1890 / 298 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 11 Dec 1890 18:00:01 GMT) scan diff

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Se. Majestät der König haben Allerg: den Pfarrer Theodor Müller in Ust

des Dekanats Usingen im Konsistorialbezirk ernennen. 3.

Nichtamtliches Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 11. Dezember.

Se. Majestät der Kaiser und König hatten heute von 10 Uhr ab mit dem Reichskanzler eine Besprechung, hörten von 111 Uhr ab den Vortrag des Kriegs Ministers und von 1156, Uhr ab denjenigen des Chefs des Militär⸗ kabinets.

Heute fand eine Plengrsitzung des Bundesxraths statt. Vorher tagten der Ausschuß für Handel und Verkehr, die ver⸗ einigten Ausschüsse für Handel und Verkehr und für Rech— nungswesen und die vereinigten Ausschüsse für das Seewesen und für Handel und Verkehr.

Die Magdeburger Zeitung brachte vorgestern, und nach ihr andere Blätter, die Mittheilung, die Herabsetzung der landwirihschaftlichen Zölle auf die Höhe, welche dieselben vor der letzten Steigerung des Zolles (im Jahre 1887) hatten, fei von der Regierung fest beabsichtigt.

Diese Mittheilung entbehrt jeder Begründung.

Ein hiesiges Blatt hat in einer seiner letzten Nummern einen Artikel über angebliche grausame Verfolgungen der Armenier in Konstantinopel gebracht. Für diejenigen, welche einigermaßen über die Vorgänge am Bosporus infor⸗ mirt sind, bedürfen die Behauptungen des in Rede stehenden Blattes kaum einer besonderen Widerlegung.

Wie wenig die Armenier in Konstantinopel Verfolgungen ausgesetzt sind, dafür spricht wohl am Besten die Thatsache, daß bis auf den heutigen Tag in allen Verwaltungszweigen, und speziell in allen Ministerien in Konstantinopel sich zahl⸗ reiche Armenier in wichtigen und verantwortungsvollen Stellungen befinden, und daß u. A. das wichtige Portefeuille der Finanzen und auch die Civilliste des Sultans den Händen eines Armeniers Agop Pascha anvertraut sind.

Wenn wir danach den oben angeführten Artikel über— haupt erwähnen, so geschieht dies nur, um unserem Erstaunen darüber Ausdruck zu geben, daß die von demselben gemeldeten Verfolgungen der Armenier direkt auf Se. Majestät den Sultan zurückgeführt werden. Es ist bedauerlich, daß ein deutsches Blatt Verdächtigungen eines uns befreundeten, anerkannt milden und gerechten, Monarchen seine Spalten geöffnet hat.

In der gestrigen Sitzung der Konferenz zur Be⸗ rathung von Fragen, das höhere Schulwesen be⸗ treffend, nahmen zum Schluß noch das Wort Ge— heimer Ober⸗Regierungs Rath Dr. Wehrenpfennig, welcher die bestehenden Schularten vom Standpunkt des Be⸗ dürfnisses der Technischen Hochschulen beleuchtete, Ge⸗ heimer Regierungs⸗Rath Dr. Schotsmüller, Geheimer Ober⸗ Regierungs-Rath Dr. Stauder, welcher thatsächliche Mit⸗ theilungen über die Entwickelung der Arten der höheren Schulen in Preußen, deren Ausbreitung und Benutzung machte, Geheimer Regierungs⸗Rath Dr. Klix, welcher neben dem gegenwärtigen Gymnasien ein Latein⸗Gymnasium für möglich erachtete, Herr von Schenckendorff, welcher die sozialpolitische Seite der Frage betonte, und der Geheime Kommerzien-Rath Kaselowsky, welcher Wünsche des Gewerbestandes zum Aus— druck brachte.

Die heutige Sitzung wurde durch den Kultus-Minister von Goßler um 10 Uhr Vormittags mit der Mittheilung eröffnet, daß er die Sitzungen der Konferenz entsprechend einem aus der Versammlung ihm zugegangenen Antrage nicht über den 17. oder 18. Dezember d. J. auszudehnen beabsichtige.

Die Diskussion über die Fragen der Beibehaltung der bestehenden Schularten und des Lehrplans der Realgymnasien wurde fortgesetzt. Es sprachen hierzu Gymnasial⸗Direktor Dr. Eitner, Professor Dr. Paulsen, welcher für Beibehaltung der Realgymnasien eintrat, Realgymnasial-Direktor Dr. Schlee, welcher sich in gleichem Sinne aussprach, Stadtschulrath Dr. Bertram und Geheimer Regierungs⸗Rath Dr. Albrecht.

Das Schlußwort hatten Realgymnasial-Direktor Dr. Matthias, Dr. Frick und Realgymnasial⸗Direktor Dr. Schauenburg.

Es wurde hierauf unter einstweiliger weiterer Aussetzung der Abstimmung zur Berathung der Frage übergegangen:

Empfiehlt es sich:

a. an Orten, wo sich nur gymnasiale oder realgymnasiale An⸗ stalten befinden, in den drei unteren Klassen nach örtlichem Bedarf neben und statt des Latein einen verstärkten deutschen und modern fremdsprachlichen Unterricht einzuführen,

b. an Orten, wo nur lateinlose böhere Schulen sind, an deren drei unteren Klassen nach örtlichem Bedarf lateinischen Unterricht anzugliedern,

c. alle siebenstufigen Anstalten (Progymnasien, Real⸗Pro⸗ gymnasien, Realschulen) auf sechsstufige zurückuuführen,

d. den Lehrplan der Realschulen und höheren Bürgerschulen gleich zu gestalten und beide so einzurichten, daß unbeschadet der anders gearteten methodischen Behandlung des Lehrstoffs und des Abschlusses des Bildungsgangs die Fortsetzung desselben auf der Ober⸗Realschule erleichtert wird?

Hierzu sind folgende Anträge gestellt: zu a von Dr. Kropatscheck:

Die Worte neben und‘ vor statt des Latein“ zu streichen,

von Stadt⸗Schulrath Dr. Bertram: die Nebenfrage zu stellen:

Empfiehlt es sich für den Fall der Bejahung der Frage zu a das Latein erst in III beginnen zu lassen und die dadurch freigewordene 63 zum verstärkten Betriehe einer modernen fremden Sprache

ezw. des Deutschen und der Geometrie zu verwenden?

zu 5e von Professor Dr. Paulsen:

vor zurückzuführen' die Worte „in der Regel“ einzuschieben, von Gymnasial⸗Direktor Dr. Schulze:

Die Nebenfrage zu stellen: Empfiehlt es sich für den Fall der

Bejahung der Frage ju e an den Schluß des fechsten Jahres kursus

dieser Schulen Entlassunge prüfungen zu verlegen?

Als Berichterstatter zu der vorbezeichneten Frage sprachen Gewerbeschul-Direktor Dr. Holzmüller, Stadt⸗Schulrath Dr. Bertram und Gymnasial⸗Direktor Dr. Schulze, als Antrag⸗ steller außerdem Br. Kropatscheck und Professor Dr. Paulsen.

An der Diskussion nahmen Theil Geheimer 2ber⸗ Regierungs Rath Dr. Stauder, Geheimer Ober⸗Finanz⸗Rath Germar (als Kommissar des Finanz⸗Ministeriums), die Direktoren Dr. Fiedler und Dr. Matthias sowie der Geheime Baurath Ende.

Der Antrag Kropatscheck wurde angenommen, der Antrag Paulsen abgelehnt. Die von dem Stadtschulrath Bertram angeregte Frage wurde in der Abstimmung verneint, die Frage des Gymnasial-Direktors Schulz bejahte, ebenso nahezu einstimmig die Hauptfragen zu a— l.

Am 8. d. M. veischied hierselbst nach längerem Leiden der Vorsitzende der Verwaltung des Reichs⸗Invalidenfonds

Dr. Otto Michaslis. Geboren am 12. September 1826 zu

Lübbecke in Westfalen, studirte er in Bonn und Berlin Rechts⸗ und Staatswissenschaften und trat 1847 in den Justizdienst, den er im Jahre 1851 wieder verließ, um sich schriftstellerischer Thätigkeit zu widmen. 1867 in das damalige Bundeskanzler⸗ amt berufen, nahm er zunächst als vortragender Rath, vom Jahre 1876 ab als Direktor der bei dem Reichskanzler— amt neu errichteten Abtheilung für das Finanz⸗ wesen an allen Arbeiten auf dem finanziellen und volkswirthschaftlichen Gebiete hervorragenden Antheil. Neben der Thätigkeit bei der Ordnung des Etats und Kassenwesens für den Norddeutschen Bund und das Deutsche Reich nahm ihn besonders die wirthschaftliche Gesetzgebung in Anspruch. Seine reichen Kenntnisse auf dem Gebiete der National— ökonomie und sein offener Blick für die Erscheinungen des Verkehrslebens machten seine Mitarbeiterschaft bei dem Münz⸗ gesetz, dem Bankgesetz und der Gewerbeordnung besonders fruchtbringend. 1879 wurde er zum Vorsitzenden der Ver⸗ waltung des Reichs-Invalidenfonds ernannt.

Die Verdienste des Dahingeschiedenen wurden durch Ver⸗ leihung des Rothen Adler-Ordens zweiter Klasse mit dem Stern und Eichenlaub anerkannt.

Anspruchslos in seinem Auftreten, war er seinen Mit⸗ arbeitern ein stets bereitwilliger geschätzter Berather, seinen Untergebenen ein wohlwollender Vorgesetzter. Bei Allen, welche ihm näher traten, bleibt ihm ein ehrendes Andenken gesichert.

Die Bevollmächtigten zum Bundesratbh, Herzoglich sachsen⸗ coburg und gothaischer Staats-Minister Dr. von Bonin und Landesdirektor des Fürstenthums Waldeck und Pyrmont von Saldern sind hier angekommen.

Merseburg, 10 Dezember. Der Provinzial-Land⸗ tag der Provinz Sachsen wählte, der Magd. Ztg.“ zufolge, Mer seburg zum Sitz der Provinzial-⸗Verwaltung. .

Bayern.

München, 10. Dezember. Im Bereich des II. baye—⸗ rischen Armee⸗Corps soll eine Kriegsschule errichtet werden, auch wird eine Erhöhung der Zahl der im Kadettencorps vor⸗ zubildenden Offizier⸗Aspiranten beabsichtigt. Wie die „Allg. Ztg.“ erfährt, soll deren Zahl von 180 auf 240 gebracht werden.

Sachsen⸗Weinmar⸗Eisenach.

Weimar, 11. Dezember. Se. Königliche Hoheit der

Großherzog bewilligte laut Meldung des „W. T. B.“ für

das dem Fürsten Bismarck in Berlin zu errichtende National⸗ Denkmal einen Beitrag von 500 Mb

Anhalt.

Dessau, 10. Dezember. Wie der „Anh. St.⸗A. ver⸗ nimmt, treffen morgen Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prinzessin Ehristian zu Schleswig-Holstein mit Ihren Hoheiten den Prinzessinnen Victoria und Louise zum Besuch am Herzoglichen Hofe hier ein.

Reusz ä. L. 4 Greiz, 10. Dezember. Ihre Hoheit die Prinzessin

Marie von Schleswig-Holstein-FSonderburg— Glücksburg ist vorgestern von hier wieder abgereist.

Oesterreich⸗Ungarn.

Wien, 11. Dezember. Bei der vorgestrigen Hoftafel richtete, wie die ‚Preff berichtet, Se. Majestät der Kaiser und König an die anwesenden Minister und die österreichischen, ungarischen und deutschen Delegirten Ansprachen, in welchen er der Erwartung auf ein gedeihliches Resultat der Vertrags⸗ verhandlungen Ausdruck gab.

Gestern begannen telegraphischer Meldung zufolge in dem österreichischen Handels⸗Ministerium die Berathungen mit den Vertretern derjenigen Industrien, auf welche die Seitens Deutschlands bei den Handelsvertrags⸗ verhandlungen gestellten Forderungen Bezug haben.

Der Minister⸗Präsident Graf Tgaffe hat heute dem Abgeordnetenhause das neu revidirte Thierseuchen⸗ Uebereinkommen mit der Schweiz vorgelegt. Das Ab⸗ geordnetenhaus hat die Vorlagen, betreffend die Konsular⸗ gerichtsbarkeit in Egypten und den Staatsvertrag mit Italien über den gegenseitigen Schutz des Autorrechts, ohne Debatte angenommen. ̃

Im Abgeordnetenhause richteten gestern Stein⸗ wender, Derschatta und Genossen eine Interpella⸗ tion an den Minister des Innern und den Handels—⸗ Minister wegen des angeblichen Ankaufs der Kohlen⸗ werke der Nordbahn an die Kreditanstalt und wünschen ferner zu wissen, wie die Regierung den, voraussicht⸗ lich schädlichen Folgen der Fusionirung der mährisch⸗schlesischen Kohlenwerke entgegenzuwirken gedenke. Der Abg. Kopp brachte die Erledigung der Börsensteuervorlage in Erinnerung.

Das ungarische Unterhaus nahm gestern das Finanzgesetß für das Jahr 1891 an, nachdem es der Minister⸗ Präsident Graf Szapary Iranyi

äußere Linke) und Apponyi (gemäßigte Opposition) gegenüber mit Entschiedenheit als seine Pflicht betont

belt, die staatsrechtliche Di desen jedwede Angriffe zu chützen. Durch die Annahme der Vorlage ist die Regierung . Stand gesetzt, die begonnenen Reformarbeiten zu vollenden.

Großbritannien und Irland.

Der Ministerrath hielt, wie man der „Magdeb. Ztg.“ aus London meldet, gestern eine lange Berathung über die

Frage, ob das Parlament im Januar aufzulösen sei. Es, sei noch kein Beschluß gefaßt worden, doch hätten sich die

meisten Minister gegen die Auflösung ausgesprochen.

Parnell ist gestern bereits in Dublin eingetroffen. Mehrere Deputationen waren ihm bis Kingstown entgegen— gereist und überreichten ihm Begrüßungs⸗ und Zustimmungtz— adressen. In Dublin empfingen Parnell einige Hundert Personen am Bahnhofe und begrüßten ihn auf das Wärmste. Ungefähr zwei Stunden später nahm Parnell von dem Redaktionsburegau und der Druckerei der Zeitung „United Ireland“ Beschlag, verhinderte in seiner Eigenschaft als Mit— glied des Verwaltungsraths die Publikation der im Druck b findlichen Nummer und entließ den Chefredacteur. Der Abg. Healy traf gegen 1 Uhr Mittags in Dublin ein und wurde am Bahnhöfe mit Zischen und Pfeifen empfangen. Am Abend begab sich Parnell in dem Wagen des Lord— mayors nach dem Rotundasaale, um dort vor seinen An— hängern zu sprechen. Die Straßen waren von dichten Menschenmassen angefüllt, welche Parnell mit stürmischen Zu⸗ rufen begrüßten. Die Pferde des Wagens, in welchem Parnell saß, wurden ausgespannt, und der Wagen wurde von Menschen— händen bis zum Rotundasaal gezogen. Healy, der sich unter der Menschenmenge bewegte, wurde erkannt und von der Menge hin und her gestoßen In der Ansprache welche Parnell hierauf vor einer zahlreichen Ver— sammlung in der Rotunda hielt, erklärte er, er habe die gegenwärtige Krisis nicht heraufbeschworen. Wenn Gladstone sich früher erklärt hätte, würde er seine Kollegen über die Frage seines Rücktritts zu Rathe gezogen haben. Wäre die Bewegung der feindlichen Mehrheit ehrlich, so würde er nachgeben, aber dieselbe sei nur der Heuchelei und Unwissenheit zuzuschreiben. Die Anklagen, welcher er schuldig befunden sei, stützten sich auf einseitige Zeugen— aussagen; eines Tages würde seine Vertheidigung bekannt werden. Die angeregte Frage schließe das Leben oder den Tod der konstitutionellen Bewegung für Homerule in sich und er sei entschlossen, bei dem seit 16 Jahren ein— geschlagenen Verfahren zu beharren. Gegen Mitternacht drang eine Anzahl Antiparnelliten in das Bureau der „United Ireland“, bemächtigte sich im Namen William O'Briens der Bücher und Schriststücke und hinterließ eine starke Wache. Die jrischen Antiparnelliten erließen ein Manifest, in welchem sie erklären, daß sie zur Absetzung Parnell's gezwungen gewesen seien, da sie sonst Verräther an der Sache Irlands wären. Wenn Parnell Führer der irischen Partei geblieben wäre, würde bei den allgemeinen Wahlen Homerule sicher unterlegen sein; die Partei werde ihr Aeußerstes thun, ö. 9. Bündniß mit der britischen Demokratie aufrecht zu erhalten.

Der loyale „Dublin Expreß“ faßt die Lage in Irland dahin auf, daß bald ein Kampf zwischen der Geistlichkeit einerseils und Parnell andererseits entbrennen werde. Den Ausschlag in dem Kampfe dürfte, wie man annimmt, die länd⸗ liche Bevölkerung geben. Der alte Agitator Michael Da vitt, welcher bei seinen Landsleuten das höchste Ansehen besitzt, wird sich deshalb nächster Tage gleichfalls nach Irland begeben und die Wagschale zu Gunsten der Patrioten zu neigen versuchen. Von den zweifelhaften Abgeordneten haben sich The O'Gorman, Gilhooly und Patrick O'Brien gegen Parnell erklärt, sodaß dessen Gegner jetzt eine Mehrheit von 21 besitzen. Von den sieben Vertretern der Grafschaft Cork, in welcher Parnell gewählt ist, ist nur einer, Dr. Kenny, auf seiner Seite. Sein Kollege für die Stadt Cork ist sein Gegner. Die Patrioten beabsichtigen jetzt vor Allem die Gründung eines großen Organs, und es sind, wie es heißt, für dasselbe schon 20 000 Pfd. Sterl. gezeichnet. Den Fonds von 20 900 Psd. Sterl. betreffend, über welchen Parnell angeblich unbedingtes Verfügungsrecht besitzt, macht Michael Davitt die Mittheilung, erselbe habe ursprünglich der Landliga gehört, sei seit 1882 bei der Firma Munro u. Co. in Paris hinterlegt und zur Zeit auf den Namen von Parnell und Justin Mac Carthy ein— getragen.

Eine gestern Nachmittag in der Londoner Guildhall unter dem Vorsitz des Lordmayors stattgehabte, zahlreich besuchte Versammlung sprach sich, wie „W. T. B.“ imeldet, in einer Resolution gegen die Ausnahmegesetze aus, denen die Juden in Rußland unterworfen sind, und beschloß, eine von dem Lordmayor unterzeichnete Petition an den Kaiser von Rußland zu richten, worin um die Aufhebung dieser Gesetze gebeten wird.

Frankreich.

Paris, 11. Dezember. Die Deputirtenkammer hat, wie „W. T. B.“ berichtet, den Gesetzentwurf, betreffend die Aufnahme einer dreiprozentigen Anleihe zur Kon— solidirung der Obligationen mit kurzem Einlösungstermin und der dreißigjährigen Obligationen bei der Abstimmung über die Vorlage iwn Ganzen genehmigt. Die Deputirten der Rechten, die Sozialisten und Boulangisten stimmten gegen den Entwurf. Im Fortgang der Sitzung wurde die Budgetvorlage bei der Absltimmung über das Budget im Ganzen mit 363 gegen 54 Stimmen angenommen; die Rechte enthielt sich der Stimmabgabe. Vor der Abstimmung erklärte Dugus de la Fauconnerie (von der Rechten), er werde das Budget votiren, weil er glaube, es sei Zeit, daß die Mitglieder der Minorität frei und ehrlich die Republik aeceptirten. Cassagnac erwiderte, die Republi⸗ kaner hätten thatsächlich die Gelegenheit gehabt, sich mit der Minorität zu verbünden, aber sie hätten so harte Bedingungen gestellt und die der Minorität geöffnete Pforte sei so niedrig gewesen, daß die Minorität in die Republik nicht habe eintreten können. Die Kammer vertagte sich nach der Abstimmung auf den 18. d. M. Die Budget- und die Anleihevorlage wurden alsbald dem Senat übermittelt. Die Höhe der aufzunehmenden Anleihe wird erst im Moment der Emittirung mit Rücksicht auf den Stand des Geldmarktes festgestellt werden, der muthmaßliche Betrag derselben wird auf 870 Millionen geschätzt.

Die Zollkommission berieth heute den Bericht Me⸗ ziöres über die Metallzölle und beschloß die Aufrechterhaltung

des gegenwärtigen Zolles für Gußeisen, sowie für Roheisen⸗

und geschmolzenes Eisen, ferner die Zollfreiheit für Ecze.

Italien. .

je gestrige Eröffnung der 17. Legislaturperiode des . fand bei prachtvollem Wetter statt. Alle Zugänge zum Quirinal und zum Parlament waren von ner fast zahllosen Menschenmenge besetzt. Der König und die Königlichen Prinzen wurden auf ihrer Fahrt nach dem Parlamentshause mit begeisterten Zurufen begrüßt und waren auch beim Eintritt in den Sitzungsaal Gegenstand herzlichster Ovaticnen Seitens der Deputirten, der Senatoren und des Publikums auf den Tribünen. Die Königin hatte auf der Königlichen Tribüne Platz genommen. Bei der Ankunft des Königs wurden 101 Kanonenschüsse abgegeben. Der König nahm auf dem Throne Platz; ihm zur Rechten saß der Kronprinz, zur Linken der Herzog von Aosta und der Herzog von Genug; die Minister und. Großwürdenträger umgaben den Thron. Das diplomatische Corps war vollzählig erschienen. Vor der Verlesung der Thronre de schritt der Siegelbewahrer zur Vereidigung der neu ernannten Senatoren; diejenige des Kronprinzen und die Vereidigung des Herzogs von Aosta riefen eine enthusiastische Kundgebung hervor. Nachdem sodann auch die neugewählten Deputirten, und zwar von Crispi, vereidigt worden waren, verlas der König die Thronrede (ihrem Hauptinhalt nach in der gestrigen Nummer d. Bl. unter den nach Schluß eingegangenen De— peschen bereits mitgetheilt, die bei zahlreichen Stellen pon lebhastem Beifall der Versammelten begleitet wurde, insbesondere bei den Stellen, welche die Wahlen, die friedliche Lage und die religiöse Frage berührten. Die Stellen, wo der König sein Bedauern über das Ableben des Prinzen Amadeus ausdrückte, der Beeidigung des Kronprinzen und des Herzogs von Aosta Erwähnung that und die Stärke der italienischen Monarchie betonte, entfesselten einen wahren Beifallssturm. Von den 508 Deputirten wohnten beinahe 400 der feierlichen Handlung bei; auch die Senatoren waren zahlreich erschienen. .

Ueber die Entstehung der Krisis im Finanz⸗ ministerium verlautet nach der „Köln. Itg.“ Folgendes: Der Minister der öffentlichen Arbeiten Finali hatte von den ihm zustehenden 17 Millionen bereits 14 Millionen nach⸗ gegeben; Giolitti verlangte auch Streichung der letzten drei Millionen, und in der bestimmten Erwartung, daß er seinen Willen werde durchsetzen können, nahm er seine Entlassung. Darauf bot ihm der Minister⸗Präsident die vorläufige Leitung der öffentlichen Arbeiten an, Giolitti jedoch verlangte Bedenkzeit, die einen Tag vor dem Beginn des Parlaments unmöglich gewährt werden konnte. Grimaldi, um Annahme desselben Postens befragt, erklärte, dem Finanz— Minister nicht sofort seinen Bescheid geben zu können. Da Giolitti nicht warten wollte, wurde sein Entlassungsgesuch an⸗ genommen und Grimaldi in seine Stellung berufen. Es wird versichert, daß die politische und wirthschaftliche Lage auch unter diesen Umständen unverändert bleiben werde.

Wie der „Agenzia Stefam“ aus Tunis gemeldet wird, beging eine Anzahl Matrosen des dortigen französischen Stationsschiffes auf dem italienischen Bahnhof Aus—⸗ schreitungen, wobei sie wiederholt: „Es lebe Frankreich, nieder mit den Italienern!“ riefen. Der „Riforma“ zufolge hätte der italienische diplomatische Agent deshalb bei dem französischen Residenten Vorstellungen erhoben.

Niederlande.

Verschiedene Blätter hatten von einer Note berichtet, welche die Mächte in der Frage der Congozölle an die niederländische Regierung gerichtet haben sollten. Dem „W. T. B.“ zufolge ist in als unterrichtet geltenden Kreisen im Haag von einer solchen Note nichts bekannt.

Luxemburg.

Die Thronbesteigung des Großherzogs wird, wie „W. T. B.“ vernimmt, in Berlin, Wien und London durch den Erbgroßherzog angekündigt werden, in St. Petersburg durch den Prinzen Nicolaus von Nassau, in Paris durch den luxemburgischen Geschäftsträger Vannerus und in Rom durch den Staats⸗Minister Eyschen.

Belgien.

Zur Beglückwünschung des Königs zu seiner 25jährigen Regierungsjubelfeier ist gestern Abend eine aus vier Offizieren bestehende Deputation des Preußischen Kurmärkischen Dragoner-Regiments Nr. 14, dessen Chef der König ist, aus Colmar in Brüssel eingetroffen, ebenso eine gleichfalls vier Offiziere zählende Deputation des dem König vom Kaiser von Oester⸗ reich verliehenen Regiments. Beide Deputationen sind im Hotel Flandern abgestiegen, wo sie von den zu ihrer Be⸗ gleitung befohlenen belgischen Offizieren, dem Carabiniers⸗ Kapitän Wiffry und dem Lieutenant Grafen d'Oultremont empfangen wurden. Der König wollte die Deputationen, die von dem deutschen bezw. dem österreichischen Gesandten vor⸗ gestellt werden, heute Vormittag empfangen; die preußische De⸗ putation nimmt darauf bei dem deutschen, die österreichische bei dem österreichischen Gesandten das Frühstück ein. Auf Abends 61 Uhr sind die Deputationen vom König zur Tafel und darauf zum Besuch der Vorstellung im Opernhause geladen. Morgen, Föeitag, werden die Deputationen mehrere Kasernen besuchen und einer Einladung der Offiziere der Garnison zu einem Mahle folgen. Abends findet Gala⸗ vorstellung im Cirkus statt. Die Rückreise der Deputationen erfolgt Sonntag früh.

Die nun geschlossene Beitragsliste der Damen Belgiens zum Zweck eines Geschenks an die Königin anläßlich der 25 jährigen Feier ihrer Thronbesteigung hat der „Köln. Itg.“ . im Ganzen 74 540 Fr. ergeben. 60 000 Fr. werden er Unterstützungskasse für die Opfer der Arbeit über— wiesen und für den Rest soll der Königin ein Kunstwerk geschenkt werden.

Serbien.

Belgrad, 10. Dezember. Der Skupschtina ist dem „W. T. B.“ zufolge eine Vorlage der Regierung zugegangen, welche die Deckung des Bedarfs des Staats und der Ge⸗ n durch die inländische Bodenproduktion und Industrie ezweckt.

König Milan hat mittels Telegramms aus London die in Betreff der Königin Natalie getroffenen Vereinbarungen in Erinnerung gebracht.

Schweden und Norwegen.

(FE) Stockholm, 8. Dezember. Der schwedisch⸗nor⸗ wegische General⸗Konsul in Rio de Janeiro ist unterm 29. November telegraphisch angewiesen worden, die offiziellen

Verbindungen mit der brasilianischen Regierung wieder auf⸗

zunehmen. Dänemark.

In einem am 10. d. M. veröffentlichten Erlaß des Ministers des Innern werden, wie „W. T. B.“ meldet, die Veterinär⸗ maßregeln und, sonstigen Bestimmungen über die gesund⸗ heitliche Beaufsichtigung der zum Export nach Deutsch⸗ land bestimmten Schweine bekannt gegeben.

Amerika.

Vereinigte Staaten. Nach einem Beschluß des Schatzamts soll es bei der Stempelung der aus dem Deutschen Reich importirten Waaren für genügend erachtet werden, wenn dieselben mit dem Worte: „Deutsch⸗ land“ gestempelt werden; eine nähere Angabe des betreffenden einzelnen deutschen Bundesstaats, aus welchem die Waaren stammen, sei nicht nothwendig.

Senator Plumb hat einen Gesetzentwurf eingebracht, der eine Beschränkung der Deponirung von Bons bei den Nationalbanken herbeizuführen bezweckt, wo die— selben bisher als durch das Gesetz über Einstellung der Emission von Silbercertifikaten vorgeschriebene Sicherheit dienten. Der Gesetzentwurf schlägt ferner vor, daß Präsident Harrison, sobald die Münzstätten Frankreichs, Belgiens und Italiens der freien Ausprägung von Silber im Werthe von 1514 Unzen Silber gegenüber einer Unze Gold zustimmen, ermächtigt sein soll, die Weiterausprägung des Dollars zu 4121 Graines zu verbieten und zum Zweck der Ausprägung des Dollars zu 360 Graines Silberdepots anzunehmen.

Von Pine Ridge ging am 9. d. M. in Washington die Meldung ein, daß die Indianer nach Abhaltung einer Berathung trotz des Raths der Armee⸗Offiziere weiter in die Bad Lands gezogen sind.

Afrika.

Ein Telegramm des „Reuter schen Bureaus“ aus der Kapstadt von. 10. Dezember besagt, die von den Agenten der Südafrikanischen Gesellschaft verhafteten por⸗ tugiesischen Beamten æSouveia und Andrade seien gegen Ehrenwort aus der Haft entlassen worden. Die Südafrikanische Gesellschaft gebe zu, daß ein Zusammenstoß mit den Portugiesen bei Matumba und Bosoko, etwa 25 Meilen von Massikesse stattgefunden habe, bestreite aber die Richtigkeit der der Angelegenheit von portugiesischer Seite gegebenen Darstellung in allen Punkten.

Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (39.) Sitzung des Reichstages, welcher am Tische des Bundesraths die Staatssekretäre Dr. von Boetticher, Freiherr von Marschall und Hollmann sowie der Kriegs-Minister von Kaltenborn-⸗Stachau beiwohnten, wurde die erste Berathung des Ent⸗ wurfs eines Gesetzes, betreffend die Feststell ung des Reichshaushalts-Etats für das Etats⸗ jahr 189192, in Verbindung mit der ersten Be⸗ rathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Aufnahme einer Anleihe für Zwecke der Ver⸗ waltungen des Reichsheeres, der Marine, der Reichs-Eisenbahnen und der Post und Telegraphen fortgesetzt. w

Der Abg. Bebel bemerkte in einer Entgegnung auf die Angriffe des Abg. Dr. Windthorst gegen die Sozialdemokratie, daß die Herren vom Centrum ihrer Sache, besonders bezüglich der Agrarzölle, nicht mehr ganz sicher zu sein scheinen. Die große Mehrheit des Volkes wolle von dieser Zollpolitik Nichts mehr wissen, unter welcher sich die Land⸗ bevölkerung durchaus nicht so wohl befinde, wie man gern behaupten möchte. Das beweise die Sachsengängerei und der durch die Volkszählung wiederum bestätigte starke Zuzug der ländlichen Arbeiter in die Industriestädte. Redner schilderte die traurige Lage der Arbeiter des Ostens in Folgs der niedrigen Löhne. Der Abg. Dr. von Frege irre sich, wenn er glaube, daß die Sozialdemokraten die Agitation auf dem Lande aufgeben wollten. Ueberall, auch auf dem Lande, hätten die sozialdemokratischen Stimmen bei den Wahlen gewaltig zugenommen. Dem Hrn. Abg. Dr., von Frege bemerke er, daß man, auch ohne religiös zu sein, sittlich sein könne. Als Grundbesitzer würde er, ohne selbst Religion zu besitzen, es mit seiner Sittlichkeit nicht vereinbaren können, Branntwein zu brennen. Die Statistik erweise, daß der Großgrundbesitz weit mehr Getreide baue als der kleine Besitz; daher sei unbestreitbar, daß die Getreidezölle haupt⸗ sächlich den Großgrundbesitzern zu Gute kämen, während ihren Nachtheil gerade der ärmste Theil der Bevölkerung trage. Die Verschiedenheit der Brotpreise an der Grenze, diesseits und jenseits, zeige deutlich den Nachtheil des gegen⸗ wärtigen Zollsystems.

Bei Schluß des Blattes sprach der Abg. Bebel weiter.

Die XII. Ko mmission des Reichstags zur Vor⸗ berathung des Entwurfs eines Gesetzes über die Ab⸗ änderung des Gesetzes, betreffend die Kranken⸗ versicherung der Arbeiter, besteht aus folgenden Ab⸗ geordneten: Br. Buhl, Graf Droste zu Vischering, Pr. von Dziembowski⸗Pomian, Eberty, Gröber, Dr. Gutfleisch, Haerle, Dr. Hirsch, Hitze, Graf von Holstein, Stellvertreter des Vorsitzenden; von Kardorff, Kraemer, Schriftführer; Merbach, Metzner, Möller, Molkenbuhr, Graf von Preysing (Dillingen), Dr. Schaedler, Schriftführer; Schenck, Dr. Schier, Schriftführer; Freiherr von Schleinitz, von der Schulen burg-Beetzendorf, Seifert, Spahn, Stötzel, Vollrath, Schriftführer; Freiherr von Wendt, Vorsitzender; Wichmann.

Die Einkommenstener“ Kommission des Hauses der Abgeordneten nahm im weiteren Verlauf der gestrigen Sitzung von §. 6, welcher vorschreibt, daß von der Besteuerung ausgeschlossen bleiben das Einkommen aus Grundstücken in anderen Bundesstaaten und den daselbst betriebenen Gewerben, das Militäreinkommen der Unteroffiziere und Gemeinen u. s. w., die ersten beiden Nummern an— standslos an. Bei Nr. 3, welche vorschreibt, daß das dienstliche Ein kommen derjenigen Staats. und Reichsbeamten und Offiziere steuerfrei bleiben soll, welche ihren dienstlichen Wohnsitz im Auslande haben, sprach sich der Abg. Graf zu Lim burg⸗Stirum gegen diese Befreäung aus. während der Ubg br. Enne erus und Geheime Rath Wallach die Fassung der Vorlage befürworteten, da andernfalls eine große Zabl vou Beamten und Marine-Offizteren bart betroffen wurde, Schließlich wurde Rr. 3 von §. 6 in folgender von den Abgg. Graf

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Stirum und Dr. Enneccerug jusammen bean g angenommen: „Der das persönliche Sberechti⸗ übersteigende Theil des dienstlichen Einkommens der- und Reichsbeamten und Offiziere, welche ihren dienst⸗ ichen Mahnsit im Auslande haben (sc. ist von der Be— steuerung gußgeschlossen. Sofern dieselben im Auslande zu entsprechenden direkten Staatssteuern berangejogen werden, bleibt auch das persönliche pensionsberechtigende Gehalt frei. 5 7 besagt: Als Ginkommen gelten die gesammten Jahres⸗ einkünfte aus Kapitalvermögen, Grundvermögen, Pachtungen, Miethen, . und Gewerbe u. s. w.“ Hier beantragte Abg. Freiherr von ammerstein eine scharfe Sonderung zwischen Einkommen aus fundirtem und unfundirtem Vermögen und stellte einen entsprechenden Antrag. General Steuer ⸗Direktor Burghart wies darauf bin, daß Besitz und Pachtungen häufig zusammenfallen und daß dann eine Deklaration des Vermögens nach fundirtem und unfundirtem Ein kommen kaum zu erreichen sein werde Auch die Abgg, Freiherr von Zedlitz, Or. Enneccerus und Tannen erklärten sich gegen! den Antrag von Hammerstein, welcher schließlich gegen sieben Stimmen abgelehnt wurde. §5. 7 wurde unper⸗ ändert nach der Vorlage angenommen. S 8 lautet: Außer- ordentliche Einnahmen aus Erbschaften, Schenkungen, Lebens versiche rungen, aus dem nicht gewerbsmäßig oder zu Spekulationsz wecken unternommenen Verkauf von Grundstücken und ähnlichen Erwerbungen gelten nicht als steuerpflichtiges Einkommen sondern als Vermehrung des Stammvermögens und kommen ebenso wie Verminderungen des Stammvermögens nur insofern in Betracht, als die Erträge des letzteren dadurch vermehrt oder vermindert werden. Abg.. Dr. Gnneccerus wollte die Werte zu Spekulationszwecken- streichen, da dieser Begriff zu unklar und kaum zu definiren sei. Minister Or. Miguel gab das zu, glaubte aber, daß die Steuerkommissionen in den Einzelfällen den Spefulations⸗ zweck sehr wohl erkennen würden. Der Antrag wurde abgelehnt, der Paragraph unverändert angenommen. S. 9 besagt, daß von dem (als steuerpflichtig bezeichneten) Einkommen in Abzug zu bringen sind die zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung des Einkommens ver- wendeten Ausgaben, die zu zahlenden Schuldenzinsen, die auf Rechts—⸗ titeln beruhenden dauernden Lasten, die von dem Grundeigenthum und dem Gewerbebetriebe zu entrichtenden direkten Staatssteuern u. J. w. Auf Antrag des Abg. Dr. Enneccerus wurde hinter dem Worte Gewerbebetriebe“ eingeschaltet: einschließlich des Privateisen⸗ bahnbetriebs“.

In der heutigen Sitzung wurde die Berathung des 5. 9 wieder aufgenommen. Nach Abf. 4 sollen die von dem Grundeigen⸗ thum und dem Gewerbebetriebe zu entrichtenden direkten Staats- steuern, sowie solche indirekte Abgaben welche zu den Geschäftsunkosten zu rechnen sind, in Abzug gebracht werden. Der nationalliberale Abg. Simon (Waldenburg) beantragte, hinter dem Gewerbebetriebe ein⸗ zufügen: einfchließlich den Privateisenbahnbetriebé. Zu demselben Absatz beantragen die Abgg. Dr. Enneccerus, Peters, Tannen, Schmieding, Simon und von Benda, auch die Kommunalsteuern einzubeziehen, sodaß auch dies in Abzug gebracht werden. Dieselben Antragsteller wollen als Nr. 7 beifügen: 7) Lebensversicherungsprämien, so⸗ fern dieselben weder 50 des Einkommens noch den Jahresbetrag von 500 Mƽ übersteigen Weiter sollen sich nach Abs. 5 die Abzüge er⸗ strecken auf 5) die regelmäßigen jährlichen Absetzungen für Ab⸗ nutzung von Gebäuden, Maschinen, Betriebsgeräthschaften 6. soweit solche nicht aus den Betriebseinnahmen beschafft sind. Dazu be⸗ antragte der Abg. Freiherr von Zedlitz, beizufügen: sowie bei Bergbau und ähnlichen eine Verringerung der Substanz bedingenden Unternehmen die der jährlichen Verringerung derselben ent⸗ sprechenden Abschreibungenß“. Die Debatte erstreckte sich über sämmtliche Absätze des Paragrapben und die erwähnten Anträge. Weiter lag ein Antrag vor von den Abgg. Christophersen, Schlabitz, Weyerbusch und Freiherr von Zedlitz, den §. 14, Einkommen aus Handel und Gewerbe, dessen Schätzung und Berechnung, wie folgt zu fassen: ‚Das Einkommen aus Handel und Gewerbe einschließlich des Bergbaues besteht in dem in Gemäßheit der allgemeinen Grundsätze (§§. 6 11) ermittelten Geschäftsgewinn; dabei ist der Reingewinn aus dem Handel und Gewerbebetriebe nach den Grundsätzen zu berechnen, wie solche für die Inventur und Bilanz durch das Handelsgesetzbuch vorgeschrieben sind und sonst dem Gebrauche eines ordentlichen Kaufmannes ent⸗ sprechen. Insbesondere gilt dieses vom Zuwachs und andererseits von der Abnutzung des AÄnlagekapitals sowie von Forderungen und Schulden und deren Zinsen.“

In der Kommission des Abgeordnetenbauses für die Gewerbesteuervorlage wurden gestern §. 1 (Gegenstand der Besteuerung) unverändert, §. 2 mit einer geringen redaktionellen Abänderung und auch 5§. 3 (Befreiungen von der Gewerbesteuer: Deutsches Reich, preußischer Staat, Reichsbank, landschaftliche Kreditverbände, Schlachthäuser, Markthallen, Volksbäder ꝛc.) unver- ändert nach der Fassung der Regierungsvorlage angenommen. In §. 3 besagt Absatz 2: „Der Finanz ⸗Minister ist ermächtigt, auch für andere im off nilichk: Interesse unternommene gewerbliche Betriebe der Kommunalverbände Steuerfreiheit zu gewähren, in s⸗ besondere wenn dieselben dauernd ertraglos sind.“ Statt der gesperrt gedruckten Worte wird folgende Fassung be⸗ schlossen: „So lange solche Betriebe ertraglos sind, muß auf Antrag vom Finanz⸗Minister die Steuerfreiheit gewährt werden. 5. 4 zählt die Betriebe auf, welche der Gewerbesteuer nicht unterliegen (Land⸗ und Forstwirthschaft, Bergbau, Torfstich ꝛ() Mehrere Abänderungs⸗ anträge wurden abgelehnt und auch dieser Paragraph unverändert nach der Vorlage angenommen.

Nr. 49 der Veröffentlichungen des Kaiserlichen Ge⸗ sundbeitsamts vom g. Dezember hat folgenden Inbalt:

Gesundheitsstand. BVolkskrankbeiten in der Berichtswoche, Volkskrankbeiten und Sterbefälle im Oktober. Sterbefälle in deutschen Städten mit 40000 und mehr Einwohnern. Desgl. in größeren Städten des Auslandes. Erkrankungen in Berliner Krankenhäusern. Desgl. in deutschen Stadt und Landbezirken. Cholera. Nachrichten. Pocken in Madrid. Witterung. Zeit weilige Maßregeln gegen Volkskrankheiten. Thierseuchen. Lungen ˖ seuche im Veutschen Reich, 1889. Thierseuchen in der Schwei, 3. Vierteljabr. Sibirische Pest und Aktinompkose in Rußland. Veterinär⸗-polizeiliche Maßregeln. Medizinal⸗Gesetz gebung u. s. w. (Preußen. Reg. Bez. Stettin) Homöopathische Arineimitte;. (Bayern.) Untersuchungsanstalten für Nabrungsmittel c. (Groß britannien) Lungenseuche. Rechtsprechung. e, , Verhandlungen von gesetzgebenden Körperschaften. (Deutsches Reich) Rindvieh⸗Einfuhr aus Sesterreich⸗Ungarn. Sterbefälle in deutschen Orten mit 15 660 und mehr Einwobnern, Oktober. Desgl. in größeren Städten des Auslandes.

Nr. R des Archivs für Post und Telegrapbie ( Beiheft zum Amtäblatt des Reichs ⸗Postamts‘, berausgegeben im Aaftrage des Reichs. Postamtt) hat folgenden Inhalt: J. Aktenstücke und Auf- sätze: Vergleichende Statistik über die Ausdehnung des Telegrapben= wesens in den Ländern Europas Aus der Gbronik des Kaiserlichen Postamts in Wernigerode Der Staatstelegraph in Bavern im ersten Jahrzebnt seines Bestebens. Die wirthschaftlichen und Ver⸗ kehrsverbältnisse Brasiliens. II. Kleine Mittheilungen: Der Telegraph in Australien im Jabre 1888. Glektrische Kraftüber tragung fur den Bau von Eisenbabn Tunnels. Die Buchdrucker ˖ kunst in Cbing. III. Literatur des Verkebrewesens : Der Fingersatz beim Hugbes. Apparat (Dughes Schule) von Jobann Nep Teufelbart, K. K. Ober ⸗Posteontrolor. Zweite Auflage, redigirt von A. G. Gran- feld. K. K. Ober Ingenieur. Wien, Pest, Leipsig. A. Hartleben g Verlag. 4 Bogen. Gr. Oktav. Geb. 2 4