weiter gegen R. ein neuer meridionaler

Verlauf

finden sich im europäischen Rußland bedeutendere Erhebungen: in der

Graben auf, dessen südliches Ende unbekannt ist, welcher aber vom Manjara⸗See bis zum Rudolph und zum Stephanie⸗See eine An.˖ zahl abflußloser Seen umfaßt, darunter Naiwascha und Baringo, und welcher seiner ganzen Länge nach zwischen dem Flußgebiete des Nil. und der Abdachung zum indischen Ozean liegt. Den

zerl desselben hat uns die Reise Teleki's und Höhnel's bis in die Nähe des abessinischen Hochlandes erschlossen. In der

Gegend des Sees Abala bleibt eine Lücke, und es ist nicht mit Be—

stimmtheit zu sagen, ob von diesem See ein Abfluß gegen Dsten

stattfindet oder nicht. Deutlich ist aber einerseits aus Höhnel's, andererseits aus den Darstellungen von Borelli, Ragazzi und Traversi zu entnehmen, daß das Phänomen des Einbruches nicht am Stephaniesee endet. Der östliche Abbruch des abeffinischen Hochlandes ist als die wahre westliche Begrenzung des erythräifchen

Grabens anzu se he n. Die Südküste des Golfes von Aden, welche der

Nord küste parallel ist, setzt sich als Absturz über das Gebiet von Harar land⸗

einwärts fort, und das ganze abflußlose Gebiet des Hawasch, sowie

ganz Afar bis über Massaug ist als gesenktes Land anzufehen, ein

Theil des erythräischen Grabens. Eine weitere meridionale Graben—⸗

senkung umfaßt den Golf von Akaba, das Todte Meer und den Lauf

des Jordan; daran schließt sich unter stumpfem Winkel die Bekäa, und erst in der Nähe des Außenrandes der gefalteten eurasiatischen

Bogenzüge zersplittert sich der Bruch in die von Diener beschriebene

Virgation von Palmyra. (s. Akademischer Anzeiger. 1890, Nr. X.)

Aeber Dr. Peters' Expedition nach Wadelai zur Unter—

stützung von Emin Pascha bestätigen die letzten sicheren, von Oskar

Borchert zurückgebrachten Nachrichten seinen Abmarsch von Odo

Bororuwa am obern Jana Anfang November 1889; fein jüngster

Bericht an das deutsche Comits (Deutsche Kolonialzeitung 19. Mai

1890) datirt vom 16. Januar 1890 aus Kapte in Kamasia, westlich

vom Baringo⸗ See. Eine längst erwünschte Bereicherung der Karte

ist seine Route vom obern Jana nach dem Kenia, den er im Süden umging; in der Richtung der von Thompson und dem

FKrafen Teleki e er dann

Otto Gghlers theilt in einem interessanten Briefe an Professor Schweinfurth (-Kölnische Zeitung“, 141, 15. Mai 1890) mit, er babe, nachdem er die Geschenke des Deutschen Kaisers an den Häuptling Mandara in Moschi am Fuße des Kilimandscharo abgeliefert, Anfang März 1890 den Versuch gemacht, nach SW. zu dem nur durch Er— kundigungen bekannten Manjara⸗See vorzudringen, sei aber nur bis Aruscha gelangt, wo die Bewohner seinem Weltermarsche Schwierig⸗ keiten bereiteten und die Rücksicht auf mehrere erkrankte Leute die Schutztruppe zur Umkehr zwang. Daß die Be⸗ wohner sich Dr. Fischer's, welcher 18355 durch Aruscha ge— zogen, nicht entsinnen konnten oder wollten, rechtfertigt durchaus nicht die Behauptung, daß Dr, Fischer nicht im Lande felbst gewesen sei. Auf der Rückreise nach Moschi gewann Eblers im Lande Meru aus einer Höbe von etwa 6000 Fuß (1800 m) einen klaren Ueberblick über den Kilimandscharo, und seine jetzigen Wahrnehmungen gaben ibm die Veranlassung, seine Angaben uber die Besteigung des Kili⸗ mandscharo, an welchen bereits, wie wir früher berichtet, Dr. H. Meyer 26 Purtscheller scharfe Kritik geübt batten, rückhaltlos zu be⸗ richtigen.

Dr. Oskar Baum ann, welcher im Auftrage der Deutschen ostafrikanischen Gesellschaft Vermessungen vornimmt, zunächst in Usambara, berichtet über seine neuesten Erfolge unterm 12. April 1890 an Dr. Hassenstein Folgendes: Ein gutes Stück Usambara ist bereits aufgenommen. Mit seiner Expedition von 60 Mann und 7 Soldaten der deutschen Schutztruppe babe er sich von Tanga nach