Ungefähr am 5. September begab sich Küntzel nach Lamu, um den dortigen englischen Tonsul zur Ausfertigung eines entsprechenden Schreibens zu veranlassen, kehrte jedoch alsbald ohne ein solches Schreiben nach Mkonumbi zurück, da das englische Konsulat an dem damaligen Tage ohne Vertretung war. Ich will bei dig ser Gelegen. heit noch erwähnen, daß wir, nachdem wir mit dem Reichstag? in Lamu angekommen waren, den englischen Konsul Symons um seine Unterstützung in diefer Angelegenhelt angegangen, von demselben jedoch die Antwort erhalten hatten, er könne füt uns nichts thun, da, er keinen Einfluß auf den . . ö. habe; im Uebrigen würde
esten Kräften unterstützen.
ö ni run g k trat in unserem freundschaftlichen Ver hältnisse zu den Cinwohnern von Mkonumbi keine Aenderung ein. An diefem Tage machte ich einen Besuch bei dem Kolonisten Joseph Friedrich in Baltia und als ich Abends zurückkehrte, erzählten mir meine Gefährten, der Dorfälteste von Mkonumbi sei bei ihnen ge⸗ wefen und habe ihnen mitgetheilt, er oder ein anderer der Aeltesten von Mkonumbt habe einen Brief vom Sultan von Witu erhalten, durch welchen die Einwohner angewiesen seien, uns leine Lebensmittel mehr zu verkaufen und uns an dem Weiterbau des Schuppens zu ver⸗ hindern. Noch an demselben Abend stellten wir Nachtwachen aus, da wir einen Angriff der Bevölkerung fürchten zu müssen glaubten, es verlief aber alles friedlich, und hielten wir am 19 Schauri mit dem Borfältesten ab, ohne jedoch zu einer Verständigung mit den Ein— wohnern zu kommen. Wir erklärten alsdann, daß wir das Dorf niederbrennen müßten, wenn wir keine Lebensmittel erhielten, und er widerten nunmehr die Dorfältesten, in dem Sultansbriefe habe nur gestanden, man sollte uns an dem Bau des Schuppens hindern, Lebentzmittel könnten wir kaufen. Der Brief des Sultang wurde uns nicht gezeigt, da derselbe verloren gegangen sei. Thatsächlich wurden ung dann auch Lebensmittel gegen Bezahlung verabfolgt. .
Inzwischen hatten wir gerüchtweise gehört, daß sich in der Nähe von Mkonumbi Soldaten gesammelt hatten und am 11. September erschlen Bang Homari mit etwa 40 Mann von der Stadt Witu her. Bana Homari theilte Küntzel in freundschaftlichster Weise mit, daß der Sultan gar nichts gegen unser Unternehmen hätte, wir könnten auch einen Schuppen bauen; er bestände nur auf einem Brief des englischen Konsuls. Bana Homari theilte uns weiter mit, der Sultan sei nur durch einen gewissen Bana Ali gegen uns aufgehetzt worden; derselbe sei nämlich kürzlich von Mlkonumbi nach Witu gekommen und habe dem Sultan erzählt, er sei ohne jede Veranlafsung an dem ersteren Orte von Küntzel und zwei Anderen mit dem Revolver be⸗ droht worden. Ich will hierdurch ausdrücklich erklären, daß diese Angabe des Bana Ali unwahr ist und keiner sich einer Gewaltthätig⸗ keit in Mkonumbi schuldig gemacht hat.
In Nebereinstinmung mit Bang Homari wurde alsdann be— schloffsen, Uban, Stauf, Jarwiecki, Claus und mich nach dem dem Sultan gehörigen Otwanie Walde zu senden, um an einer bestimmten Stelle in der Mitte zwischen der Küste und der Stadt Witu mit dem Bau des Fundaments für das Sägewerk zu beginnen. Wir alle waren der Ansicht, daß der Sultan von Witu hiergegen nichts haben könne, da Bana Homari gegen unseren Plan keine Einwendung erhob. Am 13. September brach ich mit den Genannten nach der bezeichneten Stelle auf; Küntzel und Bana Homari gaben uns eine Strecke das Geleite. Noch an demselben Nachmittage begannen wir an der bezeichneten Stelle mit der Anlage einer Hütte. Am 14. früh schickten wir zwei unserer Träger mit Geschenken nach Witu. Kurze Zeit darauf kam Drottleff zu uns; derselbe theilte uns mit, er sei uns von Küntzel nachgeschickt worden, um uns zu warnen, es seien ernste Nachrichten aus Witu eingegangen, wir möchten auf unferer Hut sein, Im Laufe des Vormittags erschien dann der genannte Bana Ali, ein gewifser Sheriff Abdallah, soviel ich weiß, und noch andere Beamte des Sultans mit 40 Soldaten, die sich nach und nach auf. 150 vermehrten, Einer von den Beamten übergab uns einen Brief, den wir aber nicht lesen konnten, da keiner von uns der Suagheli⸗Sprache mächtig war. Wir schickten deshalb den Brief mit einem unserer Träger nach Mkonumbi, damit er dort übersetzt werden knnte. Nach Abgang des Briefes begannen nun Verhandlungen zwischen uns und den Sultans beamten, aus denen wir Mangels eines Dolmetschers nur soviel ver stehen konnten, daß uns der Sultan in Witu persönlich zu sprechen wünsche und daß wir uns deshalb sofort in Begleitung der Soldaten dorthin zu begeben hätten. Wir weigerten uns anfänglich und wollten zunächst die Antwort aus Mkonumbi abwarten, schließlich blieb uns aber nichts Anderes übrig, als uns zu fügen und wurden wir nach Witu geleitet, woselbst wir gegen 3 Uhr Nachmittags anlangten. Unser Gepäck und unsere Ausrüstung wurde uns von den Soldaten nachgetragen, unsere Diener und Träger waren vorher, bis auf die beiden, welche wir am Morgen nach Witu gesandt hatten und einen Koch, entflohen. Diese beiden Diener begegneten uns auf unserem Martsche nach Witu und schlossen sich uns wieder an.
In Witu angekommen, wurden wir nach einem Hause ganz in der Nähe des Sultanspalastes geleitet. Der Sultan sandte uns ein Schaf zum Geschenk, und erlangten wir nach langen Verhandlungen die Erlaubniß im Palast einen Besuch zu machen.
Vorher hatte man uns unsere Waffen abverlangt, da uns der Sultan bewaffnet nicht empfangen könne; anfänglich weigerten wir uns unsere Waffen aus der Hand zu geben, kamen aber später mit den Beamten des Sultans, die uns im Walde abgeholt hatten, überein, unsere Waffen in unserem Hause niederzulegen und dieselben durch die beiden Diener, die uns geblieben waren, bewachen zu lassen.
Im Palaste wurden wir von einem großen breitschulterigen Mann, der uns als Sultan vorgestellt wurde, freundlich empfangen, ich habe aber später erfahren, daß derselbe nicht der Sultan, fondern ein Onkel desselben, Bana Mku, gewesen war. Irgendwelche geschäftliche An gelegenhelten konnten wir mit dem angeblichen Sultan wegen Un— kenntniß der Sprache nicht besprechen, wie wir uns denn überhaupt . dahin nur mühsam durch Zeichensprachen hatten verständigen önnen.
Als wir in unser Haus zurückkamen, waren unsere Waffen fort und erzählten uns die zur Bewachung zurückgelassenen Diener, daß während unserer Abwesenheit Soldaten des Sultans gekommen wären und ihnen die Waffen gewaltsam weggenommen hätten. Die Namen dieser heiden Diener dürften durch Haeßler in Lamu zu erfahren fein.
Ich begab mich nun sofort wieder auf die Straße und fuchte im Palaste vorzusprechen, um mich Über die Wegnahme der Waffen zu beschweren, jedoch ohne Erfolg.
Gegen 5 Uhr Nachmittags erschien Küntzel mit seinem Neffen Fritz Horn und Bana Homari in Begleitung einer größeren Anzahl Soldaten in Witu. Küntzel hatte durch unsere weggelaufenen Träger in, Mkonumbi von dem, wat uns passirt war, gehört und sich augen⸗ blicklich nach der erwähnten Stelle im Walde und pon da nach Witu begeben. Küntzel war denselben Soldaten, die uns im Walde abge⸗ holt hatten und demnächst offenbar zu feiner Abholung in der Richtung nach der Stelle im Walde zurückgegangen waren, begegnet und mit diesen in Witu eingezogen. Küntzel war sehr aufgeregt, als er erfuhr, daß uns die Waffen weggenommen worden seien, und verlangte sofort, wenn auch ohne Erfolg, zum Sultan geführt zu werden. Bang Domari versuchte ihn zu beruhigen und schlen überhaupt mehr auf unserer Seite zu sein, thellte Käntzel allerbings auch init, daß er seinen Einfluß auf den Sultan verlören habe, und daß der Letztere ganz unter dem Einfluß der anderen Beamten stände, welche lügenhafte Jerich über uns berbreitet hätten. Küntzel war mit einem Karabiner, einer Bächsflinte und zwei Revolvern bewaffnet und sagte mir, man bätte ihm diese Waffen bei dem Betreten von Witu am Thore ab— nehmen wollen, Bang Homari habe indessen den betreffenden Soldaten zu Boden geschlagen.
Gegen Abend verschwand plötzlich Bang Homark und fing hier— mit unsere Lage an, bedenklich zu werden. In der Nacht, die wir in dem uns zugewiesenen Dause verbrachten, und am anderen Morgen sammelten sich immer mehr Soldaten in der Nähe unseres Hauses. Küntzel versuchte am Morgen des 15. nochmals Zutritt zu dem Sultan zu erlangen. Als ihm diet abgeschlagen wurde, wurde er sehr heftig und schrie laut auf dem Platze vor dem Palaste; er scheint auch Schimpfreden gegen einen Beamten gebraucht zu haben,
denn er wurde von einem solchen in heftiger Weise zurückgestoßen, irgend welche Gewaltthätigkeiten hat sich Küntzel aber nicht zu Schulden kommen lassen.
Um 9 Uhr Morgens erschien nochmals Bana Homari in unserem Hause und erklärte ung, er könne nichts für uns thun, es sei das Beste, wenn wir uns so ruhig wie möglich verhielten.
Da sich inzwischen aber immer mehr Soldaten angesammelt hatten, beschlossen wir, die Stadt erforderlichen Falls mit Gewalt zu verlassen, und als die Soldaten sich einige Augenblicke von unserem Hause entfernt zu haben schienen, verließen wir dasselbe, nachdem Küntzel seine Waffen an ung vertheilt hatte; den Karabiner nahm Küntzel, Stauf die Büchsflinte und Brottleff und ich je einen Revolver. Wir versuchten, Witu durch das südliche Thor zu ver— lassen; als wir an das letztere kamen, fanden wir es durch ver— schiedene Querhöljer verschloffen. Küntzel ging voran und forderte den unbewaffneten Thorwächter auf, zu öffnen. Der Letztere schickte sich auch an, das oberste der Querhölzer herauszuziehen, als auch schon Küntzel und wir Anderen die übrigen Querhölzer herautzrissen. Küntzel verließ das Thor zuerst und hörte ich in diesem Augenblick hinter mir Schüsse fallen. Demnächst folgten Claus und Jarwiecki, dann ich und etwas hinter mir Stauf, welcher mir auf meine Frage nach den An—⸗ deren mittheilte, Urban läge bereits todt durch einen Schuß in den Kopf in der Stadt, er selbst habe beim Verlassen des Thores mehr⸗ mals auf seine Verfolger losgefeuert und offenbar auch einige getroffen. Drottleff und Fritz Horn scheint es nicht mehr geglückt zu fein, die Stadt zu verlassen, wenigstens habe ich sie nicht wiedergefehen. Wir Anderen, r Stauf, Jarwiecki, Claus und ich wurden demnächst von vielleicht 200 GJingeborenen, unter denen ich auch Sultansaskaris bemerkte, verfolgt. Dieselben schossen mit Gewehren und Pfeilen nach uns und suchten sich gegen unsere Schüsse im hohen Grase zu decken. So lange wir noch Munition hatten, hielten sich unsere Verfolger noch in einer gewissen Entfernung, als uns dieselbe aber auszugehen anfing, kamen sie uns von allen Seiten näher und näher. Etwa eine Stunde, nachdem wir die Stadt verlassen hatten, erhielt ich als erster, der verwundet wurde, einen Schuß durch den rechten Oberschenkel und bald darauf einen leichten Pfeilschuß in den Rücken und wurde ich infolge—⸗ dessen so schwach, daß ich zurückbleiben mußte. Küntzel rief mir noch zu, in dem hohen Grase gegen meine Verfolger Deckung zu suchen und da er mir sagte, daß er alle seine Patronen verschossen habe, gab ich ihm noch meinen Revolver und einige Patronen, die mir nun doch nichts mehr nützen konnten. Weiteres über das Schicksal meiner Ge⸗ fährten, von denen, als ich zurückblieb, noch keiner verwundet war, vermag ich nicht zu bekunden. Ich selbst wurde halb bewußtlos, hörte noch einige Zeit schießen und blieb selbst in dem hohen Gras den Augen meiner Verfolger verborgen.
Ich mochte vielleicht eine Stunde in dem Grase gelegen haben, als ich von Neuem Stimmen und lautes Schreien neben mir hörte; man schien mich zu suchen und als man mich nicht fand, wurde das Gras ringsumher angezündet. Mir gelang es, aus dem Feuer zu ent— kommen und nachdem ich zwei Tage in der Wildniß umhergeirrt war, ohne Nahrung zu finden, traf ich am 17. September morgens in Ki— pini ein, wo ich von Arabern freundlich aufgenommen wurde. An demselben Tage traf ich dortselbst Kurt Toeppen und Robert Penn dorf, welche mir mittheilten, sie seien einen Tag nach dem Angriff auf uns in Witu gewesen. Sie hätten dortselbst den Sultan, der sich anfänglich hätte verleugnen lassen, gesprochen, derselbe habe ihnen mit⸗ getheilt, an dem ganzen Angriff auf uns sei Küntzel schuld, der zuerst auf den Thorwärter geschossen und uns gewaltfam aus der Stadt Witu entfernt habe.
„Das Mitglied unserer Expedition, Haeßler, war zu der Zeit, als Küntzel am 14. September von Mkonumbi nach Witu aufbrach, in Lamu, um nochmals mit dem dortigen englifchen Konsularagenten wegen des Briefes an den Sultan von Witu Rücksprache zu nehmen.
Carl Horn war von Küntzel in Mkonumbi sammt dem Dolmetscher Jama zurückgelassen worden und ist, wie mir der letztere mitgetheilt hat, am 16. September angeblich auf Befehl des Sultans von Witu unter Beihülfe des Akide von Ukonumbi ermordet worden.
Der Bana Sultana ben Ali, von dem ich bereits früher er⸗ wähnte, daß er uns freundlich gesonnen sei, soll den Mord des Carl Horn zu verhindern gesucht haben.
Der p. Behncke, der Genosse des Joseph Friedrich in Baltia, ist in der Nacht vom 17. auf den 18. September von Wituleuten unter Beihülfe der Leute aus Hansum Arabu, gleichfalls im Witu⸗Sultanate belegen, ermordet worden. Die betreffende Nachricht gelangte durch einen Dhauführer, der von dem englischen Konsularagenten zur Rettung des Behncke abgesandt war, nach Lamu.
Die Reichsangehörigen Schönert und Tost sind von ihrer in der Nähe bei Wangi gelegenen Schamba am 18. September nach Lamu geflohen, da sie in Erfahrung gebracht hatten, daß auch ihre Schamba auf Befehl des Sultans von Witu durch Wituleute niedergebrannt werden sollte. Der Dorfälteste von Wangi oll die zu diesem Zwecke herbeigekommenen Wituleute indeß von der Zerstörung abgehalten
haben. Auf Vorhalt: ᷣ
Dieses ist die volle Wahrheit, die ich jeberzeit mit gutem Gewissen beschwören kann. Mir ist demnach insbesondere nichts davon bekannt, daß Küntzel eine heftige Szene mit dem Sultan oder einem seiner Beamten gehabt hat, in welcher demselben das Recht zur Holzfällung untersagt sein soll. Ich selbst wie die übrigen Mitglieder der Expedition sind stets der Ueberzeugung gewesen, daß der Sultan nichts gegen unser Unternehmen habe. Ich weiß auch nichts davon, daß sich Küntzel den Eingang in Witu erzwungen und den Thorwächter niedergeschossen hat; hätte dies Küntzel gethan, so hätte ich es unbedingt noch in Witu erfahren müssen und bin ich der Ansicht, daß Küntzel gerade so wie ich und meine Begleiter halb gewaltsam zu dem Eintritt in Witu gezwungen worden ist. Irgend welche Gewaltthätigkeiten sind von keinem von uns in Witu vor⸗ genommen worden, und machten wir erst außerhalb der Stadt, nach dem unser Gefährte Urban in der Stadt erschossen worden war und wir Anderen angegriffen wurden, von unseren Schußwaffen Gebrauch.
b. g. u. gez. A. Meuschel. gez. Dietrichs,
gez. von Buri, ö ö . . Konsulatssekretär a. i. als Protokollführer.
Gerichtsassessor.
Anlage 2. Uebersetzung.
Aussage des Herrn K. Toeppen. ; (Diese in englischer Sprache aufgenommene Aussage enthält verschiedene Unklarheiten, welche sich in der Uebersetzung nicht beseitigen ließen.) Lamu, den 19. September 1890.
Begleitet von Herrn Penndorf verließ ich Lamu am Montag, den 15. September 1899 und langte in Mkonumbi am selben Abend um etwa 10 Uhr an. Ich erfuhr, daß dort keine Nachricht von Küntzel eingetroffen war, sah aber Licht in seinem Lager, und man sagte mir, daß ein Europäer daselbst schliefe. Am folgenden Morgen um etwa 4 Uhr 30 Minuten erreichte ich Fugazombi, wo nach 6 Uhr noch keine Nachricht eingetroffen war. Ich erreichte den Hochwald um 19 Uhr und traf 4 Leute, welche ich fragte: ‚Was für Nachrichten?“; sie schienen sehr erschrocken und berichteten, daß alles in Ordnung sei. Die Guropäer und der Sultan seien gute Freunde. Wir marschirten dann nach Utuami, Herrn Bendolph's Platz, und sahen keine mit Gewehren bewaffneten Leute. Die Männer, welche den Platz bewachten, riefen; „Dies ist Bwana Pembe und Bendolph.« Wir gingen weiter und fanden das Haus verbrannt und alles zerstört. Der Aufseher erzählte uns dann von dem Gefecht in Witu. Es kamen nun 4 oder 5 Sol—⸗ daten mit mir, da es gefährlich war, durch das Land zu reisen. Nahe bei NKami trafen wir 4 Wituleute, welche auf dem Wege nach der Küste begriffen waren; sie sagten aber nicht, wohin sie gingen. Wir setzten unsern Weg nach Witu fort und langten dort etwa um 11 Uhr an. Ich begab mich nach dem Hause von Omgri Madi, wo ich zu wohnen pflegte, wenn ich in Witu war. Ein Mann öffnete und ich sah den Sultan und alle angesehenen Leute von Witu (30 oder 40) dort sitzen. Ich nahm meinen Hut ab, legte mein Gewehr
nieder und sprach zum Sultan. Derselbe sagte darauf zu mir und den Anderen, er hätte nicht geglaubt, daß ich wieder nach Witu kommen würde, da Herr Küntzel jedem einen Strick und eine Peitsche gezeigt und gesagt hätte, das sei Soshima“ für Bwana Pembe.
sagte darauf, daß ich keine Furcht vor Küntzel habe, denn ich hätte ihm nichts gethan und er würde mir nichts thun. Ich hätte nur in Mkonumbi gewacht, nachdem Herr Weiß ihn hätte aufbrechen sehen.
Der Sultan erzählte mir darauf Folgendes: „Zuaͤerst kam Herr Küntzel mit Anderen und mit Herrn Haeßler nach Witu und Küntzel verlangte seine eigene Schamba und seine Arbeiter. Der Sultan erwiderte darauf, Küntzel besäße keine eigenen Arbeiter in Witu, er, der Sultan, habe ihm nur solche zum Arbeiten gegeben. Die Weißen, welche im vergangenen Jahre in Utuami gewesen seien, Herr Doerfer oder Herr Pendorff, würden dies bezeugen. Küntzel antwortete darauf: Ihr seid Hunde.‘ Der Sultan bemerkte, er würde die Erlaubniß zum Abholzen des Waldes nicht ertheilen, Küntzel würde daher besser thun, sich zu entfernen. Küntzel und Haeßler kehrten darauf nach Mkonumbi zurück. Der Sultan ließ seinen Leuten daselbst sagen, sie möchten denselben keine Lebensmittel verkaufen; darauf aber hörte er, daß sie Ge⸗ walt brauchen und kämpfen wollten, und da er dies zu vermeiden wünschte, ließ er seinen Leuten sagen, fie möchten ihnen alles verkaufen, was sie verlangten. Er sandte Omari Madi mit einem Briefe ab, wünschte aber nicht, daß die Europäer nach Witu kämen. Küntzel sandte darauf Omari nach einem Orte in der Rähe des Waldes und wies sie an, eine Banda“ (Schuppen) zu errichten. Als der Sultan dies hörte, sendete er Leute nach' diesem Srte und ließ den Herren sagen, sie möchten nach Witu kommen. Sie kamen und er überließ ihnen ein Haus zur Wohnung und sandte ihnen Lebensmittel. Die Witu⸗Leute erzählten dem Sultan, daß sie und die Herren sich freundlich entgegenkämen und keinen Streit miteinander hätten Der Sultan wußte, daß Küntzel wie ein Rasender sei, und daß, wenn er anlangte, es ein Gefecht geben würde. Er ließ daher die Herren nach seiner Baraza kommen und sandte nach ihrer Ankunft Leute nach ihrem Hause, um ihre Waffen nebst Munition fortzunehmen. Auch befahl er ODmart Madi, wenn Küntzel in die Stadt käme, ihm feine Waffen zu nehmen; Omari wollte dies aber nicht thun, da Küntzel sein Freund gewesen sei, So kamen Küntzel und die Anderen mit ihren Waffen. Der Sultan ließ nun Küntzel sagen, er müsffe in Witu warten, bis er ein Schreiben vom Konsul in Lamu beigebracht habe. Küntzel ging darauf nach dem Hause, wo die Anderen sich befanden, weigerte sich indessen, irgend etwas anzunehmen. Am nächsten Morgen ging Küntzel in der Straße umher, stieß in suahelischer Sprache Flüche gegen den Sultan aus, nannte ihn einen Hund c. und sagte, der Sultan habe gar nichts zu sagen, und er brauche seine Erlaubniß nicht, um irgend etwas zu thun. Küntzel sagte, er fei zum Kampfe bereit, der Sultan würde gut thun, sich auch bereit zu machen, fein Gewehr sei ebenso gut, wie das des Sultans. Küntzel äußerte mehr⸗ mals zu Omari Madi, daß er zum Kampf bereit sei und nur auf einen Vorwand warte, um denselben zu beginnen. Als Küntzel bei der Flaggenstange stand, wollten die Soldaten ihn tödten, der Sultan aber hielt sie zurück, da er keinen Europäer in seiner Stadt tödten wollte, und da Küntzel's Worte ihn nicht ver— letzen könnten. Omari Madi kam nun und theilte dem Sultan mit, Kuͤntzel wolle sich entfernen und nicht auf irgend welche Schreiben warten. Der Sultan erwiderte Omari Madi, er möge Küntzel sagen, es sei besser, daß er in Frieden ginge und die Stadt verließe.
Als Omari das Haus verließ, hörte er einen Schuß neben dem Stadtthor. Er befahl den Soldaten, nicht zu feuern, aber diese wollten nicht hören und erwiderten: „Sie schießen auf uns und wir wollen auf sie schießen. Der Sultan sendete zwei Andere, um dem Feuern Einhalt zu thun, aber die Soldaten wollten nicht gehorchen.
Folgendes wurde dem Sultan von den Soldaten erzählt, denn er befand sich im Hause und konnte nicht selbst sehen, was vorfiel:
Als Küntzel mit seinen sieben Leuten das Haus verließ, hatten sie zusammen zwei Gewehre und drei Revolver; er kam an das Gitter und versuchte die Querbalken zu entfernen. Der Thorwächter sagte zu ihm: Warte, bis ich des Sultans Erlaubniß empfangen habe, Dich passiren zu lassen; Küntzel ergriff darauf seinen Revolver und schoß den Wächter sofort nieder; er liegt innerhalb der Stadt be—⸗ graben. Küntzel nahm darauf die Querbalken fort und ging durch das Thor. Darauf feuerten alle Wituleute auf einmal. Vier Beutsche wurden sofort getödtet, einer innerhalb und einer außerhalb des Gitters. (27) Vie Uebrigen wurden von den Sultankleuten verfolgt; der Sultan versuchte vergeblich dies zu verhindern. Drei der Uebrigen wurden etwa eine Stunde von Witu getödtet. Ueber den achten konnte man nichts in Erfahrung bringen. Küntzel wurde zuletzt getödtet, von mehreren Kugeln und vielen Pfeilen getroffen; als er fiel, rief er aus: „Basi Bunduki“ „Amini, Amini“. Die Sultansleute kamen heran und forderten ihn auf, seinen Revolver fortzuwerfen, was er auch that; er verlangte darauf zum Sultan gebracht zu werden, starb aber nach wenigen Minuten (vermuthlich durch Pfeilgift); sie ließen ihn daselbst liegen. ( Der Sultan sagte mir darauf, daß er den Vorfall aufs Tiefste bedauere, er habe seinen Leuten nicht befohlen, zu feuern oder Küntzel irgend etwas zu Leide zu thun; alle Anderen seien sehr gut und freundlich gewefen, nur Küntzel habe den Kampf, gewollt und die ganze Sache veranlaßt. Der Sultan schüttelte mir die Hand und entfernte sich. . 9. ; ;
Nach der Vespermahlzeit ließ ich den Sultan um die Erlaubniß bitten, die gefallenen Deutschen zu beerdigen. Er erwiderte, daß er dieselbe gern ertheilen würde, daß aber die Soldaten des Akida und die Medizinmänner es nicht erlauben wollten, weil es nicht gebräuchlich sei, Leute zu beerdigen, welche ihren Sultan in irgend einer Weise verletzt hätten. Ich ging später aus und sah die vier Männer außerhalb des Gitters; sie waren ganz nackt, aber in keiner Weise verstümmelt; die übrigen sah ich nicht. Am nächsten Tage wollte ich in der Sache etwas thun, mußte aber abreisen. Der Sultan ließ mir sagen, er wünsche, daß ich nach Mombassa und Sansibar mich begebe, gab mir ein Schreiben an Sie (Herrn Pigott) mit und sagte mir, ich solle Ihnen den Vorfall erzählen. Er wünschte, ich möchte sofort abreisen, da viele Fremde in der Stadt seien und uns tödten könnten. Durch Mkonumbi zu reisen, wollte er mir nicht gestatten, weil dort dichter Wald ist und es vielleicht nicht sicher sei; er gab mir darauf 10 Askaritz und nachdem wir gegessen hatten, brachen wir um 11 Uhr Vormittags nach Kipini auf; etwa 2 Stunden vor Kipini sahen wir die Fuß⸗ spuren eines Europäers. Als ich mit der Eskorte in die Nähe von Kipini kam, ging ich direkt nach der Baraza des Akida; er war sehr freundlich und gab mir eine Wohnung. Nach etwa einer halben Stunde kam Herr Meuschel herein. Ich miethete eine Dhau und wir schliefen an Bord, segelten von Kipini um 6 Uhr Vormittags ab und langten in Lamu am Donnerstag um 3 Uhr Nachmittags an.
Anlage 3.
Uebersetzung nach einer flüchtigen (rough) englischen Uebertragung.
Von Sultan Fumo Bakari ben Sultan Witu. Nach Salgams: .
Ich empfing Ihr Schreiben, worin Sie mich in Betreff der getödteten Europäer befragten. Von Anfang an, als Küntzel anlangte, suchte ich ihn aufzuhalten, zuerst in Mtonumbs, von wo meine Leute mir seine Ankunft mittheilten. Ich ließ ihn holen und sah ihn, als er kam. Er erzählte mir, daß er hier arbeiten und ein Haus bauen wolle; er käme mit 11 Europäern. Ich erwiderte ihm, daß ich, solange ich unter deutschem Schutz stand, niemalt etwas ohne Er— laubniß der Deutschen gethan hahe. „Geh' jetzt nach Sansihar zum eng⸗ lischen Konsul und bringe mir ein Schreiben von ihm. Wenn er Dir erlaubt, zu bauen, so magst Mu kommen und thun, was Vu begehrst“. Er ging dann nach Mkonumbt zurück, und meine dortigen Unterthanen schrieben mir, daß er bort baue. Ich sandte einen Brief, um ihn daran zu verhindern; altz meine Unterthanen dies thaten, wollte er
egen sie kämpfen. Darauf schrieben sie mir und ich sandte Omgri Madi mit Briefen. Omari Madi berichtete mir, daß er die Europäer
gesehen Und ihnen meinen Auftrag überbracht habe. Sie hörten aber nicht darauf. Küntzel sandte sechs von seinen Leuten mit ihren Trägern, um mit Gewalt“ zu bauen. Darauf schickte ich Soldaten ab, um die Leute zu mir zu bringen. Sie kamen zur Stadt und ich gab ihnen ein Hautz zur Wohnung. Am Abend kam Küntzel mit Omgri Madi in die Stadt; er ging zu seinen „Brüdern“ und führte eine ungeziemende Sprache. — Am Morgen, altz sie erwachten, kam er auf meine Flaggenstange zu; dort stieß er Schmähreden aug, wäbrend sich alle Askaris und viele Leute dafelbst befanden. Das Volk wollte mit ihm Streit anfangen; ich verhinderte dies aber und befabl, ihn in Ruhe zu lassen. Sie verlangten Erlaubniß, nach Mkonumbi zu gehen; ich sagte ihm, ich würde an den Konsul in Lamu schreiben und seine Antwort erwarten. Als ich ihm dies sagte, beschimpfte er mich noch mehr. Ich schrieb Ihnen am 29. Saffr (15. Sep— tember), daß ein Europäer hierher gekommen sei und daß ich ihn zurückgehalten hätte; wenn er mit Gewalt ginge, so könnte ich ihn nicht hindern, ich würde ihn gehen lassen. Bieser Brief wurde um 1Uhr (7 Uhr früh) abgesandt Um 4 Uhr (10 Uhr Vormittags) ging er mit Gewalt. Ich sandte darauf Omari Madi, welcher ging und zu ihm sprach; er wollte aber nicht hören und beschimpfte mich. Darauf redete Smari mit ihm und versuchte, ihn bineinzuholen. Er ging aber hinaus, bevor ich es erfuhr; er schlug*) einen Mann und stieß ihn zu Boden, dann schlug er einen anderen, und der Askari wollte nicht ruhig zusehen, als er seine Ge—= nossen zu Boden geschlagen sah. Darauf hörte ich Schüsse. Ich sandte Leute, um die Streitenden zu trennen. Der Abgesandte sah einen Europäer fallen und auch meine Leute fielen. Ich konnte sie nicht zurückhalten. Die Nachricht, daß drei Europäer in Wanga getödtet worden sind, habe ich nicht vernommen. Wit 4. Saffr 1308. itu, 19. September 1890 Empfangen in Lamu am 20. September 1890. gez.: J. P. W. Pigott.
9 Dag gebrauchte Wort „piga“ kann „schlagen“ oder schießen“ bedeuten.
Hessen.
Darmstadt, 25. Oktober. Sicherem Vernehmen der „Darmst. Ztg.“ zufolge wird sich Se. Königliche Hoheit der Erbgroßherzog nächsten Dienstag, den 28. Oktober, zum Besuch der Landes⸗Universität nach Gießen begeben.
Braunschweig.
Braunschweig, 26. Oktober. Se. Königliche Hoheit der Prinz Albrecht von Preußen, Regent des Herzog⸗ thums Braunschweig, hat, wie ‚W. T. B.“ meldet, Ihren Königlichen Hoheiten dem Herzog von Connaught und dem Erbgroßherzog von Sachsen das Großkreuz des Ordens Heinrich's des Löwen verliehen.
Ein Comité, an dessen Spitze der Ober⸗Jägermeister von Veltheim-⸗Destedt steht, erläßt mit Rücksicht auf den Ausfall der letzten Reichstagswahlen einen Aufruf zur Bil— dung eines konservativen Vereins für das Herzog— thum Braunschweig. Die konstituirende Versammlung ist auf den : November in Braunschweig anberaumt.
Sachsen⸗Altenburg.
X Altenburg, 25. Oktober. Ihre Hoheit die Herzogin traf heute mit Gefolge zum Winteraufenthalt im hiesigen Residenzschlosse wiederum ein, während Se. Hoheit der Herzog in Folge von Ischias, die Höchstdenselben bereits an der Theilnahme an den Blankenburger Hofjagden leider behindert hatte, gezwungen ist, bis zu eintretender Besserung in der Sommerresidenz Hum mels ha in zu verbleiben.
Sachsen⸗Coburg⸗Gotha.
Coburg, 26. Oktober. Ihre Kaiserlichen Hoheiten die Herzogin von Edinburg, der Großfürst und die Großfürstin Wladimir von Rußland sind gestern Abend aus Stuttgart hierher zurückgekehrt.
Anhalt.
Dessau, 25. Oktober. Se. Hoheit der Herzog ist, nach dem „A. St.⸗A.“, gestern von Ballenstedt hierher zurück⸗ gekehrt.
Schwarzburg⸗Sondershausen.
Sondershausen, 25. Oktober. Se. Durchlaucht der Fürst ist, nach dem Reg. u. Anz. Bl., heute Morgen im besten Wohlsein aus Wiesbaden hier wieder eingetroffen.
Hamburg.
Hamburg, 26. Oltober. Der an die Bürgerschafts⸗ mitglieder zur Vertheilung gekommene Entwurf des Staatsbudgets zeigt, wie der „Hamb. Corresp.“ mittheilt, ein Wachsthum gegen 1890 von 3 866 780 M6 01 3. Die Einnahmen sind auf 55 341 452 S6 91 3, die Ausgaben auf 55 889 634 SM 90 3 gegen 52022 854 ½ 89 8 für 1890 geschätzt, sodaß ein Defizit von 548 181 6 99 8 gegen 494 509 M 47 F für 1890 zu decken bleibt.
Oesterreich⸗Ungarn.
Wien, 27. Oktober. Die Königin von Rumänien ist, wie „W. T. B.“ berichtet, gestern früh aus München hier eingetroffen und im Hotel „Impérial“ abgestiegen. Vor⸗ mittags machte dieselbe der Erzherzogin Maria Theresig einen einstündigen Besuch und fuhr am Nachmittag nach Baden zum Besuch der auf Schloß Weilburg wohnenden Mitglieder des Kaiserlichen Hofes. Der Kaiser Franz Jo seph hatte inzwischen der Königin einen Besuch im Hotel abgestattet. . ö
Die Ausgleichs-Kommission des böhmischen Landtages berieth in ihrer Sitzung am Sonnabend §. 17 des Entwurfs, betreffend den Wirkungskreis des Landes⸗ kulturraths. Der Abg. Dr. Kutschera beantragte für §. 17 die nachfolgende Fasungt. . .
„Es gehören demnach insbesondere in seinen Wirkungskreis 1) In den angeführten Angelegenheiten a über Aufforderung der Regie rung oder der Landesvertretung Gutachten zu erstatten, b. an die Regierung oder Landesvertrerung selbständige Anträge zu stellen; 2) die Regierung und die Landes vertretung bei sämmtlichen im Interesse der Landeskultur des Königreichs Böhmen unternom- menen Verfügungen zu unterstützen; 3) die Thätigkeit jener Vereine des Königreicht, welche die Pflege und Förderung der Landeskultur überhaupt oder einzelner Zweige oder Industrien derselben zur statuten mäßigen Aufgabe haben, zu unterstützen; 4) die Angelegenheiten der landwirthschaftlichen Lehranstalten im Königreiche zu besorgen.
Bei der Abstimmung wird der Antrag Kutschera in allen fünf Punkten einhellig (auch die Deutschen stimmten dafür)
angenommen.
Großbritannien und Irland.
London, 25. Oktober. Die „London Gazette“ verxöffent⸗ lichte gestern die Königliche Proklamation, welche das Parlament auf den 25. November einberuft.
Die Ernennung einer britischen Kommission, in Gemeinschaft mit der französischen Regierung, zur Absteckung der anglo⸗-französischen Grenzen am Gambia und Sierra Leone in Gemäßheit des Ar⸗ tikel V des westafrikanischen Abkommens zwischen den beiden Ländern vom 1. August 1889 wird nunmehr offiziell gemeldet. Seitens Englands ist der Major Peacock für den Sierra Leone⸗Theil und Kapitän Kennedy für den Gambia⸗ Theil ernannt. Sie werden je von einem Arzt und einem kleinen Vermessungspersonal, einer kleinen Eskorte kolonialer Polizei und den nöthigen Gepäckträgern begleitet sein. Die Aufgabe der Kommissarien wird auf die Grenzabsteckung streng beschränkt sein, mit Fragen der Handelsförderung werden sie sich nicht befassen.
Der Graf von Paris ist am 24. d. Abends in Montreal (Canada) eingetroffen und, der „A. C.“ zufolge, enthusiastisch empfangen worden. Die besonderen polizeilichen Vorsichtsmaßregeln verhinderten jede feindliche Kundgebung. Fast die ganze Polizeimannschaft der Stadt war am Bahnhofe anwesend. Die Studenten der französischen und englischen Universitäten hatten sich sehr zahlreich zur Begrüßung des Grafen eingefunden.
Frankreich. Paris, 27. Oktober. Der Ministerrath hat, dem „W. T. B.“ zufolge, in seiner am Sonnabend abgehaltenen Sitzung die Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs begonnen, welcher die ständige Verproviantirung der festen Plätze anordnet.
Das „Journal officiel“ vom 24. d. M. veröffentlicht den Erlaß des Präsidenten Carnot, welcher den Ädmiralitäts⸗ rath abschafft und an dessen Stelle einen Ober-Marine⸗ rath und drei Stellen von General-Inspecteuren der Marine errichtet, die mit zwei Vize⸗Admiralen und einem Contre⸗Admiral besetzt werden. Dem einen der beiden Vize— Admirale werden die Arsenale, die Marine⸗Anstalten außer⸗ halb der Häfen Frankreichs, die Reserveschiffe und die Schul⸗ schifff und Marineschulen unterstellt. Der andere Vize⸗ Admiral hat die Mobilmachung der Eingeschriebenen und die Mannschaften der Flotte zu überwachen. Der Contre— Admiras beaufsichtigt den unterseeischen Vertheidigungs⸗ dienst. Die Inspektoren werden für zwei Jahre ernannt. Durch Erlaß vom 21. Oktober sind zu diesen Aemtern ernannt worden: die Vize⸗Admirale Devarenne und Olry und der Contre⸗Admiral de la Jaille. Der Ober— Marine⸗Rath, welcher den Admirals⸗Rath ersetzt, besteht aus fol⸗ genden acht Mitgliedern: dem Marine⸗Minister als Vor— sitzenden, dem Vize⸗Admiral und Ober⸗Befehlshaber der Flotte, fünf Vize-Admiralen und Seepräfekten und dem Chef des Generalstabes des Marine⸗Ministers. Die Direktoren der verschiedenen Dienstzweige des Marine⸗Ministeriums sowie die hohen Beamten können mit berathender Stimme zugezogen werden.
Die Deputirtenkammer setzte am Sonnabend die Berathung des Budgets ohne besonderen Zwischenfall fort.
Der Gesetzentwurf zu dem General-⸗Zolltarif ist der Kammer zugegangen. Nach demselben sind, wie bereits ge⸗ meldet, ein Maximaltarif und ein Minimaltarif aufgestellt. Der Entwurf ermächtigt außerdem die Regierung, Zuschlags⸗ zölle oder ein Prohibitivsystem gegenüber allen oder einem Theil der aus Ländern entstammenden Waaren anzuwenden, welche zur Zeit oder in Zukunft Zuschlagszölle oder Prohibitivmaßregeln in Be⸗ treff französischer Waaren in Anwendung bringen. In Betreff der Cerealien und des Viehs behält sich Frankreich freie Hand vor; für Vieh tritt an Stelle des Zolls per Haupt ein Zoll nach dem Gemicht. Wolle und Häute bleiben zollfrei. Cocons und verarbeitete Seide wird besteuert, nicht aber rohe Seide. Eier und Butter werden künftig tarifirt; die Zölle auf die Erzeugnisse des Fischfanges werden erhöht; Oelsamen werden verzollt; die Zölle von Oelen erhöht; Wolle, rohe Baumwollen, Leinsaat, Hanf und Jute bleiben zollfrei; die Zölle auf Hölzer werden erhöht. Für Kohlen sind die bisherigen Zölle beibehalten; die metal⸗ lurgischen Zölle werden verändert, diejenigen auf Stahl er⸗ mäßigt; chemische Erzeugnisse bleiben unverändert; fremde Weine werden je nach ihrem Alkoholgehalt versteuert; die Zölle auf Bier werden erhöht; gewebtes und gesponnenes Leinen und Hanf, sowie die Erzeugnisse der Baumwoll⸗Industrie werden dem Schutztarif vom Jahre 1881 unterstellt. Ton außereuropäischen Erzeugnissen, welche jedoch aus europäischen Ländern eingeführt werden, bleiben australische Wollen, indische Baumwolle und Jute von einem Zuschlagszoll frei.
Das „Journal des Débats“ bedauert es, daß die Regierung der Kammer nicht lediglich einen Maximal⸗ tarif vorgelegt hahe, welcher allein rationell gewesen wäre, während bei der Anwendung des Minimaltariss jede Modi⸗ fikation den Charakter einer feindseligen Maßregel annehmen müßte. Die Reform des Zollregimes beginne mit der Abdikation der Regierung, welche sie unternommen habe.
Die „Liberté“ und andere Blätter sprechen sich gegen die Idee eines gegen Amerika gerichteten europäischen Zoll vereins aus. J
Zwischen der griechischen und französischen Regie⸗ rung ist ein vorläufiges kommerzielles Abkommen ge⸗ schlossen worden. Erstere bewilligt der französischen Regierung nicht nur die Anwendung der niedrigsten Tarife, sondern noch eine Verminderung von 30 Proz, auf Spitzen, 50 Proz. auf Sammet, Seide und Parfumerie⸗Artikel. Weine . frei ein. Die französische Handelsmarine wird alle die özortheile genießen, welche der Schiffahrt der meistbegünstigsten Nationen eingerdumt sind. Im Austausch hierfür wird Griechenland bis zum J. Februar 1892 die Anwendung eines Konventional⸗ Tarisß eh e, ooo auf die Fragen der Kommission für die Regelung der Arbeits verhältnisse eingegangenen Ant— worten haben sich, nach der „Köln. Ztg., Zäh für einen Ärbeitstag von 8 Stunden ausgespröoͤchen, 5h00 sind jeder siaatlichen Regelung abgeneigt und 10 090 befürworten einen längern Arbeitstag von 9, 16, 11 und 12 Stunden;.
Das Journal „Paris meldet, die französische Regierung werde die Aufmerksamkeit Englands auf den Angriff lenken, welcher gegen die Expedition Mizon auf dem Niger stattgefunden hat, und verlangen, daß die englische Fiegierung für die Sicherheit der Reisenden in den unter ihrem Protektorat stehenden Gebieten Sorge trage.
Dem „Journal des Debats“ wird aus Batah (an der Küste des Golfs von Guinea) gemeldet, daß Spanien die Okkupation des Benitogebiets vorbereite, deshalb seien
die früheren französischen Posten daselbst wieder hergestellt
worden. Der Administrator von Brazza wille, Cholet, habe während seiner Forschungsreist am Sanghaflusse mit verschiedenen Häuptlingen Verträge abgeschlossen, welche ihre Gebiete unter französisches Protektorat gestellt hätten. Die Bevölkerung dieser Gebiete sei friedlich und handel⸗ treibend. . . .
Die russische Fregatte Minin“ ist am 25. d. M. in Cherbourg eingetroffen und wird nach einem mehrtägigen Aufenthalt nach den Antillen weitergehen.
Rußland und Polen.
St. Petersburg, 27. Oktober. Der Kaiser und die Kaiserin empfingen am Freitag den serbischen Obersten Tscholak Antitsch. . . . —
Der neu ernannte schwedische Gesandte von Reuter⸗ skiöld ist hier eingetroffen. . .
Der russischen „St. Petersburger Zeitung“ zufolge würde der Präsident der französischen Republik Carnot im Mai 1891 über St. Petersburg nach Mos kau reisen, um der Eröffnung der dortigen französischen Aus— ste lung beizuwohnen. Sodann würde Carnot das Wolga⸗Gebiet, den Kaukasus und die Krim besuchen. — Demselben Blatte zufolge wäre die Frage wegen Auflösung der bestehenden Militärbezirke und Bildung dreier selbständiger Armeen, einer Nord⸗, einer West- und einer Süd⸗Armee, neuerdings wieder angeregt. . . -
Der „Börsenzeitung“ zufolge soll die Kommission für die Revision des Zolltarifs ihre Arbeiten noch in diesem Winter beenden, damit ein entsprechender Gesetzentwurf dem Reichsrath noch in der laufenden Session vorgelegt werden könne.
Die Kommission des Reichsraths zur Ventilirung der Frage, betreffend die Erbauung einer sibirischen Bahn, hat sich, wie das amtliche Blatt meldet, dahin ausgesprochen, daß die Bahn durch die Krone allmählich nach Maßgabe der vorhandenen Mittel gebaut werden möchte.
Italien.
Wie die „Italie“ meldet, hat sich in Mailand eine italienisch-ostafrikanische Gesellschaft, mit einem Kapital von 20 Millionen Lire definitiv konstituirt. Die Regierung werde die Zinsen garantiren und den Gründungsentwurf bei der Kammer mit dem Antrage auf Dringlichkeit einbringen.
Schweiz.
Bern, 27. Oktober. Bei der gestrigen Volksabstim⸗ mung ist, dem „W. T. B.“ zufolge, die Revision der Bundesverfassung Behufs Einführung der staat⸗ lichen Unfall- und Krankenversicherung, soweit bis jetzt zu ersehen, mit großer Mehrheit angenommen worden. Nach der bisher bekannten Zählung sind 227086 Stimmen dafür und 12 947 Stimmen dagegen abgegeben worden; von ?22 Kantonen haben 211 für, der Halbkanton Appenzell und Innerrhoden da⸗ gegen gestinmt. Das Ergebniß der Nationalrgthswahlen ist noch nicht vollständig bekannt. Die sozialdemokratische Partei ist in Zürich und Bern unterlegen und kommt in Basel Stadt zur Stichwahl. Die Bernische konservative Volkspartei ist vollständig unterlegen. Die Freisinnigen haben ihrer bis⸗ herigen Zahl gegenüber 4 Stimmen gewonnen. So weit bis jetzt bekannt, sind 6 Stichwahlen erforderlich; unter den Ge⸗ wählten befinden sich 23 Neugewählte.
Niederlande.
Haag, 25. Oktober. Nach dem heute im „Staats⸗ Courant“ veröffentlichten Bulletin ist der Kräftezustand des Königs trotz der vorhandenen Schwäche ziemlich zufrieden⸗ stellend, doch dauern die Störungen der Gehirnthätigkeit fort. Wegen der den Generalstaaten in der am nächsten Dienstag stattfindenden gemeinsamen Sitzung beider Kammern zu machenden Mittheilungen begeben sich der Justiz⸗ Minister und der Minister der Kolonien heute nach Schloß Loo, wo heute abermals eine ärztliche Kon⸗ sultation stattfindet.
Belgien.
Brüssel, 26. Oktober. Die „Indépendance belge“ glaubt, zu wissen, daß die Regierungen der größeren europäischen Staaten gegenwärtig bei der niederländischen Regierung in vertraulicher freundschaftlicher Weise Schritte thun, um sie zu bewegen, sich mit dem Projekt, betreffend die Einführung von Einfuhrzöllen nach dem Congo— staat, einverstanden zu erklären.
Bei den heutigen Kommunalraths⸗-Stichwahlen zwischen 3 Kandidaten der liberalen Vereinigung und 3 Kan⸗ didaten der liberalen Liga wurden 1 Kandidat der letzteren und 2 Kandidaten der liberalen Vereinigung gewählt. Nach Verkündigung des Wahlresultates fanden vor dem Lokal der Liga feindselige Kundgebungen statt, wobei es zu Thätlich— keiten kam.
Türkei.
Konstantinopel, 27. Oktober. In dem am 24. d. M. endeten Hochverrathsprozeß gegen 10 Armenier wur⸗ den, wie die „Agence de Const.“ meldet, 4 der Angeklagten zum Tode verurtheilt, die Uebrigen erhielten Kerkerstrafen von verschiedener Dauer. Die Beschuldigten gehörten einem Revolutions-Comité an, welches die Konstituirung der Un⸗ abhängigkeit Armeniens bezweckte und sich revolutionärer Handlungen schuldig gemacht hatte. Einer der Angeklagten hatte den Mordversuch gegen einen Priester während des Gottesdienstes in der Kathedrale von Kumkapu gemacht. Bei der Verhaftung eines anderen der Angeklagten wurden in seinem Besitz Schriftstücke revolutionären Charakters vor⸗ gefunden. . . ö
Auch der gestrige Sonntag, an welchem wiederum die griechischen Kirchen geschlossen blieben, ist ohne Zwischenfall verlaufen. Wie verlautet, wäre ein CGinvernehmen zwischen der Pforte und dem Patriarchat erzielt, welches durch ein Irade heute sanktionirt werden solle. Danach würden die Kirchen morgen, Dienstag, wieder geöffnet werden. Die Nachricht, die Pforte hätte die polizeiliche Oeffnung der Kirchen verfügt, wird als unrichtig bezeichnet.
Griechenland.
Athen, 27. Oktober. Die gestrigen Wahlen zur Deputir ten kammer verursachten hier große Aufregung. Die ganze Nacht hindurch fanden lebhafte Kundgebungen in den Straßen, jedoch keinerlei Störung der Ordnung statt. Beide Parteien machten die äußersten Anstrengungen, um den Sieg zu erringen. — Wie ein Reuter'sches Telegramm melbet, hat