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Der über die Auteinandersetzung aufzunehmende Rezeß unterliegt der Prüfung und Bestatigung .. e c ue hn ses
Austeinan der e ungs verfahren (6 95) Streitig reh rr . 26. 2 einem Grundstücke die Verpflichtung zur,. Ver⸗ waltung des Schulzenamtes verbunden ist, oder ob und welche Grund stuücke, Herechligkelken, Vorrechte oder Befreiungen der in den S8. Ora und z gedachten Art jurücksugewähren oder aufzuheben sind, oder wird die Vollsichung des Rezesses von den Betheiligten verweigert, oder die Beftatigung' (6. 95 Abs. M von dem Kreisausschusse versagt, so sind die Verhandlungen zum weiteren Verfahren und zur Ent- scheidung an die betreffende Austeinandersetzungsbehörde (General⸗
kommission) abzugeben. . fe Entscheidung der Generalkommission findet die Be— . ber Sir ed ine helh, statt, welches endgültig ent⸗ scheing cheldung in erster und zweiter Instan; ist das Gut—⸗
ö einzuholen und den Betheiligten zur Er⸗
klärung mitzutheilen. .
§. zeinandersetzunge verfahren zufolge §. 96 auf die Aus—⸗ 6 , übergegangen, so steht dleser Behörde auch die Aufnahme, Prüfung und Bestẽt guy des Rezesses zu.
3 Verfahrens 65. 95 bis 9h), sowie der Wirkung und . . 6 gelten die hinsichllich der Ablösung der Reallasten und der Regulirung der gutsherrlichen Verhältnisse
bestehenden Vorschriften. 8 oz.
ten, welche die Ausführung der in diesem Gesetze den . deren Kommissarien übertragenen Geschãfte verurfacht, haben die Gemeinden und die Schulzengutsbesitzer nichts ,, ,, Verfahren bei den Auteinandersetzungsbehörden gelten die füͤr dieselben bestehenden Kostenbestimmungen.
Achter Abschnitt.
i r Gemeindeversammlung und Gemeinde K vertretung. §. 100.
Die Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) hat über alle Gemeindeangelegenbeiten zu beschließen, soweit diese nicht durch das Gesetz dem Gemeindevorsteher ausschließlich überwiesen sind. Ueber andere Angelegenheiten darf die Gemeindeversammlung (Gemeinde⸗ vertretung) nur dann berathen, wenn solche durch besondere Gesetze oder in einzelnen Fällen durch Aufträge der Aufsichtsbehörde an sie gewiesen sind. .
Wo eine Gemeindevertretung besteht, sind die Gemeindeverordneten an keinerlei Instruktion oder . der Wähler gebunden.
Die Gemeindeversammlung . überwacht die Verwaltung; sie ist berechtigt, sich von der Ausführung ihrer Be⸗ schlüsse und der Verwendung aller Einnahmen der Gemeindekasse, sowie von der gehörigen Ausführung der Gemeindearbeiten Ueber—⸗ äeußnng n werschäffen; sie darf jedoch ihre Beschlüsse niemals selbst zur Ausführung bringen. ö.
Die Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) ist zusammen zu berufen, so oft ihre Geschäfte es erfordern.
Die Zusammenberufung erfolgt unter Angabe der Gegenstände der Berathung durch den Gemeindevorsteher; sie muß erfolgen, wenn es von einem Viertel der Mitglieder verlangt wird.
Die Art und Weise der Zusammenberufung wird durch die Ortg⸗ verfassung bestimmt. Mit Ausnahme dringender Fälle müssen zwischen der Zusammenberufung und dem Verhandlungstermine mindestens zwei Tage frei bleiben.
Die Versammlungen dürfen nicht in Wirthshäusern oder Schänken abgehalten werden. .
§. 103.
Durch Beschluß der Gememdeversammlung (Gemeindevertretung) können auch regelmäßige Sitzungstage festgesetzt werden; es müssen jedoch auch dann die Gegenstände der Berathung, und zwar mit Ausnahme dringender Fälle mindestens zwei Tage vorher, den Mit- gliedern der Versammlung .
Die Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) kann nur be⸗ schließen, wenn mehr als die Hälfte der vorschriftsmäßig geladenen Mitglieder mit Einschluß des Vorsitzenden zugegen sind. Wird jedoch die Versammlung zum zweiten Male zur Berathung über denselben Gegenstand zusammenberufen, so sind die erschienenen Mitglieder ohne Rücksicht auf ihre Anzahl beschlußfähig. Bei der zweiten Zu⸗ sammenberufung muß auf diese Bestimmung auktdrücklich hingewiefen
werden. 5. 105.
Die Beschlüsse werden nach Stimmenmehrheit gefaßt. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Die der Stimmabgabe sich enthaltenden Mitglieder werden zwar als anwesend betrachtet; die Stimmenmehrheit wird jedoch lediglich nach der Zahl der Mitglieder, welche Stimmen abgegeben haben, festgestellt. 8 10s
An Verhandlungen über Rechte und Verpflichtungen der Ge⸗ meinde darf derjenige nicht Theil nehmen, dessen Interesse mit dem der Gemeinde im Widerspruche steht. Kann wegen dieser Aus⸗ schließung ein gültiger Beschluß nicht gefaßt werden, so beschließt⸗ an Stelle der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) der Kreie autschuß. 8. 10r
107
Die Sitzungen der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) sind öffentlich. Für einzelne Gegenstände kann durch besonderen Be—= schluß, welcher in geheimer Sitzung gefaßt wird, die Oeffentlichkeit ausgeschlossen werden. S. 108
Der Vorsitzende leitet die Verhandlungen, eröffnet und schließt die Sitzungen und handhabt die Ordnung in der Versammlung.
Er kann jeden Zuhörer, welcher Störung irgend einer Art ver⸗ ursacht, aus dem Sitzungezimmer ö lassen.
Die Beschlüsse der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) sind in ein besonderes Buch einzutragen und. von dem Voirsitzenden, sowie wenigstens zwei stimmberechtigten Mitgliedern der Versammlung zu unterzeichnen. 8 uo
Durch Ortestatut kann bestimmt werden, daß unentschuldigtes Ausbleiben aus den Versammlungen der Gemeindevertretung, sowie ordnunggwidriges Benehmen in diesen Versammlungen für das be—⸗ treffende Mitglied eine in die Gemeindekasse fließende Geldstrafe von 1— 3 46 nach sich zieben, und daß im Wiederbolungsfalle, nach Loge der Sache, Ausschlleßung aus der Versammlung auf eine gewisse Heit. bis auf die Dauer eines Jahretz, verhängt werde. Ueber die Verhängung dieser Strafen beschließt die Gemeindevertretung. Gegen den Beschluß findet die Klage im Verwaltungsstreitverfahren statt. Die Klage steht auch dem ,, , zu.
§. . ⸗ Die Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) beschließt über die Verwaltung und Benutzung 3. Semeinde erm fem (§5. 66 ff.).
§. ĩ Zur Veräußerung oder wefentsichen Veränderung von Sachen, welche einen besonderen wissenschaftlichen, historischen oder Kunstwerth haben, ist die Genehmigung des Regierungz⸗Präsidenten erforderlich. Zur Veräußerung von Grundstücken oder solchen Gerechtigkeiten, welche den Grundstücken gesetzlich gleichgestellt sind, . en =. rn hn und Schenkungen, eihen, durch welche die Gemeinde mit ö stande belastet, oder der vorhandene vergrößert . 9
zur neuen Belastung der Gemeindeangehörigen ohne gesetzliche Verpflichtung,
zu Veränderungen im Genusse der Gemeindenutzungen bedarf es der Genehmigung des .
Die freiwillige Veräußerung von Grundstücken darf der Regel nach nur im Wege des öffentlichen Meistgebotes stattfinden.
Zur Gültigkeit des Verkaufs gehört:
I) die Vorlegung eines beglaubigten Auszuges aus der Grund steuermutterrolle,
2) eine öffentlich aushängende Ankündigung,
3) die einmalige Bekanntmachung durch das Amtsblatt der Re⸗ gierung oder durch ein im Kreise erscheinendes Blatt,
4) eine Frist von sechs Wochen von der Bekanntmachung bis zum Verkaufttermine,
5) die Abhaltung der Verkaufsverhandlung durch einen Justiz⸗ beamten oder den Gemeindevorsteher.
Wenn der Grundsteuerreinertrag des Grundstückes 6 M nicht übersteigt, so bedarf es der unter 3 vorgeschriebenen Bekannt machung nicht. .
Das Ergebniß des Verkaufes ist in allen Fällen der Gemeinde⸗ versammlung (Gemeindevertretung) mitzutheilen; der Zuschlag kann nur mit deren Genehmigung ertheilt werden.
In besonderen Fällen kann der Kreisausschuß den Verkauf aus freier Hand, sowie einen Tausch gestatten, sofern er sich überzeugt, daß der Vortheil der Gemeinde dadurch gefördert wird.
Die vorstehenden Bestimmungen finden auch auf Verkäufe von Realberechtigungen Anwendung, wobei außerdem die Aufnahme einer Taxe in allen Fällen nothwendig ist.
Für die Cintragung im Grundbuche genügt zum Nachweise, daß der Vorschrift dieses Paragraphen genügt worden ist, die Bestätigung des Vertrages durch den ö
Die Verpachtung von Grundstücken und Gerechtsamen der Ge⸗ meinden muß im Wege des öffentlichen Meistgebotes geschehen. Aus⸗ nahmen hiervon können durch den Kreisausschuß gestattet werden.
Neunter Abschnitt.
Besoldete Gemeindebeamte, deren Gehälter und Pensionen.
53. 115 Die Landgemeinden sind befugt, die Anstellung besoldeter Ge⸗ meindebeamten für einzelne Dienstzweige oder Dienstverrichtungen zu
beschließen. sch 8. 116.
Ueber die Gehalts⸗ und Pensionsperhältnisse dieser Beamten kann durch Ortsstatut Bestimmung getroffen werden.
Auf Antrag der Betheiligten beschließt der Kreisausschuß über die Festsetzung der Besoldungen und sonstigen Dienstbejüge von Gemeindebeamten.
Ueber streitige Pensionsansprüche der besoldeten Gemeindebeamten beschließt der Kreisausschuß, und zwar, soweit der Beschluß sich darauf erstreckt, welcher Theil des Diensteinkommens bei Feststellung der Penstonsansprüche als Gehalt anzusehen ist, vorbehaltlich der den Betheiligten gegen einander zustehenden Klage im Verwaltungsstreit⸗ verfahren, im Uebrigen vorbehaltlich des ordentlichen Rechtsweges. Der Beschluß ist vorläufig vollstreckbar.
Zehnter Abschnitt. Gemeindehaus halt. S. 117.
Ueber alle Einnahmen und Ausgaben, welche sich im Voraus veranschlagen lassen, entwirft der Gemeindevorsteher für das Rechnungs⸗ jahr oder für eine längere, von der Gemeindeversammlung (Gemeinde⸗ vertretung) festzusetzende Rechnungsperiode, welche jedoch die Dauer von drei Jahren nicht übersteigen darf, einen Voranschlag.
Der Entwurf ist während zwei Wochen nach vorheriger Bekannt machung in einem von der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) ö Raume zur Einsicht aller Gemeindeangehörigen auz—= zulegen.
Nach Ablauf dieser Frist erfolgt die Feststellung des Voranschlags durch die Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung).
Diese Feststellung ist vor Beginn des neuen Rechnungsjahres oder der neuen Rechnungsperiode zu bewirken. Der Gemeindevorsteher hat eine Abschrift des festgesetzten Voranschlages dem Vorsitzenden des Kreisausschusses einzureichen.
Der Gemeindehaushalt ist nach dem Voranschlage zu führen. Alle Gemeindeeinkünfte müssen zur Gemeindekasse gebracht werden. Ausgaben, welche außerhalb des Voranschlages geleistet werden sollen, oder über deren Verwendung besondere Beschlußfassung vorbehalten ist, sowie Ueberschreitungen des Voranschlages bedürfen der vor⸗ herigen Genehmigung der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung).
Durch Beschluß des Kreisausschusses kann einzelnen Gemeinden die Festsetzung eines Voranschlages nachgelassen werden, wenn deren Verhältnisse dies unbedenklich . lassen.
Die Gemeindehaushaltsrechnung ist binnen drei Monaten nach dem Schlusse des Rechnungsjahres aufzustellen und der Gemeinde versammlung (Gemeindevertretung) zur Prüfung, Feststellung und Ent⸗ lastung vorzulegen.
Wo ein besonderer Gemeindeeinnehmer bestellt ist, erfolgt die Einreichung der Rechnung zunächst an den Gemeindevorsteher, welcher sie einer Vorprüfung zu unterziehen und, mit seinen Erinnerungen ver⸗ sehen, der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) vorzulegen hat.
Die Feststellung der Rechnung muß innerhalb neun Monaten nach dem Ablaufe des Rechnungsjahres bewirkt sein.
Nach erfolgter Feststellung ist die Rechnung während eines Zeit . von 14 Tagen zur Einsicht der Gemeindeangehörigen aus⸗ zulegen.
Dem Vorsitzenden des Kreisausschusses ist eine Abschrift des Fest⸗ stellungsbeschlusses sofort ö.
Der Kreisausschuß beschließt:
I) an Stelle der Aufsichtsbehörde über die Feststellung und den Ersatz der bei Kassen und anderen Verwaltungen der Landgemeinden vorkommenden Defekte nach Maßgabe der Verordnung vom 24. Januar 1844 (Gesetz⸗Samml. S. 52).
; . eschluß ist vorbehaltlich des ordentlichen Rechtsweges endgültig.
2) Über die Art der gerichtlichen Zwangsvollstreckungen wegen Geldforderungen gegen Landgemeinden (5. 15 zu 4 des Einführungs⸗ gesetzes zur Deutschen Civilprozeßordnung vom 30. Januar 1877 Reichsgesetzblatt S. 244).
Dritter wire Selbständige Gutsbezirke. §. 120.
Für den Bereich eines selbständigen Gutsbezirks ist der Be⸗ sitzer des Guts zu den Pflichten und ,. welche den Gemeinden für den Bereich ihres Gemeindebezirks im öffentlichen Inter sse gesetzlich obliegen, mit den hinsichtlich einzelner dieser Leistungen aus den Gesetzen folgenden Maßgaben verbunden. .
Auf Beschwerden und Einsprüche, betreffend die Heranziehung oder die Veranlagung von Grundbesitzern und Einwohnern eines Gutsbezirks zu den öffentlichen Lasten desselben, finden die Bestim⸗ mungen im 5§. 39 dieses Gesetzes ö Anwendung.
Der Besitzer eines selbständigen Gutes hat insbesondere die in den §5§. 88 und 89 aufgeführten obrigkeitlichen Befugnisse und Pflichten entweder in Person oder durch einen von ihm zu bestellenden, zur Üebernahme des Amts als Gutsvorsteher befähigten Stellvertreter auszuüben. Der letztere muß seinen beständigen Aufenthalt im Guts⸗ bezirke oder in dessen unmittelbarer Nähe haben.
Es können jedoch auch außer dem im 5. 85 Abs. 4 vorgesehenen Falle Seitens des Besitzerz des Gutg sammtliche oder einzelne Guts⸗
vorstehergeschäfte an den Vorsteher einer benachbarten Gemeinde unter Beider Zustimmung gegen eine angemessene Entschädigung über⸗ tragen werden. .
Ehefrauen werden rücksichtlich der angeführten Rechte und Pflichten durch ihren Ehemann, Kinder unter väterlicher Gewalt durch ihren Vater und bevormundete Personen durch ihren Vormund oder
Pfleger vertreten. § 122.
Die Bestellung eines Stellvertreters muß erfolgen, wenn:
1) das Gut unverheiratheten oder verwittweten Besitzerinnen, einer juristischen Person, einer Aktiengesellschaft, einer Kommandit⸗ gesellschaft auf Aktien, einer Berggewerkschaft oder einer einge⸗ tragenen Genossenschaft gehört, oder, wenn mehrere . sich nicht darüber einigen, wer von ihnen die Geschäfte des Gutsvorstehers wahr⸗ nehmen soll,
2 der Gutsbesitzer kein Angehöriger des Deutschen Reiches ist,
3) derselbe nicht seinen beständigen Aufenthalt im Gutsbezirke oder in dessen unmittelbarer Nähe hat oder
„ wegen Krankheit oder aus anderen in seiner Person liegenden . außer Stande ist, die Pflichten eines Gutvorstehers zu erfüllen.
Auf den Antrag des Gutsbesitzers kann ein Stellvertreter für den ernannten Gutsvorsteher bestellt werden, welcher in Fällen der Behinderung des letzteren die Gutsvorstehergeschäfte wahr⸗ zunehmen hat.
Für die von dem Hauptgute entfernt belegenen Theile eines selbständigen Gutsbezirke kann von dem Kreisausschusse die Bestellung besonderer Stellvertreter angeordnet werden, sofern dies für eine ordnungsmäßige ö Verwaltung erforderlich ist.
Der Gutsbesitzer, sowie dessen Stellvertreter, werden in der Eigenschaft als Gutsvorsteher von dem Landrathe bestätigt. Die Bestätigung kann nur unter Zustimmung des Kreisausschusses versagt werden.
Der Gutsvorsteher wird vor seinem Amtsantritte von dem Landrathe oder in dessen Auftrage von dem Amtsvorsteher (Distrikts⸗ kommissarius) vereidigt.
§. 124.
AUnterläßt der Besitzer des Gats in den im 5. 122 angegebenen Fällen oder, wenn ihm die Bestätigung als Gursvorsteher versaggt worden ist, die Bestellung eines Stellvertreters, oder befindet er sich nicht im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte oder ist er in Konkurs verfallen, so steht dem Landrathe unter Zustimmung des Kreis⸗ ausschusseß die Ernennung des Stellvertreters auf Kosten des Besitzers zu.
§. 126. Ueber die Festsetzung der dem stellvertretenden Gutsrvorsteher in den Fällen des 5§. 124 zu gewährenden Vergütung beschließt der Kreisausschuß.
Vierter Titel.
Verbindung nachbarlich belegener Landgemeinden und sebständiger Gutsbezirke Behusfs gemeinsamer Wahr nehmung kommunaler Angelegenheiten.
§. 126.
Landgemeinden und Gutsbezirke können mit nachbarlich belegenen Landgemeinden oder Gutabezirken zur Wahrnehmung einzelner zu ihrem Wirkungskreise gehörigen Angelegenheiten nach Anhörung der betheiligten Gemeinden und Gutsbesitzer, sowie des Kreisausschusses und des Bezirksausschusses mit Königlicher Genehmigung verbunden werden, wenn die Betheiligten hiermit einverstanden sind, oder wenn bei dem Widerspruche Betheiligter das öffentliche Interesse die Ver⸗ bindung erfordert.
Bei der Bildung dieser Verhände ist auf die sonst bestehenden Verbände (Amtsbezirke, Kirchspiele, Schul⸗, Wegebau⸗, Armen⸗ verbände u. s. w.) thunlichst ö zu nehmen.
Ueber die in Folge einer solchen Verbindung oder in Folge einer Aenderung der Zusammensetzung der Verbände nothwendig werdende Regelung der Verhältnisse jwischen den Betheiligten beschließt der Kreisausschuß vorbehaltlich der denselben gegen einander zustehenden Klage im Verwaltungsstreitverfahren. .
Bei dieser Regelung sind erforderlichen Falles Bestimmungen zur Ausgleichung der Vermögensinteressen der Verbandsmitglieder zu treffen. Insbesondere können einzelne Gemeinden oder Gutsbezirke im Verhältnisse zu anderen, welche für gewisse Verbande zwecke bereits vor der Verbindung für sich allein in genügender Weise Fürsorge getroffen oder aus anderen Gründen nur einen geringeren Vortheil von der Verbindung haben, zu nnen verpflichtet werden.
Die nach Maßgabe des §. 126 gebildeten Verbände haben die Rechte öffentlicher Körperschaften und sind berechtigt, die Ausführung der in ihrem gemeinsamen Interesse liegenden Maßnahmen und Ver anstaltungen auf gemeinsame Kosten zu beschließen. Sie bilden in den Fallen, wo die Fürsorge für die öffentliche Armenpflege von ihnen übernommen oder ihnen auferlegt wird, Gesammtarmenverbände im Sinne des §. 12 des Gesetzeß vom 8. März 1871 (Gesetz-Samml. S. 130). Auf die bereits bestehenden Gesammtarmenverbände finden die Bestimmungen dieses Titels fortan sinngemäße Anwendung.
Im Uebrigen werden die Rechtsverhälinisse der Verbände durch ein Statut geregelt, welches von den Betheiligten im Wege freier Vereinbarung festzustellen ist und der Bestätigung des Kreisausschusses
unterliegt. §. 129.
Das Statut muß enthalten: .
I) die Bezeichnung derjenigen Landgemeinden und selbständigen Gutsbezirke, welche den Verband bilden,
2) die Bezeichnung der von dem Verbande wahrzunehmenden Angelegenheiten,
3) die Benennung des Verbandes und die Angabe des Ortes, wo dessen Verwaltung geführt wird,
4) die Festsetzung der Art und Weise, in welcher Über die ge⸗ meinsamen Angelegenheiten des Verbandes Beschluß gefaßt wird,
5) eine Bestimmung über die Wahl oder die. sonstige Art der Berufung des Verbandsvorstehers, sowie über die Vertretung des Verhandes nach außen, .
6) die Bestimmung des Maßstabes für die Vertheilung, der Beitrage zu den gemeinsamen Ausgaben auf die Verbandsmitglieder.
Das Statut ist durch das Regierungsamtsblatt zur öffentlichen Kenntniß zu bringen. Außerdem bleibt es der Beschlußfassung der einzelnen Verbände überlassen, weiter noch die Bekanntmachung des Statuts auf anderem Wege ,
Verbandsvorsteher oder Vertreter von Landgemeinden und selbst⸗ ständigen Gutsbezirken in der Versammlung der Verbandsmitglieder können nur solche Personen sein, bei welchen die Voraussetzungen für den Erwerb des Gemeinderechts , n.
Die Wahl des Verhandsvorstehers bedarf, wenn der Gewählte nicht zugleich Gemeinde, Gutt oder Amtsvorsteher ist, der Bestätigung durch den Landrath unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des 5§. 83 dieses Gesetzes. .
Wird gegen die Gültigkeit der Wahl eines Verbandavorstehers, welcher nach der vorstehenden Bestimmung einer besonderen Bestätigung nicht bedarf, Einspruch erhoben, so entscheidet hierüber die Ver sammlung der Verbandsmitglieder. Gegen den Beschluß findet die Klage im Verwaltungsstreitverfahren statt.
(Fortsetzung in der Dritten Beilage.)
zum Deutschen Reichs⸗Anz
M 277.
Dritte Beilage eiger und Königlich Preußischen Staats⸗AUnzeiger.
Berlin, Montag, den 17. Novemher
ö
(Fortsetzung aus der Zweiten Beilage.)
§. 1582. sinsichtlich der Rechte und Pflichten des Verbandtvorstehers ,, und der Geschaͤfte der Vertretung des Ver—⸗ bandes finden die in Ansehung des Gemeindevorstehers und der GHemeindererfammlung (Gemeindevertretung) im sechtten und achten Abschnitte des zweiten Tilels gegebenen Vorschriften sinngemäße An—
wendung. 8. 133
ᷣ rtheilung der gemẽinsamen Ausgaben auf die Mitglieder des . ,. nach den für die Vertheilung der Gemeinde⸗
g ltenden Grundsätzen erfolgen. . ah,, Gemeinden bleibt die Aufbringung ihrer Antheile
nach Maßgabe ihrer Verfassung .
Auf Beschwerden und Einsprüche, betreffend . ö zur Mitbenutzung der öffentlichen Einrichtungen und Anstalten des Verbandes, ; ; ö. ) der Heranziehung der einzelnen Landgemeinden und selbständigen Gutsbezirke zu den Beiträgen für Verbandsjwecke beschließt der Verbandavorsteher. Die Rechtsmittel und das Ver— fahren regeln sich nach 88. 10 .
ommt ein Statut durch freie Vereinbarung der Betheiligten nich e enn, so ist dasselbe nach Anhörung der letzteren durch den Kreisausschuß festzusetzen. Hierbei kommen folgende Grundsätze
„ Anwenbung: . . ö . . wird in seinen Angelegenheiten durch den Verband ausschuß und 3 ö vertreten. Der Letztere ist die
fübrende Behörde. ö .
. Verbandsausschuß, welcher über alle Angelegenheiten des Verbandes zu beschließen hat, besteht aus Vertretern saͤmmtlicher zu dem Verhande gehörigen Gemeinden und Gutsbezirke. Jede Ge⸗ meinde und jeder Gutsbezirk ist wenigstens durch einen Abgeordneten zu vertreten. ; ; :
Die Vertretung der Gemeinden in dem Verbandsausschusse erfolgt durch den Gemeinzevorsteher, die Schöffen und, wenn deren Zahl nicht ausreichen sollte, durch andere von der Gemeinde zu wählende Abgeordnete. . ;
Die Zahl der von jeder Gemeinde zu entsendenden Vertreter sowie der jedem Gutsbezirke einzuräumenden Stimmen bemißt sich nach dem Gesammtbetrage der zu dem Zeitpunkte der Feststellung des Statutes in den Gemeindebezirken und von den Gutsbesitzern zu ent— richtenden direkten Staatssteuern unter Mitberücksichtigung der nach Maßgabe des Gesetzes vom 27. Juli, 1885 fingirt zu veranlagenden Steuersätze der in 5. 1 a. a. O. bezeichneten Personengesammtheiten, juristischen und physischen Personen.
Der Verbandsausschuß wählt aus seiner Mitte einen Verbands⸗ vorsteher und einen Stellvertreter desselben auf die Zeitdauer von sechs Jahren nach den für die Wahl des Gemeindevorstehers geltenden Vor⸗
schriften (385 74 ff.). Fünfter Titel. Aufsicht des Staates. 3. 136
Die Aufsicht des Staates über die Verwaltung der Angelegen⸗ heiten der Landgemeinden, Gutsbezirke und Gemeindeverbände (Tit. IV.) wird unbeschadet der in den Gesetzen geordneten Mitwirkung des Kreisausschusses und des Bezirksausschusses in erster Instanz von dem Landrathe als Vorsitzenden des Kreisausschusses, in höherer und letzter Instanz von dem Regierungs⸗Präsidenten geübt.
Beschwerden bei den Aufsichtebehörden in den vorbezeichneten Angelegenheiten sind in allen Instanzen innerhalb zwei Wochen
anzuhringen. 5 157
Beschlüsse der Gemeindeversammlung, der Gemeindevertretung oder der Gemeindeverbände (Tit. IV.), welche deren Befugnisse über schreiten oder die Gesetze verletzen, hat der Gemeinde oder Verbands⸗ vborsteher, entstehenden Falles auf Anweisung der Aufsichtsbehörde, mit aufschiebender Wirkung unter Angabe der Gründe zu beagnstanden. Gegen die Verfügung des Gemeinde- (Verbands⸗) Vorstehers steht der Gemeindeversammlung (der Gemeindevertretung, der Versamm⸗ lung der Verbandsmitglieder) die Klage im Verwaltungsstreit⸗ verfahren zu.
Die Aufsichtsbehörde ist nicht befugt, aus anderen als den vor—⸗ stehend angegebenen Gründen eine, Beanstandung von Beschlüssen der Gemeindeversammlung, der Gemeindevertretung oder des Gemeinde⸗ verbandes herbeizuführen. 65
ö 58.
Unterläßt oder verweigert eine Landgemeinde, ein Gutsbezirk oder ein Gemeindeverband (Tit. 1V.) die ihnen gesetzlich obliegenden, von der Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Zuständigkeit festgestellten Leistungen auf den Voranschlag zu bringen oder außerordentlich zu genehmigen, so verfügt der Landrath unter Anführung der Gründe die Eintragung in den Voranschlag oder die Feststellung der außerordent⸗ lichen Ausgabe. ;
Gegen die Verfügung des Landraths steht der Gemeinde, dem Besitzer des Guteß sowie dem Verbande die Klage bei dem Bezirks ausschusse zu.
§. 139
Durch Königliche Verordnung kann eine Gemeindevertretung auf— gelöst werden. Etz ist sodann binnen sechs Wochen, vom Tage der Auflösungé verordnung ab gerechnet, eine Neuwahl anzuordnen. Bis zur Einführung der neugewählten Gemeindeverordneten heschließt an Stelle der Gemeindevertretung der Kreisausschuß.
Bezüglich der Dienstvergehen der Gemeindevorsteher, der Schöffen, der Guttborsteher und der Verbandevorsteher, sowie der sonstigen Beamten der Landgemeinden, Gulebezitke und Gemeindeverbände, kommen die Bestimmungen des Gesetzes vom 21. Juli 18652 (Gesetz⸗ Samml. S. 463) mit folgenden Maßgaben zur Anwendung:
1) Die Befugniß, gegen diese Beamten Ordnungsstrafen zu ver⸗ hängen, fleht dem Landrath und im Umfange des den Provinzial behörden beigelegten Ordnungsstrafrechts dem Regierungsprästdenten zu.
Gegen die Strafverfügungen des Landrgths findet innerhalb zwei Wochen die Beschwerde an den Reglerungepräsidenten, gegen die Straf⸗ verfügungen des Regierungspräsidenten innerhalb gleicher Frist die Beschwerde an den Ober ⸗Praͤsidenten statt. ⸗.
2) Gegen den auf die Beschwerde in den Fällen zu 1 in letzter Instanz ergehenden Beschluß des Regierungepräsidenten oder des Ober Präsidenten findet die Klage bei dem Ober⸗Verwaltungsgericht statt.
3) In dem Verfahren auf Entfernung aus dem Amte wird die Einleltung des Verfahrens von dem Landrathe oder von dem Regierungg⸗ präsidenten verfügt, und von denselben der Untersuchungs kommissar und der Vertreter der Staatganwaltschaft ernannt, Als entscheidende Dieziplinarbehörde erster Instanz tritt an die Stelle der Bezirks⸗ regierung der Kreisausschuß; an die Stelle des Staate⸗Ministeriumt tritt das Ober Verwaltungsgericht. Der Vertreter der Stgaftanwalt⸗ schaft bei dem Ober ⸗Verwaltungegerichte wird von dem Minister des Innern ernannt.
In dem vorstehend zu 3 vorgesehenen ,, ist entstehenden . auch über die Thatsache der Dienstunfähigkeit der ländlichen
emeindebeamten Entscheidung zu treffen.
5. 141.
Zuständig in erster Instanz ist im Verwaltungsstreitverfahren für die in diesem Gesetze vorgesehenen Fälle, sofern nicht im Einzelnen ein anderes bestimmt ist, der Kreisausschuß. Die Frist zur Anstellung der Klaze beträgt in allen Fällen zwei Wochen.
Die Gemeindeversammlung, die Gemeindevertretung und der Gemeindeverband (Tit. IV.) können zur Wahrnehmung ihrer Rechte im Verwaltungsstreitverfahren einen besonderen Vertreter bestellen.
Sechster Titel. Ausführungs- und Uebergangsbestim mungen. §. 142.
Das gegenwärtige Gesetz tritt mit dem 1. April 1892 in Kraft. Mit diesem Zeitpunkte treten alle entgegenstehenden Bestimmungen, insbesondere die 85. 18 bis 78 Theil II Tit. 7 A. L. R, das Gesetz, betreffend die Lanygemeindeverfassungen in den sechs östlichen Provinzen der preußischen Monarchie, vom 14. April 1856, die 55. 2 bis 45 sowie der 5. 53 der Kreisordnung vom 13. Dejember 1872 in der Fassung vom 19. März 1881 und die §5§. 24 bis 37 des Gesetzes über die Zuständigkeit der Verwaltungs⸗ und Verwaltungsgerichtsbehörden vom 1. August 1883 für die im §. 1 genannten Provinzen außer Kraft. Die Bestimmungen der F§. 51, 51 a und 5a Abfatz 2 der Kreisordnung bleiben auch fernerhin in Kraft.
Soweit den Volksschulen die Eigenschaft von Gemeindeanstalten
beiwohnt, kommen in Ansehung derselben die Bestimmungen dieses Gesetzes nur unter den aus den besonderen Gesetzen über die Volks— schule sich ergebenden Einschränkungen zur Anwendung.
§. 143.
Bereits vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ist eine allgemeine Prüfung der Verhältnisse der bestehenden Landgemeinden und Guts bezirke zu dem Zwecke vorzunehmen, um diejenigen Bezirksveränderungen (8. 2), welche durch das öffentliche Interesse erfordert werden und alsbald ausführbar sind, herbeizuführen. Insbesondere kommt hierbei in Betracht: die Vereinigung derjenigen Gemeinden und Gutsbezirke, welche bei Aufrechterhaltung ihrer Selbständigkeit ihre kommunalen Verpflichtungen nicht vollständig zu erfüllen vermögen, mit benach— barten Gemeinden oder Gutsbezirken, ferner die Zufammenlegung solcher Gemeinden und Gutsbezirke, deren Gehöfte und Feldmarken mit einander derart im Gemenge liegen, daß eine Sonderung der beiderseitigen kommunalen Interessen nicht mehr möglich ist, sowie die Umwandlung von zersplitterten Gutshezirken und bon den in Guttz— bezirken bestehenden Kolonien in Landgemeinden.
Die vorstehend bezeichnete Prüfung ist durch dea Kreisausschuß zu bewirken; hiernächst sind über das Ergebniß die Betheiligten zu hören. Soweit der Kreisausschuß zur Durchführung der in Frage kommenden Bezirks veränderungen nach den gesetzlichen Vorschriften G6. Y nicht selbst befugt ist, hat er bestimmte Vorschläge zu machen und dem Bezirksausschusse einzureichen, welchem die Fest⸗ stellung des Gesammtplanes für die einzelnen Kreise und die Vor⸗ bereitung der der Königlichen Genehmigung zu unterbreitenden Anträge obliegt. Die Ober⸗Präsidenten der Provinzen haben sich durch besondere Kom missarien in steter Kenntniß von dem Gange der Verhandlungen zu halten und nöthigen Falles die zur Förderung der Sache geeignet erscheinenden Anordnungen zu treffen.
§ 144.
Der Minister des Innern erläßt die zur Ausführung dieses Ge⸗ setzes erforderlichen Bestimmungen.
Wegen der Vorbereitungen für die nothwendig werdenden Neu⸗ wahlen ist alsbald nach der Verkündigung des Gesetzes Anordnung zu treffen. Die Vollmacht der bisherigen Mitglieder der bestehenden Gemeindevertretungen erlischt mit dem Zeitpunkte des Inkrafttretens des Gesetzes; doch bleiben dieselben bis zur Einführung der neu— gewählten Gemeindeverordneten im Amte.
Die zur Zeit des Inkrafttretens des Gesetzes im Amte befindlichen Gemeindevorsteher, Schöffen und sonstigen gewählten Gemeindebeamten verbleiben in demselben bis zum Ablaufe ihrer Wahlperiode. In— gleichen verbleiben im Amte die besoldeten Gemeindebeamten nach Maßgabe ihres Anstellungsvertrages.
Begründung des Entwurfes einer Landgemeindeordnung für die sieben östlichen Provinzen der Monarchie. Ginleitung.
Die Frage einer umfassenden Regelung der ländlichen Gemeinde⸗ verfassungsverhältnisse, sei es für den ganzen Umfang des preußischen Staateg, sei es gesondert für die östlichen Provinzen, ist vom Beginn dieses Jahrhunderts ab, zuerst in gewissen Zeiträumen, in der neueren Zeit aber von Jahr zu Jahr wiederkehrend, nach den verschiedensten Richtungen hin erörtert und im Großen und Ganzen stets für eine der Lösung dringend bedürftige erklärt worden. Weist schon diese Thatsache für sich allein darauf hin, daß sich das beharrliche Ver langen nach einer solchen Neuregelung auf schwerwiegende Gründe stützen muß, so ergiebt eine eingehende Prüfung der Verhältnisse der Landgemeinden und Gutsbezirke in den östlichen Provinzen, daß der gegenwärtige Stand ihres Gemeindeverfassungsrechtes sowohl in for⸗ maler wie in materieller Hinsicht ein durchaus unbefriedigender ist—
1) In formaler Hinsicht giebt es kaum ein Rechtsgebiet, dessen Grundlagen so schwer zu erforschen und zu erkennen sind, wie die⸗ jenigen des ländlichen Gemeindeverfassungsrechtes der östlichen Provinzen. Diet liegt zunächst darin, daß die grundlegenden Normen dieses Zweiges des öffentlichen Rechtes in einer großen Reihe von Gesetzen, insbesondere in einzelnen Edikten aus der Zeit vor der „Emanation des Allgemeinen Landrechtes, in den Titeln VI. und VII. diesetz Gesetzbuches, in den Edikten vom 9. Oktober 1807 und 14. September 1811 mit der Deklaration vom 29. Mai 1816, in dem Gesetze, betreffend die Einrichtung des Abgabenwesens vom 7 August 1820, in der Gemeinbeitstheilungsordnung vom 17. Juni 1321, dem Gesetze über die Verpflichtung zur Armenpflege vom 31. Dezember 18473 und dem Gesetze, betreffend die Zertheilung von Grundstücken und die Gründung neuer Ansiedelungen, vom 3. Januar 1845, ferner in dem Gesetze über die Landgemeindeverfassungen in den östlichen Provinzen der preußischen Monarchie, vom 14 April 1866, der Kriegsordnung vom 13. Dezember 1872, dem Gesetze über die Zuständigkeit der Verwaltungs. und Verwaltungsgerichtebebörden vom 1. August 1883 und anderen enthalten sind. Sodann aber kommt namentlich in Betracht, daß die wichtigsten dieser Gesetzevorschriften, wie diejenigen detz Titels 7 Thl. II A. L. R. und zu einem großen Theile auch die des Gesetzes vom 14. April 1866, nur subsidiäres Recht enthalten, und daß daher in wesentlichen Beziehungen mit der Bestimmung im §. 26 hl. IL Tit. 6 A. L. R. gerechnet werden muß, wonach die Verhältnisse und Rechte der Korporationen und Gemeinden hauptsächlich nach den bei ihrer Grrichtung geschlossenen Verträgen oder ergangenen Stiftungsbriefen, nach den von dem Staate verliehenen Privilegien und nach den von den kommunalen Körperschaften getroffenen autonomischen Bestimmungen zu be⸗ urtheilen sind.
Diese Rechtelage hat von jeher eine große Anzahl von Voll= ziehungsvorschriften und ministeriellen Verfügungen nothwendig
emacht; in der neueren Zeit ist außerdem eine außerordentlich reich err, Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, insbesondere auch des Ober⸗Verwaltungegerichts, hinzugetreten. Vie Kenntniß des geltenden Rechtes ist zur e nicht nur den Gemeindebehörden und Gemeinde
1890.
angehörigen in hohem Maße erschwert, wenn nicht überhaupt ver⸗ schkossen, sondern sie bietet auch den Aufsichtsbehörden ungewöhnliche Schwierigkeiten dar. Wenn hin und wieder behauptet wird, daß sich die Landbevölkerung in das jetzt geltende Gemeindeverfaffungsrecht eingelebt, und daß sich dieses Recht in gesunder Weise aus den praktischen Bedürfnissen des platten Landes heraus, frei von allem sormalen Zwange entwickelt habe, so trifft diese Auffaffung in keiner Weise zu, wie die erhebliche Anzahl fast täglich in der Centralinstanz eingehender, ländliche Gemeindeangelegenheiten betreffender Beschwerden und die auffallend große Menge von Verwaltungsrechtsstreitigkeiten auf diesem Gebiete beweisen. Der einfache, aber in Beziehung auf seine Rechtssphäre meist mit treffendem Urtheile ausgerüstete Land⸗ bewohner stellt den Behörden gegenüber in erster Linie die Forderung, daß seine Angelegenheiten so behandelt werden, wie das Gesetz es vorschreibt'. Ein derart verwickeltes und undurchsichtiges Recht, wie die zur Zeit geltende Landgemeindeverfassung der östlichen Provinzen, sagt ihm in keiner Weise zu. Die großen Verdienste, welche sich die Verwaltunggrechtspflege für die Fortbildung des in Rede stehenden Zweiges des öffentlichen Rechtes erworben hat, sollen durchaus nicht verkannt werden; aber einestheils wird auch den Verwaltungsgerichten die Rechtsfindung in ländlichen Gemeindeangelegenheiten durch den gegenwärtigen Stand der Gesetzgebung sehr erschwert, anderentheils aber hat die rechtsbildende Wirksamkeit der Gerichte ihre Grenzen, und die Gesetzgebung des Staates kann sich nicht im Vertrauen auf dieselbe ihres Berufes begeben.
2) In materieller Beziehung leidet die Landgemeindeverfassung der östlichen Provinzen an mannigfachen Mängeln, wie nachstehend im Einzelnen näher dargelegt werden wird.
In Beziehung auf wesentliche Punkte des Verfassungsrechtes, insbesondere hinsichtlich der Voraussetzungen des Erwerbes und des Verlustes des Gemeinderechtes, der Verpflichtungen der Gemeinde⸗ angehörigen und der Gemeindeglieder, namentlich auf dem Gebiete des Gemeindeabgabewesens, der Abgrenzung der Befugnisse des Ge⸗ meindevorstandes einerseits und der Gemeindeversammlung (Gemeinde⸗ vertretung) andererseitz, der Verbindung nachbarlich belegener Gemeinden und Gutabezirke Behufs gemeinschaftlicher Erfüllung kommunaler Aufgaben, mangelt es vielfach an den unentbehrlichsten Bestimmungen. ;
Soweit aber auch solche Bestimmungen bestehen, genügt ein erheblicher Theil derselben in der gegenwärtigen Fassung nicht, um einen dem öffentlichen Interesse entsprechenden Erfolg zu erzielen. Dies trifft namentlich zu bezüglich der Vereinigung leistungsunfähiger oder in Gemengelage befindlicher Gemeinden und Gutsbezirke zu größeren Gemeinden, welche jetzt nur im Falle des Einverstäͤndnisses der Betheiligten zur Durchführung gelangen kann, sowie hinsichtlich der Einführung gewählter Gemeindevertretungen, welche jetzt von einem Antrage der Gemeinden abhängig ist.
Endlich entspricht die bisherige Landgemeindeverfassung des Ostens in wichtigen Punkten nicht mehr den durch die heutige Entwickelung der wirthschaftlichen und sozialen Verhältnisse bedingten Anforde—⸗ rungen. Dies gilt in hervorragender Weise von den Grundsätzen über die Theilnahme am Stimm- und Wahlrechte.
Daß Bedürfniß einer durchgreifenden. alle wesentlichen Bestim⸗ mungen der Landgemeindeverfassung umfassenden Legislation für die östlichen Provinzen wird daher kaum bestritten werden können. Das⸗ selbe ist namentlich auch bei dem Beginne der Verwaltungsreform⸗ gesetzgebung anerkannt worden. In der Begründung zu dem dem Landtage der Monarchie zufolge der Allerhöchsten Ermächtigung vom 77. September 1869 vorgelegten Entwurfe der Kreisordnung für die östlichen Provinzen war zu dem von dem Gemeindevorsteher⸗ und Schöffenamte handelnden Abschnitte bemerkt, daß mit den bezüglichen Besti mungen des Entwurfes die Reform der ländlichen Gemeinde- versassung noch nicht ihren Abschluß erreichen solle; die Staats⸗ regierung werde vielmehr nicht zögern, nachdem der Kreisordnungs⸗ entwurf zum Gesetze geworden, dem Landtage auch den Entwurf einer Landgemeindeordnung zur Beschlußfassung vorzulegen, welche nicht nur eine vollständige Kodifikation des jetzt bestehenden, in einer größeren Anzahl von Gesetzen und Verordnungen zerstreuten Ge⸗ meinderechts enthalten, sondern zugleich eine zeitgemäße Fortbildung der wichtigsten Gemeindeeinrichtungen, insbesondere auch eine den maßgebenden Interessen entsprechende Lösung der Frage wegen der kommunalen Stellung der Gutsbezirke, erstreben werde. In Ueber⸗ einstimmung mit dieser Ausführung steht eine Reihe von Er— klärungen, welche Namens der Staatsregierung im Laufe der Berathungen über den Entwurf der Kreisordnung und über die später eingebrachten Entwürfe zu den Verwaltungsreform zesetzen abgegeben worden sind, so namentlich diejenige des Ministers des Innern in der Sitzung des Hauses der Abgeordneten vom 19. Oktober 1869 (Stenographische Berichte Seite 92 — 94). So legte u. A. ferner bei den Berathungen der XII. Kommission des
auses der Abgeordneten (12. Legislaturperiode, III. Session 1876, Nr. 230, Seite 6 der Drucksachen) der Vertreter des Ministeriums des Innern nachdrücklich Verwahrung gegen eine solche Deutung der Motive zu dem letztgedachten Entwurfe ein, als ob Seitens der Staatsregierung die Bringlichkeit des Erlasses einer Landgemeinde ordnung verneint und eine andere Verzögerung derselben als die durch die Häufung der gesetzgeberischen Arbelten abgedrungene bewirkt worden sei. Aus der Mitte des Hauses der Abgeordneten ist bei der Er= örterung aller wichtigen gesetzgeberischen Fragen auf dem Gebiete der allgemeinen Landes verwaliung, der Steuer, der Unterrichts verwaltung u. s. w. immer von Neuem auf die Nothwendigkeit des Erlasses einer Landgemeindeordnung hingewiesen worden. Insbesondere gelangte diese Angelegenheit bei den Etateberathungen des Mues der Ab- geordneten in den Sitzungen vom 16. Februar 1889 und vom 25 Februar 1890 zur eingehenden Erörterung, wobei sich die Ver ⸗ treter aller Parteien für eine Reform der Landgemeindeverfassung aussprachen. . ! ;
Wird zu einer solchen gesetzlichen Regelung geschritten, so erscheint es am sachgemäßesten, dieselbe gleichmäßig für dte sieben oͤstlichen Provinzen eintreten zu lassen, La sich auch bislang schon das ländliche Gemeindeverfaffungsrecht innerhalb dieler Beztenzung im Großen und Ganzen in der gleichen Weise entwickelt hat, und die wirth- schastlichen wie die sozialen Verhältnisse jener Landeetbeile im Wefentlichen gleichartig sind. Soll auch nicht in Abrede gestellt werden, daß die Gntwickeiung der Landgemeinden und Gutsbezirke in den einzelnen Provinzen des Ostens gewisse Verschieden beiten aufweist, so sind dieselben nach dem Ergebnisse der bewirkten Erhebungen doch nicht so durchgreifend, daß sie den Erlaß besonderer Landgemeinde ordnungen fur die einzelnen Provinzen nothwendig oder auch nur , , . erscheinen Ließen. Eg ist vielmehr außer Jwesfel gestellt, daß in sämmilichen onlichen Provinzen gleichmäßig Bs Be- dürfniß nach einer einheitlichen Feststellung der grundlegenden Normen des Gemeindeverfassungsrechts vorliegt, innerbalb deren dei um sichtigem Vorgehen der Gesetzgebung für die autonomische Ent · wickelung augreichender Raum Heibt, um den besonderen Berbältnissen jedes einzelnen Tbeiles der zstlichen Probinzen vollständia k 6 werden und überall die Cutfaltung eines gedeihlichen Semen u ermöglichen. Die Erreichung dieses Jteles dar um fo medr er. kf werden, als die Mitwirkung der Selbstwerwal“ der Vollßlebung des Gesetzeß voile Gewähr für eine auzgtebige Be rücksichtignng der provinztellen Gigentbümlichkeiten bietet.
Die Ausd det Reform anf andere Modinzen eblt sth nicht, 3 . — — 4