1890 / 299 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 12 Dec 1890 18:00:01 GMT) scan diff

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Es folgte sofort die zweite Lesung des Vertr der 9. seinen einzelnen 2. wurde.

eines Gesetzes, treffend. Staats sekretär des Reichs-Schatzamts Freiherr von Maltzahn leitete die Berathung mit einem kurzen Rückblick auf die bisherige Zuckersteuergesetzgebung ein, die der deutschen . einen hervorragenden Platz auf dem eltmarkt errungen habe und nicht nur den Industriellen sondern auch der Landwirthschaft und den betreffenden Landestheilen den größten Vortheil gebracht habe. Es sprächen aber jetzt überwiegende Gründe für eine Aenderung der Gesetzgebung. Es handle sich darum, den that⸗ sächlich bereits eingetretenen Zuständen entgegenzutreten, die dahin gingen, daß für den exportirten Zucker den Interessenten ein direkter Zuschuß aus den Mitteln des Reichs ge⸗ währt werde. Diefer sei zeitweise mit einigem Recht gewährt worden, als man noch die Industrie durch den Vesteuerungsmodus habe heben, die Rübe zuckerhaltiger machen, die Entzuckerung des Rohmaterials weiter treiben können. Heute sei dies nicht mehr möglich. Dazu habe die Zuckerindustrie sich dem inländischen Markt vollständig ge⸗ sichert und auf den ausländischen Märkt sich eine bedeutende Stelle erobert. Der Zucker, der exportirt werden solle, würde auch in Zukunft mit keiner Mark Zoll, belegt werden. Das bisherige System habe die Fabriken möglichst groß zu machen das Bestreben gehabt, sodaß man oft die Landwirthschaft als ein Nebengewerbe der Zuckerindustrie habe betrachten können. Zu den bestehenden 100 Fabriken seien in der letzten Zeit noch ungefähr 15 neue gekommen, die die Fabrikation um 450 000 Doppel⸗Centner vermehren würden. Dieser neue Zucker könne natürlich nur für den Export verwendet werden. Die deutschen Techniker und Industriellen im Auslande machten aber bereits erhebliche Konkurrenz, und Amerika sei im Begriff, sich ganz abzuschließen, sodaß mit einer weiteren Begünstigung der Industrie direkt eine Gefahr ver⸗ bunden sei. Der gegenwärtige Moment sei deshalb für eine Reform, für ein Verlassen der Materialsteuer, sehr geeignet. Bisher habe man noch immer hoffen können, im Wege einer internationalen Konvention etwas zur Beseitigung der Exportprämien zu erlangen. Durch das vorge⸗ schlagene System behalte man dem Auslande gegenüber freie Hand. Eine Reform in späterer Zeit, vielleicht nach drei Jahren, wo etwa 25 bis 30 junge Fabriken entstanden sein würden, würde der Industrie Nachtheile bereiten können, denn zu einer Reform der Steuer hätte schon das Bedürfniß der Reichskasse später doch geführt. Würde der vorliegende Entwurf Gesetz, so müsse man später auch daran denken, die bis jetzt steuerfreien Stärkezuckerfabriken und das Saccharin heranzuziehen, was sich allerdings erst nach der definitiven Gestaltung der Zuckersteuer im Jahre 1895 empfehlen werde. Der vorllegende Entwurf sei also im Interesse der Reichs⸗ finanzen wie der betheiligten Kreise nur zu empfehlen. Der Abg. Dr. Witte begrüßte das Verlassen der Ma⸗ terialsteuer mit großer Freude. Ein Zusammenhang der Landwirthschaft mit der heutigen Zuckerindustrie bestehe nicht

Wetterbericht vom 12. Dezember, rgens 8 Uhr.

Preciosa.

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von Weber.

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Bind. Wetter

1882

Stationen.

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d. Meeressp in 0 Celsiu

c 5 66.

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j burg. Wagner.

Mullaghmore I.63 Aberdeen. 1.66 Ghristiansund 765 Kopenhagen. 772 Stockholm. Ul 2Nebel Haparanda 760 still heiter St. Peterküb. 72 SSW 1swolkenlos Moskau... 773 NW 1 Schnee Cort. Queens town.. 763 SO Cherbourg. 763 O

,,, 768 O OSD O

4 Regen 2 bedeckt 2 wolkig L bedeckt

Tell. Anfang 7 Uhr.

wollig bedeckt wolkenlos bedeckt wolkig!) bedeckt bedeckt bedeckt bedeckt wolkenlos wolkenlos wolkenl. ) wolkenlos wolkenl. ) wolkig bedeckt bedeckt Dunst wolkig

. 770

amburg .. 770

winemünde 771 Neufahrwasser 770 N Memel... 770

,, 764

Rünster.. 768 Karlsruhe. 1766 Wiesbaden. 767 München.. 164 Ghemnitz .. 770 Berlin ... 770 K 767 Breslau ... 769 65 8 59 NO

O ) Dunst. ) Reif. 3) Rauhfrost, Nebel.

Uebersicht der Witterung.

Die Wetterlage hat sich seit gestern wenig ver⸗ ändert. Das Minimum, welches gestern nordwestlich von Schottland lag, ist nordostwärts nach dem Eis⸗ meere verschwunden, wobei über den britischen Inseln der Luftdruck weiter ef een ist. Bei schwacher nördlicher bis östlicher Luftbewegung ist das Wetter in Deutschland meist kalt, im Norden trübe, im Süden vorwiegend heiter, ohne nennenswerthe Nieder⸗ schlage. In Mitteldeutschland liegt die Temperatur Ibis 7, in Süddeutschland 5 bis 12 Grad unter dem Gefrierpunkt; an der deutschen Küste herrscht

stellenweise Thauwetter. Deutsche Seewarte.

ü Theater⸗Anzeigen.

Rõnigliche Schauspiele. Sonnabend: Dypern⸗ aus. 255. Vorstellung. Der Troubadour. dl fen chen . Verdi. . nach dem meister Kahl. Anfang ihm. ö

*

C r M N N N ND —— Q

Schöller.

von Schönthan.

Raben.

Anfang 71 Uhr.

Kostümen zum student. Gene. Binder. Hierauf: 36. Male:

Musik von J.

eilen ohne Debatte angendmmen

Daran reihle sich die erste Berathung des Entwurfs die Besteuerung des Zuckers be⸗

Schauspiel mit Gesang und Tanz in 4 Aufzügen von P. A. Wolff. Musik von C. M. Ballet von P. Taglioni. In gesetzt vom Direktor Dr. Otto Devrient. kalische Direktion: Hr. Steinmann

Sonntag: Opernhaus. häuser und der Sängerkrieg auf der Wart Romantische Oper in 3 Akten von Richard = = ö

Nesidenz- Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗ Sonnabend: Zum 22. Male: Der Kampf

ums Dasein. (La lutte pour la vie,) Sittenbild in 5 Akten von Alphonse Daudet.

Ballet von E. Graeb. Schauspiel haus. Schauspiel in 5 Aufzügen von Schiller.

Deutsches Theater. Sonnabend: Das ver⸗ lorene Paradies.

Sonntag: Die Kinder der Excellenz.

Montag: Das Wintermärchen.

Berliner Theater. Sonntag: Nachm. 25 Uhr: Die Journalisten. Abends 75 Uhr: Kean.

Montag: Goldfische.

Tessing· Theater. Sonnabend: Seimgefunden. Volksstück in 3 Akten von Ludwig Anzengruber. Musik von Ad. Müller jun.

Sonntag: Heimgefunden.

Wallner - Theater. Sonnabend: Gastspiel von

Felix Schweighofer. Posse . Idee von Carl Laufs.

wolkenlos 20. Male: In Hemdsärmeln. Schwank in 1 Auf⸗ zug von A. Günther. Sonntag: Dieselbe Vorstellung. In Vorbereitung: von Vanlos und Leterier.

Victoria - Theater. Sonnabend: Zum 14. Male:

Mit vollständig neuer Ausstattung. Romantisches Zaubermärchen in 5 Akten von Emil Pohl. compositionen des 3. Aktes von C. A. Raida. Ballets unter Leitung des Balletmeisters C. Severini. In Scene gesetzt vom Ober ⸗Regisseur W. Hock.

Friedrich Wilhelmstãdtisches Theater. Direktion: Julius Fritzsche. Sonnabend: Mit neuen

Operette in 3 Akten von F. Zell und R. Musik von Carl Millöcker. Virigent: Hr. Kapellmeister Federmann. Mit durchaus neuer Ausstattung: Zum Sonne und Erde. Ballet in 4 . von F. Gaul und J. Haßreiter. ayer. Balletmeister J. Gundlach. Anfang 7 Uhr.

1

.

. von der Regierung vorgelegten Berechnungen der euteverhältnisse stimmten mit den von ihm immer ührten überein, und er könne nur bedauern,

daß die zu Grunde liegenden Thatsachen nicht früher von der Negierung anerkannt worden seien. Ungeheure Summen habe die Zuckerindustrie bisher auf Kosten des Reichs bekommen. Nur in einem Punkte könne er der Begründung der Vorlage nicht zustimmen: es sei das Bedürfniß der Reichs⸗ kasse für die Nothwendigkeit einer Reform angeführt. Das gebe den Interessenten ein gewisses Recht des Widerstandes, solange sie das Bedürfniß des Reichs für erhöhte Einnahmen bestreiten könnten. Die Nothwendigkeit einer anderen Be⸗ steuerungsart ergebe sich aber aus der Sachlage selbst. Schon daß das Gesetz vom 1. August 1888, das doch schon eine kleine Ab⸗ änderung des früheren Systems bedeute, der Zuckerindustrie nicht geschadet, sondern weit eher Vortheil gebracht habe, zeige, daß die Industrie stark genug sei, auch eine gerechte Ver— brauchssteuer zu tragen. Die Zuckerpreise seien seit der Zeit noch gestiegen, und im Auslande sei ein Preisdruck zu ver⸗ spüren gewesen in Folge der Prämien, die das Reich den deutschen Fabrikanten gezahlt habe. Auch nach Weg⸗ fall der Prämien werde die deutsche Zuckerindustrie auf dem Weltmarkt vollständig konkurrenzfähig bleiben, ja ste würde gerade dann erst recht gesunden, da der Preis auf dem Weltmarkte steigen werde. Die französische Konkurrenz sei allein durch das hartnäckige Fest⸗ halten der deutschen Industriellen an dem Prämien- und Materialsteuersystem entstanden, indem man die Franzosen auf diese Art gezwungen habe, ihre Fabrikatssteuer aufzugeben. Heute könne man es nur bedauern, daß das Prämiensystem noch bis zum Jahre 1895 bestehen bleiben solle. Redner beantragte schließlich die Verweisung der Vorlage an eine Kommission von 28 Mitglie ern.

Der Abg. Udo Graf zu Stolberg-Wernigerode be— tonte, daß das Interesse der Landwirthschaft an der Zucker— industrie vorzugsweise im Rübenbau liege. Bessere Rüben entzögen dem Boden niemals so viel Kraft wie die schlechteren Sorten. Deshalb habe die bisherige Materialsteuer, die die zuckerreicheren Rüben begünstigi habe, der Landwirthschaft viel genützt. Es sei nun vielleicht bedenklich, mit einer Abschaffung der Materialsteuer voranzugehen, nachdem Frankreich diese Steuer eingeführt habe und gerade jetzt der deutschen Industrie erhebliche Konkurrenz mache. In Frankreich könne auch noch der Rübenbau erheblich erweitert werden, während das bei uns nicht mehr der Fall sei. Für den allmählichen Fortfall der Prämien könne man auch vielleicht einen längeren Zeitraum in Aussicht nehmen. Der Sprung in der Konsumsteuer von 12 auf 22 S6 sei bedenklich, und wenn schon aus anderen Umständen der Weltmarktspreis und somit auch der Inlands⸗ preis steigen könne, so werde diese Erhöhung ganz gewiß die inländischen Konsumenten treffen, die von dem bisherigen System neben der Industrie Vortheile gehabt hätten. Im Ganzen aber ständen er und seine Freunde der Vorlage nicht feindlich gegenüber. Nur werde man in der Kommission noch Einiges klar stellen müssen.

Bei Schluß des Blattes erhielt der Abg. Oechelhäuser das Wort.

Scene Musi⸗ Anfang 7 Uhr. 256. Vorstellung. Taun⸗

stattung.

Arthur Sullivan.

Anfang 7 Uhr.

266. Vorstellung. Wilhelm

burg.

Eugen Zabel. Anfang 7 Uhr. Sonntag: Dieselbe Vorstellung.

in 4 von itz d. e eb, nnn, , ,, bei bedeutend ermäßigten Preisen. Zaubermärchen mit Musik von Anfang 3 Uhr.

Sonntag: Abend ⸗Vorstellung. Einfall. Posse in Anfang 78 Uhr.

Anfang 7 Uhr.

98. Male: in 4 Akten von

Ferron. Anfang 74 Uhr.

. nn ö 6 . Sonntag: Dleselbe Vorstellung.

Vorher: Zum

n, . Thomas - Theater. Alte Der Soldatenfreund.

Sonntag und folgende Tage: freund.

Posse in 3 Akten

Papa. Deutsch von Franz

6

Sonntag: Nachmittags ⸗Vorstellung bei bedeutend ermäßigten Preisen. Die Puppenfee. Hierauf: Die

.

Sonnabend, den 20. Dezember. Mit neuer Aus— Zum 1. Male: Die Gondoliere. les ke Operette in 2 Akten von W. S. Gilbert. Deutsch von F. Zell und R. Gense.

Belle Alliance Theuter. Sonnabend: Ensemble ;

Gastspiel von Mitgliedern des Wallner⸗Theaters. Zum letzten Male: Familie Knickmeyer. Schwank Anfang 73 Uhr. K Sonnabend und Sonntag: Nachmittags Vorstellung Mm mn,

.

4 Akten von Carl Laufs.

Adolph Ernst-Thealer. Sonnabend: Zum mit

Unsere Don Inans. Leon Treptow. Gustav Görß. Mustk von Franz Roth und Adolph

Jakobstraße 30. Direktion: G. Thomas. Sonnabend: Zum 22. Male:

Der Soldaten⸗

Statistit und Bolkzwirthschaft.

Brausebäder für Schüler

sind u. A. in Hildesheim, Göttingen, Bonn, Sachsenhausen und Jena eingerichtet worden und bewähren sich trefflich. Die Kinder kehren daraus erfrischt zur Schulbank zurück und die überwachenden Lehrer empfinden die Sache nicht, wie Anfangs befürchtet, als eine Störung. In Steglitz bei Berlin ist nun auch auf Anregung der Kaiserin Friedrich eine umfängliche Brauseanlage ausgeführt worden. Je sauberer der Nachwuchs wird, um so mehr muß das auf das erwachsene Geschlecht zurückwirken, soweit es dessen bedarf.

Wasserbauten.

Die Bauten zur Verbesserung der Schiffbarmachung der Ober weser und Aller sind in letzter Zeit auf das Kräftigste gefördert worden. Am Hafen von Geestemünde sind am Hauptkanale drei Schuppen zur Holzlagerung mit einem Kostenaufwande von 50 000 erbaut. Es ist dadurch dem stetig wachsenden blühenden Holzgeschaäͤft in Geestemünde, welches eine Menge von Leuten beschaäͤftigt, eine wesentliche Erleichterung gewährt. Das Hauptbauwerk der Geeste— Melioration in den Kreisen Lehe und Geestemünde, die große Stauschleuse im Geeste- Durchstich 3, welche anschlags, mäßig einen Kostenaufwand von 217 00 S erfordert, sst bis auf geringe noch rückständige Erdhinterfüllungen der Mauern vollendet. Nachdem die Staiuten des Engelschoffer und Neulander Deich und Schleusenverbandes die Alleihöchste Bestätigung e. halten haben, ist das Projekt zur Erbauung eines Dampfschöpfwerkez zur besseren Entwãässerung der niedrigen Verbandsländereien aug— gearbeitet, geprüft und genehmigt worden. Es sind nunmehr die Sub— missionsverbandlungen für den maschinellen Theil der Anlage zu Ende geführt, und wird baldigst mit der Ausführung begonnen werden. Die Vorarbeiten zur Regulirung der unteren Wümme bezw. für die Abschleusung der Lesum, sowie für die Dampfschöpfwerke dez Lollerner Binnenschleusenverbandes, des Königreich Westmoorender Schleusenverbandes und des Horneburg ⸗Dollerner Moorschleusen⸗ verbandes sind fortgesetzt und zum Theil vollendet, sodaß die Aus— arbeitung der verschiedenen Projekte im Laufe des Winters er— folgen kann.

Nach Schluß der Redattion eingegangene Depeschen.

Wien, 12. Dezember. (W. T. B.) Abgeordneten— haus. In Beantwortung der Interpellation des Klubs der Altczechen erklärte der Landesvertheidigungs⸗Minister Graf Welsersheimb, daß von den Einjährig⸗-Freiwilligen in der Armee 80 Proz., in der Landwehr 90 Proz. die Prüfung erfolgreich bestanden hätten. Speziell in Lemberg und Pilsen zählten die , der Prüfung unter die besten. Das allergünstigste Resultat mit 100 Proz. sei in Dalmatien erzielt worden, woraus sich ergebe, daß keinerlei systematische Benachtheiligung im Sinne der Besorgnisse der Interpellanten vorwalte. Der Minister betonte die Noth— wendigkeit der Kenntniß der gemeinsamen Dienstsprache in dem für den Dienst unerläßlichen Maße.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersien und Zweiten Beilage.)

Circus Renz. (Carlstraße) Sonnabend, Abend

7 Uhr: Gala Vorstellung: Die lustigen Heidel⸗ berger oder: Ein Studenten⸗Ausflug mit Hinder⸗ nissen. Große Original Pantomime, neu arrang. und in Scene gesetzt vom Direktor E. Renz. Die vier⸗ fache Fahrschule, ger. von 4 Herren mit 8 Schul- pferden. Colmar, ger. von Frl. Clotilde Hager. Großes Hurdle⸗Rennen, ger. von Damen und Herren der Gesellschaft mit 24 Vollblut⸗Springpferden. Agat, Feuerpferd dress. und vorgef. von Herrn Franz Renz. Miß Zelia Zampa, amerikanische Lust— gymnastikerin. Auftreten des becühmten Salto— mortales Reiters Mr. Alex. Briatore. Phantasti⸗ sches Charivari von 4 musikalischen Clowns. Auf— treten der Reitkünstlerinnen Frls. Lillie Meers, Adole, des Reitkünstlers Mr. Burnell Fillis, sowie sämmtlicher Clowns. Sonntag: 2 Vorstellungen. Um 4 Uhr Nachm. (1 Kind frei)h: Aschenbrödel. Um 77 Uhr: Heidel⸗ berger.

Bur⸗ Musik von

Deutsch von

Familien⸗Nachrichten.

Verlobt: Frl. Agnes Hoffmann mit Hrn. Prem Lieut. a. D. Adolf von Gündell (Hannover). Frl. Margarethe von Pöllnitz mit Hrn. Prem.“ Lieut. von Hoff (Oberlödla b. Altenburg Berlin), Frl. Agathe Köhler mit Hrn. Ingenieur Wilh. Breer (Hamburg). Frl. Margarethe Teubner

Hrn. Gutsverwalter Max O'Gilvie (Königs⸗ berg). Frl. Anna Ballauf mit Hrn. Wilh, Klein (Schwelm). Frl. Anna Lehmann mit Hrn. Gust. Heidrich eu · Zaschwig = Dlonic

Geboren: Ein Sohn: rn. A. von Kobbe (Wandsbeck). Hrn. Dr. Uberschär (Adelsdorf). Hrn. Grafen Balny d' Avricourt (Hamburg). Hrn. Rechtsanwalt Groeger II. (Schweidnitz. Hrn. H. Blume (Bornum). Eine Tochter: Hrn. Landgerichts ⸗Rath Otto Irmer (Chemnitz) Hrn. W. Maeltzer (Schlabitz bei Militsch). Hrn. Dr. Josef Kemmling (Glehn). Hrn. E. Riege (Hameln).

Gestorben: Hr. Stabsarzt a. D Dr. med. Burł-

Gorner.

Ein toller

Gesangsyosse Goupletg von

Die fig ken Concert-Haus.

Concert. Frau Meisterin', Supps.

Sonnabend: Musik von G. Lehnhardt. Ballet⸗

Nicolajewna. Arie a. d.

Singakademie.

108. Male: Der Bettel⸗

Orchester. Regie: Hr.

Coneert⸗nzeigen.

Carl Meyder⸗

Ouv. Der fliegende Holländer, Wagner. Arioso a. „Der Prophet“, von Meyerbeer, gesungen von Frl. Op. „Orpheus“ v. Gluck,

The lost chord“

Sonnabend, Abends 77 Uhr: Concert von J. J. Paderewski mit dem Philharm.

mann (Strehlen). Hr. Fabrikant Gustav Schreiber (Asuncion, Paraguay). Hr. Gutz⸗ besitzer Oswald Menzel (Krampitz). Hr. Kgl. Rechn-Rath Herm. Krepper (Berlin). Frau Kgl. Reg. Baumeister Klara Knothe, geb. Kaßner (Metz). Hr. Schul virektor a. D. Adolf Beyssel (Berlin). Hr. Major Herm. von Loefen (Hannover). Hr. Lehrer Joh. Krüger (Brom⸗ berg). Hr. Kammerger.⸗Ass. a. W. Karl Fenn⸗ hahn (Berlin). Frau Margarethe Schwieker, geb. Scheffer (Berlin. Hr. Kaufmann Paul Hartwig (Bromberg).

d. Oper

Redacteur: Dr. H. Klee. Berlin: -

Pantomimisches Geöffnet von 12 —11 Uhr. wissenschaftlichen Theater.

Ballet Arrangement vom zettel.

5

Urania, Anstalt für volkethümliche Naturkunde.

Am Landes ⸗Ausstellungs Park (Lehrter Bahnhof) Täglich Vorstellung im Näheres die Anschlag⸗

Verlag der Expedition (Scholy.

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlage⸗ Anstalt, Berlin 8W., Wilhelmstraße Nr. 32.

Sechs Beilagen (einschließlich Börsen · Bellage).

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs⸗-Anzeiger und Königlich Preußischen Stagts⸗-Anzeiger.

Berlin, Freitag, den 12. Dezember

1890.

n 299.

Deutscher Reichstag. 39. Sitzung vom 11. Dezember, 1 Uhr.

Am Tische des Bundesraths: Der Reichskanzler von Caprivi und die Staatssekretäre Dr. von Boetticher, Freiherr von Maltzahn, Freiherr von Marschall und

Hollmann. . dol ge erste EtatsUberathung wird sortgesetzt.

Abg. Bebel: Die erregte Art und Weise, in der die Abgg. Pr. Windthorst und Pr.; von Frege gestern seine Angriffe gu das hestehende Steuer und Zollsystem beantwortet hätten, habe den Eindruck gemacht, als wenn die Herren selbst fühlten, daß sie ihrer Sache nicht mehr ganz sicher seien und sie für gefährdet bielten. An die An nahme des von Sozialdemokraten und den Freisinnigen ge— ttellten Antrags auf Beseitigung, bejw. Ermäßigung der Zölle sei nach nicht mehr zu denken. Er sei aber überzeugt, daß wenn diese Frage heute wie vor 6 Jahren der Wählerschaft vorgelegt würde, r Resultat der Wahl noch ein ganz anderes sein würde, als am 70. Februar d J. Die ungeheure Mehrheit der Bevölkerung wolle zon der bisherigen Steuer und Zollpolitik nichts wissen. Man habe behauptet, daß die Agrarzölle nothwendig seien, weil sie dem kleinen Bauern und ländlichen Arbeiter ven Vortheil seien. Dem wider— spreche die Thatsache, daß die ländlichen Arbeiter in großen Schagren nach den Städten hin drängten, und daß die Agrarier selbst in ihren Versammlungen und Kongressen fortgesetzt die Mittel und Wege besprächen, diesem Drängen Einhalt zu thun. Die sogenannte Sächsengängerei sei ein Beweis, daß die ländlichen Arbeiter sich zu Haufe nicht wohl fühlten. Dieser Zug sei so charakteristisch, daß er jn der Volkszählung zum klarsten Ausdruck gekommen sei. Von 1375485 habe die städtische Bepölkerung in Preußen um 200so, die ländliche nur 4,8 oso zugenommen. In Pommern, also einer agrarischen Provinz, Jabe die Bevölkerung O, 7 oo abgenommen. Aber selbst in denjenigen deutschen Landestheilen, in denen der kleine Grundbesitz beinahe ausschließlich dominire, z. B. in Hessen ⸗Nassau, habe die Vevölkerungszunahme nur 2,9 og betragen. Die letzte Volkszählung werde wahrscheinlich noch ungünstigere Resultate aufweisen. In der fruchtbaren Ost., und Westprignitz habe die ländliche Bevölkerung 1565 160 005 Seelen, 1885 nur noch 85 000 Seelen betragen. Gestern habe er aus dem Leobschützer Kreise einen Brief erhalten, worin er gebeten worden sei, im Reichstage mitzutheilen, in welcher geradezu un⸗ Jlaublichen Lage sich die dortige Arbeiter bevölkerung in Liesem meist dem Großgrundbesitz verfallenen Kreise befinde. Seit dem 1. Wtober erhielten die Arbeiter täglich ausschließlich der Koft 40 3, im Sommer 60 , allerdings seien einige Fetzen Land dabei und Wohnungen, aber welche Wohnungen! 1872 auf der Konferenz der ländlichen Arbeitgeber in Berlin habe Hr. von Göben erklärt, zahlreiche Groß⸗ grundbesitzer machten für ihre Schweineställe größere Aufwendungen, als für die Arbeiter. Im Wabhlkreise des Hrn. von Kardorff er= hielten die Arbeiter täglich o im Winter und 79 im Sommer. Düie Wohnungen im Leobschützer Kreise seien so niedrig, daß es ein Wunder sei, daß Amtsvorsteher und Polizei derartige Wohnungen überhaupt zuließen. Im Osten sei es nicht anders. Nach dem Bericht eines Medizinalbeamten in Gumbinnen sei die Entstehung bon Infektionskrankbeiten auf den desolaten Zustand der ländlichen Wohnungen zurückzuführen. Diese Zustände erweckten die Unzufriedenheit der Arbeiter und erzeugten eine förmliche Völkerwanderung. Der Osten ziehe nach dem Westen und nach den Industriebezirken. Der Abg. Dr. von Frege habe mit einer Art von Hohn gesagt, die Sozialdemo— kraten hätten zwar die Agitation unter den ländlichen Arbeitern an— gekündigt, aber sie schienen doch dabei einen Stein des Anstoßes zu finden, wie gewisse Aeußerungen des „Berliner Volksblatts“ dar⸗ tbäten. Hätten solche Aeußerungen in jenem Blatt gestanden, so würde das nur beweisen, daß die Sozialdemokraten sich allerdings der Schwierigkeiten, welche die ländliche Agitation für die Sozial⸗ demokratie blete, voll bewußt seien; aber zu glauben, daß sie des⸗ wegen von dieser ländlichen Agitation abstehen würden, wäre sehr verfehlt, und er (der Redner) könne im Vertrauen sagen, daß, wenn sie erst das nöthige Material aus allen Ecken und Enden Deutschlands für diese Agitation zusammengetragen haben würden, sie eine kräftige Agitation auf dem Lande in Scene setzen würden, die nach seiner Ueberzeugung Thatsachen ans Tageslicht bringen würde, wie man sie am Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland nicht für möglich ge⸗ halten hätte. In Sachsen seien die Stimmen der Soiialdemotraten von 1651 000 auf 230 000 gestiegen, in dem Agrarlande par excellence, Mecklenburg, seien sie in vier Wahlkreisen in die engere Wahl ge⸗ kommen, und einer der ersten Agrarier Deutschlands, Hr. von Dietze⸗Barby, sei sogar in Ascherzleben einem Sozialdemokraten unterlegen! Es fange eben überall schon auf dem Lande an zu däm mern. Der Abg. Dr. von Frege habe gesagt, die Solialdemo⸗ kraten zerstörten die Religion und Sittlichkeit. Für einen Mann des Agrarierthums set Religion und Sittlichkeit natürlich gleichbedeutend. Er (der Redner) glaube, man könne sehr sittlich sein und brauche gar keine Religion zu haben (Unruhe rechts), und er glaube es mit dem Hrn. Abg. Dr. von Frege in der Sittlichkeit in jeder Beziebung aufnehmen jn können. Wäre er (Redner) Großgrundbesitzer, so würde er es mit seiner Sittlichkeit nicht vereinigen können, für die Agrarzölle, Vieh zölle und für die Zuckerprämien ju stimmen. (Lebhafte Zustimmung links, Unruhe rechts.) Vie eigenen Partei⸗ und Glaubensgenossen des Hrn. Abg Dr. von Frege hätten die Sozialdemokraten darüber auf geklärt, wie es mit der Sittlichkeit auf dem Lande aussehe. Er erinnere ihn an einen Vortrag seines Freundes und Glaubenggenossen Dr. von Wächter in einer Diözesanversammlung in Grimma über die soialen Verhältnifse der arbeitenden Bevölkerung auf dem Lande. Darin sei von der Sozialdemokratie gar keine Rede gewesen, wohl aber seien als hochbedenklich für den weiblichen Theil auf dem Lande die Herren Si e , ibre Herren Beamten und zur Zeit der Manöver die Herren Offiziere bejeichnet worden. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten) Er (der Redner) werde diesen Passus der nächsten Auflage seiner Schrift „Die Frau und, der Sosialismus“ einverleiben. Die Heuchelei sei auf keinem Gebiet so groß, wie auf dem Gebiet der Moral und Religion. Er habe sich nicht gerühmt, Atheist zu sein; er habe nur ausgesprochen, wag er sei. Er sage, was er denke, während es im Reichgtage, insbesondere auch in der Partei des Hrn. Abg. Dr. von i Atheisten und Materialisten genug gäbe, die nicht den Muth hätten, ju sagen, was sie seien. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten) Der Atheigmus sei keine sozialistische Spezialität. Ihm babe im vorigen Jabr⸗ hundert vor Allem die ar n. in Frankreich gebuldigt. Robegpierre habe den Atheigmus gerade alt eine aristokratische Erfindung bezeichnet, als er die Wiedereinsetzung des höchsten Wesens beantragt habe. Man könnte mit solchen Beschuldigungen bei den unwissenden Arbeitern auf dem Lande Glück haben, bei den aufgeklärten Arbeitern nicht. Die Statistik über den Grundbesitz im Königreich Bayern zeige, daß den Hauptantheil an den Ganten die Besitzer unter 10 Hektaren lieferten. Dag wäre nicht möglich, wenn die kleinen Bauern wirklich so günstig fländen, wie aer werde. Der kleine Bauer, der das ganze Jahr über beim Flelscher, Krämer, Schneider, Schuster u. s. w. borge, habe nichts Eiligeres zu shun, als seine Ernte sofort zu verkaufen, und er könne nicht die n , . abwarten, wie der Großgrund⸗ besttzer. Oft müsse er fogar die Ernte an seine Hypothekengläubiger verkaufen, und sei also doppelt geschädigt. Gbensowenig wie die In= nungépolitik den Bankerott des kleinen Handwerke aufhalten könne,

ebensowenig könnten die Agrarzölle den Ruin des kleinen Besitzers auf— halten. Nach der Statistik von 1882 bebaue der Großgrundbesitz über zweieinhalb Mal mehr als die ganzen g8 ½ der übrigen Grundbesitzer. (Hört, bört! links.) Die siebzehn größten Grund— herren hätten insgesammt ein Neuntel der gesammten anbaufähigen Fläche im Deutschen Reich in ihrem Besitz. Diesen Thatsachen gegenüber behaupten zu wollen, daß es nicht der Großgrundbesitz sei, der von der Agrarpolitik Vortheile ziehe, sei etwas dreist. Die großartigen Gewinne verwende der Großgrundbesitz nun zum Theil dazu, um kleinere und mittlere Grundbesitzer auszukaufen und das Latifundiensystem zu erweitern. Jeder, der in einer Gegend auf⸗ gewachsen sei, wo der Großgrundbesitz eine Rolle spiele, wisse, daß ein kleines Gütchen, ein Bäuerlein nach dem anderen verschluckt werde. Ueberall, wo ein Bauer Geld brauche, werde er veranlakt, sein Gut zu verkaufen, und er erhalte ia diesem Fall sogar einen anständigen Preis, denn die Arrondirung des Besitzes komme den Großgrundbesitzern auch wieder in anderer Weise zu gute. Hätten nun diese ven der Richtung der Wirthschaftspolitik Vortheil, so müßte die ganze übrige Bevölkerung Nachtheil und Schaden haben. Nach der Steuerstatistik gebe es nur etwa 6e der Bevölkerung, die ein Einkommen von über 1500 S besäßen. Also 94 ½υ der Bevölkerung habe weniger Einkommen und trage die Lasten des Staats bei dem indirekten Steuersystem. In den ländlichen Bezirken Sachsens sei die Noth so groß, daß die Kinder über die österreichische Grenze nach Troppau und Jägerndorf geschickt würden, um von dort das zollfceie Quantum Mehl für ihre Eltern einzukaufen. Die Kinder würden sogar unter unrichtigem Namen über die Grenze geschickt, da die Zollbehörde nur für jede Familie einzeln das Recht auf den Bezug eines gewissen Quantums Mehl gelten lassen wolle, dessen Preis in Oesterreich auf 6 Pfund schon um 20 3 billiger sei, als auf deutschem Gebiet. In welchem Maße die deutsche Wirthschafts⸗ politik eine Klassenpolitik sei, zeige der Ertrag der Getreidezölle, der im vorigen Jahre 100 Millionen Mark ausgemacht habe, und der Umstand, daß solche indirekten Abgaben die zahlreicheren Familien desto bärter träfen, also geradezu wie eine Kopfsteuer wirkten. Die Cinnahmen des Reichs aus den Kaffeezöllen hätten im letzten Jahre 454 Millionen betragen, die aus den Tabackszöllen 145 Millionen, die inländische Tabackssteuer 103 Milllionen, die Salzsteuer 41 Mil⸗ lionen, die Branntweinsteuer 129 Millionen, die Biersteuer 23 Millionen, die Viehzölle 55 Million, der Reiszoll 35 Million. Alle diese Einnahmen träfen gleichfalls vorzugsweise die ärmeren Klassen. Ein Regierungesystem, das auf eine solche Zollpolitik ge— gründet sei, könne von den arbeitenden Klassen nicht mit Freude be—⸗ grüßt werden. Auch die Sozialdemokraten erkennten an, daß der Staat Steuern brauche. Der Abg. Dr. Windthorst habe darauf hin— gewiesen, daß auch die Sozialdemokraten Abgaben erhöben, und daß auch sie ein abgestuftes Klassensystem darin hätten. Er bézweifle, ob diese Aeußerungen ernst gemeint gewesen seien. (Abg. r. Windt-⸗ horst: Sehr ernst! Seine (des Redners) Partei wolle nur, daß alle Deutschen Steuern zahlen sollten, auch alle arbeiten sollten, daß auch zu den Ausgaben des Staats alle nach ihren materiellen Kräften beitragen sollten. Die materiellen Kräfte seien in dem Vermögen, in dem Besitz gelegen, und da das Reich vorzugsweise eine Schutz anstalt für dieses fei, so müßten die Reichen, um deren Gut es sich hier doch vorzugtzweise handle, auch am meisten beisteuern. Man habe nun aber nicht allein die Finanzen des Reiches auf ein indirektes Steuersystem gegründet, sondern dieses sogar zu einer Quelle fär die Ginzelstaaten gemacht. Vor zehn Jahren hätte man diese Thatsache kaum für möglich gehalten. Als am 23. November 1876 Fürst Bismarck sein Steuerprogramm im Reichstage entwickelt habe, seien mit ihm auch die Abga. Lasker und Löwe einig gewesen, daß die Steuern, die aus dem Reiche aufgebracht werden würden, auch allein zur Deckung des Reichsbedürfnisses verwendet werden sollten. Daß die Einzelstaaten jetzt wie kleine Kinder vom Reich mit 10 Millionen gespeist wärden, fei eine Ungerechtigkeit, die die Majorität des Reichstages sich nicht hätte zu Schulden kommen lassen sollen. Das sei es, was die armen Klassen empörte, eine Kenntniß solcher Zustände würden die Sozialdemokraten sich auch bemühen in ländfiche Bevölkerungskreise zu tragen. Der Abg. Dr. Windt: horst fage, wer viele Leute beschäftige und ernähre, bezahle damit auch das Soundsovielfache an indirekten Steuern und Zöllen, wie der Arbeiter. Das sei richtig, aber der Abg. Dr. Windthorst übersebe, daß der Arbeiter mit seinen Händen wieder für den Reichen sehr viel größeren Nutzen schaffe. Man habe ja eine kleine Lücke jetzt mit der neuen Einkommensteuervorlage auszufüllen versucht, aber das werde auch bald wieder aufgewogen werden von neuen drohenden Mehrbelastungen, die die breiten Massen träfen, z. B. einer Erböhung der Brausteuer. Er bleibe dabei, wenn es in der Welt etwas Ungerechtes gebe, im höchsten Sinne, so sei es die jetzige Steuerpolitik in Staat und Reich. Der Abg. Dr. Windt horst habe auch von dem inneren Zwiespalt der sozialdemokratischen Partei gesprochen; nun, er (der Redner) könne ihm sagen, daß die Jungen! der Partei wenig Kopfschmerzen machten. Der Abg. Dr. Windtborst habe dann auch betont, daß unter Umständen zur Bekämpfung der sozialdemokra · tischen Bestrebungen, zu ihrer Niederhaltung es selbst einer Verstärkung der Armee bedürfen könne. Nun, was die Armee unter Umständen in der Niederwerfung des „inneren Feindes“ geleistet habe, habe man 1848 gesehen, und zwar nicht in Deutschland allein. Und in eben dem Maße, wie die Sozialdemokratie immer breitere Schichten des Volkeg ergreife, dringe sie doch auch gleichjeitig in die Armee ein. Ueberhaupt sei in diesem Theile seiner Polemik gegen ihn (den Redner) der Abg. Dr. Windthorst von ganz falschen Voraussetzungen aus gegangen, als ob er (der Redner) gewaltsamen Umsturz gepredigt hãtte. Mehr als ein Mal babe er (der Redner) ausdrücklich gesagt, daß nach seiner Meinung die Zeiten vorüber seien, in denen eine gewali⸗ same Zertrümmerung eines herrschenden Staats. und Gesellschafts ˖ systemz noch möglich gewesen sei; die Sozialdemokraten bedienten sich vielmebr der Mittel, die die ,, . selbst gäben. In der Gesetzgebung, in der ganzen Oeffentlichkeit, in der eigenen Gesellschaftsorganisation, im Staats. und volitischen Leben liefere man den Sozialdemokraten hundertfache Waffen; und in eben dem Maße, wie diese Waffen geliefert würden, würden sie damit neues Terrain erobern, bis sie eines Tages einfach dekretiren könnten, die Gesellschaftzordnung werde in der und der Weise refor⸗ mirt. Die ihrer Natur nach sich vollriehende Entwicke⸗ lung der modernen Gesellschaftsordnung lasse eine solche Empörung in immer weiteren Kreisen erwachsen, daß die Ucberzeugung von einer Notbwendigkeit der Umgestaltung mit oder ohne Gewalt sich Babn brechen müsse, und diese Um⸗ gestaltung werde eines Tages geschehen, wabrscheinlich ohne Gewalt. Er könne sich irren; aber, wie einmal die Dinge liefen, balte er diese Wandlung ohne Gewalt für sehr wabrscheinlich. In dieser Beziehung seien die Sozialdemokraten vollendete Manchesterl ute, sie ließen die Dinge gehen, wie sie geben wollten. Der Abg. Pr. Windtborst sage, das Altersversorgungsgesetz sei mal Gesetz ge⸗ worden, alfo müsse es in Kraft treten; gleichzeitig aber sage er (der Abg. Pr. Windthorst): hüten wir ung, mehr derartige Gehe zu machen, denn wir betreten damit den Weg des Sonialismus! Das ei doch ein vollkommener Widerspruch. Hoffe man wirklich, mit solchen Gefetzen der Sozialdemokratie den Boden abzugraben, so 5. man doch nach diefer Richtung auf dem betretenen Wege moglichst 36 vorangehen. Aehnlich wiherspruchgvoll fei auch die Dastung des A6. Pr. Windthorst gestern jur Kolonialvekaik gewesen. Noch im Früb⸗

jahr habe er gesagt: es handele sich um die Beseitigung des fluch würdigen Sklavenhandels, und diese große Kulturaufgabe könne nur auf dem Jingeschlagenen Wege gelöst werden, man möge also weiter gehen. Gestern sei von dieser Kulturaufgabe mit keinem Worte die Rede gewesen. Der Abg Pr. Windthorst habe vielmehr sein Ia zur Fortsetzung ber Kolonialpolitik damit zu motiviren gefucht, daß möglicherweise doch noch eine Prop. rität en Ost-Afrika erhefft werden könne, wenn erst eine Cisenbaͤhn gebaut sei. Nun, die Deutsch Ostafrikanische Gesell= schaft werde ihm eine folche Eisenbahn nicht bauen; diese Gesellschaft, die jetzt schon über so geringe Mittel verfüge, werde vielmehr, nach⸗ dem sie einmal Reichssubvention erbalten habe, daran Geschmack finden und öfters kommen, sie werde sich hüten, ihrerseit⸗ weitere große Opfer zu bringen. Und daß viele Guropamüde über das Waffer Jehen' und in Sst-Afrika deutsche Kultur pflegen würden, sei auch nicht anzunehmen nach Allem, was man bis jetzt wisse. Ihm (dein Redner) scheine, daß die Bereitwilligkeit des Abg. Dr. Windt⸗ horst, neue Opfer wieder für die afrikanische Kolonialpolitik zu bringen, schlecht stimme zu feiner fonst beherzigenswerthen Mahnung, die er an das Haus gerichtet habe, die äußerste Sparsamkeit zu üben. (Beifall bei den Sozialdemokraten) : ; Abg. Dr. Windthorst: Was der Reichstag für die Kolonial- politik bewilligt habe, diene hauptsächlich der Bekämpfung Der Sklavenjagden und des Sklavenhandels. Wenn man aber eine Ver bindung mit den afrikanischen Seen herstellen könne, werde man ein Land eröffnen, in dem segentzreiche Ansiedlungen möglich seien. Erst gestern habe ihm ein aus Afrika gekommener Reisender gesagt, sobald nur erst die nothwendige Sicherheit und Ruhe vorhanden sei, würden die Ansiedler schon in Massen kommen. Er (der Redner) hoffe, daß nach den Erklärungen des Reichskommissars von Wissmann man auf dem betretenen Wege fortschreiten und auch erhebliche Handel sbeziebungen erreichen könne, die nützlich sein würden. Gestern habe er (der Redner) Übrigens noch keine Bewilligung ausgesprochen, sondern sogar empfohlen, die Kolonialfrage in einer besonderen Kommission zu berathen. Wenn der Abg. Bebel ihm darin folgen wolle, den Missionen fteie Bahn zu schaffen, so werde er humane Zwecke fördern helfen. Wenn er (der Redner) das Alters. und Invalidilätsgesetz gestern als nützlich für die Arbeiter hin⸗ gestellt habe, so sei sein Gedankengang einfach der gewesen, 1 es allerdings für die Arbeiter nützlich sein müsse, wenn sie für den Fall der Javalidität oder des Alters eine Versorgung bekämen. Davon verschieden sei aber der Standpunkt, den er bei der Berathung des Gesetzes eingenommen habe und noch einnehme, daß Alles, was den Staatszuschuß betreffe, die Ausführung eines sozialdemokratischen Ge- dankenß fei. Diese Bahn hätte man nicht betreten sollen. Er begreife, daß der scharf denkende Abg. Bebel an dem Punkt einsetze und sage: Der Weg geht nach unserer Richtung, und insofern begrüßen wir das Gesetz, wenn es uns sonst auch nicht Genkgendes leistet. Weil er den anderen Parteien dies mit solcher Klarheit sage und das Centrum den Fehler einsehe, wolle es den ö nicht weiter machen, sondern sich mit dem Gesetz, wie es sel, be gnügen. Hebe man das Gesetz nicht auf, so müsse man dahin wirkten, daß es in möglichst guter Weise eingeführt werde. Der Abg. Bebel erkläre die heutige Gefellschaftsordnung für unhaltbar und habe auch mit großem Geschick manche ernste Mängel nachgewiesen, aber diefe Mängel lägen nicht in der Gesellschaftsordnung selbst, sondern nur darin, daß die an sich richtige Gesellschaftsordnung von Vielen nicht richtig erkannt und gebraucht werde, sodaß Alle Ursache hätten, sich an die Brust zu schlagen und zu sagen: mea culpa. Hoch und niedrig habe aufzupassen, ob man nicht durch die Art und Weise, wie man die Güter, die man bekommen habe, gebrauche, Aergerniß errege und dazu beitrage, daß die weniger gut Gestellten fänden, es wäre Wandel zu schaffen. Die Darlegungen Bebel 's, die zwar zu grelle Farben hätten, enthielten doch so viele Wahrheiten, daß er (der Redner wünsche, diese Mahnung würde allenthalben abgedruckt, damit diese nützliche Predigt für Alle gelte. Hätte dieselbe Rede nicht auch den Fraktionsgenossen des Abg. Bebel gehalten werden können? (Heiterkeit) Wenn die Sozialdemokraten eine andere Gesellschaftẽordnung wollten, müßten sie zunächst sagen, wie sie beschaffen sein solle. (Sehr wahr! rechts.) Ein Mensch, der nicht mehr an Gott und die Ewigkeit glaube, sinke zum Thier herab. (Sehr richtig! im Centrum. Zwischenruf links: Friedrich der Große! Der komme nicht in Betracht; wenn er noch lebte, würden die Sozialdemokraten im Reichstage nicht so ruhig disputiren können (Heiterkeit. Der Krückstock würde ihnen das schon besorgen. (Heiterkeit) Die Sozialdemokraten gingen aber hin und wiegelten die Leute auf, ohne in der Lage zu sein, ibnen eine bessere Gesellschaftsordnung zu geben. Wenn sie ihre Kräfte und Talente zur Verbesserung des Looses der Arbeiter auf Grund der bestehenden Gefellschaftsordnung und des geltenden Staatsrechts verwenden wollten, würden sie großen Erfolg haben. Statt dessen hätten sie nichts weiter gethan, als verneint und bekrittelt. Alle hätten sich zu bessern, und er (der Redner) hoffe, der Abg. Bebel werde Macht genug über seine Gensssen haben, auch diese zur Besserung anzuhalten. (Lachen bei den Sozialdemokraten.) Der Abg. Bebel greife das bestehende Zoll! und Steuersystem an, babe er aber nur den Schatten eines Versuches gemacht, ein anderes Zoll⸗ und Steuer— fystem dafür ju geben? (Rufe links: Gewiß, Abschaffungh Die Sozialdemokraten erkennten ja selbst an, daß der Staat Mittel baben müsse, und nun wollten sie sie abschaffen. Das sei eine kindliche Auffassung von der Welt. Wegrasiren könnten ssie, schaffen nicht. Man müffe beide Arten der Steuern, indirekte und direkte, richtig kombiniren und die direkten Steuern richtig vertbeilen. Zu den indirekten trügen sowohl Arme wie Reiche gleichmäßig bei. Solle der Reiche die indirekten Steuern tragen, so sei deren Zabl ja viel zu gering, um die vorbandenen Bedürfnisse zu decken. Die Soꝛial. demokraten wollten nichts von der Religion wissen. Möchten sie das nur dem Landvolk klar machen, sie würden seben, wie weit sie damit kämen. In diesem Punkte erinnere er auch die Regierungen. daß sie bei aller Belämpfung der Sozialdemokratie nicht versaumen mögen überall die Religion recht gründlich zu pflegen und in den Vordergrund zu stellen. und leine Schulgeseßentwürfe (aha! links). jn machen, durch welche die Religion vernichtet würde. Heiterkeit.) Die Religion sei das wichtigste Mittel gegen die Soialdemokratie. man solle' sie aber nickt allein lebren, sondern auch ihre Gebote befolgen. Der Staat allein sei nicht im Stande, die Herien der Menfchen ju wandeln er könne gründlich dabei helfen, aber allein könne er nichts. Der Abg. Bebel babe heute wieder vermieden, zu erklären, daß unter allen Umständen Gewalt ausgeschlossen sei, und jwar aus Gründen der Moral, nicht weil man zu schwach sei. So lange die Gewalt in den Köpfen der Soꝛial demolraten spuke. werde man die Armee stärlen. So sei die Sozialdemokratie wesentlich ein Grund für die schwere Militärlast, die das Reich drücke. (Lachen bei den Sonaldemokraten Erklärten die Sozialdemokraten, sie bielten die Gewalt unter allen Umständen für unerlaubt, so könnte man in Rube mit ibnen über Reformen berathen. Der Abg. Bebel babe als befonders drückend die Lebensmittelzölle in den Vordergrund gestellt. Er (der Redner) sei weit entfernt, ein Lobredner der Lebens mitteliölle zu sein. Er behaupte auch nicht, wie Viele es thäten. daß sie bis ju einem gewissen Grade die Lebensmittel nicht ver theuerten. Aber er behaupte, fie seien nicht ju entbebren, so lange man keine anderen, die Staatsbürger weniger drückenden Mittel be⸗ sitze. Jedenfalls hätten diese Zölle dabin gewirkt, daß die Lohn- verhältnisie sich gebessert bätten (Zustimmung im Centrum und rechts; daß die Industrie sich gehoben babe, daß der Aderbau wieder im