Rocholl's: „Kaiser Wilhelm's Ritt um Sedan am Tage nach der Schlacht“. Schon oft ist die Klage laut geworden, daß die großen Ereignisse der ruhmreichen letzten Kriegsjahre so wenige Künstler zu Werken begeisterten, in denen derartige Themata behandelt werden. Um so erfreulicher ist es, daß Rocholl, wie schon früher, auch jetzt wieder uns einen Augen— blick aus dem glorreichsten Abschnitt des deutsch⸗französischen Krieges im Bilde vergegenwärtigt. Man sieht König Wilhelm hoch zu Roß, jubelnd umdrängen die Krieger den allverehrten Helden, der sie zum Siege geführt. Das Bild wirkt etwas unruhig durch die allzubewegte Komposition, auch gegen die Farbe ließe sich mancherlei einwenden, was genauer darzulegen Sache einer eingehenden Besprechung wäre. B. Plockhorst ist in diesem Saal vertreten durch ein Bild „Verlorenes Glück“ und ein Porträt der Hochseligen Kaiserin Augusta; die edle Fürstin ist in Trauerkleidung dar— gestellt, die feinen Züge verrathen die Einwirkung eines tiefen Schmerzes. Ihr gegenüber sieht man das in Lebens—⸗
oße ausgeführte Bildniß ihres edlen Sohnes, des Hoch— eligen Kaisers und Königs Friedrich III. im Allerhöchsten Auftrage für die Gallexie des Königlichen Schlosses zu Berlin gemalt von Th. Ziegler. H. Guders Brandung an der norwegischen Küste, C. Saltzmann!s Marinestück: Sr. M. Jacht „Hohenzollern“ am. Suphellbrä bei Mundal im Sognefjord (Norwegen)“, M. Wislicenus' „Die Musik“ machen den weiteren Schmuck des Ehrensaals aus und lassen den Besucher weitere tüchtige Leistungen in den übrigen Sälen vermuthen.
Eine angenehme Veränderung erwartet Denjenigen, welcher das Gebäude seit der Ausstellung vor zwei Jahren nicht be— treten hat. Aus den drei in fortlaufender Flucht nach dem Marinesaal zu liegenden Sälen ist ein einziger großer Raum geschaffen, der einen günstigen dekorativen Abschluß erhält durch einen freundlichen Galeriebau, der seine Entstehung der jĩungst hier abgehaltenen Gartenbau⸗Ausstellung verdankt. Er trägt dazu bei, den etwas eintönigen Charakter des neugeschaf— fenen großen Saales anmuthiger zu gestalten und macht seinen Urhebern alle Ehre. von Uechtritz lieferte zwei reizende Lampen⸗ trägerinnen, welche den von zwei Säulen getragenen Durchgang flankiren und sich den zierlichen Arrangements vortrefflich an— passen. Eine besonders festliche Stimmung scheint das hier auf⸗ und abwandelnde Publikum zu beherrschen, und die sanfte Musik, welche unter dem von Zierpflanzen umstandenen Zelt des Aufbaus erschallt, vermehrt die sonnige Heiterkeit, welche gerade über diesem Saal und seinen Besuchern ruht. Vor einzelnen Bildern, um Skulpturen, welche, mit feinem Geschmack arrangirt, in dem mittleren Theil des Saales eine Ausstellung für sich machen, bilden sich kleine Gruppen, die im lebhaften Meinungsaustausch ihr Urtheil abgeben und das Anderer hören. Paul Meyerheim allein versammelt um seine Kollektion ine kleine Gemeinde von Verehrern und Freunden, und der Humor, der aus seinem Dekorationsstück „Viel Glück hervorleuchtet, findet einen Widerhall in den Worten der Beschauer. Sein „Frühstück“ zeigt uns wieder zwei Vertreter der menschenähnlichen Vierfüßler, von denen einer soeben ein Glas zerbrochen hat, was den andern zu einem Ausruf leb— hafter Entrüstung veranlaßt; die „eifersüchtige Löwin“, die „Hunde“ u. a. m. zeigen uns wieder den anerkannten Thiermaler; aber auch der Porträtist Meyerheim ist mit einem Bilde der gefeierten Marcella Sembrich vertreten. Max Koner lieferte zwei Porträts Sr. Majestät des Kaisers, die talentvolle Ungarin Vilma Parlaghy zeigt uns den Abg. Windthorst im Bilde, sowie das Porträt ihrer Mutter, einer Dame von distinguirtem Aussehen. R. Warthmüller, der sich durch sein „Liebesmahl“ viel Freunde erwarb, bietet diesmal ein verwandtes Stück „Ballpause“; auch hier ist es ein flotter Kavallerieoffizier, der als gewandter Erzähler die Aufmerksamkeit der Gesellschaft zu fesseln weiß. Im Thema ist also dieses neue Werk nur eine Wieder— holung des früheren, im Kolorit und in der Zeich— nung steht es ihm nach, eine strenge Kritik dürfte mancherlei auszusetzen haben. F. Brütt, dessen „Frei⸗ gesprochen“, „Prozeßbauer“ u. a. m. noch in guter Erinne— rung früherer Ausstellungsbesucher steht, hat diesmal eine humoristisch gehaltene Studie „In der Gemälde-Galerie“ ge— liefert, die wohl näherer Betrachtung werth ist. R. Eschke der Jüngere zeigt mit seinem „Sturm im Golfstrom“ und zwei anderen Bildern, daß er seinem Vater Hermann, welcher drei Stücke ausstellt, mit Erfolg nachstrebt. Max Lieber⸗— mann hält sich in seiner „Holländischen Dorfstraße“ glücklicher Weise etwas fern von seiner sonst so abschreckenden Farbengebung, das fragliche Bild will genau auf seine Feinheiten hin untersucht werden. H. Herrmann zeigt wieder das gewohnte Geschick in der Wiedergabe der dunstigen Temperatur von Uferpartien. Jan Verhas': „Retour de la pèche aux Crevettes“ ist als tüchtiges Werk bekannt; als solches können auch die Crevetten— fischer von H. Baisch gelten. Ein gewagtes Farbenexperiment stellt A. Hirschl in seiner heiligen „Cäcilie“ an; man muß diese aufgelösten ätherischen Töne erst sorgfältiger auf ihre Berechtigung und Möglichkeit prüfen, ehe man ein abschließen⸗ des Urtheil über dies Werk fällen kann. Eugen Bracht s Matterhorn“ ist bereits von Sr. Majestät dem Kaiser angekaust worden; gleichwerthig sind wohl der Abend nach dem Sturm“ und „Vor dem Regen“. Das impressionistisch gemalte Bild Gari Melchers' Lootsen“ wird die Freunde dieser Richtung gewiß interessiren. Von G. Biermann sah man schon vor zwei Jahren ein Kniestück Kaiser Friedrich's; während es denselben am Schreib⸗ tisch in Eivilkleidung darstellt, zeigt das neue uns ihn in ganzer Figur und in Uniform. R. Friese ist wieder mit einem seiner tüchtigen Thierstücke vertreten; diesmal sind es Hirsche, von denen einer bereits im Sterben liegt, während der andere die deutlichen Spuren des erbitterten Kampfes an seinem blutbesudelten Fell aufweist. Graf . Harrach zeigt wieder die eigenthümliche Technik, welche bei früheren Porträts erwähnt und von Manchen getadelt, von Vielen gelobt wurde. Noch sei C. Ludwig's Hochgebirgs⸗ „Einöde“ erwähnt, dann aber drängt die knapp bemessene Zeit m Verlassen dieses interessanten Saales und führt die
esucher in die Nebenräume, in denen nicht minder tüchtige Leistungen nur zu oft ihren Schritt hemmen und sie zu kurzer Betrachtung veranlassen; nur kurz konnte dieselbe sein, denn nur drei Stunden war es am Sonnabend dem geladenen Publikum vergönnt, einen Einblick in den Reichthum der Ausstellung zu thun.
Genannt sei Carl Röchling, der uns Episoden aus dem deutsch-französischen Kriege und dem Raubzuge der Fran— zosen unter Louis XIV. vorführt, während uns der humo— ristische Stiefelappell im Manöver“ zeigt, daß der Maler selbst oft genug solchen prosaischen Vorgängen im Friedeng⸗
leben des Soldaten beigewohnt hat, um mit scharfer Be⸗ nac en ag; das Ergötzliche der Scene im Bilde wieder⸗ zugeben.
Schnars-Alquist hat für sein Seestück „Hülfe in Sicht“ einen hochwillkommenen Käufer gefunden, den be— ,, , der Marine, unsern Kaiser. Eine „Judüh“ läßt von Weitem schon Nathanael Sichel als ihren Maler erkennen und auch seine „Lydia“ und die „Bajadere“ ver—⸗ rathen dem Kenner bald das Atelier, in dem sie entstanden sind. Betrachtet man J. Wenglein's , Hochmoor“ genauer, dann wird man ihm volle An⸗ erkennung zollen für die gediegene Arbeit. Zweifelhafter erscheint J. Wenzel's „Seemanns⸗Begräbniß“, das einen schauerlichen Eindruck machen soll und auch erzielt, dadurch aber auch manchem Beschauer die Freude an dem Bilde verdirbt. Wer aber einen wirklichen Schauder empfinden will, der trete vor Schikane ders „Mord im Hause.“ Wer erinnert sich nicht noch mit Schrecken an Kampf's Letzte Aus⸗ sage“, die gleichfalls den Abschluß einer jener ginterhaus⸗ Romane verherrlichte? Es gab nur eine Stimme über eine solche Geschmacksverirrung und eine ebenso abfällige wird der „Mord im Hause“ hervorrufen. Auf dem Pflaster eines schmutzigen Hofes liegt in verrenkter Stellung das Opfer eines Mordes, eine leicht bekleidete weibliche Person, deren Kopf die tödtliche blutige Wunde zeigt. Mit den Geberden des Schreckens stehen die,. Nachbarn vor dem grauen⸗ vollen Anblick. Verletzt in seinen ästhetischen Empfindungen wendet sich der Beschauer ab und der Ausruf „Scheußlich!“ der am Sonnabend vielfach vernehmbar wurde, wird zahllose Wiederholung erfahren. Aber einmal so beleidigt, wende sich der Zuschauer nur gleich zu dem nicht minder widerwärtigen Bilde: „Treue Kameraden“, Bergleute, welche einen Verunglückten auffinden und transportiren. Das von Todesqualen verzerrte Antlitz mit den gebrochenen Augen erregt Widerwillen bei jedem wirklich künstlerisch empfinden den Beschauer und er fragt sich: warum läßt man solche Bilder zur Ausstellung zu? Nun, auch sie haben ihr Gutes, sie zeigen die Abwege der Kunst und erhöhen nur die Freude an dem wirklich Schönen, an dem ja glücklicher Weise diese Ausstellung so reich ist. Professor Carl Becker's Wandbild: „Aus der Zeit der Medicäer“ mit seinem satten Farbenkolorit zeigt, daß der alte Meister, wenn er auch keine neuen Wege mehr ein⸗ schlägt, doch auf dem bisherigen immer noch recht Erfreuliches leisttt. W. Bröker stellt wieder seine kleinen Wald⸗ und Gartenlandschaften aus, aber bei ihm ist der gute Rath an— gebracht, nun doch endlich einmal etwas Anderes zu malen, als immer und ewig die bekannten Motive, welche zu Schablonen herabgesunken sind; die beiden kleinen handgroßen Bildchen, im Verein Berliner Künstler ausgestellt, sind doch thatsächlich nur noch als Spielerei zu betrachten. Wie gefährlich es ist, immer dasselbe Thema zu variren, hat 8. Douzette längst erkannt, den die große Menge nur als Mondschein⸗Landschaftsmaler kennt und bewundern will, während er durch seine prächtigen Waldlandschaften längst bewiesen hat, daß seine „Spezialität“ nicht nur der durch Wolken schimmernde Mondenglanz ist, sondern daß er auch auf andern Gebieten heimisch ist. W. Geißler thäte gut daran, auf die Ausführung seiner Bilder größere Mühe zu verwenden, was auch für Fischer-Cörlin in Bezug auf seine „Japanischen Gauklerinnen“ gesagt sein mag. Ein hübsches Effektstück bietet Theod. Hagen in seiner „Lahnlandbschaft“, worin er das durch Wolken nur strichweise herabfallende Sonnenlicht prächtig darstellt. Sophie Koner zeigt fich als eine ihrem Manne ebenbürtige Porträtmalerin, doch dürfte hier mit dem Rahmen zu dem Fock ihres Kindes ein gar zu großer Luxus getrieben sein, ganz abgesehen davon, daß seine Schwer ffälligkeit das Bild völlig erdrückt. Adolf von Meckel zeigt sich dies mal mit einem trefflichen „Fischfang am Mareotis—⸗ See.“ A. Schlabitz dürfte als Genrenaler doch größere Triumphe feiern, als mit, Porträts, wie das im Verein Berliner Künstler gegenwärtig ausgestellte Kaiserbildniß zeigt, an dem sowohl im Kolorit wie auch in der Haltung der Figur recht begründete Ausstellungen zu machen wären. L. Munthe's „Winterstimmung“, Olde's „Vor Sonnenaufgang“, H. Sch nee's Landschaften, Söborgzs sechs Bilder sowie die vier Dahl's sind Arbeiten, die der Besprechung werth sind. Aber auf sie, wie auf die Mehrzahl der anderen einzugehen, ist nicht Aufgabe dieses Berichts, der nur andeutet.
Ein Gang durch die Kojen, in denen die Aquarellen und Zeichnungen Platz gefunden, ist lohnend, die Namen unserer tüchtigsten Aquarellisten und Gouachemaler stehen auch diesmal wieder im Katalog und manch werthvolles Blatt läßt über vieles Durchschnittmäßige und Unzureichende gern hinwegsehen. In der Kollektion der Kupferstiche, Radirungen und Holz— schnitte sei besonders Köpping's „Wahl der Offiziere der Schützengilde vom hl. Georg (16277. Radirung nach Franz Hals besonders hervorgehoben; Köpping dürfte unter unsern Radirern mit die erste Stelle einehmen. B. Mannfeld bietet sein nach dem Bilde von Prof. C. Gräb im Auftrage der National⸗-Galerie aus⸗ geführtes Blatt: „Interieur vom Dom zu Halberstadt“. Die Sonderausstellung Mannfeld'scher Werke, welche bekanntlich vor einiger Zeit in der Nationgl-Galerie stattfand, hat dazu beigetragen, dem verdienten Künstler neue Freunde zu er⸗ werben. M. Klinger zeigt sich in der Radirung „Todten⸗ insel“ nach Böcklin als den talentvollen Radirer, welcher den Mißgriff mit dem Gemälde „das Urtheil des Paris“ vergessen läßt; Eilers, Kohnert, Lamotte seien wenigstens er— wähnt; H. Meyer ist diesmal nicht vertreten. ;
An der Ausstellung von Architekturen betheiligte sich u. A. J. Otzen, dessen Kirchenbauten eingehendes Studium erfor— dern, darunter ist der Entwurf zur Gedächtnißkirche für die Kaiserin Augusta, die Lutherkirche für den Dennewitzplatz in Berlin u. a. m.
Der Skulpturensaal oder, wie er seit der V, Ausstellung auch genannt wird, der Marinesaal ist wieder seiner alten Bestimmung, Bildwerke aufzunehmen, zurück— gegeben. Sehr zu loben ist die Art, wie man ein gedämpftes wohlthuendes Licht zu erzielen gesucht hat, indem man ein mächtiges durchsichtiges Velarium über den ganzen Raum spannte, das einen warmen Ton über Marmor und Gips breitet und die für die Betrachtung so störende grelle Be⸗ leuchtung verhindert. Die große Nische, welche im vorigen Jahr das Bild Kaiser Wilhelm's JI. als Admiral barg, dient jetzt einer Kolossalbüste Kaiser Wilhelm's J. zum Hintergrunde. Imposant sind die großen Statuen brandenburgischer Regenten, so die Bildsäule des Großen Kurfürsten, modellirk von E. Lürßen, für eine Nische des n n Polizei⸗Dienst⸗ gebäudes bestimmt, ferner ein Gußmodell vom Reformgtions⸗= denkmal in Spandau, Joachim II. darstellend. Das Modell
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des Hutten⸗Sickingen⸗Denkmals auf der Ebernburg der Ge⸗ brüder Robert, Hugo und Ludwig Cauer hat * gleichfalls eine würdige Stelle gefunden, a J. Boese's Krieger⸗ denkmal für den n . hinter der Hasenhaide. Eberlein mit fünf Werken, A. Donndorf mit einer Marmorbüste des Prof. Joseph Joachim, Calandrelli mit Reliefporträts der beiden ersten deutschen Kaiser, 3 Schaper mit zwei Büsten geben der Skulpturen— usstellung einen besonderen Glanz; ihnen a sich Namen an wie Paul Otto, Kopf, Hundrieser, Moser, Hilgers, Kaffsack, Unger, und nicht vergessen seien Zadow, n ,, Uphues und der schon einmal erwähnte von echtritz Fleißige Arbeiten wie L. Manzel's „Friede durch Waffen geschützt, S. Zrunow's Sockelfiguren für das Denkmal des Großherzogs Friedrich Franz II. von Mecklen⸗ burg⸗Schwerin, Herter's Porträtstatuette Heinrich Heine's, Iffland's tüchtige kleine Schöpfungen seien wenigstens in dieser vorläufigen Uebersicht erwähnt. .
Die Besucher der Ausstellung haben auch Gelegenheit, die Entwürfe des Kaiser Wilhelm⸗Denkmals für den Kyffhäuser zu betrachten. Naturgemäß sucht das Auge den ersten preis⸗ gekrönten Entwurf von Bruno Schmitz, und thatsächlich wird jeder zu der Ansicht kommen, daß biefer Künstler die Aufgabe am glücklichsten gelöst hat. Imposant und wuchti im Aufbau und Fundament, paßt der ganze Entwur trefflich auf den zur Aufstellung in Aussicht genommenen Platz. Aber auch die mit zweitem Preise bedachten Entwürfe sowie viele der leer ausgegangenen Modelle bekunden, daß eine große Zahl von Bildhauern nur einer geeigneten Aufgabe harrt, um Proben ihres Talents ablegen zu können.
Doch schon leeren sich die Säle, die zur Vorbesichtigung gewährte Zeit ist abgelaufen, und mit dem Bewußtsein, daß diese Ausstellung sich derjenigen vergangener Jahre nicht zu schämen hat, verläßt der Berichterstaͤtter das freundliche Musenheim.
Gentralblatt für das Deutsche Reich. Herausgegeben im Reichsamt des Innern. Nr. 2.3. — Inhalt: Finanz wesen: Nachtrag zur Nachweisung über Einnahmen des Reichs vom 1. April bis Ende Mai 1399. — Zoll. und Steuerwesen: Abänderung der Bestimmungen, betreffend die Veröffentlichung perio⸗ discher Mittheilungen über den jeweiligen Stand der Branntwein produktion und Versteuerung; — Bestimmung des zulässigen Fuselöl— gehalts im Branntwein, für welchen Steuervergütung bejw. Abgaben. freiheit beansprucht wird. — Konfulatwesen: Ernennung; — Ermäch⸗ tigung zur Vornahme von Civilstandsakten; — Exequatur-Erthei⸗
lungen. — Post⸗ und Telegraphenwesen: Abänderungen der Postord.
nung vom 8. März 1879. — Militärwesen: Verzeichniß der Civil vorsitzenden der im Deutschen Reich bestehenden Ersatzkommissionen. — Polizeiwesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet. Archiv für Post und Telegraphie. Beiheft zum Amts⸗ blatt des Reichs ⸗Postamts“. Herausgegeben im . des Reichs⸗ Postamts. Nr. 12. — Inhalt: J. Aktenstücke und Aufsätze: Die Verwendung des Bronjedrahtes zu Telegraphen⸗ und Fernsprech= leitungen. — Der Postengang in der freien Reichsstadt Köln um die Mitte des 17. Jahrhunderts. — Das russische Post- und Telegraphen⸗ wesen im Jahre 1887. — Die Insel Formosa und ihre Bewohner Schluß). — II. Kleine Mittheilungen: Festlichkeit in London aus Anlaß des fünfzigjährigen Gedenktages der Durchführung der Penny— portoreform. — Neue Quellenbeiträge zur Geschichte der Geschoßpost. — Lösung einer Aufgabe aus der Lehre von der Batterieschaltung. — Fernsprechverbindung Wien —Badapest. — Fernsprechwerbindung Buenos⸗Aires — Montevideo. — Die Probebelastung der Forthbrücke. — III. Literatur des Verkehrswesens: Der Betrieb und die Schal tungen der elektrischen Telegraphen. Unter Mitwirkung von mehreren Fachmännern bearbeitet von Prof. Dr. Karl Eduard Zetzsche, Kaiserl. Telegraphen- Ingenieur a. D. — IV. Zeitschriften · Ueberschau. EFisenbabn-Verordnungs-Blatt. Herausgegeben im Königlichen Ministerium der öffentlichen Ärbeiten. Nr. 15. — Inhalt: Erlasse des Ministers der öffentlichen Arbeiten: vom 10. Juni 1890, betr. Dienstvorschrift füär die Einrichtung der Drucksachenverwaltung sowie des Buch- und Rechnungswefeng der selben; — vom 15. Juni 1890, betr. Uebertritt von Militärpersonen in den Lokomotinführerdienst; — vom 18. Juni 1890, betr. Stempel pflichtigkeit der Bedingungen für einmonatliche Frachtstundung und der Frachtstundungs ⸗Anerkenntnisse. — Nachrichten. — Gefammt— verzeichniß derjenigen höheren Lehranstalten, welche gemäß §. 96 der Wehrordnung zur Ausstellung von Zeugnissen über die wissenschaftliche Befähigung für den einjährig-⸗freiwilligen Militärdienft berechtigt sind.
Entscheidungen des Reichsgerichts.
In Bezug auf F. 21 der Konkursordnung: „Wenn in Folge der Eröffnung des Konkursverfahrens die Nichterfüllung einer Verbind— lichkeit oder die Aufhebung eines Rechtsverhältniffes des Gemein schuldners eintritt, so ist der andere Theil nicht berechtigt, die Rück⸗ gabe seiner in das Eigenthum des Gemeinschuldners übergegangenen Leistung aus der Konkursmasse zu verlangen. Er kann eine Forderung wegen der Nichterfüllung oder der Aufhebung nur als Konkurs gläubiger geltend machen, soweit ihm nicht ein Anspruch auf ge— sonderte Befriedigung zusteht', hat das Reichsgericht, J. Civilsenat, durch Urtheil vom 5. Februar 1890 den Satz ausgesprochen: Die Nichterfüllung einer Verbindlichkeit des Gemeinschuldners in Folge der Eröffnung des Konkursverfahrens steht der konkursmäßigen Geltendmachung des als Konventionalstrafe verein— barten Erfüllungsinteresses nicht entgegen.
Die Bestimmung des 8. 20 Abs. 2 des preußischen Gesetzes vom 8. Mai 1837 über das Mobiliar⸗Feverversicherungswesen: „Eine wissentliche Ueberversicherung wird vermuthet, wenn, ohne daß eine amtliche Abschätzung vorausgegangen, bei Waarenlagern u. s. w. der Werth um 39 Go oder bei anderem beweglichen Vermögen um 50 0½ überschritten ist“ — ist, nach einem Urkheil des Reichs gerichts, III. Strafsenats, vom 10. März 1890, seit dem Inkrafttreten der Reichs⸗Strafprozeßordnung nicht mehr anwendbar. Der Strafrichter entscheidet demnach bei einer Untersuchung wegen wissent⸗ licher Ueberversicherung über die Ergebnisse der Beweisaufnahme hin⸗ sichtlich der Wissentlichkeit nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Ueberzeugung.
Hat eine Stadtgemeinde bei der Vornahme ihrer Wasser⸗ bauten die erforderlichen Sicherungs maßregeln schuldhafter Weise nicht getroffen, so haftet sie, nach einem Urtheil des Reichs- gerichts, VI. Civilsenats, vom 20. März 1890, gleich einer Privat person unmittelbar für den durch ihre Unterlassung erwachsenen Schaden, ohne den Beschädigten an ihre Vertreter oder Beamten ver⸗ weisen zu dürfen.
Ein Beauftragter (Kommissionär, Bankier), welcher im Auftrage und für Rechnung eines Anderen (Kommittenten), aber in eigenem Namen mit einem Dritten kontrahirt und sodann auch die aus diesem Vertrage entstandene Forderung auf Veranlassung feines Auftraggebers (Kommittenten) in eigenem Namen gegen den Dritten eingeklagt hat, begeht, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, III. Strafsenats, vom 31. März 1890, dadurch keine Untreue im Sinne des §. 266 Nr. 2 des Strafgesetzbuchs, daß er zum Nachtheile . , . auf diese Forderung vergleichsweise ver⸗ z et.
Zweite Beilage
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
M 156.
Berlin, Montag, den 30. Juni
Stanley s neuestes Werk.
Im Verlage von F. A. Brockhaus in Leipzig ist soeben das lange angekündigte und mit Spannung erwartete Werk Stanleyn s, die Beschreibung seiner jüngsten, zur Befreiung Emin Paschas quer durch Afrika unternommenen Reise unter dem Titel erschienen: „Im dunkelsten Afrika“, Auf— ach hg Rettung und Rückzug Emin Paschas, autorisirte
eutsche Ausgabe von H. von Wobeser. Mit 150 Abbildungen und 3 Karten. In zwei Bänden, geh. 20 Mark, geb. 22 Mark.
Dem Werk ist ein fgesimilirter Brief Stanley's an den Verleger vorausgeschickt. In diesem Brief spricht sich Stanley über Emin Pascha in einer Weise aus, aus welcher für uns nur der diametrale Gegensatz der Charaktere Beider hervor— geht. Auch was er von den Deutschen im Allgemeinen sagt, wird wenig Anertennung finden. Der große Afrikareisende hat vielleicht in dem dunklen Erdtheil die Schärfe des Blicks
etwas eingebüßt. Aber man wird dies Alles, ohne em-
pfindlich zu werden, ruhig in den Kauf nehmen, ein— gedenk der Thatsache, daß große Männer, welche fast Ueber— menschliches geleistet, Charaktereigenschaflen zu besitzen pflegen, welche dem Einzelnen wenig Sympathie einzuflößen vermögen und die nach dem Maßstab kleinbürgerlichen Lebens nicht zu beurtheilen sind. Wenn Stanley am Schluß seines Briefs die Nothwendigkeit eines gemeinschaftlichen Zusammenwirkens von Engländern und Deutschen in Ost-Afrika betont, so ent— hält dies gewiß, namentlich wohl auch in seiner Begrün— dung, viel Wahres: „Die gesunde Rivalität zwischen den beiden Nationen — sagt er — ist es, die Oft⸗-A frika Werth verleiht. Wenn die Engländer sich im Ueberdruß aus Afrika zurückziehen, wird das deutsche Interesse an dem Kon— tinent untergehen, und wenn die Deutschen in Folge irgend eines Zufalls aus einem ähnlichen Grunde Afrika verlassen müßten, würde das britische Interesse daran absterben. Ich würde mich freuen, beide Nationen zu einer gerechten und ehren— haften Verständigung gelangen zu sehen, dann würden beide pro— speriren und ihre beiderseitigen Gebiete nutzbringend machen. Ganz Afrika ist für Großbritannien nicht das werkh, was ein Streit mit Deutschland ihm kosten würde, noch wiegt der Kontinent für Deutschland die Kosten eines Bruchs mit England auf. Um daher ein gesundes, eifriges Interesse an Afrika anzuregen, sollten beide Nationen sich über ihre Grenzen verständigen; der Reibungsprozeß des Einen am Anderen würde hervor— bringen, was ich als Verehrer Afrikas von ganzem Herzen zu sehen wünsche.“
Diese deutscherseits gewiß gern akzeptirten Betrachtungen, deren Verwirklichung soeben durch das deutsch englische Ab⸗ kommen in die Wege geleitet ist, sind indeß nur ein Beiwerk, welches bei der Beurtheilung des Ganzen kaum in Betracht fällt. Das Interesse wendet sich allein dem Bericht üher die letzten Erlebnisse Stanley's in Afrika zu und wird ausschließ— lich von der Schilderung der Märsche der Expedition in Anspruch genommen. . —;
Als Vorrede enthält das Werk einen Brief an Sir William Mackinnon, welcher Stanley mit der Auffindung Emin Paschas beauftragt hatte. Die Erlebnisse auf der Reise, welche insgesammt drei Jahre gedauert,
aben — wie Stanley bekennt — auf ihn einen olchen Eindruck gemacht, daß er, als er in der dunkelsten Stunde gezwungen war, demüthig einzugestehen, er sei ohne Gottes Hülfe verloren, in der Waldeinsamkeit das Gelübde that, Seine Hülfe vor den Menschen bekennen zu wollen. „Kund um mich herum herrschte Todesstille; es war Mitternacht; ich war durch Krankheit geschwächt, lag vor Erschöpfung darnieder und quälte mich mit Sorgen um meine weißen und schwarzen Gefährten, deren Schicksal für mich damals ein Geheimniß war. In dieser physischen wie geistigen Noth flehte ich zu Gott, daß er mir meine Leute zurückgeben möge. Neun Stunden später frohlockten wir in höchster Freude. Vor uns allen zeigte E die rothe Flagge mit dem Halb— mond und unter ihren wehenden Falten die lange vermißte Nachhut.“ . 6. .
Stanley sagt, er habe auf dieser Expedition Erfahrungen emacht, derengleichen es in den Annalen sämmtlicher afri⸗ anischen Reisen nicht giebt. Und diese sind es, welche der Leser mit ebenso wachsendem Interesse, wie mit steigender Be⸗ wunderung für den Mann liest, dessen Energie so Großes eleistet. Daß er alle die unendlichen Gefahren glücklich über⸗ kanden, dafür giebt er allein der gnadenreichen Vorsehung die Ehre, welche ihn zu ihren eigenen Zwecken beschützt habe.
Als an Stanley die Frage gerichtet wurde, ob er zu einer Expedition zum Entsatz Emin Paschas bereit sei, befand er sich auf einer Reise in Nord⸗Amerika. Er antwortete sofort mit Ja und traf am Tase vor Weihnachten 1886 in England ein. Am 21. Januar 1887 reiste er von London nach Egypten ab, am 22. Februar erfolgte die Ankunft in Sansibar. Sein Agent Mackenzie hatte die Ex⸗ pedition beinahe zur Einschiffung fertig vorbereitet.
Stanley schloß hler einen Vertrag mit Tippu⸗Tib ab, wonach dieser Träger von den Stanley⸗Fällen nach dem Albert⸗ See hin und zurück stellen sollte. Stanley wollte nicht von der Ostküste nach Wadelai vordringen, weil jene Gegend nicht genug Wasser bietet, während er annahm, daß die Congoroute nicht nur genug Wasser, sondern auch reichlich Lebensmittel habe. Mit 620 Männern und Knaben, sowie mit Tippu⸗Tib verließ er am 25. Februar Sansibar, um um das Kap der guten Hoffnung nach der Congomündung zu fahren, wo die Ankunft am 18. nne, erfolgte. Am 25. März erfolgte der Aufbruch nach dem Stanley⸗Pool und nach Jambuja, einem am Aruwimi, einem Nebenfluß des Congo gelegenen Ort, der am 15. Juni erreicht wurde. Von hier aus ging der Marsch am 28. Juni ins absolut Ungewisse hinein. Die Vorhut, bestand aus 389 Männern mit 357 Gewehren; in Jambuja blieb eine Garnison von 129 Mann mit 87 Gewehren zurück, die Nachhut unter Major Barttelvot in Bolobo bestand aus 131 Mann und 52 Gewehren. Hier beginnen die eigentlichen Kämpfe, Mühsale und Strapazen, deren lebendige kö mit packender Gewalt auf den Leser einwirkt. Das 11. Kapitel schildert den Marsch durch eine
Wildniß, in welcher Kämpfe mit Zwergen und vor Allem mit Hunger zu bestehen waren. Am 14. Dezember 1887 wurde endlich der Albert-See erreicht, wo aber Nachrichten von Emin Pascha nicht vorlagen. Auch kein Kane war zu erhalten, da die Expedition ihr Boot unterwegs zurückgelassen 36 ein weiteres Vordringen schien unmöglich und so wurde eschlossen, nach Ibwiri zurückzukehren, dort ein befestigtes Lager zu bauen, dann eine starke Abtheilung nach Ipoto zu senden, um das Boot, die Waaren, Offiziere und die dort zurück— elassenen Kranken nach dem befestigten Lager zu holen, . den Marsch zur Aufsuchung des Nachtrabs unter Major arttelot fortzusetzen, ehe er und sie scheiterten oder in die Wildniß hineinmarschirten, aus der der Vortrab mit genauer Voth entkommen war, und schließlich wieder nach dem Albert⸗ See zurückzukehren. Am 6. Januar 1888 konnte dann der Bau des Forts Bodo in Angriff genommen werden.
(Fortsetzung folgt.)
Statistik und Volkswirthschaft.
Zur Arbeiterbewegung.
Der Vorstand des Centralverbandes der Stickerei—⸗ industrie in Sachsen hat, wie dem Chemn. Tagbl.“ aus Plauen gemeldet wird, den Antrag auf Abkürzung der Arbeitszeit mit großer Mehrheit abgekehnt.
In Dortmund fand am 27. Juni, laut Mittheilung der Rb Westf. Ztg.“ eine Volke persammlung statt, welche von etwas über 350 Personen besucht war. Dieselbe kennzeichnete sich sofort bei der Wahl des Vorsitzenden als von sozialdemokratischer Seite ausgehend. Als erster und zweiter Vorsitzender wurden nämlich zwei Sozialdemokraten gewäblt. Die Tagesordnung bildete folgendes Thema: „Der Kampf der organisirten Arbeitgeber gegen die organisirten Arbeitnehmer“ Der anwesende Polizeikommissar fah sich veranlaßt, die Versammlung aufzulösen.
In Folge des letzthin in Hannover stattgehabten Schneider⸗ ausstandes hat sich eine Anzabl Herrengarderobe⸗-Geschäftsinhaber zu einer freien Vereinigung zufammengethan, welche sich zur Hauptaufgabe gegenseitigen Schutz und Unterstuͤtzung in Zeiten gefchaͤft⸗ licher Krisen und Arbeiterbewegungen gestellt hat. Auch in anderen Städten der Provinz Hannoper und der benachbarten Gebiets- theile sind, wie der ‚Voss. Ztg.“ mitgetheilt wird, solche Vereini⸗ gungen in der Bildung begriffen. Sobald mehrere solcher Vereini— gungen bestehen, soll eine Versammlung von Vertretern derselben einberufen werden zur Gründung eines Verbandes für Hannover, Oldenburg, Bremen u. s. w., um eine gegenseitige Unterstützung zu ermöglichen 2.
Der Feilenfabrikanten ⸗Berein in Remscheid hielt, laut. Mittheilung der, Elbf. Ztg.“, am 23. Juni eine Versammlung ab, die überaus zahlreich besucht war. Ein ebenfalls anwefender Fabrikant, welcher auf die Bedingungen der Feilenhauer eingegangen ist und ihnen die verlangken Löhne zahlt, wurde ausgeschlossen und mußte den Saal verlassen. Der Verein hielt einhellig an seiner ablehnenden Haltung den Forderungen der Feilen⸗ hauer gegenüber fest. Es wurde beschloffen, an die auswärtige Kundschaft ein Zirkular zu senden, in welchem die obwaltenden Ver hältnisse klar gelegt werden und bemerkt wird, der dringendste Bedarf werde durch gegenseitige Aushülfe der vereinigten Fabrikanten Deckung finden. Hierher gehört auch die Besprechung, welche über die gegen diejenigen Fabrikanten zu ergreifenden Maßnahmen stattfand, die fich mit dem Fabrikantenverein nicht als folldarifch betrachten und die von den Feilenhauern geforderten Löhne bezahlen. Wie die „Remscheider Zeitung meldet, hat Hr. Geheimer Rath Volff. der im Auftrage der königlichen Regierung zu Düsseldorf in Remscheid war, mit dem Vorsitzenden des Fabri—⸗ kantenvereins und auch mit Feilen bauern über der Strike Unterredungen gehabt. Zur Anbahnung eines Ausgleichs wählte der Fabrikantenverein eine fünfgliedrige Kommission, dle am 359. Funi zu einer Berathung im Ratkhause zufammentreten wird. Es wurde bestimmt, daß die Kommission über die seitherigen Beschlüsse des Feilenfabrikanten vereins nicht hinausgehen darf. Voraussichtlich wird auch eine entsprechende Abordnung der Feilenhauer zu dem erwähnten Zweck zusammentreten.
Die am 26. Juni zu Unterbarm en abgehaltene Versammlung aus stãndiger Zimmergesellen war, der Barm. Ztg.“ zufolge, von ungefähr 150 Personen besucht. In derselben wurde die Mitthei⸗ lung gemacht, daß die mit den Meistern geführten Verhandlungen sich erfolglos zerschlagen hätten, und hierauf eine Refolution ange⸗ nommen, in welcher ausgesprochen wird, den Ausstand so lange aufrecht zu erhalten, bis sämmtliche Forderungen be⸗ willigt wären. Als ein Elberfelder Redner die noch arbeitenden Gesellen beschimpfte, erklärte der die Versammlung überwachende Polizeikommissar, daß er solches nicht dulden, sondern im Wieder— holungsfalle die Versammlung auflöfen werde, wie er auch davor warnte, die arbeitenden Kollegen zu stören, da die Behörde dieselben auf das Energischste zu schützen die Absicht habe.
Arbeiterwohnungen.
Der Verein Concordia (zur Förderung des Wohles der Arbeiter) in Mainz hat für die von ihm herausgegebene, 74 Blätter um egen Sammlung bewährter Arbeiterwohnungsskizzen nach der ibm either von höchsten Stellen zu Theil gewordenen Anerkennung (u. l. von Sr. Majestãt dem Deutschen Kaiser, Ihrer Majestät der Königin Olga von Württemberg, Ihrer Königlichen Hoheit der Großherzogin von Baden, dem Königlich preußischen Minister für Handel und Gewerbe u. f. w. neuerdings auf der in Köln stattgehabten Ausstellung die höchste Aus—⸗ jeichnung erhalten. Es wurde ihm bei dieser Ausstellung (. Wett⸗ streit zur Verbesserung der Lage der Arbeiter in Köln 1890) das Ehrendiplom der goldenen Medaikke verliehen. Die Samm⸗ lung, welche zum Selbstkostenpreis von 22,77 * abgegeben wird, versendet der Vorstand des genannten Vereins in Mainz franco.
Disziplin unter den Eisenbahnbeamten.
In den Vereinigten Staaten von Amerika besteht seit einigen Jahren unter dem Namen General Time Convention ein EFisenbahnverein, dessen Bestrebungen wesentlich die Cinführung einer Einheitszeit in dem Verkehrsleben der Vereinigten Staaten zu danken ist, und welcher seitdem bemüht ist, auch auf anderen Gebieten des Eisenbahnwefens eine größere Einheitlichkeit herbeizuführen. So beschãf⸗ tigt sich der Verein neuerdings mit Berathungen über eine bessere Or⸗ ganisation des Eisenbghndienstes und‘ der Regelung der Verhältnisse der Eisenbahnbeamten und der Eisen⸗ bahnarbeiter. Aus einer Rede, welche der Vorsitzende in der
1890.
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bat, ist zu ersehen, welche Ziele ihm vorschweben, und es ist be⸗ merkenswerth, einen wie kohen Werth man auch' in dem nord= amerikanischen Freistaate auf eine straffe Disziplin unter den Eisenbahnbeamten legt. In der Rede wird in dieser Beziehung Folgendes bemerkt:
Ein gut organisirtes Eisenbahnnetz bat seinen Generalstab, seine Stations- und Streckenbeamten, seine Magazine, seine Abt heilungen und Unterabtheilungen für den Betrieb, es gleicht mit einem Worte einer Armee, deren Aufgabe in der Beförderung der Personen und der Güter eines Landes besteht. Alle Anftrengungen der Eifen⸗ bahnen müssen die Lösung dieser Aufgabe ins Auge fassen, und dazu ift die Disziplin ebenso nöthig, wie in einern Deere. Mit. dem Anwmachsen unserer Geschäfte, der Aug« dehnung unserer Operationen, der Vermehrung der Zall und der Schnelligkeit der Züge muß eine erhöhte Strenge der Disziplin Hand in- Hand gehen, und diefe Disziplin muß durch Strafen erzwungen und aufrecht erhalten werden, welche ebenfoö streng sind als die Strafen der Soldaten. Nun befürchte ich, daß durch die (bekanntlich sozialistischen) Arbeitervereine, deren äußerlicher Zweck das materielle, sittliche und soziale Wohl ihrer Mitglieder ist. ein gewisser Widerstand gegen Zwang und Subordination, eine Art von Trotz gegenüber den Interessen und Anforderungen der Eisenbahnen auch in An⸗ gelegenheiten großgezogen wird, welche den Beamten völlig gleichgültig sein können. Sollte dieser Geist sich welter verbreiten, so würde die Aufrecht⸗ erhaltung der Disziplin gefährdet werden, welche für die eigene Sicherheit der Beamten ebenso wesentlich ist wie für das Leben' der Reisenden und die Interessen der Aktionäre. .... Um unsere Au? gabe erfolgreich zu 1ösen, müssen wir also in dem Eisenbahn ⸗˖ Personal einen gewissen Corpsgeist entwickeln, welcher zusammengesetzt ist aus Liebe zu der Körperschaft, der man angehört, aus Achtung vor den Vorgesetzten und aus Freude an der übertragenen Arbeit.“
Die Unfälle auf nordamerikanischen Eisenbahnen.
Seitdem das in den Vereinigten Staaten von Amerika durch Gesetz vom 4 Februar 1887 eingesetzte Bundes- Verkehrtamt fich auch mit der Eisenbabn-Statistit beschäftigt, werden endlich einiger⸗ maßen zuperlässige Zahlen über die UnfälFke bekannt, welche auf den dortigen Eisenbabnen vorkommen. Daß die Zahl dieser Unfälle eine bedeutende war, vermuthete man webl schon fräher. Die nord— amerikanischen Eisenbahnen sind in ihrer Mehrzahl ja viel leichter — weil billiger — gebaut und mit der Beaufsichtigung des Betriebs, der Bahnbewachung und anderen Maßnahmen nimmt man es dort nicht so genau wie hier zu Lande.
Gleichwobl haben die jetzt bekannt werdenden amtlichen Zahlen etwas Erschreckendes. Auf einem am 28. Mai d. J. abgehaltenen Kongreß hat der Vorsteher des Statistischen Bureaus des Bundes— Verkehrzamts, Professor Adams, die folgende Zusammenstellung der . des Jabres 1888/89 (J. Jult bis 30. Juni) mit getheilt:
Zusammen 1
Beamte Reisende Bezeichnung K des Unfalls
getödtet getödtet
getödtet verletzt
l
Beim Kuppeln der Wagen Durch Herabfallen vom Zuge oder von der Loksmotlve. Durch Anstoßen an über der Bahn befindliche n n,, Durch Zusammenstöße 1 Durch Entgleisung von J Durch andere dem Zuge 1. . zugestoßene Unfälle. 1016 26 247 522 515 737 1778 Bei Wegeübergängen. 24 45 16 410 634 437 695 In Stationen. 658 26 295 328 472 424 1466 Bei anderen Ursachen. 539 7729 120 754 2215 23972874 10889
Zusammen II972 200258 310 2146351 41355823 26309
Hiernach sind im Jahre 1885,89 auf den Eisenbahnen der Vereinigten Staaten 5823 Personen getödtet und 2s 308 Personen körperlich ver= letzt. Ohne weitere Schlüsse daraus ziehen zu wollen, lediglich um unseren Lesern einen ungefähren Vergleichsmaßstab zu geben, bemerken wir, daß im Jahre 1888 die Zabl der auf den Eisenbahnen getödteten Personen in England 577, die Zabl der. verletzten 8807, in Deutsch— land im Jahre 1888 39 die Zabl der im Eisenbahnbetrieb getödteten Personen 562 (ausschließlich der Selbstmörder), der Verletzten 1447 betrug.
Hergleicßt man die Zahl der getödteten und verletzten mit der Zahl der beförderten Reisenden, so kam in den Vereinigten Staaten, woselbst in 188889 472 171 343 Personen gefahren wurden, L Getsödteter auf 1523133 und 1 Verletzter auf 220 024 Reisende. Im Deutschen Reich stellen sich diese Zahlen in 1888,89 auf 1: 19963 370 und 1: 2763 126. .
Zur besseren Würdigung der Gefabren, welchen die Eisenbahn— beam ten aucsgesetzt sind, wird von dem Professor Adams noch an— gegeben, daß die Gesammtzabl der Eisenbahnangestellten 704 736 be— tragen hai, welche für den vorliegenden Zweck in Fahrbeamte, Weichensteller, Flaggensignalwärter, Bahnwärter und andere Beamte eingetbeilt sind. Cs ergiebt sich folgende Tabelle:
Zabl Getödtet Verletzt
. . . m n eichensteller, Signalflagger und
H 33344 228 21565
a, nne 5 536 6369
Vorstehend nicht aufgeführte Beamte 16238 28 214
Zusammen . Voi 75s TVT I To ds
311 1313 182 1113
Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin sind bei den gien mn Standesämtern in der Woche vom 15. Juni bis inkl. 21. Juni er. zur Anmeldung gekommen! 210 Gheschließungen, 895 Lebendgeborene, 2 Todtgeborene, 656 Sterbefälle.
Literatur.
König Maximilian II. von Bavern und Schelling“ — Briefwechsel, herausgegeben von Dr. Ludwig Trost, Legations -
Rath, K. b. Geheimen Haus⸗ und Staats⸗Archivar, und Dr. Friedrich
letzten Jahreszversammlung des Vereins am g. April d. Js. gehalten L em sr, K. L. Geheimen Sekretär im Geheimen Hausarchiv. — Stutt.
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