1890 / 163 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 08 Jul 1890 18:00:01 GMT) scan diff

Bauernmädchen geschah. Für die Fürsilichen Personen waren alte norwegische Sessel auf den Dampfer geschafft worden, während das Bier aus alten norwegischen Silberhumpen ge—⸗ trunken wurde. ;

Unterdessen hatte sich der Sonderzug wieder in Bewegung gesetzt und hielt zunächst in Drammen an, wo den Gästen Sr. Majestät des Königs Oskar ein Frühstück geboten wurde. Der nächste Haltepunkt des Seonderzuges war Skijerdalen, auf welcher Station die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften den Sonderzug wieder bestiegen, um nach Hönefos zu fahren, woselbst die Ankunft gegen 35, Uhr Nachmittags erfolgte. Am Bahnhofe wurden die Majestäten vom Ortsvorstand und einer Ehrenwache der 1. Infanterie⸗Brigade, deren Musikcorps die preußische Hymne intonirte, sowie von 20 weißgekleideten Mädchen, die Blumen streuten, empfangen. Nach Abschreiten der Front der Ehren⸗ wache bestiegen die Erlauchten Herrschaften die bereitstehenden Wagen und fuhren nach Glamwved's Hotel, wo um 41g Uhr das Diner eingenommen wurde. Der ganze Weg dorthin war in eine wahre Feststraße umgewandelt und durch eine Stacketeinfriedigung bezeichnet worden, die mit Fähnlein dicht besetzt war. Vier Ehrenpforten hatte man an verschie denen Punkten dieses We ges erbaut, jede in ihrer Art ein Meisterwerk von kunstgeübter Hand. Die erste nur aus hölzernen Erzeugnissen der Fabriken des Ortes er zählt ungefähr 1500 Einwohner zeigte uns, was menschliche Kunst überhaupt zu erreichen ver— mag. Die übrigen Ehrenpforten waren thurmartig und in Obtliskensorm gehalten, trugen reichen Guirlanden⸗ und Em⸗ blemen-Schmuck und waren eine jede durch eine frische grüne Kaiserkrone gekrönt, in welcher gewissermaßen um die Edelsteine der Krone zu versinnbildlichen elektrische Glüh⸗ lampen leuchteten. In den Straßen bildeten die Schulkinder mit Fahnen Spalier.

. sm Genuß war natürlich der Anblick des herr— lichen Wasserfalls, welcher von einem Bergplateau herab zuerst in Kaskadenform abstürzt und sich dann durch ver schie⸗ dene Felsblöcke in erheblichem Gefälle hindurchwindet, um dann mit mächtigem Getose durch die Brücke zu Thal zu eilen. Ueber diese Brücke führte die Feststraße, und Se. Majestät bewunderte von da aus zuerst bei der Einfahrt und später vom Hotelpark aus das in Worten kaum würdig zu beschreibende seltene Naturschauspiel. An der rechten Seite der Brücke, inmitten auf einem von den schäumenden Wogen umtosten Felsblocke hatie man einen ausgestopften großen Bären mit offenem Rachen als Symbol des Berliner Stadtwappens postirt: der Kaiser freute sich über diesen Einfall herzlich. Um 6 Uhr wurde wieder nach dem Bahnhofe unter fortwährendem Regen aufgebrochen, und unter endlosem Jubel setzte sich der Sonderzug zur Rückkehr nach Christiania in Bewegung. . .

In Drammen wurde auf die Dauer einer Viertelstunde Halt gemacht, um daselbst die Begrüßung der Spitzen der Behörden Und einer Deputation der daselbst wohnen— den Deutschen entgegenzunehmen. Des Kaisers und Königs Majestät unterhielt Sich hier mit, den ein— zelnen Herren in leutseligster Weise, reichte einem Jeden die Hand zum Abschied und begrüßte, auch die auf beiden Seiten des Bahnhofes, theils auf Tribünen, theils auf dem Bahnsteige befindliche, nach Tausenden zählende Volksmenge, die unaufhörlich ihre Hurrahrufe ertönen ließ. Die Zahl der Blumensnäuße, welche hier von Damen dem Kaiser überreicht wurde, war Legion, und bei der Abfahrt wurde die jubelnde Bevölkerung dadurch noch hochbeglückt, daß die Majestaͤten auch dem Volke wieder Blumen zuwarfen, um die sich dieses wacker stritt, denn Jeder suchte eine dieser Blumen zu erhaschen. Bei der wunder— schönen Lage Drammens, dessen Fjord-Ufer und große Brücke ebenfalls mit dichten Menschenmengen besetzt waren, machte der Aufenthalt daselbst und der Abschied von dort einen erhebenden Eindruck. In Christiania der Zug fuhr direkt von Drammen hierher traf der Sonderzug kurz vor 10 Uhr Abends wieder ein. Nach der Ankunft fand auf dem Königlichen Schlosse noch ein Familiensouper und

darschallstafel statt, nach deren Beendigung König Oskar jedem der Herren des Kaiserlichen Gefolges Allerhöchstseine Photographie mit Seiner eigenhändigen Unterschrift überreichte.

Heute (Sonnabend) Vormittag erfolgte die Fahrt zur Landungstreppe auf dem Tordenskjoldplatz um III Uhr. Des Kaisers und Königs Majestät verabschiedete Sich auf dem Königlichen Schlosse von Ihrer Majestät der Königin Sophie und küßte Allerhöchstderselben wiederholt die Hand. Mit Sr. Majestät dem Kaiser fuhren Se. Majestät der König Oskar, sowie Se. Königliche Hoheit der Kronprinz, ferner Prinz Eugen in Begleitung Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Heinrich von Preußen und Sr. Hoheit des erg Friedrich Wilhelm von Mecklenburg, zum Hafen, no das Publikum dicht gedrängt auf den Tribünen die Fürstlichen Herrschaften erwartete. ICn Empfangs— pavillon verabschiedete Sich Se. Maj stät von den offiziellen Per⸗ sönlichkeiten und zog hierbei namentlich den Bürgermeister Christie in ein längeres Gespräch. Dann wurde zu den Kaiserlichen Schiffen gefahren, mehreren derselben ein Besuch abgestattet und auf der „Hohenzollern“ das Frühstück eingenommen. Nach Uhr Nachmittags begaben Sich die Hohen Herr— schaften noch an Bord eines deutschen Kriegsschiffes, während sammtliche Schiffe salutirten und die Besatzungs-Mannschaften an Bord paradirten. Später führte der Kaiser und König Seinen Königlichen Gastgeber und Höchstdessen Söhne im Kaiserboot an Land zurück. In dem Boote hatte auch der zu Sr. Majestät befohlen gewesene Dienst Platz genommen. Nachdem man wieder an Land gelangt war, vollzog sich vor den Augen der zahlreichen Zuschauer die ergreifende Abschiedsscene. Die Monarchen umarmten und küßten sich wiederholt, ebenso ver— abschiedeten Sich des Kaisers und Königs Majestät von dem Kron— prinzen und dem Prinzen Eugen, und dann stieß das Kaiserboot vom Lande ab, um dem „Kaiser“ zuzusteuern, an dessen Bord Kaiser Wilhelm Sich begab. Der Kaiser hatte die norwegische Admirals-Uniform angelegt und grüßte, auf der Kommando— brücke stehend, noch wiederholt der Landungsstelle zu, wo König Oskar, der die deutsche Admirals⸗Uniform trug, seinem scheidenden Kaiserlichen Freunde noch lange nachblickte. Der „Kaiser“ fuhr, nachdem die Flotte fich in Bewegung gesetzt und das norwegische Kanonenboot „Elda“ die Führung wie bei der

Ankunft genommen hatte, als vorletztes, die Irene“ als letztes Schiff. Als der „Kaiser“ in Höhe des Empfangspavillons vorüberdampfte, senkte sich die Kniserstandarte für Augenblicke 4. Cernes, 4 1 , 3 hochzugehen. Kaiser

Seinem Königli = , glichen Gastgeber den letzten Ab

Heute fand eine Plenarsitzung des Bundes raths statt. Vorher tagten die vereinigten Ausschüsse für Handel und Verkehr und für Justizwesen, sowie für Zoll- und Steuer⸗ wesen' und für Handel und Verkehr und der Ausschuß für Rechnungswesen.

Durch den Nachtrag zum diesjährigen Staatshaushelts⸗ Etat sind die Gehälter der Unterbeamten bei den Strafanstalten, die vom Ministerium des Innern ab— hängen, wie folgt anderweit festgesetzt worden; 1) für Haus⸗ väter und Maschinenwärter von 1209 6 bis 1800 (66, im Durchschnitt 1500 6, 2) für Ober⸗Aufseher und Werkmeister von 1200 bis 1600 M, im Durchschnitt 1400 66, 3) für Ober⸗Aufseherinnen und Hausmütter von 900 6 bis 1500 Mt, im Durchschnitt 1200 MS, 4) für Aufseher und für die Führer bei den Erziehungs- und Besserungs-Anstalten zu Conrads— hammer und Wabern von 900 S bis 1500 6, im Durch⸗ schnitt 1200 S6, 5) für Aufseherinnen von 700 S6 bis 9g00 , im Durchschnitt So 6. Im Einverständniß mit dem Finanz— Minister hat der Minister des Innern beschlossen, die Re⸗ gulirung der Gehälter der Beamten in den Kategorien 1 und 2 auch ferner vom Ministerium aus stattfinden zu lassen, den Ober⸗-Aufseherinnen und Hausmüttern allgemein das Durch schnitts gehalt zu gewähren, ferner die Aufseher 2c. (vor— stehend und die Aufseherinnen (vorstehend 55 in jedem Regierungsbezirk je zu einer Besoldungsgemeinschaft zu ver⸗ einigen und die Gehälter derselben vom 1. April d. J. ab in der Weise abzustufen, daß für die Aufseher fünf Gehaltsklassen zu 900, 1050, 1200, 1350, 1500 6 und für die Aufseherinnen drei Gehaltsklassen zu 700, 800 und 00 M bestehen.

Die Bevollmächtigten zum Bundesrath, Königlich säch— sischer Oberst von Schlieben und Großherzoglich sächsischer . Staatsrath Dr. Heerwart sind von Berlin ab— gereist.

Der Chef der Landgendarmerie, General der Infanterie von Rauch, hat einen längeren Urlaub nach Böhmen an— getreten.

Der Ober-Quartiermeister im Großen Generalstabe, GeneralLieutenant Graf von Schlieffen II,, hat sich auf Dienstreisen begeben.

Der Ober⸗-Regierungs-Rath Dr. Scheffer zu Bromberg ist an die Königliche Regierung zu Düsseldorf versetzt, und es ist ihm daselbst die Stelle als Ober-Regierungs⸗Rath bei dem Regierungs⸗-Präsidenten übertragen worden.

Dem Regierungs-Assessor Dombois bei der Königlichen Direktion für die Verwaltung der direkten Steuern in Berlin ist die kommissarische Verwaltung des Landrathsamts im Kreise Prüm, Regierungsbezirk Trier, übertragen worden. Der Regierungs⸗Assessor de la Fontaine zu Bromberg ist an die Königliche Regierung zu Aachen und der Regierungs⸗ Assessor Schwindt zu Danzig an die Königliche Regierung zu Königsberg versetzt worden.

Der neuernannte Regierungs-Assessor von Puttkamer ist der Königlichen Regierung zu Danzig überwiesen worden. Die Regierungs⸗-Referendare Winkel aus Posen, Tuebben aus Marienwerder, Dr. jur. Witte aus Breslau, Dr. jur. Erbs löh aus Düsseldorf, Ramm aus Sigmaringen und von Keudell aus Kassel haben am 5. d. M. die zweite Staatsprüfung für den höheren Verwaltungsdienst bestanden.

Bayern. München, J. Juli. Der Minister⸗Präsident Freiherr von Crailsheim hat sich, der „Allg. Ztg.“ zufolge, heute Vormittag mit dem Schnellzug über Landshut nach Passau begeben, um die dortigen Bahnhofserweiterungen und Umbauten zu bhesichtigen und sodann die Rottthal— bahn, sowie die beiden demnächst zu eröffnenden Wald⸗ bahnen Passau-Fürsteneck und Gräfenau⸗Zwiesel zu inspiziren. In der Begleitung des Minister-Präsidenten befinden sich die Herren General-Direktor Schnorr von Karols⸗ feld, Ministerial-Rath Ritter von Oswald, Ober⸗Regierungs⸗Rath Ebermayer und General-Direktions⸗-Assessor Abt. Sachsen.

Dresden, 1. Juli. Se. Majestät der König hat, wie das „Dresd. Journ.“ meldet, den Ober-Ceremonienmeister, Kammerherrn Freiherrn Alfred von Miltitz auf sein An⸗ suchen von den Funktionen eines Königlichen Ceremonien⸗ meisters unter Belassung seines Titels und Ranges enthoben.

Oesterreich⸗ Ungarn.

Wien, 8. Juli. (W. T. B.) Das „Wiener Frem— denblatt“ hebt mit großer Genugthunung die be— geisterte Aufnahme der österreichisch-ungarischen Schützen in Berlin hervor. Es präge sich darin die gegen⸗ seitige Sympathie der beiden Völker und das treue Festhalten an ihrem Bunde aus, und stimmungsvoll hätten dabei die Worte des Führers der italienischen Schützen hin— eingeklungen, sodaß das Schützenfest in Berlin als eine be⸗ merkenswerthe Kundgebung für die Friedensallianz erscheine.

Großbritannien und Irland.

London, 8. Juli. In der gestrigen Unterhaus⸗ n gab, wie W. T. B.“ meldet, der Erste Lord des

atzes Smith die Erklärung ab: Die südliche Grenze des Walfischbay⸗Gebiets sei leider nicht genau definirt; es seien daher zwischen den Behörden des Kaplandes und den deutschen Behörden im Damaxal ande Er— örterungen darüber entstanden, ob eine gewisse Landstrecke, die als Wasserstation für die Straßen von der Küste nach dem Inlande wichtig erscheine, in die Grenze des Walfischbay⸗ Gebiets einbegriffen sei. Ein Versuch, die bestehenden Mei⸗ nn ,,, durch eine gemeinsame Kommission zu regeln, sei fehlgeschlagen. Da der englische und der deutsche Kommissar ich nicht geeinigt hätten, seien in dem , . Ab komm en Bestimmungen enthalten, um die Angelegenheit einem Schiedsspruche zu unterbreiten. . Der „Observer / schreibt; „Die Opposition, welche sich in dem Sonder⸗A Aus schuß zur Begutachtung der Vorschläge

der Regierung für die Uebertragung von Vorlagen auf die nächstfolgende Parlamentssession bekundet,

macht es in dieser Periode der Session unthunlich, die Sache weiter zu verfolgen. Die vorgeschlagene neue Geschäfts ordnung wird folglich dem Hause der Gemeinen nicht unterbreitet werden. Unter diesen Umständen wird, wenn der „Observer“ recht unter⸗ richtet ist, eine Herbfisession zur Durchführung der in der laufenden Session nicht erledigten wichtigen Gesetzentwürfe abgehalten werden müssen. Da aber im konservativen Lager keine große Neigung für eine Herbstsession zu herrschen scheint, so wird der Regierung nichts anderes übrig bleiben, als die noth⸗ , Geschäfte der Session so rasch als möglich abzu⸗ wickeln und die irische Güterankaufs-Vorlage und vielleicht auch die Zehnten⸗Vorlage gänzlich fallen zu lassen.

Die Agitation unter der Lon doner Schutz mann—⸗ schaft ist in ein sehr akutes Stadium getreten. Die „Allg. Corr.“ berichtet uͤber den Anlaß dam:

In der Bow street-Polizeistation spielte sich am Sonn- abend eine erregte Scene ab. Ein Schutzmann, der Führer seiner Tameraden in der Azitation um kürzer Lienstftunden und höhere Besoldung, war nach einem anderen Diftrikt versetzt worden, und erbittert über diese Maßregel versagten die meisten Scutz= leute ibren Vorgesetzten den Gehorsam, in Folge dessen nahezu 50 Sckutzleute sukpendirt wurden Zur Bewältigung des Nachtdienstes auf den Straßen mußten am Sonntag Abend Schutzleute aus drei Vorstädten herangezogen werden. Die Ersatzkonstabler wurden von den suspendirten Schutzleuten verböhnt. In einer Versammlung von Delegirten sämmtlicher bauptstättischen Sckrtzlente wurde beschlossen, am Montag Abend zu einem allgemeinen Ausstand zu schreiten. Falls bis dahm nicht eine günstige Anwort auf ihre an den Minister des Innern gerichtete Antwort eingegangen sei. An die Hauswirthe und Ladenb. sitzer werd eine Aufford rung gerichtet werden, ihr Eigenthum selber zu besckützen“

m Unterhause erwiderte gestern der Staatssekretär des Innern Matthews in Beantwortung einer auf die Bewegung bezüglichen Anfrage: Die Zeitungsmeldungen über die unter der Londoner Schutzmannschaft aus⸗ gebrochenen Unruhen seien sehr übertrieben. Nur 39 junge, unerfahrene Polizisten hätten sich am Sonnabend in der Bon street⸗Station einer Jnsubordination schuldig gemacht, und diese seien deshalb heuse entlassen worden. Die allen, erfahrenen HPolizisten dagegen betrügen sich würdig der Traditionen der Londoner Schutzmannschaft. Uebrigens seien von dem Chef der Polizei die umfassendsten Maßregeln getroffen. daß die Polizei der gesammten Stadt die ihr obliegenden Pflichten im vollssen Maße erfülle.

Inzwischen ist es, laut Meldung des „W. T. B.“, gestern Abend zu Ruhestörungen in der Bowstreet gekommen, welche den ganzen Abend über fortdauerten. Gegen 9 Uhr hatte die Menschenmenge dort derart zugenommen, daß sie die ganze Straße füllte. Eine stärkere Abtheilung berittener Polizeimannschaften versuchte die Straße zu säubern, jedoch ohne Erfolg. Es wurden mehrere Personen verhaftet und eine Anzahl verwundet. Eine Abtheilung Kavallerie mußte den Wagen des Prinzen von Wales, als dieser die der Polizeikaserne gegenüber liegende Oper verließ, begleiten.

Nach neueren Meldungen des „R. B.“ setzten sich gestern die Unruhen in der Bowstreet bis tief in die Nacht hinein fort; erst heute früh gegen 2 Uhr begann die Menge sich zu zerstreuen. Die berittenen Polizeimannschaften wurden durch Schutzleute zu Fuß ersetzt. Die durch die Volks haufen an⸗ gerichteten . sind beträchtlich; viele benach⸗ barte Häuser wurden beschädigt, zahlreiche Fensterscheiben wurden zertrümmert. Die Zahl der verhafteten Personen ist eine sehr erhebliche

Nicht minder ernst hat sich die Agitation unter den Londoner Briefträgern gestaltet. Eine große Menge derselben in den westlichen und östlichen Stadtbezirken würde schon am Sonnabend zu einem Ausstande geschritten sein, wenn sich nicht die Exekutive des Briefträger Verbandes ins Mittel gelegt hätte. Gestern Abend sollte eine Massenversamm⸗ lung abgehalten werden, um einen endgültigen Beschluß zu fassen. Inzwischen wird der gewöhnliche Postverkehr nur mit großer Schwierigkeit bewältigt.

Die englische Kriegsmarine erhielt am Sonnabend einen Zuwachs in em gepanzerten Kreuzer „Blenheim“, der von der Werft der Thames Ironwork and Shipbuilding Company in Blackwall nach vollzogener Taufe durch die Gemahlin des Admirals Hopkins, eines der Lords der Admiralität, in Gegenwart einer großen Zuschauermenge vom Stavel lief. Der „Blenheim— ist 375 Fuß lang, 65 Fuß breit, hat einen Tief— gang von 25 Fuß 6 Zoll und ein Deplacement von 9 00 Tons. Kraft seiner Maschinen von 20 000 Pferdekraft ist er im Stande, nöthigenfalls 22 Knoten in der Stunde abzuwickeln. Die Panzerbekleidung ist stellenweise 6 Zoll stark Die Be⸗ waffnung des Kreuzers besteht aus 9 zweizölligen, 24 Tonnen schweren Kanonen, 10 sechszölligen, 5 Tonnen wiegen den. Ge⸗ schützen, sowie 16 Dreipfündern und Nordenfeldt'schen

Mitrailleusen.

Frankreich.

Paris, 6. Juli. Der „Fr. C.“ entnehmen wir den nach⸗ stehenden ausführlichen Bericht über die gestrige Sitzung der Deputirten kammer: ö .

Auf der Tagesordnung stand die erste Lesung des vom Senat genehmigten Gefetzentwurfs, betreffend die Arbeit der Kinder, minderjäbrigen Mädchen und Frauen in den Fabriken. Da dieser Gegenstand schon in den letzten zwei Jabren ausgiebig er⸗ drtert worden war, so wurde nur dem Namen nach eine General- debatte . . sogleich die Verhandlung über Art. 1 be⸗

onnen. erselbe lautet: . .

. Die hl der Kinder, minderjährigen Mädchen und Frauen in den Fabriken, Werkstätten, Bergwerken, Gruben und Stein . brüchen, Bauplätzen. Ateliers und was damit zusammenhãngt, welcher Art sie auch sein möge, öffentlich oder privat, weltlich oder geistlich, gleichviel, ob diese Anstalten den Charakter eines Gewerbe Unterrichts oder der Wohlthätigkeit tragen, untersteht den von dem Gelen bestimmten Verpflichtungen. ö

usgenommen sind die Arbeiten, welche in solchen Anstalten ausgeführt werden, wo nur die Angehörigen der Familie unter der Aufsicht des Vaters oder der Mutter oder auch eines Vormunds arbeiten, vorausgesetzt jedoch, daß diese Anstalten nicht als gefähr- liche, gesundbeitsschädliche oder belästigende klassirt sind oder daß die Arbeit nicht mit Hülfe von Dampfkesseln oder mechanischen Motoren vor sich gebe.

Der sozialistijche Abg. Dum av entwickelte ein Amendement, dem zufolge der Aufzäblung der Fabriken. Werkstätten u. s. w. noch die Worte: Schreibstuben und Verkaufsläden' hinzugefügt. werden sollten. Der Berichterstatter Wadding ton entgegnete aber, eine solche Beschränkung könnte zu weit führen. Der Antrag wurde mit 284 gegen 222 Stimmen verworfen. Absatz 1 des Art. 1 drang sodann durch mit einem Zusatz von Balsan, demgemäß die Bestimmungen des Ge⸗ jetzes auch für die in Fabriken arbeitenden Ausländer gelten. 9 Ab⸗ saß2 brachten Balsan und Avnard die Streichung des Schlusses des Artikels, betreffend die Verwendung von Dampfkesseln oder mechanischen Motoren in Vorschlag. Aynard, Abgeordneter von Lyon, begründete

den Antrag, indem er auf die zahlreichen „Familien ⸗Ateliers“ hin⸗

wies, welche in seinem Wablkreise ö und seit einiger Zeit wieder mehr in Aufnahme kommen. Hier werden die Webstühle oft durch Gasmotoren getrieben, und wean nan der Artikel in dem vor— liegenden Wortlaut angenommen würde, so wäre dies für die Fa—⸗ milien Aieliers mit ivrer patriarchalischen Einzichtung, aber ihrem vervollkommueten Werkieng ein erbeblicher Schaden. Ungeachtet dieser Vorstellungen wrrde der Antrag mit 274 gegen 200 Stimmen verworfen und der Tert des Ausschusses genehmigt.

Art 2 lautet: 9 .

Die Kinder dürfen von Meistern nicht vor dem zurückgelegten 13. Altersjabre besckäftigt und eben so wenig in die in Artikef 1 aufgezählten Anstalten zugelassen werden.

Jene Kinder jedoch, welche das vom Gesetz vom 28. März 1882 eingeführte Abgangszeugneß aus der Primätschule (Certificat d'etudes primaires) besitzen, dürfen vom 12. Alterẽ jahr? an ke— schäftigt werden. . .

Auf alle Fälle darf kein Kind unter 15 Jahren in die oben genannten Anstalten zugelafsen werden, wenn es nicht mit einem aͤrztlichen Gesundheitszeugnisse versehen ist, welches einer der mit der Aufsicht über die kleinen Kinder betrauten Aerzte oder ein Schularzt ausgestellt hat

Jm, den Waisenbäusern oder in Artikel 1 angedeuteten Wobl⸗

tbätigkeitsanstalten, in welchen der Primärunterricht ertheilt wird, darf die Erlernung eines Berufs oder der Handarbeiten drei Standen täglich nicht überschreiten

Der Graf de Mun befürwortete warm und beredt die Streichung des Absatzes welcher den mit einem Schuljeusniß versehenen Kin⸗ dern von 12 Jahren den Zutritt in die Werkstätten gestattet. Wenn es nach seinem Sinne ginge, so zürften überhaupt keine Kinder unter 14 Jahren die Werkflätte betreten; er woll sich jedoch auch mit dem zurückgelegten 13. Jahre begnügen. Das Abgangszeugniß der Peimãrschule beweise nur, daß ein Kind aufgeweckt und gelebrig. nicht aber, daß es auch körperlich hinreichend entwickelt ist, um eine zehnstündige Arbeit obne Nachtheil für sein ganzes Leben zu ertragen. Wenn Abfatz 2 aufrecht erhalten würde, fügte der Redner hinzu, so würden die Kinder wie in einem Treibbause zur Erlangung des Certificat d'studes gedrängt werden, damit sie ein Jahr früher ibt Brot verdienen könnten. Der Sozialist Dum ay unterstützte den Grafen de Mun und alle Widerrede des Berichterstatters Waddington half nichts gegen die vereinigten Kon servativen und Revoluttonäte: 378 gegen 165 Stimmen beschlassen die Streichung des Absatzes 2. Dann wurde noch die Berathung über Artikel 3 begonnen. Derselbe lautet:

„»Die Kinder unter 18 Jahren, die minderjährigen Mädchen und die Frauen dürfen nicht über zehn Stunden täglich zur Arbeit angebalten werden.

Diese Arbeitszeit muß durch eine oder mehrere Rasten unter brochen werden, die zusammen nicht weniger als eine Stunde aus, machen dürfen und während welcher die Arbeit untersagt ist.“

Die ganze nun folgende Berathung drehte sich um einen Antrag des Abs. Chich s, welcher folgende Forderungen aufstellt:

Die Kinder beiderlei Geschlechts dürfen bis zum vollendeten 14. Alters jahre nicht über s Stunden, bis zum 18. Jabre nicht über 8 Stunden täglich arbeiten. Die minderjährigen Mädchen und die Frauen nicht über 10 Stunden.

Balsan eipfahl die Annahme dieser Bestimmungen und Graf de Mun seinerseits trat dafür in einer feurigen ReLe ein, die er mit der Aufforderung an Frankreich schlof, auf der von dem Berliner Kongreß vorgezeichncten Bahn den anderen Völkern als Leuchte zu dienen. Dessen ungeachtet wurde der Antrag Chicks durch Händeauf— heben verworfen.

Italien.

Rom, J. Juli. Die „Risorma“ erklärt die Nachrichten von Verhandlungen der italienischen und der eng— lischen Regierung über die Abtretung des unter italienischem Protektorat stehenden Somalilandes an Eng— land und über die Ueberlassung des Besitzes von Zeilah an Italien für gänzlich unbegründet.

Spanien.

Madrid, J. Juli. (W. T. B.) In den beiden Häusern der Cortes wurde heute ein Königliches Dekret ver— lesen, welches die Sitz ungen derselben suspendirt.

Niederlande.

Luxemburg, 8. Juli. (W. T. B.) Bei der heute stattgehabten Er gänzungswahl zur Deputirtenkammer ist der liberale Bra sseur gewählt worden.

Belgien.

BBrüssel, 4 Juli. Das internationale Bureau für die Veröffentlichung der Zolltarife wird am 1. April 1891 in Brüssel eröffnet; diejenigen Staaten, welche noch nicht beigetreten sind, dürfen es nachträglich thun. Die inter⸗ nationale Zolltarif⸗-Konferenz, an welcher 42 Vertreter von 35 ausländischen Staaten ö. nehmen, hat, wie man der „Wes.⸗Ztg.“ berichtet, in ihrer getrigen Sitzung das Unterzeichnungs-Prot okoll genehmigt, weiches die gesammten ge⸗ meinsamen Kosten über die theilnehmenden Staaten vertheilt und die Art und Weise, den Ort und die Zeit der Zahlungen, wie das Inkrafttreten des internationlen Abkommens auf den 1. April 1891 festsetzt. In der morgigen Schlußsitzung wird nur noch die Unterzeichnung des internationalen Uebereinkom⸗ mens, der Ausführungsverordnung und dieses Protokolls er⸗ folgen. Die Kon ferenz hat ihre Aufgabe somit schnell gelöst.

Griechenland.

Athen, 7. Juli. Die russische Regierung hat, der M. „Allg. Ztg.“ zufolge, hierher mitgetheilt, daß der rufsische Thronfolger auf seiner bevorstehenden großen Seereise auch Athen und dann weiter verschiedene andere hellenische Städte besuchen werde.

Montenegro.

Lettinje, J. Juli. Der Kommandant der Leibgarde und Vetter des Fürsten, Bosco Martinowitsch ist der Meuen Freien Presse“ zufolge gestern ermordet worden. Der Mörder wurde au dem Marktplatze gelyncht.

Amerika.

Vereinigte Staaten. Washington, J. Juli. Der Senat hat, dem W. T. B.“ zufolge, heute eine Resolution, nach welcher Behufs Berathung der Tarifbill die Erledigung der übrigen gesetzgeber ischen Vorlagen n. werden sollte, mit 23 gegen 20 Stimmen ab⸗ gelehn

J. Juli. (W. T. B.) Die Meinungsverschieden⸗ heiten in der Kommission des Senats und der Repräsentantenkam mer über den vorliegenden Entwurf der Silberbill sind nunmehr beseitigt. Die republi⸗ kanischen Mitglieder der Kommission haben einem en ig zugestimmt, nach welchem das Bundesschatzamt monatlie 1500000 Unzen feines Silber ankaufen, dürfe. Die Schatznoten sind in gemünztem Silber einzulösen und

elten als gesetzliches Zahlungsmittel. Senator Sherman * den Bericht ab, welcher dem Senat vorgelegt werden

gran werden die bezüglichen Berichte dem Senat und der spräsentantenkammer vorgelegt werden.

Für die Marine der Vereinigten Staaten sind nach Mittheilung des „Engineering“ gegenwärtig auf amerikanischen Werften sieben große Kriegsschiffe im Bau. Der Concors“ ist soweit vorgeschritten, daß nächstens die Probe—⸗ fahrten stattfinden können. Der „Renington“, in Chester er⸗ baut, ist vor kurzer Zeit vom Stapel gelaufen. Für zwei erstklassige Kanonenbobote, Nr. 4 und 5H, sind die Kiele gelegt auf der Werft der Bath Iron Works in Maine. Für zwei Kreuzer, Nr. 9 und 10, ist kürzlich den Columbian Iron Works die zweite Rate ausbezahlt. Die bei diesen letzteren Neubauten verwendeten Kiele und Steven sind aus Gußstahl von der Standard⸗Stah!gußfabrik hergestellt. Im Bau des „Texas“ ist ein unfreiwilliger Aufenthalt eingetreten durch einen un— vorhergesehenen Fehler des schweren Hinterstevens. Mexiko. Das Ausgabenbudget für das Finanz⸗ jahr 185901891 ist, wie die „Mexikanische Finanz-Revue“ mittheilt, vom Kongreß wie folgt festgestellt worden: 1) Legis— lativer Körper 1051 036,50 Doll, 2) Exekutio⸗Gewalt 49 819,45 Doll, 3) Magistratur 468 88435 Doll., 4) Ministerium des Aeußeren 462 517,25 Doll. 5) Ministerium des Innern (Post und Telegraph einbegriffen) 3 678 679,70 Doll, 6) Min sterium der Justiz und des öffentlichen Unterrichts 1 393 972,40 Doll, 7) Deffentliche Arbeiten Il0 326550 Doll, 8) Finanz-Ministerium 11 365 207, 09 Doll,, 9) Armee und Marine 12629 543,90 Doll.; Summe 38 413 917,11 Doll. Die Einnahmen für das gleiche Finanzjahr wurden veranschlagt wie folgt: Zölle 20000 Doll., föderale Konsumsteuer 1 500 000 Doll., Stempelgebühren 9400 009 Doll., direkte Steuern 1400000 Dollars, Lotterie 300 000 Doll,, Post und Telegraph 1200009 Doll., verschiedene Einnahmequellen (Eintreibung rückständiger Steuern, Verkauf von Nationalländereien 2c. 2c.) 15000990 Doll,, Münzgerechtsame 270 000 Doll.; Summe 41 770 000 Doll.

San Salvador. Nach einer Meldung des „R. B.“ aus Mexiko vom 4. d. M. veröffentlichte die mexikanische Amtszeitung ein Telegramm des Generals Ezeta, worin derselbe an— kündigt, daß er die Präsidentschaft von San Salvador angetreten habe als Nachfolger des Generals Me— nendez, der, wie die Depesche besagt, getödtet wurde, während er seine Amtswohnung vertheidigte. Präsident Diaz bestätigte den Empfang des Telegramms des Generals Ezeta auf telegraphischem Wege, und es unterliegt keinem Zweifel, daß Mexiko die neue Ordnung der Dinge in San Salvador anerkennen wird. Das Journal „Universal“ theilt mit, daß die Leiche des Generals Menendez von Kugeln durchbohrt gewesen sei.

A sien. China. Das „Reuter'sche Bureau“ meldet aus Shanghai vom 5. Juli, daß die chinesische Regierung zum Bau strategischer Eisenbahnen in der Mandschurei eine Anleihe von 30 Millionen Taels amerikanischen Silbers aufzunehmen beabsichtige.

Parlamentarische Nachrichten.

Bei der am 2. d. M. im 4. Potsdamer Wahlkreise (Prenzlau⸗Angermünde) stattgehabten Reichstags⸗ Nachwahl wurde nach amtlicher . der Geheime Regierungs-Rath und Landrath von Winterfeld-Menkin (kons) mit 9968 St. gewählt. Von den Gegenkandidaten erhielten Rittergutsbesitzer Rohland⸗Ctzoldhain- Zeitz (freis.) 4205, Tapezierermeister Wildberger⸗Berlin (Soz.) 1316 St.

Kunft und Wissenschaft.

Obgleich die am vergangenen Sonnabend eröffete große akademische Kunstausstellung, wie nahe liegt, die Hauptanziehungskraft auf die kunstliebende Welt der Reichshbauptstadt ausübt, fo findet der Kunstfreund, welcher gern kleinere Ausstellungen besucht, doch auch im Lokal des Vereins Berliner Künstler eine Reibe von Werken, welche der Beachtung durchaus werth sind. Lenbach ist dort augenblicklich mit zwei Gemälden vertreten; das eine der selben, Kaiser Wilhelm J, bestätigt die immer aufs Neue gemachle Beobachtung, daß Lenbach bei seinen Porträts mit der Ausführung des Angesichts seine Aufgabe als erledigt betrachtet und alles Uebrige, Hände und Kostüm, als Nebensache ansiebt, auf die ein Künstler, wie er, keine Rücksicht zu vehmen braucht. Das zweite Bild, ein Porträt des Prinzen Rupprecht von Bavern aus dessen Knabenzeit, sst so nach— gedunkelt, daß inan sich von dem ur prünglichen Kolorit kaum noch eine rechte Vorftellung machen kann.

Von Schlabitz ist ein in Lebensgröße ausgefübrtes Porträt (Kniestück Sr. Majestät des Kaisers Wil belm II. ausgestellt. Während bei Lenbach die intensiven Töne beliebt sind, zeigt sich Schlabitz in diesem und einem anderen Bild als Anbänger heller Farben. Die Aufgabe, welche er sich mit dem Kaiser = Porträt stellte, war keine leichte, und et stebt mit seinem Versuch, nach Art Herkomer's eine bellgekleidete Person auf einem hellen Hintergrunde darzustellen, ent⸗ schieden dem deutschenglischen Maler nach Der Kaifer tragt die Uniform der Gardes du Corps und zwar den weißen Rock; da nun der Hintergrund, ein Velarium, aus welchem der Reichsadler eügrau herrxortritt, gleichfallz weiß ist, so entstand die Frage, ob sich die Gestalt auch wirkungsvoll von dem weißen Grunde ab— beben wärde. Die Lösung ist dem Maler nur theilwesse geglückt. Der Gesammteindruück des Bildes ist ein frostiger geworden, das Auge wird beunrubigt durch das zu viele Weiß. Gegen die Porträtaͤhnlichkeit läßt sich nur das Eine einwenden, daß der Ausdruck der Auger nicht scharf genug ist, sondern unbestimmt erscheint, namentlich, was das rechte Auge betrifft. Wenig einverstanden wird sich mancher Beschauer mit der Haltung erklären: der Kaiser wendet das Gesicht dem Betrachtenden zu, der Leib ist jedoch zur Seite ge—⸗ dreht, und um etwas Leben in die Gestalt zu bringen, ist das linke Bein nach vern gebeugt; dadurch bekommt die Figur etwas Gezwun⸗ genes und wirkt unfrei. Ungeachtet dieser nicht zu bestreitenden Mängel ist . Gemälde ein fleißiges Werk, das entschieden Beachtung verdient.

Jos. Rummelspacher, ven dem verschiedene Bilder hier zu sehen sind zeigt in seiner Waldlandschaft eine energische Pinselführung bei satter effektvoller Farbengebung, es strotzt darin Alles von Saft und Gesundheit; jedenfalls erfreut diese echte Waldpoesie mehr als jene modernsten Versuche, die auch bei Wiedergabe unserer prächtigen deutschen Wälder uns glauben machen wollen, es sähe darin Alles so grau und staubig aus, wie auf gewissen Bildern. Auch das jweite Bild „Corte auf Corsilka“ verräth den tüchtigen Landschafter, der nicht nur naturalistisch wiedergiebt, sondern denkt und em⸗ pfindet und Wahrheit mit Schönheit verbindet, ein Gesetz, an welches zu erinnern Angesichts so mancher Geschmacksver⸗ irrungen in unserem modernen Kunstleben durchaus zeitgemäß ist. Liesegang dagegen zeigt sich in seiner Kollektion von Landschaften als Anbänger der neuen Schule: aber wie verschieden auch seine Motive sein mögen, immer ist es derselbe Vortrag, wer

wird. Die Mitglieder der Kommission find zu einer Haupt⸗ versammlung zur Bestätigung obigen Vergleiches einberufen.

jwei davon gesehen hat, der kennt auch die übrigen. Beide eben er— wähnten Künstler haben auch die große Ausstellung beschickt, auf

welcher das hier Gesagte aufs Neue eine Bestätigüng erfahren dürfte. Körner läßt in einer orientalischen Strandlandschaft seiner Neigung zu leuchtenden Farben freien Lauf; soeben gebt die Sonne unter, ihre Gluth scheint die Felsen des Gestades zu schmeljen, sie leuchten, als wären sie im Begriff zu zerfließen. Während sie die ganze Gewalt des scheidenden Taggestirns empfinden, liegt die Sohle des Uferthals bereits in bläulichem Schatten, eine kleine Gesellschaft 1st am Strande gelagert und dient als anmuthige Staffage. Auch des⸗ selben Meisters Gemälde . Toledo am Tojo“ zaubert uns die Reize einer sädlichen Landschaft in all ibrer Schönbeit auf die Leinwand. Im Anschluß an diese trefflichen Bilder sei H. Preller's „Subiaco“ erwähnt, eine in heroischem Sil gehaltene Landschaft, in welcher auch der übliche flötenblasende Faun nicht feblt. Winzig nebmen sich gegen das letztz nannte große Weck die Miniaturbilder 8 Hoguei's aus, so zierlich komponirt und gemalt, daß sie dem Salon einer Dame zum renendsten Schmuck dienen würden; sie über⸗ treffen die daneben hängenden Bröker' schen, welche flächtig gemalt sind und das alte immer wieder gesehene Motiv behandeln.“ Genannt sei ferner Hilgers mit einer solide durchgeführten ‚Winterland—⸗ schaft', ferner die Abenddämmerung“ von L. Hermes, R. Tarbe, A Lutteroth mit seiner hübsch abgestimmten Villa PViuma“; Jügel's ‚Landschaft mit Schafheerde' sei gleichfalls nicht vergessen schon wegen der effektvollen Farbengebung L. Munthe kat in seiner Niederrheingegend! das Dunstige der Temperatur recht ge⸗ schickt anzudeuten verstanden, auch Deder's „Herbstlandschaft . int eingehender Betrachtung werth. Niethe zeigt sich als gewandter Kreidejzeichner, der so geschickt den Stift zu handhaben weiß, das er den Eindruck eines Gemäldes in seinen Marinestücken“ erzielt; die Abtönungen sind fein durchgefübrt und alle Härten, wie man sie oft bei Kreidezeichnungen findet, glücklich vermieden worden.

Die Landschaft und das Porträtfach, aus dem noch H. Büch— mann's Damenbildniß hervorgehoben fei, sind in den Ausstellunge— räumen des Vereins Berliner Künstler wie auch überhaupt auf der Mehrzahl unserer neueren Ausstellungen besser vertreten als das Genre. Es scheint fast, als seien unsere Künstler in Verlegenheit Betreffs des Stoffs; oft sind es so nichtssagende Motive, daß man sich über ihre Wahl wundert, oft auch ist es die naturalistische Dar= stellung, welche heute für chie gilt und man em das Genre verlesdet. Numez Vais führt uns eine Scene aus dem modernen gesellfchaft⸗ lichen Leben tor: eine junge Dame nimmt von ihrer im Coupé erster FKlasse abfahrenden Mutter zärtlich Ab schied, während ein Mitreisender seinen Koffer auf das Gepäckbrett legt. Was ist dies wobl eigentlich weiter als ein Vorwurf für eine Augenblicksphotographie? Von Len Gesichtera der drei Personen sieht man wenig, das Seelische, Geistige spielt also bier eine sehr untergeordnete Rolle, statt dessen erblickt man die Rückseite der jungen Dame und das nüchterne Aeußere des Waggons. Fürwahr, Zeit und Mühe könnten von Vais wie von so vielen unserer Genremaler an interessantere Vorgänge gewendet werden, als an einen so nichte— sagenden, alltäglichen, in welchem noch dazu das eigentlich Packende, der Schmerz des Abschiedes, am schwäcksten betont ist.

Sandel und Gewerbe.

Danzig, 8. Juli. (W. T. B.) Die Einnahmen der Marienburg⸗Mlawkger Eisenbahn betrugen im Monat Juni 1830 nach provisorischer Feststellung 102 6090 gegen 1595 805 46 nach provisorischer Feststellung im, Juni 1859, mithin weniger 53 3090 4 Die definite Einnahme im Juni 1889 betrug 151 834

Harburg, 3. Juli. In der hentigen ordentlichen General- versammlung der Unter- Elbe'schen Eisfenbabhn⸗Geselsschaft wurde nach Vorlage des Jahresberichts, der Bilanz und der Gewinn und Verlust-Rechnung für das Rechnungsjahr 1889, 90 dem bisherigen Vorstand Decharge ertheilt und die Vertheilung einer Dividende von 490 für die Aktien Litt. A. und von 2, 01 υ für die Aktien itt. B. beschlossen. .

Dam burg, 3. Juli. (Wes. 3ig Die Bürgerschaft ver— bandelte in ihrer gestrigen Sitzung längere Zeit über eine Verlage des Senats, die Abänderung des Gesetzes, betreffend die Löschzeit für Seeschiffe im Hamburgifchen Hafen. Es war namentlich eine Kollektiveingabe an den Senat von den Rhedern in London, Liverpool, Glasgow, Greenock und Dundee gelangt, welche sich iber die langen Löschfristen in Hamburg glaubte beschweren zu müssen. Der Senat hatte daher die englischen Rhedercien veranlaßt, eine Anzahl Delegirter hierher zu entsenden, um in dieser Angelegenheit mit der Handelskammer zu verhandeln. Die dieserhalb angefetzte Konferen; stellte nach langen Verhandlungen fest, daß in Zukunft bei Segelschiffen von mehr als 1900 Reg: Tons Nettogehalt die Löschzeit im Sommer erst für jede weiteren 190 Tonnen (anstatt bisher 60 Tonnen) und im Winter für jede weiteren 75 Tonnen (anstatt für 50 Tonnen) um einen Tag verlängert werde. Seitens des bürgerschaftlichen Ausschusses wurde dieser Senatsantrag zwar im Prinzip genehmigt, jedoch vielfach amendirt, In der Bürgerschaft wurde der Senatzantrag indeß als scon recht weitgehend anerkannt und dieser, unter Ablehnung aller Amendements, pure angenommen. Die Besorgniß, welche man von anderer Seite aussprach, daß man wegen diefer angeblich nicht ge⸗ nügenden Ladungsfristen, die Schiffe nach anderen Häfen beordern würde, wurde von erfahrener Seite, als jeder Begründung entbehrend, abgewiesen; selbst in den meisten englischen Häfen werde nicht fo schnell gelöscht wie zur Zeit in Hamburg mit seinen bervollkommneten Löscheinrichtungen. Es handelte sich eigentlich um den Kernpunkt, zas so bedeutend emporgeblühte Salpetergefchäft, von welchem beute Hamburg mehr als die Hälfte der ganzen europäischen Einfuhr in Anspruch nimmt. Es betrug der Import an Salpeter in den letzten Jahren: 1886 122 500 Tons, 1887 171 055 Tons, 1888 6 l O0 Tons, 1889 317 900 Togs. Der Werth der Einfuhr an ö betrug 1888 ca. 50 Millionen und 1885 ca. 76 Millionen

ar Ham burg, 7. Juli. (W. T. B) Heute Vormittag wurde die 20. Generalversfammlung des hier tagtnden Verbandes deut cher Müller! von dem Vorsitzenden van den Wyngaert Berlin eröffnet. Im Laufe der Verhandlungen wurde einstimmig eine Resolution angt nommen, dahin gehend, daß die Seneralverfamm' lung die Ueberproduktion als Hauptpunkt des schlechten Geschäfts⸗ ganges des Müllergewerbes ansebe und den Vorstand beauftrage, Schritte zu thun, um diesen Mißständen abzubelfen. London, 7. Juli. (B. T. B) WollilLauktion. Preise fest, behauptet. Schweißwolle J. Scoured 4 über Eröffnungspreis. Kreuz⸗ zuchten und Capwolle unverändert. An der Küste 3 Weizen! adungen angeboten. Glasgow, 7. Juli. W. T. B.) Die Verschiffungen von Roheisen betrugen in der vorigen Woche 10151 gegen 8606 t in derselben Woche des vorigen Jahres. Bradford, J. Juli. (W. T. B.) Wolle fester, jedoch halten sich Käufer vom Markte zurück, Garne ruhig, in Stoffen ziemlich gutes Geschäft, Fabrikanten jedoch nicht vollauf beschärtiat. New Jork, 7. Juli. (W. T. B. Vifible Supply an Weizen 18638 000 Bushels, do. an Mals 14465 060 Bushels.

Verkehrs ⸗Anftalten.

Hamburg, 8. Juli. (W. T. B.) Der Postdampfer Au stralia⸗ zer ge dard era if e nr ff. Attiengesellschaft ist, von Hamburg kommend, am 5. d. M. in St. Thomas eingetroffen. Gbendaselbst traf, von Hamburg kom⸗ mend, gestern der Po stdampfer „‚Flandria“ derfelben Gefell. schaft . Zuli. (B. T.

8. Juli. 31 ) Der Postdampfer Saxonia“ der Hamburg · Amerikanischen pa Me fag eln ri e. schaft hat, von New- York kommend, heute Morgen Lizard passirt. London, 7. Juli. (W. T. B) Der Castle⸗ Dampfer Roslin Castle“ ist gestern auf der Ausreise in Lissabon ange

kommen.

G8. Juli. (W. T. B.) Die Union - Dampfer „Arab“ und „Durban“ * gestern auf der Heimreise, . von Ea. town, letzterer von den Kanarischen Inseln abgegangen.