1890 / 152 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 25 Jun 1890 18:00:01 GMT) scan diff

auf die zweijährige Dienstzeit einrichten müssen, das deutsche Volk wird von dem Verlangen nach ihrer Einführung nicht ablassen. Je schneller Sie damit vorgehen, desto besser wird es für die Heeresverwaltung sein. Man fragt, warum wir gerade jetzt mit dieser Forderung kommen. ir haben 1880 und 1887 schon um Kompensation gebeten, freilich ver⸗ eblich. Soll die Militärverwaltung das Recht haben, ihre a,. so wie sie dieselben einbringt, bewilligt zu erhalten? Wir haben die wirthschaftlichen Interessen des Volkes auch zu vertreien, und in dieser Beziehung glauben wir auch einiges Sachverständniß zu besitzen. Der Abg. Windthorst hat sich auf Resolutionen zurückgezogen, die Regierung werde selbst thun, was möglich sei. Wir werden selbstwverständlich für diese Resolutionen eintreten, weil wir es für werthvoll halten, daß das Parlament wenigstens seine Meinung zum Ausdruck bringt. Aber wir haben dabei die Voraussetzung, daß nun auch in Zukunft Ernst gemacht wird. Die Einseitigkeit der ilitärverwaltung bei der Beur⸗ theilung der Interessen kann für uns nicht maß— gebend sein. Der eine Militärvertreter meinte in der Kom⸗ mission, die Dienstzeit sei eine wirthschaftliche Wohlthat für das Volk, habe die Wirkung einer Ferienkolonie, die Leute seien, so lange sie unter der Fahne stehen, wohlgenährt, be— kämen viel Fleisch zu essen, nach einem Jahre seien es abge⸗ magerte Gestalten. Diese Aeußerung beweist, daß die Herren auf einem wirthschaftlich von dem unsrigen himmelwen ver— schiedenen Standpunkt stehen. Darum müssen sie den Männern aus der Volksvertretung ein gewisses Gegengewicht beilegen. Was nennt die Militärverwaltung dringlich? Auch die Offiziersgehälter hat sie als dringlich bezeichnet. Das muß uns in dem Glauben erschüttern, daß die Herren nicht unbe— dingt mehr fordern, als in dem Augenblick nothwendig ist. Der Schatzsekretär von Maltzahn meinte in der Kom⸗ mission, daß Deutschland die Kosten der Vorlage wohl aushalten könnte, und hat die anderen Länder zum Ver⸗ gleich herangezogen. In Frankreich sind die Ausgaben für die Armee in den letzten zwölf Jahren bis zum Jahre 1885 in die Höhe gegangen. Von da ab gehen sie um vierzig Millionen Mark hinunter. Wir aber haben seit 187980 unser Ordinarium um 43 Millionen Mark erhöht. Der Abg. von Kardorff führte uns in der ersten Lesung vor, daß an direkten und indirekten Steuern Frankreich 55, England 35, Deutschland dagegen nur 19 66 pro Kopf aufzubringan habe, und meinte, dem gegenüber solle man nicht davon reden, daß die Nation überlastet sei, Deutschland sei eine reiche Nation. Die Vergleiche zwischen den Finanzen einzelner Länder sind sehr schwer durchzuführen, weil die Budgets nicht so ohne Weiteres vergleichbar sind. Der Abg. Buhl hat uns für England 40 6 pro Kopf angegeben, nach dem neuesten Budget sind es 381½ S6 Jetzt wird es weniger sein; denn England ist so gluͤcklich, Ian. Hein tr zu haben, die nicht bloß mit Steuererhöhungen, sondern auch einmal mit Steuererleichterungen kommen, und solche hat Goschen jüngst vorgeschlagen. Nun haben wir in Preußen 6,1 M direkte Steuern, 1 an Stempel- und Erbschafts— steuer, das Reich hat 13 „6 an indirekten Steuern und Zöllen. Es kommen also im Ganzen auf den Kopf 20,1 S6 Steuern in Deutschland gegen 38 M in England. Daneben muß man aber die Lasten, welche durch die Gesetzgebung den einzelnen Ländern auferlegt werden, in Betracht ziehen. Die Lasten, welche die Schutzzölle auferlegen, sind auch Steuern. Allein die Getreidezölle betragen im letzten Jahre gegen 12 S6 pro Kopf. Dazu kommt die Belastung, welche durch die Be— steuerung der Textilfabrikate u. s. w. erwächst Man kann darnach getrost die Behauptung wagen, daß die deutsche Nation absolut mehr belastet ist. Kann aber Deutschland überhaupt mit England in Bezug auf seinen Reichthum konkurriren? Die ein⸗ eschätzten Einkommen in England betragen, obgleich alle Ein⸗ ommen unter 3000 M frei sind, im Jahre 1876 111,2 Milliarden, 1887 1216 Milliarden, in Preußen alle Einkommen über 3000 S6 1876 21/3 und 1887 22,3 Milliarden. Diese Zahlen geben zu denken. Wenn man auch berücksichtigt, daß die Eisenbahnen in England fehlen, während sie bei uns ein⸗ gerechnet sind, so kann man doch jedenfalls behaupten, die Engländer sind 2 bis 3 Mal so wohlhabend wie wir, und trotzdem zahlen wir an Steuern und Schutzzöllen mehr als England. Hat der Herr Schatzsekretär sich auch diese Zahlen vergegenwärtigt und ist er im Stande, sie zu bemängeln? Er müßte daraus die Konsequenzen ziehen, daß er verpflichtet wäre, mit aller Macht der Erhöhung der Ausgaben entgegen⸗ zutreten. In Frankreich haben sich, wenigstens nach dem Gothaischen Hofkalender, die direkten und indirekten Steuern seit 1379 nur um 1 S pro Kopf erhöht. Also selbst das reiche Frankreich hat sich gehütet, in den letzten Jahren die Steuerkraft der Bewohner mehr anzuspannen. Vergleichen Sie damit den Galopp, den wir laufen. Vor 10 Jahren hatten wir 2, S an Zöllen und 1889/90 7,3 M pro Kopf der Bevölkerung. Ist das nicht eine erschreckende Thatsache? Und sind das nicht gerade Lasten, die von den allerärmsten Schichten getragen werden? Hat der Herr Schatz⸗ sekretär etwa gesagt: Diese Politik ist unhaltbar, die Liebes⸗ gaben an die Brenner sollen auf die Hälfte reduzirt werden? Hat er ein Wort von der Beseitigung der Zucker— prämien gesagt? Wir haben nur gehört: Die Getreidezölle dürfen nicht angerührt werden, schon im Interesse meiner i, nicht. Die Reichs- Einkommensteuer, die wir in Vor—

chlag gebracht, weil wir darin ein Mittel sehen, an die wohl— habenden Leute im Reiche einmal heranzukommen, hat der Schatzsekretär in der Kommission zwar für diskutabel erklärt, in dem Kommissionsbericht steht allerdings nichts davon —, aber hinzugefügt, die Verfassung verbiete es. In der Ver— fassung ist im Gegentheil auf die Reichs⸗Einkommensteuer geradezu hingewiesen. Schon diese Thatsachen reichen hin, um es uns als geradezu, unverantwortlich erscheinen zu lassen, wenn wir ohne weiteres diese Vorlage bewilligen wollten, das können wir nicht, das duldet unser konstitutionelles Ge— wissen nicht. Wir wollen wissen, welches werden die neuen Steuern sein? Soll das eine Fortsetzung der unglücklichen Schutzzoll⸗ und Finanzpolitik sein? Das, was der Finanz— Minister zu uns geäußert hat, rechtfertigt die schlimmsten Befürchtungen. Gambetta sagte einst: die Deutschen haben uns mit den Waffen in der Hand bekriegt, jetzt werden wir einen Finanzkrieg führen, und in diesem Kriege werden wir siegen. Ich habe damals darüber gespottet; jetzt aber scheint das Wort ernst werden zu wollen. Wir sind schon gegen⸗ wärtig über das Maß des Zulässigen hinausgegangen. Ünfere Altvordern haben es verstanden, mit kleinen winzigen Summen Europa e, sich zu halten; das soll uns zum Vorbild dienen. ir haben deshalb mit Recht die For— derung gestellt, daß alles nicht unbedingt Erforder⸗

liche bis zur nächsten Session vertagt wird. Bei Be⸗ a z der Zölle wurde uns seiner Zeit die Ueberweisung der Grund⸗ und Gebäudesteuer, die Erleichterung der Gewerbe⸗ und Klassensteuer u. I. w. in Aussicht gestellt. Von alle Dem ist nicht mehr die Rede. Der Schatzsekretär hat die Kosten der Invaliditätsversicherung für das nächste Jahr mit 10 bis 12 Millionen in Anrechnung gebracht, in absehbarer Zeit werden es 50-100 Millionen sein. Daneben kommen die Kosten der Marine und der Kolonialpolitik in Betracht. Wie können wir gleichmüthig und ruhig in die Zukunft sehen? Ich bin Optimist vom Kopf bis zur Zehe. er Angesichts des Studiums unserer . und der Lage nament⸗ lich der kleineren Leute im Lande muß ich sagen, es ist nöthig, daß wir endlich einen festen, klaren , bekommen und eine wirkliche Steuerreform, denn die bisherigen waren nichts als eine Vermehrung der Steuern. Daß die Dinge nicht so weiter gehen können, ist die Meinung weiter Volkskreise, das Gefühl geht auch über die Grenzen Deutschlands weit hinaus. Von dem Throne, Parlamente, aus der Presse, der ganzen Kulturwelt ertönt in den letzten Tagen der Ruf: So geht es nicht weiter. Der Vertrag mit England giebt uns eine neue Friedensbürg— schaft durch die befestigte Freundschaft zweier großer Kultur⸗ völker, die einander so nahe stehen. Wir haben den Dreibund, und trotz alledem erhalten wir einen Tag nach dem anderen nur Berichte über fortgesetzte Rüstungen. Wir haben aller⸗ dings auch aus den anderen Parlamenten, ich verweise be⸗ sonders auf Italien und Spanien, das Verlangen nach Ab⸗ rüstung, nach einem internationalen Schiedsgericht gehört. Auch der Papst führt bittere Klagen über das Anwachsen der Heere in Europa. In Oesterreich hat der Kriegs⸗Minister von Bauer von offizieller Stelle auf den krankhaften Zustand des allseitigen Erhöhens der Militärmächte hingewiesen und gezeigt, daß wir nur entweder durch eine Katastrophe oder durch Gesundung zu einem Ende kommen können; ich wünsche nicht die Katastrophe. Ich bin dem Fürsten Bismarck dafür besonders dankbar, daß er die Meinung vertreten hat, er müsse den Frieden, so lange er ihn erhalten könne, aufrecht erhalten. Ich bin auch nicht der Meinung, daß wir in Deutschland mit der Abrüstung jetzt an⸗ fangen sollen, aber die Regierung sowohl wie die Regierten haben die Verpflichtung, die Worte des österreichischen Kriegs⸗ Ministers zu beherzigen und die nöthigen Schritte zu ihrer Erfüllung zu thun. Diese Friedensalliance wird sich schließlich über Europa ausbreiten, und ich sehe nur eine Gefahr darin, daß dann eine internationale Verbrüderung der Massen ent⸗ stehen und sich ausbreiten wird. Die Völker werden Dem⸗ jenigen unsterblichen Dank wissen, der die Initiative zu jenem großen Friedenswerke ergreift. ch habe gern für die Militärvorlage stimmen wollen. Nach meiner ganzen Ver⸗ gangenheit werden Sie es natürlich finden; nach meinen Aus⸗ einandersetzungen werden Sie es ebenso natürlich finden, daß ich es als eine Gewissenspflicht erachten muß, meine Zustimmung nicht zu geben. Es müssen endlich einmal Erleichterungen im wirthschaftlichen Gebiete gegenübergestellt werden. Wenn der Militärverwaltung daran liegt, die große Majorität des Reichstages für sich zu gewinnen, dann ziehen Sie die Konsequenzen unserer Wünsche. Fortsetzung der mili⸗ tärischen Forderungen ohne Kompensation ist ein Ding der Unmöglichkeit. Ich werde gegen die Vorlage stimmen.

Abg. Dr. Windthorst: Es kann nicht zweifelhaft sein, daß die Vorlage bereits während der vorigen Session des Reichstages im Gange war, sie ist uns nur nicht vorgelegt worden, weil man fürchtete, sie würde auf die kommenden Wahlen erheblich einwirken. a bedauerlich, und ich gäbe viel darum, wenn man ie ablehnen könnte, denn diese Mehrforderung an Menschen und Geld ruht schwer auf der Bevölkerung, und die tiefgehende Bewegung, die sich in ganz Deutschland über diese Vorlage kundgiebt, beweist, wie schwer schon jetzt, ehe das Gesetz praktisch geworden ist, der Druck empfunden wird. Man hat mich wegen meiner Stellung zur Vorlage in jeder Weise angegriffen. Das hat nichts zu bedeuten, denn nach so langer parlamentarischer Thätigkeit bin ich es schon gewohnt, bald von der Regierung, bald von den Mittelparteien und bald von links angegriffen zu werden. Die Herren links scheinen es jetzt den Mittelparteien nachmachen zu wollen, das hilft aber Alles nichts. Ich werde ruhig meinen Weg weiter gehen, meine Pflicht thun und es Gott überlassen, die Dinge zu leiten. Es ist mir besonders zu Gemüth geführt worden, wie ich und meine Freunde ins Regierungslager übergehen konnten. Es heißt doch nicht, ins Regierungslager übergehen, wenn man einen einzelnen Vorschlag der Regierung für richtig hält. Wenn man zu allen Vorlagen unter allen Umständen Nein sagen wollte, brauchte man nicht hier zu sein und könnte sein Votum schriftlich einschicken. Wir haben es uns stets zur festen Aufgabe gemacht, die Regierung zu unterstüͤtzen, wo sie Recht hat, und sie mit Energie zu bekämpfen, wo sie Unrecht hat. Man hat mir ferner zu Gemüth geführt, wie ich hier der Regierung entgegenkommen könnte, obwohl sie unseren vitalsten Lebens⸗ interessen in Beziehung auf Kirche und Schule so wenig ent⸗ gegenkommt, und nachdem wir soeben im Abgeordnetenhause die heftigste Diskussion über die Sperrgeldervorlage gehabt haben. Allerdings kostet es ein großes Maß von Ueberwindung, nach solcher , . das zu thun, was Recht ist, aber wenn wir auch hier in Deutschland als Stiefkinder behandelt werden, sind wir doch verpflichtet, als treue Unterthanen nach dem Maße unserer Kenntniß zu thun was Recht ist, auch für Diejenigen, die uns schlagen. Man hat sich hier zu fragen, was die Unabhängigkeit und Sicherheit des Vaterlandes er⸗ fordere. Wenn die in Frage kommen, müssen alle anderen Erwägungen zurücktreten. Wenn wir gemeinsam unser Vater⸗ haus geschützt haben, wollen wir nachher innerhalb des— U uns gegenseitig gründlich auseinandersetzen. Sie ollen mich immer dazu bereit finden. Was hier ver⸗ langt wird, ist nothwendig zum Schutze des Vaterhauses. Die französische Artillerie hat 126 Batterien mehr als die unserige, und selbst nach Annahme und Ausführung dieser Vorlage noch 49 Batterien mehr. Ich kann nicht verantworten, daß meine Brüder die Pflicht haben, Leib und Leben und Ge— sundheit im Kampfe einzusetzen, und nur deshalb nicht siegen, weil sie ungenügend ausgeruͤstet sind. Ich kann auch die friedigung dieser schieben, wo uns die Finanzpläne vorgelegt werden sollen, denn damit würde viel kostbare . ir die nöthigen Be⸗ schaffungen verloren gehen. Wer sichert uns bei der unge⸗ euren Spannung überall, wenn auch der Friede gesichert zu ein scheint, daß nicht unerwartete 6 uns plötzlich zum Kampf fordern, wie 1870, als der Reichskanzler hier von der Tribüne die Kriegserklärung Frankreichs verlas? Allerdings muß man fragen, wie die Kosten gedeckt werden

Allerdings ist diese Forderung

orderung nicht bis zum Herbst hinaus⸗

können, und in der Hinsicht sind uns bisher noch unvolllommene Daten gegeben. Unsere Finanzverwal⸗ tung muß auch die kommenden Ereignisse überschauen, danach die Finanzgebahrun 6 und nicht warten, bis uns das Feuer auf den Nägeln brennt. Wir müssen einen vollständigen Finanzplan für das Reich und die Einzelstaaten hinstellen. Der Finanz Minister des Reiches muß mit den Finanz⸗Ministern der Einzelstaaten einen solchen Plan unter Derũ ch sichtigung der i,, der Einzelstaaten feststellen. Wir können aber auf diesen Plan nicht warten, um nicht mit unseren Rüstungen zu spät zu kommen. Ich glaube auch, daß diese Forderung hier mit den vorhandenen Einnahmequellen noch gedeckt werden kann. Deshalb bewillige ich die Vorlage, wo sie eilig ist, schon jetzt, erwarte aber bestimmt von der Regierung, daß sie im Herbst einen Finanzplan vorlegen wird. Gewiß dürfen wir nicht mehr bewilligen, als absolut noth⸗ wendig ist, und ich nehme keinen Anstand auszusprechen, daß wir seit Errichtung des Deutschen Reichs mit zu großer Freigebigkeit gewirthschaftet und an die Zukunft zu wenig gedacht haben, sonst würden manche Ausgaben sicher nicht be⸗ willigt sein. Wir waren nicht sparsam, lassen Sie es uns also jetzt sein. Natürlich muß alles Nothwendige bewilligt werden, wir müssen eben wo anders sparen, um diese Mittel zur Vertheidigung zu 3 Wir müssen den letzten Rock hergeben, damit wir unser Haus schützen und der Feind nicht ins Land kommt. Was hier verlangt wird, ist nach den an⸗ gegebenen Zahlen absolut nothwendig, so drückend es auch ist. Wir wollen dafür auf anderen Gebieten eine größere Sparsam⸗ keit eintreten lassen; vor Allem darf keinerlei Luxusausgabe mehr in das Budget eingestellt werden. Die Noth⸗ wendigkeit der Vorlage haben auch Alle anerkannt. (Widerspruch des Abg. Richter) Den Kollegen Richter nehme ich nicht aus, und wenn er sich ausnimmt, so stelle ich ihm seinen Kollegen gegenüber, der eben die Noth⸗ wendigkeit nicht bestritten hat, sondern die Bewilligung nur an einige Bedingungen knüpfte. Es ist ja traurig, daß wir zu solchen militärischen Rüstungen gezwungen sind, daß der Mensch nur dazu da ist, um immer von neuem Soldaten zu bilden und Waffen zu finden, die am Leichtesten und Massenhaftesten die Menschen umbringen. In allen europäischen Staaten werden diese Rüstungen vorbereitet, die gar nichts Gutes bedeuten. Bei dieser Forderung können wir allerdings wohl überlegen, inwiefern Anträge auf Abrüstung am Platze sind. Wenn die Regierung die Sachlage ruhig betrachtet, so wird sich auch ihr die Nothwendigkeit, solcher Ab⸗ rüstung aufdrängen, und ich erwarte von ihrem Pflicht—⸗ gefühl, daß sie dazu mitwirkt. Das mächtige Deutschland kann in dieser Hinsicht in Europa ein kräftiges Wort mitsprechen. Der Antrag Bonghi in Italien wegen eines internationalen Schiedsgerichts kann von uns mit großer Sympathie begrüßt werden. Wenn uns nicht die Geschäfte des Hauses drängten, würde ich auch meinerseits solche An⸗ träge stellen, und ich zweifle nicht, eine Majorität dafür zu erlangen, obwohl die Ausführung solcher Anträge nicht so leicht ist. Daraus, daß etwas nicht so leicht ist, kann ich nie⸗ mals einen Grund dagegen entnehmen; wir haben größere Schwierigkeiten überwunden. Haben Sie geglaubt, daß es möglich gewesen wäre, so rasch die Idee der Arbeiterschutz⸗ gesetzgebung in einem internationalen Kongreß zu erörtern? Und haben Sie geglaubt, daß ein solcher Kongreß solche Er⸗ folge haben würde? Hat man nicht gesagt, es wäre ein Schlag ins Wasser? Wenn der Kaiser einen Kongreß hierher berufen würde, um über ein solches internationales k zu verhandeln, ich glaube, auch damit würde er Erfolg haben. Aber wenn wir es bloß bei den Ideen lassen, ist nichts erreicht. Ich bin noch jung genug, um zu sagen, es ist hohe Zeit, daß diese Frage international erörtert wird. Bonghi hat den ersten Schritt gemacht, er wird es nicht ver⸗ eblich gethan haben. Wir wollen ihm nachfolgen. Ich habe onst keine Veranlassung, mich für die Herren da in Italien zu begeistern. Uebrigens ist Bonghi sehr viel besser als Trispi. Wir sind aber zur Zeit noch nicht an die Ausführun der Abrüstungsideen gekommen und dürfen daher als prak⸗ tische Männer nicht etwas versäumen, was zur Sicherheit des Vaterlandes nöthig ist. Wir wollen keinen Krieg, aber wenn er uns gebracht wird, müssen wir ihn mit sicherem Erfolg führen und deshalb diese Mittel bewilligen. In Rußland sehen wir eine unermeßliche Masse von Menschen und nicht zu unterschätzendes Kapital und energische fortschreitende Rüstungen. Vereinigt sich gar Rußland mit Frankreich, so werden wir dem Feinde nur mit Oesterreich zusammen gewachsen sein und mit Italien, sofern es die Kräfte hat. Aber ich glaube, daß wir mit Oesterreich allein einem solchen Kampfe zuversichtlich ,, . könnten, zumal die österreichische Regierung ebenfalls sich jetzt bemüht, ihre Wehrkraft zu stärken. Ich muß das Nothwendige be⸗ willigen und ich kann die Bewilligung nicht an Bedingungen knüpfen, welche die Bewilligung aufheben. Die einjährige Bewilligung des Militär-Etats und die zweijährige Dienstzeit halte auch ich für berechtigt. Ich zweifle auch nicht, daß wir die erste Forderung erreichen werden, wenn wir sie kon—⸗ sequent weiter verfolgen. Die zweijährige Dienstzeit wird von der überwiegenden Mehrheit des Volks verlangt, und die verbündeten Regierungen müssen sich ernstlich fragen, ob sie einem solchen mit elementarer Gewalt auftretenden Verlangen Widerstand zu leisten entschlossen sind: Die Herren von der Militärverwaltung mögen nicht vergessen, was hier verlangt wird, verlangt das ganze deutsche Volk mit sehr wenigen Ausnahmen. Fragen Sie Ihre Wähler, Sie werden dieselbe Antwort erhalten. In der Kommission ist auch eine Resolution beschlossen worden, daß sofort thatsächlich, sei es in den Rekrutenvakanzen, sei es durch größere Gewährung von Königsurlauben, eine Erleichterung eingeführt werde. In Bezug auf diese rein administrative . könnte die Regierung sehr wohl eine beruhigende erklärung abgeben und ich stelle an die Regierung das An⸗ sinnen, daß sie, wenn irgend möglich, eine solche Erklärung klar und knapp in soldgtischer Form abgiebt. Es wäre dies ein Schritt auf dem 36 zur zweijährigen Dienstzeit. Ich bin überzeugt, daß diese Vorlage lange nicht auf den Wider⸗ stand gestoßen wäre, wenn die Regierung nicht noch weitere Pläne in Aussicht gestellt hätte. Die Darlegungen in dieser Hinsicht in der Kommission haben mich, ich kann es nicht leugnen, fast niedergedrückt. Würden n. Pläne durch⸗ gefuͤhrt, so würde das Land unerträglich belastet werden, es würden die Mittel fehlen zur Ernährung des Volks und der Armee selbst. Diese Pläne müssen ein für alle Mal definitiv aufgegeben werden. n den weiteren Ver⸗ handlungen der Kommission find jene Erklärungen sehr ein⸗ geschränkt worden, es sind einstweilen nur Erwaͤgungen, die

hier im Kriegs⸗Ministerium gemacht sind. Die übrigen gierungen sind noch nicht darüber gehört, ein irgen r. Entschluß liegt überhaupt nicht vor. Bel aller Hochachtun und Verehrung der einzelstaatlichen Regierungen habe ich do nicht die Neberzeugung, daß sie Kraft genug haben würden solchen Plänen zu widerstehen. Deshalb habe ich mit meinen reunden diesen Plänen gegenüber wenigsiens einen formellen, laren Prgtest erheben zu müssen geglaubt und diesen Protest in einer Resolution niedergelegt, Kir kommen durch solche Resolution viel besser . als durch Ihre Anträge. Sie wissen recht gut, daß die Annahme Ihrer Anträge das Scheitern der Vorlage zur Folge haben wurde, und wir können dafür eine Verantwortung nicht übernehmen. Ich weiß ja, es giebt Blätter, die meine Partei mit Gewalt in einen Konflikt mit unseren Wählern bringen möchten. Sie sagen, der Windthorst ist alt geworden und ihm ist bange. Alt bin ich wohl, aber bange noch nicht und wenn ein Konflikt entstände, so würde es ja ein lustiger Kampf sein, und der Kampf stählt die Glieder. Indeffen, ich

habe mein Vaterland zu lieb, um i ĩ . bereiten. Wer ic ihm einen solchen Kampf

e Konflikte durchgemacht hat, und i abe sie durchgemacht, weiß, welchen Schaden fie k eshalb ziehe ich, wenn auch ungern, den Weg der Refolution

vor. Es soll ein Protest erhoben werden gegen Pläne, die

schon der verstorbene Kaiser Wilhelm für undurchführbar erklärt hat. Nun sagt man, um mich und meine Freunde zu kränken: Ihr seid in konsequent, früher habt Ihr den Milita⸗ rismus bekämpft, heute unterstützt Ihr ihn. Wir haben uns jederzeit bemüht, die Forderungen für die Armee möglichst herabzusetzen; wo aber uns klar gemacht wurde, daß fie noth⸗ wendig waren, haben wir sie bewilligt, auch 1387 jeden Mann und jeden Groschen, wenn auch nicht auf ? Jahre. Was aber das Ver⸗ sprechen an die Wähler betrifft, so kann ich nicht wissen, was dieser oder jener meiner Freunde gesagt hat. Was aber die Fraktion gesagt hat, . dem Programm vom Januar, und in diesem Programm heißt es, daß wir auf allen Gebieten die größte Sparsamkeit innehalten wollten, selbstverständlich aber immer eintreten würden für die Ehre, Würde und Wehr— haftigkeit des Landes. Sind denn diese Worte in irgend einem Widerstreit mit dem, was ich und meine Freunde wollen? Ich fordere Jedermann heraus, mir nachzuweisen, wo immer die Centrumsfraktion als solche etwas gesagt oder gethan hat, was mit dem in Widerspruch steht, was wir heute zu thun im Begriff find. Wir haben in früheren Programmen erklärt, daß wir eintreten wollten für die einjährige Militär⸗ bewilligung und für die zweijährige Dienstzeit. Wir thun es jetzt.

Wir fordern es mit Bestimmtheit, können es aber nicht bezwingen,

in der Art wie Sie es wollen, weil wir dadurch das Vater⸗

land wehrlos machen. Wir stimmen für die Vorlage mit den

Resolutionen und gegen die Anträge. Was den Antrag

Rickert betrifft, so weiß ich noch gar nicht, ob derselbe in der

gestellten Form zulässig ist. Er würde höchst wahrscheinlich

eine Verfassungsänderung erfordern. Wir sind uns sehr wohl bewußt, daß uns aus unserem Votum ein sehr schwerer Vor⸗ wurf gemacht wird. Man xüstet schon jetzt in den verschie⸗ denen Lagern, um daraus für die künftigen Wahlen gegen uns Kapital zu schlagen. (Sehr richtig! bei den Sozial⸗ demokraten) Hr. Bebel sagt „sehr richtig! und ich weiß ja, daß seine Freunde in rüstiger Thätigkeit sind und daß auch die Partei der „Frankfurter Zeitung“ sie unterstützt. Ich bin aber überzeugt, daß, wenn unsere Wähler klar sehen, wie die

Dinge liegen und was hier in Frage steht, sie unser Verhalten

billigen werden. ̃

Reichskanzler von Caprivi:

Gegen den materiellen Inhalt der Vorlage, gegen die Noth⸗ wendigkeit der beantragten Verstärkung des Heeres, der Aenderung seiner Organisation sind Einwendungen, soweit ich gehört habe, nicht vorgebracht worden. Ich stimme darin dem Hrn. Abg. Dr. Windt⸗ horst bei, daß auch der Hr. Abg. Rickert solche Einwendungen nicht zu machen hatte. Mag der Hr. Abg. Rickter durch einen Zwischen— ruf dokumentirt haben, daß er anderer Ansicht war, von dem Hrn. Abg. Rickert habe ich dergleichen nicht gebört. Ich konstatire das mit um so mehr Freude und Befriedigung, als ich im Namen der verbündeten Regierungen zu erklären habe, daß sie von der Vor⸗ lage abzugehen nicht gesonnen und die dazu gestellten Anträge anzu⸗ nehmen ebenso wenig gesonnen sind.

Nach der Widerlegung, die der Hr. Abg. Windthorst dem Hrn. Abg. Rickert hat zu Theil werden lassen, nach der präzisen Dar⸗ legung des Zwecks der Vorlage durch den Hrn. Abg. Windthorst kann ich mich derjenigen Kürze befleißigen, die er mir zur Pflicht gemacht hat

Der Hr. Abg. Rickert hatte im Wesentlichen zwei Bedenken. Einmal mochte er die Vorlage nicht annehmen, weil nicht einige konstitutionelle Forderungen, die zu stellen seine Partei seit längerer Zeit gewohnt isf, erfüllt werden; dann aber meint er: warum gerade jetzt? Während der Hr. Abg. Windthorst diese Fegge an die Ver gangenheit knüpfte, blickte der Hr. Abg. Rickert auf die Zukunft; er meinte: wartet doch noch! Ja, mir bleibt da nur Übrig, an ein Gleichniß zu erinnern, das ich schon mal hier gebraucht habe. Wenn Jemand sich einen Blitzableiter für sein Haus be⸗ schaffen will, steht er auch vor der Frage: soll ich das jetzt thun, oder kann ich nicht noch ein Jahr warten? Wäre Jemand da, der ihm die Garantie geben könnte, daß der wolkenlose Himmel, unter dem er heute steht, ein Jahr länger anhalten werde, so würde er ganz gewiß die Ausgabe für den Blitzableiter erst über ein Jahr machen. Trotz der günsligen politischen Lage, in der wir jetzt leben, bin ich nicht im Stande, vorherzusagen, wie lange dieselbe dauern werde. Ich bin also der Meinung: Der Blitzableiter muß sofort beschafft werden.

Die Ausführungen des Hrn. Abg. Windthorst in Bezug auf die Nothwendigkeit, die Finanzlage des Reichs und der Einzelstaaten in Uebereinstimmung zu bringen, kann ich mir nur vollständig zu eisen machen; es ist einer meiner sehnlichsten Wünsche, daß dieser Zustand so bald wie möglich herbeigeführt werde. .

Zu meinem Bedauern aber hat der Hr. Abg. Windthorst eine Aeußerung gethan, die ich nicht acceptiren kann, die mich betrübt hat, die ich vom Standpunkt unserer auswärtigen Politik für bedauerlich balte; er hat über den leitenden Minister eines uns eng befreundeten Staats eine abfällige Aeußetung gemacht. Meine Herren, in dem Augenblick, wo Sie vor der Nothwendigkeit stehen, über eine Heeres verstärkung zu befinden, halte ich es nicht für angebracht, an den Bündnissen, die wir seit Jahren geschlossen haben, die wir treu zu halten gewillt sind, zu rütteln.

Da Bündniß mit Italien wird nach meiner Ueberzeugung auch weiter leben, wenn, was Gott verhüten wolle, der hr. leitende Minister von seiner Stelle zurücktritt; aber in der Person dieses Ministertz finden wir eine Friedensbürgschaft, wie sie uns schwerlich

ein anderer Italiener geben kann, und ich beklage es deshalb, wenn

diese irn hier von der Tribüne angegriffen worden ist. er Hr. Abg. Windthorst meint: wir können allein in der Ver⸗ bindung mit Oesterreich fertig werden. Das kann sein, er mag darin Recht haben; aber es ist ein alter militärischer Satz: wir können zur Entfcheidung nie zu stark kommen, und ich möchte nicht, daß von den Alliancen, die wir haben, auch nur der kleinste Theil abbröckelte, daß sie auch nur innerlich geschwächt würden. Ich kann mich den Resolutionen, die der Hr. Abg. Windthorst vorgeschlagen hat, zuwenden. Die erste geht dahin, daß von den

„Plänen' Abstand genommen werde, indem dadurch dem Deutschen Reich geradezu ,, Kosten erwachsen 226 Ich . nicht beurtheilen, ob die Kosten unerschwinglich sind; denn wie ich schon einmal erklärt habe; ich kenne die Pläne nicht. Ich halte es auch für wahrscheinlich, daß, wenn in dem nächstẽn Jahre die verbündeten Regierungen mit militärischen Forderungen vor dies hohe Haus treten sollten, diese mehr dahin gehen würden, daß das, was geschaffen ist, innerlich konsolidirt werde. Wir baben inner⸗ halb der Armee eine ganze Anzahl von Fragen in der Richtung der Verbesserun unserer inneren Zustände zu erledigen im Sinne der Worte des Fürsten Bismarck, daß wir mehr auf gute Truppen, als auf viele Truppen werden Gewicht legen müssen.

Wenn die Kosten hier als unerschwinglich“ bezeichnet worden sind, so will ich mir doch die Bemerkung gestatten, daß ich den Aus⸗ druck für sehr hoch gegriffen halte. Ich koͤnnte darauf exemplififtren, was Preußen, das kleine Preußen in früheren Jahren gethan hat. Ich will mich aber hier darauf beschränken, daß ich die Frage an Sie richte: wie glauben Sie, daß das Wort unerschwing⸗ lich auf das Ausland wirkt? Glauben Sie nicht, daß Leute da sind, die das mit tiefem Behagen hören und die eine gewiffe Befriedigung empfinden, wenn ste wirklich denken könnten: jetzt ist Deutschland am Ende seiner finanziellen Leistungen angekommen? Ich weiß sehr wohl, daß das nicht Ihre Meinung ist, daß das ein Ausdruck ist, wie er im Parteikampf mit unterläuft. Aber ich habe zu konstatiren, daß nach der Ueberzeugung der verbündeten Regierungen Sie noch nicht, noch lange nicht am Ende Ihrer finanziellen Leistungen angekommen sind, wenn von diesen Leistungen die Sicherheit und die Existenz Deutschlands abhängt.

Die zweite Resolution befaßt sich mit der Friedenspräsenzstärke —— dem Septennat. Es ist mir bis zur Stunde unerfindlich, warum dies Thema hier so accentuirt worden ist. Wir verlangen ja gar nicht sieben Jahre; es sind ja nur noch dreieinhalb Jahre. Wir wollen nur das Septennat, welches früher angefangen hat, jetzt nicht unterbrechen; wir wollen die einmal bewilligten Mittel fortbrauchen und die neu zu bewilligenden auch ebenso lange.

Ich hatte mir eingebildet, daß gerade die Fortschrittspartei diesem Wunsch der Regierung mit einer gewissen Sympathie entgegentreten, sich freuen würde, daß wir nicht mit einem neuen Septennat von jetzt bis zum Jahre 1897 kommen, sondern daß wir uns dem Antrage Stauffenberg von 1887, der von drei Jahren ausging, anfügten. Weiter wird in der Vorlage nichts verlangt, als eine Bewilligung auf etwas über drei Jahre. Wenn ich mich also auf den Boden eines Abgeordneten der Fortschrittspartei stelle, so muß ich doch sagen: die Sache war acceytabel. Wird sie von der Fortschrittspartei nicht acceptirt, so muß ich eben zu meinem Bedauern bei der Ansicht stehen bleiben, daß es sich hier um konstitutionelle ich stelle anheim, ob Sie den Ausdruck Doktorfragen oder Kraftproben vorziehen handeli.

Die vierte Resolution geht auf die zweijährige Dienstzeit aus. Aus den Erörterungen, die darüber stattgefunden haben, wird, glaube ich, auch der begeistertste Schwärmer für die zweijährige Dienstzeit doch die Ueberzeugung gewonnen haben, daß die Sache ihre zwei Seiten hat. Schon die eine Seite, daß sie nicht wohl für alle Waffen durchführbar ist denn das erkennen Sie auch selbst an, daß wir einige Waffen kurz, andere länger dienen lassen müßten ist eine im pen fen Grade bedenkliche. Selbst wenn man der zweijährigen Dienstzeit zuneigt, muß man zugeben, daß da Konsequenjen auf diesem Boden entstehen können, die sich noch gar nicht absehen lassen. Es giebt zweifellos Soldaten, die die volle zweijährige Dienstzeit, also 24 Monate aktiv bei der Fahne, auch für die Fußtruppen dem jetzigen Zustande vor— ziehen möchten. Wir haben jetzt eine ungleiche und zum Theil kürzere, Dienstzeit, behaftet mit all den Mängeln, die dem Dievositionsurlauberthum anhaften, behaftet mit der Ersatzreserve. Ich glaube, wenn eine zweijährige Dienstzeit voll geboten würde, wenn diese Dinge davon getrennt werden könnten, wenn dann die Kompensationen gegeben würden, von denen schon gesprochen ist, daß dann mancher Soldat dem zustimmen würde. Aber das, meine Herren, machen Sie sich doch auch klar, daß das nicht weniger lästig fuͤr die Bevölkerung und un—⸗ gleich tbeurer werden würde als der jetzige Zustand. Die verbündeten Regierungen sind also zur Zeit nicht in der Lage, auf eine Verkürzung der Präsenzzeit einzugehen.

Ich komme zu der Resolution Nr. 3 die an die Regierungen das Ersuchen stellt, entweder die thatsächliche Präsenzzeit herabzumindern oder Dispositionsbeurlaubungen einzuführen. Der Weg der Herbst— vakanzen ist für die verbündeten Regierungen nicht gangbar; da⸗ gegen bin ich ermächtigt, und zwar für den Umfang ganz Deutschlands, zu erklären, daß schon in diesem Herbst bei den Fußtruppen Beurlaubungen zur Disposition in er höhtem Umfange stattfinden werden, in dem Umfange, den die ver⸗ bündeten Regierungen noch mit der Fortsetzung eines guten Dienst⸗ betriebs bei den Fußtruppen für vereinbar halten, Zahlen, die, wenn sie durch die ganze deutsche Armee addirt werden, etwa 6000 Mann betragen werden. Ich glaube, daß damit die verbündeten Regierungen ihr Entgegenkommen in der Weise gezeigt haben, die die einzig . ist. Weiter zu gehen ist den verbündeten Regierungen nicht möglich.

Wenn nun die verbündeten Regierungen so weit gegangen sind, im Uebrigen aber ibre Forderungen nicht aufgeben können, so bitte ich das hohe Haus, die Vorlage der Regierungen unverändert, so ein stimmig wie möglich, anzunehmen. Nachdem ich mich in der Kommission geäußert hatte, hat man in den Zeitungen, die der Partei drüben angehören, das Wort gefunden, daß ich eine Schonzeit für mich beanspruche, während ich das nicht gewollt habe. Schießen Sie nur auf mich! Mir soll es recht sein! Ich habe die Schonzeit für Deutschland beansprucht, und bin ich auch noch der Meinung, daß, wenn wir uns, wie ja zweifellos, am Ende des jetzigen Septennats, sei es zur Verständigung oder zum Kampf wiederfinden werden, dieser Kampf, wenn er noth⸗ wendig werden sollte, mit urgleich weniger bedenklichen Folgen für Deutschland geführt werden kann als heute. Man möge sich doch klar machen, wohin eine Differenz auf diesem Boden zwischen den Regierungen und dem Reichstage führen kann! Daß es den Regierungen kein Vergnügen ist, Steuern zu fordern und Menschen einzustellen, das liegt auf der Hand. Schreitet die gn zu so ernsten, folgeschweren Forde⸗ rungen, so wird sie doch ebenso gut für sich in Anspruch nehmen, wie jeder Andere das für sich in Anspruch nehmen kann, daß sie aus Pflichtgefühl handelt. Erkennt die, Regierung, daß das Dasein Deutschlands diese Forderung nöthig macht, so würde sie falsch ade w sie nicht alle Mittel erschöpfte, ehe sie diese Forderung allen läßt.

. aber können solche Differenzen führen? Ich mag das Bild gar nicht ausmalen, will aber hier wieder vom Standpunkt der auswärtigen Politik aus sprechen und Ihnen einmal vor Augen führen: ist es denn logisch, in dem Augenblick, wo man entweder offen zuge— steht, oder innerlich wenigstens anerkennt, daß eine Verstärkung unseres Heereswesens, an die die Regierungen mit schwerem Herzen heran gegangen sind, nothwendig ist, in einem solchen Augenblicke, ich will nicht sagen, Konflikte, aber auch nur Differenzen innerhalb der Nation zu erregen? 2

Darüber werden wir doch Alle einig sein, wenn es einmal zum Kriege kommen sollte, so kann derselbe nur geführt werden unter dem einmüthigen Zusammenhalten der ganzen Nation.

Wie bereitet man nun aber einen Krieg vor, wenn man es in der Zeit, wo man Forderungen, die auf den Krieg ielen, er mag noch so fern liegen, zu bewilligen hat, zu inneren Differenzen, an denen das Augland sich weiden kann, kommen läßt?

Ich kann also nur noch einmal meine Bitte wiederholen, die Vorlage um DeutschlandsZa und des Friedens willen so einmüthig wie möglich anzunehmen. .

Abg. 6 Hatzfeldt; Hr. Rickert hat im Grunde gegen die Vorlage nichts weiter geltend gemacht, als daß er gar nicht so abgenelgt wäre, die Forderung zu bewilligen, wenn es eben nicht jet wäre, So stand zu Anfang die Sache auch in der Kommissston. Mit einem Male aber schlug die

Stimmung um, als der Kriegs-Minister erklärt hatte, daß diese e rng noch nicht die letzte sei, daß man nach seiner persönlichen Meinung die Einstelkung aller Wehrpflichtigen in das Heer ins Auge fassen müsse. Ich verstehe die Opposition n solche Pläne, ich verstehe aber nicht, wie man zu der hlußfolgerung gelangen kann, daß, weil eine solche entfernte Möglichkeit vorliegt, so entfernt, daß sogar nach der Erklärun des Reichskanzlers die verbündeten Regierungen an sie no gar nicht herangetreten sind, . die heutige Vorlage ab⸗ ge cht werden müßte, und wenn sie noch so nothwendig und egründet erscheint. Gerade diese Vorlage ist besser als jede frühere begründet, sie ist nichts als die Konsequenz der 1889 nach dem Septennat in Frankreich be⸗ gonnenen Armeevermehrung und der thatsächlichen Un⸗ zulänglichkeit unserer Artillerie. Zur Ablehnung würden wir nur berechtigt sein, wenn volkswirthschaftlich und finanziell eine solch! Schädigung des Staatswesens dadurch einträte, daß das Reich zusammenbrechen müßte. Beides bestreite ich. Der Satz „mehr Soldaten bedeutet weniger produktive Arbeit“ ist nicht ganz richtig. Es kommt auch auf die Qualität an. Die militärische Erziehung ist die beste Schule, die wir besitzen. Der ausgediente Soldat kommt nicht nur körperlich geschickter und kräftiger, sondern auch gewandter und anstelliger in das Civilleben zurück. Er liefert in kürzerer Zeit mehr und bessere Arbeit, als der ungeschicktere. Der volkswirthschaftliche Vortheil der Ablehnung der Vorlage ist also gleich Null. Nach der finanziellen Seite hat uns Hr. Rickert ein schreckliches Bild entworfen und den sicheren Ruin in Aussicht gestellt. Ich finde, daß auch nach Annahme dieser Vorlage eine Erhöhung der Matrikularbeiträge voraussichtlich nicht nothwendig sein wird. Ich halte mich da⸗ bei an das Bild der Finanzlage, welches uns in der Kommission Direktor Aschenborn gegeben hat. In früheren Zeiten hat sich das Verhältniß des Armeebudgeis in Preußen zu den Gesammtausgaben nicht anders gestellt, wie jetzt. Die Volks⸗ belastung durch die Getreidezölle, wie Hr. Rickert sie aus⸗ gerechnet hat, ist entschieden zu hoch gegriffen. Bekanntlich ist streitig, ob das Ausland nicht den Zoll trägt. Aber selbst die Freunde des Hrn. Rickert behaupten doch, daß durch die Festsetzung oder Erhöhung eines Zolles Seitens des Auslandes die inländische betheiligte Industrie seschadigt wird. In dieser Beziehung steht es doch ei uns nicht anders wie etwa in Amerika. Der Abg. Rickert will die jährliche Bewilligung der Friedenspräsenz nicht als Kompensationsobjekt gelten lassen, trotzdem hat er großen Werth darauf gelegt. Wie will man die Bewilligung einer Ausgabe, die unbedingt nothwendig zur ö der Sicherheit des Reichs ist, abhängig machen von der Erweiterung der parlamentarischen Rechte? Billiger wird die Sache durch jährliche Bewilligungen auch nicht werden, und der Reichstag wird auch alljähr— lich geben müssen, was nothwendig ist. Für die Re⸗ solution, betreffend die Vermehrung der Dispositionsurlauber, werden auch wir besonders nach den Erklärungen des Reichs⸗ kanzlers stimmen. Die überwiegende Mehrheit meiner Freunde wird dagegen gegen die Resolution über die militärischen Zu—⸗ kunftsplaͤne, ebenso gegen die Anträge Bamberger stimmen, da eine so wichtige Verfassungsfrage nicht so nebenbei erledigt werden kann. Soweit ein Theil unserer Presse in Betracht kommt, ist die Stimmung im Lande allerdings gegen die Vorlage, aber was hat denn diese Stimmung gemacht? Sie haben vor der Wahl die Parole ausgegeben: Fort mit den Septen nätlern! Wenn diese Mehrheit weg ist, werden von selbst die finanziellen und militärischen Lasten geringer werden. Jetzt können Sie die Geister, die Sie damals riefen, kaum noch bannen. Wie steht aber diese Wahlparole im Einklang mit der Erklärung von 1887: Wir bewilligen jeden Mann und jeden Groschen! Gegen⸗ über dieser Stimmung im Lande wird es Manchem gewisser⸗ maßen schwer, Ja zu sagen zu der Vorlage. Aber wenn es sich um so wichtige Dinge handelt, kann man sich durch die Stimmung des Volkes nicht bestimmen lassen. Wir geben durch die Verhandlungen kein schönes Bild dem Auslande und leisten dem Vaterlande keinen Dienst damit, aber einen noch schlechteren Dienst würden wir ihm leisten, wenn wir den

§. IL ablehnten.

Abg. Richter: Wir haben allerdings im Jahre 1887 jeden Mann und jeden Groschen bewilligen wollen. Das bezog sich aber nur auf 468 000 Mann. Es sollte das nicht be⸗ deuten, daß, wenn weitere Forderungen gestellt werden, wir auch zu deren Bewilligung bereit sind. Gerade weil damals für 7 Jahre die Präsenz festgesetzt worden ist, sind wir jetzt nach 3 Jahren umsomehr berechtigt zu fragen, ob es schon angezeigt war, über die damalige Grenze hinauszugehen. Der Reichskanzler stellte in Aussicht, daß für diesen Herbst die Zahl der Dispositionsurlauber im ganzen deutschen Heere um 6000 Mann vermehrt werden würde. Diese Vorlage bedeutet eine Erhöhung des Jahres ⸗-Rekrutenkontingents um 6000 Mann. Bei der Infanterie wurden schon bisher 35 Proz. des jährlichen Kontingents nach 2 Jahren zur Dis⸗ position beurlaubt, also würde schon bei Vermehrung des Kontingents um 6009 Mann jährlich das bis— herige Verhältniß eine Vermehrung der Digspositions— urlauber um 35 Proz. von 6000, also um rund 2000 Mann bedingen, sodaß, wenn überhaupt die absolute Zahl der Dis⸗ positionsurlauber sich gegen bisher nur um 9600 Mann er— höht, darin nur eine Konzession von 4000 Urlaubern über das bisherige Verhältniß liegt. Doch ich nehme an, daß der Reichskanzler das nicht gemeint hat, sondern über das pro— a n,. Verhältniß von bisher hinaus eine Vermehrung er Urlauber nicht um 4000, sondern um 6000 Mann beab⸗ sichtigt. Ich erkenne an, daß hierin eine Konzession gemacht ist, die in der Kommission von den Mittelparteien in Anregung gebracht, dort aber von dem Reichskanzler nicht bewilligt worden ist. Es zeigt dies, daß, wenn ein Wille erst vorhanden ist, sich auch ein Weg für die Militärverwaltung findet, Erleichterungen zu schaffen. J bedauere aber nur, daß dieser Weg, der jetzt betreten ist, ein überaus schmaler und die Konzesfton so wenig erheblich ist, daß fie nach meiner persönlichen Auffassung unmöglich eine Brücke bilden kann, um für die Gesammthaltung gegen⸗ über der Vorlage eine Aenderung , , Die Vermehrung der Urlauber um 69090 Mann bedeutet nur eine Minderung der in der nn. geforderten dauernden organischen persönlichen Mehrbelastung um ein Drittel und der finanziellen Mehrbelastung um ein Neuntel oder vielleicht ein Zehntel. Aber 14 eine Verminderung der persönlichen Mehrbelastung um ein Drittel ist es nicht. Die

18 000 Mann werden mit ihrer ganzen Persönlichkeit an der- militärischen Dienst gefesselt; die 6g ann aber werwniän⸗