1890 / 238 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 03 Oct 1890 18:00:01 GMT) scan diff

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Bei Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin übernimmi am 4. Oktober den Kammierherrndienst der Cere⸗ monienmeister von Veltheim⸗Schönfließ.

Der herzliche Empfang, welcher Sr. Majestät dem Kaiser . König in Wien an Miltwoch Seitens der Bevölkerung zu Theil ö. wird von der Wiener „Presse in folgender Weise charakterisirt: .

. fag war ein . von seltener Pracht und , welches unsere Stadt beim Cinjuge Sr. Majestät des 1. Kaisers bot, und der Erlauchte Gast unseres geliebten , mag wohl, mit dem Gefühl freudigster Genn gt nnn . unvergleichlich herzlichen Empfang, der ihm bereite . sowie die stürmischen Ovationen, welche ihm . . reich geschmückten via trinmphalis. von Zehn . dargebracht wurden, entgegengenommen haben. Denn . 64 erregten, jubelnden Menschenmassen hat nicht müßige Neug ö. . ; die Lust an großartigen Schaustellungen an den Weg geführt, . Kaiser Wilhelm bei seinem Einzuge in unsere Stazt , sie sind zusammengestiömt, um dem Freunde und Bundesgenossen unseres erlauchten Kaisers eine grandiose Huldigung ,,, 6. mit ihrem Jubel zu bekunden, daß de Bevölkerung ö ö. hauptstadt mit dankbarem Herzen festhält an dem 2 welches die Herrscher Deutschlands und Destertei bz. Ungarn . en und welches feit vielen Jahren den Völkern beider Reiche die 1 nungen des Friedens erhalten hat und, so Gott will, auch in ,, erhalten wird. Der enthusiastische Jubel, welcher die . e⸗ freundeten Monarchen umbrauste, gilt in gleicher WVeise unserem aller · gnädigsten Kaiser, dessen väterliche Fürsorge für das Wohl seiner Ünterthanen und beffen unvergleichliche Pflichterfüllung das Herz jedes Oesterreichers mit dankbarer Bewunderung, erfüllt, wie dem jugendlichen und thatkräftigen Beherrscher Deutschlan ds, der bei dem vorjährigen überaus herzlichen Empfange unseresß Kaisers in Berlin und erst kürzlich bei der Entrevue in Rohnstock seiner bundes. treuen Gesinnung und seiner Verehrung für die Person unseres Monarchen in Worten Ausdruck gegeben hat, die in ganz Oesterreich« Ungarn den freudigsten Wiederhall gefunden haben. Deshalb ist der heutige Tag zu einem Festtage für die Wiener Bevölkerung geworden, deshalb hat sie den Gefühlen der Dankbarkeit und Bewunderung, welche sie empfindet, durch reichlichste Autschmückung der Stadt auch sichtbaren Ausdruck verliehen, und deshalb werden die huldvollen Worte der Anerkennung, welche Kaiser Wilhelen auf dem Nordbahnhofe an den Bürgermeister unserer Stadt gerichtet hat, nicht bloß von uns Wienern, sondern in der ganzen Monarchie mit ehrerbietigem Dank aufgenommen werden.

Aus Mürzsteg meldet ‚W. T. B.“ Am Schluß der gestern abgehaltenen Jagd kamen zur Strecke: 1. Hirsch, J, Thier, 1 Hirschkalb, 10 Gemsböcke, 9 Gemsen, 3 Gemé⸗ litzen. Krankgeschossen und noch nicht aufgefunden sind 9 Gemsen und 1 Hirsch. Bei der am Frühmorgen statt⸗ gehabten Pürsche waren ? jagdbare Hirsche erlegt sowie 3 Hirsche und 1 Gemse krankgeschossen. Die Jagd wurde beeinträchtigt durch einen sehr kalten, orkanartigen Sturm, der sich bereits am Frühmorgen bei der Än⸗ stellung der Schützen auf der Schneealpe erhob und bis zum Schlusse der Jagd fortdauerte. Zeitweilig trat auch Schneegestöber und dichter Nebel ein, der jede Aussicht ver⸗= hinderte. Gegen 3 Uhr Nachmittags kehrten die Allerhöchsten Herrschaften über Frain hierher zurück. Die heutige Jagd wird in Schwarzenbach bei Frain abgehalten. Um 3 Uhr . fuhren der König von Sachsen, der Großherzog von Toskana und der Graf, von Meran zur Pursche nach Schwarzenbach. Ihre Majestäten der Kaiser Wilhelm und der Kaiser Franz Joseph begaben Sich um Ti, Uhr ebenfalls dorthin zur Jagd in den sogenannten Vierundzwanzig-Gräben. Der Himmel ist halb bewölkt; es ist etwas windig. Die Abreise . Majestäten des Kaisers Wilhelm, des Kaisers Franz

oseph und des an, von Sachsen vsn Mürzsteg ist auf Sonntag Mittag festgesetzt. Ihre Majestäten werden Sich über Bruck und Leoben nach Radmer begeben.

Der Bundes rath trat gestern unter dem Vorsitz des Vize⸗Präsidenten des Staats⸗Ministeriums, Staatssekretärs des Innern Dr. von Boetticher zu einer Plenarsitzung zusammen. Es wurde über die in der Uebersicht der Reichsz⸗ Ausgaben und Einnahmen für das Etatsjahr 1888,89 nach⸗ gewiesenen Etatsüberschreitungen und außeretatsmäßigen Ausgaben und die hierzu vom Reichstage gefaßten BVeschlůsse Bericht erstattet; die bezeichneten Ausgaben wurden, vorbehaltlich der verfassungsmäßigen Entlastung, genehmigt. Ferner wurde bezüglich der Rechnungen der Kasse der Königlich preußischen Ober⸗Rechnungskammer sür 1837788 und 1888/89, soweit die⸗ selben den Rechnungshof des Deutschen Reichs be⸗ treffen, die Entlastung ertheilt. Für mehrere erledigte Stellen von Mitgliedern der Disziplin ar kammern für elsaß⸗ lothringische Beamte und Lehrer fanden die er— forderlichen Ergänzungswahlen statt. An Stelle des aus dem Amt geschiedenen Finanz⸗Ministers Dr. von Scholz ist von Sr. Majestät dem Kaiser der Königlich preußische Staats⸗ und Finanz⸗Minister Dr. Miquel zum Mitglied des Kuratoriums der Reichsbank ernannt worden. Mit der bereits erfolgten Ueberweisung folgender neu eingegangener Vorlggen, betreffend die zollfreie Ablassung' eiserner Fischnetz⸗ bügel zur Ausrüstung von SHochseefischerei⸗Dampf⸗ schiffen, des Entwurfs einer Verordnung wegen Er⸗ gänzung der Verordnung, betreffend die Kautionen der bei der Militär⸗ und Marineverwaltung angestellten Beamten, des Entwurfs eines Gesetzes über die Prüfung der Läufe und Verschlüsse der Handfeuerwaffen, des a, r,, zwischen Deutschland und Belgien zum Schutze verkuppelter weiblicher Personen, des Entwurfs einer Verordnung über das Verfahren vor den auf Grund des Invaliditäts- und Alter sversicherungtz⸗ gesetzes errichteten Schiedsgerichten an die zuständigen Ausschüsse erklärte sich die Versammlung einverstanden. Der Entwurf eines Gesetzes, betreffend bie Abänderung des Gesetz etz über die Krankenversicherung der Arbeiter, wurde den Ausschüssen für Handel und Verkehr und für Justizwesen ur Vorberathung überwiesen. Endlich machte der Lin el,

ittheilung über die durch Schiedsspruch des Reichsgerichts ,,,

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e gen Hir enburg und der freien und

Nach einer telegraphischen Meldung des Kaiserli General⸗Kkonsuls in Sansibar sind i r Kaiserlichen Personen getödtet worden: sind in Witu die solgenßen

Landwirth Küntzel aus Eppenreuth, Kaufmann Stauf aus Siegen, Holzschläger Urban aus Brunnthal, Zimmer⸗ mann Jarwiecki aus Sparley, Zimmermann Claus aus Niemwegen, Bäcker Karl Horn und Schlosser Friedrich Horn aus Neustadt in der Pfalz und Drottlef au Siebenbürgen. ;

„W. T. B.“ verbreitet ferner folgende Mittheilung: Ein Telegramm der „Times“ aus Sansibar vom 2. Oktober übermittelt Einzelheiten über die Ermordung Küntzel's und Genossen in Wit u. Hiernach ließ der Sultan die Deutschen am Tage vor deren Ermordung, am 15. September, nach Witu kommen und sie entwaffnen. Küntzel erging sich in heftigen Ausdrücken auf den Sultan. Damit war feil und seiner Genossen Schicksal besiegelt. Vier wurden außerhalb des Thores von Witu und 3 nach meilenweiter Verfolgung getödtet, zuletzt kam die Reihe an Küntzel. Meuschel wurde verwundet, entkam aber in dem hohen Grase. Die Mörder begaben sich alsdann nach dem mehrere Meilen entfernten ursprünglichen Lager Küntzel's und tödteten dort den zurückgelassenen Karl Horn. Die um Witu liegenden deutschen Plantagen wurden gänzlich verwüstet und der deutsche Pflanzer Behnke getödtet. Die Leichen der Ermordeten sind noch unbeerdigt, aber nicht verstümmelt. Alle Einwohner des Distrikts, der Sultan ein— geschlossen, sind an der That betheiligt.

Das neue nordamerikanische Zolltaxrifgesetz ist nach Annahme durch den Kongreß vom Präsidenten unter⸗ zeichnet worden und tritt am 6. Oktober in Kraft.

Die im August in Fulda versammelt gewesenen preu⸗ ßischen Bischöfe haben ein Hirtenschreiben über die soziale Frage erlassen, welches am 1. Oktober von den katholischen Blättern veröffentlicht worden ist. Das Schreiben beginnt mit folgenden Worten:

Geliebte im Herrn! In den letzten Zeiten ist eine Frage immer mehr in den Vordergrund getreten, welche wohl öfter schon im Laufe der Geschichte die Geister bewegt hat, die aber gegenwärtig in der ernstesten Gestalt sich uns zeigt: Es ist die soziale Frege. Schon feit Jahren hat unser heiliger Vater Papst Leo XIII., den Gott als Lehrer und Wächter für die Christenheit auf den Felsen Petri gestellt, dieser wichtigen Angelegenheit seine Aufmerksamkeit zugewendet und Fürsten und Völker auf die Nothwendigkeit hingewiesen, dieselbe im Geiste des Christenthums zu regeln und dadurch den drohenden Gefahren zu begegnen. Wie groß mußte daher seine Freude sein, als unser erhabener Kaiser, in weiser Erkenntniß der Verhältnisse dem edlen Zuge seines Herzens folgend, diese Aufgabe erfaßte und zu Anfang dieses Jahres die Regierungen Europas zu gemeinsamer Be⸗ sprechung und einheitlichem Vorgehen einlud Dank diefer Kaiserlichen That wird das Jahr 1890 für alle Zeiten denkwürdig bleiben und, so hoffen wir, für die Zukunft segensreiche Früchte tragen. Alle ernsten und edelgesinnten Menschen müssen es nunmehr als ihre Pflicht er⸗ kennen, mit Hintansetzung aller Meinungsverschiedenheit, zu diesem großen Werke, von dem der Friede der Welt und der Bestand der menschlichen Gesellschaft und ihrer kostbarsten Güter abhängt, mit Rath und That mitzuwirken.

Weiter wird auf ein Schreiben hingewiesen, welches der Papst am 20. April an den Eizbischof von Köln gerichtet hat und worin die deutschen Iischiß ermuntert werden, gemäß ihres Amts an der Lösung der sozialen Frage mitzuarbeiten. . Anlehnung an das päpstliche Schreiben wird weiter aus⸗ geführt:

Schwer und entscheidungsvoll nennt der Papst mit Recht die soziale Frage. Sie ist in ihrer thatsächlichen Entwickelung so gewaltig und drohend geworden, daß man in weiten Kreisen an einer friedlichen Lösung verzweifelt und einer nahen Katastrophe entgegensieht. Dieser hoffnungslose Standpunkt kann und darf nicht der unserige fein. Die Uebel der Völker sind nicht unheilbar“, so spricht das Wort Gottes schon im alten Testament (Weish. 1, 14): wie viel mehr müssen wir im neuen Bunde an dieser tröstlichen Wahrheit festhalten! Wohl können Völker durch Abfall vom Christentbum und Abwendung von christlicher Sitte und Tugend untergehen; das zeigt uns die Geschichte der Menschheit in traurigen Beispielen. Allein so lange sie den Geist des Christenthums und in ihm den Geist der wahren Humanität be— wahren, können und werden sie, wenn sie auch selbst schweren Ver— irrungen und Entartungen und dadurch großen Uebeln anheim ⸗˖ fallen, doch sich wieder aufrichten und, wie der Apostel sagt, „das Böse durch das Gute überwinden? (Röm. 12. 21). Darum dürfen wir den hochherzigen Absichten un feres Kaisers und der europäischen Regierungen nicht Kleinmuth, Zweifel oder gar Widerwillen, sondern wir müssen ihnen das Verkrauen entgegen⸗ bringen, daß es unter Gotteß Beistand gelingen werde, die allerdings großen sozialen Gefahren und Schwierigkeiten der Gegenwart zu überwinden. Wir müssen, so viel an uns liegt, zu dem großen und guten Werke thatkräfiig mitwirken.

Der heilige Vater verkennt nicht, daß auch der weltlichen Macht große Hülfsmittel zur . der sozialen Uebel zu Gebote stehen, doch weist er der Kirche eine noch größere Aufgabe zu und giebt näher an, wie beide, Kirche und Staat, zusammenwirken sollen.

Die soziale Frage ist zunächst eine Frage der Volkswirth⸗ schaft und des öffentlichen Rechts. An ihrer Lösung sind be— theiligt die Staatsgesetzgebung, die Politik. die Staats verwaltung, so⸗ mit auch auf allen diesen Gebieten die weltliche Wisenschaft. Hier ist es uns nun ein großer Trost, daß die katholischen Mitglieder unserer gesetzgebenden Körperschaften stets mit soviel Einsicht und Liebe auf Verbesserung der soziglen Verhältnisse, wie des Bauern! und Hand⸗ werklerstandes, so der Arbeiter der Großindustrie bingewirkt haben und gewiß in Zukunft, mit allen, die nach gleichem Ziel streben, in Ein⸗ tracht zusammenwirken werden. Erfreulich ist es auch, daß auf diesem Gebiet katholische Männer, darunter auch treffliche Priester, theoretisch und praktisch, durch Schrift und That so Tüchtiges geleistet haben. Möge ihr Cifer nicht ermatten und mögen wahrhaft dazu Befähigte und Berufene in immer größerer Zahl ihnen nacheifern! Die natürlichen Kräfte zur Heilung der soflalen Frage müssen aber von den übernatürlichen, deren Hüterin die Kirche ist, unterstützt werden Staat und Kirche müssen in der Anwendung der ihnen innewohnenden Hülfsmittel einträchtig zusammenwirken. Das gilt von allen menschlichen Dingen, aber ganz vorzugsweise von der sozialen Frage. Die Noth und Gefahr unferer Zeit wird diese oft verkannte Wahrheit in immer weiteren Kreisen zur Anerkennung bringen. Möge daher vor allem durch Gerechtigkeit und Wohl- wollen dieses so nothwendige Zusammenwirken jwischen Staat und Kirche erstarken und alles, was die Eintracht stört, fern gehalten werden! Möge auch die einseltige Auffassung ein für alle Mal autzgeschlossen bleiben, es solle die Kirche allein ohne den Staat, oder es solle der Staat allein ohne die Kirche die soziale Frage zu lösen suchen; und noch weniger möge die Änsicht jemals Geltung ge⸗ winnen, es gehe diese Frage weder den Staat noch die Kirche an, sondern hier sei alles der Privatthätigkest, dem freien Spiel der Kräfte, oder gar dem „Kampfe ums Dafein“ zu überlasfen.

Daß die Kirche bei Lösung der so alen Frage eine vorzügliche, ganz wesentliche Aufgabe hat, läßt fich nicht verkennen Ihre Wirksamkeit kann durch nichts Anderes ersetzt werden. Der heilige Vater deutet hierfür eine Reihe von Gründen an. Während der well. lichen Gewalt vorzugsweise nur 35 Mittel zu Gebote stehen, wirkt die Religion innerlich auf die Herzen der Menschen, damit sie

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freiwillig den Weg der Gerechtigkeit und Liebe einschlagen. Und wer sollte nicht einsehen, daß gerade darauf in der sozialen Frage das Meiste ankemmt? Gesetz und Zwang können jwar die groben Ausbrüche der Selbstsucht und xeidenschaft eindämmen, nicht aber diese selbst, die Hauptquelle unserer soziglen Uebel verstopfen. Wohl haben die sozialen Uebel, wie früherer Zeiten, so auch Unserer Zeit. ihren Grund nicht zum geringen Theil in äußeren Verhältnissen, in den Mängeln und Fehlern menschlicher Einrichtungen, und daher ist zu ihrer Ueberwindung auch die Verbesserung jener äußeren Ver—⸗ hältnisse und Einrichtungen nothwendig und nützlich. Aber immer liegt der Hauptgrund aller soziglen Üiebel nicht in äußeren Um- ständen, sondern in der inneren Beschaffenheit der Menschen, in dem Mangel richtiger Grundsätze und der rechten Gesinnung, in dem Mangel an Tugenden, in berrschenden Lastern, während ungünstige äußere Verhältnisse durch christlihe Gesinnung und Tugend ertrãg⸗ licher gemacht und einigermaßen gebessert werden können. Man steuere jener entfesselten Habgier und Genußsucht, welche die Völker entnervt; man erfülle die Herzen der Ärbeil= geber mit Gerechtigkeit. Billigkeit und Wohlwollen; man flöße den Arbeitern Arbeitsamkelt, Geduld, Genügsamkeit, Sparsamkeit, Bescheidenheit ein; man bewahre sie vor Unsitilichkeit und Unmãßig⸗ keit; man schütze die Jugend vor Entartung, man schaffe ein sitten· reines und zufriedenes Familienleben, und die sosiale Frage, wie gefahrdrohend und schwierig sie sein mag, wird ihre Schärfe ver= lieren; Ja, es wird auch zugleich die wesentliche Grundbedingung zur Verbesserung der äußeren Verhältnisse. und Einrichtungen gegeben sein; die ersehnte Besserung derselben wird durch den' freien und ö. Willen beider Theile und ohne gewaltsame Umwälzungen ein⸗ treten.

Das Hirtenschreiben geht dann auf die Aufgaben der Religion und des Christenthums über und fährt weiter fort:

Allerdings ist, was wir ausdrücklich hervorheben, mit dem Geiste des Glaubens, der in den Armen Zufriedenheit, in den Reichen Milte und Erbarmung wirkt, die jetzt die Welt bewegende soziale Frage nicht ohne Weiteres gelöst. Viele Ürsachen haben zusammengewirkt, um die Zustände herbeizuführen., welche heut zu Tage den Gegenstand der sozialen Frage bilden. Ehedem hatte eine an sich heilsame, berechtigte und wohlgeordnete Gebundenheit des Grundbefitzes, des Gewerbes, des Handels und Verkehrs, den Einzelnen wie den Familien, den Standen und Gemeinden Schutz, Sicherheit und Stetigkeit gewährt. Aber dieser Schutz war durch die menschliche Selbstfucht und durch Miß⸗ brauch vielfach zur Last und Plage geworden. Darum würden Eigenthum, Gewerbe, Handel und Verkehr ihrer Fesfeln entledigt, aber auch großen Gefahren entgegengeführt. Jene Entseffelung hat, wie die Geschichte lehrt, einen großen irdischen Fort⸗ schritt im Gefolge gehabt und manche neue Verwendungen der Naturlräfte, nützliche Entdeckungen und Erfindungen herpor⸗ gerufen, von denen nicht nur die Reichen und Vo rnehmen, sondern auch die weniger Bemittelten und Armen für Gefundheit und Lebenserhaltung großen Nutzen haben. Wer könnte aber seine Augen schließen vor den mannigfachen Schädigungen und Uebeln, welche da—⸗ neben zu Tage getreten sind? Verarmung und Niedergang des Volt wohls, Unsicherheit des Erwerbes, Lockerung des Familienlebens und gegenseitige Entfremdung der Stände haben sich weithin ver⸗ breitet. Da die Ursachen dieser Uebelstände auf menschlichen, politischen und rechtlichen Gebieten liegen, so können auch menschliche Mittel zu ihrer Heilung nicht, entbehrt werden; mit Vorsicht, Besonnenheit und ausdauernder Geduld sollen sie ange⸗ wendet werden. Allein immer ist es doch vor allem der Geist des Glaubens gewesen, der selbst in den ungünstigsten Zeit⸗ und Gesell⸗ schaftsverhältnifssen als eine segensreiche Macht, als den eigentlichen Retter der Menschheit sich erwiesen hat; das zeigt nicht minder die Weltgeschichte. Diese Macht ist auch für unsere Zeit der Grundstein unserer Hoffnung. Wo immer noch Reiche und Arme, Herren und Diener, Gelehrte und Handarbeiter an denselben Heiland glauben und miteinander an dem selben Tische seiner Liebe erscheinen, da wird in den Herzen der Menschen jene kalte Entfremdung und jener Neid und Haß nimmermehr die Oberhand gewinnen, welche so recht eigentlich die soziale Gefahr der Gegenwart bilden und deren Hebung und Heilung so sehr erschweren. Wo der göttliche Glaube fehlt, wird auch das Verständniß menschlicher Verhältnisse getrübt; wo die göttliche Liebe mangelt, wird nur zu leicht die Selbstsucht über menschliche Gerechtigkeit und menschliches Wohlwollen den Sieg davontragen und werden äußere Mittel zur Besserung der sozialen Lage weder Bestand, noch Fruchtbarkeit haben

Gewiß ist es dem Einzelnen wie den Genossen desselben Standes und derselben Lebensverhältnisse weder durch den christlichen Glaugen noch durch das natürliche Sittengesetz verwehrt, nach einer Ver⸗ besserung ihrer Lage zu streben; jedoch darf dies nur durch rechtmäßige, vom christlichen und natürlichen Sittengesetz gebilligte Mittel, aber nie und nimmermehr durch Trug oder Gewalt geschehen. Dieses ist von Anbeginn und zu allen Zeiten unverbrüchlicher Grundsatz des Christenthums und der christlichen Kirche gewesen. Es gilt hier bezüglich des Eigenthums, des weltlichen Rechtsgebiets und der rechtmäßig bestehenden sozialen Verbältnisse dasselbe, was bezüglich der bestehenden politischen Ordnung und der weltlichen Obrigkeit nach den klaren Aussprüchen Jesu Christi und seiner Apostel Geltung hat. Wie Christus und seine Apostel durch Wort und Beispiel gelehrt haben, die be⸗ stehenden weltlichen Obrigkeiten, als auf Gottes Ordnung und Vorsehung beruhend, zu achten und zu ehren, so haben sie auch Achtung der bestehenden Eigenthums⸗- und Recht s⸗ verhältnisse als Gewissenspflicht vorgeschrieben. . . . . Allein, wenn das Christenthum gewaltsamen Umsturz sowie arglistige Untergrabung der bestehenden Ordnung als eine schwere Sünde gegen Gott und ein Verbrechen gegen die gesammte menschliche Gesellschaft unbedingt verbietet, so anerkennt und verkündet es auf der anderen Seite die Pflicht, daß sowehl die von Gott gesetzte Obrigkeit, als alle, die in höherer Stellung sich befinden, die Menschenwürde und die Menschenrechte ihrer Untergebenen und Mitmenschen achten und mit redlichem Ernst und aller Sorgfalt danach streben, durch jene Vereinigung von Gerechtigkeit und Liebe, welche das Christenthum lehrt und in jeder Weise fördert, die sozialen Uebel nach Möglichkeit zu heben und zu erleichtern.

Endlich werden die Mittel aufgezählt, welche Bischöfe, Klerus und Volk in Anwendung bringen sollen; Verbesserung der Sitten und Hebung des religiösen Lebens; Versöhnlichkeit und Eintracht; Förderung der Zufriedenheit bei den Armen, der Wohlthätigkeit bei den Reichen; Pflege und Entwickelung des christlichen Vereinslebens und wohlthätiger Anstalten. Zum Schluß heißt es in dem Hirtenschreiben:

Ehrwürdige Mitbrüder, liebe Diözesanen! Döret auf die Mah⸗ nungen des obersten Lehrers der Kirche, die Euere Oberhirten in seinem Namen und Auftrage Euch ans Herz legen. Vernachlässigt nicht die großen Aufgaben unserer Zeit, sondern wendet ihnen Euere thätige und in Geduld ausharrende Liebe zu. Ihr, die Gott mit den Gütern der Erde gesegnet hat, und in deren Diensten oft Hunderte und Tausende Euerer Mitmenschen stehen, seid Gott stets dankbar für die be⸗ vorzugte Stellung, die Ihr in der Gesellschaft einnehmet, und seid zugleich stets eingedenk der ö der christlichen Gerechtigkeit, der christlichen Liebe und Barmherzigkeit, die Guere Stellung Euch auf= erlegt. Verkennet nicht die Zeichen der Zeit und entzieht Euch nicht den ernsten und dringenden Anforderungen, welche die Gegenwart auf sozialem Gebiete an Euch stellt. Ihr aber, Männer aus dem Arbeiter- und Handwerkerstande, Genossen jenes Standes, den Christußs der Sohn Gottes in besonderer Weise sich auserwählt und geheiligt hat, liebet Euern Stand und erfüllet treu Eure Standespflichten. Laßt Euch nicht verführen durch gleißnerische Versprechungen, die nimmer erfüllt werden können. Laßt Euch nicht von falschen Lehren bethören und folget nicht den . der Leidenschaften. Vertrauet vielmehr denen, welche wahrhaft Euer wirk⸗ liches Wohl erstreben. Habet Achtung vor der Obrigkeit, der geistlichen und der weltlichen. Kommet willig allen Anordnungen entgegen, welche

zu Eurem Schutz und Eurem Wohl getroffen werden. Insbesondere aber verlieret nie aus den Augen, daß Euer und Euerer Familien Wohlergehen immerdar gepflegt und geschützt werden muß durch Arbeitsamkeit und Sparsamkeit, durch Nüchternheit und Sittenrein- heit, sowie durch Vermeidung jener unheilvollen Vergnügungsfucht, welche die Ingend verdirbt, die Familien zerrüttet und einen dauer haften Wohlstand nicht aufkommen läßt. Erinnert Euch sters, daß wir unsern Himmel und unsere Glückseligkeit hienieden nicht finden können, daß wir vielmehr für die Ewigkeit bestimmt sind, und der Lohn für all unsere Mühen und Kämpfe uns im Jenseits hinterlegt ist. Beherzigen wir oft die Mahnung des göttlichen Meisters, wenn er spricht: „Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtig⸗ keit, so wird euch solches Alles zufallen. (Matth. 6, 33.) Indem wir aus innerstem Herzen den Segen Gottes auf Euch alle herab- flehen, schließen wir mit den Worten des h. Paulus: Aebrigens Brüder, seid voll Freudigkeit! seid vollkommen; ermahnet einander; seid gleickgesinnt; seid friedsam, und der Gott des Friedens und der Liebe wird mit Euch sein.. (2. Kor. 13. 11.)

Der Kaiserliche Botschafter am Königlich italienischen Hofe, Wirkliche Geheime Rath Graf zu Solms-Sonne⸗ walde hat einen ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub ange⸗ treten. Während seiner Abwesenheit von Rom fungirt der Erste Sekretär, Legations⸗Rath Freiherr von Dörnberg als Geschäftsträger.

Der Königlich niederländische Gesandte am hiesigen Aller⸗ höchsten Hofe Jonkheer van der Hoeven ist vom Urlaub nach Berlin zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandt⸗ schaft wieder übernommen.

Der Regierungs-Rath Dr. Bredow zu Breslau ist an die Königliche Regierung zu Danzig versetzt worden.

Dem Landrath von Cossel zu Geldern ist die kom⸗ missarische Verwaltung des Landrathsamts im Kreise Jüterbog⸗Luckenwalde, Reg⸗Bez. Potsdam, übertragen worden.

Der neuernannte Regierungs⸗Assessor Dr. jur. Schnabe! ist der Königlichen Regierung zu Düsseldorf überwiesen worden. Der Regierungs⸗Assessor Dr. Glasser zu Stade ist an die Königliche Regierung zu Marienwerder versetzt worden. Dem Regierungs Assessor Schneider zu Köslin ist die kom⸗ missarische Verwaltung des Landrathsamts im Kreise Bleckede, Regierungsbezirk Lüneburg, übertragen worden.

S. M. Kanonenboot „Iltis“, Kommandant Korvetten Kapitän Ascher, ist am 30. September in Newchwang ein⸗ getroffen.

Bens berg, 3. Oktober. Die hiesige Kadetten anstalt feiert W. T. B.“ zufolge heute, morgen und übermorgen ihr fünfzigjähriges Beste hen.

Bayern. München, 3. Oktober. Die Königin Isabella von Spanien ist nach Paris zurückgerm n Mit dem vorgestrigen Tage hat sich die bayerische Armee, wie die „Allg. Ztg.“ ichreibt, um 1 Infanterie— Bataillon, 8 Batterien und 2 Train⸗Compagnien ver⸗

mehrt; die Armee zählt jetzt 62 Infanterie⸗ und

Jager Bataillone. 50 Escadrons, 48 Batterien (darunter s reitende), 16 Fuß⸗ALrtillerie Compagnien, 10 Pionier⸗, 2 Eisen⸗ bahn⸗ 6 Train⸗ und 2 Sanitäts⸗Compagnien. Gleichzeitig haben sich die Kommando⸗Behörden um ein Divisions⸗Kommando, je ein Infanterie⸗ und Kavallerie-⸗Brigade⸗Kommando und je ein In⸗ fanterie⸗ und Artillerie⸗Kommando vermehrt. Am 30. v. M. Abends rückten die Zöglinge des Kadetten-Corps, etwa 190 an der Zahl, in das neue Anstaltsgebäude auf dem Mars— felde ein. Gestern begann der Unterricht und am kommenden Sonntag findet die feierliche Eröffnung des Studienjahres im großen Saale der Anstalt statt.

Sachsen.

Dresden, 2. Oktober. Die seit einiger Zeit herrschende Witterung ist nicht nur für die Landwirthschaft erwunscht, sondern hat auch den Vortheil, daß durch sie die Austrock⸗ nung der zahlreichen bei der letzten Elbhochfluth unter Wasser gestandenen Wohnungen nicht unwesentlich gefördert wird. Zum Theil werden die letzteren nun wohl auch jetzt wieder sich in bewohnbarem Zustande befinden; da dies aber jedenfalls nicht von allen angenommen werden lann, so ist, wie das „Dresd. Journ.“ mittheilt, Seitens des Königlichen Ministeriums des Innern an⸗ geordnet worden, daß die Bezirksärzte, soweit es nicht bereits e hen ist, diesen Verhältnissen ihre Aufmerksamkeit zuwenden, sich von dem Zustande der betreffenden Wohnungen Kenntniß verschaffen und über den Befund Mittheilungen an die Polizeibehörden gelangen lassen, von den letzteren aber die nach den Umständen erforderlichen Anordnungen getroffen werden sollen.

Württemberg.

Stuttgart, 3. Oktober. Wie der „Oberschwäbische An⸗ zeiger erfährt, treffen heute zum Besüch Ihrer Masestäten des Königs und der Königin Se. Königliche Hoheit der Prinz Wilhelm von Württemberg, der Reichskanzler von Caprivi, der preußische Gesandte Graf zu Eulenburg und der, württembergische Kriegs Minister von Steinheil in Friedrichshafen ein. Die Genannten werden heute bei dem Minister⸗Präsidenten Freiherrn von Mittnaächt und morgen, im Königlichen Schlosse speisen.

Wie der „St.- A. f. W.“ meldet, belaufen sich nach dem nunmehr festgestellten Rechnungs⸗Ergebniß der ECisenbahn - Betriebs verwaltung im * Etats— jahr 188990 die Einnahmen auf 35 535 635 M 57 Z, die Ausgaben auf, 19 Rz öh e 11 Z, somit Nehrbetrag der Einnahmen 15583 087 6 465 J. Die Ablieferungen an die Staats haupt kasse betragen, eine Vermehrung des Betriebsfonds in der Höhe von 595 744 M 5 3 stattfand 14 987 343 S 51 . In dem Etat für 1889,90 ist. der Reinerträg der Eisen⸗ bahnen angeschlagen . 14 963 400 9. Das Ergebniß ist

iernach günstiger als die. Annahme um z 94 6 51 3.

er Hinsenbedarf, für die Eisenbahnschuld betrug im Jahre 1839360 15469233 66 68 3. Der Fieinertrag der Gifen⸗ bahnen blieb somit hinter demselben zurück um N7i 893 Mt, 17 , während in dem Rechnungsjahr 186, 59 sich ein Ueber i . n rr gr, . gin f r hal ns über den In senbedar ür 1 Tisenbahnschu in der öhe von 494 113 21 8 ergeben hatte. döh

Baden.

Karlsruhe, 1. Oktober. Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Großherzogin verbrachten den gestrigen Tag auf Schloß Baden in stiller Zurückgezogenheit. Vormittags 109 Uhr fand ein Gedächtnißgott es dienst in der Schloßkirche statt, welchen Prälat Doll in erhebender Weise abhielt. Ein Theil des Hofkirchenchors begleitete die Andacht mit Gesängen. Sämmtliche Hausgenossen sowie mehrere Personen aus dem Gefolge weiland Ihrer Majestäten der Kaiserin Au gusta und des Kaisers Wilhelm J. nahmen daran Theil. Am Nachmittag empfingen die Höchsten Herrschaften den Ober⸗Bürgermeister Gönner von Baden, um ihm für eine Höchstdenselben von der Stadt gewidmete fehr warme Kund⸗ gebung der Theilnahme an dem gestrigen Gedächtnißtage zu danken. Gegen Abend kehrten Ihre Königlichen Hoheiten der Erbgroßherzog und die Erbgroßherzogin nach Freiburg zurück. Gestern früh reiste Se. Königliche Hoheit der Kronprinz von Schweden und Norwegen mit dem Orientzug nach Wien zum Besuch der landwirthschaftlichen Aus⸗ stellung und zu Jagden bei dem Erzherzog Franz Ferdinand; Höchstdessen Abwesenheit wird voraussichtlich acht Tage dauern. Se. Kaiserliche Hoheit der Großfürst Michael von Rußland ist gestern mit Sr. Großherzoglichen Hoheit dem Prinzen Karl zur Hirschjagd nach Kaltenbronn gereist und gedenkt heute wieder nach Schloß Baden zurückzukehren.

Aus Baden⸗Baden vom 30. September wird der „Karlsr. Ztg.“ noch berichtet: Ihre Königliche Hoheit die Großherzogin ließ das von Höchstderselben dem Andenken der Kaiserin Augusta gewidmete Gedenkkreuz durch folgendes, im Höchsten Auftrage an den Ober-Bürger⸗ meister der Stadt Baden gerichtete Schreiben des Groß⸗ herzoglichen Hofmarschalls Grafen Andlaw in den Schutz der Stadt Baden stellen:

Baden, 29. September 1890. Sr Hochwohlgeboren dem Ober⸗ Bürgermeister Herrn Gönner, Baden. Ew. Hochwohlgeboren bin ich beauftragt mitzutheilen, daß Ihre Königliche Hoheit die Groß herzogin ein der Erinnerung an die bochselige Kaiserin gestiftetes Kreuz mit Bank auf dem Wege am Friesenberg anbringen ließ, auf welchem weiland Ihre Majestät die Kaiserin mit besonderer Vorliebe in guten und schweren Tagen Ihre Spaziergänge zu machen pflegte. Ihre Königliche Hoheit wünschen, daß dieses äußere Zeichen dazu beitragen möge, das Andenken dieser Stätte, welche der , Kasserin sso theuer war, festzuhalten, und übergeben dasselbe mit Heutigem dem Schutze der Stadt Baden. Ihre Königliche Hoheit geben Höchstsich der zuversichtlichen Hoffnung hin, daß dies Erinnerungszeichen das Andenken an weiland Ihre Majestät, welches von der Stadt Baden so hoch gehalten wird, be⸗ festigen und bekräftigen möge. Auf Höchsten Befehl Graf Andlaw.“

Aus Anlaß der Wiederkehr des Geburtstages der Kaiserin Augusta ließ die Großherzogin an dem Ge⸗ denkkreuz heute Vormittag einen prachtvollen Kranz nieder⸗ legen. Namens der Stadt überbrachten Ober⸗Bürgermeister Gönner und Bürgermeister Dr. Schuber einen Lorbeerkranz mit Widmungsschleifen. Die Schleifenbänder trugen die Inschrift: „Ihrer Majestät der Kaiserin Augusta in dankbarer Erinnerung. 30. September 1890. Die getreue Stadt Baden⸗Baden.“ Auch in der im Hotel Meßmer be⸗ findlichen Ausstellung der Porträtsammlung weiland Ihrer Majestät der Kaiserin Augusta wurden verschiedene prachtvolle Kränze niedergelegt. Auf dem Hotel Meßmer wehte die badische Flagge auf Halbmast.

Hessen.

Darmstadt, 2. Oktober. Wie der „Darmst. Ztg.“ telegraphisch gemeldet wird, ist Se. Königliche Hoheit der Großherzog mit Sr. Königlichen Hoheit dem Erbgroß⸗ her zog und Ihren Großherzoglichen Hoheiten den Prinzessinnen Victoria, Prinzessin Ludwig von Battenberg, und Alix, heute Vormittag von Moskau abgereist. Höchstdieselben werden über Warschau weiterreisen, Sonntag früh in Berlin und Sonntag Abend (über Gießen) in Darmstadt eintreffen.

Oesterreich⸗Ungarn.

Wien, 3. Oktober. Der deutsche Botschafter Prinz Heinrich VII. Reuß richtete, wie ‚„W. T. B.“ meldet, an den Bürgermeister Dr. Prix folgendes vom 1. Oktober datirtes Schreiben: ö. .

„Se. Majestät der Kaiser und König, mein aller⸗ gnädigster Herr, hat mir zu befehlen geruht, Ew. Hochwohlgeboren, auszusprechen, wie sehr der großartige und wahrhaft herzliche Empfang, welchen Allerhöchstdemselben die Residenzstadt Wien und ihre Bewohner heute bereitet haben, Seinem Herzen wohl- gethan hat. Um der Residenz Allerhöchstseines erhabenen Bundes⸗ genossen ein Zeichen Seiner Freude und Seines Dankes zu geben, haben Se. Mafestät geruht, Jonen, Herr Bürgermeister, den Königlichen Kronen⸗Orden zweiter Klasse mit dem Stern zu verleihen, und beeile ich mich, Ihnen die Insignien dieses Ordens anliegend ergebenst mit dem Ausdruck meines Glückwunsches zu dieser Auszeichnung zu über⸗ senden Zugleich verfehle ich nicht Ew. Hochwohlgeboren mitzu⸗ theilen, daß Se. Majestät in Anerkennung der Verdienste, welche sich der Ober Baurath Berger, der Vorstand des Stadtbauamts, um die geschmackvolle Ausschmückung der Stadt neben Ihnen er worben hat, geruht haben, demselben den Königlichen Rothen Adler⸗Orden dritter Klasse zu verleihen, dessen ebenfalls beifolgende Insignien ich Sie bitte, dem Beliehenen überreichen zu wollen. Gleichzeitig haben Se. Majestät geruht, 3009 M für die Armen Wien zu widmen, welche ebenfalls anbei folgen, und deren Ver wendung ich Ew. Hochwohlgeboren einsichtsvollem Ermessen über⸗

lassen darf. ĩ ichneter Hochachtung mit artnet ct: de,,

Dem Guardian des Kapuziner⸗Klosters hat Se. Majestät 300 Fl. für die Armen überreichen lassen.

Se. Königliche Hoheit der Prinz von Wales trifft am nächsten Sonntag hier ein und begiebt sich nach kurzem Aufenthalt zu einem Besuch des Grafen Tassilo Festeties nach Keszth ely. .

. ö. ate der-österreichischen Landtagswahlen der Städtegruppe wurden, soweit bis jetzt bekannt, 13 liberale, 6 christlich⸗soziale und 4 deutsch⸗nationale Ab⸗ geordnete gewählt, Im 3. Wiener Bezirk ist eine Stichwahl zwischen dem liberalen und dem hchristlich⸗sozialen Kan⸗ hidaten erforderlich. In Wien (innere Stadt) wurden sämmt— liche 6 liberale Kandidaten mit einer Majorität von fast zwei Dritteln der abgegebenen 526 Stimmen gegen die christlich⸗ sozialen Kandidaten gewählt. Die Handelskammer hat ihren liberalen Vertreter wiedergewählt.

Die Delegirten der Jung⸗ und Altezechen, welche zum Zwech einer Verständigung zusammengetreten waren, hielten, wie der „Wien. Ztg.“ gemeldet wird, am l. . M. in der Wohnung des erkrankten Vorsitzenden Dr.

Trojan auf der Kleinseite eine Konferenz ab, in welcher es zu keiner Verständigung kam. Der Verständigungsversa ist demnach vollständig resultatlos geblieben.

In der gestrigen Sitzung des ungarischen Abgesrd⸗ netenhauses hob der Finanz⸗Minister in seinem irg, hervor, daß das heute vorgelegte

udget den Resultaten des Jahres 1889, welche eine Beffe⸗ rung um 11 Millionen Fl. aufweisen, nicht nachnehen werde. Die in den Staatskassen vorräthigen Baarbestände zeigten eine andauernde Vermehrung; und wurden zu einer Kon— vertirung der höher verzinsten Anleihen, wie der Eisen⸗ bahn⸗Prioritäten verwendet. So seien bisher 7 Miüionen Schatzbons eingelöst worden. Er könne somit die völlige Konsolidirung der Staatsfinanzen konstatiren. Für die Zukunft werde er sich streng vor Augen halten, daß etwaige Staatsbedürfnisse nicht durch neue Anleihen, sondern aus der eigenen - Finanzkraft des Landes gedeckt würden. Schließlich erklärte der Minister, daß in den auf Regelung der Valuta bezüglichen Verhandlungen vorwärts geschritten werde und daß die Regierung in der Valutafrage schon demnächst eine wichtige Erklärung abgeben werde. Das bisherige äußerst rigorose Vorgehen in finanzieller Hinsicht werde auch in Zukunft strenge eingehalten werden. Das Exposs wurde mit großem allgemeinen Beifall aufgenommen.

Der in der gestrigen Nummer des „R. u. St. A.“ ge⸗ meldete Austritt des Abg. Ugron und Genossen aus dem Klub der Unabhängigkeitspartei erfolgte in Folge eines Schreibens Ludwig Koffuth's, in welchem dieser, der „Wiener Presse“ zufolge, es auf das Entschiedenste ver⸗ neint, daß die Nation das Verhältniß zu Oe ster— reich um jeden Preis lösen müsse. Die Nation könne dies nicht thun, denn die Fahne der Incompatibilität der beiden Kronen Oesterreich und Ungarn wäre die Fahne der Revolution, und es sei kein Grund zur Revolution, da sich die ungarische Nation auf parlamentarischem Felde frei bewegen könne. gn diesem Sinne will Kossuth auch alle seine bis—⸗ herigen Enunciationen angesehen wissen. Er erklärt, er stehe auf dem Boden von 1848 und nicht von 1849.

Grosbbritannien und Irland.

London, 2. Oktober. Die Königin von Rumänien brachte gestern ihren fünfwöchentlichen Aufenthalt im nörd— lichen Wales zum Abschluß und trat um 9 Uhr Abends die Reise nach Balmoral an, um der Königin Victoria einen kurzen Besuch abzustatten. Vor ihrer Abreise wurden ihr von dem Stadtrath von Llandudno, sowie von den wallisischen Barden reichverzierte Abschiedsadressen überreicht. Das Befinden der hohen Frau hat sich seit ihrer Ankunft in Wales wesentlich gebessert.

Lord Wol seley kam gestern in Dublin an, um seinen neuen Posten als Höchstkommandirender der in Irland stationirten Truppen anzutreten. Am Bahnhofe wurde er von großen Volksmassen stürmisch begrüßt.

Die Verhandlung in dem Prozeß gegen Dillon und Genossen in Tipperary wurde gestern fortgesetzt und nach Vernehmung einiger Regierungsstenographen, welche den Volks versammlungen beigewohnt, in denen von den Ange⸗ klagten aufrührerische Reden gehalten worden, bis Freita vertagt. Heute sollen in Tipperary die aus den tumul— tuarischen Vorgängen am vorigen Donnerstag entstandenen Injurienklagen erledigt werden.

Der General⸗Gouverneur von Canada, Lord Stanley of Preston, war, wie aus Canada berichtet wird, auf seiner RNundreise durch die an der See gelegenen Provinzen am 30. v. M. in Moncton eingetroffen. Er wollte die Chighecto⸗ Schiffseisenbahn besichtigen, die Cape Breton⸗Bahn er⸗ öffnen und sich nach einem viertägigen Aufenthalt in Halifax an Bord des Kriegsschiffes „Canada“ nach der Prince Edward⸗ Insel begeben.

Rußland und Polen.

St. Petersburg, 3. Oktober. Durch Kaiserlichen Ukas ist dem Grafen Josef Potocki, einem geborenen Desterreicher, nachdem derselbe in russische Unterthanenschaft übergetreten ist, der russische Erbadel verliehen worden.

Italien.

Rom, 3. Oktober. Ueber die vom Pariser „Figaro“ veröffentlichte Unterredung eines seiner Mitarbeiter mit dem Minister⸗Präsidenten Crispi äußert sich die, Riforma“ dahin, daß die Worte Crispi's Zusätze und Abänderungen er⸗ fahren hätten, und daß es, oh ie ausführlich in Einzetheiten einzugehen, fast unmöglich sz zu bestimmen, wo die Wahr⸗ heit anfange, und wo sie aufhöre. Was von der Mittheilung etwa wahr sei, werde jeder mit den Ideen Crispi's. Vertraute ohnehin leicht herausfinden können. Unbegründet seien die Crispi in den Mund gelegten Urtheile über italienische und ausländische Staatsmänner. Daß der Drei⸗

bund keine aggressiven Zwecke verfolge, daß eine Verlängerung

desselben noch nicht stattgefunden habe, daß eine Abrüstung wünschenswerth sei u. s. w.: das seien Erklärungen, die Crispi auch im Parlament und anderswo schon abgegeben habe.

Der Papst empfing, dem „W. T. B.“ zufolge, gestern den von Urlaub hierher zurückgekehrten preußischen Gesandten von Schlözer in Audienz. J

Der Deputirte und ehemalige Minister Baccarini ist in der vergangenen Nacht in . gestorben.

Schweiz.

Bern, 2. Oktober. Der Nationalrath hat nach vier⸗ tägiger Debatte in seiner heutigen Sitzung, wie, W. T. B.“ meldet, mit 97 gegen 35 Stimmen die Maßnahmen des Bundesraths zur Wiederherstellung der Ord⸗ nung im Kanton Tessin gutgeh ißen und die Er⸗ mächtigung zur Ergreifung allfälliger weiterer Maß⸗ regeln ertheilt. Der Ständerath hat einen Antrag an⸗

enommen, wonach der Bundesrath die Grundsätze aufstellen oll, nach welchen zukünftig die Bewilligung von Kon⸗ zessionen für Bergbahnen erfolgen soll.

Serbien.

Belgrad, 3. Oktober. Die „Agence de Belgrade“ meldet, in oppositionellen Kreisen seien Gerüchte über eine Minister⸗ krise verbreitet, diese seien aber unbegründet und schienen zum Theil durch die vom König Milan verfügte Entlassung des Gouverneurs des Königs Alexander, Dokie veranlaßt zu sein. Der Eatschluß Milan's habe in radikalen Kreisen große Verstimmung hervorgerufen und man höre dort äußern, daß die Regierung hierdurch sich zu einem energischeren Vorgehen als bisher veranlaßt fühlen dürfte.