liren? Da meine ich, lieber darauf zu ichten, als diese Art der Berufung zuzulassen. Alle für das Landgericht vorge⸗ brachten Gründe können darüber nicht hinwegtäuschen, daß das Prinzip der Aburtheilung durch Sachverständige durchaus durchbrochen wird; es zeigt sich in den Anträgen von Stumm wie in den Kommissionsbeschlüssen thatsächlich eine gewisse Abneigung gegen das ganze. Verfahren, denn gerade bei diesem 8. 49 ist es beliebt worden, dem gesunden Menschenverstande den Juristenverstand gegen⸗ überzustellen. Herr von Stumm hat am Sonnabend sogar gesagt, der sogenannte“ gesunde Menschenverstand 5 durch das Landgericht eine heilsame Korrektur erfahren. ir sind für den gesunden Menschenverstand und wollen dementsprechend die Vorlage formuliren. Das Landgericht ist für den Arbeiter eine direkte Rechtsverweigerung. Wenn wirklich ein schnelles Verfahren erreicht werden soll, verstehe ich nicht, wie das Landgericht als Berufungsinstanz geeignet sein soll, wo die Berufungsfrist einen Monat, die Einlassungsfrist einen weiteren Monat währt, der erste Termin frühestens nach zwei Monaten, der zweite vielleicht wieder 2— 3 Monate später stattfindet, mit anderen Worten, das Recht des Arbeiters mindestens ein halbes Jahr verschleppt wird. Die vorläufige Vollstreckbarkeit des Uriheils bessert nichts, denn bekanntlich kann die Vollstreckbarkeit abgelehnt werden, wenn Gefahr im Verzuge ist oder sonst genügende Gründe vorliegen. Das richtige Verfahren wäre allein das in unserem Arbeiterschutz⸗ Gesetzentwurf vorgeschlagene der Berufung an die sachverstän⸗ digen Arbeitskammern. Hr. von Stumm irrt sehr, wenn er unsern Antrag auf Verwerfung der Berufung als jenem Vorschlag widersprechend, als übereilt bezeichnet. Wir haben uns gesagt, wir bekommen doch bei dieser Gelegenheit die Arbeitskammern nicht, soviel Geld haben Regierung und Parteien jetzt dafür nicht übrig, wenn diese Einrichtung auch nur den zehnten Theil der i g für Ost⸗Afrika an Kosten verursachen würde. Unter solchen Umständen wählen wir das kleinere Uebel und streichen die Berufung ganz. Warum soll denn lediglich für 5 Proz. aller Fälle dieses größere Uebel bestehen? Mein heutiger Vermittelungsantrag steht durchaus auf demselben Standpunkt. Ich gebe zu, daß seine Aus⸗ führung Schwierigkeiten begegnet, aber unüberwindlich sind sie nicht. Das Material an Richtern wird stets vorhanden sein, denn wir haben doch den Vorsitzenden, dessen Stell— vertreter und vier Beisitzer; die sechs nothwendigen Mitglieder sind also da. Ein verlangsamtes Verfahren soll nicht statt— finden, wir lassen deshalb die Berufungsfrist nur acht Tage betragen. Gegen den Kommissionsvorschlag muß ich mich ganz entschieden erklären, er ist nicht gehauen und nicht ge— stochen. Der Arbeiter wird oft in die Lage kommen, um SOb— jekte über 100 S6 zu klagen, z. B. wenn von mehreren Ar— beitern gemeinsam vorgegangen werden muß, oder in Fällen, die nicht rein vermögensrechtlicher Natur sind. Ich bitte Sie, meinen Vermittelungsantrag anzunehmen oder die Berufung ganz zu streichen. ;
Abg. Porsch: Ich stand ursprünglich auch auf dem Standpunkt, volle Berufungsmöglichkeit zuzulassen, habe mich aber überzeugt, daß dies bei der Eigenart dieser Gerichte nicht an⸗ geht, und bitte deshalb, an den Kommissionsbeschlüssen fest— zuhalten. Ich will mich bei der Auseinandersetzung meiner Gründe kurz fassen, denn bei der Geschäftslage des Hauses ist es unsere Pflicht, endlich die zweite Lesung dieses Gesetzes ab— zuschließen. Wir wollen durch die Gewerbegerichte eine mög⸗ lichst rasche und möglichst kostenlose Justiz vom Standpunkt der Fachkenntniß aus. Die vorläufige Vollstreckbarkeit wäre kein hinreichender Ausweg zur Erreichung der Schnelligkeit. Für eine große Kategorie von Gewerbestreitsachen würde die vorläufige Vollstreckbarkeit gar nichts nützen. Wenn z. B. das Urtheil auf Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses voll— streckt ist und 4 oder 5 Wochen später von der Berufungs⸗ instanz wieder umgestoßen wird, so wird das Arbeitsverhältniß in der Regel nicht mehr wiederherzustellen sein. Bei Streitig— keiten, die ein Arbeitsverhältniß betreffen, muß es vor Allem zu einer raschen Entscheidung kommen, damit die Parteien im Klaren darüber sind, ob das Arbeitsverhältniß besteht oder nicht. Der Werth der Gewerbegerichte soll darin liegen, daß der gesunde Menschenverstand der Gewerberichter, geklärt und vervollständigt durch gewisse Fachkennt— nisse, entscheidet, und mit Rücksicht hierauf halte ich es für gefährlich, gegen solche Etkenntnisse die Be rufung an das ordentliche Gericht zuzulassen. Der Werth der Gewerbegerichte würde dadurch hinfällig. Der Abg. Stadthagen will die Berufung nochmals an ein Gewerbegericht geben, das genau in derselben Art zusammengesetzt ist, wie das erste. Das wäre absolut gar keine Garantie; es hieße nur, nachdem das Gewerbegericht einmal erkannt hat, kann die unzufriedene Partei verlangen, daß das Gewerbegericht in anderer Zu⸗ sammensetzung nochmals urtheile. Das ist nicht der Zweck der Berufung. Die Berufung hat den Zweck, zweifelhaft Sachen Durch einen gereifteren Richter zur Entscheidung zu bringen. Bei den Gewerbegerichten haben wir solche gereiftere Richter aber überhaupt nicht, da sie nscht Berufs⸗ richter sind. Der Antrag Stadthagen wäre keine Verbesserung, und wir würden lieber die Berufung ganz fort⸗ lassen, als ihn annehmen. Für streitige Rechtsfragen muß aber immerhin die Möglichkeit der Berufung an das ordent= liche Gericht gegeben werden. Daß das Kompromiß der Kom— mission kein Prinzip enthalte und irrationell sei, kann ich nicht zugeben; denn eine Analogie besteht schon darin, daß bei Streitsachen bis 1500 6 die Berufung an die Sber-Landes— gerichte, bei größeren an das Reichsgericht zugelassen ist. Auch bei, den. Gewerbegerichten konnen Sachen vorkommen, Lie diese nicht allein entscheiden können. Bei Streitigkeiten mit Werkführern können leicht Sb— jekte von 10909 S6 vorkommen, und das werden in der Regel auch Fälle juristisch intrikater Natur sein, wo es auf das Urtheil ankommt. Die französischen und rheinischen Gewerbegerichte haben ebenfalls eine appellable Summe, und zwar von S0 6, und das Hagenauer Gewerbegericht ent— scheidet nach Ortsstatut überhaupt nur in Sachen bis zu 300 „66 Diese Eintheilung in appellable und inappellable Summen hat bisher zu Unzuträglichkeiten nicht geführt.
Abg. Ackermann schließt sich den Gründen des Vor— redners an und spricht im Uebrigen für den Antrag Klemm.
Abg. Eberty: Ich verstehe die Geschäftslage des Hauses ebenfalls vollkommen und fasse meine Gründe kurz zusammen. Ich kann auch für den Antrag Klemm stimmen, der die Kom— missionsfassung nur formell, nicht materiell ändert. Was die Berufung betrifft, so kommt es vor Allem darauf an, daß die Sache rasch zu Ende geführt wird und der Arbeiter schnell zu seinem Lohne kommt. Dem gegenüber ist die vorläufige Voll⸗ streckbarkeit nur ein zweifelhaftes Surrogat und um so mehr,
bundenen Formalitäten erspart würden.
wenn es in dem diskretionären Ermessen des Gewerbegerichts liegt, die vorläufige Vollstreckbarkeit zuzulassen oder nicht. Wenn der Antrag von Stumm auf unbeschränkte ga fn der * angenommen würde, wodurch unterscheider dann diese neue Einrichtung der Gewerbegerichte von der alten unvollkommenen, nach welcher der Kommissarius für Gewerbestreitigkeiten zunächst entscheidet? Da wäre eine Ent⸗ scheidung wie die andere nur vorläufig. Die Berufung steht im geraden Gegensatz zum Prinzip dieses Gesetzes, der unmittel baren Verhandlung unter 3 eines rechtserfahrenen Mannes und unter Hinzuziehung von Fachmännern. Wenn der Antrag Stadthagen für alle Gewerbegerichte durchführbar wäre, würde ich ihm zustimmen, so aber bin ich für den Kommissionsvorschlag. Eine Anzahl wichtigerer Sachen, bei denen erheblichere Vermögensinteressen auf dem Spiel stehen, müssen wir der richterlichen Nachprüfung unterwerfen, bei anderen können wir das Vertrauen haben, daß die aus freier Wahl hervorgegangenen Gewerberichter die richtige Entschei⸗ dung treffen werden. Durch eine vollständige Zulassung der Berufung würde aber das ganze Institut der Gewerbegerichte entwerthet werden.
Nachdem Abg. Klemm (Sachsen) nochmals für seinen Antrag eingetreten ist, wird die Diskussion geschlossen.
Im Schlußwort weist der Berichterstatter Abg. Bachem darauf hin, daß der Ausschluß der Berufung bei den rhei⸗ nischen Gewerbegerichten, die beinahe 100 Jahre bestehen, sich
gut bewährt habe; derselbe sei für das Ansehen der Gewerbe⸗
gerichte, in denen ein ganz anderer Geist einziehen wird als der, der in den heutigen ordentlichen Gerichten bestehe, durch⸗ aus nothwendig. Eine besondere . für die Berufung zu schaffen, empfehle sich nicht, da nach Annahme der Bestimmung, daß die Berufung nur in Sachen über 100 zulässig sein soll, nur 5 Proz aller Streitfälle an die Berufungsinstanz ge⸗ langen würden. Nach dem Antrag Klemm müßte der Beschwerde⸗ egenstand 100 MSV überschreiten, während nach der Kommissions⸗ 6. der Streitgegenstand mehr als 1991 betragen müßte. Die Kommissionsfassung schließt sich an die rheinländische und elsaß-lothringische Gesetzgebung an, der Antrag Klemm an die Civilprozeßordnung. Der Vortheil der Kommissionsfassung liege darin, daß das Gewerbegericht sofort in der Lage sei, zu
entscheiden, ob es Berufung gebe oder nicht, und daß alle
Gutachten über die Höhe des Objektes und alle damit ver—
Der Beschluß der Kommission sei mit Einstimmigkeit gefaßt.
Die Anträge Klemm, von Stumm und Stadthagen wer⸗ den abgelehnt, 5. 49 in der unveränderten Fassung der Kommission angenommen.
8. 50 handelt von der vorläufigen Vollstreckbarkeit.
Abg. Stadthagen beantragt, die Bestimmung, daß die⸗ selbe nicht auszusprechen ist; wenn glaubhaft gemacht wird, daß die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachtheil bringen würde, zu streichen. Hauptsächlich würde durch diese Bestimmung der Arbeiter benachtheiligt werden.
Abg. Porsch hält diesen Absatz für bedeutungslos, nach⸗ dem die Berufung bei 95 Proz. aller Streitsachen aus⸗ geschlossen sei.
Geheimer Regierungs-Rath Hoffmann hält es für eine sehr einseitige Meinung, daß die Bestimmung lediglich den Arbeitgebern zu Gute kommen werde. Sie befinde sich in Uebereinstimmung mit der Civilprozeßordnung, im Uebrigen werde ja die Entscheidung durch die Gewerbegerichte selbst ge— troffen.
Nachdem auch der Berichterstatter Abg. Bachem darauf hingewiesen, daß die Bestimmung gerade im Interesse der Arbeiter getroffen sei, wird der Antrag Stadthagen abgelehnt und 5§. 50 in der Fassung der Kommission mit folgendem Zu⸗ satz des Abg. Eberty:
Die für den Beginn der Zwangsvollstreckung erforderlichen Zustellungen (88. 671, 672 der Civilprozeßordnung) sind, soweit sie nicht bereits vorher erfolgt sind, auf Antrag des Gläubigers durch das Gewerbegericht zu bewirken“
angenommen.
§. 51, welcher die Höhe der Kosten des Verfahrens vor den Gewerbegerichten festsetzt, wird ohne Debatte unver⸗ ändert angenommen.
§. 52 bestimmt, daß in den Fällen, in denen das Ge— werbegericht eine Entscheidung fällt, der Verurtheilte oder Der, der die Kosten zu tragen übernommen hat, sie zu leisten ver— pflichtet ist. Wenn aber keine Entscheidung getroffen wird, so fallen die Kosten Dem zu, der die Klage angestrengt hat.
Abg. Stadthagen will den letzten Passus streichen, damit der Kläger, der mit Grund eine Klage angestrengt habe, nicht nachträglich noch Kosten zu leisten habe. Diese geringen Kosten sollten von der Gemeinde übernommen werden.
Geheimer Regierungs-⸗Rath Hoffmann hält es für billig, daß bei ruhenden Verfahren die Kosten den Kläger treffen. Die praktische Bedeutung der Bestimmung sei übrigens gering, weil ja durch Ortsstatut bestimmt werden könne, daß überhaupt keine Kosten von den Parteien erhoben werden.
Berichterstatter Abg. Bachem hält die Bestimmung aus
ücksichten auf finanzschwache Gemeinden für geboten.
§. 52 wird unter Ablehnung des Antrags Stadthagen unverändert angenommen.
Die §§. 55 und 54 gelangen ohne Debatte unver— ändert zur Annahme.
Darauf folgt der dritte Abschnitt (85. 55 bis 63): Thätigkeit des Gewerbegerichts als Einigungs— amt.
Nach 8. 55 kann das Gewerbegericht als Einigungsamt angerufen werden; nach 8. 56 ist dieser Anrufung Folge zu geben, wenn sie von beiden Theilen erfolgt und wenn beide Theile Vertreter bestellen, deren Zahl in der Regel nicht mehr als drei betragen soll. Ob die Vertreter für genügend legitimirt zu erachten sind, entscheidet das Einigungsamt nach freiem Ermessen.
Abg. Ackermann beantragt zu 8. Sö, daß das Einignungs— amt seine Thätigkeit nur beginnen darf, wenn die Vertreter beider Theile vorher die Unterwerfung unter den etwa zu erlassenden Schiedsspruch zu Protokoll erklärt haben.
„55 wird ohne Debatte angenommen.
. Abg. Ackermann: In weiten Kreisen glaubt man, daß in diesem Einigungsamt ein Mittel gegen die Arbeits— einstellungen gegeben ist. Das ist ein gewaltiger Irrthum. Hier wird die öffentliche Meinung als Exekutor des Schieds⸗ gerichts angerufen; ich glaube, erfolglos. Wenn das
Einigungsamt gegen die Arbeiter spricht, so wird eine gewisse Partei schon dafür sorgen, daß sich keine öffentliche Meinung in den Arbeiterkreisen für den Schiedsspruch bildet. J mißachte das Tribunal der öffentlichen Meinung nicht, aber man setzt hier zu
. . 5
große Hoffnungen darauf. Wenn große Massen erregt find, wenn 28 langer Strike vorausgegangen ist, so kann man sich auf diese Volksstimme, diese öffentliche Meinung nicht berufen. Da kann man nicht sagen: das Einigungsamt hat sich gegen Euch erklärt, ihr müßt Euch fügen, die Volksstimme ist gegen Euch. Mit den Mitteln, die hier angewendet werden sollen, ist gegenüber den Arbeitseinstellungen wenig oder nichts aus⸗ zurichten. Die Engländer haben allerdings einen ge⸗ funden, wie sie die Zwangsvollstreckung des Schiedsurthells ermöglichen, indem das Urtheil des Einigungsamts dem Grafschaftsrichter überwiesen wird. Soll aber einmal die öffentliche Meinung angerufen werden, so muß man etwas mehr für sie thun. Es muß ausgesprochen werden, daß das Einigungsamt seine Thätigkeit nur dann beginnen darf, wenn beide Theile vorher erklärt haben, daß sie sich dem Schiedsurtheile unterwerfen. Nun sagt man, dadurch mache man die Berufung des Einigungsamts unmöglich. Man könnte doch nicht etwas annehmen, was man im Voraus noch nicht kennt. Das ist ja aber bei allen Systemen der Fall. Ich kann doch ein Gericht nicht bloß anrufen, wenn es zu meinen Gunsten entscheidet. Haben aber beide Theile erklärt, daß es ihnen ernst sei mit der Berufung des Einigungsamts, und es tritt dabei der Fall ein, daß trotzdem der Spruch des Einigungsamts von ihnen nicht angenommen wird, so be⸗ anspruchen wir doch auch nicht die Zwangsvollstreckung, son⸗ dern das Einigungsamt macht nur bekannt, die Parteien haben sich unterworfen, das Einigungsamt hat die Ent⸗ scheidung gegeben und hat den Parteien aufgegeben, sie inner⸗ halb einer gewissen Zeit einzuführen. Damit ist die Sache aus. Unser Antrag geht also keineswegs zu weit. Ich bitte Sie, denselben anzunehmen.
Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Lohmann: Durch diesen Antrag würde das Einigungsamt nicht verbessert werden. Es hat bisher an , gefehlt, daß die streitenden Parteien mit einander zur Verhandlung kommen und sich vergleichen konnten. Um ihnen diese Gelegenheit zu geben, soll ein Organ geschaffen werden, an welches sich die Streitenden wenden können. Es soll den Gewerbegerichten die Funktion eines Einigungsamts gegeben werden. Deshalb ist es aber auch nicht räthlich, den Parteien die Verpflichtung aufzuerlegen, vor der Verhandlung bereits zu erklären, sie wollen sich dem Spruch des Einigungsamtes unter allen Um⸗ ständen fügen. Es würde auch nicht viel nützen, weil man nicht weiß, ob die hinter ihnen stehenden Massen diese Verpflichtung auch nachher anerkennen. Ich glaube, daß das Einigungsamt eine viel geringere Wirksamkeit haben würde, wenn man diesen Antrag annähme. Der Vorredner hat sich auf die englischen Verhältnisse bezogen; es bestehe auch in England eine ähnliche Einrichtung wie sie nach seinem An⸗ trage hier entstehen würde. Ich muß gestehen, daß mir eine solche Einrichtung nicht bekannt ist. (Widerspruch des Abg. Ackermann; Zwangsvollstreckung) Eine Zwangsvollstreckung besteht nur über den Widerspruch in Rechtsstreitigkeiten, aber nicht in Interessenstreitigkeiten.
Abg. Goldschmidt: Die 8§§. 55 und öß sind sozial⸗ politisch vielleicht die wichtigsten des ganzen Gesetzes, und wer wiederholt das zweifelhafte Glück genossen, von Strikes be⸗ troffen zu werden, wer oft Zeuge war, wie leicht bei Arbeits⸗ einstellungen Mißverständnisse entstehen, wie ein Mißverständniß das andere hervorruft, der wird es freudig begrüßen, daß beiden Theilen, Arbeitgebern wie Arbeitnehmern, Gelegenheit gegeben wird, auf neutralem Boden sich zusammen zu finden und sich über ihre gegenseitigen Wünsche auszusprechen; Zweck und Aufgabe solcher Einigungsämter ist es, vor allen Dingen das Ver⸗ trauen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wieder her— zustellen, da einmal das alte patriarchalische Verhältniß un— wiederbringlich verloren ist. Von dem Werthe dieser Be⸗ strebungen sollten alle Parteien gleichmäßig überzeugt sein; um so mehr wundere ich mich, daß Hr. Ackermann einen Antrag stellt, der geeignet ist, den Einigungsämtern den Boden für ihre Wirksamkeit abzugraben. Was will dieser Antrag? Er will die Autorität, nicht die Ueberzeugung. Er will den Streitenden, ehe sie sich haben aussprechen können, ehe fie Gelegenheit zur Versöhnung hatten, einen Schiedsspruch auf⸗ zwingen. Damit verliert das Einigungsamt seinen eigent— lichen Werth. In England, wo die boards of coneiliation aus der Initiative der industriellen Bevölkerung hervor— gegangen sind, überwiegen allerdings die Einigungsämter nach dem System Kettle's, das eine Vollstreckbarkeit des Schieds⸗ spruchs durch den Richter kennt; aber bevor sich dieses System eingebürgert hatte, ehe das allgemeine Mißtrauen einer besseren Stimmung wich, bestand das System Mundella, dessen Zweck war, häufiges Begegnen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern herbeizuführen und so Zwistigkeiten vorzubeugen. Praktisch kommt der Zwang auch bei dem System Kettle selten zur Geltung. Bei dem gegenwärtigen Stande der deutschen Arbeiterbewegung müßten die Einigungsämter nach dem An⸗ trage Ackermann verkümmern, denn die Hauptsache bleibt immer die Versöhnung, die Wiederherstellung des Vertrauens. Ich bitte Sie deshalb, den Antrag Ackermann abzulehnen und die Beschlüsse der Kommission aufrechtzuerhalten.
Abg. Singer: Der Abg. Ackermann verwechselt Einigungsamt mit Schiedsgericht. Was er wünscht, ist Sache des Schiedsgerichts, das mit autoritativer Entscheidung ver— sehen ist und dessen Wahrspruch sich die Parteien fügen müssen. Das Einigungsamt hat den Zweck, ausgebrochene oder aus⸗ brechende Streitigkeiten zu verhindern. Legen Sie den Par⸗ teien die Verpflichtung auf, sich von Hauss aus dem Spruch des Einigungsamts zu fügen, so werden Sie den Kreis Der⸗ jenigen, welche geneigt sind, ihre Beschwerden vor das Einigungs—⸗ amt zu bringen, außerordentlich verringern.
Abg. Ackermann befürwortet nochmals seinen Antrag.
Abg. Hammacher: Ich nehme an, daß der Abg. Acker— mann nur einen Druck dahin ausüben will, daß die ö welche sich dem Schiedsspruch des Einigungsamts unterwerfen, sich moralisch vor der Oeffentlichkeit verpflichtet halten, sich auch in Wirklichkeit dem Spruch zu unterwerfen. Ich glaube, daß dieses sich von selbst versteht, denn sonst wäre das ganze Einigungsamt eine Spielerei. Es ist aber von höchster Wich— tigkeit, daß überhaupt durch das Gesetz eine Einrichtung ge— troffen wird, welche ermöglicht, daß die streitenden Parteien sich vor dem Schiedsgericht versammeln können.
Der Antrag Ackermann wird abgelehnt, die sämmtlichen auf das Einigungsamt bezüglichen 85. 55 —63 werden un⸗ verändert angenommen.
Der neu eingeschobene 8. 63 a, wonach die Gewerbegerichte Guthaben über gewerbliche Fragen anzugeben haben und Anträge an die Behörden zu stellen berechtigt sein
sollen, wird ohne Debatte angenommen; ebenso der fünfte
Abschniti: Verfahren vor dem Gem eindevorsteher
Cs. —
Endlich folgt der secste Abschnitt: Schlußbestim— mungen s. So. 76). Nach z. 69 der Vorlage follten die Bestimmmungen derselben n icht Anwendung finden auf Streitig keiten der Arbeiter von Reichs- und Staatsbruckereien, tagt. lichen Münzanstalten und Werkstätten der Militär Marine⸗ und Se drr e engen,
e Kommisston änkt diese Ausnahmebestimmung au die Betriebe der Militär⸗ und ö .
Abg. Auer beantragt, den 8. 69 ganz zu 6
Abg. Dr. Hir sch: Die Kommission hat in dankenswerther Weise einen großen Theil von Arbeitern im Staats⸗Eisenbahn⸗ betriebe und in anderen Betrieben der Wohlthaten der Gewerbe⸗ gerichte tee ati gemacht. Es wäre konsequent, diese Wohl⸗ thaten auch den Arbeitern der Militär- und Marineverwaltung zu Theil werden zu lassen. Es ist gesagt worden, daß dies die militärische Disziplin nicht gestatte. Es scheint hierin ein Mißtrauen der Regierung gegen ihre eigene Schöpfung, die Gewerbegerichte, zu liegen. Wenn nicht nur die Privat—⸗ personen, sondern auch Arbeiter anderer Staatsbetriebe den Gewerbegerichten unterstellt werden sollen, so müssen dieselben doch wohl nach Ansicht der Regierung alle Eigenschaften einer guten Rechtsprechung in sich tragen. Wenn man biefe Arbeiter ausnähme, so würde man sie zu Arbeitern zweiter Klaffe degradiren.
Geheimer Admiralitãts⸗Rath . Die Marinever⸗ waltung legt großes Gewicht darauf, daß ihre Arbeiter nicht unter dieses Gesetz gestellt werden. Die Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und. Arbeitern werden in diefer Verwaltung bereits unparteiisch und schnell erledigt. Die höheren Beamten
ben kein persönliches Interesse und sind um so eher in der Lage, ein unparxteiisches Urtheil zu fällen. Wenn die Arbeiter in einzelnen Fällen die Entscheidung nicht für sachgemäß halten, so steht ihnen der Beschwerdeweg zu. Jede Beschwerde der Arbeiter wird als eine besonders dringende Sache behandelt. Außerdem ist mir wenigstens von der Marineverwaltung kaum ein Fall bekannt, wo ein Arbeiter es für geboten gefunden hätte, seine Ansprüche auf dem Wege des Prozesses geltend zu machen. Bei einer Verwaltung, wie der Marine, ist, eine sichere Leitung und dementsprechend eine strenge Disziplin unumgänglich nothwendig. Diese muß aber leiden, wenn die Arbeiter in den Schiedsgerichten über ihre eigenen Vorgesetzten zu Gericht sitzen.
Abg. Tutz auer: Die Disziplin ist in der Privatindustrie nicht minder nothwendig als in den Staatsbetrieben. Wenn in der Marineverwaltung sich kein Bedürfniß herausgestellt haben soll, ihre Arbeiter unter dies Gesetz zu stellen, so möge man doch erst abwarten, ob die Marinearbeiter sich nicht ebenso zahlreich diesem Gesetz unterwerfen werden wie die anderen Arbeiter. Die Staatsanstalten sind noch keine Musteranstalten, und wir haben es oft erlebt, daß diese Staatsarbeiter sich klagend an Reichstag und Landtag gewandt haben. Erst heute habe ich eine Beschwerde erhalten darüber, daß ein oberschlesischer Hülfsbremser oder Wagen— schmierer gezwungen ist, in dem theuern Breslau zu wohnen, und von seinen 40 - 1,80 S täglich nicht nur Kranken- und Unterstützungs⸗, sondern auch Strafgelder zu zahlen. Diese Strafgelder bilden oft den Gegenstand des Streits. Man sollte hier keine Ausnahme machen.
Bundeskommissar Major Bahn: Wenn auch die Arbeiter der militärischen Fabriken in demselben sozialen und wirth— schaftlichen Verhältniß sich befinden wie die Arbeiter in Privat⸗ anstalten, so kann doch die Stellung der Arbeiter allein nicht maßgebend für die Frage der Anwendung dieses Gesetzes auf die Arbeiter der Militärfabriken sein, ausschlaggebend dafür ist die Stellung des Arbeitgebers zu den Arbeitern, und darin besteht zwischen militärischen und Privatfabriken ein wesent— licher Unterschied. Der private Fabrikherr arbeitet auf Ge— winn für eigene Rechnung und muß Arbeitslöhne, Arbeitszeit, Ausstattung seiner Fabrik nach der Konkurrenz einrichten, die Militärfabriken machen dagegen keine Ueberschüsse und dürfen sie nicht machen, und der Direktor einer solchen ist persönlich nicht daran betheiligt, wie sich am Jahresschluß Einnahmen und Ausgaben zu einander verhalten; seine An— ordnungen und Entscheidungen nehmen lediglich das Interesse des Reichs wahr. Gegen die Entscheidungen des Direktors steht dem Arbeiter der Beschwerdeweg an die vorgesetzte Be⸗ hörde zu. Der private Fabrikherr kann bei Streitigkeiten zwischen seinen Angestellten und seinen Arbeitern keine den Arbeiter befriedigende Entscheidung fällen, weil dieser ihn immer als Partei ansehen wird; der Arbeiter in militärischen Fabriken kann aber Vertrauen zu seinen militärischen Vorgesetzten haben, und das Ver— trauen und Ansehen des Direktors bei seinen Arbeitern wird durch ein solches Richteramt des Direktors wesentlich gestärkt. Dieses Vertrauen ist in Militärfabriken auch unbe—⸗ dingt erforderlich, namentlich im Falle der Mobilmachung, wo an die Militärfabriken und damit an den Fleiß, die Willig— keit und Leistungsfähigkeit der Arbeiter außergewöhnlich hohe Anforderungen gestellt werden; denn von der rechtzeitigen Lieferung des Armeematerials hängen die Schlagfertigkeit des Heeres und der Gang der kriegerischen Operationen ab. Diese schwerwiegende Verantwortung kann der Direktor nur über— nehmen, wenn er eines Stammes durchaus zuverlässiger, erprobter Arbeiter sicher ist, und diese ihm ihr volles Ver— trauen entgegenbringen. Dieses Vertrauen wird in hohem Grade erschüttert, wenn dem Direktor und den Militärbehörden die Befugniß genommen wird, die Streitigkeiten zwischen Arbeitern und Angestellten des Instituts selbst zu entscheiden, und der Arbeiter beim geringsten Anlaß seinen Direktor vor das Gewerbegericht fordern kann. Auch Ansehen und Autorität des Direktors werden bedenklich erschüttert, wenn seine Ent—⸗ scheidungen durch ein von Ortsbehörden eingesetztes und be— zahltes Gewerbegericht verworfen werden können, in welchen die Arbeiter selbst mitrichten. Es können auch zu Beisitzern der Gewerbegerichte Angestellte der militärischen Fabriken selbst, Ingenieure und Meister, ernannt werden. Dann würde also ein Untergebener Streitigkeiten zwischen dem Direktor und Arbeitern entscheiden können. Außerdem würden dann die militärischen Fabriken unter die Ortsbehörden ge— stellt, was bei den sozialpolitischen Gesetzen, dem Kranken⸗, Unfall-, Alters- und Invaliditäts⸗-Versicherungsgesetz absichtlich vermieden worden ist. Auch der Direktor wäre nicht in der Lage, eine Wahl zum Beisitzer eines Gewerbe— gerichts abzulehnen. Es kann aber im Interesse der Institute nicht erwünscht sein, daß die Direktoren neben ihren dienst— lichen Funktionen auch noch die eines Beisitzers im Gewerbe⸗ gericht übernehmen. Angesichts dieser eigenartigen Verhältnisse der Militärfabriken und der dadurch bedingten strafferen Dis—
ziplin unter den Arbeitern ist die Zweckmäßigkeit der An⸗ wendung dieses Gesetzes nicht nachgewiesen. Auch ein Be— dürfniß dazu ist bisher nicht hervorgetreten. Die Arbeiter bekommen auch so in einwandsfreier Weife ihr Recht und ich kann daher nur die Annahme des Kommissionsvorschlags empfehlen.
Abg. Dr. Hirsch: Ich muß die Ansicht bekämpfen, als ob eine capitis deminutio darin läge, wenn der Direktor einer militärischen Anstalt vor einem durch Reichsgefetz ge— bildeten, von Gemeindebehörden eingefetzten Gewerbegericht Recht nimmt. Man darf aus dem Militär keinen Staat im Staate machen. Es handelt sich auch nicht um militärische Angelegenheiten, sondern um industrielle Betriebe. Was von der Wichtigkeit der Militäranstalten für die Mobilmachung gilt, gilt ebenso für die Leistungsfähigkeit der Eisenbahnen, und deshalb müßten auch die Arbeiter der Eisenbahn⸗ verwaltung vom Gesetz ausgenommen werden. Beschwerden von Werftarbeitern in Kiel haben genügende Remedur bei den militärischen Vorgesetzten nicht gefunden. Ich kann nicht zu⸗ geben, daß die Gewerbegerichte den andern Gerichten des Reichs nicht ebenbürtig sind. Wenn auch die militärischen Anstalten nicht auf Gewinn arbeiten, so kann es sich doch nicht bloß um Geldstreitigkeiten, sondern auch um andere Fälle, z. B. bezüglich der Behandlung der Arbeiter, handeln. Der Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz steht hier in Frage. Ich hoffe, der Reichstag wird denselben wahren.
Abg. Auer: Wenn die Militärfabriken auch nicht auf Gewinn arbeiten, so findet in denselben doch dieselbe Lohn⸗ drückerei statt wie in Privatanstalten. 1830 —– 31 hat mein Lehrmeister in Bayern für den Tornister schon dasselbe Geld erhalten, wie 1866; 1870— 71 war aber der Lohn auf die Hälfte herabgesunken und wird sortgesetzt gedrückt. Auch die Frauenarbeit zum Zweck der Profitschneiderei ist in den Militärfabriken eingeführt. Nicht die militärischen Vorgesetzten, sondern die Zwischenpersonen, Vorarbeiter, Werkmeister 2c. machen sich den Arbeitern gegenüber in der unan⸗ genehmsten Weise geltend. Der Kommissar meint, die Arbeiter fänden im Instanzenwege ihr volles Recht, als aber in Spandau die zehnstündige Arbeits zeit eingeführt wurde, besprachen die Arbeiter der Militärfabriken in München in einer Versammlung dieselbe und forderten sie auch für sich. Sie erhielten allerdings die Antwort, daß Erwägungen darüber stattfänden, aber der Leiter der Versammlung wurde auf die Straße gesetzt. Nun, da haben Sie's! So unruhige Elemente kann man nicht gebrauchen. Disziplin mag ja im Falle einer Mobilmachung nöthig sein, aber in diesem Falle werden die Privatanstalten viel mehr in Anspruch genommen, als die Militärfabriken, und daher müßten aus denselben Gründen die Arbeiter der ersteren aus dem Gesetze herausgelassen werden. Ich kann dem nicht zustimmen, daß den Arbeitern, welche ein reines Privat— verhältniß zu den Militärfabriken ohne jeden Vorzug haben, ein Recht entzogen wird, das allen Anderen zugestanden ist.
Major Bahn: Wir sind in der Höhe der Löhne be— schränkt durch die Privatindustrie. Daß die Einführung der Frauenarbeit geschieht, um die Löhne herunterzudrücken, muß ich für die preußischen Militärfabriken zurückweisen. Frauen werden nur in einzelnen Fabriken beschäftigt nach Maßgabe ihrer Fähigkeiten. Eine Anspannung der . wird nur insoweit verlangt, als die Pünktlichkeit der Lieferung es erfordert. Das Beschreiten des Beschwerdeweges ist nicht mit Entlassung bedroht. Wäre dies der Fall, so würden die Gewerbegerichte auch nichts dagegen helfen. Die Mehrzahl der Arbeiter wird überhaupt ohne Kündigung angenommen. Die Beeinflussung der Arbeiter geschieht weniger von den Werkführern als von außen her. In Köln wurden die Sattler in einer Versammlung gegen die Meinung der Mehrzahl genöthigt, gegen die Ueber— stunden der Arbeiter zu petitioniren; bei dem Kriegs Minister wurde nachher eine Petition eingereicht, die Deputation nicht zu empfangen. Nicht in Folge der Kaiserlichen Erlasse ist in Spandau die 10 stündige Arbeitszeit eingeführt, sie besteht schon seit undenklicher Zeit in allen Militärwerkstätten. Ueberstunden sind freilich nicht ausgeschlossen, ein Druck bezüglich der Ueber— stunden wird aber nicht ausgeübt.
Bayerischer Bevollmächtigter, Ober⸗-Regierungs-Rath Land— mann: Ich bitte Sie, die Ausführungen des Abg. Auer betreffs der Verhältnisse der Militärwerkstätten mit einiger Vorsicht aufzu—⸗ nehmen nach den Erfahrungen, die wir jüngst mit der Be— hauptung bezüglich des Zwanges zu Beitragen für die baye— rische Unfallversicherung gegen die Arbeiter, der von Seiten der Arbeitgeber geübt werden soll, gemacht haben. Die Lohn— abzüge, die gemacht werden, finden für Privatunfallversiche— rungen statt. .
Abg Singer: Mir ist nicht bekannt geworden, daß der frühere Bericht des bayerischen Fabrikinspektors bezüglich der Beiträge zur Unfallversicherung zurückgenommen worden ist. Wir sind, da die Spezialberichte der Fabrikinspektoren uns nicht zugehen, das Sachverhältniß zu prüfen nicht in der Lage. Bei unseren neulichen Mittneilungen hat es sich übrigens nicht um einen vereinzelten Fall, sondern um mehrere gehandelt. Ueberdies würde dies den bayerischen Bevollmächtigten noch keineswegs berechtigen, zur Vorsicht gegen die Ausführungen des Abg. Auer zu mahnen. Damit sind seine Behauptungen nicht widerlegt. Hrn. Major Bahn weise ich darauf hin, daß der Vorsteher der hiesigen Eisenbahn— werkstätten Arbeiter entlassen hat, weil sie an einer Versammlung theilgenommen haben, in welcher Delegirte gewählt werden sollten zur Besprechung ihrer Interessen. Die Uebel⸗ stände auf diesem Gebiete lassen den Wunsch außerordentlich begründet erscheinen, die Arbeiter in Reichsbetrieben ebenfalls unter die Vortheile und Wirkungen des vorliegenden Gesetzes zu stellen. Hr. Major Bahn scheint zu glauben, daß überall, wo nicht der absoluteste, blinde Gehorsam zum Ausdruck kommt, die staatliche Ordnung nicht aufrecht zu erhalten sei. Die Auffassung, daß der Arbeiter ein willenloses Werkzeug ist, ist nicht mehr zu halten. Die Militär- und Eisenbahnbetriebe können den Leuten gegenüber, die in einem Privatverhältniß stehen, nicht dasjenige disziplinarische Verhalten üben, wie den Beamten gegenüber, die pensionsberechtigt sind und Versorgung beanspruchen können, wenn sie in ihrer Arbeit krank und alt geworden sind. Wenn Arbeiter über 140 Jahre oder solche, die nicht mehr im Stande sind, die Leistungen so zu erfüllen wie jüngere Kräfte, entlassen werden, wenn die staatlichen Institute Alles thun, was in der Privatindustrie freigegeben ist, dann haben sie nicht das Recht, Ausnahmebestimmungen für sich zu verlangen, sondern sie müssen sich den Bestimmungen unterwerfen, die für Schlichtung von Streitigkeiten allgemein gegeben werden. 3 .
Abg. Hirsch: Der preußische Militärvertreter hat zu⸗
egeben, daß die Direktoren der Militärfabriken unter dem Een, der Privatindustrie handeln, in Bezug auf Lohnhöhe und Länge des Arbeitstages durch dieselbe bestimmt werden. Daß die Arbeiter eine Kündigungsfrist nicht haben, scheint mir nicht dafür zu sprechen, daß die Militärwerkstätten wirth⸗ schaftliche Musteranstalten sind. So lange in Spandau gewohn⸗ eitsmäßig Ueberarbeit statifindet und es vorkommt, daß einerseits auen eingestellt, andererseits alte Arbeiter, die seit 29 Jahren in den Spandauer Anstalten beschäftigt find, ohne Weiteres entlassen werden, so lange werden wir auf dem Standpunkt beharren, daß ein Ausnahmeverhältniß der Arbeiter zu ihren Ungunsten nicht stattfinden darf. ⸗.
69 wird unverändert nach dem Vorschlage der Kommission gegen die Stimmen der Freisinnigen, Sozial⸗ demokraten und einiger Nationalliberaler angenommen. Die S5. I9 und 71 werden un verändert angenommen. Nach 5. Za sollen die bestehenden Gewerbegerichte (solche bestehen im Rheinland, in Elsaß⸗Lothringen und in Sachsen) unberührt bleiben.
Abg. Auer beantragt, diese Gewerbegerichte nur soweit unberührt zu lassen, als es sich nicht um den Vorsitz handelt.
Abg. von Euny ist mit diesem Antrage einverstanden, da jetzt bei der Bildung der Gewerbegerichte im Rheinland die Arbeitgeber bevorzugt sind, insofern aus ihren Reihen der Vorsitzende gewählt wird. Diese Bevorzugung sei nicht mehr aufrecht zu erhalten, aber man sollte die Ausführung der da⸗ durch in diesen Gerichten nothwendig werdenden Veränderun dem Verordnungswege überlassen; ein Landesgesetz, das sonst nothwendig würde, würde die Einführung des vorliegenden Gesetzes im Rheinland verzögern.
Die Abgg. Tutzauer und Hitze treten für die Anträge von Cuny und Auer ein. 4
Geheimer Regierungs-Rath Hoffmann hält eine redaktionelle Aenderung des Antrages Auer in dritter Lesung für nöthig, um den Zweck desselben, den er gutheiße, zu er— reichen.
Der 5§. 72a wird mit den Anträgen Auer und von Cuny angenommen, ebenso der Rest des Gesetzes, welches, soweit es sich um die Vorbereitung der Ausführung des Gesetzes handelt, sofort, im Uebrigen mit dem 1. April 1891 in Kraft tritt.
Schluß 51 Uhr.
Statiftik und Bolkswirthschaft.
Zur Arbeiterbewegung.
In Köln bat, der . Rh.⸗Westf. Zig. zufolge, der größte Theil der dem Dachdecker⸗Fachverein angebörigen Dachdecker und Bau⸗— klempner am 23. Juni Morgens die Arbeit eingestellt.
Auf einem zu Kottbus am 22. Juni abgehnltenen sozialdemo— kratischen Parteitag wurde nach der R. A Ztg.“e folgende Ansicht ausgesprochen: Der Hauptkampf werde sich jetzt gegen die kapi⸗ talistiche Anternehmerklasse richten müssen, die in großen Verbänden organisirt ist. Allein dieser Kampf dürfe nicht bloß mittelst des Strikes geführt werden. Von dieser zwei⸗ schneidigen Waffe sei nur in Notbfällen Gebrauch zu machen. Das Hauptbestreben müsse darauf gerichtet fein, politische Macht zu gewinnen; sei auch das Arbeiterschutzgesetz nicht das Endziel der Sozialdemoktatie, so trage dasselbe doch dazu bei, den Weg zum Ziele zu erleichtern. Es sei deshalb erforderlich, aller Orten poli— tische Vereine zu gründen, die nicht nur für die Wahlen Vorbereitungen treffen, sondern auch aufklärend? wirkten. Auch die Frauen seien für die Bewegung zu gewinnen. In der Debatte wurde ganz besonders die Bildung von politischen Vereinen empfohlen, die die Aufgabe hätten, die ländliche Arbeiterbevölkerung für die fozialdemokratijchen Ziele und Befstre— bungen zu gewinnen. — Ja einer Resolgtion wurde erklärt, daß die Vorlage der Regierung betreffs der Arbeiterschutz gesetznebung den An— forderungen der Sozialdemekratie in keiner Werse entfpreche, nur der von der sozialdemokratischen Fraktion eingebrachte Arbeiterschutz⸗ gesetzentwurf sei geeignet, die Lage der Arbeiter zu bessern. l!
Zum 6. Verbandstag evangelischer Arbeitervereine Rheinlands und Westfalens in Elberfeld am 27. Juni waren, laut Mittheilung der „Elb. Zig.“, etwa 70 Vereine mit 360660 Mann erschienen.
Die in Nr. 143 schle 1 gebirges an Se Majestät den Kaiser ist auf dem Instanzenwege durch as Königliche Lardraths— amt zu Schweidnitz dem Amtsvorsteber in Leutmannsdorf zurück— gesandt worden mit der Weisung, von Seiten der Betheiligten Vor— schläge zur Abbülfe des beregten Nothstandes entgegenzunehmen und dieselben binnen 3 Monaten einzureichen Za diesem Zwecke waren, nach dem Bericht des Schles. Tagebl.““ am 12. Juni eine Anjabl don Mitunterzeichnern der Petition zusammengetreten, welche folgende Vorschläge zu Protokoll gaben:
Lohnerhöhung von Armee⸗Lieferungen, wodurch für uns Absatzgebiet gefunden wäre. 4) Aufhebung Industrie in den Zuchthäusern. 5) Ausschluß der Kinder un von der Beschäftigung in den Fabriken, wodurch da mehr gepflegt, der Kinder ⸗Erziehung mehr; und die Fabrikbesitzer gezwungen waren, ibrer Arbeitern bessere Löhne zu zablen. ĩ für die Artikel der Hausindustrie, um Vergünstigungen der Fabrikbesitzer, Waggonsendungen bereits genießen t nachzusteben.
In Zwickau ist, wie die Elb. Ztg. berichlet, das Interesse der Arbeiter für die Arbeiterbewegnäng im Niedergange. Mebrere in letzter Zeit bier beabsichtigte zereins zu Wahrung der Interessen der Maurer Theilnahme nicht abgebalten werden. waren nur ewa 980 Personen, dar erschienen
Angesichts der bereits ausgebrochenen und der neuer rorftehenden Ausstände der Bergarbeiter beschloß, wie
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keit der Arbeiterschaft jene der Gewerkschaften entgegenzustellen, darf keine Gewerkschaft einseitige Zugeständnisse machen In Brünn stellten am 23. Juni, laut Mittbeilung de Blattes, die meisten Maurer die Arbeit ein und jwangen bülfen der wenigen Bauplätze, wo die Arbeit fortgesetzt wurde, Ausstande sich anzuschließen. Die Polizei verbinderte weitere schreitungen. r — f — r ö. M — 8 In Katalonien sind, laut Meldung des B. T B.“, reiche Fabriken in Folge Arbeitseinstellungen geschlossen worden. 2 ? ; * . M, shzftf ama Gegen 10 000 Arbeiter sind obne Beschäftigung. Die Krankenversicherung der Arbeiter im Jabrfünft 1885 —1888. Nachdem nunmehr statistische Nachrichten über die durch das Krankenversicherungsgeseß vom 15. Juni 1883 neu begründeten
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in Berlin
Kassenarten in Bersin für einen fünsjäbtigen Zeitraum vorliegen
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