1890 / 266 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 04 Nov 1890 18:00:01 GMT) scan diff

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lagen Nachrichten vor, daß daselbst in ganzen Bezirken

ein won d Fehlschlag eingetreten sei, auch in Schottland wird außerordentlich geklagt und demgegenüber wird die bessere englische Kartoffelernte wohl kaum einen Ausgleich bieten können, zumal auch Amerika eines Kartoffelzuschufses aus Großbritannien sich wird bedienen müffen. In Deutschland aber ist der Kartoffel ertrag sehr mangelhaft, und die heutigen Preise, wesche doppelt so hoch sind als gleichzeitig im Voriahre, ,. daß allzu viel über den eigenen Bedarf hinaus kaum gewonnen ist. ; ö.

In . r cht die amtliche Ernteschätzung sich Anfang Sep⸗ tember soweit ermäßigt, daß man die Gesammternte in Weizen nicht viel mehr über 460 Millionen Bushels gegen 490 Millionen im Vorjahre bezifferte, und zwar, 255 Millionen gegen 332 Millionen Winterweijen und 149 Millionen Bushels gegen 158 Millionen Sommerweizen. Von Mais hatte ein Areal von ga. 2 800 000 Aeres wegen vollständigen Verderbens der Frucht umgeackert werden müssen, der Stand des Mais war mit 704 5/0 des Durchschnitts angegeben, sodaß nur etwa 1600 Millionen Bushelg gegen 2100 Millionen im Vor- jahre von dieser Getreideart gewonnen sein dürften. Die Ablieferungen der amerikanischen Farmer waren bisher wesentlich schwächer, als in den Vorjahren, immerhin zeigten sie aber von Woche zu Woche eine Vermehrung. Der Export der atlantischen Häfen der Vereinigten Staaten war für Getreide außerordentlich schwach, trotzdem die Fracht nach Guropa eine sehr geringe war und im letzten Monatsdrittel überhaupt nicht kostete. Denn in Erwartung der Mac Kinley ⸗Bill waren große Mengen Güter noch nach Amerika übergeführt, den Schiffen aber fehlte jegliche Rückfracht und wurde Getreide als Ballast gern zur Beförderung genommen. =

Troh der schwachen Ausfuhr der atlantischen Häfen zeigte die offizielle Ziffer der kontrolirten Vorräthe für den September eine

Verringerung und seit dem 1. August stellen sich die Abänderungen gleichfalls in einer Verminderung von über 800 000 Bushels dar, während zur selben Zeit 1889 eine Vermehrung von 3 Millionen Bushels und in 1888 von 9 Millionen statthatte.

Was den Handel der Vereinigten Staaten an den dortigen , betrifft, so gab es im September nur eine kurze Jeit der Aufregung. Es war dies nach Bekanntwerden der oben er⸗ wähnten schlechten Erntezahlen, in Folge deren die etwas kleinlaut gewordene Haussepartei von Neuem ihre Zeit gekommen glaubte. Innerhalb zweier Tage wurden die Preise um 6 Cents erhöht, und wer weiß, wie weit der Taumel wieder gegangen wäre, wenn nicht die derjeit sich so empfindlich geltend machende Geldknappheit an den amerikanischen Märkten starke Realisationen er⸗ zwungen hätten. Hierzu kam bald darauf der Sturz eines der größten dortigen , , ,, der allerdings nicht in Folge von dessen Getreide Engagements, sondern durch ander- weilige verfehlte Spekulationen hervorgerufen war, und dies genügte im Verein mit der völligen Theilnamlosigkeit Europas an den amerikanischen Vorgängen, die Spekulation für den weiteren Verlauf des September niederzuhalten. Diese Theilnahmlosigkeit Europas hatte ihre guten Gründe. Die fehlende Zufuhr aus Amerika machte sich in keiner Weise bemerklich, denn Europa fand in Europa selbst, und zwar namentlich in den Donauländern und Rußland, so reich⸗ lichen Ersatz, daß in England sich ein großer Ueberfluß ansammelte.

Besonders die Don auländ er entwickelten eine außerordentliche Verschiffungsthätigkeit, denn die dortige Ernte war eine sehr reichliche, die Qualitat des diesjährigen rumänischen Weizens aber eine so un gewöhnlich gute, daß er speziell Seitens der ziemlich wählerischen englischen Mühlen gern gekauft wurde. Für England und Belgien allein waren zeitweise im September gleichzeitig ca. 0 Dampfer in den Schiffahrtslisten als schwimmend verzeichnet.

Auch Rußland hat sich mit Verschiffungen im September nicht säumig gezeigt, und besonders Odessa verlud große Partien Weizen. Es warteten im dortigen Hafen in Folge früherer Charterung eine so große Anzahl von Schiffen auf ihre Getreidefracht, daß thätsächlich sie nicht alle in den Hafen hinein konnten. Es erscheint zweifel⸗ los, daß ein großer Theil der Ausfuhr durch frühere Blankoverkäufe erzwungen war. Im letzten Theil des Monats kam die Rubelhausse zum Stillstand, die Valuta ging zeitweise zurück; damit trat auch der Einfluß der Rubeleourse für den Getreidehandel etwas mehr in den Hintergrund. Rußland trat auch mit neuen Offerten vermehrt hervor, und besonders in Roggeg war die Konkurrenz Skandinaviens, der Niederlande und Deutsch⸗ lands im Einkauf so groß, daß die Preise sich für diese Getreideart außerordentlich hoch bielten, und der Bedarf nach keiner Seite voll befriedigt werden konnte. Der Export Rußlands betrug in den Wochen endend am: ;

Weizen Roggen Hafer 1890 1889 1899 1889 1890 1889 Septbr. Quarters Quarters Quarters

M. 281 894 196 358 155 2560 45170 141 100 54451

20. 429 242 250282 107 877 121 993 117100 221 310

13. 28 485 195 200 124297 123 562 165 930 98 900

6. 247 204 148 672 83520 125 245 161 000 203 900 zusammen 1186 82 740 512 460 8939 415 900 585 130 575 5561

Ueber die Ernte Rußlands liegt eine Mittheilung vor, welche nach Konstatirung vielfacher Erdruschenttäuschungen im Wintergetreide doch hoch zu folgenden Zahlen kommen: Roggen 863 Mill. Pud gegen 594 im Vorjahre, 822 in 1888 und 764 in 1887; Winterweizen 121,8 Mill. Dud gegen 45 im Vorjahre, 189,2 in 1888 und 141,1 in 1387; Sommerwetzen 181,9 Mill. Pud gegen 164,9 im Vorjahre, 239, in, 1888 und 231,2 in 1887. Gerste ist mit 152,4 Mill. Bud um 16 9ο über Mittel geschätzt, und Hafer ergiebt mit 415.5 Mill. . mehr als die beiden letzten Jahre, steht aber binter der 1887 er

rnte um 20 Mill. Pud zurück. Alle diese Zahlen verstehen sich mit Ausschluß Polen, Für das Czarthum Polen ergeben amtliche Er— mittlungen nach Abzug der Aussaat für Weizen eine diesmalige Ernte von 24 Mill. Pud gegen 12 Mill. im Vorjahre, 19,9 Mill. im Jahre 1888 und 30 Mill, in 1887.

England war im September wie schon oben erwähnt, außer⸗ ordentlich reichlich versorgt und speziell in der dritten September woche hatten Großbritannien und Irland die größte Zufuhr, welche das Land je gehabt hatte. Es kamen an den Küsten Großbritanniens und Irlands an fremdem Weizen und Mehl ein in den Wochen

endend am Wei ʒenmehl Ctr.

1889 1890 1889 1556527 242 619 252 417 1235 450 351 434 421 219 1292 881 276564 20816

ö 1482 36 1434644 282 3905 370177 Gleichzeitig war auch die inländische Zufuhr verhältnißmäßig stark; die Versorgung Großbritanniens ftellte fich im September lin Qaarters umgerechnet), wie folgt: 18390 1889 1888

Quarters Quarters Quarters 1572194 1286739 1357 966

371037 423 098 489 308

770 000 735 657 362 616 Gesammt⸗ Versorgung 2 717 75 2 445 494 2 209 890 Englands gleichzeitiger

Bedarf wird geschätzt auf 1 980 000 1955000 1900000 Zunahme der englischen K 733 231 490 494 269 890

27. September 1570 181 29. ö 2365 733 13. ö 1319 664

fremder Weizen.

fremdes Mehl (umgerechnet zu Weijen)..

englischer Weizen

Bestände

Der Geschäfttzgang blieb naturgemäß von dieser Waarenfülle nicht ganz unh einflußt; die Preise für freinde Waare ließen etwas, aber nicht empfindlich nach. Dagegen hatte englischer Weizen, der infolge seiner Knappheit im August noch außerordentlich hoch bezahlt werden mußte, bei reichlicherem Erscheinen neuen Zuwachses erheblich billiger erlassen werden müssen.

In Frankreich waren die Landmärkte im Allgemeinen etwas besser mik neuem Weizen versorgt, doch wurde auch noch Manches

vom Auslande bezogen. Erst als die offizielle Ernteschätzung alle Welt überraschte, verhielten sich die Importeure abwartend. Für die ersten acht Monate stellte sich Frankreichs Einfuhr von

1890 1889 1888

Doppel Ctr. Doppel⸗Ctr. Doppel⸗Ctr.

6 919 698 8 639 061 7124 996

10171 213 413 422 169

180 901 233 249 145 740 In Paris hat die Abwickelung der September Engagements von , , noch einige Schwierigkeiten gemacht und Preise tiegen zum Schluß ganz erheblich. Trotzdem konnte nur soviel Waare herangezogen werden, daß der Pariser Stock von Zwölf⸗

markenmehl sich nur um 2100 Sack vermehrte.

Belgien war ebenso wie England mit ausländischem Weizen, und zwar hauptsächlich mit Donauwaare, allzu reichlich überfüllt, während aber sich in Großbritannien die Ankünfte auf viele große 6 vertheilen, eoncentriren sich dieselben für Belgien in dem einen Hafen Antwerpen, wo sich die Besitzer der Getreidespeicher und die Getreidearbeiter dies zum Schaden des dortigen Geschäftes zu Nutze machen. Sobald die Antwerpener Zufuhren groß sind, steigen Boden⸗ miethe und Entlöschungskosten, und diesmal war dies in so starkem Maße der Fall, daß die Inhaber angekommener Ladungen dieselben gern wesentlich billiger abgaben.

Die Niederlande hatten einen zeitweise recht bewegten Markt für Roggen an der Amsterdamer Terminbörse; man legte hohe Preise an, um von Rußland einiger Roggendampfer habhaft zu werden. Im Verlaufe des Monats kühlte sich aber die Spekulation etwas ab, da vom Norden Rußlands sich die Anstellungen mehrten. Im Allgemeinen zeigt sich die neue Ernte in . noch wenig leistungsfähig, was zum Theil wohl den Feldarbeiten der dortigen Landwirthe, welche dadurch am Dreschen behindert werden, beizumessen ist.

Oesterreich⸗ Ungarn hat in Gerste fortgesetzt guten Export; von Weizen aber will derselbe sich noch immer nicht zu der erhofften Ausdehnung entwickeln. Die Zufuhren der Landwirthe an und für sich sind nicht gerade unbedeutend, allein der eigene Konsum zeigt sich von Vorräthen so entblößt, daß er das Gros in Ablieferungen schlank aufnimmt. Alte Lagerbestände finden sich fast nirgends. In Wien lagerten Ende September:

im Lagerhause der Stadt im Lagerhause der i Unionbank

ien 1890 1889 1890 1889 Dopp. ⸗Ctr. Dopp. Ctr. Dopp.„Ctr. Dopp.⸗Ctr. Weizen 33 233 241 088 3495 59 953 Roggen 8 h01 25 449 928 12278

In Deutschland hatte fast der ganze September gutes Wetter gebracht; von den Landwirthen wurde das günstige Wetter sowohl zur Aufnahme der übrigens mangelhaft gerathenen Kartoffeln als zur Neubestellung der Felder so kräftig ausgenutzt, daß darunter der Aus- drusch von Getreide litt und nicht nur an den Stapelplätzen, sondern auch in den Provinzen selbst ein empfindlicher Mangel der Versorgung eintrat. Am meisten war dies für Roggen der Fall, und dessen hoher Werth gab Anlaß, daß der verhältnißmaͤßig billigere Weizen vermehrt zum Konsum kam und die deutschen Weizenmühlen sich derart mit Aufträgen überhäuft sahen, daß sie nicht im Stande waren, den Andrang zu befriedigen. Die Einfuhr Deutschlands von Weizen hat sich wesentlich gehoben, von Roggen ist sie in Folge der Rubel⸗ hausse sehr zurückgegangen, war jedoch nicht so unbedeutend, wie man gemeinhin annimmt. Im Allgemeinen verschärfte der Septem⸗ ber als Uebergangsstadium von der alten zur neuen Ernte wegen der fehlenden alten Läger die Situation erheblich; doch wird sich erst 5 K in welchem Grade unsere inländische Ernte leistungs—⸗ fähig ist.

Am Berliner Markt hat Weizen keinen Anlaß zu größeren Bewegungen gegeben. Der Preisstand für den Herbsttermin gestattete stärkere Bezüge von Sheriff Weizen aus der Magdeburger Gegend, der, soweit er den Lieferungsbedingungen entsprach, von der Hausse⸗ partei aufgenommen wurde. Dieselbe machte außerdem jedoch wenig Anstrengungen, die Preise zu halten, und so war die Tendenz wiederholt eine matte, da es auch nicht an Realisationen fehlte. Zeitweise befestigend wirkte der Bedarf Schlesiens für Weizen, der von Berlin und Stettin in größeren Posten bezogen wurde, allein von Dauer war dieser nur durch knappe eigene Zufuhren hervor⸗ gerufene und ganz ungewöhnliche Bedarf Schlesiens, von wo Berlin später selbst Zuführen erwartet, nicht; schon in der letzten Monats⸗ woche kamen neue Verkäufe dahin nicht mehr zu Stande.

Roggen hat im September seine ohnehin schon feste Situation noch bedeutend mehr verschärft, da die vorher wenigstens vom In⸗ lande etwas reichlicher gewesenen Zufuhren in Folge der Beanspruchung der landwirthschaftlichen Kräfte auf dem Felde erbeblich nachließen und ein Ersatz durch russische Zufuhr sich um so weniger fand, als die weitere Steigerung des Rubels die russischen Forderungen mehr noch erhöhte als die Berliner Wertbbesserung austrug. Es dauerte daher auch nicht lange, bis der Bedarf gezwungen war, auf das ohnehin nur schwache Berliner Lager zurückzugreifen, welches daher zum Monatsschluß nur noch auf cirea 1200 Wispel sich belief. Die Kündigungen für den Herbsttermin fanden Seitens der Hausse⸗ partei coulante Aufnahme; dieselbe dirigirte die Waare meist nach der Provinz Sachsen. Auch Schlesien zeigte sich mehrfach als Käufer, namentlich war in der Provinz Pommern zeitweise mit so starken Ankäufen vorgegangen, daß dadurch dem Berliner Markte die Zufuhr beeinträchtigt wurde. Als die Rubelhausse zum Still⸗ stand kam, blieb auch ein Rückschlag nicht aus, und in Folge dessen mehrten sich schließlich die Anstellungen des südlichen Rußlands, wie auch der Ostseehäfen. Zu größeren Abschlüssen nach hier kam es indessen auch jetzt noch nicht, denn die Niederlande, namentlich aber Skandinavien, boten eine unüberwindliche Konkurrenz Diese scharfe Situation des Locomarktes ermunterte natur⸗ gemäß die Haussepartei zur Festhaltung ihrer Pyositlan, da sich zunächst wenigstens das Deckungsbedürsnist. voll ständig in ihrer Hand befand. Die Preise zogen für ttober

hoch blileb hierzu Heckungen im

Für spätere Sichten ließen die billlgeren Preise im Verein en starken Besserungen der Valuta spekulailve Kauflust in starkem ervortreten.

Statistik und Uolteimirthschaft. Zur Arhetterbewegung.

Der Rheintsch⸗Westsälische Bergarbeiter ⸗Verband hielt am Sonnabend in Bochum seine zweite ordentliche Delegirten⸗ versammlung ab, welche von ziemlich allen Zahlstellen mit im Ganzen 297 Abgesandten beschlckt war. Schriftführer Beckmann ⸗Gelsen⸗ kirchen erstattete den Jahresbericht. Der Verband hat nach dem selben gegenwärtig 26 551 zahlende Mitglieder; außerdem sind noch 7450 Mitglieder vorhanden, die mit ihren Beiträgen mehr als 3 Monate im Rückstande blieben, sodaß die Gesammt⸗ zahl der Mitglieder sich eigentlich auf 34 31] stellte. Der Zuwachs habe in den letzten drei Monaten allein 3682 betragen. Der Kassirer Meier Bochum legte alsdann Rechnung über das letzte Geschäftsjahr. Er kann, wie wir dem Bericht der „Dortm. Ztg. entnehmen, nur von etwa 20 009 Mitgliedern sprechen, da mindestens 6000 immer als zu oder abgehend angesehen werden müssen. Aber auch noch nicht von 20 000 Mitgliedern sind, die Beiträge regelmäßig gezahlt worden, da sonst bedeutend höhere Summen herauskommen müßten. 20 000 Mitglieder ergeben bei einem monat- lichen Beitrage von 30 3 eine Einnahme von 200 ½ pro Tag gleich 6000 M pro Monat und gleich 77 009 M pro. Jahr. Bis

estern Abend seien indeß erst eingegangen 49 561 S6 Dieser Summe tehe eine Ausgabe gegenüber von 43 264 , sodaß ein Bestand ver⸗ bleibe von, 6zh7 S5. Der verhältnißmäßig geringe figanzielle Erfolg sei auf verschiedene Ursachen zurückzuführen. Zunächst habe biz vor Kurzem das Annonciren in den Lokalblättern

viel Geld weggenommen; das sei aber nun entbehrlich, seitdem das Verbandsorgan allgemeinen Eingang gefunden. Sodann seien auch verschiedene Zahlstellen nicht sparsam genug, um ihren Verpflichtungen gegen die Centralstelle voll nachkommen zu können. Einige Zahl stellen hätten noch nicht einmal 1 pro Kopf an die Verbandskasse abgeführt. Suderwick und Osterfeld beanspruchten sogar noch Geld aus der Centralkasse, weil sie mit ihren Mitteln nicht auskämen. Hr. Brodam⸗Gelsenkirchen berichtete über den Bergarbeitertag in Halle. Hr. Hünninghaus berichtete über die Rechtsschutzerfolge. Nicht weniger als 3560 Briefe und Schutzanträge seien ein⸗ gelaufen; davon seien 161 theils mit, theils ohne Erfolg erledigt. In Sachsen und Lothringen erführen die Be strebungen durch die Geistlichen eine sehr empfindliche Bekämpfung. Es entspann sich dann eine lange, theilweise recht heftige und erregte Auseinandersetzung, die dadurch veranlaßt wurde, daß Brodam⸗ Gelsenkirchen seinen Kameraden Siegel ⸗Dorstfeld angriff. Auch trug zu der erregten Auseinandersetzung ein Angriff Schröders aus Dortmund auf den Verbandsvorstand bei, den der Redner als zu lau bezeichnete. Endlich schritt man zur Vorstandswahl. Als 1. Vorsitzender wurde Schröter Steele gewählt. Der bisherige Verbands kassirer Meier ⸗Bochum wurde einstimmig wiedergewählt, ebenso Beckmann⸗ Gelsenkirchen als Schriftführer. Als zweiten Vorsitzenden wählte man Siegel m Dorstfeld, als Beisitzer die Hrrn. Bauer Weitmar, Funke⸗ Recklinghausen, Schröder⸗Dortmund und Bergmann ˖⸗Wattenscheid. Brodam ⸗Gelsenkirchen, welcher ebenfalls gewählt war, lehnte die Wahl ab. Bei der Wahl des Kontrolausschusses zeigte sich bei mehreren Gewählten ebenfalls eine große Unlust zur Uebernahme eines Amts. Bei den Verhandlungen über die Verbandspresse kam es abermals zu recht scharfen Auseinandersetzungen, die sichtlich eine große Miß⸗ stimmung in der Versammlung hervorriefen. Schließlich wurden die Gehälter für die besoldeten Mitglieder des Vorstandes festgesetzt. Der erste Vorsitzende erhält 100 S , der Kassirer und der Schrift—⸗ führer je 125 ƽ½ pro Monat. Die bisherigen Gehälter waren höher.

In Dortmund fand am Sonntag eine öffentliche Berg⸗ arbeiter Versammlung statt, in welcher, wie dasselbe Blatt mittheilt, Hr. Bunte über die Generalversammlung des Verbandes in Bochum (s. oben) Bericht erstattete. Hr. L. Schröder führte aus, der Rückgang der Zahl der Verbandamitglieder im dortigen Bezirk liege mit an den Fehlgriffen, die gemacht seien, andererseits sei auch zu wenig agitirt worden. Er und seine Freunde hätten meist außerhalb sprechen müssen; das solle nun anders werden. Redner kritisirt dann scharf die Seitens der Be⸗ hörden getroffenen Maßregeln, wie die Schanksperre ꝛc. Gegen jene Gesellschaft solle man vorgehen, die Ringe schmiede, um zum Schaden des Staates, zum Schaden der Allgemeinheit die Preise für nothwendige Produkte in die Höhe zu schrauben. Ferner sprach der Redner über die in Aussicht genommene internationale Vereinigung der Berg leute. Die Bergleute bätten begriffen, daß sie sich zum Wohle des Staats, zum Wohle der Familie, zum Wohle des großen Ganzen die Hände reichen müßten über alle Länder hinweg. Dle Löhne seien jetzt fast niedriger, als vor dem Strike. Auf den Ruhrzechen sei es anders, da gehörten die gesammten Bergleute dem Verbande an. Auf einer Stelle habe man dadurch schon erreicht, daß ein Steiger, der die Leute grob behandelt, in Folge der Beschwerde habe sein Bündel schnüren müssen; auch hier müsse es so kom⸗ men. Auf dem Bergarbeitertage in Halle seien außer Ober⸗ Schlesien alle Reviere vertreten gewesen. Der Redner erhebt verschiedene Anklagen gegen die Zustände auf oberschlesischen Bergwerken. Wer aber ein Christ und Patriot sein wolle, der müsse doch zunächst für seine Arbeiter sorgen, daß diese mit ihren Frauen und Kindern ordentlich leben könnten., Der Arbeiter müsse selbst an der Gesetzgebung theilnehmen; die heutige Gesellschaft sei zu faul zum Denken, je schneller die Arbeiter die Herrschasft über⸗ nähmen, je besser sei es für das Wohl der gesammten Menschheit.

Wie der Köln. Ztg. aus Stuttgart gemeldet wird, hat daselbst eine vorgestern unter dem Vorsitz des Reichstags Abgeordneten Dietz abgehaltene sozialdemokratische Landes versammlung beschlossen, eine Landesorganisation zu gründen, deren Sitz Stuttgart sein soll.

Die . Voss. Ztg. schreibt: Mit der Ausführung der sozial“ demokratischen Partei ⸗Organisation, wie . vorigen Monat in Halle beschlossen, wurde, wird, nachdem ein großer Theil der Wahlkreise im übrigen Deutschland, namentlich in Mitteldeutschland, damit schon vorangegangen, nun auch in Berlin und Umgegend begonnen. Die sechs Berliner Wahlkreise dürften noch in der laufenden Woche Ver⸗ sammlungen zu diesem Zweck abhalten. Als erster Kreis in Berlintz Umgegend hat der Wahlkreis Niederbarnim bereits mit der Ausführung der Organisationg. Bestimmungen begonnen. Auf Sonntag Mittag war nach Welßensee eine allgemeine sozial· demokralische Verfammlung einberufen, die sich namentlich mit der Wahl eines Vertrauensmannes zu beschäftigen hatte. Die Versammlung war von etwa 490 Theilnehmern aus fast allen größeren Orten des Kresses besucht. Die Wahl der Vertrauens männer fiel auf Hrn. Blasse⸗ Friedrichs herg. Während, der De—⸗ batte kam wiederholt zu recht stürmischen Auftritten. Ein Hr. Kreuz erklärte, wle die -Volks-Itg. berichtet, die Versammlung unter Hinweis auf elne gleichzeitig in Reinickendorf tagende Versamm⸗ lung für inkompelent zur Wahl eines Vertrguensmannes. Der Vor— sitzende entzol demselben das Wort und die Versammlung nahm einen Antrag an, denselben überhaupt nicht wieder zum Wort zuzulassen.

Mus Paris meldet W. T. B. vom gestrigen Tage: In (luer in dem Kapuziner-Saal stattgehabten Konferenz (rstatteie der Deputirte Ferroul Bericht. über den Goztalistew Kongreß in Halle und pries die Fortschritte, welche der Sozialismus in Deutschland durch die organisatorische Lhätigkeit Liebknecht's und Bebels's und durch die Eintracht, welche alle Sozialisten Deutschlands verbinde, gemacht habe. Er wünsche den Sozlalisten Frankreichs gleiche Erfolge. .

Nach in Brüssel eingegangenen Nachrichten kam es in Ueele zwischen belgischen und fremden Arbeitern zu einem ernsten Streit. Die Polizei machte von der Waffe Gebrauch und verwundete mehrere Arbeiter. Von den Polizeibeamten wurden eben⸗ falls mebrere verletzt.

Außerordentlicher Berufsgenossenschaftstag.

Im weiteren Verlauf der gestrigen Verhandlungen einigte sich die Versammlung über folgende Gesichtspunkte Betreffs der Unfall versicher ung: Die Versicherungspflicht ist auf das gesammte Handwerk und auf sämmiliche Arbeiter solcher Betriebe aus— zudehnen, in denen nur ein Theil der Arbeiter ver⸗ sicherungspflichtig ist. Die Unfallversicherung ist auf Straf⸗ gefangene auszudehnen in der Weise, daß denselben wegen der Folgen solcher Unfälle, die sie bei einem versicherungspflichti Betriebe erleiden, in welchem sie während der Vollstreckung * Strafe beschäftigt werden, Anspruch auf Entschädigung von den =* punkte ihrer Entlassung aus der Haft an gewährt werde. Ausl 362 Unternehmer, welche vorübergehend Arbeiten in versicher⸗=—=—= tigem Umfange im Inlande ausführen, sind zu den Gene n. lasten auf Grund des Kapitaldeckungsverfghreng, hergniune . 8 soll gestattet sein, kleinere landwirthschaftliche Betriebe, ne *r . Charakter als Nebenbetrieb eines industriellen Betriebe **. weisen, in die Kataster der industriellen ,,, aufzunehmen. Ferner sollen die Genossenschaften e , , , ihr? Srgane und Beamten bei Äutzübung ihrer Thätigkei im Intereffe der Genoffenschasten als versichert gelten zu lassen. Selbständigen Gewerbetreibenben, welche wegen geringen Umfanges ihres Geschäftsbetriebes Arbeiter nicht beschästlgen, soll das Recht der Selbstversicherung bei dersenigen Beruftgenossenschaft ertheilt 61 zu welcher ihr Gewerbenweig gehört. Watz pie Rente betrifft, n der Anfpruch autgeschloffen werben, wenn bie Grwerbtzunfähigkeit 7 vorsätzlicher Begehung eines durch strafrechtliches Urtheil . gestellten Vergeheng oder Verbrecheng zugezogen ! ,. festgestellte Rente soll so lange ruhen, als der Herechtigte eine einen Monat berstelgende Freihellgstrafe verbüßt, oder

in einem Arbeitshause oder in einer Besserungsanstalt unter gebracht ist; die Beruftzgenossenschaften sollen berechtigt sein, bei theil⸗ weiser Erwerbsunfähigkeit Entschädigungsberechtigte, für welche eine Rente von 10 oder weniger Prozent der Rente für völlige Erwerbs⸗ unfähigkeit festgestellt ist, durch Kapitalzahlung abzufinden. Auch sollen die Berufggenossenschaften berechtigt sein, vor Ablauf der 13. Woche in das Heilverfahren einzugreifen, bezw. die Ver⸗ pflegung zu übernehmen gegen Erstattung derjenigen, Kosten Seitens der Krankenkassen, welche diese statuten⸗ und gesetzmäßig hier⸗ für aufzuwenden haben. Eine Strafe soll festgesetzt werden gegen Betriebsunternehmer, welche von ihnen zu leistende Beiträge zur Un fallversicherung den von ihnen Befchäftigten wissentlich auf Lohn in Anrechnung bringen. Die Amtsgerichte sollen verpflichtet werden, den Genossenschaften von eintretenden Konkursen direkt Kenntniß zu geben, k von zur Anzeige gelangenden regreßpflichtigen nfällen. .

Auf Antrag der Norddeutschen Holz ⸗Berufsgenossenschaft beschloß die Versammlung, an die Reichsregierung das Ersuchen zu richten, bei Ausdehnung der Unfallversicherung auf das Handwerk zur Er— zielung der einfachsten, mit den geringsten Verwaltungs kosten arbeiten⸗ den Srganisation die Handwerksbetriebe den bestehenden Berufs genossenschaflen der verwandten Betriebe zu überweisen. Endlich wurde noch beschlossen: I) daß die Versicherungspflicht auf die Unternehmer kleiner Fuhrwerksbetriebe, welche ohne Arbeiter betrieben werden, aut gedehnt werde; 2) daß für die in der Binnenschiffahrt beschästigten gewöhnlichen Tagearbeiter, deren Lohn sich nicht aus mindestens wochenweise fixirten Beträgen , der Jahreg ⸗Arbeittzver⸗ dienst nach dem ortsüblichen Tagelohn erwachsener Arbeiter am Wohnsitze des Versicherten zu berechnen ist; 3) daß der 5. 1 Abs. 4 des Ausdehnungtgesetzeß vom 28. Mai 1885, wodurch die Ver—⸗ sicherungspflicht auf die gewerbsmäßigen Speditione⸗, Speicher und Kellereibetriebe ausgedehnt wird, dahin ergänzt werde, daß nicht nur die Speicherei, sondern auch die Lagerei als versicherungspflichtig er⸗ klärt wird.

Darauf wurde der außerordentliche Berufsgenossenschaftstag

geschlossen.

Städtische Sparkasse in Berlin.

Der neueste Bericht des Magistrats zu Berlin über die städtische Sparkasse liefert einen Einblick in deren Geschäftsverkehr und die denselben in jüngster, Zeit beeinflussenden Umstände. Es wird bemerkt, daß im Berichtsjahre (13899 der Rückgang der Course, welcher das kleine Kapital mehr als bisher dem Effektenmarkte zuwandte., sowie während der letzten Monate die Herabfe ung des Zinsfußes für die Spareinlagen von 35 auf 3 ' die . zahlungen erheblich gesteigert hahen, im Ganzen von 20,83 Mill. Mark auf 24 52 Millionen Mark gestiegen, also um 3,69 Millonen Mart. Die Einzahlungen haben aber ihrerseits diejenigen des Vorjahres um 8 Millionen Mark übertroffen, indem sie von II, 77 auf 32,55 Millionen gestiegen sind; der Ueberschuß der Neueinlagen Über die Rückzahlungen stellte sich hiernach auf 8, 04 gegen 10,95 Millionen Mark im Vorjahre. Wenngleich das Ergebniß des letzteren alfo nicht vollkommen erreicht worden ist, so ist auch dasjenlge des Be— richtsjahres in Anbetracht der erwähnten Umftände, welche der

Sparkasse zahlreiche Einlagen entfremden oder von ihr ablenken“

mußten, wohl ein recht zufriedenstellendes zu nennen. Mit Einschluß der zugeschriebenen Zinsen berechnete sich das Gesammtguthaben der Einleger auf 115,70 Mill. Mark gegen jo4, 35 Mill. Mark im Vor—⸗ jahre und vertheilte sich auf 392 236 Stück Sparkassenbücher, 27, 574 mehr als im Jahre 1888. Sehr lehrreich ist eine Vergleichung dieser letzteren Ziffern mit denjenigen der Einzahlungen, deren im ganzen Jahre 460 149 waren. Auf jedes Sparkassenbuch, das am Jahresschlusse umlief, entfiel mithin durchschnittlich nur wenig mehr als eine Einzahlung im Jahre, was wohl, wie die Stat. Corr.“ bemerkt, darauf hinweist, daß die Ersparnisse gewöhnlich längere Zeit sich ansammeln und erkraglos in' den Sparbüchsen u. s. w. liegen, bevor sie den Weg zur Sparkasse finden. Hierfür spricht auch der verhältnißmäßig hohe Durchschnittsbetrag einer Ein⸗ zahlung; derselbe belief sich auf 723,32 „S, wobei freilich ein volles Drittel aller Einzahlungen weniger als 21 und beinahe ein zweites Drittel 21 bis 60, 99 M betrug. Die Anlegung der Gelder der Berliner Sparkasse und deren Ergebnisse spiegeln deutlich die Bewegungen des Kapitalmarkts wieder, namentlich der hinsichtlich der Werthpapiere und der Hypotheken. Im ersteren waren am Jahresschluß nach dem Nennwerthe sc,41 Mill. Mark untergebracht gegen 78,70 im Vor⸗ jahre; die 4 υ, Werthe sind auf einen unbedeutenden Rest zusammen⸗ geschmolzen; die 49e. haben sich von 32, 51 auf 25 Mill. Mark ver⸗ mindert, die 30 υίςä dagegen von 45,37 auf 60 48 Mill. Mark vermehrt und somit im Laufe des Berichtsjahres ein entscheidendes Uebergewicht gewonnen, während die 39 gleichfalls schon von 79 000 auf 579500 46 gestiegen sind. Die Anlegung in Hypotheken stieg von 23,29 auf 28,29 Mill. Mark, wovon 25.57 Mill. Mark, also mehr Il fünf Sechstel zu 4 Co, etwa je 1 Million oder etwas darüber zu 1 44 und 45 9oί.' und ein kleiner Betrag von 11 400 6 noch zu Molo vergeben waren. Die Verzinsung der Inhaberpapiere ging im Durchschnitt von 3,71 auf 3,54, derjenige der Hypotheken von 4,9? guf, 43 'sg zurück. Neben jenen beiden Hauptförmen der Anlegung fand bei der Sparkaffe noch ein Wechselverkehr statt, aus welchem am. Fahresschluß noch z,5z Mill. Mark an Wechseln' im Bestande verblieben; der Diekont bewegte sich zwischen 1Ʒ½1 und 463 /1s oso bei einem Durchschnitt von 2.1 o' gegen nur J.337 im Vorjahre.

Die Sparkasse der Stadt Berlin besaß außer den Haupt⸗ Abtheilungen 1 und 1II noch 75 Annahmestellen, von welchen N auf den Westen und Süßwesten, A9 auf den Mtorden und Nortzosten, aber . bezw. 9 auf Die gleichfalls besonders arbeiterreichen Bezirke des . bezw., des Südens und Südosteng kamen. Auf ebe dieser

. entfielen durchschnittlich 250 Einzahlungen im Jahre, also, täglich etwas über 6; über die soztale und Beruftstellung der Einleger giebt unsere Queile leider keinen Aufschluß.

Die überseeische Auswanderung aus dem DVeutschen Reich über deutsche Häfen, Antwerpen, Rotter— dam und Am terdam betrug im Monat September 1890 8762 und in der Zeit von Anfang Janugr bis Ende September 1596 77455 Personen; pan diesen kamen aus Posen 2434, Westpreußen 7715, Pommern

6929, Bar ern rechts des Rheins 6418, Württemberg 4919, Hannover 4782, Hrandenburg mit Berlin 3261. Schlegwig - Holstein 3z58, Rhein- . ,, hir n ga. 2211, Königreich Sachfen

, ö esien ess ; gie elne n O, Großherzogthum Hessen 1712,

Im leichen Zeitraum der Vorjahre wanderten aus

Monat September Monat Januar / September 153898989 723571 159533 79 352 1883! 86 753 13535 . 61 734 15833 91 633.

Kunst und Wissenschaft.

Die Ausstellung der Werke von W. G C. Steffeck in der Königlichen , m ne G tre

Gleich beim Eintritt in den Saal, welcher die Ausstellun der Gentz'schen Gemälde und Studien keit . . Besucher die, Farbenpracht in die Augen, über welche der Künstler verfügte. Es ist nicht das künstlich gemachte, deko⸗ rativ wirkende Kolorit eines Makart oder ähnlicher Koloristen, sondern die einfache, gesunde Farbe, wie sie sich nur ein fleißiger, ehrlich nach Wahrheit strebender Künstler zu eigen machen kann. Welcher Fleiß im Studium der Natur, sowohl was Farbe wie Kolorit anlangt, ist uns hier vor Augen gerückt! Dennoch hat der Meister nicht verschmäht, von ben Todten zu lernen, wie uns einige kleinere Kopien nach Velas—

quez u. A. m. überzeugen. Da der Studien- und Lebensgang von Gentz wie von Steffeck in ausführlichster Weise im

Katalog beschrieben ist, dürfen wir uns wohl dieser Arbeit

überheben und nur auf einige hervorragende Werke hinweisen,

Wenn auch aus jüngeren Jahren des Künstlers stammend, also aus einer Zeit, in welcher der Einfluß der später be⸗ suchten Pariser Schule noch nicht zur Geltung kam, ist doch Gentz's „Arabische Schule“ durch das hervorleuchtende Feuer des Kolorits und hurch das Streben, in Rembrandt scher Weise zu wirken, höchst interessant, „Fülle und Elend“ (r. 7), ein etwas abstoßendes Thema, legt von dem Ringen des Künstlers nach Klarheit, „welcherRichtung er huldigen soll“, ein sprechen⸗ des Heugniß ab. „Die Widder⸗ und Sphinxallee in der Theharde“ ist ein herrliches, stimmungsvolles Bild. Mit allen Mitteln der Kunst und Technik ist hier gearbeitet, um Jzüberzeugend“ die. Wahrheit zu sagen. Der „Sklaven⸗ Transport durch die Wüste“ ist in demselben Geiste geschaffen. Das Kolossal⸗Gemälde „Christus unter den Zöllnern und Phaxisäern“ läßt die Schwierigkeit, welche nur von wenigen Meistern der besten alt-talienischen Schulen Überwunben wurde, nämlich die „Darstellung des Gottes in Menschengestalt“ freilich ungelöst, wenngleich eine unendlich viel edlere Auffassung hervortritt, als sie vielfach in neuerer Zeit von Seiten der Naturalisten beliebt worden ist. Ein höchst bedeutendes Stimmungsbild, welches dem Ge⸗ schmack bes Künstlers auch sichtlich mehr behagte, ist Ur 41, „Ahend am Nil mit Flamingo⸗ und Pelikan⸗ Schaaren“. Mit welcher Meisterschaft ist hier die „unzählige Menge“ gegeben, welche Perspektive sehen wir hier trotz der aussteigenden Nebel vor unsere Augen gezaubert! Eins der besten Bilder, die Gentz geschaffen, ist unzweiselhaft der noch in Aller Erinnerung befindliche „Einzug Sr. König— lichen Hoheit des Kronprinzen von Preußen in Jerusalem im Jahre 1869“; ihm zur Seite steht das viel besprochene Gemälde: „Liebesidylle in der Thebaide.“ Daß Gentz auch hin und wieder das Bedürfniß fühlte, sich mit freier Phantasie in das Gebiet des Schönen zu begeben, beweist uns der lebensgroße Phantasie-Kopf „Yerma8“, welcher, besonders in einiger Entfernung betrachtet, höchst lebensvoll wirkt. Eines der besten „Selbst-Porträts“ ist unstreitig das hier vor uns stehende. Wer die Schwierigkeit einer derartigen Arbeit kennt, wird anerkennen müssen, daß hier der sonst so oft störende, stechende und forschende Blick nicht vorhanden ist. Höchst interessant sind die vielen (261) Studien in Oelfarben, doch entziehen sie sich bei ihrer Menge der näheren Besprechung, ebenso wie die 231 Zeichnungen, . Hülfsmittei für später ausgeführte oder auszuführende

ilder.

Die Ausstellung der Steffeck'schen Bilder, Studien und Zeichnungen beginnt gleich an der Thür mit einem seiner besten Pferdebilder, einem Porträt des Rennpferdes Vitus. Seit Steffeck's Geburt und bis heute ist kein gleichbefähigter Pferdemaler erstanden. Steffeck hat diese hohe Stufe der Meisterschaft in der Darstellung eines minder vollkommen organisirten Wesens vielleicht nur dadurch erreicht, daß er nicht von vorn herein Spezialist war, sondern Stift und Pinsel an der Wiedergabe der Menschen und der ganzen Natur übte. Auch Porträts in Menge sind von ihm vorhanden. So ist eine der besten Auffassungen Sr. Hochseligen Majestät des Kaisers Friedrich seiner Hand zu verdanken (Nr. 639). Wem ist nicht noch „die Ueber⸗ gabe von Sedan“, überbracht durch den französischen General Reille, in der Erinnerung?

Gewiß wird Niemand die gleichzeitigen Sonderausstellungen verlassen, ohne von dem e m. in hohem Maße befrie⸗ digt und belehrt worden zu sein. G. W. O.

Durch den kürzlich in Florenz erfolgten Tod des russischen Gelehrten Peter Tschichatschef hat die hiesige Akademie der Wissenschaften ihr ältestes Ehrenmitglied verloren. Tschichatschef war, der . Mgdb. Ztg.‘ zufolge, 1812 geboren und hat sich durch die geologische und botanische Erforschung des Altai und von Kleinasien hervorgethan. Ueber seine Reise im Altai“ berichtete er 1845, sein Hauptwerk „Kleinasien“ erschien in acht Bänden 1853 68. Auch den Akademien von St. Petersburg und München gehörte er an.

Der Verwaltungsrath der Stadt Genf hat eine Konkurrenz zwischen schweizerischen Architekten für ein Wiederherstellungeprojekt des Denkmals des Herzogs Karl von Braunschweig, welches sich in einem schlechten Zustande befindet, ausgeschrieben. Es sind Preise ausgesetzt im Betrage von 1500 Franes.

Aus Brüssel will sich, dem. W. T. B.“ zufolge, eine größere Anzahl dortiger Aerzte nach Berlin begeben, um die neue Koch'sche Behandlungsweise der Schwindsucht kennen zu lernen.

Millet's Gemälde „Angelus“, welches vor Kurzem für 116 000 Dollars in den Besitz des amerikanischen Kunstvereins über⸗ ging, wurde, dem ‚N.. D. Herald“ zufolge, für 150 000 Dollars oder 7h60 000 Fr. an die französische Regierung verkauft, um einen dauernden Platz im Louvre zu erhalten.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Nach einer Untersuchung des französischen Ackerbau— Ministeriums ist der Gesammtertrag der Rübenernte in Frankreich ein befriedigender; die Klagen der Zuckerfabrikanten sind übertrieben.

Sanitäts⸗, Veterinär⸗ und Quarantänewesen.

Oesterreich⸗ Ungarn.

Laut Verfügung des Königlich ungarischen Handels Ministers

vom 23. Oktober 1890 ist die für Provenienzen aus dem Golf von

Alexandrette und aus dem Gebiet von Mersina und Tripoli an=

geordnete 7 tägige Beobachtung auf die ganze sprische Küste bis ein⸗

schließlich Belrut ausgedehnt worden. (Vergl. „R.⸗A.“ Nr. 2665 vom 23. Oktober 1890.) . n.

1j

Die koreanische Regierung hat den Hafen von Pusan (Fusan) für cholerabehaftet erklärt. Bemgemäß ist über alle Schiffe, welche von Pusan auf der Rhede von Chemulpo ankommen, die Quarantäne

verhängt worden. w

undheitsstand in Berlin blieb in der Woche vom Xr v . Oktober ein sehr günstiger, und auch die Sterblichteit war eine selten niedrige (von je 1000 Einwohnern starben, aufs Jahr berechnet, 16,4 Personen), und zwar haben akute Darmkatarrhe einen noch weiteren Rückgang erfahren und nur noch in 459 Fallen (gegen h der Vorwoche) zum Tode geführt. Auch die Theilnahme des Säuglingsalters an der Sterblichkeit war eine kleine; von 1e 10900 Lebenden slarben, aufs Jahr berechnet, 50 Säuglinge. Akute Ent- zündungen der Athmungsorgane kamen ebenfalls seltenet zum Vorschein und endeten seltener tödtlich. Das Vorkommen der Infektionskrankheiten war gleichfalls meist ein selteneres, als in der vorhergegangenen Woche. So kamen Erkrankungen an Unterleibstyphuß nur wenige (8) zur Anzeige; auch das Vorkommen von Masern blieb ein beschränktes. Erkzankungen an Scharlach und Diphtherie kamen ebenfalls seltener zer Meldung.

Erstere zeigte sich in keinem Stadttheile in nennenswerther Ver—⸗ breitung, letztere wurden am zahlreichsten in der diesseitigen und jenseitigen Luisenstadt, im Stralauer Viertel und auf dem Werding beobachtet. Erkrankungen am Wochenbettfieber blieben vereinzelt. Erkrankungen an Keuchhusten haben abgenommen und führten in nur 4 Fällen zum Tode. Rosenartige Entjündungen des Zellgewebes der Haut kamen dagegen häufiger zur ärztlichen Behandlung, auch zeigten sich rheumatische Beschwerden der Mugkeln in ansehnlich gesteigerter Zahl.

Verkehrs⸗Anstalten.

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einen Quagischup pen ig, als den Dampfer mehr lassen, bis es gelingt, einen f rartigen ag not digen Quaischuppen Der Umstand, daß es nicht m ift, von den Behörden 1, V ; icht ist, von den Behörden selbst für einen vom Deutschen Reich tion scten Postbamrfer * '! w e . ä auf dessen Kommen sie lange vorher v warden, prompt einen Quaiplatz zu erhalten, beweist arfz die Unbaltt burger Verkehrseinrichtungen, welche, wenn aud ie den letzten Jahren bedeutend vermehrt, noch lange z14ht da jetzigen Verhältniffen ent⸗ sprechen. . London, 3. November. (G T P) Tart ar- ist gestern auf der Hera Union Dampfer Durban * 2 bern r⸗ town und der Union⸗Dam pr Prer e rre, Heimreise in Southampton za ma Dampfer Athenian! ist heute ** 2 abgegangen.

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Theater und Mann

Königliche Tb⸗arer Frl. Hiedler, die in Folge einer awianostinn

im Königlichen Opernhause heute Teenag, n stellung der neu einstudirten Oper Oreren“ übernimmt, wird auch am Donnerstag bringen. Die Besetzung des am . lichen Schauspielhause neu ein sterirrt n kommenden „Kaufmanns von Venedig‘ wird eller = Or. Oberländer, Antonio Hr. Pfeil, Pri; - Keßler, Prinz von Arragon Hr. Müller, a7 =* kowtzky, Graziano Hr. Hertzer, Lorenzo Se Hr. Devrient, Tubal Hr. Krause, die beide Link und Hr. Vollmer, Porzia Frl. Lindner, N Conrad, Jessika Frl. Nerson.

Berliner Theater.

erste von

bei vollkommener 1 den einfach und so natürlich Personen, welche in den „Journalisten auf die l treten mit ihrem Zuge von vornehmer LZiebenswürtis? einer seits und feiner Ironie und Satire it können die Zuschauer nur erwärmen, wenn sie mit Frische und Lebenswahrheit wiedergegeben werden, und das war gestern nicht immer der Fall. Eine wirklich heitere Stimmung vermochte erst die köstliche Trinkscene des Ballfestes zu erregen. Hier beherrschte die sprühende Laune Friedrich Mitterwurzer's als Fonrad Bolz seine Umgebung auf der Bühne ebenso wie die Zuschauer; der Erjählung seiner Lebensrettung setzte er tausend glänzende Lichter auf wie sie der tolle Uebermuth eingiebt. Friedrich Mitterwurzer ist als Bol nicht neu in Berlin; er die Rolle vor wenigen Jahren bei seinem Gastf , ĩ

erscheinenden

in dem gefälligen der Aug⸗ druck für einfache, natürliche, tiefe Empfindung, welche auch beim Konrad Bolz durchbrechen soll, ist ihm fremder; selbst bei den herzlichsten Ergüssen klingt immer etwas vom Spottvogel durch. Untadel haft spielte Fr. Ellmenreich die Adelheid Runeck un tzeziert, mit gesundem Gefühl kam das liebenswürdige Wesen des klugen, nicht mehr ganz jugendlichen Mädchens zur Geltung. Neben diesen beiden Hauptpersonen hielt sich Hr. Nollet als ODberst Berg sehr tapfer; auch Hr. Schindler als Bellmaus konnte wohl zufrieden stellen. Dagegen versagte der Schmock des Hrn. Jelenko fast vollständig; er bot kaum mehr als eine Karikatur jener Gestalt, die unseren Aerger und unser Mitgefühl zugleich herausfordern, Widerwillen und Heiterkeit zugleich erregen soll. Frl. Fernbrück, welcher die Rolle der Ida zuertheilt war, steckt noch in den Anfängen der Schauspielkunst, sie spielte steif und im Ton und in der Bewegung nicht vornehm genug.

Das Publikum zeigte Anfangs Zurückhaltung; von der trefflich gespielten Ballseene ab gewann aber eine lustige Stimmung die , . und brach sich in fröhlichem Lachen Bahn. Die Dar⸗ steller, besonders Fr. Ellmenreich und Hr. Mitterwurzer, wurden vom Publikum durch warmen Beifall ausgezeichnet und mußten wiederholt vor der Gardine erscheinen.

Die Proben zu „Kabale und Liebe“ haben begonnen und werden mit allem Eifer gefördert. Das Jugenddrama Schiller's geht am 10. November, dem Geburtstage des Dichters, in neuer Ausstattung und Besetzung zum ersten Male an dieser Bühne in Scene.

Wallner Theater

Da „Mamsell Nitouche' von allen bisher am Belle ⸗Alliance⸗ Theater von dem Ensemble des Wallner ⸗Theaters gegebenen Stücken den größten Beifall fand, bleibt dieses Vaudeville noch für eine längere Zeitdauer auf dem Repertoire.

Friedrich ⸗Wilhelmstädtisches Theater.

„Sonne und Erde“, die neue Balletpantomime, welche am künftigen Sonnabend mit dem Sullivan'schen ‚Königsgardisten“ zur ersten Aufführung gelangt, geht, wie schon ihre Vorgängerin, Die Puppenfee n, genau nach dem Original der Wiener Hofoper in Scene. Hier ist das anmuthige und phantastische Tanzpoem der Hrrn. Haß⸗ reiter und F. Gaul vom Balletmeister Gundlach einstudirt worden. Es entwickelt sich in 4 Bildern: 1) Im Fliederhain, Am Meereh⸗ strande, 3 In den Weinbergen, ) Wald im Winter und einer Alle⸗ gorte. Der Wandel der Natur ist in dem Titel sinnig ausgedrückt. Die Pantomime soll prachtvoll ausgestattet werden.

Cirens Renz.

Die seit längerer Zeit aus diesem wie jedem anderen Circus ver- schwundene Pantomime Mazeppa“ hat Dr. Direktor Ren; nnter lebhaftem Beifall des Publikum am Sonnabend Abend nen versingt wieder zur Aufführung gebracht. In glänzender Weise ausgearte und von bewährten Kräften ausgeführt, wird diese Wieder delebune

dem Cirens nene Freunde zuführen, um Jo mehr, als ihre Dare ng

durch Kinder und Ponys ihr noch größeren Rei; verleiht