1890 / 222 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 15 Sep 1890 18:00:01 GMT) scan diff

Konsistorial Rath Textor hielt die Predigt, welcher der Ter zu i. lag: Jesaias 12 Vers 2 und 3 Siehe, Gott ist mein Heil! Ich bin sicher und fürchte mich nicht. In der Predigt warf der Geisiliche zugleich einen Rügblict auf die Geschichte dieses Jahrhunderts, von 1813 bis 1890, mit besonderer Berücksichtigung Schlesiens, beleuchtete die Ent⸗ stehung des Wahrspruches: Mit Gott für König und Vater⸗ land!“ und hob des Hochseligen Kaisers Wilhelm letzte Worte: „Ich babe keine Zeit müde zu sein“, und „Gott war mit uns, ihm sei die Ehre!“ als Beispiel des Gottvertrauens der ö . Der Gesang des Chorals „Nun danket Alle Gott“ schloß die Feier. J

Von Nimkau zurückgekehrt, fuhren Ihre Majestäten nach Kamenz, wo Alllerhöchstdiefelben von den am Abend vorher von Breslau dort eingetroffenen Königlichen Hoheiten dem 2 e. und der Prinzessin Albrecht bewillkommnet wurden. Auf 9 Bahnhof waren die Kriegervereine, am Eingangzum Schloßpark die Schulen und vor dem Schlosse die Prinzlichen Beamten auf⸗ gestellt. Unter dem Jubel, der Bevölkerung fuhren die Majestäten nach dem Schloß, woselbst ein Dejeuner 3. genommen wurde. Alsdann folgte eine Rundfahrt 2 und Umgegend sowie ein Besuch der von Sr. Königlichen Hoheit dem Prinzen Albrecht erbauten evangelischen Kirche.

Heute Morgen fuhren Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin über Liegnitz zur Parade des V. Armee Corps nach Brechelshof. Se. Majestät der Kaiser trug die Uniform der Leib⸗Gardehusaren und begab Sich in Begleitung der mit— eingetroffenen Fürfilichkeiten zu Pferde nach drm Paradefeld. Ihre Majestät die Kaiserin folgte dahin in 6spänniger Equipage, eskortirt von Ihrer Majestät Leibgarde.

Se. Majestät der Kaiser hat, wie die „Köln. Ztg.“ mittheilt, dem kommandirenden Admiral durch folgende Kabinets-Ordre seinen Dank ausgesprochen:

Nachdem Mir die Besichtigung der Manöverflotte Veranlassung gegeben, den Admiralen und Kommandanten Meine lebhafte An erkennung mit der Führung und den Leistungen inntrbalb der Flotte auszusprechen, gereicht es Mir zur Genugthuung, im Verlaufe der ge⸗ meinsamen Manöver der Marine und des IX. Armee⸗Corps den guten Eindruck auch in weiterm Umfange bestätigt gefunden zu baben. Die soeben beendeten Manöver baben Mir die angenehme Ueber⸗ zeugung geliefert, daß die Leitung durchdacht, die technische Fübrung des Materials gesichert, der Geist der Besatzungen frisck und Erfelg verbürgend ist. Ich erwarte, daß die Marine mit Ausdauer in dem lobenswerthen Streben der Vervollkommnung fortfahren wird, und empfehle die Beachtung der Bemerkungen, welche Ich am Schluß der Uebung gemacht babe. Ich spreche Ihnen, den Admiralen und Offizieren Meinen Kaiserlichen Dank für die Hingebung aus, mit welcher alle gestrebt und gearbeitet haben, und beauftrage Sie, auch den Mannschaften Meine volle Sufriedenseit mit ihren Leistungen bekannt zu geben.

Flensburg, den 10. Sextember 1890. Wilhelm.

Nachdem verschiedene Blätter über die in Berlin statt⸗ gehabte Probeveranlagung auf Grund der übrigens nur vorläufig aufgestellten Grundzüge zur Reform der Ge— werbesteuer theils richtige, theils unrichtige und unvoll⸗ ständige Mittheilungen gebracht haben, dürfte im Jnteresse des betheiligten Publikums eine Richtigstellung und Vervollständi⸗ gung derselben rathsam erscheinen. .

Die Probeveranlagung hatte den Zweck, möglichst sicheres

Material über die Wirkung einer Veranlagung der Gewerbe— steuer auf neuen, der Entwickelung der heutigen Gewerbe— verhältnisse entsprechenden Grundlagen zu gewinnen. Aehn⸗ liche Probeveranlagungen sollen auch in anderen Bezirken tattfinden. . . ; 6 Probeveranlagung in Berlin ist mit jeder möglichen Sorgfalt durchgeführt und hat, von den ihre Mitwirkung aus unbekannten Gründen ablehnenden Abgeordneten einer Han— delsklasse abgesehen, überall eine sehr eifrige und anerkennens⸗ werthe Unterstützung Seitens der Betheiligten gefunden, sodaß die Ergebnisse wohl auf diejenige Genauigkeit Anspruch machen können, welche bei solchen Probeveranlagungen überhaupt zu erzielen ist. . . .

Wir sind in der Lage, einige Mittheilungen über dieselben zu machen. ö.

Bisher waren in Berlin zur Gewerhesteuer veranlagt 74118 Betriebe. Nach den aufgestellten Grundzügen, und zwar bei vorläufiger Annahme der Befreiung aller einen Ertrag von 1509 6 nicht erreichenden Betriebe, würden in Zukunft gewerbesteuerpflichtig bleiben 47 128. Es würden alsos über 31 Proz. der bisher steuerpflichtigen Betriebe befreit werden.

Die neue Veranlagung fand ohne Rücksicht auf die Betriebs arten nach Maßgabe des Ertrages und des Anlage— und Betriebskapitals in vier Klassen statt. .

Es ergab sich nun, daß im Verhältniß zu der bisherigen Veranlagung bei der neuen Veranlagung eine dem Wesen der Gewerbesteuer durchaus entsprechende steigende Ent⸗ lastung von der Klasse IL ab Ceinschließlich dieser bis zur Klasse TV herunter eintreten würde. Insbesondere würden die bisher in den Klassen B, H und K veranlagten Klein⸗ händler, Handwerker und Fuhrleute ꝛc. ganz erheblich ent⸗ lastet werden. Allerdings steht dem eine stärkere Heran⸗ ziehung der Großbetriebe gegenüber. Dies würde in⸗ dessen lediglich eine Ausgleichung gegen die bisherige Ungleichheit bedeuten, bei welcher vielfach der Groß-Gewerbe— betrieb unverhältnißmäßig gering kesteuert wurde, eine natürliche Folge des Umstandes, daß die bestehende Gewerbe⸗ besteuerung noch wesentlich auf dem e nn vortrefflichen, heute aber durch die Entwickelung der gewerblichen Verhaltnisse überholten Gesetz vom 30. Mai 1820 beruht. .

Von einer Ueberlastung der Großbetriebe selbst bei der Annahme eines Steuersatzes von 1 Proz. des Betriebs⸗ Ertrages kann übrigens wohl kaum die Rede sein. Auch die großen Gewerbetreibenden selbst dürften die Nothwendig⸗ keit einer Reform der bestehenden Gesetzgebung anerkennen, bei welcher das Großgewerbe oft nur mit einem geringen Bruchtheil von 1 Proz. des Ertrages belastet ist, während das Kleingewerbe vielfach 2—=—3 Proz. zu zahlen hat. ;

Hierzu kommt, daß nach der gegenwärtigen Gesetzgebung eine Reihe sehr leistungsfahiger Gewerbebetriebe wie Dampfstraßenbahnen, Theater, Concertunternehmungen, Pano⸗ rama u. A. der Steuer vom stehenden Gewerbebetriebe

Betriebtarten fallen. 26 1 dieser Hinsicht wäre wohl durch die Reform Wandel zu schaffen. . . . n n wir zur Vermeidung jedes Miß⸗ verständnisses, daß erst die weiteren Probeveranlagungen zu einem sicheren Ergebniß über die Klasseneintheilung, die Steuersätze in den einzelnen Klassen und die zu wählende Befreiungsgrenze führen können und daß dann erst hierüber Entscheidung zu treffen sein wird.

Der kommandirende General des Garde Corps, General der Infanterie Freiherr von Meerscheidt⸗ ü llessem, Chef des Infanterie⸗Regiments von Boyen (5. Ostpreußischen) Nr. 41, hat sich zu den Manövern des V. und VI. Armee Corps nach Schlesien begeben, ebenso der General⸗Inspecteur des Militär⸗Erziehungs und Bildungswesens, General⸗Lieute⸗ nant von Keßler.

S. M. Kanonenboot „Ilt is“, Kommandant: Korvetten⸗ Kapitän Ascher, ist am 14. September in Chemulpo (auf Korea) eingetroffen.

Kiel, 15. September. Der Stations-Chef Vize⸗-Admiral Knorr gab gestern zu Ehren der Offiziere des öster⸗ reichischen Geschwaders ein Diner. Der kommandirende Admiral Frhr. von der Goltz ist nach Berlin zurückgereist.

Köln, 15. September. In der vorgestern Morgen statt⸗ gehabten Delegirtenversammlung des Altkatholiken⸗ Kongresses wurde, W. T. B.‘ zufolge, eine Resolution beschlossen, die sich gegen die Entscheidung der bayerischen Staatstegierung vom 15. März d. J. ausspricht, gemäß welcher sammtliche bayerischen Altkatholiken nicht mehr als Mitglieder der katholischen Kirche betrachtet und behandelt werden. Die Delegirtenversammlung faßte ferner Beschlüsse betreffend die Ausbildung alt— katholischer Krankenpflegerinnen und die Grün— dung eines Waisenhauses, sowie anderer An— stalten für die Ve rsorgung unbemittelter, hüljloser Altkatholiken und betreffend die Bildung altkatho— lischer Vereinigungspunkte für aus dem Elternhause abwesende junge Altkatholiken (Lehrlinge, Gesellen, Ge⸗ hülfen u. s. w) Die weiteren gefaßten Beschlüsse betrafen nur innere Angelegenheiten. Nachmittags fand ein Fest= essen statt, an welchem über 309 Personen, darunter die fünf altkatholischen Bischöfe und viele der hervorragendsten Gäste, sowie auch viele Damen theilnahmen. Der Vorttzen de von Schulte, als erster Redner, brachte einen Toast auf Se. Majestät den Kaiser aus. Im Anschluß hieran sang die Versammlung siehend die Nationalhymne, Ferner wurden Ansprachen gehalten von dem Erzbischof Heydkamp, dem Seminarpräses von Thiel, von Janyschew (Rußland), Loyson (Paris) Bischof Herzog, Professor Nippold, Bischof Reinkens und Cicchiti (Italien). An Se. Majestät den Kaiser wurde ein Telegramm abgesandt, in welchem Seitens der Anwesenden die Ehr⸗ erbietung und Treue gegen Se. Majestät den Kaiser zum Aus⸗ druck gebracht wurde. Abends fand eine vom altkatholischen Lokalcomité veranstaltete Festlichkeit statt. Gestern Vor⸗ mittag wurde ein zahlreich besuchter festlicher Gottesdeenst abgehalten, bei welchem Erzbischof Heydkamp aus Utrecht das Hochamt celebrirte und Bischof Reintens die Festpredigt hielt. In der letzten öffentlichen Sitzung sprachen Fürsprech Weibel aus der Schweiz über den internationalen allgemeinen katholischen Charakter der christlichen Kirche im Gegensatz zur römischen Kirche und Bischof Reinkens über die Charitas der Ultramontanen im Verhältniß zu den sozialen Be— strebungen der Neuzeit. Der Vorsitzende Professor von Schulte schloß mit einem Rückblick auf die altkatholische Bewegung seit dem Erlaß des Syllabus durch Pius IX. und der Ver— kündigung des Dogmas der Unfehlbarkeit.

Bayern.

München, 14. September. Se. Königliche Hoheit der Prinz-Regent trifft, der „Allg. Ztg. zufolge, unter Ab— änderung der früheren Bestimmung bereits heute Mittag 12156 Uhr von Hinterstein hier ein. An den übrigen mit dem Besuͤch des Schlußmanövers des II. Armee-Corps zusammen⸗

aängenden Reisedispositionen Sr. Königlichen Hoheit ist zur it nichts geändert. Die Rückreise nach Hinterstein erfolgt Donnerstag, den 18. September, Mittags. Der Comman⸗ deur des J. Armee Corps, General Prinz Leopold ist gestern Abend von den Manövern aus Gunzenhausen hier eingetroffen. Heute begiebt sich Se. Königliche Hoheit auf das Manöverterrain bei Tittmoning. . 9

Der erste bayerische Katholikentag ist heute in Straubing unter dem Präsidium des Grafen Conrad Preysing eröffnet worden, welcher ein ihm zugegangenes Danktelegramm des Prinz-Regenten für die ihm dargebrachte Huldigung verlas.

Sachsen.

Dresden, 14 September. Am Sonnabend, Vormittag S8 Uhr 11 Minuten, begab sich Se. Majestät der König, wie das „Ch. Tgbl. aus Chemnitz meldet, mittels Sonderzuges nach Hohenstein⸗Ernstthal, um dem in der dortigen Umgegend statt⸗ findenden Divisions⸗Manöver beizuwohnen. Um 10 Uhr 13 Mi⸗ nuten traf Ihre Majestãt die Lönig in, aus dem Seebade Blanken⸗ berghe kommend, mittels Sonderzuges auf dem Hauptbahnhof in Chemnitz ein und wurde auf dem Perron von dem zum Empfang anwesenden Ober-Hofmarschall von Könneritz und den Staats, richterlichen und städtischen Behörden ehr⸗ furchtsvoll begrüßt. Nachmittags 6 Uhr jand in dem Speise⸗ aal des Kasinos ein von Sr. Majestaät dem König gegebenes Diner statt. Nach Aufhebung der Tafel nahmen Ihre Majestäten sammt hohem Gefolge die feftliche Beleuchtung des Kasinogartens in Augenschein, und dann erfolgte der Einzug der Allerhöchsten Herrschaften in den großen Saal, in welchem bereits eine Anzahl Mitglieder der Kasinogesellschaft und be⸗ sonders eingeladene Herren Platz genommen hatten. Der Orchesterraum des Saales, durch koslbare Teppiche und exotische Gewächse, sowie durch das aus der ö , Banner der Stadt festlich geschmückt, nahm die Majestäten, welche auf ihren Plätzen das Programm für die geplante Soirée vor⸗ fanden, auf. Nachdem die Allerhöchsten Herrschaften Platz genommen hatten, brachte Stadtrath Voigt auf Ihre Majestäten den König und die Königin ein dreifaches Hoch aus, das begeisterten

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und dem Chemnitzer Lehrergesangverein unter Leitung des stãdtischen Kapellmeisters 13 Pohle und —ĩ Kirchen⸗Musikdirektors Schneider ausgeführt wurde. dem die Vortrãge beendet waren, brachte Stadtrath Voigt abermals ein dreifaches Hoch auf das Königspaar aus; hierauf verließen die Majestäten sammt dem Gefolge den Saal, um einen Rundgang durch die oberen Räumlichkeiten des Kasinos anzutreten. Nach Beendigung desselben verabschiedeten sich der König und die Königin uuf Huldvollste von den Vorstehern der be, n, , . 23 2 ö 2 Behörden und fuhren in das Hotel „Römis aiser / zurück. 2 König wird am Mittwoch Vormittag zu den schlesi⸗ schen Kaisermandvern abreisen. . Das Ministerium des Innern erließ im gestrigen „Dresd. Journ.“ nunmehr auch die General⸗ verordnung wegen der den Krankenkajssen und Ge⸗ meindebehdrden obliegenden rechtzeitigen Beschaffung von Quittungskarten und Beitragsmarken sowie wegen anderweiter Vorbereitungen zur Durchführung des Reichs⸗ gesetzes, betreffend die Invaliditäts- und Altersverficherung vom 22. Juni 1889.

. Baden. Karlsruhe, 15. September. (W. T. B.) Der Kron⸗ prinz und die Kronprinzessin von Schweden und Norwegen sind heute von Schloß Heiligenberg zu längerem Aufenthalt nach Baden⸗Baden übergesiedelt.

Bremen.

Bremen, 13. September. Dem Feldmarschall Grafen Moltke wird der Senat, wie die „Wes⸗Ztg.“ schreibt, zur Feier seines neunzigsten Geburtstages am 26. Oktober ein Glückwunschschreiben senden. Auch die Bürgerschaft wird voraussichtlich dem Beispiele folgen. Das Sedan⸗Comits hat die Organisirung eines Fackelzuges in die Hand genommen, damit Alt und Jung eine Kundgebung vor Augen habe, welche den Gefühlen Aller an diesem Tage entspricht.

Oesterreich⸗Ungarn.

Wien, 15. September. Das vorgestrige erste Manöver bei Monospetri verlief, wie die Presse“ mittheilt, da sich das Wetter über Nacht überraschend günstig gestaltet hatte, in jeder Beziehung aufs Beste. Beide Parteien setzten gemäß der Annahme ihre Vorrückung fort. Das Süd-⸗Eorps hatte Befehl, von Margitta gegen Er⸗Mihalyfalva vorzurücken und das Nord⸗Corps zurück⸗ zuwerfen, während letzteres das aus Siebenbürgen vorbrechende Süd⸗Corps an dem Debouchiren aus dem Berettyo⸗-Thale verhindern sollte. Bei dem Vormarsch kam es zu einem sehr lebhaften, fast 4 Stunden währenden Gefecht, welches von der Artillerie und Kavallerie auf beiden Seiten eingeleitet und schließ⸗ lich durch die Infanterie entschieden wurde. Nach dem Versuch eines Vorstoßes müßte das Süd-⸗Corps zurückgehen. Se. Majestät der Kaiser und König verfolgte das Manöver mit der größten Aufmerksamkeit und erkannte besonders die Marsch— leistungen der beiden Parteien in dem vom Regen aufge⸗ weichten Terrain an. Der rumänische Kriegs⸗Minister, General Vlades co und sämmtliche fremdländische Militär⸗ Attachés wohnten in der Begleitung Sr. Majestät dem Manöver bei.

Großbritannien und Irland.

London, 13. September. Der Unter⸗Staatssekretär des Schatzamts Ja ck son und der Direktor der offentlichen Bauten in Irland General Sankey sind, nach der „A. C., von ihrer im Auftrage der Regierung unternommenen Reise durch die nothleidenden Distrikte Irlands nach Dublin zurückgekehrt. Jackson joll zu dem Schluß gelangt sein, daß die Berichte über die im Winter zu befürchtende Hungersnoth übertrieben sind.

Die Admiralität hat ihren Flottenbauplan für das laufende Finanzjahr veröffentlicht. Ein neuer Kreuzer soll gebaut und mehrere schon begonnene Kriegsschiffe vollendet werden. Die Admiralität dringt auf Sparsamkeit, und vielleicht aus diesem Grunde sollen für Dockbassins und Kohlenstationen, deren Wichtigkeit längst allgemeine An⸗

ausgabt werden. . 3216 britische Schul geschwa der segelte am 12. d. M. von Spithead ab, um die übliche zweimonatliche Herbst-Kreuzungs⸗ tour anzutreten. Die Schiffe kehren in der zweiten Woche des November nach England zurück Das Kanalgeschwader hat Befehl, sich am 23. d. M. in Portland zu sammeln und eine Kreuzungstour nach Nord-Britannien zu unternehmen, von der es am 1. November zurückkehren wird. ; Mehrere Offiziere der Marinewerkstätten in Chatham, darunter zwei höheren Grades, wurden, wie „W. T. B.“ meldet, vom Dienst suspendirt. Sie stehen unter dem Verdacht, nicht autorisirten Personen vertrauliche, amtliche Mittheilungen gemacht zu haben. 3 4 l des Dab aris, 15. September. Dem Journal des Debats“ zu⸗ al Heer. die Budgetkommissron am 7. Oktober ihre Arbeiten wieder aufnehmen. Der Tag der Wiederein⸗ berufung der Kammern soll definitiv in einer der nächsten Sitzungen des Ministerraths festgestellt werden. ö. Wie mehrere Blätter melden, werde im nächsten Ministerrath berathen werden, ob der Senat sich anläßlich der boulangistischen Enthüllungen Behuss Prüfung des royalistisch- boulangistischen Komplots als Staats gerichtshof konstituiren solle. Mehrere opportunistische und radikale Deputirte beabsichtigen, die Angelegenheit in der Kammer zur Sprache zu bringen. Die Opportunisten wollen die Gelegenheit benutzen, um Floquet und Freycinet wegen ihres früheren Ver⸗ haltens den Boulangisten gegenüber anzugreifen. Bei der gestrigen Stichwahl zur Deputirtenkammer in St. Flour wurde, wie „W. T. B.“ meldet, Mary Raynaud (klerikal) mit 4081 Stimmen gewählt. Chanson (Republikaner) erhielt 3291 und Andrieux (Revisionist) 2822 Stimmen. Die Einfuhr Frankreichs betrug im Monat August 333 Millionen gegen 333 Millionen im August 1889, die Aus fuh rz 93 Millionen gegen 302 Millionen im gleichen Monat des Vorjahres. R den ersten7 Monaten dieses Jahres betrug die Einfuhr 2934 Millionen . 2867 Millionen, die Aus⸗

Widerhall fand und in der Sachsenhymne aueklang. Dann

überhaupt nicht unterliegen, da sie nicht unter die bisherigen

begann die Soirée, welche von der städtischen Kapelle

fuhr 2402 Millionen gegen 2333 Millionen im vorigen . Dem Voranschlage gemäß sollte das Zündhölzer⸗

erkennung gefunden hat, dieses Jahr keine Summen ver⸗

Monopol in den ersten 8 Monaten dieses Jahres 16 200 000 Fr. ergeben, während nur 5670 000 Fr. einge⸗ numme 2 stern in J stattgehabten Mili

em gestern in Jon zac ehabten Militär⸗ bankett brachte General de Gallifet einen Trink⸗ spruch aus, in welchem er erklärte, Frankreich wolle leinen Krieg, könne aber der Zukunft mit vollem Vertrauen entgegensehen. Der vormalige Kriegs⸗Minister General Ferron, welcher auf den anwesenden russischen Hauptmann Khabaloff trank, sagte, Rußland besitze in seiner unvergleichlichen Armee ein Mittel, allen Koalitionen zu begegnen. „Trinken wir auf unsere Schwesterarmee, auf das xussische Heer!“ Hauptmann Khabaloff erwiderte mit der Versicherung gegenseitiger Sympathien.

Rußland und Polen.

St. Petersburg, 15. September. Wie, W. T. B.“ aus Rowno meldet, sind die Mansver beendet; der Kaiser be— fahl in dem Moment Appell zu blasen, als General Dragomirow eine von einem ganzen Armee Corps ausgeführte Attacke auf die Lubliner Armee machen ließ, welche Rowno angriff. Vor⸗ gestern war die Kaiserliche Familie in dem Stãdtchen Potschajew, wo sie ein altés Kloster besuchte. Gestern nahm der Kaiser, gefolgt von der Kaiserin und den übrigen Mitgliedern des Kaiserlichen Hauses, die Parade über die beiden Manöver⸗-Armeen ab. Um 5 Uhr Nach— mittags reiste die Kaiserliche Familie nach Spala ab.

Wie der „Regierungsbote“ mittheilt, erfolgte auf eine Glückwunsch⸗Adresse der Stadt Moskau an den Kaiser anläßlich dessen Namensfestes eine Antwort— depesche des Kaisers, in welcher es heißt, daß er in den Gefühlen, welche Moskau beseelen, die Stimmen von ganz Rußland erblicke.

Der Minister des Amußern von Giers und der Direktor des asiatischen Departements im Ministe— rium des Aeußern erhielten die Genehmigung des Kaifers zur Annahme des serbischen Ordens vom Weißen Adler erster Klasse bezw. des Takowa⸗Ordens derselben Klasse.

Italien.

Rom, 15. September. Der Finanz-Minister Seismit— Do da hat, dem „W. T. B.“ zufolge, seine Demission ein⸗ gereicht und sich bereits von den höheren Beamten des Finanz⸗ ß verabschiedet. Der Entschluß des Königs steht noch aus.

Der Kriegs-Minister hat die Altersklassen 1868 und 1869 der 2. Kategorie zu einer 45 tägigen Uebung ein— berufen, desgleichen die Angehörigen früherer Jahrgänge, welche wegen Krankheit, Gefängnißstrafen und dergleichen zurückgestellt waren. Für Diejenigen, welche nachweisen, daß sie zwei Jahre hindurch alle vorgeschriebenen Uebungen des nationalen Scheibenschießens mitgemacht haben, verringert sich die Uebungszeit auf 0 Tage. Außer den gesetzlichen Be⸗ freiungen finden Zurückstellungen für Diejenigen statt, welche in der betreffenden Zeit ein unaufschiebbares Examen zu machen oder in dem Zeitraum der vorhergegangenen zwei Monate Vater, Mutter oder Frau verloren haben. Wer im ersten Fall von der Zurückstellung keinen Gebrauch machen will, darf für die bezüglichen Tage beurlaubt werden. Die Uebungen beginnen für die auf 45 Tage Eingezogenen am 28. September, für die auf 20 Tage Eingezogenen am 23. Oktober.

Schwei z.

Bern, 14. September. Der Bundesrath hat, wie W. T. B.“ meldet, den Rekurs der freisinnigen Bürger des Kantons Tessin gegen die Verschiebung der Abstimmung über die Verfassungs-Revision für begründet erklärt und den Kommissar Oberst Kuenzli beauftragt, nach Fest⸗ stellung der Thatsache, daß das Begehren um Verfassungs— Revision die genügende Zahl von Unterschriften habe, die Volks⸗ abstimmung über dasselbe in der kürzesten gesetzlich mög⸗ lichen Frist zuzusagen. Ferner hat der Bundesrath seine srühere Instruktion an den Koömmissar in Betreff der Freilassung der Verhafteten und Auflösung der provisorischen Regierung bestätigt und den Kom— missar beauftragt, zu berichten, in welchem Momente die gesprengte Regierung im Stande und gewillt sein werde, ihre Funktionen wieder auszuüben. Einst⸗ weilen behält der Kommissar ausschließlich die Staats—⸗ gewalt in Händen und kann sich mit Vertrauensmännern von beiden Parteien in Verbindung setzen. Der Kommissar ist ermächtigt, den Telegraphendienst in den tessinischen Tele⸗ graphenbureaus zu überwachen und die Abhaltung von Schützenfesten zu untersagen.

Heute lauten die Nachrichten aus dem Kanton Tessin beruhigender. Die provisorische Regierung hat sich gestern Abend aufgelöst; die am 12. d. M. in Bellinzona ge⸗ fangen genommenen Personen wurden gestern in Freiheit gesetzt, die in Lugano Verhafteten sollen heute freigelassen werden. Eine heute hier angelangte Deputation der ultramontanen Fraktion der Bundesversammlüng wünscht vom Bundesrath die förmliche Wiedereinsetzung der gestürzten Regierung von Tessin. Der ei dgenöss , in Bellinzona hat heute eine Proklamation erlassen, in welcher er die Uebernahme der Regierung anzeigt. Er ist eifrig bemüht, eine Vereinbarung zwischen beiden Parteien herbeizuführen. Professor Schneider⸗ Zurich ist vom Bundesgericht zum außerordentlichen Unter— suchungsrichter in Tessin ernannt und als solcher ver⸗ eidigt worden.

Schweden und Norwegen.

(E) Stockholm, 13. September. An Stelle des pensionirten General⸗Lieutenants n, n. ist der bisherige Chef des Svea⸗Artillerie⸗Regiments, neral⸗Major Breit⸗

, . General⸗Feldzeugmeister und Ehef der rt

erie ernannt worden. Auf Antrag der hiesigen deutschen St Gertruds-Gemeinde hat der König den Diaconus G. F. Sterzel aus Chemnitz zum Pastor dieser Gemeinde ernannt. Dãnemark.

(E) Kopenhagen, 13. September. Auf dem Schieß- platze auf der Insel Amager fanden gestern Vormittag in Anwesenheit des Königs, des Kriegs-Ministers Bahnson, des kommandirenden Generals, General ⸗Lieutenants Kauff⸗ mann und des Generals der Artillerie Linnemann Ver— gleichsschießen zwischen dem neuen danischen rauch— freien Pulver und dem gewöhnlichen Pulver statt. Zwei Compagnien des 24. Bataillons, beide mil dem

öffnete,

der des gewöhnlichen P Zielen beeinträchtigende

Amerika.

Bereinigte Staaten. Washington, 13. September. Die Fingnzkommission der Repräfentantenkamm er beschloß bei der Berathung der Tarifbill, den von dem Senat beschlossenen Abänderungen der Liste der dem Zolltarif unterworfenen Waaren nicht zu zustimmen.

Argentinien. Buenos Aires, 13. September. (R. B.) In La Plata ist eine Ministerkrise ausgebrochen, in⸗ dem drei Minister ihre Entlassung genommen haben. Der General Racedo, welcher mit einer Anzahl von Mit— gliedern der Union civica nach En tre-Rios entsandt war, um die Ruhe daselbst wiederherzustellen, ist unverrichteter Sache wieder hierher zurückgekehrt.

Asien.

Theater und Mufik.

Königliches Schauspielhaus.

Vorgestern gingen auf der Königlichen Bübne Gust av Frey— ta g's Jour nali sten⸗ mit zum Theil neuer Besetzung in Scene. Wenn des Dichters Nachtuhm und Bedeutung in der deutschen Site= ratur zum größeren und besseren Theile auf dem Gebiete der eyischen Poesie liegt, so hat er sich doch auch als Dramatiker eine Bedeutung erworben, welche ihn in die erste Reibe der gleichstrebenden Zeit⸗ genessen stellt. Man sieht Frevtag's Graf Waldemar“ und Die Valentine selten, aber so oft ein Frertag ches Drama auf irgend einer Bühne erscheint, ist ein rolles Haus gesickert; namentlich gilt das von des Dichters prãchtigem Lustspiel Die Journalisten «. Das Stück ist zwar weder technifch noch dem Inhalte nach frei von Mängeln, aber sein lebbaft spru—⸗ delnder Quell guter Laune verbreitet jedesmal eine frossinnige, be— bagliche Stimmung unter den Zuschauern. Mancherlei Vorgänge in diesem Lustspiel, welches vor nunmehr fast rier Jahrzehnten den Ruhm des Verfassers begründen half, haben Tie frische Realitãt verloren, aber das Wesentliche der Handlung könnte auch beute noch als ein naturgetreues Bild aug dem wirklichen Leben erscheinen und, was dem Stück für immer das Interesse gebildeter Zuschauer sichern wird, ist die feine Charakteriftit der bandelnden Personen, die treffende Aehnlichkeit einiger exisodisch auftretender trpischer Figuren vnd jene Mischung von zart⸗ sinnigem barmlosen Humor und derbrealistischer Komik, welche die Srundstimmung der Handlung ausmacht, während das sentimentale Element nur vorübergehend in den Vordergrund tritt.

Die vorgestrige Vorstellung bat die Wirkenskraft des Lustspiels aufs Neue dargethan; das gut besetzte Haus machte beständig den Eindruck einer fröblichen, gut unterbaltenen Gesellschaft, die sich dem Dichter gern und völlig gefangen giebt. Nicht geringes Verdienst an dem schönen Verlauf der Vorstellung batte die Darftellung, welche für die bäufigeren Besucher des Theaters durch die erwäbnte Veränderung in der Besetzung einiger Rollen erhöhtes Interesse gewann. In erster Linie ist hier Sr. Volkmer zu nennen, welcher früher den Bellmaus mit geradezu unũbertrefflicher Komik und doch künstlerisch vornebm gestaltete; vorgestern gab Hr. Vollmer den Schmock, das ist jene balb verkommene, halb mitleids- würdige Gestalt eines jüdischen eitungs berichterstatters, die durch ibre Verschlagenheit ärgert und durch ihre komische Unbehülflichkeit ergötzt; der Darsteller wurde allen Eigentbümlichkeiten diefer typ sschen Sestalt gerecht und stellte mit Vermeidung aller Ueber- treibungen den Schmock in augenfälliger Natürlichkeit auf die Bühne. Seine Stelle als Bellmaus vertrat Hr. Hertzer, welcher, obne seinen Vorgänger an Vornebmheit des Spiels zu erreichen, doch manchen lustigen Moment batte und in dem be—⸗ wäbrten Zusammenspiel niemals störte; recht gut traf der Darsteller den Ton unbebolfener Ebrerbietunz in der Szene mit Adelbeid Runeck. Als Tochter des Obersten, Ida, saben wir Frl. Worm zum ersten Mal. Die Dame bringt eine angenebme Bühnen. erscheinung und ein gewisses Maß von schauspielerischer Begabung mit. Die kleine Rolle der Ida“ erfordert mehr Lebbaftigkeit und wär— meren Ton, als Frl. Worm vorgestern entwickelte; immerhin hat auch diese Künstlerin ibre Aufgabe im Wefsentlichen erfreulich gelöst, und man darf erwarten, daß sie vollkommenere Wirkungen zukünftig erzielen wird, wenn sie sich in das Zusammenspiel unserer Königlichen Bühne mehr eingelebt baben wird. Im Uebrigen haben wir von den Darstellern, die ibren gewohnten Platz einnahmen, nur das oft wiederholte Räbmliche zu sagen; Hr. Keßler ist, wenn er auch dem unvergeßlichen Liedtke nicht gleich kommt, ein sehr tüchtiger Conrad Bolj',. Hr. Plaschke giebt den Oberften in edler Haltung, warmherzig und gewinnend. Treffliches leisteten auch die Orrn. Bur schian (Senden) und Oberländer (Piepenbrink), aber besondere Anerkennung verdient aufs Neue Frl. Meyer als Adelbeid Runeck! durch die Anmuth ihres Wesens wie durch die ungekünstelte Vornebmbeit, welche ibrem Auftreten hier wie in anderen Rollen eigentbümlich ist.

Das Publikum zeichnete die Darsteller fortgesetzt durch leb—⸗ haften Beifall aus und rief die Vertreter der Hauptrollen nach den Scenenschlüssen wiederholt vor die Gardine.

Berliner Theater. ö. Sr. Rudolph Fuchs, welcher vor einigen Tagen sein Gast= spiel als Othello“ unter nicht besonders enn g. Anzeichen er⸗ öffnete, trat am Sonnabend in der Rolle des Karl in Schillers „Räubern mit bei Weitem besserem Erfolge auf. Der Farftesse— befleißigte sich hier einer natũrlicheren Sprechweise und ließ die scharfen Endkonsonanten der Wörter nicht so aufdringlich ausklingen wie bei seinem ersten Auftreten; der Redefluß wurde dadurch leichter und ungezwungener und der Vortrag gewann an Wirkung auf die Hörer auch dadurch, daß der Künstler den Ausdruck wabrer Empfindung und Leiden schaft an der rechten Stelle fand. Was in letzterer Beziehung noch schulmäßig und angelernt erschien, wird sich künftig wohl freier entfalten, wenn der Künstler mehr eigenen Im pulsen folgen wird. Das etwas dunkle Organ klingt in der maßvollen Rede angenehm, im Affekt macht sich aber eine Rauhheit be— merkbar. welche die Kraft und den Wobllaut der Stimme beeinträchtigt. In den bewegten Räuberscenen drang in Folge deffen die Stimme des Hauptmanns) nicht mit der Gewalt durch, welche auf die aufgeregten Gemüther bestimmend wirken soll. Wenn affo auch Hr. Fuchs vorläufig nur in Einzelheiten befriedigte und das

neuen Gewehr X. 89 bewaffnet, hatten je Patronen mit ersterem

einbeitliche große Charakterbild schuldig blieb, so machte sich doch die Individualitãt eines gebildeten Käãnstlers

Eltend, welche nach anderer Richtung hin vielleicht noch Ferre leisten mag. Die Besetzung der übrigen Rollen ist unverändert geblieben; sebr erfreulich traten aus dem Rabmen die Leistungen der drei staͤndigen Mitglieder des Berliner Theaters, der Hern. Krautneck (Schweizer). Weiß Sriegelberg) und Jacobi (Roller) hervor, welche obne Zweifel die besten dez Abends waren. Die Darstellung verlief in allen ibren Theilen glatt und entbehrte auch der anerkennenden Hervorrufe nicht.

Der Vorrerkauf der Billets zu den volksthümlichen Nack mittags⸗ dorstellungen, die nächsten Sonntag. 21. dieses Monats, beginnen, bat beute angefangen und wird die ganze Woche hindurch in den ge— wöhnlichen Kassenstunden fortgesetzt.

Friedrich ⸗Wilhelmstädtisches Theater.

. Noch immer erfreut die Puppen feen allabendlich ein gut ge⸗ fülltes Haus mit ihrem reizenden Sxielbazar, und wenn ibre Herr⸗ schaft auch nur stets kaum eine Stunde währt, so genügt doch diere kurze Zeit, um die Zuschauer auf das Angenebmste zu unterhalten. Für einen ganzen Abend reichen eben ibre Künste nicht aus, und so siebt sich die Direktien genötigt, ihr immer noch ein Be— gleitstũck zu geben. Nachkem Das Pensionat? und Die leichte Karallerle. einige Zeit lang dieser Aufgabe genũgt baben, ist am Sonnabend wieder eine Abwechslung ein⸗ getreten, indem nämlich die Offenbach iche Orerette Die Schwazer in von Saragossan auf das Repertoire gesetzt worden ist. Schon vor einigen Jahren hatte man sie für kurze Zeit aufs Neue zum Leben erweckt, und auch diesmal ist ja ibre Herrschaft nur für wenige Wochen berechnet. Zierlich in der Musik und immerbin unterhaltend in der Handlung, ist, die . Schwätzerin eine der, anmutbigsten Schöpfungen Offenbach's. die von vielen seiner Anhänger manchen seiner ausgelasseneren Werke vorzezogen wird. Fil Dffe ney als Roland und Frl. Stubel als Beatrix barten treff. liche Gelegenheit, ihr oft bewiefenes Talent zu verwerthen und ließen es auch nicht an sich fehlen. Hr. Steinberger, der sich nach besten Kräften bemübt, Hrn. Well bof zu ersetzen, sowie Hr. Broda waren gleichfalls auf dem Posten. und so wirkte denn Dis „Sckwätzerin“, wenn auch nicht wie eine Novität, so immerhin doch recht gefällig. Die Ausftattung, welche man diefer Dyerette gegeben batte, entsprach dem guten Geschmack, der an diefer Bühne heimisch ist, und die Direktion konnte von den den Darftellern gesvendeten Beifallsbezeugungen einen guten Theil für sich in Anfpruch nebmen.

Residenz Theater.

Ein älteres Schauspiel von Victorien Sardon Ferrsol“, welches schon vor einer längeren Reibe von Jahren auch hier gegeben wurde, ging am Sonnabend über die Bretter dieser Bäbne, welche es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Pariser Sittenbilder den Berlinern mundgerecht zu machen. Auch „Ferrsol“ bezeichnet sich als Pariser Sittenbild, ohne jedoch ein solches in dem gewöhnlichen Sinne des Worts zu sein. Es spielt sich ab auf dem Hintergründe eines Mordprozeffes gegen einen Unschuldigen, welchen Ferrsol von Merran wärde retten können, wenn er dadurch nicht in die Lage gebracht würde, unerlaubte, wie uns indessen später versichert wird, rein gebliebene Beziehungen zu der Frau des Gerichts ⸗Präsidenten aufzudecken: die Hoffnung der Frei⸗ sprechung wie die Pflicht, die Ehre der Dame zu wahren, halten ikn von der rechtzeitigen und freiwilligen Ablezung eines Zeugniffes ab und bewirken die Verurtheilung des Unschuldigen. Mit Meisterfchaft kat Sardou die Seelengualen gemalt welche Ferrsol und die Marqufse Gilberte foltern; mit Spannung und Auftegunz verfolgt man die Ent⸗ wickelung des inneren Kampfes, welcher sich um Ehre und Pflicht dreht, bis das Unterlassen dessen, was in diesem Falle allein geboten wäre, Ferrsol schließlich zwingt, um die Ebre der Dame zu retten, sich selbst des Verbrechens zu bezichtigen. In pfychologisch richtiger Weise verräth sich dann der Verbrecher, den der Zuschauer fchon langst als solchen erkannt hat, selbst, und schließlich kommt doch durch eine Unvorsictigkeit der Marquise das Motiv des Schweigens, der unerlaubte Besuch Ferreol's bei ibr, ans Tages licht: sie erlangt Verzeihung, während der Mörder sich der Strafe des irdischen Richters durch Selbstinord entziebt. Die dramatische Entwickelung liegt weniger in ãußeren Handlungen als in dea Gewissensqualen, welche der Verlauf des binter der Scene vor sich gehenden Prozesses in den Hauxtpersonen des Stückes hervorruft; sie ist interessant und fesselnd, fie ist mensch⸗ lich richtig gedacht und wirkungsvoll. Die Auflösung läßt aber etwas unbeftiedigt; den Verbrecher noch zum Schluß eine edle Handlung begeben ju lassen, indem er, dem die Benebungen Ferräol's bekannt sind, keinen Verrath übt, ist überflüssig und wohl nur einem nenen dramatischen Effekt zu Liebe erdacht, und die Unxorsichtigkeit der Marquise, welche durch ein schnell gesprochenes Wort Alles aufdeckt, mag zwar natürlich sein, aber sie wirkt um so abschwächender, als man Tas offene und ebrliche Geständniß nach all dem Unheil, welches durch das Schweigespstem bervorgerufen, hätte erwarten müssen: ez würde dies nicht nur von besserer dramatischer, sondern auch von versõhnenderer Wirkung gewesen sein.

Immerhin verdient das Stück die Aufmerksamkeit und die Be—⸗ achtung, die ihm am Sonnabend zu Theil wurde. In den Panpt— rollen waren die hervorragenden Kräfte der Bähne mit Erfolg thätig:; Hr. Brandt (Ferrsol). Frl. Bertens (Marquife; und Direktor Lautenburg, welcher den Verbrecher Darftellte, entledigten sich ihrer dankbaren Aufgabe in künftlerisch Per⸗ vorragender wie schauspielerisch wirkungsvoller Weife. Hr. Reicher (Gerichts ⸗Präsident) und Hr. Jarno (Staatsanwalt) ver⸗ dienten nicht minder Anerkennung. Hr. Pansa gab die Karikatur eines Geschworenen etwas drastisch, aber wohl den Intentionen des Dichters entsprechend. Die anderen Nebenrollen, welche der Dichter geschaffen, um den Eindruck eines sensationellen Prozesses auf die Besellschaft zu charakterisixen, waren meist in guten Handen: es fei bier namentlich des Frl. Selken anerkennend gedacht. Die Aus stattung und das Arrangement waren würdig, das Zusammenspiel, wie stets an dieser Bühne, lobenswerth.

Selle ⸗Allian ce / Theater.

Das morgen beginnende Ensemble⸗Gastspiel des Wall ner⸗Theaters wird das Publikum mit einigen neuengagirten Künstlern bekannt machen. Ss treten in Madame Bonidard“ Frl. Nina Sandow (Diane), der russische Hofschauspieler Leopold Deutch (Bourzaneuf), Dr. Adelf Filippi. (Corbalon)., und in „Guten Morgen, Herr . SR. Mathias Claudius (Amandus) jum erften Male auf.

r. Arna Schramm bat, troß der anstrengenden Rolle der Mom. Borirard, auch die Aurora Hippe in dem einaktigen Vaudeville übernommen.

Mannigfaltiges.

Zbre Majestät die Kaiserin hat, der N. A. 3g; zu folge, das Protektorat über den Kapellenbau in TVucken« walde übernommen.

Der älteste Theil des Königlichen Schlosses, welcher, an der Spree gelegen, vom Kurfürsten Friedrich II. um das Jahr 1456 erbaut wurde, wird jetzt, der N. A. Ztg.‘ zufolge, ebenfalls einer Erneuerung unterzogen. Da in letzter Zeit sebr viel wichtige, unaufschiebbare Arbeiten, wie die Einführung der elektrischen Beleuchtung und der Bau des nach der Kaiser. Wil helm -Bräcke gelegenen unterirdischen Maschinenhauses, vorlagen, so mußte mit Ruck⸗ sicht auf das Budget für die Abputzarbeiten ein etwas langsameres Tempo angeschlagen werden. So malerisch sich die altersgrauen, ver= witterten Flächen am Wasser auch ausnahmen, konnte man doch im Interesse der Erbaltung des Mauerwerks dasselbe nickt länger in bisherigem Zustand belassen. Nach der Spree ju hat man ein Hänge⸗ gerüst angebracht und mit dem Abputz der Faffade des dortigen Schloßtheils bereits begonnen. Dieser wird später einen dem Ganzen angepaßten dunklen Kalkanstrich erhalten.

Der Bildhauer Joseph Kaffsack und der Maler Paul Weimar, die Opfer der unglücklichen Wannsee ⸗Katastrophe, sind

geftern Nachmittag auf dem Jerusalemer Kirchbof in der Bergmann · straße in eine gemeinsame Gruft gebettet worden. Die Künstlerschaft

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