Venkllation, die nach Koch chem Vorschlage geregelt ist, Alles sebr
einfach, aber ausreichend und gut. . .
Diese Anlage würde ein Provisorium bilden auf ungefahr 18 Jahre — vielleicht auch auf länger; jedenfalls entspricht es vollkommen den Koch'schen Wünschen. Es sind 128 Betten vorge— sehen; das ist wenig, aber genügend, wenn man bedenkt, daß die Charlté jetzt schon 1700 Kranke hat und daß unter diesen Kranken viele sich befinden, welche , . . des Austausches für die neu zu
3 Abtheilung verwenden lassen.
gur Abtheilung soll in dem mit Ihrer Zustim mung — in dem letzten Etat glaube ich 5 angekauften Triangel⸗ grundstücke, dem ehemals Köpchen'schen Grundstücke, eingerichtet werden. Dieser Triangel, welchen Sie wohl Alle kennen liegt an der Unter baum ⸗ und Schumannstraße und ist gewissermassen eine Art Portier⸗ gebäude zu dem Grundstück der Charité. Dieser Triangel ist ein sehr un⸗ schönes heute noch von Miethern bewohntes, aber doch immer noch baubeständiges Gebäude. Es genügt den Koch'schen Ansprüchen voll—⸗ kommen. Mit. wenigen Abänderungen in der Substanz des Hauses ist es möglich, dieses ganze Gebäude, welches eigentlich eine große Laterne darstellt, 1 jugestalten, daß es dasjenige Licht und diejenige Arbeitsruhe gewãbrt die Koch vor Allem verlangt. Dieses Gebäude gefällt ibm besser als das schönste Gebäude, welches ich ihm erst nach langerer Fri in Berlin zurecht machen könnte. Es besteht fast nur aus Fenster Heiterkeit)R, und es hat den großen Vorzug, weil die Arbeiterläse nicht groß zu sein brauchen für die einzelnen Mikroskepiker, daß ein jeder einzelne arbeiten kann. Im Allgemeinen ist die Eintdeilusg so, daß in der untern Etage sich verschiedene Wohn ⸗ und Nutztäume befinden, in der Bel Etage die eigentlichen Räume für den Direktor und für den Dirigenten sowie für die Praktikanten. dann eine Treppe höher die chemischen Arbeitssäle; im Dach wird ein photographisches Atelier errichtet.
Die innere Organisation ist so gedacht, daß an der Spitze der Ansialt der Geheime Rath Koch stehen soll, daß unter ibm fungiren zwei Abtheilungsdirigenten, von denen der eine der Krankenabtheilung, der andere der wissenschaftlichen vorstebt, unter letzterer arbeiten 20 Praktikanten, vorgeschrittene, bakte⸗ riologische und chemisch durchgebildete Arbeiter; das Ganze soll so ausgestaltet werden, daß Koch, wie er es so dringend wünscht, mit lehr— amtlicher und Verwaltungsthätigkeit nur, so weit er es will, be— lastet wird. .
Das Projekt war nach der Superrevision auf 337 000 6 an einmaligen Kosten veranschlagt, nach neuester Berechnung wird die Summe etwas höher kommen, vielleicht bis zu einer halben Million Mark, aber ich zweifle nicht, daß das Haus mit Dankbarkeit den
Entschluß des Herrn Finanz⸗Ministers begrüßen wird, den Betrag
aus den vorhandenen Mitteln sofort bereit zu stellen und den Be⸗ darf als eine außerordentliche, unvermuthete Ausgabe zu behandeln. (Bravo ö
Waß nun den laufenden Etat betrifft, so wird derselbe natürlich Ihrer Beschlußfassung vorgelegt werden, und auch über diesen Theil ist gestern zwischen den Kommissaren des Finanz⸗Ministeriums und diesseits eine volle Verständigung erzielt worden. (Bravo
Die Disposition ist so, daß jetzt im Dezember, wenn nicht der Frost zu viele Schwierigkeiten macht, der Boden vollkommen herge— stellt wird, daß eine Kies⸗ und Betonschicht aufgebracht wird. Der Boden ist für tief fundamentirte Gebäude nicht günstig, weil darunter ein Fluß, ein alter Spreelauf sich befindet, aber Koch kennt den Boden ganz genau, er hat darüber eine bedeutende Arbeit abgefaßt, die jetzt wahrscheinlich auch schon dem Druck übergeben ist, und welche für Bodenuntersuchungen auf Jahrzehnte hinaus wichtige Fingerzeige geben wird. Er hat auch kein Bedenken, die Baracken, wenn ich so sagen darf, oberflächlich, auf Betonschichten zu bauen, ebenso wie schon das Kinderhospital, welches Sie auf dem Charitégrundstück wohl schon kennen gelernt haben, ohne tiefgehende Fundamente gebaut ist. Die Kontrakte sind abgeschlossen, und es ist
dabei mehr auf die Güte des Materials, als auf die Billigkeit des
Preises gesehen worden (Bravo); es ist vor Allem darauf gesehen, daß absolut einwandfreies, ganz trockenes Holz verwandt wird, daß
das Material, so bescheiden es ist, so gut und dauerhaft sei wie
möglich. Die Zwischenzeit bis zum Beginn des Baues wird benutzt, um den spezielQl mit der Bauausführung betrauten Bauinspektor Böttcher nach Paris zu entsenden, damit er dort das Institut von Pasteur und äbnliche Anlagen besucht, von wo er sicherlich einzelne, beachtenswerthe Gesichtspunkte für die Errichtung der wissenschaftlichen Abtheilung mitbringen wird.
Mit diesen Projekten ist nun die Sache für die Königliche Staatsregierung, wenn ich so sagen darf, als Fiskus erledigt; aber da ich den Begriff einer Staatsregierung weiter fasse, auch nach der Richtung weiterer Anregung und weiterer Ausgestaltung großer Ideen, so möchte ich doch noch Einiges kurz anfügen. Es betrifft Veranstaltungen, die jetzt zwar außerhalb des fiskalischen Gebiets, aber nicht obne Mitwirkung der Staatsregierung, im Gange sind.
Die erste betrifft das Vorgehen der Stadt Berlin. Die Stadtgemeinde Berlin hat, wie Sie aus den öffentlichen Blättern wissen, vor einiger Zeit den Beschluß gefaßt, wonach in einem Schreiben an mich vor einigen Tagen angeboten ist, sie wolle, bis das Staatsinstitut für Infektionskrankbeiten bergestellt ist, dem Geheimen Rath Koch im Barackenlazareth zu Moabit drei Baracken zur Verfügung stellen mit 150 Betten mit freier Auswahl der Kranken aus dem gesammten Krankenstande, wenn er bereit sei, diese Abtheilung zu übernehmen. Darauf habe ich geantwortet nach dem Vorschlage des Hrn. Koch, er möchte das Anerbieten sehr gern an— nehmen, aber nicht in der gebrachten Form. Denn, wenn das Staatsinstititt im April fertig werden wird, was man wohl mit Sicherheit annehmen kann, dann kann er in der Zwischenzeit die im Staateinstitut vorzunehmenden Arbeiten nicht mehr in einem Provisorium beginnen, außerdem bat er so viele Aufgaben auf dem Gebiet der Tuberkulose noch zu lösen, daß er sich mit wei⸗ teren Infektionskrankheiten in der nächsten Zeit anhaltend nicht be⸗ schäftigen kann. Er hat der Stadt vorgeschlagen, sie möchte diese 150 Betten für arme Tuberkelkranke frei zur Verfügung stellen. (Bravo! Er hat sich verpflichtet, das Injektionsmittel kostenfrei ju liefern (bravo! und wenn die Stadt es wünscht, auch die Behand⸗ lung der Aerzte kostenfrei zu stellen. (Bravo h
Auf dieser Basis ist ein vorläufiges Abkommen zwischen Koch und dem städtischen Vertreter getroffen, und jetzt in diesem Augen⸗ blick wird es definitiv geschlossen werden draußen im Barackenlazareth zwischen dem Abgesandten des Magistrats, Dr. Straßmann, und dem
Geheimen Rath Koch unter meiner Zustimmung dahin daß die Stadt die 3 Baracken mit 150 Betten wie bisher administrativ und? auch unter gewöhnlicher Krankenbehandlung durch eigene Kräfte leiten und verwalten läßt, daß Koch aber die Auswahl der Kranken aus dem gesammten Krankenmaterial hat und daß Koch den Professor Ehrlich einsetzen darf, um unter sei:zer Oberleitung die wissenschaft = liche Behandlung der Kranken zu dirigiren. Und diese 160 Betten, meine Herren, sollen kostenfrei den Armen der Stadt zur Verfüqung gestellt werden. (Bravo.
Auch auf dem Gebiete der Privatwohlthätigkeit — und ich halte mich verpflichtet, gegenüber Aeußerungen, die ich in der Presse leider gelesen habe, darauf zurückzukommen — ist man nicht etwa müßig gewesen. Von den kleineren Versuchen abgeseben, kann ich ver⸗ sichern, daß mir schon am 17. November Koch einen Brief gezeigt hat, worin ein hiesiger Herr ihm ganz frei eine Million Mark ge— geben hat zur Herstellung eines Krankenhauses für arme Phthisiker unter Koch's Leitung. So wie das Anerbieten gestellt war, war es nicht annehmbar, denn Koch kann die Leitung nicht übernehmen. Aber die Sache war so überaus schlicht, klar und einfach, daß ich Koch dringend gerathen habe, vertrauensvoll seine Vorschläge zu machen. Diese Vorschläge sind nun von dem Herrn acceptirt worden. Eg soll ungefähr in derselben Weise, wie der Staat beabsichtigt, die Krankenbaracken zu errichten, in der Nähe von Berlin eine Anstalt errichtet werden zunächst für 50 bis 60 arme Kranke, wo dieselben kostenfrei mit dem Koch'schen Mittel, welches gleichfalls kostenfrei hergegeben werden wird, behandelt werden können. Dieser Plan kostet über eine Million, schon die Anlagen kosten mehr als eine Million, und das Grundstück wird außerdem noch geschenkt.
Aber ehe dieses Projekt ins Leben treten kann, ist nach dem Vor— schlage Koch's in Aussicht genommen worden, ein Interimistlkum ein⸗ zusetzen. Ez wird wahrscheinlich in der Nähe des Zoologischen Gartens sofort ein Lokal gemiethet werden, wo zunächst 30 Kranke auf Kosten des Geschenkgebers kostenfrei verpflegt werden können. Auch hier will Koch umsonst das Mittel liefern und Dr. Cornet will kostenfrei die Behandlung dieser Kranken übernehmen. (Bravo!)
Ich schließe ab, meine Herren, indem ich noch darauf hinweise, daß in den Verhandlungen mit Koch die Stadt auch auf Errichtung eines neuen Krankenhauses in einem großartigen Sana— torium zurückgekommen ist, und daß auch diese Sache in Behand— lung genommen werden wird, sobald die vorläufig mehr drängende Einrichtung in Moabit ihren Abschluß gefunden haben wird.
Ich gebe Ihnen hiermit zwei schöne Bilder der kommunalen und der privaten Wohlthätigleit und knüpfe daran die Hoff— nung und die Erwartung, daß nach dem Vorgange von Berlin auch andere Gemeinden in derselben hochherzigen Weise im Interesse ihrer leidenden Bürger eintreten werden (Bravo!), und daß die Privatthätigkeit nichts Schöneres thun kann, als wenn sie mit ihrem Ueberschuß unserer leidenden Gesellschaft — und diese leidet zum Theil durch die ganze Entwickelung unseres Kulturlebens — ent— gegenkommen wird. Ich darf daran erinnern, daß, wie mir Koch ver⸗ sichert, von Rechts wegen “ der Menschheit an Tuberkulose stirbt, und daß wir Alle oft noch keine Ahnung von der ungeheuren Aus⸗ dehnung haben, welche sie in der ganzen Entwickelung unseres Volkes einnimmt. Es thut also die Wohlthätigkeit, wenn sie sich der Lungen—⸗
leidenden annimmt, etwa, was die Geber selbst gewissermaßen schützt.
Es gewährt diese Betrachtung, meine Herren, neue Ausblicke auf die Thätigkeit der Berufsgenossenschaften und aller derjenigen Ver—
bände, welche durch die moderne Sozialgesetzgebung berufen worden man vielleicht zweifelhaft fein könnte, ob man Hand an ein Werk
sind, im Interesse ihrer nolhleidenden Mitglieder zu sorgen. Melne Herren, ich bin am Schlusse. Ich habe versucht, so ruhig, so objektiv und so nüchtern als möglich die einschlagenden Fragen,
welche zum Theil einen turbulenten Charakter angenommen haben, zu
behandeln; ich hoffe, Sie werden aus meinen Darlegungen ersehen, daß es keinen Zeitpunkt gegeben hat, in dem nicht die Staatsregierung
versucht hat, diejenigen Bahnen inne zu halten, welche es
möglich machen, das Koch'scke Mittel zum Segen der Menschheit zu verwerthen und in der vorsichtigsten Weise die Angelegenheiten zu leiten. Es ist ihr nicht ganz gelungen; die Verhältnisse sind stärker gewesen als ihr Wille und ihr Einfluß. Ich kann aber mit dem Be⸗ kenntniß schließen: ich betrachte als den schönsten Augenblick, den ich in diesem Hohen Hause verlebt habe, den jetzigen, und ich kann ver sichern, daß, wenn ich aus meinem Amt scheide, es kaum eine glück lichere Erinnerung für mich geben wird, als das Glück gehabt zu haben, einem Mann wie Koch die Wege zu ebnen. Seine Forscher⸗ kraft und seine Wahrheitsliebe wird nur erreicht von seiner Uneigen⸗ nützigkeit und seiner Liebe zur Menschheit, und ich glaube, unser Vater⸗ land kann glücklich sein, einen solchen Sohn sein eigen zu nennen. (Lebhaftes Bravo und Beifallsklatschen)
Damit ist die Interpellation erledigt,
Es folgt die erste Berathung der Landgemeindeordnung für die sieben östlichen Provinzen.
Minister des Innern Herrfurth:
Schon vor länger als zwanzig Jahren, bei der Einbringung des ersten Entwurfs einer Kreisordnung für die östlichen Pro⸗ vinzen, hat die Königliche Staatsregierung in der Begründung desselben mit Allerhöchster Genehmigung erklärt, sie werde nach dem Abschluß dieser Kreisordnung eine Landgemeindeordnung für diese Landes⸗ theile folgen lassen. Die Landgemeindeordnung solle eine Kodlfikation der in verschiedenen Gesetzen und Verordnungen zerstreuten Bestim⸗ mungen, eine zeitgemäße Fortbildung der wichtigsten Gemeindeeinrich⸗ tungen und vor Allem eine, den maßgebenden Interessen entsprechende Lösung der Frage der kommunalen Gestaltung der Gutsbezirke ent⸗ halten.
Auch in späterer Zeit ist das hiermit amtlich konstatirte Bedürfniß einer Reform unseres ländlichen Gemeinde⸗ verfafsungsrechts sowohl von den Vertretern der verschiedenen Parteien wiederholt hervorgehoben als auch von der Königlichen Staatg⸗ regierung wiederholt anerkannt worden. Diesen Bedürfnissen Abhülfe zu verschaffen, jenes Versprechen einzulösen, ist der Ihnen vorgelegte Entwurf einer Landgemeindeordnung für die sieben östlichen Provinzen der Monarchie bestimmt. ;
Dieser Entwurf ist das Ergebniß mühevoller und zeitraubender Erhebungen, welche auf meine Veranlassung in den letzten zwei Jahren stattgefunden haben. Diese Erhebungen, über deren Umfang und Bedeutung ich bereits zweimal von dieser Stelle habe Andeutungen geben können, waren nothwendig, weil aus dem letzten Jahrzehnt die⸗ jenigen Unterlagen, auf welchen eine Landgemeindeordnung aufgebaut
ö
werden muß, theils überhaupt nicht, theils nur in ungenügender Vollständigkeit vorhanden waren.
Aber die Vorgeschichte der Landgemeinden ist eine viel längere; sie greift zurück bis zu dem Anfang dieses Jahrhunderts; das letzte Jahrzehnt desselben soll vollenden, was in dem ersten schon angebahnt und eistrebt wurde. Jetzt, nachdem die Reform der Gesetz⸗ gebung auf dem Gebiete der allgemeinen Landesverwaltung, der Kreis⸗ und Provinzialverwaltung zum Abschluß gelangt ist, erachtet die Staatsregierung den Zeitpunkt für gekommen, um Hand an das Werk der Landgemeindeordnung zu legen. Man hat nun der Staats—⸗ regierung und nicht minder der Landesvertretung, welche der ersteren auf dem von ihr eingeschlagenen Wege gefolgt ist, den Vorwurf ge⸗ macht, sie hätten das Werk am verkehrten Ende angefangen, sie hätten den falschen Weg eingeschlagen; denn man dürfe bei einem Neubau nicht mit den mittleren und oberen Stockwerken beginnen und das andere erst später einfügen wollen. Diese Auffassung ist un⸗ zutreffend, der Vorwurf unbegründet. Es handelt sich hier nicht um einen Neubau, sondern um einen Ausbau; es kommt nur darauf an, störende Einbauten zu beseitigen, Licht und Luft in die Räume hineinzubringen und sie wohnlich auszugestalten, und da kann und soll man da beginnen, wo das Bedürfniß am dringendsten ist; da kann man den Ausbau des oberen und mittleren Stockwerks dem des unteren nachfolgen lassen.
Nun ist neuerdings, freilich nur von vereinzelten Stimmen und in Widerspruch mit den Kundgebungen fast aller Parteien, auch das Bedürfniß eines solchen Ausbaues in Abrede zu stellen versucht worden; allein die von mir erwähnten Erhebungen haben durch die überzeugende Kraft der Thatsachen demselben eine nene Bestätigung gegeben.
Das Bedürfniß ist ein dreifaches: das Bedürfniß einer Kodi—⸗ fikation der zur Zeit geltenden Bestimmungen des ländlichen Gemeindeverfassungsrechts, das Bedürfniß einer Ergänzung und vor Allem das Bedürfniß einer Abänderung derselben.
Auf das Bedürfniß der Kodifikation lege ich nur ein geringeres Gewicht, obwohl die Vortheile degselben keineswegs zu unterschätzen sind. Wenn, wie dies bei unserem ländlichen Gemeindeverfassungs⸗ rechte der Fall ist, die maßgebenden Bestimmungen in einer großen Reihe von Gesetzesverordnungen und Ministerialreskripten zerstreut sind, wenn sie zum Theil nur subsidiäre Geltung haben, wenn sie durch Orttobfervanzen und Ortsstatute durchlöchert und verändert werden, so ist eine klare und übersichtliche Zusammenstellung derselben nicht nur für die Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte, sondern auch nicht minder für die Gemeinden und ihre Angehörigen von einem hohen Werth. ;
Viel erheblicher ist schon das Bedürfniß einer Ergänzung dieser Vorschristen, welche sich als unvollständig und für eine ersprieß⸗ liche Verwaltung der Gemeinden unzureichend ergeben haben. Für eine Reihe von Materien, für den Erwerb und Verlust des Gemeinde⸗ rechts, für die Abgrenzung der Befugnisse des Gemeindevorstehers, der Gemeindeversammlung und Gemeindevertretung, vor Allem für die Aufbringung und Vertheilung, Ausschreibung und Beitreibung der Gemeindeabgaben fehlen oft die unentbehrlichsten Bestimmungen.
Man entgegnet wohl, dieses Bedürfniß könne nicht ein so drin⸗ gendes sein; denn, um mit dem Herrn Abgeordneten von Meyer zu reden: Es geht auch so. Nein, meine Herren, etz geht eben nicht, sondern es bleibt stehen; die befruchtenden Wässer eines regen kommunalen Leben stagniren in den Landgemeinden des Osteng und sind in Gefahr zu versumpfen.
Nun will ich aber zugeben, daß, wenn nur das Bedürfniß einer Ergänzung oder einer Kodifikation des bestehenden Rechtes vorläge,
legen sollte, welches so große Schwierigkeiten bietet. Allein zu diesem Bedürfniß der Ergänzung und der Kodifikation tritt noch das Be— dürfniß einer durchgreifenden Aenderung wichtiger Bestim⸗ mungen dieses ländlichen Gemeindeverfassungtzrechts. Dieses Bedürfniß wird bedingt durch die Entwickelung der sozialen and wirthschaftlichen Verhältnisse, es wird begründet namentlich durch die Aufgaben, welche auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts den Gemeinden gestellt worden sind und künftig in immer größerem Umfange gestellt werden müssen.
Allerdings — und ich möchte hier zunächst den einen Punkt herausgreifen, welcher innerhalb und außerhalb dieses Hauses voraus sichtlich zu den eingehendsten Debatten führen wird: die Frage der kommunalen Gestaltung der Gutsbezirke, allerdings sage ich: es liegt nach der Auffassung der Königlichen Staatsregierung ein Bedürfniß zu einer so radikalen Aenderung nicht vor, wie dieselbe von einer Seite mit der Forderung verlangt wird: fort mit allen Gutsbezirken! Was an Gutsbezirken besteht, ist werth, daß es zu Grunde geht.
Als ich vor zwei Jahren zum exsten Male von dieser Stelle aus über die Vorbereitungen zu einer Landgemeindzordnung Mittheilung machen konnte, habe ich meine persönliche Ansicht bereits dahin aus— gesprochen, daß eine solche voll ständige Beseitigung der Gutsbezirke nicht im öffentlichen Interesse, nicht nothwendig und nicht nützlich sei, daß eine solche Maßnahme mit den schwersten Be⸗ denken in sozialer, wirthschaftlicher und politischer Beziehung verbunden sei, daß eine derartige Vereinigung von sämmtlichen Gutsbezirken mit Landgemeinden eine Zwangskopulation enthalten würde, welche zu Tausenden und Abertausenden unerquicklicher Ehen führen müßte, in welchen kein Theil etwas sehnlicher wünsche, als baldigste Scheidung. Meine Herren, die inzwischen stattgehabten Erhebungen haben ein Resultat ergeben, welches mich einen Schritt weiter gehen läßt. Ich lann jetzt fagen: Die Beseitigung des Rechtsinstituts der Guttzbezirke, die Beseitigung der Mehrzahl der be— stehenden Gutsbezirke ist nicht nur im öffentlichen Interesse nicht nöthig und nicht nützlich, ja sie ist überhaupt nicht einmal aus⸗ führbar. Man sagt, es ginge wohl, wenn man nur wolle. Denn where is a will, there is a way. Meine Herren, die Thatsachen sind stärker als die Theorien. Es ginge wohl, sagen Sie, aber es geht nicht. Diejenigen Gutsbezirke, welche auf der Einheit des Besitzes beruhen, nach ihrer Lage gesonderte kommunale Interessen haben, nach ihrem Ertrage und ihrem Umfange leistungsfähig sind, haben bisher die ihnen auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts gestellten Aufgaben vollständig und genau in derselben Weise erfüllt, wie leistungsfähige Landgemeinden. Sie bieten in der Haftbarkeit ihrer Besitzer für die Aufbringung der zu öffentlichen Zwecken erforderlichen Ausgaben, —
1 Schluß in der Zweiten Beilage.)!
Zweite Beilage
zum Deusschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
M 28).
Berlin, Montag, den 1. Dezember
1890.
(Schluß der Rede des Staats. Ministers von Goßler aus der Ersten Beilage.)
sie bleten durch Intelligen; und Gemeinsinn dieser Besitzer die vollausreichende Garantie, daß das auch in der Zukunft der Fall sein werde. Solche Gutsbezirke in Gemelnden umzuwandeln, heißt Scheingebilde schaffen; sie mit Landgemeinden zu vereinigen, würde häufig zu Mißbildungen führen, die schllmmer sind, als diejenigen, welche jetzt beseitigt werden.
Solche Gutsbezirke auf dem in der Landgemeindeordnung vom 11. März 1850 vorgeschlagenen Wege zu beseitigen, ist nicht ausführbar. Vieser Weg würde da nicht zum Ziele führen, ohne eine schwere Schädigung, nicht nur der Interessen der Betheiligten, sondern auch der Interessen des Staates. (Sehr richtig Aber, meine Herren, aus dieser Unmöglichkeit einer Beseitigung aller Gutsbezirke, aus der Nothwendigkeit der Aufrechterhaltung des Rechtsinstituts der Guts bezirke folgt nun keineswegs, daß auch ein jeder einzelne Bezirk ein noli me tangere sei. Im Gegentheil, diejenigen Gutsbezirke, denen eins der von mir bezeichneten Kriterien: die Leistungs⸗ fähigkeit, die Einheit des Besitzeg, die Sonderung der kom— munalen Interessen — fehlt, haben ihre innere Existenzberechti⸗ gung verloren; ihre Beseitigung ist angezeigt und auch wünschentwerth. Die Zahl solcher Gutsbezirke ist keineswegs gering, das haben die Erhebungen ergeben, deren Resultate Sie in der Anlage B der Be— gründung aufgeführt finden. Ich werde mir gestatten, Ihnen die Hauptresultate dieser Ziffern, nach Hunderten abgerundet, kurz vor— zuführen.
Was zunächst die Frage der Leistungsfähigkeit anlangt, so haben von den 15 600 Gutsbezirken in den östlichen Provinzen über 600 einen Umfang von weniger als 75 Hektaren, über 800 zwischen 7 und 125 Hektaren, nahe an 2000 zwar einen etwas größeren Um⸗ fang, aber einen so geringen Ertrag, daß die von ihnen zu entrichtende Grund⸗ und Gebäudesteuer einen Jahresbetrag von 225 „, die Minimalgrenze der Großgrundbesitzer nach den Vorschriften der Kreis ordnung, nicht erreicht. Nun will ich keinesbzwegs behaupten, daß alle diese 3400 Gutsbezirke leistungsfähig seien. Eine Besitzung von 100 Hektaren guten Rüben ⸗ oder Weizenbodens kann nicht nur relativ viel prästationsfähiger sein, als ein Guttzbezirk von 6 bis 8 fachem Um2— fang, der aus fliegendem Sand und magerem Kieferboden besteht, sondern er kann auch absolut prästationsfähiger sein für die Aufgaben, welche auf dem Gebiet des öffentlichen Rechtes ihm gestellt sind. Daß aber unter diesen kleinen und kleinsten Gutsbezirken sich eine große Reihe von Zwerg⸗ und Mißbildungen findet, deren Yrästationsfähig keit absolut in Abrede zu stellen ist, wird wohl nicht bestritten werden können.
Für diejenigen Gutsbezirke, denen die Einheit der Besitz er abhanden gekommen ist, bin ich ganz bestimmte Ziffern anzugeben nicht in der Lage; denn diese Forderung darf nicht im strengsten Wortsinn aufgefaßt werden. Die Grenzen sind hier flüssig. Wenn in einem großen Gutsbezirke auch einmal eine einzelne Mühle, Schänke oder Schmiede in den Privatbesitz des Müllers, Schänkwirths oder Schmiedes gekommen ist, so hat damit dieser Bezirk das Kriterium der Einheit des Besitzers noch nicht verloren, es sind damit ins⸗ besondere die Vorbedingungen für die Bildung einer Gemeinde noch nicht gegeben. Aber, meine Herren, wenn mehr als 1300 Gutsbezirke vorhanden sind, deren Einwohnerzahl 300 übersteigt, wenn mehr als 1500 Gutsbezirke vorhanden sind, welche vollständige Kolonien haben, so werden Sie nicht in Abrede stellen können, daß bei einer großen Zahl derselben jenes Kriterium der Einheit des Besitzes verloren gegangen ist, daß ihre Umwandlung in Landgemeinden, die Abtrennung der Kolonien und die Vereinigung mit Landgemeinden angezeigt und erwünscht ist.
Noch weit größer ist die Zahl derjenigen Gutsbezirke, welche im Gemenge mit Landgemeinden liegen. Es ist das bei beinahe dem dritten Theil der Gesammtzahl, bei nahezu 000 der Fall. Auch hier liegt keineswegs überall, ja nicht einmal in der Mehrzahl der Fälle eine vollständige Gleichartigkeit und Identität der kommunalen Interessen vor. Aber es ist doch die Zahl der Fälle nicht gering, bei denen ein solches wirthschaftliches Durcheinander besteht, daß eine Sonderung der kommunalen Interessen nicht möglich ist, daß keine
andere Abhülfe zu schaffen ist, als durch die vollständige Ver
einigung dieser im Gemenge liegenden Gutsbezirke und Gemeinden.
Aehnlich liegen die Verhältnisse bei den Landgemeinden. Unter den 24 400 Landgemeinden in den östlichen Provinzen haben über 1500 weniger als 50 Einwohner, über 3000 zwischen 50 und 100, noch etwas mehr, nahezu 3200 zwischen 100 und 150 Einwohner. Auch hier muß wiederum gesagt werden: nicht alle diese 7800 Land gemeinden sind leistungsunfähig. Eine Landgemeinde mit etwa sechs bis acht Bauernhöfen, mit einer Anzahl von Kossäthen und Tagelöhnern kann viel prästationsfähiger sein als eine Gemeinde mit sechs ⸗ bis achtfacher Seelenzahl, deren Einwohner einer fluktuirenden Fabrikarbeiter bevölke⸗ rung angehören. Aber daß auch eine große Anzahl dieser Gemeinden absolut nicht mehr lebensfähig, absolut ungeeignet ist, den ihnen auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts gestellten Aufgaben zu genügen, das, glaube ich, bedarf keines Beweises.
Außer den mit Gutsbezirken im Gemenge liegenden Gemeinden sind ferner noch über 1300 Landgemeinden vorhanden, welche mit anderen Land⸗ und Stadtgemeinden im Gemenge liegen, und von diesen gilt dasselbe, was ich vorhin bezüglich der Gutsbezirke ausge führt habe.
Nun, meine Herren, bevor zur Beseitigung dieser Zwerg und Mißbildungen die Klinke der Gesetzgebung in die Hand genommen werden konnte, habe ich mich für verpflichtet erachtet, die Frage einer eingehenden Erörterung zu unterziehen, ob und inwieweit mit Hülfe der zur Zeit in Geltung stebenden Gesetzgebung es möglich sein würde, diesen Mißständen Abhülfe iu schaffen. Als ich im Februar dieses Jahres hierüber nähere Andeutungen machte, ist dies irriger Weise ausgelegt worden, als ob es ein Aufgeben oder Sistiren der Vorbereltungen für eine Landgemeindeordnung bedeute. Daß diese
Auffassung irrig war, dafür haben Sie den Beweis jetzt in der Hand. Aber, meine Herren, die auf diese Weise erzielten Resultate sind auch keineswegs zu unterschätzen. Da, wo eine umsichtige und energische Initiative der Kreigz⸗ und Bezirksbehörden dem richtigen Verständniß der eigenen Interessen Seitens der Betheiligten begegnet ist, da sind solche erfreuliche Ergebnisse erzielt worden. Im Laufe der letzten beiden Jahre, namentlich seit dem Exlaß meiner GCirkularversügung vom 23. Oktober vorigen Jahretz sind über 250 leistungtzunfähige Gutsbezirke und Landgemeinden unter Zustimmung der Betheiligten mit anderen Gemeinden vereinigt worden. Bei mehr als fünfzig sind die Verhandlungen dem Abschluß nahe. Meine Herren, diese Zahl ist nicht zu unterschätzen, sie ist doppelt so groß als diejenigen Bezirks⸗ veränderungen gleicher Art, welche in ben letzten zwanzig Jahren vorher erzielt worden sind.
Immerhin hat sich ergeben, daß allerdings die bestehenden Vor— schriften nicht genügen, um Abhülfe zu schaffen gegen Gigensinn, gegen Eigennutz und gegen jene vis inertias, deren Motto: „Es geht auch so“ — ich vorhin fitirt habe. (Heiterkeit) Der Grund davon liegt in der maßgebenden Bestimmung des 5. 1 des Gesetzes vom 14. April 18565. Hier ist bestimmt, daß nur Theile von Gutsbezirken und Ge— meinden, nicht aber volle Landgemeinden und Gutsbezirke, gegen den Widerspruch der Betheiligten miteinanber vereinigt werden können. Die Zustimmung derselben ist die Vorbebingung jeder derartigen Ver— einigung der Bezirke.
Meine Herren, hier muß Abhülfe geschaffen werden, das wird so allgemein anerkannt, daß selbst diejenigen, welche sonst nichts von einer Landgemeindeordnung wissen wollen, erklären: diese Bestimmung kann und darf nicht länger bestehen, hier muß ein anderweites Gesetz gegeben werden. Diese Bestimmung wird nun abgeändert in dem §. 2 des vorliegenden Entwurftz. Darin wird bestimmt, daß nicht nur bei Theilen von Gemeinde und Gutsbezirken, sondern auch bei ganzen Landgemeinden und Gutsbezirken die Vereinigung verfügt werden kann auch gegen den Widerspruch Betheiligter, sofern ein öffentliches Interesse es erfordert. Während bisher in jedem solchen Falle, wo es sich um zwangsweise Vereinigungen von Theilen der Gutsbezirke handelt, die Königliche Genehmigung erfor— derlich war, soll hierüber in Zukunft der Kreizausschuß Beschluß fassen. Wo dagegen die Vereinigung ganzer Landgemeinden und Guts⸗ bezirke, die Umbildung von Landgemeinden und Gutsbezirken in Frage kommt, also die Auflösung und Neubildung von Korpo— rationen, da ist landesherrliche Genehmigung vorgesehen, welche eingestellt werden soll nach Anhörung der Betheiligten und nach gutachtlicher Anhörung des Kreisausschusses.
Aber, meine Herren, es genügt nicht, daß solche gesetzlichen Vor schriften, welche etz ermöglichen, die Beseitigung von Zwerg nnd Miß bildungen herbeizuführen, erlassen werden, sie müssen auch zur Anwendung komm en, und dafür bietet der 5. 143 der Aus— führungsbestimmungen eine Gewähr.
In diesen Ausführungsbestimmungen ist vorgesehen worden, daß schon vor dem Inkrafttreten des Gesetzes eine amtliche Prü⸗ fung nach der Richtung hin stattfinden soll, daß diejenigen Bezirks⸗ veränderungen, welche im öffentlichen Interesse noth⸗ wendig und sofort ausführbar sind, auch sofort zur Aus— führung gebracht werden. Hlerbei ist insbesondere Bedacht zu nehmen auf die Beseitigung leistungsunfähiger Gutsbezirke oder im Gemenge liegender Gutsbezirke und Gemeinden und derjenigen Gutsbezirke, denen das Kriterium der Einheit des Besitzes abhanden gekommen ist. Denn es heißt ausdrücklich in dem Paragraphen:
„Insbesondere kommt hierbei in Betracht die Vereinigung der jenigen Gemeinden und Gutsbezirke, welche bei Aufrechterhaltung ihrer Selbständigkeit ihre kommunalen Verpflichtungen nicht voll⸗ ständig zu erfüllen vermögen, mit benachbarten Gemeinden, ferner die Zusammenlegung solcher Gemeinden und Gutsbezirke, deren Gehöfte und Feldmarken mit einander derart im Gemenge liegen, daß eine Sonderung der beiderseitigen kommunalen Interessen nicht mehr möglich ist, sowie die Umwandlung von zersplitterten Guts bezirken und von den in Gutsbezirken stehenden Kolonien in Land gemeinden.“
Diese Prüfung soll besorgt werden durch den Kreisausschuß. welcher die Betheiligten zu hören hat. Soweit es sich um Ver— änderungen handelt, welche sich nur auf Theile von Gutsbezirken und Gemeinden erstrecken, soll der Kreisausschuß sofort seinerseits die Ver⸗ änderung vornehmen. Soweit die Vereinigung ganzer Gemeinden und Gutsbezirke oder die Umwandlung von Gutsbezirken in Gemeinden in Betracht kommt, soll der Kreisausschuß die Verhandlungen dem Bezirksausschuß vorlegen, welcher für jeden Kreis den demnächst der
landesherrlichen Genehmigung zu unterbreitenden Plan aufzustellen bat. Meine Herren, es haben nun auch Ermittelungen darüber statt gefunden,
in wieviel Fällen voraussichtlich eine derartige Bezirks veränderung,
bei der ganze Gemeinden und Gutsbenirke betheiligt sind, im öffentlichen Interesse nothwendig und sofort ausführbar erscheint. Die Ergebnifse zin Sachfen vorliegt, ist dasfelbe vorgeeben. Auf der anderen Seite Danach wird obne besondere Schwierigkeiten die im öffentlichen Interesse erforderliche Vereinigung von ungefähr 1000 leistunggunfähigen Gutsbezirken anderen Land⸗·
derselben sind in der Anlage B enthalten.
und 2400 leistungsunfähigen Gemeinden mit gemeinden, ferner die Vereinigung von über 500 Gutabezirken,
welche mit Landgemeinden, und von über 500 Landgemeinden.
welche mit Städten im Gemenge liegen, vorgenommen werden können. Endlich wird bei etwa 140 Gutsbezirken die Umwandlung in Landgemeinden im öffentlichen Interesse erforderlich und ohne Schwierigkeiten für ausführbar gehalten.
Meine Herren, ich bemerke von vorn berein: für die Richtigkeit dieser Zablen kann ich nicht einste hen, nicht etwa deshalb, weil irrtbümlich unrichtige Zahlen aus Verseben untergelaufen wären, — es ist leider in Anlage F Spalte 10 bei einigen wenigen Zahlen ge⸗ scheben, deren Berichtigung ich mir für später vorbehalte, — nein, ich kann für die Richtigkeit dieser Zablen aus dem Grunde nicht einsteben, weil es überbaupt nicht gezäblte Zablen, sondern geschätz te Zahlen sind, sie beruhen auf dem Urtheile der Landrãthe, Regierungẽ ·
Präsidenten und Ober ⸗Präsideuten darüber, was im öffentlichen In— teresse erforderlich und was ohne Schwierigkelten ausführbar ist. Immer hin, glaube ich, werden diese Zahlen einen zutreffenden Anhalt bieten können, schon aus dem Grunde, weil nach dem Gesetz der großen Zahlen die Fehlerquellen sich zu kompenstren pflegen. Sollte dies aber nicht ganz zutreffend sein, so glaube ich nach einzelnen Wahrnehmungen, die ich gemacht habe, mich zur Annahme hinneigen zu sollen, daß diese Zahlen eher zu niedrig als zu hoch sind. (Abg. Rickert: Sehr richtig h Jedenfalls, meine Herren, das ist ganz zwelfellos, wird durch eine solche erste amtliche Prüfung keinetzwegs die Gesammtzahl der leistungsfähigen Landgemeinden und Gutsbezirke beseitigt werden können; namentlich aber wird bei den im Gemenge liegenden Landgemeinden und Gutßzbezirken eine große Zahl, voraussichtlich die Mehrzahl, vorhanden sein, bei denen die Verhältnisse sich so gestalten, daß zwar hinsichtlich einer einzel nen kommunalen Aufgabe nicht nur eine Gleichartigkeit, sondern eine volle Identität der Interessen vorliegt, daß aber diese Gleich—⸗
artigkeit bei den übrigen kommunalen Aufgaben nicht vorhanden ist
daß im Uebrigen die Interessen disparater Natur sind, mit einander im Widerspruch stehen. Hier soll Abhülfe geschaffen werden durch die Vorschriften, welche im Titel 19 über die Herstellung nach bar⸗ licher Verbände aus mehreren Gutsbezirken und Land—⸗ gemeinden zum Zweck gemeinsamer Erfüllung kom mu naler Aufgaben gegeben worden sind.
Für die Bildung dieser Verbände sind die gleichen Grundsätze maßgebend, wie für die zur vollständigen kommunalen Vereinigung von Gutsbezirken und Gemeinden.
Die Verbände sollen die Rechte von Korporationen erhalten; sie sollen deshalb nur gebildet werden können mit Allerhöchster Genehmi⸗ gung nach zuvoriger Anhörung der Betheiligten und nach Prüfung detz Bedürfnisses durch den Kreitzausschuß. Für diese Verbände soll über die Frage, in welcher Weise die gemeinsamen Angelegenheiten wahrzunehmen sind, ein Statut aufgestellt werden, welches der Kreitzausschuß zu bestätigen und, sofern eine Vereinbarung nicht erzielt wird, seinerseits festzusetzen hat. Die zu gemeinsamen Zwecken erforder⸗ lichen Ausgaben sollen in gleicher Weise wie die übrigen Gemeinde—⸗ abgaben aufgebracht werden.
Meine Herren, auch hier also soll die Verbandtbildung erfolgen
können gegen den Widerspruch der Betheiligten unter der
Voraussetzung, daß ein 6ffentliches Interesse vorliegt. Diese Verbände sind keine Sammtgemeinden, sie sind Zweckverbände, Sie sind vorgesehen jzunächst nur für einen einzelnen oder mehrere kommunale Zwecke, bezüglich deren die Gemeinsamkeit zweifellos vor⸗ liegt. Es gilt dies namentlich für die Aufgaben auf dem Gebiete der
Armenpflege. Es ist eine eigenthümliche Erscheinung, daß da,
wo wir Gesammtarmenverbände haben, welche im Gemenge liegende Landgemeinden und Gutsbezirke umfassen — es ist dies der Fall in Schlesien, wo sie bestehen auf Grund einer Verordnung vom Jahre 1747, in Neuvorpommern, wo sie bestehen auf Grund der schwedischen Gesetzgebung — diese Gesammtarmenverbãnde sich ganz vortrefflich bewährt haben und von den Betheiligten und den Be⸗ hörden uneingeschränktes Lob erhalten, daß aber auf der andern Seite eine Neubildung solcher Gesammtarmenverbände auf Grund des Unterstützungswohnsitzgesetzes und des Ausführungsgesetzez vom 8. März 1871 nur in überaus beschränktem Umfange stattgefunden hat.
Ich glaube, es ist diese Erscheinung dadurch zu erklären, daß bei der ersten Bildung solcher Gesammtarmenverbände, wenn überhaupt Arme vorhanden sind, nothwendigerweise der eine oder der andere Theil zunächst eine kleine pekuniäre Einbuße erleidet. Und, meine Herren, es wird dabei nicht bedacht, daß die Ausgleichung in der Regel sehr bald einzutreten pflegt, und daß eine solche Vexeiniguag fur beide Theile auf die Dauer große Vortheile hat.
Daß ein Beduürfniß, und zwar ein dringendes Bedürfnis. Bildung solcher Gesammtarmenverbände vorliegt, das läßt glaube ich, fast ziffermäßig nachweisen durch die Thatfache, da große Mehrzahl der bei den Bezirks ausfchäffen, namentlich aber dem Bundesamt für das Heimathwesen ĩ nag gelangen Armenstreitsachen aus den Dstyroriajen i uf bezieht, ob ein Armer der Gemeinde oder dem mit derselb liegen den Gutsbezirk angehört, oder ob er — und der bãnfigfte Fall — in Folge eines sehr stanreich durchgefũhrten Ab und Zuschiebun ge yftem
Dasselbe Bedurfniß zur Bildung sol Gebiete der Armenpflege liegt vor auf dem Gebiet der Schu dem Gebiet des Wege wesen s. Meine Herren, bier Punkte, wo sich die Sandgemeindeordanng mit dem Gatrarf Schalgesetzes und auch mit dem Gatwurf des Gia konmenstenerger eses
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berührt. In diesen beiden Gesetzen ist zergeseben 5 eiche Communalderbãande ju anderen Zwecken vorhanden f fi
benutzen sein werden als Schul ver bande, als
bezrke, und in dem Entwurf der Wegeordnnng, die 3 fũr die Prr⸗
bietet die nach dem Sesegze stattfadende Bilduag ren Schuler kãaden und Voreinschãtzunggbezirken die entfrrechende Scnndlage fũr die dell · stãndige Bildeng solcher kommæanalen Zweckoer bãnde, wie fie in Titel 4 vorgeỹeben find.
Ich babe mich fär errfiichtet erachtet, diese Frage der kern. nalen Gestaltung der Gutzbe;irke, der Beseitignng der Der- nnd Mißbildungen und der Verbandsbildung einer etage kenden Grcẽttexung zu unterzieben, einmal, weil dies jedenfalls der bestritten fte und die leicht auch der wichtigste Punkt der ganzen Landgemeinden dnung tnt. Fedam aber, weil die bejzuglichen Vorschriften and legialatin tec mtr Gπ Gründen, wegen der Oekonomie des Sefeges an derfchie denen Stellen. in den Titeln 1 und 4 und in den Nebergangabestimnangen Nafaaßme gefunden haben, und dieser Zufammenbang außer lick nickt ar erdem- bar hervortrat. Ich glaube mich in Betreff der dãbrigen Punkte dafũr desto kürjer fassen n kõnnen.
Nech zwei wichtige Abändernngen des deste benden Kacktz enthalt der vorgelegte Gatwarf einer Sandgemeinderrdnnng. Die eme detrifft das Se meindest ian - and Wahlrecht. die anders dir