1890 / 296 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 09 Dec 1890 18:00:01 GMT) scan diff

Der Reichskanzler hat dem Bundesrathe den Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Abänderung des 43 über die Besteuerung des Branntweins vom 24. Juni 1887, nebst Begründung vorgelegt.

Heute tagten der Ausschuß des Bundesraths für Justiz⸗ wesen und die vereinigten Ausschüsse für Handel und Verkehr und sür Justizwesen.

In der heutigen Sitzung der K onferenz zur Berathung von Fragen, das höhere Schuhwesen betreffend, wurde die Erörterung über die Frage des Lehrplans in den Gymnasien

setzt. fortg eh e fte Kurator, Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Pr. Schrader (aus Halle) und Dr. Kropatscheck sprachen sich gegen die Schmälerung des altsprachlichen Unterrichts in den Gymnasien aus. Geheimer Rath Hr. Schrader hielt nur eine Entlastung der Schüler in Nebenfächern und eine Verringe⸗ rung der Stundenzahl im Interesse vermehrten häuslichen Studiums für wünschenswerth.

Professor Dr. Paulsen war ebenfalls gegen Verringerung des altsprachlichen Unterrichts in den Gymnasien. Dagegen hielt er eine innere Umformung dieses Unterrichts für möglich und im Uebrigen eine freiere Eniwickelung der Anstalten und Schüler für wünschenswerth, was auch für die Realgymnasien gelten soll. . . J .

Als Kommissar des Kriegs⸗-Ministeriums sprach Major Fleck, als Kommissar des Ministeriums für Handel ꝛc. Ge⸗ heimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Lüders.

Hofprediger D. Frommel gab den Klagen der Eltern über die Ueberbürdung der Schüler Ausdruck. Geheimer Ober⸗Re⸗ gierungs-⸗Nath Br. Stauder trat einer falschen Generalisirung einzelner Beschwerdefälle entgegen. Geheimer Ober⸗Regierungs⸗ Rath Pr. Hintzpeter erkannte dankbar an, daß das Gymnasium in Kassel an seinem Kaiserlichen Zögling seine Schuldigkeit voll gethan und die in dasselbe gesetzten Erwartungen sich in hohem Maße erfüllt haben.

Bei Schluß des Berichts dauerte die Sitzung fort.

Aus Anlaß eines Spezialfalles hat der Minister des Innern in einer Verfügung vom 18. September d. J. aus⸗ geführt, daß der erste Abschnitt des Gesetzes vum 24. Mai 1851, wie aus seiner Entstehungsgeschichte und seinem Wort⸗ laute hervorgeht, sich nur auf die den unmittelbaren Staatsbeamten aus ihren Dienstverhältnissen zustehenden ver— mögensrechtlichen Ansprüche bezieht und dazu bestimmt ist, dieser Kategorie von Beamten in Betreff solcher Ansprüche den Rechtsweg unter gewissen Maßgaben zu eröffnen. Da⸗ gegen war es den mittel baren Stagtsbeamten, insbesondere den Beamten der Stadtgemeinden, schon damals, als das Gesetz erging, freigestellt, die Entscheidung der Gerichte hier⸗ über anzurufen, und es konnten solche Ansprüche von ihnen schon damals ebenso wie es jetzt der Fall ist, Mangels güt⸗ licher Einigung nur auf dem ordentlichen Rechtswege end⸗

gültig zum Austrage gebracht werden.

Die Königlichen Regierungen sind durch den Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal⸗Angelegenheiten ver— anlaßt, die Schulvorstände, sowie die Leiter und Vorstände der Kleinkinderschulen und sonstiger privater Erziehungs⸗ Anstalten auf die beiden im Auftrage des hessischen Thierschutz⸗ vereins zu Kassel von dem Vorsitzenden desselben, Rektor Peter, herausgegebenen Flugblätter aufmerksam zu machen? „Schütz et die Vögel“ und „Mahnruf der Vögel im Frühling“, welche durch ihre volksthümliche Fassung geeignet sind, der leider vielfach noch vorkommenden Verfolgung namentlich der Singvögel durch Kinder erfolgreich entgegenzuwirken. Bei dem erwähnten Vereinsvorsitzenden sind von dem erstgedachten Blatt 1600 Stück für 10 6 und von dem zweitgenannten 10665 Exemplare für den Preis von 4 (66 50 8 zu beziehen.

Ein französisches Blatt, der Pariser „Temps“, schreibt: „Kaiser Wilhelm, welcher vor Jahresfrist mit so seltenem Muthe an die soziale Frage herantrat, setzt nun auch die Schulreform auf die Tagesordnung, und auch hier bewegt sich die Richtung? seiner Gedanken im Sinne des modernen Fortschritts. Wir können nur wünschen, daß Frankreich in ber Verwirklichung dieser immer dringender werdenden Reform sich nicht überflügeln lasse; einem Wettbewerbe auf dem Gebiete der Erziehung und Wissenschaft können wir nur Beifall zollen.“

Die Regierungs- Referendare Scharmer aus Merseburg, Singelmann aus Marienwerder und Roscher aus Minden haben am 6. d. M, die zweite Staatsprüfung für den höheren Verwaltungsdienst bestanden.

M. Kanonenboot, Wolf“, Kommandant Kapitän⸗ Lieutenant Hellhoff, ist am J. Dezember in Yokohama ein⸗ getroffen. S. M. Kreuzer Möwe“, Kommandant Kor— vetten⸗Kapitän von Halfern, ist am 7. Dezember von Gibraltar nach Alexandrien in See gegangen.

In der Ersten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Staats⸗Anzeigers“ wird eine Uebers icht der in den deutschen Münzstätten bis Ende November 1899 stattgehabten Ausprägungen von Reichsmünzen veröffentlicht.

Mer seb urg, 8. Dezember. Die 12 Session des Pro⸗ vinzial-Landtages der Provinz Sachsen wurde der „Magd. Zig.“ zufolge gestern durch den Ober⸗Präfidenten von Pommer⸗Esche mit etwa logen det Nede eröffnet:

Nachdem Se. Majestät der Kaiser und König mich Allergnädigst zu beauftragen geruht haben, den Landtag der Provinz Sachfen heute an dieser Stelle zu eröffnen, habe ich jum ersten Male

bie Ehre, Ihnen in Erfüllung dieses Auftrages in meiner neuen Stellung enkgegenzutreten. Ich thue dies, indem ich zunächst des hoch⸗ verdienten Mannes gedenke, der vor mir an dieser Stelle stand und durch seine treue Hingabe und bewäbrte Mitwirkung die Arbeiten des Provinzial⸗ Landtages gefördert und sich um die kommunale Weiterentwickelung der Provinz so sehr verdient gemacht hat. Indem ich die hoben Ver⸗ dienste meines Vorgängers würdige, spreche ich die dringende Bitte aus, das ehrende Vertrauen, das ihm von Ihrer Seite in so reichem Maße entgegengebracht wurde, auch auf mich übertragen zu wollen. Ich verspreche meinerseits, daß es mein unablässiges Bestreben sein wird, durch vollste Hingabe die Interessen der Provinz zu fördern. Nur durch gegenseitiges Vertrauen ist eine sichere Grundlage zu einem förderlichen Zusammenwirken zum Besten der Provinz zu schaffen. (Bravo!) Die in voriger Tagung von Ihnen gefaßten Be⸗ schlüsse haben. soweit dies erforderlich war, die staatliche Ge⸗ nehmigung erhalten. Daß Sie diesmal früher, als es sonst herksmmlich war, hierher berufen worden sind, hat seine Veranlassung in der Eilbedürftigkeit der beiden Gegenstände. deren Erledigung die Hauptaufgabe Ihrer Thätigkeit sein wird. Der eine davon betrifft die Herstellung der zur Durchführung der Errichtung einer Provinzialanstalt für die Alters und Invalĩditätsversicherung nothwendigen Baulichkeiten, auf deren beschleunigte Genehmigung auch die Regierung Angesichts des bevorstehenden Inkrafttretens des Alters⸗ und Invaliditätsversicherungsgesetzes ein besonderes Gewicht legt. Aus demselben Anlaß wird die Erneuerung eines weiteren oberen Beamten der Provinzialverwaltung und in Folge dessen ein weiterer Nachtrag zum Statut des Provinzlalverbandes, Ihrer Beschlußfassung unterbreitet. Als zweiter Hauptgegenstand werden Ihnen die Grund⸗ züge einer Wegebauordnung zur gutachtlichen Aeußerung vor⸗ gelegt werden. Die Regierung ist der zuversichtlichen Hoffnung, daß Sie sich der schwierigen Arbeit der Erledigung dieser Vorlage, die sehr wichtig ist und für die der anderen Provinzen der Monarchie vorbildlich fein wird, mit Eifer und Sachkenntniß unterziehen werden. Weitere Vorlagen, betreffend die Ausdehnung des Gesetzet, betr. die Entschädigung für an Milzbrand gefallene Thiere, auf die Provinz Sachsen und die durch Einverleibung des Bezirks Freyim⸗ selde in den Stadtbezirk Halle entstehende Aenderung der Grenzen des Saalkreises. Auch, der Vertrag zwischen Preußen und dem Herzogthum Sachsen⸗Meiningen wegen Aenderung der beider⸗ seitigen Gebiet? wird Ihnen vorgelegt werden Die weiteren Vor— lagen beziehen sich auf Provinzialangelegenheiten von untergeordneter Bedeutung. Wie aus dieser Zusammenstellung ersichtlich ist, wird die Dauer der Landtagstagung diesmal voraussichtlich kürzer sein als sonst. Anläßlich der seit der letzten Tagung innerhalb der Provinz vorgekommenen Ueberschwemmungen hat zur Linderung der entstandenen Schäpben die Privatwohlthätigkeit in anerkennenswerther Weise Hülfe geleistet, und es gebührt den opferwilligen Gebern unser Dank. Ein voller Ersatz für die Schäden ist allerdings nicht geleistet worden und kann auch nicht ge⸗ leiste werden. So weit es sich um Aufwendung öffentlicher Mittel zur Linderung von Nothständen handelt, werden dahingehende Anträge stets meine wärmste Unterstützung finden. Ich hoffe, daß Sie in treuer Arbeit und Hingebung wie in der Vergangenheit, so auch jetzt wieder sich bemühen werden, das Wohl der Provinz zu fördern. Mit diesem Wunsch erkläre ich den 12. Landtag der Provinz für eröffnet.

Zum Vorsitzenden wurde darauf der Fürst zu Stol— berg⸗Wernigerode, zu dessen Stellvertreter der Ober⸗ Bürgermeister von Magdeburg Bötticher gewählt. Der Ent⸗ wurf einer Wegebauordnung wurde einer besonderen Kommission überwiesen.

Kiel, 8. Dezember. Die Kaiserliche Yacht „Hohen⸗ zollern“ wird der „Kiel. Ztg.“ zufolge in den nächsten Tagen unter dem Kommando des Kapitäns zur See von Arnim von hier nach Stettin übergeführt, um hier auf der Werft der Aktiengesellschaft „Vulkan“ einer größeren Reparatur unterworfen zu werden. .

Bayern.

München, 8. Dezember. Auf Grund des Bundesraths⸗ beschlusses vom 4. d. M. hat, wie die „Allg. Zig.“ mittheilt, das Staats-Ministerium des Innern mit Entschlie⸗ ßung vom 5. d die Einfuhr von lebendem Rind⸗ vieh“ aus Oesterreich-⸗ Ungarn in die Städte München, Ingolstadt, Landshut, Passau, Kaiserslautern, Ludwigshafen, Regensburg, Amberg, Bamberg, Bay⸗ reuth, Hof, Nürnberg, Fürth, Erlangen, Würzburg, Aschaffenburg, Augsburg und Lindau unter den vom Bundes⸗ rath festgestellten Bedingungen gestattet. Im Falle, daß sich Wünßche geltend machen sollten, daß noch für andere größere, mit öffentlichen Schlachthäusern versehene Städte die Einfuhr von Schlachtvieh aus Oesterreich-⸗Ungarn gestattet werde, wurden die Regierungen, Kammern des Innern, zugleich beauftragt, an das Staats⸗-Ministerium des Innern bericht⸗ lichen Antrag zu stellen.

In Augsburg fand, wie „W. T. B.“ berichtet, gestern eine große Versammlung von Katholiken und Protestanten statt, in welcher nach einer Rede des Ober⸗ Bürgermeisters Fischer eine Adresse gegen die Aufhebung des Jesuitengesetz es beschlossen wurde.

Hessen. Darmstadt, 8. Dezember. Se. Königliche Hoheit der Großherzog ist nach der „Darmst. Ztg.“ gestern von den Jagden in der Göhrde hierher zurückgekehrt.

Sachsen⸗Meiningen.

Meiningen, 8. Dezember. Die Landessynode ist der „Weim. Zig.“ zufolge auf den 11. Dezember einberufen. Sie wird sich zunächst und hauptsächlich mit der Regelung der Befoldungs⸗ und Pensionsverhältnisse der Geistlichen, der Ver⸗ einigung der kirchlichen Mittel und der Verwaltung erledigter

Pfarrstellen beschäftigen. Sachsen⸗Coburg⸗Gotha.

Coburg, 8. Dezember. Se. Hoheit der Herzog ist, wie die „Cob. Zig.“ meldet, gestern aus der Göhrde hier wieder eingetroffen. Ihre Hoheit die Herzogin vollendete vorgestern ihr 70. Lebensjahr. Aus diesem Anlaß haben die Landesausschüsse, die städtischen Behörden und andere Körner schaftsvertretungen im Lande Glückwunschadressen an Ihre Hoheit gerichtet.

Anhalt.

Des sau, 8. Dezember. Se. Hoheit der Herzog von Sachsen-Altenburg ist am Sonnabend von hier nach Altenburg zurückgekehrt.

Lübeck.

Lübeck, 8. Dezember. Der Bürger⸗Ausschuß ge⸗ nehmigte, wie der „Magd. Ztg;“ berichtet wird, das Staats⸗ budget für 1891 nach dem PVorschlage des Senats. Es zeigt in Einnahme 3 324 948 6 O03 8, in Ausgabe 3528 007 45 3, ergiebt demnach einen Fehlbetrag von 203 059 M 42 3, der aus der Reservekasse oder dem Kapitalfonds des Staats

gedeckt werden soll.

Großbritannien und Irlaud.

Im Oberhause erklärte der Premier Marguis von Salisbury gestern die telegraphischen Informationen über den Zusammenstoß zwischen Portugiesen und Truppen der südafrikanischen Gesellschaft für sehr ungenau. Er wünsche detaillirtere und präzisere Nachrichten , bevor er eine Erklärung in dieser Angelegenheit abgebe.

Wie die Londoner „Allgemeine Correspondenz“ erfährt, nehmen die jetzt in London zwischen dem französischen Bot⸗ schafter Waddington und Lord Salisbury gepflogenen Unterhandlungen mit Bezug auf den neu fundländischen Fischereistreit einen günstigen Verlauf. Wenn diese Unter— handlungen nicht bis zum Ablauf des gegenwärtigen modus vivendi in dieser Woche zum Abschluß gelangt sein sollten, wird eine kurze Erneuerung dieser Verständigung zwischen Frankreich und England arrangirt werden.

Die Mitglieder der Königlichen Handwaffen⸗

Kommission General⸗Major Philip Smith, Oberst Slade, Sir Henry Halford und Oberst-Lieutenant Burton haben eine Erwiderung auf die jüngst in der, Times“ erschienenen Artikel über das Magazingewehr“ erlassen. Sie stellen die darin ausgesprochene Behauptung, daß das Magazin⸗ gewehr sich bei den damit vorgenommenen Schieß⸗ versuchen nicht bewährt habe, daß es zurückgezogen werden solle und von der indischen Regierung nicht gut⸗ geheißen worden sei, entschieden in Abrede. Abgesehen von einigen unerheblichen Mängeln, die der Beseitigung bedürften, habe sich das Gewehr als eine vorzügliche und höchst wirk⸗— same, diensttaugliche Waffe erwiesen. Die irischen Deputirten lassen, wie man der „Köln. Ztg.“ telegraphirt, die Berichte über die wüste Schlußscene in der Versammlung, welche über Parnell''s Führerschaft ent⸗ schied, durchaus ableugnen. Alles, versichern sie, habe sich ruhig abgewickelt. Bei dem am Sonntag veranstalteten Meeting im Phönixpark zu Dublin wurde Healy, der Hauptgegner Parnell's, im Bilde, mit einer Art Richtergewand bekleiset, öffentlich verbrannt und in seinem Wohnhause darauf die Scheiben eingeworfen. Der Schauplatz der Kämpfe zwischen den beiden feindlichen Gruppen der irischen Partei wird, wie die „Mgdb. tg“ meint, jetzt nach Irland verlegt werden, wohin sich Parnell demnächst begiebt. Parnell bleibt unbeschränkter Gebieter des irischen Dispositionsfonds in Höhe von 20 000 Pfd. Sterl. Er wollte sich schon heute nach Irland begeben und beabsichtigt zunächst in Dublin, darauf auch in Limerick, Cork und Water⸗ ford Reden zu halten.

Aus New Jork wird der „A. C.“ gemeldet, die irische Mission in Amerika sei in Folge der durch die Parnell⸗ Krisis verursachten Spaltungen gänzlich gescheitert. O' Brien und Dillon hätten daher beschlossen, ihre amerikanische Rundreise aufzugeben und nach Havre abzudampfen, um sich von da nach Paris zu begeben, während Harrington und wahrscheinlich auch Gill, O'Connor und Sullivan sich am Subnabend nach Liverpool einschiffen wollten.

Frankreich.

Paris, 9. Dezember. Den heutigen Morgenblättern zu⸗ folge überstiegen die Einnahmen aus den indirekten Steuern und den Monopolen im November d. J. den Voranschlag um 3 700000 Fr. und die Einnahmen des entsprechenden Zeitraums des vorigen Jahres um 3 600 006 Fr. Ein Mehrergebniß gegenüber dem Voran⸗ schlage weisen auf: indirekte Steuern 2 900 000 Fr., Zucker 2206000 Fr., Forsten 1 200 900 Fr.; an Mindererträgnissen find bei den Zöllen 1 800 000 Fr. und bei den Monopolen S70 000 Fr.

Das „Echo de Paris“ meldet, die Cadres der Tavallerieoffiziere würden binnen Jahresfrist von 3680 auf 3608 reduzirt werden.

Der „Monde“ und „LUnivers“ veröffentlichen einen Brief des Kardinals Rampolla an einen französischen Bischof, welcher den Papst betreffs der Kundgebung des Kardinals Lavigerie befragt hatte. In dem Briefe führt Rampolla aus, daß die katholische Kirche weder in ihrer Ver⸗ fassung, noch in ihren Lehrsätzen irgendwelche Bestimmungen enthielle, daß diese oder jene Regierungssorm ihr wider⸗ strehe, denn jede derselben könne, wenn mit Gerechtigkeit und Klugheit gehandhabt, einen ausgezeichneten Gesellschafts⸗ zustand aufrecht erhalten. Der apostolische Stuhl respektire nicht nur die bürgerlichen Gewalten, sondern er unterhalte auch diplomatische Beziehungen mit denselben. Die Gläubigen möchten daher, wenn nicht besondere Gründe dem entgegenstünden, an den öffentlichen Angelegenheiten theilnehmen, damit der heil⸗ same Einfluß der Religion zum Staatswohle beitrage. Die französischen Katholiken würden ein nützliches Werk verrichten, wenn sie diesen Weg wandelten.

Italien.

Wie „W. T. B.“ aus Rom von heute meldet, hat der Minister des Schatzes Giolitti, der zugleich das Finanz⸗ Ministerium interimistisch verwaltete, wegen Meinungs⸗ verschiedenheiten zwischen ihm und dem Arbeits⸗Minister in Betreff der Verminderung der Ausgaben für öffentliche Arbeiten seine Entlassung eingereicht. Der König hat mittels Dekrets bie Entlassung angenommen und Grimaldi zum . Minister ernannt, der auch mit der interimistischen Leitung des Schatz⸗Ministeriums betraut wurde. Grimaldi hat bereits den Eid in die Hand des Königs geleistet und sein neues Amt übernommen. .

Der bereits fertiggestellte Bericht, welchen Giolitti der Kammer in den ersten Tagen nach ihrem Zusammentritt unter⸗ breiten wollte, beleuchtet eingehend die Finanzlage vom Stand⸗ punkte der Ersparnisse und der Steuerreform, wobei auf alle Verhältnisse des Handels die größte Rücksicht genommen wird, und schließt nach der „Köln. Itg.“ mit dem Endergebniß, daß der vorgesehene Fehlbetrag im Budget für 18915192 auf 15 Millionen erniedrigt wird.

Spanien.

Die bis gestern bekannt gewordenen Resultate der Wahlen, welche, wie schon gemeldet, am Sonntag zur theil⸗ weisen Erneuerung der Pro vinzialräthe stattgefunden haben, ergeben annähernd, daß in Madrid 10 Liberale, 4 Republikaner und 2 Ministerielle gewählt worden sind. Aus den Provinzen sind die Berschte auch jetzt noch unvoll⸗ ständig, es scheink aber, daß die Wahlen bisher im Allgemeinen zu Gunsten der Regierung ausgefallen sind, obschon in einigen Provinzen die Liberalen und in Bilbao die Karlisten den Sieg

davongetragen haben.

Schweiz.

Der Kommissar Oberst Künzli hat dem Bundes rath gestern über die Verhältnisse im Tessän mündlich Bericht er⸗ stattet. In Folge dessen wird das dort stehende Bataillon Rr. 30 am 20. d. M. entlassen und von Der Absendung anderer Truppen zur Zeit abgesehen. Der Kommissar wird einstweilen nicht, nach dem Tessin zurückkehren, sondern erst wenn die Umstände es nöthig machen. In die Regierung des Kantons Tessin wurden neu gewählt: Soldati mit 75 gegen 1 Stimme, Colombi mit 55 gegen II Stimmen, Rusconi mit 71 gegen 4 Stimmen. Die neue Regierung wird demnach aus drei Ultramontanen und zwei Liberalen bestehen, da die beiden Ultramontanen Casella und Hianella in derselben verbleiben.

Das eidgenössische Finan z-Departement hat, wie die „Köln. Ztg.“ meldet, dem Bundesrath einen Antrag auf Ver⸗ fassungs änderung zur Einführung des B anknstenmonopols vorgelegt. . =.

Der Nationalrath beschloß gestern nach stürmischer Opposition mit 93 gegen 14 Stimmen, in die Berathung des Auslieferungsgesetzes einzutreten. Einzelberathung.

Niederlande.

Die Königin-Wittwe leistete gestern in einer Sitzung der vereinigten beiden Kammern die Eide als Regentin und als Vormünderin der minderjährigen Königin. Die Königin Emma, in tiefer Trauer, sprach, wie dem „W. T. B.“ berichtet wird, die Eidesformeln mit sicherxer Haltung und be⸗ wegter Stimme, indem sie der Königin Treue gelobte. Der Präsident van Naamen hielt eine kurze Ansprache, in welcher er das Land zu dem kostbaren, ihm vom Könige in der Königin-Regentin und Vormünderin hinterlassenen Schatz be⸗ glückwünschte. Die Mitglieder beider Kammern trugen Trauer⸗ kleider.

Im „Staatscourant“ veröffentlicht der Vorsteher des Königlichen Kabinets einen Brief, den ihm die Königin⸗ Wittwe Regentin zugesandt hat. In demselben sagt sie in ihrer Tochler und in ihrem Namen Allen den aufrichtigsten Dank für die herzlichen und so zahlreichen Beweise der Theil⸗ nahme, Liebe und Ehrerbietung aus Anlaß des Todes und des Begräbnisses des Königs und schließt mit folgenden Worten: „Die Ueberzeugung, daß das ganze Vaterland an meiner Tochter und meiner eigenen Trauer Theil nimmt, giebt Trost und Stütze für die Gegenwart, Hoffnung und Vertrauen für die Zukunft. Emma.“

Von der Insel Flores wird, wie die „Köln. Ztg.“ er⸗ fährt, durch den „Java-Bode“ über Macassar vom 26. Oktober gemeldet, daß zwischen einer Artillerie⸗Patrouille und Ein⸗ geborenen ein kleines Gefecht stattgefunden hatte. Weiter wird unterm 28. gemeldet, daß die Bevölkerung von Soa Widerstand zu leisten beabsichtigte und drei Befestigungen an⸗ gelegt hatte. Die Berichte über Vorkommen von Zinn in Soa, Pienggang, Ndua und Naru lauten günstig. Da einige hervorragende Häupter, die Anfangs den Forschungszug nach Zinnlagern mitmachen wollten, nun nicht mehr geneigt wären, so inüsse der Zug mit größerer Macht unternommen und (auf den Monat November) verschoben werden.

Luxemburg.

Der Großherzog Adolf sowie die Großherzogin wurden, wie „W. T. B.“ meldet, beim Eintreffen an der Landesgrenze von den Mitgliedern der Regierung empfangen und von der Bevölkerung enthusiastisch be⸗ grüßt. Auf der Station Luxemburg lief der Zug unter brausenden Hochrufen der anwesenden Menge ein. Der Großherzog schritt die auf dem Bahnhof aufgestellte Ehren⸗ Compagnie ab, worauf die Einfahrt in die reich geschmückte Stadt erfolgte. Auch hier war der Empfang ein sehr warmer. Rach der Ankunft im Palais wurde der Großherzog durch den Vorstand der Kammer und den Staatsrath begrüßt. Sodann defilirten die Truppen vor dem Großherzog.

Der Eid, welchen der Großherzog in der heutigen Sitzung der Kammer leisten wird, hat dem „W. T. B. gu⸗ folge nachstehenden Wortlaut:

„Ich schwöre, die Verfassung und die Gesetze des Großberzog⸗ thums Luxemburg zu beobachten, die Unabhängigkeit der Nation und die Unantastbarkeit des Gebietes aufrechtzuerhalten, ebenso die öffentliche und persönliche Freiheit und die Rechte aller und jedes Meiner Unterthanen, auf die Aufrechthaltung und Ver⸗ mehrung des Wohles des Staats und der Bürger, wie ein guter Fürst thun soll, alle Mittel zu verwenden, welche die Gesetze zu meiner Verfügung stellen, wozu Mir Gott helfe!“

Serbien.

Belgrad, 9. Dezember. Das von der Königin Natalie dem Präsidenten der Skupschtina übersandte Memorandum verlangt dem „W. T. B.“ zufolge die Ge⸗ legenheit und Möglichkeit, ihren Sohn an Sonn⸗ bezw. Feier⸗ tagen einige Stunden zu sehen. Dem Memorandum ist eine Anzahl AÄAktenstücke beigegeben, darunter auch Briefe vom König Milan, von Gruic und von Simic. Die Regierung soll, wie verlautet, beabsichtigen, einen im Memorandum nicht mitgetheilten Brief des Regenten Ristie zu veröffentlichen, in welchem derselbe der Königin Natalie vorwirft, sie wolle die Rolle einer Königin-Regentin spielen und die Erziehung des jungen Königs leiten, was gegen die Verfassung verstoße. Wie aus guter Quelle mitgetheilt wird, würde sich die Skupschting in den allernächsten Tagen in geheimer Sitzung mit dem Memorandum beschäftigen, sie habe diesen Beschluß aus prinzipiellen Gründen gefaßt. Die Regierung halte da⸗ gegen einstimmig unentwegt ihren Standpunkt fest, die Skupschtina sei inkompetent, in den Privatangelegenheiten des Königshauses zu interveniren. Die Regierungspartei stimmt hierin mit dem Ministerium überein.

Das erste russische Dampfschiff, mit „Tiflis“, ist heute hier eingetroffen.

Tchweden und Norwegen.

(F) Stockholm, 6. Dezember. Nach dem Bericht der Staatsrevisoren beliefen sich die Staats schulden Schwedens zu Anfang des Jahres 1889 auf 266 137 425 Kronen und am Schluß dieses Jahres auf 262 694992 Kronen. Da dieser Verminderung der Staatsschulden aber eine anderweite Ver⸗ minderung der Staatsaktiven um 3274 114 Kronen gegen⸗ übersteht, so beträgt die wirkliche Verminderung der Staats⸗ schulden nur 168 319 Kronen. Die Durchschnittsverzin⸗ sung aller Anleihen war im Jahre 1886 4348 Proz., verminderte sich dann durch, einige Konvertirungen auf 4,185 Proz. und ist in diesem Jahre durch eine neue Konvertirung noch etwas niedriger geworden. Ende 1889 waren von den Darlehnen des Reichsschulden⸗

Namen

Heute beginnt die

comptoirs zu Eisenbahnanlagen, Meliorationen u. s. w. ver⸗ zinslich: 11 4532 704 Kronen mit 5 Proz, 24 008 573 Kronen mit 4 Proz, 10377516 Kronen mit 4 Proz, 311 099 Kro⸗ nen mit 3,6 Proz., 100 000 Kronen mit 3 Proz., 659 000 Kronen mit 31 Proz., 3578 615 Kronen mit 3 Proz. S0 315. Kronen mit 2 Proz, und 28 000 Kronen waren zinsfrei.

Zum Vertreter Schwedens auf dem internationalen Post⸗ kongreß, der im nächsten Jahre in Wien abgehalten werden soll, ist der General⸗Postdirektor J. E. von Krusenstjer na ernannt worden.

Dänemark.

61 Kopenhagen, J. Dezember. Der Kriegs⸗ Minister hat gestern dem Folkething einen Gesetzentwurf betreffend die Armirung der Linien⸗Bataillone mit dem neu en 8mm Repetirgewehr und die Anschaffung von Muni— tion, vorgelegt. Es werden vorläufig 1590 000 Kronen verlangt.

Auf Veranlassung des betreffenden Folkethings⸗Ausschusses hat das Ministerium des Innern ein Rundschreiben erlassen, in welchem von sämmtlichen Landgemeinden genaue Auf⸗ klärungen darüber verlangt werden, wie groß in jeder Ge— meinde die Anzahl von Häuslerfamilien (Personen mit eigenem Hausstande) ist, die sich wesentlich von landwirth⸗ schaftlicher Arbeit ernähren und die außer dem Baugrunde nicht wenigstens einviertel Morgen Land in Benutzung haben, ferner wie groß die Anzahl von Einliegerfamilien mit eigenem Hausstande ist, die sich fast ausschließlich mit der Aandwirthschaft beschäftigen.

Afrika.

Egypten. Wie „R. B.“ aus Kairo erfährt, beabsichtigt die egyptische Regierung, im nächsten Jahre beim Militär⸗ Loskauf 100 000 Pfund und bei anderen Steuern 60 000 Pfund weniger einzuheben.

Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (37) Sitzung des Reichstages, welcher der Reichskanzler von Caprivi, die Staatssekretäre Dr. von Boetticher, Dr. von Stephan, Freiherr von Maltzahn und Freiherr Marschall von Bieberstein sowie der Kriegs-Minister von Kaltenborn⸗Stachau beiwohnten, stand zunächst auf der Tagesordnung die dritte Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Ver⸗— einigung von Helgoland mit dem Deutschen Reich, auf Grund der in zweiter Berathung unverändert angenommenen Vorlage.

Der Abg. Stadthagen hielt seine schon bei den ersten beiden Lesungen geltend gemachten rechtlichen und verfassungs⸗ mäßigen Bedenken gegen die Vorlage aufrecht und führte aus, der Inhalt des deutsch englischen Abkommens sei ein derartiger, daß nach der Verfassung die Genehmigung des Reichstages zu demselben hätte eingeholt werden müssen. Da dies nicht geschehen, so halte er den Vertrag für ungültig. ber selbst wenn der Reichstag dem Vertrage, zu⸗ gestimmt hätte, so würde der Vertrag für die Helgoländer nicht rechtsverbindlich sein, da sie nicht gefragt worden seien, ob sie Deutsche werden wollten. Man wolle die Helgoländer zu Zwangs, Mußdeutschen machen. Er werde für die Ab⸗ lehnung der Vorlage stimmen.

Staatssekretär Pr. von Boetticher erwiderte, daß die Reichsregierung in diesem Falle den Bestimmungen der Ver⸗ fassung genügt habe. Der Kaiser sei danach berechtigt, völker⸗ rechtliche Verträge zu schließen, und die Reichsregierung ver⸗ pflichtet, zur Rechtegültigkeit solcher Verträge die Zustimmung des Reichstages nachzusuchen, insoweit die Verträge mit fremden Staaten sich auf Gegenstände beziehen, welche nach Art. 4 der Ver⸗ fassung in das Gebiet der Reichsgesetzgebung gehörten. Der Kaiser als negotiorum gestor, habe Helgoland für das Reich erworben und die Zustimmung des Reichs⸗ tages sei in Gestalt dieser Vorlage vom Reichs⸗ tage gewährt worden. Eine Erklärung in dem Sinne, daß die etwa für England optirenden Helgoländer bis an ihr seliges Ende in Helgoland bleiben könnten, könne er nicht abgeben. Eine solche Befugniß könne Ausländern grundsätzlich nicht gegeben werden. Jeder Staat habe das Recht, gegebenen Falls unliebsam gewordene Ausländer über die Grenze zu weisen. Doch dürfe ber Vorredner beruhigt sein, eine solche Ausweisung werde schwerlich vorkommen, da die Helgoländer nach den bisherigen n n,. sich als gute Deutsche erwiesen und nicht optiren würden.

Als sodann der Abg. Stadthagen die damit befolgte Politik noch einmal als Zwangspolitik bezeichnete, wies der Staatssekretär Dr. von Boetticher diesen Vorwurf noch einmal zurück.

Die §8§. 1 bis 6 wurden mit großer Mehrheit an— genommen. .

Abg. Klemm beantragt, dem Gesetze als ö. 7 hinzuzufügen: „Dieses Gesetz tritt mit der Ver⸗ kündung in Kraft.“

Staatssekretär Dr. von Boetticher erklärte: Er habe zwar keine Ermächtigung, Namens des Bundesraths sich zu biesem Antrage zu äußern, er glaube aber annehmen zu dürfen, daß der Bundesrath Bedenken gegen den Antrag nicht habe.

Der 5. I wurde angenommen.

Die Schlußabstimmung über das ganze Gesetz mußte ge⸗ schäftsordnungs mäßig vertagt werden.

Es folgte sodann die erste Lesung des Gesetzentwurfs, betreffend die Feststellung des Reichs haushalts⸗ Etats für das Etatsjahr 1891592 mit dem Anleihe⸗ gesetz für Zwecke der Verwaltungen des Reichs⸗ heeres, der Maxine, der Reichselsenbahnen und der Post und Telegraphen. .

Rach einem einleitenden Vortrage des Staats sekretärs für das Reichs-Schatzamt Freiherrn von Maltzahn, der die ab⸗ geschlossenen Ziffern des Jahres 1889/90, die wahrscheinlichen bes laufenden Etatsjahres und die Einnahmen für 1891/92 nebst den Forderungen für diesen Zeitraum darlegte, er⸗ hielt bei Schluß des Blattes der Abg. Richter das Wort, her mit einer Schilderung der allgemeinen Lage seit dem Rücktritt des Fürsten von Bismarck begann, lebhaften Ein⸗ spruch gegen die Durchführung des Geseies, betr. die In⸗ validitäts⸗- und Altersversicherung am. 1. Januar 1891, erhob und dann in die Details des Etats einging.

In der heutigen (14) Sitzung des Hauses der Ab⸗ geordneten, welcher der Minister der geistlichen 2c. An⸗ gelegenheiten Dr. van Goßler, der Minister des Innern Herrfürth, der Finanz⸗Minister Dr, Miguel und der Minister für Landwirthschaft ꝛc. von Heyden beiwohnten, stand auf der Tagesordnung die erste Lesung des Gesetz⸗ entwurfs über die Abänderung des Gesetzes vom 14. Nai 1885, betreffend Ueberweisung von Be⸗ trägen, welche aus landwirthschafttichen Zöllen eingehen, an die Kommunalverbände (lex Huene).

Der Minister der geistlichen 2. Angelegenheiten Dr. von Goßler leitete die Debatte ein, indem er darauf hinwies, daß die Schulbaulast für die Gemeinden mit die schwer ste Last fei, daß namentlich bie Rechtsverhältnisse in Bezug auf diese Frage sehr zweifelhaft seien und zum Theil der modernen Entwicke⸗ lung nicht mehr entsprächen. Die Regierung habe ja einige Fonds zur Unterstützung von Schulbauten, aber der Hauptfonds sei beschränkt auf, Sberschlefien und Posen und nur benimmt für deutsche Schulen. Der Minister gab darauf eine Uebersicht über die in den letzten Jahren nothwendig gewordenen, vom Staat unter⸗ stützten Schulbauten und führte aus, daß die an die Gemeinden zur Ueberweisung gelangenden Summen aus den landwirthschaft⸗ lichen Zöllen am Besten geeignet seien, die Mittel für ver⸗ stärkte Unterstützung der Gemeinden bei Schulbauten zu ge⸗ währen. Bei der Berathung der lex Huene habe man aus⸗ drücklich beantragt, daß aus diesen nen, die Ge⸗ meinden bei Schulbauten unterstützt werden sollten. Der Antrag sei damals zwar nicht zur Annahme gelangt, man habe aber allgemein den Wunsch ausgesprochen, daß die Kreise veranlaßt werden möchten, die Gemeinden bei Schulbauten zu unterstützen. Eine Bestimmung, daß die Kreise die über⸗ wiesenen. Summen zu Schulbauzwecken verwenden müßten, reiche nicht aus, da die Schulbaulasten in den einzelnen Kreisen nicht im Verhältniß zu den Ueberweisungen ständen.

. Abg. Dr. Windthorst erwartet von einer eventuellen gänzlichen Aufhebung der les Huene große Mißstimmung im Lande. Bei der jetzigen allgemeinen Krisis in den finanziellen Fragen müsse man am Bestehenden festhalten. Die lex Huene habe den Gemeinden Segen gebracht. . Abg. von Meyer (Arnswalde) gab seiner Freude dar⸗ über Ausdruck, daß die lex Huene endlich abgebröckelt werde. Besser wäre noch die völlige Aufhebung derselben

Abg. von Bülow (Wandsbech sprach sich abweichend von seinen Freunden der konservativen Partei gegen die Vor⸗ lage aus. .

Der Finanz Minister Dr. Miquel erklärte, die Schullast sei eine vom Staat auferlegte Zwangslast, und deshalb müsse der Staat selbst die leistungsunfähigen Gemeinden darin unterstützen. Die Grundlage der les Huene sei durch die Er⸗ höhung der Kornzölle so verschoben, daß die Gemeinden weit mehr erhielten, als ursprünglich in Aussicht genommen sei. Deshalb sei es gerechtfertigt, daß der Staat aus den Ueber⸗ weisungen etwas für sich zurücknehme, um es den kleineren Gemeinden für Schulzwecke zuzuwenden.

Abg. Rickert sah die Vorlage nur als eine einmalige Maßtegel zu einem bestimmten nothwendigen Zweck an ohne.

Konsequenzen für die gesammte Finanzlage. Auch ohne die lex Huene müßten jetzl Mittel für Schulbauten flüssig ge⸗ macht werden. Redner wünschte eine statistische Nachweisung über die Verwendung der Ueberweisungen auf Grund der lex Huene. Die Erhöhung der Kornzölle habe allerdings die Grundlage der lex Huene verschohen. Daß der Osten bei dieser Vorlage besser wegkomme, sei kein Grund gegen dieselbe, da der Osten oft genug im Interesse des Vaterlandes habe bluten müssen. Die Verwendung der in der Vorlage enthaltenen Summen dürfe aber nicht den Schulräthen und der Schulbureaukratie überlassen werden, das Haus müsse vielmehr genaue Nachweisungen darüber erhalten.

Abg. Dr. Sattler wünschte noch eine weitere Nach⸗ weisung des Bedürfnisses für diese Vorlage, deren Annahme dadurch erschwert sei, daß man die Mittel aus der le Huene nehmen, also den Kreisen jährlich zehn Millionen Mark entziehen wolle, ohne ihnen entsprechenden Ersatz zu leisten.

Abg. Dr. Arendt sprach sich für die Vorlage aus, hielt es aber für besser, wenn die Mittel nicht aus der lex Huene, sondern durch eine Anleihe gedeckt würden.

Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum mahnte Angesichts des Luxus, den die Architekten mit Bauten trieben, zur größten Vorsicht gegenüber der Vorlage. Bei der Unsicherheit der Folgen der Steuerreform und der zukünftigen Finanzlage dürfe man in der Ueberweisungspolitik nicht zu weit gehen, damit nicht vielleicht die Mittel für die Ueberweisung der Grund⸗ und Gebäudesteuer fehlten. Die Gerüchte über Äufhebung der Getreidezölle beunruhigten die Landwirthschaft schwer, zumal sie die Krisis noch nicht überwunden habe. (Beifall rechts.)

Der Finanz-Minister Dr. Miquel erklärte die Befürch⸗ tung, daß die Mittel zur Ueberweisung der Grund⸗ und Gebaudesteuer fehlen könnten, für unzutreffend, da die Vorlage nur für zwei Jahre gelten solle. Eine Anleihe für diesen Zweck aufzunehmen, widerspreche der alten preußischen Finanz⸗ kradition, daß die ordentlichen Ausgaben durch laufende Mittel zu decken seien. .

Nachdem noch der Abg. von Tiedemann (Labischin) für die Vorlage eingetreten war, wurde die Diskussion ge⸗ schlossen und die Vorlage an die Schulgesetz⸗Kommission ver⸗ wiesen.

Bei Schluß des Blattes trat das Haus in die Berathung des Antrages des Abg. Schultz (Lupitz), betreffend die Errichtung einer Versuchsanstalt für Pflanzen⸗ schutz, ein.

Dem Hause der Abgeordneter ist der Rechen⸗ schaftsbericht über die weitere Ausführung des Gefetzes vom 15. Dezember 1869, be treffend die Konsoölidation preußischer Staatsanleihen, zu⸗ gegangen.

Kunst und Wissenschaft.

Das Koch'sche Heilverfahren. Die Königliche Akademie der Medizin in Rom hat, wie der „Köln. Ztg.“ gemeldet wird, einstimmig die Absendung folgenden Telegramms an Professor Koch beschlossen; Die Königliche Akademie in Rom sendet dem berühmten Ehren⸗ mitgliede den Ausdruck der Bewunderung und des Beifalls Angesichts der ebenso wissenschaftlichen als menschenfreund⸗

lichen Entdeckung.“