1890 / 230 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 24 Sep 1890 18:00:01 GMT) scan diff

26 d . ee , e K . 68 2 . .

6

ö.

Pferden und Mauleseln mit Leichtigkeit zu tragen. Für die Verwen⸗ dung dieses Geschützes als Gebirgsgeschüz sind Geschässe von 700 g bestimmt, für seine Verwendung als Landunakgeschütz Lje Munition der Hotchkißkanonen. Auf eine 1000 m entfernte Scheibe wurden zuerst einzelne Schüsse aus dem sehr zierlich und elegant qus sebenden Geschütz abgefeuert, die recht gute Treffergebnisse hatten. Sodann wurden in 1 Minute 20 Sekunden 10 Schuß abgefeuert, die ebenfalls ein befriedigendes Trefferbild ergaben. 1

III. Versuck mit einer 47 em ⸗Schnellfeuerkanone L 30 in Feld- laffete Dieses Geschütz wurde als leichtes Kavalleriegeschũtz bezeichnet, für welches 4 Pferde völlig genügen, da es dem einzelnen Pferde nur eine Zuglast von 200 kg zumuthet. Der Obertheil des Geschützes ist drehbar; es wird stets gebremst abgefeuert. Eine stehende Schützen · linie wurde auf 1200 m aug diesem Geschütz mit Wandgranaten be⸗ schoffen, wobei wiederum gute Treffer erzielt wurden. Der Rücklauf bei diesem Geschütz ist so gering, daß er bei 20 Schuß insgesammt nur 5.3 m betrug. .

L. Versuch mit einer 5, em- Schnellfeuerkanone L 39 in Feld⸗ laffete. Bei diesem Versuch fand die Nabenbremse, die hier einen abschließenden Filzring und statt des Excenters eine Keilvorrichtung zeigte, nochmals eine genaue ö. durch ihren Constructeur Röstel. Geschossen wurde mit scharfen Ringgrangten und. Shrapnels gegen eine stehende Schützenlinie auf 1500 m. Die Schießergebnisse waren namentlich bei den Shrapnels, deren lichte Rauchbälle sich scharf vom blauen Himmel abhoben, zufriedenstellend.

V. Versuche mit einer 5, em-Schnellfeuerkanone L 30 in Feld⸗ laffete. Es wurde auf Schützen hinter einer Gartenmauer auf 1860 m Entfernung mit scharfen Wandgranaten geschossen. Die Treffergeb nisse waren gut. Sodann wurde aus demselben Geschütz mit Kar—⸗ tätschen gegen drei hintereinander stehende Kavalleriescheiben gefeuert. In 51 Sekunden wurden fünf Schuß abgegeben; jeder enthielt 56 Kugeln. Bei der Besichtigung der Scheiben zeigten sich dieselben recht stark durchlöchert.

ö VI. Serge, mit einer älteren 8s2em-Bronzekanone L'26 in Feld- laffete. Diese Geschütze sind aus Manganbronze, haben aber eine Stahlseele, damit die bei Bronzegeschützen nach wenigen hundert Schüssen unvermeidliche Wegreißung, der inneren Geschützwand durch die herausdrängenden Geschoffe vermieden wird. Vas Geschoß wiegt 7 kg. Der Verschluß ist ein dem Frusonwerk watentirter, nach außen völlig abgeschlossener und gedeckter Bangererschluß, während die übrigen vorher und nachher probirten Geschütze sämmtlich den einfachen Keilverschluß hatten. Aus dem Geschütz sind schon etwa 6009 Schuß abgefeuert, ohne daß sich irgend eine Veränderung gezeigt hätte. Geschossen wurde mit scharfen Granaten und Shrapnels auf 2350 m Entfernung gegen Artillerie.

VII. Versuch mit einer 7,5 em-Schnellfeuerkanone L 30 in Feldlaffete. Gefeuert wurde mit denselben Geschossen und gegen dasselbe Ziel wie beim vorhergehenden Versuch, Das Geschoßgewicht von ? kg ist bisher bei einem so leichten Geschütz ungebräuchlich ge⸗ wesen. Die Nabenbremse war hier eine selbstthätige, die ihre Wirkung mit der Entzündung des Schusses beginnt und mit dem Herauseilen des Geschosses aus dem Rohr und dem Beginn und

Fortschreiten des Rückstoßes von selbst stetig steigert.

VIII. Versuch mit einer 19 em-Schnellfeuerbaubitze L 13 in Feldlaffete. Gefeuert wurde auf 3000 m Entfernung mit scharfen Ringgranaten und Shrapnels gegen eine Feldschanze. Diese Haubitze zeichnet sich dadurch aus. daß in Folge der Anbringung der Schild⸗ zapfen am hinteren Theil des Rohrs auch, bei der größten Elevation das Laden des Rohrs mit einer Metallpatrone ermöglicht ist, daß der ganze Druck des Rückstoßes auf den breitkonstruirten Laffetenschwanz wirkt, daß die Richt- maschine elastisch gelagert ist, daß das Gewicht des schweren Keil⸗ verschlusses abbalanzirt und somit eine spielend, leichte Handhabung des Verschlusses ermöglicht ist u. s. w. Die Visireinrichtung ist eine sehr sinnreiche; sie erregte, wie das ganze Geschütz überhaupt, das lebhafteste Interesse der anwesenden Artilleristen.

Nach Schluß der Schießversuche wurde von den meisten Theil nehmern eine Besichtigung der Ziele zu Wagen vorgenommen, welche befriedigende Resultate ergab.

Wilhelms ha ven, 24. September. Von Sr. Königlichen Hoheit dem Prinzen Heinrich wurde, wie „W. T. B.“ meldet, heute früh 8 Uhr mit einem Hoch auf Se. Najestät den Kgiser die Kreuzer⸗Korvette „Jrene* außer Dienst ge⸗ . Prinz Heinrich reiste um 9 Uhr 35 Minuten nach Kiel zurück.

Bahern.

München, 23. September. Am 30. d, als am Aller⸗ höchsten Namensfeste Sr. Majestät des Königs, werden in den Hofkirchen zu St. Michael und zu St. Cajetan, sowie in allen katholischen Stadtpfarrkirchen und in der protestantischen Matthäuskirche Festgottesdienste abgehalten. Auch in der altkatholischen Kirche und in der Synagoge finden Festgottesdienste statt. Die Königlichen und städtischen Gebäude werden beflaggt, sonst wird der Tag in aller Stille begangen. Herzog Franz von Teck nebst Gemahlin, geb. . Mary von Großbritannien und Irland, ist vorgestern hier eingetroffen.

Die Verheerungen des Hochwassers in der Um—⸗ gebung des Bodensees dürften, wie man der „Allg. Ztg.“ aus Lindau schreibt, die Veranlassung bilden, daß nunmehr die Frage des Rhein-Durchstichs und der Bodensee⸗ Tieferlegung endlich ihrer Lösung entgegengeführt wird. Das genannte Blatt sagt:

Das längst angeregte Werk der gemeinsamen Regulirung des Stromlaufes des Rheins hat jetzt gegruͤndete Ausficht, durchgeführt zu werden, und hoffentlich werden nicht neue Enttäuschungen kommen. In Verbindung mit dem Durchstich wird auch die Regulirung der Abfluß verhältnisse des Bodensees erfolgen müssen. Es muß dahin kommen, daß bei Hochwasser das Niveau des Sees nicht mehr so hoch steigen und die Wasserfläche sich nicht wieder so weit ausdehnen kann, wie es z. B. heuer der Fall war. Eine Regulirung des Rheins, wie sie vorgesehen ist, führt in Zukunft dem Bodensee eine viel größere Wassermenge in rascherem Zuflusse zu. Den etwaigen Folgen muß also vorgebeugt werden. Die Errichtung von Schleusen an den Stauvorrichtungen in Schaffhausen dürfte zunächst in Frage kommen, aber auch eine Er—⸗ weiterung der Stiegener Enge bei Stein wird sich als nothwendig herausstellen. Im Thurgau und im Badischen nimmt man die Sache kräftig in die 86. und Schaffhausen wird sschwerlich seinen Wider⸗ stand auf die Dauer behaupten können.“ r

Oldenburg.

(H.) Oldenburg, 23. September. Die Landes⸗ Synode des Fürstenthums Birkenfeld, welche kirchen— verfassungsmäßig alle fünf Jahre zusammentritt, ist auf gestern zu einer kurzen Session nach Birkenfeld einberufen worden. Die Synode, bei welcher der Regierungs⸗-Präsident Barnstedt als Landesherrlicher Kommissar fungirt, wirb sich mit der Feststellung des Voranschlages der Landes⸗-Kirchenkasse für die nächsten fuͤnf Jahre, mit der Berathung eines Gesetzentwurfs, betreffend die Einrichtung einer Prediger Wittwen⸗ und Waisen⸗ kasse, mit einer Vorlage des Konsistoriums, betreffend Ein⸗ führung einer neuen biblischen Geschichte und des kleinen Luther'schen Katechismus, sowie mit mehreren anderen Propo⸗ nenden beschäftigen.

Oesterreich⸗ Ungarn.

Wien, 24 September. Se. Majestät der Kaiser Wil⸗ helm trifft, wie die Pol. Corr.“ vernimmt, am 1. Oftober d. J. um 9 Uhr Vormittags auf dem Nordbahnhofe in Wien ein und wird dortselbst von Sr. Majestät dem Kaiser und König Franz Joseph und Ihren Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten den Erzherzogen, dann von dem kemmandirenden. General, dem Statthalter, dem Polizei⸗ Präsidenten und dem Bürgermeister von Wien feierlich empfangen. Vom Bahnhofe fahren Ihre Majestäten über die Praterstraße, Aspern⸗Brücke, Ringstraße, durch das äußere Burgthor in die Hofburg und gegen Mittag nach Schönbrunn, wo um 11 Uhr ein Dejeuner dinatoire staftfindet. Um 3 Uhr Nachmittags erfolgt die Abfahrt der Allerhöchsten Herrschaften zu den Jagden nach Steiermark. . .

Nachdem der Minister⸗Präsident den Bürgermeister Dr. Prix amtlich von der Ankunft des Deutschen Kaisers benachrichtigt hatte, hat dieser einen in äußerst warmen Worten gehaltenen Aufruf erlassen, in welchem er die w unter Hinweis auf das Freundschafts- und Friedensbündni beider Staaten auffordert, die Straßen, durch welche der Allerhöchste Gast in Wien einziehen wird, festlich zu schmücken.

Betreffs dieser Ausschmückung theilt die „Wien. Ztg.“ mit, daß mit den Arbeiten bereits begonnen wurde und die Aufstellung der Flaggenmasten in der Prater und Maria⸗ hilfer-Straße und der Triumphbogen auf der Ringstraße in Angriff genommen ist. Mit Rückficht auf die Länge und Breite der zu dekorirenden Straßen werden auch die Dekorations⸗Objekte in den entsprechenden Dimen⸗ sionen hergestellt; so sind die Flaggenmaste mit dem Aufsatze in der Praterstraße 18 m hoch, die dazu gehörigen Fahnen erhalten eine Fläche von 20 qm. In der Praker⸗ straße ist eine Verbindung der einzelnen Masten nach der Längs⸗ richtung der Straße mit reich behängten Wimpelschnüren in Aussicht genommen. Von der Zollamts-Brücke bis zum Schwarzenbergplatze ist die Aufstellung von 13 über die ganze Breite der Ringstraße reichenden Querdekorationen, bei der Zollamts⸗Brücke selbst ein reichgeschmückter Triumphbogen ge⸗ plant. Die übrigen Ringstraßen⸗Strecken, ferner die Baben⸗ berger und Mariahilfer-Straße erhalten ihre Schmückung durch Masten mit Fahnen. Bei der Mariahilfer-Linie gelangt eine Triumphpforte, ähnlich der bei der Zollamts-Brücke, zur Aufstellung.

Großbritannien und Irland.

London, 24. September. Der nationalistische Ab⸗ geordnete Patrick O'Brien ist, wie man dem W. T. B.“ aus Cardiff meldet, gestern unter der gleichen Anklage wie Willigm O'Brien verhaftet worden.

Von der Expedition der britisch-ostafrika— nischen Gesellschaft sind im „Reuterschen Bureau aus der Kapstadt folgende, vom 22. d. datirte weitere Nachrichten eingegangen: .

Bie Expedition ist am Flusse Umfoli angekommen und erwartet, den 40 Meilen davon gelegenen Berg Hampden in 5 Tagen zu er⸗ reichen. Ueberall herrschte Ruhe und der Handel war lebhaft. Die Missionare und Kaufleute kehrten nach dem Lande zurück. Die von der Expedition bereiste Gegend ist merkwürdig fruchtbar und wohlbewässert. Die Gngeborenen behaupten, daß das Fieber unbekannt sei. Der den Pionieren in der volcreichen Region von den Mashonas und Makalagkas bereitete Empfang war ein ausgezeichneter, und allgemein wird die Ansicht gehegt, daß das Land rasch in eine gedeihliche Ackerbau treibende Kolonie verwandelt werden könnte, wenn nicht Einfälle der Matabeles befürchtet würden, was stets eine Gefahr sein müßte, solange das Militärfystem der Matabeles andauert. Den neuesten Nachrichten zufolge herrschte einige Agitation unter den Eingeborenen infolge der Rückkebr des Abgefandten der Matabeles, der in Capstadt den Gouverneur besuchte, nach dem Königskraal in Umshete.

Frankreich.

Paris, 24. September. Ihre Kaiserliche und Königliche Hoheit die Großherzogin von Mecklenburg-Schwerin ist von Cannes nach Genua und Neapel abgereisf. In letzterer Stadt wird, wie „W. T. B.“ meldet, demnächst auch Se. 4 Hoheit der Großherzog auf der Jacht „Conqueror“ eintreffen.

Der Kriegt⸗-Minister de Freycinet begiebt sich nach einem morgen stattfindenden Ministerrath . Inspektion nach den Departements Alpes Maritimes, Basses⸗Alpes und Hautes⸗Alpes. ö

Wie die gestrigen Abendblätter melden, ist die Eröff— nung der Deputirten kammer auf den 20. Oktober festgesetz. Die Regierung wird Hülfskredite für die Ueberschwemmten des Südens verlangen. Den heutigen Morgenblättern zufolge werden den Kammern auch Gesetz— entwürfe betreffs des Baues einer Stadtbahn und betreffs der Festsetzung der Dauer des Arbeits⸗ tages vorgelegt werden.

Der Munizipalrath von Marseille faßte eine Resolution gegen das vom Parlament inaugurirte prote k⸗ tionistische Regime.

Der nn ne n ,, nahm 11 Resolu⸗ tionen an, deren hauptsächlichste folgende sind: Die Anti⸗ sklavereisache wird in na tio nale Comitèés eingetheilt, deren Organisation und Thätigkeit unabhängig von einander sind. Der Kongreß zählt vor Allem auf friedliche Mittel, hauptsächlich auf die moralische Thätigkeit der Mis⸗ sionare. Die nationalen Comités werden sich bemühen, die private Hingebung und freiwillige ülfe⸗ leistung unter den bei der Konferenz in Brüffel be— kannt gegebenen Bedingungen wachzurufen. Der Kongreß drückt den vom Papste gebilligten Wunsch einer jährlichen Kollekte für das Werk der Antisklaverei aus. Der Kongreß macht die mohamedanischen Mächte auf die Ge⸗ fahren aufmerksam, welche durch die Ausbreitung gewisser mohamedanischer Sekten für die Civilisation und die Freiheit der Schwarzen entstehen, und spricht den Wunsch aus, von den nach Afrika entsandten Missiondren keine Zölle zu erheben. Kardinal Lavigerie dankte schließlich den wl her Mit⸗ gliedern für ihr Erscheinen und ebenso der englischen Regierung. Hierauf wurde der Kongreß geschlossen.

Rußland und Polen.

St. ,, 22. September. Zur Ausländer⸗ frage erfahren die „Russt. Wed.“, daß das Mini terium des Innern dem Reichsrath eine Vorlage unterbreitet hat betreffs! solcher Ausländer, die aus Rußland aus ewiesen, jedoch von der präsumtiven vaterländischen tegierung nicht aufgenommen werden. In dem Projekt wird beantragt, solche Ausländer, wenn sie die Grenzen Rußlands nicht freiwillig verlassen, auf administrativem

Wege in den Gouvernements Tomsk und Tobolsk anzusiedeln. Dasselbe würde ferner auch Ausländern wid ren, die mittelst richterlichen Urtheils unter Polizeiaufsicht gestelt worden sind. Wenn ausgewiesene Ausländer ohne Erlaubniß nach Rußland wieder zurückkehren, sollen sie zu einer Ge⸗ fängnißstrafe von 1—-3 Monaten verurtheilt werben können.

Italien.

Rom, 23. September. Dem „Esercito Italiano“ zufolge verhandelte der gestrige Ministerrath über in allen Ministerien, auch dem Kriege⸗Ministerium, durchzuführende Ersparungen. Der Kriegs-Minister soll beabfichtigen, alles Mögliche zu thun, um die Militärausgaben herab⸗ zumindern, ohne die Solidität der Armeeorganisation zu ver⸗ ringern; die hierauf bezüglichen Studien habe er bereits in Angriff genommen.

Ueber den Anlaß zur Entlassung des Finanz⸗Ministers Seismit⸗Doda wird der „Nat. Jig.“ geschrieben, daß er wiederholt über den Kopf, des Minister⸗Präsidenten und des Ministerraths hinweg Gesetz vorschläge eingebracht habe. Als nun der. Minister⸗Präfident Crispi einen Bericht über ein Banket in Udine, auf welchem irredentistische Demonstrationen verübt wurden, ohne daß der anwesende Finanz-Minister dagegen Einspruch erhob, elesen, forderte er ihn auf, seine Entlassung zu nehmen. Als Seismit⸗Doda eine Verzögerung der, Angelegenheit bis zum nächsten Ministerrath verlangte, erklärte Crispi, daß dies keine in einem Ministerrath zu ver⸗= handelnde Sache sei, vielmehr der König allein das Recht habe, Minister zu ernennen und zu entlassen. Der König erklärte sich mit der Haltung Crispi s und mit der Entlassung Seismit⸗Doda s einverstanden. Die Mailänder Lombardie“ veröffentlicht den Wortlaut des vom Minister⸗Präsidenten an Seismit⸗Doda k Schreibens, dessen Authenticität das genannte

latt verbürgt. Danach lautete das Schriftstück: „Ehren— werther Deputirter Seismit⸗Doda! Ich benachrichtige Sie, daß Se. Majestät der König ein Dekret gezeichnet hat, kraft dessen Sie nicht mehr Minister der Finanzen sind. Se. Majestät der König hat gleichzeitig das Dekret gezeichnet, welches den Schatz-Minister mit dem Interim der Finanzen betraut. Gez. Der Minister⸗Präsident: Crispi.“ Ein Correspondent der „N. Fr. Presse“ fügt hinzu: Crispi habe dem König die Entlassung Seismit-Doda's auf Grund der Achtung vor den Verpflichtungen empfohlen, welche Italien seinen Verbündeten gegenüber freiwillig übernommen habe, und der Minister⸗Präsident hätte hinzugesetzt, die Erfüllung eingegangener Verpflichtungen habe immer den Stolzund Ruhm des savoyischen Herrscherhauses gebildet. So sei Seismit⸗Doda für seine Duldung irredentistischer Demonstrationen, welche die Los⸗ reißung Triests und Trients von Oesterreich bezwecken, „exemplarisch bestraft“ worden. Der einfache Rücktritt des Schuldigen habe Crispi keine ausreichende Genugthuung für Oesterreich geschienen. Es ist so schreibt man ber

„Allg. Ztg.“ begreiflich, daß die Wiener Blätter mit hoher ,, diesen Akt der Energie und Loyalität des italienischen Minister⸗Präsidenten feiern und darin einen neuen Beweis seiner ehrlichen Bundestreue sehen.

Das Banket zu Ehren Crispi's in Florenz ist, einem „Wolff'schen Telegramm!“ zufolge, wegen der gleichzeitigen Eröffnung der Architeéktur⸗Ausstellung in Turin auf den 6. Oktober ver schoben worden, um den piemontesischen Sena⸗ toren und Deputirten die Theilnahme zu ermöglichen. Wie der „Nat-⸗-Ztg.« geschrieben wird, gedenkt der Minister⸗Präsident bei diesem Banket eine Rede zu halten, welche sich hauptsächlich mit dem Dreib unde beschaäftigen werde. Crispi werde die großen Vortheile darlegen, die für Italien aus seiner Theil⸗ nahme am Dreibund erwachsen, und die großen Gefahren“ be⸗ leuchten, denen es im Fall einer Trennung von den Eentral⸗ mächten sich aussetzen würde.

Dem „Journal des Dehats“ wird aus Rom telegraphirt: Die römischen Sozialisten wollen eine Vertretung zu dem großen deutschen Sozialist en kongreß in Halte schicken. Die Delegirten sollen im Laufe dieser Woche er⸗ nannt werden. Anvererseits will Ca vallotti, bekanntlich eines der einflußreichsten und geschäftigsten Mitglieder der äußersten Linken, sich demnächst nach Paris begeben, um sich da umzusehen und danach die Haltung zu bestimmen, welche die italienische Demokratie Frankreich gegenüber einnehmen soll.

Portugal.

Lissabon, 22. September. Nach amtlichen Mel⸗ dungen über die Wahlkrawalle in Goa portugiesisch Indien), über die in Nr. 228 des „R. u. St. A.“ kurz be— richtet wurde, bewaffneten sich die Parteigänger des Führers der Volkspartei, Senhor Loyola, in bern fee Zustande mit Gewehren und Dolchen, griffen das Rathhaus an und ver⸗ wehrten dem Präsidenten und dem Administrator den Zutritt Behufs Behelligung der Wahlen. Die Truppen wurden ge⸗ zwungen, auf das Volk zu feuern, wodurch 11 Personen getödtet und mehrere verwundet wurden. Nach Verhaftung einiger Rädelsführer wurde die Ordnung wiederhergestellt. Andere Wahlkrawalle ereigneten sich in Margaum gelegent⸗ lich der Wahl von 2 und waren daher rein örtlicher Natur. Der Pöbel schleuderte Dynamitbomben auf die Soldaten, welche in Folge dessen zum Angriff schritten. , Kampfes wurden 8 Bürger getödtet und mehrere verwunde

Schweiz. 24. September. Der Nationalrath hat

Bern, gestern, dem „W. T. B.“ zufolge, bea, , beschlossen, in ti

die Bundesverfassung eine neue Be ,, auf⸗ zunehmen, wonach zu dem Verlangen einer VolÜksabstim⸗ mung über Revi sion eines bestimmten Artikels der Bundes⸗ verfassung oder Aufnahme eines neuen Artikels in dieselbe 1 ir r nn von 50 000 schweizer Bürgern erforderlich ein soll.

Der König und Prinz Ferdinand von Rumänien haben gestern die Rückreise von der Villa Weinburg nach Ru⸗ mänien angetreten.

Der (gestern telegraphisch kurz erwähnte) vom Bundes⸗ rath bei den eidgenössischen Räthen beantragte Bundes⸗ beschluß, betreffend die bewaffnete ei dgenössische Intervention im Kanton Tefsin, lautet: ;

1) Die vom Bundesrath im Tessin getroffenen Maßnahmen werden genehmigt. 2) Der Bundesrath wird ermächtigt, diefe Maß⸗ nahmen provisorisch aufrecht zu erhalten und, wenn nöthig, den Be⸗ stand der Okkupationstruppen zu vermehren. Er wird eingeladen, seine Anstrengungen fortzufetzen, um den Kanton Tessin baldmõglichst einem verfassungsmãäßigen ustande entgegenzuführen, welcher die nöthigen Garantlen für die AÄufrechterhaltung dis Friedens und der öffentlichen Ordnung bietet. 3 Der Bundezrath ward mit der Aus- führung dieses Beschlusses beauftragt.

Auf Wunsch des Kommissars Künzli werden die In⸗ fanterie⸗Batail lone Nr. 40 und Nr. 42 am 4. Oktober von Bern und Luzern nach Teffin entsendet werden, und

war Bataillon Nr. 40 nach Mendrisio und Bataillon

42 nach Bellinzona. Am Abend des 4. Oktober werden demnach 4 Bataillone Infanterie und 1 Dragoner⸗ Regiment im Tessin stehen. Die Berathung der Tessiner Angelegenheit ist im Nationakrath auf nächsten Freitag angesetzt worden. .

Der Berner „Bund“ hebt hervor, daß sämmtliche an⸗ geseheneren Organe der ita lienischen Presse, vorab die „Opinione“, Tribuna“ und „Riforma“, in längeren Artikeln auf das Bestimmteste die von ultramontanen und anderen Blättern der Schweiz sehr unvorfichtig kolportirte Nachricht über irredentistische Umtriebe beim Tessiner Aufstande dementiren.

Belgien.

Brüssel, 22. September. In den letzten Tagen haben zwischen den Ministern und den einflußreichen Mitgliedern der Kammer eifrige Besprechungen über die Haltung stattgefunden, welche die Regierung und die Kammermehrheit gegenüber der Frage der Verfassungsreyision und des allgemeinen Stimmrechts einnehmen sollen. Der Minister⸗Präsident Beernaert, welcher hierbei von den Ministern Fürst Chimay, Vandenpeerehoom und Lejeune unterstützt wird, hat sich, wie der M. „Allg. Ztg.“ geschrieben wird, sofort für einen entscheidenden Schritt ausgesprochen, nämlich für die Einfüh⸗ rung des allgemeinen Stimmrechts zu Gunsten aller Belgier, welche des Lesens und Schreibens mächtig sind; damit würde man die Allianz zwischen den Sozialisten und Radikalen ver⸗ nichten, denn die Letzteren haben sich den Ersteren hauptsächlich in, der Forderung des allgemeinen Stimmrechts angeschlossen. Die zweite Ansicht, welche von hervorragenden ultramontanen Parteiführern vertreten wird, geht dahin, den verfassungs⸗ mäßigen Census von 42,32 Fr. herabzusetzen, das Censussystem aber beizubehalten. Eine dritte Ansicht will die Aufrecht⸗ haltung des status quo und nicht einmal die Herabsetzung des Census zugestehen. Die meisten klerikalen Provinzblaͤtter ver⸗ treten diesen Standpunkt, welcher auch von zwei liberalen Blättern getheilt wird, nämlich von den Journal de Liege“ und der „Flandre Libérale“ in Gent. Die übrige liberale Presse hat sich bereits für die Verfassungsreviston ausge— sprochen. Morgen soll in Ostende unter Vorsitz des Königs ein Kabinetsrath in der Angelegenheit der Ver— fassungsrevision stattfinden.

Türkei.

Konstantinopel, 21. September. Moussa Bey ist (wie schon telegraphisch berichte nunmehr nach Medina in die Verbannung geschickt worden. Sein Beschützer Bahry Pa scha wurde, nach einer telegraphischen Meldung der „Times“, seines Postens als Gouverneur von Scutari ent— hoben und soll als Unter⸗Gouverneur nach einer noch nicht näher bezeichneten Ortschaft in der europäischen Türkei gesandt werden. Der armenische Patriarch hat wiederum demissionirt und die Situation ist verwickelt. Die Armenier sind entschlossen, Abhülfe zu ver— langen. Die Kommission zur Prüfung der Beschwerden der griechischen und armenischen Gemeinden ist aufgelöst worden. Es soll eine andere Kommission ernannt werden, zusammen⸗

esetzt aus weniger lauen Elementen oder solchen Per— err hteh ee welche moralischen Muth besitzen, praktische Maßregeln zur Beseitigung der wachsenden Unzufriedenheit loyaler Unterthanen des Reichs in Vorschlag zu bringen.

Bulgarien.

Sofia, 23. September. Der Prinz Ferdinand von Coburg ist mit der Herzogin Maximilian in Bayern in Varna eingetroffen und von der Bevölkerung sympathisch begrüßt worden.

Amerika.

Vereinigte Staaten. Washington, 23. September Die Tarifkonferenz erledigte, dem W. T. B.“ zufolge, heute die Paragraphen über die Verzollung von Metallartikeln. Die Zollsätze, welche einen Kompromiß zwischen dem Senat und dem Repräsentantenhause bilden, stellen sich für Stahl⸗ schienen auf 137 /i Cents per Tonne, für Stahlplatten auf 5/1, Es / eg resp. fi Cents per Pfund, je nach ihrem Werth.

In seinem Bericht über die kürzlich von der Marine— Akademie in Annapolis angestellten Versuche mit Panzerplatten sagt der Marine⸗Minister, daß die Versuche namentlich den Zweck gehabt hätten, sestzustellen, ob ganz aus Stahl gefertigte ö in den Vereinigten Staaten produzirt werden sollten. Die englische sog. Com⸗ pound⸗Platte hat sich nach dem Bericht nicht bewährt; der vierte Schuß ging hindurch. In der Platte zeigten fich Sprünge, Stücke im Gewicht von 300 Pfund Stahl schälten fich von der Oberfläche ab und flogen wie Hagel umher. Den Vorzug hatte die französische ganz aus Stahl hergestellte Platte. Sie bekam keine Sprünge; zwei Geschosse sprangen von ihr ab, ohne sie erheblich beschädigt zu haben und ein Projektil zerschellte an ihr. Das allerbeste Ergebniß aber zeigte die neue fran 7 Nickelstahlplatte. Sie zerschellte drei von vier Geschosffen, erhielt keine Sprünge und bewies eine außerordentliche Zähigkeit. Dennoch enthält die Platte nur 31 / Proz. Nickel. Der Marine⸗Minister hält diese Platte für allen Stahlplatten über legen. Jetzt hat sie nur noch die Probe gegen die 8zöllige Kanone auszuhalten.

Afrika.

Aus Sansibar vom 23. September berichtet ein Wolff 'sches Telegramm: „Der deutsche Reichsangehörige Küntzel, der mit Ss Deutschen kürzlich in Lamu gelandet war, gerieth am 15. d. M. in der Stadt Witu mit Ein⸗ wohnern in Streit; hierbei wurden Küntzel und 7 seiner Gefährten getödtet, einer derselden entkam. Untersuchung ist angeordnet.“

Wie der „Hamb. Corr.“ mittheilt, hatte sich Hr. Küntzel nach Witu begehen, um auf den von ihm angekauften Län⸗ dereien industrielle Anlagen, wie Sägemühlen zu errichten. Hr. Küntzel war außer von dem Arzt D'. Haeseler von einem Ingenieur, einem Mechaniker, einem Tischler und einem Bäcker begleitet, später sind noch der Somali⸗Dolmetsch

amah ben Jussuf, der in Begleitung Wissmann's vor einigen

ahren auch in Deutschland war, sowie verschiedene Europäer zu der Expedition geftoßen, sodaß diese im Ganzen aus 10 Weißen bestand. Br. Haeseler ist am Leben geblieben.

Parlamentaris che Nachrichten.

N amtlicher Mittheilung ist (wie gestern schon er⸗ wahr Jin 5. Potsdamer Ian fta 67 eri ! ( Stadt 1 der Regierungs- Rath Dr. Kelch, freikons., dessen

andat wegen seiner Beförderung erloschen war, zum Mit⸗ gliede des Hauses der Abgeordneten mit sämmtlichen abgegebenen Stimmen 141 wiedergewählt worden.

Kunst und Wissenschaft.

Der Dichter Dr. Hermann Grieben ist, wie . W. T. B.“ aus Köln meldet, heute früh um 41 Uhr gestorben; er erreichte ein Alter von 68 Jahren. Grieben, welcher lange Jahre hindurch Redacteur der Kölnischen Zeitung“ war, hat sich auf belletristischem Gebiet einen geachteten Namen erworben und namentlich als Drama⸗ tiker und Lyriker die deutsche Literatur mit manchem schãtzenswerthen Werk bereichert. Seine gesammelten Gedichte erschienen in dritter Auflage 1884 unter dem Titel Rheinische Wanderlieder“.

Nach einer Meldung des W. T. B.“ aus Wien ist der Professor der Nationalökonomie Br. Lo renz Ritter von Stein gestern in Weidlingen gestorben. Lorenz von Stein war einer der kervorragendsten Staatsrechtslehrer und Nationalskonomen, welchem Wissenschaft und Politik viele schätzenswerthe Ergebnisse seiner Ferschung verdanken. Er wurde am 18. Nobember 1815 in Eckernförde geboren, studirte in Kiel und Jena Philosophie und Rechtswiffenschaft und habilitirte sich als Privatdozent in Kiel, wo er 1816 Porfeffor wurde. Da er publizistisch das Recht der Herzogtbümer gegen die dänische Regierung verfocht, wurde er 1852 auß dem Staatsdienst ent- lassen. 1855 folgte er einem Ruf als Pofessor der Staatswissenschaften an die Universität Wien, an welcher er bis zu seiner 1885 erfolgten Pensio⸗ nirung wirkte. Von seinen Werken nennen wir: Der Sozialigmus und Kommunismus in Frankreich (Leipzig 1842); Geschichte der fonalen Bewegung in Frankreich von 1789 bis auf unsere Tage (3 Bände 18438— 511 Leipzig; System der Staatswissenschaft (Stuttgart 1852 56); Lehrbuch der Volkswirthschaft (18585; Lehrbuch der k (1360); Die Verwaltungslehre (865); D drei

ragen des Grundbesitzes (1881).

Das Preisgericht der II. Internationalen Aus stellung von Aquarellen, Pastel sen u. f. w in Dresden, welches aus den Hrrn. Hans von Bartels (München), Gregor von Bochmann (Düsseldorf) Gugen Felix (Wien), Ferdinand Pauwels (Dresden) und A. von Werner (Berlin) bestand, haf, wie das . Dresd. Journ.“ meldet, folgende Auszeichnungen zuerkannt: Goldene Medaillen: Eugen. Dücker und Karl Gehrts, Düffeldorf; Silberne Medaillen: Hans Herrmann Berlin; Heinz Heim, Darmstadt; Allessandro Zezzos, Venedig; Ehren⸗ diplome: C. W. Allers, Karlsruhe; Ädolf Artz, Haag; Hermann Baisch, Karlsruhe; Peter Bauer, München; Cesar Bifeo, Rom; Eugen Bracht, Berlin; Emanuele Brugnoli, Venedig; Gustave Courtois, Neuillr Paris; P. A. J. Dagnan⸗Bouveret, Reuisly sur Seine; L. Dettmann, Berlin; Ludwig Bill, München; Her—⸗ mann Freye, Dresden; Max Fritz, Dresden; W. Gaufe, Wlen; Carlos Grethe, Karlsruhe; Th. Herbst, Hamburg; Heinrich Hermanns, Düsseldef; Julius Jacob, Berlin; Olof Jern⸗ berg, Düsseldorf; Eugene Jettel, Paris; P. Kießling, Sres—⸗ den; M. Klinger, Rom; Karl Köpping, Paris; Cefar Laurenti. Venedig; Leon Lhermitte, Paris; Aug. Mandlick, München; Wilh. Maris, Ryswyl (Holland); Hugo Mühlig, Düffeldorf; Her⸗ mann Emil Pohle, Düsseldorf; Rens Reinicke, München; Etfore Rößler⸗Franz, Rom; Silvio G. Rotta, Venedig; Friedrich Stahl, Berlin; Fritz Thaulow, Christianig; Hermann Vogel. Loschwitz; Dubert Vos, London; Cornelia Wagner, Rom; Julius Wengel, Dresden; Eduard Zetsche, Wien. Außer Preisbewerbung waren die Preisrichter Hans von Bartels und Ferdinand Pauwels.

Theater und Musik.

Berliner Theater.

Die Aufführung von „Wallenstein's Tod“ am Freita⸗ bringt außer Ludwig Barnay als Wallenstein, Stockhaufen und Elisabeth Oruby als Max und Thekla noch einige intereffante Neubesetzungen. So wird die Rolle des Grafen Isolani von Hrn. Arndt dargestell werden, während der neu engagirte Hr. Freiberg an Stelle des noch leidenden Arthur Kraußneck den Buttler spielt.

Thom as⸗Theater.

Zu der morgen stattfindenden ersten Aufführung von: ‚Der Raub der Sabinerinnen“, worin Hr. Direktor Thomas zum ersten Male in seinem neuen Theater in der bekannten Rolle des sächsischen Theater⸗ Direktors auftreten wird, sind die Billetbestellungen derart zahlreich eingelaufen, daß die Ausfolgung der vorgemerkten Billets schon von 3 Uhr an, also eine Stunde vor der bishecigen Kaffeneröffnung, er⸗ folgen muß. Gleichzeitig können auch die Bestellungen für die zweite Vorstellung am Freitag behoben werden. ;

Philharmonie.

Nächsten Sonntag. Mittags 12 Uhr, wird Hr. Dr. H. Reimann eine zweite historische Drgel⸗ Matinée im Saale der Philharmonie vor geladenen Zuhörern veranstalten. Das Programm umfaßt in bistorischer Folge Komposit ionen vom IB. bis 19. Jahrhundert. Der Eintritt ist Jedem, der sich für die Geschichte des kirchlichen Orgel- spiels interessirt, gestattet und sind Programme, als Eintrittskarten irn, im Bureau der Philharmonie bis Sonntag Mittag 712 Uhr zu haben.

Mannigfaltiges.

Die Sarkophage des hochseligen Kaisers Wilhelm J. und der hochseligen Kaiserin Augusta, welche nach dem Vorbild der⸗ jenigen des Königs Friedrich Wilhelm III. und der Königin Luise durch Professor E. Encke im Modell kergestellt sind und kürzlich durch Se. Majestät den Kaiser Wilhelm II. in Augenschein genommen wurden, sollen, wie die Neue Preuß. Ztg.“ mittheilt, demnächst in karrarischem Marmor ausgeführt werden. In den auf den Sartkophagen ruhenden Figuren der Ver⸗ ewigten ist dem Wunsche derselben, möglichste Einfachheit walten zu lassen, Rechnung getragen. Kaiser Wilhelm ruht in großer Generalsuniform, die Hände über dem auf ihm ruhenden Reichsschwert gefaltet. Das Haupt neigt sich ein wenig zur Seite, Milde und Ernst leuchten gus dem edlen Antlitz. Die Kaiserin Augusta ist in ein faltiges, ähnlich jenem der Königin Luise arrangirtes Gewand gehüllt. Auf ihrem Antlitz prägt sich jene Sanftmuth und Frömmigkeit aus, welche die edle Frau bei Lebzeiten auszeichneten.

Die Frage der nächtlichen ärztlichen Hülfe leistung, welche neuerdings wieder zur Sprache . worden ist, giebt dem ehemaligen Kabinets Sekretär der Hochseligen Kaiserin Augusta, dem Königlichen Kammerherrn B. von dem Knesebeck den Anlaß zu folgender Zuschrift an die Nat. Stg.“:

Baden ·˖ Baden, den 22. September 1890. In der Nr. b23 der National · Zeitung vom 20. er. wird unter Bezugnahme auf das jähe Unglück, welches die durch den Brand in der Friedrichstraße heimgesuchte i betroffen hat, auf den aus Mangel an genügenden itteln zum Theil noch unvollkommenen JZustand der Berliner Sanitätswachen mit Recht bingewiesen. Da mir die unermũdlichen, aber nur von theilweisem Erfolg gekrönten Bestrebun⸗ gen Ihrer Hochseligen Majestät der Kaiser in Augu sta auf diesem Gebiet bekannt sind, so darf ich vielleicht mir erlauben, die Aufmerksamkeit der geehrten Redaktion auf die Worte zu lenken, welche auf Seite 14 der Anlage über die Beziehungen der boch⸗ seligen Kaiserin zu dem Berliner Sanitätswachen⸗Wesen gesagt sind. Aus der im Alserböchsten Auftrage mit dem Königlichen Polhzel.⸗ Präsidium und dem Vorstand der Vereinigung der Berliner Sanitäͤtg⸗ wachen jahrelang geführten dienstlichen Correspondenz geht außer⸗

dem zur Genüge hervor, wie gerade die in der genannten Ausgabe der National · Zeitung · als wünschenswerth bezeichnete 5. ; stets das Ziel des Strehens der Kaiferin Augusla gewesen ist. Die hohe Fran hat selbst von Jahr zu Jahr mit off ener Hand der Berliner Sanitätswachen gedacht, hierin aber von Seiten des Berliner Publikums nicht diejenige Nachabmung und Unterstũtzung gefunden, welche erwartet werden durfte. Auch durch die auf Ver⸗ anlaffung der Kaiserin Augusta auf der Hygiene ˖ Ausstellung von 18859 mustergültig eingerichtete Sanitätswache follte nicht allein dem lokalen. Bedürfniß genügt, sondern das Publikum von Neuem auf die Wichtigkeit dieser Inftitution und deren Subventionirung hinge⸗ wiesen werden. Vielleicht gelingt, was bisher aus Mangel an ver⸗ ständnißvoller Theil nahme nur unvollkommen erreicht werden konnte, unter dem schmerzlichen Eindruck einer beklagenswerthen Katastrophe, wenn nunmehr zu größeren Spenden für die Zwecke der vereinigten Berliner Sanitätswachen dringend aufgefordert würde. Mit aus⸗ eeichneter Hochachtung B. von dem Knefebeck, Königlicher Kammer⸗ err.

Die von Hrn. v. d. Knesebeck angezogene Stelle befindet sich in der Gedächtnißrede, welche derfelbe am 9. März d. J. auf die Kaiserin Augusta hielt, und lautet:

Die Wiener Freiwillige Rettungsgefellschast war der Kaiserin stets vorschwebend, wenn sie sich mit der Vervollkommnung des Berliner Sanitãtswachen Wesens beschäftigte. Ihrer Unermüd⸗ lichkeit ist es zu danken, daß dasselbe sich aus schwachen Anfängen nunmehr zu einer Vereinsorganisation erweitert hat, die bei größerer Betheiligung der Einwohnerfchaft bald auf die Höhe ihrer Aufgabe gelangen würde. Daß eine Großstadt eines Instituts nicht entbehren kann, welches für die erfte Hülfe bei Unglücksfällen sorgt, sollte keiner Darlegung bedürfen. Indessen hat sich die Ueberjeugung davon nur langsam Bahn gebrochen. Im vorigen Jahre drang die Kaiserin darauf, daß auf der Ausstellung für Unfallverhütung eine Muster⸗Sanitäts. Wache errichtet werde. Dieselbe beschloß ibre sechsmenatliche Thätigkeit mit der Zahl von

S567 Fällen, in denen die erste Hülfe gewährt worden war.“

Das Comits für die Ferien ⸗Kolonien hielt nach Ablauf der Reisesaison eine Sitzung ab. Die Berichte konnten, wie das DOtsch. Tagebl. erfährt, nur Erfreuliches feststellen. Trotzdem über 200 Kinder mehr hinausgesandt wurden, als im vorigen Jahre, kam nur e in schwerer Erkrankungsfall vor. Alle übrigen Kinder —= 1217 in. Voll 11090 in Halb Kolonien konnten ihren Eltern neu ge⸗ kräftigt zurückgegeben werden. Neu befchickt mit Kolonien wurden zehn Orte, unter ihnen 8 Sool resp. Seebäder. 841 Kinder genossen ihren stärkenden Aufenthalt. Ihre Aufnahme war überall liebevoll.

Der mit dem Namen und dem Abzeichen des Rothen Kreuzes vielfach getriebene Mißbrauch bat, wie die Allg. Schweiz. Milit. Ztg. mittheilt, dem Vorstande Veranlaffung gegeben, eine Ergänzung der Genfer Konvention anzubahnen. Er hat des kalb einen Wettbewerb für Vorschläge ausgeschrieben, wie solchen Miß⸗ bräuchen am besten entgegengetreten werden könnte. Es find darauf sieben Arbeiten eingegangen, von denen zwei durch Preife belohnt worden sind und durch den Druck veroffentlicht werden sollen. Beide Preise sind Italienern zuerkannt worden. Den ersten (500 Fres.) Nat der Privatdozent für Völkerrecht an der Universität zu Padua Julius Cäsar Bu zzati, den zweiten (300 Frets.) der Advokat und Professor des Staatsrechts an der rämlschen Hochschule Kon stantin Castori erhalten. Buzzati schlägt vor: Für Friedens zeiten einen Zusatzartikel zum Genfer Abkommen, nach welchem die Vertragsstaaten dem Rothen Kreuze den nämlichen Schutz gewähren würden wie den Fabrik. und Handelsmarken, für Kriegszeiten die Ein⸗ führung von Beglaubigungskarten neben der Armbinde. Castori ge⸗ langt zu einem sehr ähnlichen Ergebnisse: In Kriegszeiten soll dem unbefugten Tragen der weißen Armbinde mit dem Rothen Kreuze durch die Verabfolgung einer Beglaubigungskarte ein Ende gemacht und der ia Mißbrauch streng, der Mißbrauch in verbrecherischer Absicht sehr schwer bestraft werden; für Friedenszeiten soll in die Strafgesetzbücher ein besonderer Abschnitt Vergeben wider das Genfer Abkommen“ mit Strafbestimmungen und in gewissen Fällen mit Ver= öffentlichung des Urtheils eingeführt werden.

Gestern Nachmittag fand die Beerdigung der beiden bei der J im Hause Friedrichstraße 134 verunglückten Dienst⸗ oten statt.

Ueberschwemmungen.

Paris, 22. September. Der „Kön. Ztg.“ schreibt man: Ueber das Un wetter, das gestern die Rhon Gegenden und einige andere Departements heimsuchte, liegen jetzt Einzelhesten vor. Der Wolkenbruch in Marseille richtete furchtbaren Schaden an. Sie Archive der Sternwarte dieser Stadt erwähnen eines ähnlichen Ge— witters, das am 20. September 1822 jzwischen 93 und 12 Uhr Vor- mittags Marseille verheerte. Die Lage in der Umgegend und namentlich der Bewohner der Rbone⸗Ufer ist eine ãußerst gefährliche In Avignon stieg die Rhane beinabe um vier Meter. Alle Staden, die öffentlichen Gärten. nnd mehrere Stadtviertel stehen unter Wasser. Der Gardon ist ebenfalls aus seinen Ufern getreten und führte Vieh und Ackergeräth mit sich. Bei Tar asgon stieg die Rhone in 24 Stunden um sechs Meter. Die Gefahr ist dort äußerst i. In Roquem ure stieg die Rhone von Sonnabend Nachts bis Sonntag Morgens 11 Uhr um 4, 18 m und droht Alles zu überschwemmen. Aus Befsagss meldet man, daß die Caze ebenfalls aus ihren Ufern trat, alle Läden der Stadt über schwemmte und die Brücke von Lolle hinwegriß. Nimes wurde von einem wirklichen Wolkenbruch heimgesucht. In mehreren Stadttheilen stebt das Wasser 50 em boch. Die Ardeche, ein Nebenfluß der Rhone, stieg um 6 m und richtete große Verheerungen an. Stark litt noch Beaucaire, wo gerade die jährliche Meffe (es sst die letzte, die noch in Frankreich bestebt) abgehalten wird. Die Rhone stieg um 5 m und überschwemmte den Platz, wo sich die Messe be⸗ findet, riß die Waaren auf den Landungeplätzen mit sich fort und vernichtete die ganze Weinernte. Der Hörault richtete auch große Verheerungen an. In Vignon setzte er alle Läden und Fabriken unter Wasser; mehrere Häuser stürzten ein, Alles, was sich noch auf dem Felde befand, wurde vernichtet, und eine . Vieh ertrank.

Aus Avignon, 23. September, meldet . W. T. B.“: Die Ueberschwemmungen dauern fort und richten großen Schaden an. Der Ardachefluß erreichte 17 m; mehrere Menschen haben bei den Verheerungen das Leben eingebüßt.

Die Qpfer der jüngsten Ueberschwemmungen am Senegal werden, . W. T. B.“ zufolge, auf 3000 geschätzt. Die Eingeborenen von Kayes und der Umgegend sind aller Lebensmittel entblößt, die Situation am Senegal ist sehr kritisch.

Ueber die im Juli stattgehabten Ueber schwemm ungen in China, von denen nur spärliche Berichte bis letzt nach Europa drangen, erhält die Köln. Ztg.“ folgende theilung: Augenblicklich befinden wir uns auf einer Insel. Zuerst trat der Peiho in Folge heftiger Regengüsse aus seinen Ufern und setzte das französische Stadtviertel unter Wasser. Bald darauf durchbrach der große Kanal, der von Peking nach Nanking fübrt, sein linkes Ufer und überschwemmte die ganze Ebene, die nun einen See darstellt mit einer Tiefe von 3 bis zu 10 Fuß. Soweit das Auge reicht, ist alles bedeckt mit Wasser, und wie weit die Ueberschwemmung geht, ist nicht möglich zu sagen, da jede Verbindung fehlt. Aus Peking kam zehn Tage lang keine Nachricht. Nun hören wir, daß auch dort Alles weit und hreit überschwemmt ist. Die Ernie, die bereits gut stand, ist vernichtet, Tausende sind brot⸗ und obdachlos geworden. Ein jedes trockene Plätzchen leider sind deren nicht viele wird von den Vertriebenen besetzt. Auf dem die europäische Niederlassung und die chinesische Stadt in weitem Bogen umziehenden Erdwalle haben sich etwa 20 009 Flüchtige niedergelassen. offentlich hält der Wall dem Elemente Stand. Ber Eisenbahndamm von Tientsin nach Tongku ist gleichfalls von den Armen besetzt worden. Schlimmer steht es in und