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Wünsche; in der Theorie will alle Welt sparsam sein, aber seine besondere Liebhaberei hat Jeder, und da predigt er den Grund⸗ satz: hier auf diesem speziellen Punkte darf man nicht sparsam sein, das wäre Verschwendung. Meine Herren, ich theile ja in diesem Punkte die Ansicht des Hr. Abg. Dr. Windthorst und stehe ganz auf dem Boden der Staatsregierung, daß die Entwickelung des Sekundãr ·˖ Eisen⸗ bahnwesens nicht ins Stocken gerathen darf. Aber nichts destoweniger wird es doch wohl gerathen sein, auch bei den Sekundärbahnen im einzelnen Falle zu prüfen, ob sie durch ein dringendes Bedürfniß be⸗ dingt sind; und zweitens, in welchem Verhältniß die Ausgaben zu der vermuthlichen Wiedereinbringung von Einnahmen stehen. Es wird doch immer noch ein großer Unterschied sein zwischen solchen Bahnen, welche gute Einnahmen bringen, das angelegte Kapital einigermaßen verzinsen, wenigstens mäßig verzinsen, und solchen, die die Betriebs⸗ kosten nicht aufbringen, wenn auch beide gemeinsam haben die Eigen⸗ schaft, dem Lande nützlich zu sein.
Meine Herren, ich habe in dieser Beziehung schon ausgesprochen, daß bei einem gut organisirten direkten Steuersystem der Finanz ⸗Minister bei solchen augenblicklich mehr Ausgaben als Einnahmen hervor⸗ rufenden Unternehmungen, welche zur Melioration des Landes, zur Hebung der Volkswohlfahrt dienen, viel ruhiger sein kann, als wenn das Steuer⸗ system ein mangelhaftes ist, sodaß die Zinslast in Folge solcher Unter nehmungen wächst. Wenn aber der Finanz ⸗Minister das Gefühl haben kann, daß das direkte Steuersystem so beschaffen ist, daß die ver— mehrte Volkswohlfahrt auch der Staatskasse zu gute kommt, dann kann er in dieser Beziehung viel sorgloser sein, als wenn das Gegentheil der Fall ist. Darauf bezog sich wesentlich meine Aeußerung, daß nach meiner Ueberzeugung unser direktes Steuersystem nicht ent⸗ sprechend sich entwickelt hat der Gesammtentwickelung unseres Etats und der Ausgaben der Staatsverwaltung. Meine Herren, wenn ich hier vor mir habe, daß unsere Einkommensteuer im Durchschnitt
seit dem Jahre 1885, wo also die Steuererlasse aufgehört
haben, durchschnittlich nur etwa 14 Millionen Mark mehr auf gebracht hat von Jahr zu Jahr und die Klassensteuer kaum Million, so kann ich mit Recht sagen, und ich würde den Nach— weis leicht führen können, daß dies der dreiprozentigen Theil⸗ nahme des Staats an dem gewachsenen Einkommen des gesammten preußischen Volkes entspricht. Deswegen sollen unsere direkten Steuern erst in Zukunft auf den Boden gebracht werden, daß, während durch die wachsende Volkswohlfahrt die Ausgaben steigen, der Staat auch den entsprechenden Antheil in der Einnahme wiederbekommt.
Meine Herren, der Hr. Abg. Rickert ist dann auf die konstitu⸗ tionelle Frage der Quotisirung eingegangen und auf die Stellung, die der Landtag einnehmen müsse zur Bewilligung neuer Einnahmen. Neue Steuereinnahmen sind vom Landtag bisher nicht in Preußen bewilligt in den Jahren, um die es sich hier handelt, sondern nur im Reichstag ist die Vermehrung von indirekten Einnahmen bewilligt. Aber kann denn Jemand behaupten, daß die Ausgaben, die auf Grund jener Einnahmen bewilligt sind, unnöthig waren oder hätten vermieden werden können? Der gesammte Reichstag ist im Wesentlichen einig gewesen bei der Bewilligung der großen Mehrausgaben. Auch die Herren von der freisinnigen Partei haben im großen Ganzen nicht ver—⸗ kannt und durch ihre Abstimmungen bethätigt, daß die Mehr⸗ bewilligungen behufs Verstärkung unserer Landes verteidigung absolut unentbehrlich waren. Und auch hier in unserem preußischen Etat fordere ich jeden auf, mir die Stellen zu bezeichnen, wo wesentlich weitere Ersparungen und Reduktionen von Ausgaben möglich sind. Bei der Schule, bei den Gehalten, bei den Landesmeliorationen, bei unseren Eisenbahnbauten, bei unseren Wasserbauten, überall werden Sie finden, daß Nichts oder sehr wenig zu sparen ist. Man muß froh sein, wenn man das rasche Anwachsen, das übermäßig rasche An— schwellen der Ausgaben verhütet. Wir haben also nicht zu viel Steuern bewilligt. Wir haben nur soviel bewilligt, als nothwendig war, noth⸗ wendige Ausgaben zu decken.
Ich habe über die Natur unserer preußischen Ueberschüsse mich schon so oft ausgelassen, daß ich um so weniger darauf zurückzukommen brauche, als ja Hr. Abg. Rickert in dieser Beziehung mir beigetreten ist. Auch jetzt fordert die Staatsregierung, obwohl sie vielleicht Grund dazu gehabt hätte mit Rücksicht aaf die Gesammtlage unserer Verhältnisse, keine Mehreinnahmen aus den Steuern, sondern sie er⸗ klärt Ihnen bestimmt und drückt dies aus in Gesetzesparagraphen, daß alle Steuer · Mehreinnahmen, die obnehin nicht durch eine Erhöhung der Prozentsäͤtze der Steuer, sondern nur durch eine gerechtere Ver— anlagung entstehen, zu Entlastungen der Steuerpflichtigen, zu Ent⸗ lastungen des überlasteten Grund und Bodens und zur Entlastung der Kommune dienen sollen. Wenn daneben nun noch für den Fall, daß diese Maßregel nicht zu Stande kommen sollte — ein Fall, den man hoffentlich kaum denken kann, jedenfalls nicht als wabrscheinlich voraussetzen darf —, eine quotenmäßige Ver⸗
ninderung des Aufkommens aus der Einkommensteuer angeboten ist, so wüßte ich nicht, was auch vom rein konstitutionellen Stand⸗ punkt aus hier noch mehr zu fordern wäre.
Meine Herren, ich gehe nun auf die Besprechung einiger spezieller Einwendungen verschiedener Redner ein. Was den Eisenbahn Etat betrifft, so kann, glaube ich, — und auch die Redner haben das nicht gethan — der Vorwurf dieser Aufstellung des Etats nicht gemacht werden, daß er zu ungünstig für die Staatskasse sei, und daß aller Wahrscheinlichkeit nach sehr bedeutende Ueberschüsse aus der Eisen⸗ babnverwaltung im Rechnungsjahr 1891/92 hervorgehen würden. Im Gegentheil, einige von den Herren Rednern baben ja selbst die Be fürchtung ausgesprochen, daß möglicherweise die Einnahmen in der veranschlagten Höhe nicht zur Wirklichkeit werden könnten. Sie baben sich, wie zum Theil auch ich selbst, damit getröstet, daß sie meinen, die Ausgaben seien sehr hoch veranschlagt, und es seien da Ersparungen denkbar. Aber, meine Herren, sieht man sich die Ausgaben näher an, so kann man wohl hoffen, daß hier und da Ersparungen möglich sind, und ich bin überzeugt, daß mein Herr Kollege, wo Ersparungen möglich sind, sie gewiß auch eintreten lassen wird. Das hat die Erfahrung einer lang- jährigen Verwaltung genügend erwiesen. Im großen Ganzen aber, was namentlich die Ausgabesteigerungen anbetrifft, die hervor gerufen sind durch die Vermehrung des Beamtenpersonals, durch die Steigerung der Gebhaltssätze, durch die Vermehrung der definitiven Stellen, durch die Erhöhung der Löhne, durch die Steigerung der Kohlenpreise und der Preise für alle Materialien, durch die noth— wendige Vermehrung von Betriebsmitteln, durch Ergänzungs⸗ und Erneuerungsbauten u. s. w. — wenn man sich diese Ausgaben genau ansieht, so glaube ich nicht, daß in einem sehr erheblichen Umfange
an bedeutende Ersparungen in diesen Ausgabentiteln zu denken ist, und ich bekenne offen und habe das das vorige Mal schon aus⸗ gesprochen, daß, wenn ich mir ein Gesammtbild über das wahrschein⸗ liche, rechnungsmäßige Resultat dieses jetzt vorliegenden Etats mache, ich die meiste Besorgniß habe, ob der Etat der Eisenbahnverwaltung in Einnahme und Ausgabe auch nur der Veranschlagung voll ent⸗ sprechen würde.
Meine Herren, was die Forstverwaltung betrifft, so hat der Hr. Abg. Rickert gemeint, es wäre die Forstverwaltung zu niedrig veranschlagt. Ich habe selbst schon bei der Ein— bringung des Etats die Hoffnung durchblicken lassen, daß vielleicht aus der Forstverwaltung eine Million netto mehr releviren könnte. Aber der dreijährige Durchschnitt war doch zu günstig, um ihn zu Grunde zu legen für die Veranlagung des Jahres 1891/92. (Zuruf links) Auch der zweijährige Durchschnitt, und dieser erst recht, ist gerade besonders günstig; da sind so hohe Nettoeinnahmen, daß nicht zu erwarten ist, daß sie im nächsten Jahre wiederkommen, und ich werde Ihnen dafür den Grund sagen. Schon jetzt sind die Holzpreise im Osten durchgängig erheblich zurückgegangen; außerdem baben die großen Sägemühlen im Osten sehr bedeutende Vorräthe, sodaß eine gleichmäßige Nachfrage nach Holz bei ihnen für das nächste Jahr kaum zu erwarten ist. Ich glaube daher, die Forstverwaltung, mit der über diesen Punkt verhandelt ist, hat ganz Recht gehabt, wenn sie schließlich abgelehnt hat, ihren Etat höher zu stellen. Sicher kann niemand in dieser Beziehung sein, aber ich glaube, die Etatisirung ist nach durchaus richtigen und zutreffenden Grundsätzen durchgeführt.
Meine Herren, wenn ich hier gleich bei der Landwirthschaft bleibe, so hat Herr Rickert gefragt — indem er im Uebrigen den dort in Aussicht genommenen Versuch, Hochwasser in bedeichte Niederungen einzulassen, durchaus gebilligt hat — was denn das heißen solle, wenn hier von Beihülfen die Rede sei. Ich hoffe in dieser Beziehung durch aus auf die Zustimmung des Hen. Abg. Rickert; denn hier kommen eine Reihe von Interessenten, die Besitzer der Niederungen selbst, die Deichverbände, die Provinzen, die doch auch die Aufgabe haben, an solchen Meliorationen sich iu betheiligen, in Betracht; sie werden hoffentlich kontribuiren, damit die Lasten nicht wieder, wie das leider gerade bei den Meliorationsausgaben sehr häufig eintritt, allein auf der Staatskasse liegen bleiben, und es finden in dieser Beziehung auch bereits Verhandlungen an bestimmten Stellen statt; ich hoffe, daß dieselben zum guten Erfolge führen.
Meine Herren, der Hr. Abg. Satiler hat sich befriedigt geäußert über die erheblichen Ausgaben für das Wasserbauwesen, und von ver schiedenen Seiten ist namentlich die Anerkennung ausgesprochen, daß jetzt energisch an die Kanalisation der Netze gegangen werden soll. Meine Herren, was meine allgemeine Stellung zu diesen Wasserbau⸗ fragen anbetrifft, so kann ich sie so ausdrücken: in den nächsten 50 Jahren werden nach meiner Ueberzeugung die Eisenbahnen in ihrer Entwicklung nicht stille stehen, aber die nächsten 50 Jahre werden in viel größerem Maße noch, als die vorangegangenen, sich der Entwicklung unserer Wasserstraßen zuwenden. (Sehr guth Das ist meine feste Ueberzeugung; ich glaube, beide Ver⸗ kehrsmittel sind gleich nothwendig, ergänzen sich gegenseitig, und das ist die Ansicht der Staatsregierung und namentlich des Herrn Ministers für öffentliche Arbeiten die ganzen Jahre hindurch gewesen; man kann der preußischen Staatsvmerwaltung, namentlich dem Ministerium der öffentlichen Arbeiten, gewiß am Allerwenigsten vor⸗ werfen, daß es ein einseitiges Eisenbahn ⸗Ministerium gewesen ist. Ich glaube, in keinem deutschen Staat ist so wenig vom Standpunkte der spezifischen Eisenbahnverwaltung fiekalisirt worden und mißgünstig auf die Entwicklung der Wasserstraßen, selbst da, wo sie konkurrirten, als bei uns in Preußen herabgesehen worden.
Meine Herren, einer der Herren Redner — ich glaube, es war der Hr. Abg. Rickert — hat einige Bedenken ausgesprochen bezüglich der Befähigung unserer Wasserbaubeamten. Ich will Ihnen da — er hat sich auf Holland berufen — eine Aeußerung eines ganz hervor ragenden holländischen Wasserbaumannes dahin mittheilen, daß er mir erklärte: die einzelnen Wasserbaubeamten in Preußen sind mindestens so gut ausgebildet auf dem ganzen Gebiet des Wasserbaues als in Holland; ob die Unsrigen mehr leisten, weiß ich nicht; wenn es der Fall sein sollte, so liegt es in unserer Organisation.
Meine Herren, es ist ja von verschiedenen Seiten die Frage an⸗ geregt worden, ob es möglich ist, die verschiedenen Richtungen der staatlichen Beschäftigung mit dem Wasser besser und mehr als bisher zu konzentriren. Ich sage, diese Frage ist eine sehr schwierige, sie wird gegenwärtig in der Staatsverwaltung erörtert, und möglicher- weise gelangen wir doch, wenn auch nur schrittweise, zu einem ähn— lichen Ziel, wie es in Holland erreicht ist, wo man davon ausgeht, daß man beim Wasser, ob es befruchtend oder zerstörend wirkt, ob die Wasserbauthätigkeit Gefahren abwehrt, ob sie Flüsse schiff bar macht, wo man es immer mit einem und demselben Element zu thun hat, daß man die Behandlung aller Gesichtspunkte, die dabei in Frage kommen, umfassen muß. Wir haben ja schon in unserer Wasserbau— direktion in dieser Beziehung einen wesentlichen Schritt gethan.
Meine Herren, wenn der Hr. Abg. Rickert gewünscht hat, in Betreff des Versuchs des Einlassens von Hochfluthen in die Deich⸗ niederungen das Gutachten der Bauakademie mitgetheilt zu haben, so glaube ich nicht, daß dem Bedenken entgegenstehen, es kann uns nur erwünscht sein, daß mit dieser noch auf dem Wege des Versuchs stehenden Frage auch der Landtag sich eingehend beschäftigt.
Der Hr. Abg. Sattler scheint zu glauben, als wenn ich das Garantiegesetz von 1882 aufgehoben zu sehen wünschte. Das ist garnicht meine Meinung. Das Gesetz giebt der Finanzverwastung doch noch immer mehr Garantien, als wenn es gar nicht existirte. Ich habe allerdings in den Vorstadien bei der Berathung dieses Gesetzes schon mitgewirkt im Anschluß an die damaligen ersten Schritte zur Verstaatlichung der Eisenbahnen; ich habe mir das schließliche Ergebniß dieses Gesetzes anders gedacht und wenn ich hier den Aus— druck gebraucht habe, das Gesetz verdunkele einigermaßen die Ueber— sichtlichkeit unserer Finanzverwaltung, so glaube ich auch diesen Aus druck nicht zurücknehmen zu können, denn ich habe doch in Privat— gesprächen bei Mitgliedern des hohen Hauses — wenn ich das ver⸗ rathen darf — nicht völlige Klarheit über die Art und Weise gefunden, wie dieses Gesetz wirkt, selbst bei solchen Mitaliedern des Hauses, die den Namen und den Ruf von tüchtigen Finanzmännern haben. Das ist doch ein Fehler des Gesetzes, wenn es so wenig Klarheit in die Dinge bringt, und ich glaube daher, daß man noch einmal gelegentlich einer Revision desselben näher treten kann. (Abg. Rickert:
Meine Herren, der Hr. Abg. v. Czarlinsti hat gewünscht, es möge die n, . sich endlich einmal mit der Warthe · Regulirung beschäftigen. Es konnte in diesem Etat dafür noch keine Ausgabe eingestellt werden, weil die Erwägungen in dieser Beziehung noch nicht abgeschlossen sind, namentlich auch, weil die Art der Vertheilung der Ausgaben, insbesondere mit der Stadt Posen, noch nicht zu Ende gekommen ist; beschäftigen thut sich aber die Staatsregierung mit der Frage und ich hoffe, daß wir schließlich zu einem gedeihlichen Abschluß gelangen.
Berschiedene von den Herren Vorrednern haben nun die An siedelungkkommission und ihre Thätigkeit stark angegriffen. Meine Herren, ich mache mir bei dieser Etatsberathung im Großen und Ganzen zur Pflicht, große politische Fragen, Streitfragen namentlich, meinerseits thunlichst nicht zu berühren, sofern nicht die Finanzverwaltung unmittelbar mit diesen Aufgaben betraut ist, beziehungsweise die politischen Fragen unzertrennlich von den Finanzfragen sind; das möchte ich aber doch sagen, daß, was man auch halten mag von den neueren Maßregeln der Staatsregierung zur Stärkung des deutschen Elements in Posen und Westpreußen, keine Nationalität Ursache hat, sich über die Maßnahmen der Ansiedelungskommission zu beklagen. Das sind Kulturmaßregeln, aber keine Kampfmaßregeln, denn der Ankauf von Grundbesitz zur Ansiedelung von kleinen Besitzern auf diesen großen Gütern kann nur zur Hebung der Kultur in dieser Provinz beitragen. Meine Herren, auch selbst eine Reihe anderer Maßregeln, wenn sie auch unmittelbar durch die Politik diktirt waren, werden zweifellos den Erfolg haben, die Kultur, die Bildung, das Wissen der polnischen Bevölkerung im hohen Grade zu fördern, und daraus wird schiießlich doch ein versöhnendes Element zwischen den Polen und der deutschen Bevölkerung hervorgehen und die Gegensätze werden, wie die Staats- regierung das nur auf das Dringendste wünschen kann, statt verschãrft zu werden, mehr und mehr in den Hintergrund treten auf dem ge— meinsamen Boden der Staats- und Verfassungstreue und der un— zertrennlichen Zusammengehörigkeit zum preußischen Staate.
Meine Herren, da der Etat im Ganzen böchst wohlwollend beurtheilt ist hier im Hause, so hoffe ich auf ein freundliches Ent gegenkommen der Budgetkommission bezüglich derjenigen Theile, die der Spezialberathung überwiesen werden sollen; an mir wenigstens soll es nicht liegen, hier jede Aufklärung zu geben, welche die Kom⸗ mission wünscht, wie ich denn überhaupt der Meinung bin, daß jede Staats regierung mit jedem Landtage am Besten auskommt bei voller Offenheit und voller Ehrlichkeit der gegenseitigen Aussprüche. (Bravo!)
Abg. Graf zu Limburg-⸗Stirum nimmt den Finanz ·Minister von Scholz in Schutz gegen die Angriffe, welche von verschiedenen Seiten gegen ihn gerschtet worden sind. Derselbe habe die volle An= erkennung aller Parteien væ dient. Der gegenwärtige Etat sei mit der größten Sparsamkeit aufgetellt worden, das beweise schon die niedrige Bemessung des Extraordirariums. Die Mehrausgaben, welche ge⸗ fordert seien, seien durchaus nothwendig, entsprächen zum Theil sogar den Forderungen des Hans. Die Ergebnisse der Verpachtung der Vomänenborwerke ergäbes daß es in den Gegenden, wo Zuckerindustrie dorhanden sei, mit der Lndwirthschaft noch einigermaßen gehe. Wie solle es aber werden, Zenn unsere Zuckerindustrie schutzlos werde auf dem Weltmarkte? (Hört! rechts) Der Rückgang des Verkehrs zeige sich bei den Eisens hnen, ferner bei der Seehandlung und deren gewerblichen Unternehmut gen. Daß die direkten Steuern erhebliche Mehreinnahmen an,, n sei gar nicht anzunehmen; ebenso fei auf die Ueberweissßgen, im Reich nicht mehr so zu rechnen wie früher. Bei den wfenbahnen verlange man großartige Tarif⸗ reformen; man könne zw eine Vereinsachung der Tarife herbeiführen, aber die Einnahmen irften im Interesse der Finanzlage nicht schlechter werden als ! her. Die Einnahmen der Post seien bei ihrer Monopolstellung nrar nicht so bedeutend, namentlich wenn man bedenke, daß die zisenbahnen die Post unentgeltlich fahren müßten. (Zustimmung 1ßhts) Vom wirthschaftlichen Standpunkte aus' denkè die Mehrr sßt des Reichstages nicht an ein Herab— setzen der Getreidezöll ind der Landtag müsse sich jedenfalls gegen die Herabsetzung aussle hen aus finanziellen Gründen. Es sei zu besorgen, daß der Halkl mit Desterreich dem Bündniß nicht zum Vortheil heichen werde. Dieses Bündniß sei jetzt populär, weil dadurch ci Friede gesichert worden sei. Beim Handels⸗ dertrag sei es aber niefe möglich, große Tarifermäßigungen eintreten zu lassen, ohne wesen he Interessen, zu verletzen; man rechne in Desterreich unbedingt ascKowzessionen im Gebiete der Landmirtbschaft, und es sck unmöglich, 1553 Oesterreich auf industriellem Gebiete Kon⸗ zeffionen mache, wel? f auch nur im Entferntesten das aufwögen, vas Beutschland auf ndwirthschaftlichem Gebiete konzedire. Der Abg. Dr Windthorst Pllte diesen Punkt doch etwas in Erwägung ziehen. (Beifall rechts
Abg. Graf Kani. Der Abg. Rickert habe seine Partei als eine monarchische bezeidnet und dabei wohl an die Landgemeinde—⸗ ordnung gedacht. Redrer geht ausführlich auf die Dirschauer Ver= fammlung ein, in welcker der Abg. Rickert de: Hauptredner war und behauptet hatte, daß er sich darum handele, ob die Krone oder der Kreisausschuß das Reht haben sollen, Landgemeindeordnungen zu fammenzulegen. Trotzkim dem Abg. Rickert in dieser Versammlung ein dreifaches Hoch zur Schlusse dargebracht worden sei, hätten von 200 Besuchern nur * sich bereit finden lassen, die betreffende Petition zu unterschreben. (Hört! rechts) Es sei überhaupt zu bedauern, daß der Minister die Rechte der Krone in diese Frage hineingebracht zabe; er habe sich wohl nichts dabei ge⸗ dacht, aber das Wort si ein Schlagwort in der ganzen Angelegenheit geworden, und es gewüne den Anschein, als wenn der Abg. 5 der Vertheidiger Ter Rechte der Krone sei, während es stets Sache der konsevativen Partei gewesen sei, die Rechte der Krone gegen in, . zu schützen; das geschehe auch bei der Landgemeindeordnung weil ein festet unabhängiger Bauernstand der beste Schutz der Kone sei. (Beifall rechts Es sei zu be⸗ fürchten, daß durch die weitgehenden Vorschläge bei der Land ⸗ gemeindeordnung die Verlältnisse verschoben würden. (Zuruf: Etat!)
Abg. Richert: Er habe das Verhalten der konservativen Partei bezüglich der Landgimeindeordnung gar nicht erwähnt, sondern nur eine Parallele gezogen bejüglich der Frage der Quotisirung. Den Schutz der Rechte der Krone. hätten die Konserpativen immer als ihre Aufgabe betrachtet, aber nach dem Sate: Und der König absolut, wenn er unseren Willen thut. (Widerspruch) Was habe die Dirschauer Persammlang mit dem Etat m thun? Die Ver fammlung habe fünf Herren gewählt, um die Petition abzufassen. Der Abg. Graf zu Limburg-⸗Stirum sei auf die Getreidezölle und Zuckersteuer eingegangen, die doch beide dies Haus nichts angingen; seine Schlüsse aus der Domänenverpachtung könne er nicht als richtig anerkennen. Der Zolltarif werde nicht unberührt bleiben; die Verhältnisse würden ibren Zwang ausüben. Pro⸗ testiren müsse er gegen die Behauptung, daß ein Handelsvertrag mit Desterreich geeignet sei, das Bündniß mit Oesterreich zu zerstören oder zu erschüttern. Wer wolle das wohl einem Volke klar machen? Der Handelsvertrag herde das Bündniß fester kitten. Die Meinung des Abg. Grafen zu mburgStirum, daß der Staat die Interessen einzelner Klaffen schüßn müsse, sei eine irrige. Seine (des Redners) Partei freue sich, T] der Reichskanzler auch Verbandlungen mit anderen Staaten als Otterreich in Aussicht gestellt habe. Er hoffe, daß die Meinung des Ab? Grafen zu Limburg⸗Stirum im deutschen
Volke keinen Boden füßen werde. Es sei nur gut, daß nicht dieses
Sehr gut! Abschaffung des Gesetzes ist besser) Das will ich nicht. . Haus, wo die Konserutiven fast die Mehrheit hätten, sondern der
aus den allgemeinen Wahlen hervorgegangene Reichstag über den Handelsvertrag zu entscheiden haben werde. (Beifall links.)
Minister des Innern Herrfurth:
Auf der heutigen Tagesordnung steht die Berathung des Etats und nicht die Berathung der Landgemeindeordnung, über die wir ja noch sehr ausreichend Gelegenheit haben werden, uns zu unterhalten, und die Zurufe, welche dem Hrn. Grafen Kanitz beim Schluß seiner Rede von allen Seiten zu Theil wurden, indem auf diese Thatsache hingewiesen worden ist, hindern mich, auf seine Aeußerung näher ein ˖ zugehen. Ich will hier nur erwähnen: wenn ich in der Kommission gesagt babe, die Beschlüsse der Kommission zu dem 8 2 seien für die Königl. Staatsregierung unannehmbar, weil sie Rechte der Krone verletzten, so habe ich mir allerdings etwas dabei ge— dacht, nämlich genau das, was diese Worte besagen (Heiterkeit), und wenn ich das späterhin in dem Artikel, der im „Reichs ⸗Anzeiger“ erschienen ist, ausgeführt habe — denn ich will ganz offen zugeben, daß ich für denselben die Verantwortung vollständig übernehme —, so kann ich dabei auch nur verbleiben. Ich verzichte darauf, heute bier näher darauf einzugehen, denn ich glaube, es ist keineswegs die Verständigung ausgeschlossen (sehr richtig! rechts) über die Differenzen, die bis jetzt zwischen der Staatsregierung und den Beschlüssen der Kommission zur Landgemeindeordnung bestehen. Meine Herren, es kommt nun nur darauf an, daß, wenn man etwas sagt, man sich auch das Richtige dabei denkt, und da will ich dem Hrn. Abg. Grafen Kanitz entgegnen: es ist allerdings — ich nehme da Bezug auf ein Flugblatt, das er unter seinem Namen veröffentlicht hat — eine Verständigung mit denen etwas schwierig, die andere Worte für Begriffe brauchen, die in der Wissenschaft und der Gesetzgebung anders bezeichnet werden. Denn, wenn der Hr. Abg. Graf Kanitz der Regierung vorwirst, sie wolle die Einfühcung der Sammtgemeinden durch die Vorlage der Landgemeindeordnung herbeiführen, so braucht er eben ein Wort, welches Gesetzgebung und Wissenschaft in einem ganz anderen Sinne bezeichnen, und er nennt Sammtgemeinden das, was weiter nichts ist als die Bildung leistungsfähiger Einzelgemeinden. (Bravo! Sehr guth
Damit schließt die erste Lesung. Ein Theil des Etats wird der Budgetkommission zur Vorberathung überwiesen.
Schluß 35 /. Uhr. Nächste Sitzung Mittwoch 11 Uhr. Auf der Tagesordnung stehen: die Berathung des Nachweises über die Verwendung des in dem Etat der Eisenbahnverwaltung für J. April 1889/90 unter Titel 47 der einmaligen und außer⸗ ordentlichen Ausgaben vorgesehenen Dispositionsfonds von 1500 006 66 — Die erste Berathung der allgemeinen Rechnung über den Staatshaushalt des Jahres vom 1. April 1887/88 sowie der Rechnung über die Fonds des ehemaligen Staatsschatzes für 1. April 1887188. — Die erste Berathung der Uebersicht von den Staatseinnahmen und Ausgaben des Jahres vom 1 April 1889 90. — Die Berathung des Antrages des Abg. Richter, betreffend die Errichtung bezw. Ergänzung von Fidei— kommissen und die Stempelgebühr für dieselben. — Die Berathung des Antrages des Abg. Richter wegen Vorlegung von Uebersichten über die Zahl der dienstfreien Tage des Stations⸗, Strecken⸗, Fahr⸗ und Werkstättenpersonals der Staatseisenbahnen und über die Zahl und die Einkommens⸗ verhältnisse der diätarischen Beamten der Staatseisenbahn⸗ verwaltung.
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Allgemeiner landwirthsHaftlicher Genossenschaftstag,
Auf Einladung des Präsidenten des deutschen Bauernbundes von Ploetz, des Vorsitzenden des Kongresses deutscher Landwirthe Frei⸗ berrn von Manteuffel, des Vorsitzenden der Vereinigung der Steuer und Wirthschaftsreformer Grafen von Mirbach und des Präsidenten der deutschen Central-Genossenschaft Freiherrn von Broich fand gestern im Wintergarten des Central⸗Holels ein allgemeiner landwirthschaftlicher Genossenfchaftstag statt, um die Gründung ven landwirthschaftlichen Genossenschaften zu berathen. ö von Manteuffel eröffnete die Versammlung mit orten der Begrüßung und be⸗ merkte: Die TLandwirthschaft ist in erster Reihe ein Gewerbe des Friedens, nur im Frieden kann sie ge—⸗ deiben. Gett sei Dank leben wir in einem friedlichen Stacte. Daß dem so ist, verdanken wir nächst Gott den ernstlichen Bemühungen unseres geliebten Kaiserlichen Herrn. Deshalb wollen wir, ehe wir in unsere Verhandlungen eintreten, in den Ruf einstimmen: Se. Majestaͤt, unser Allergnädigster Kaiser und König lebe hoch!“ Die ö erhoben sich und stimmten dreimal begeistert in diesen
uf ein.
Es wurden hierauf gewählt: Freiherr von Manteuffel zum Vor⸗ sitzenden, Graf von Mirbach, von Ploetz, Freiherr von Broich und Gutsbesitzer Stolze (Marke) zu Beisitzern. ;
Graf von Mirbach äußerte sich alsdann etwa folgender⸗ maßen: In voriger Woche sei im Reichstage der Schutz der deuischen Landwirihschaft einer eingehenden Erörterung unter- zogen worden. Es werde wohl Niemand im Saale sein, der nicht die Nothwendigkeit eines Schutzes der deutschen Landwirthschaft an= erkennen würde. Die deutsche Landwirthschaft sei nicht in der Lage, mit der Landwirthschast des Auslandeg, welche unter bedeutend befferen Bedingungen produzire, den Konkurrenzkampf auf dem Welt⸗ markt auffunehmen, Schutzzölle allein vermöchten aber der deutschen Landwirthschaft nicht zu kfd Die deutschen Landwirthe müssen in die Lage gesetzt werden, sich die Erfindungen der Neuzeit bei ihrem Be— trieb zu Nuße zu machen. Dazu sei es aber erforderlich, daß sich große und kleine Landwirthe Behufs Gründung von landa irthschaft. lichen Kredit-, Verkaufs, Einkaufs. und Meliorations - Genossenscasten zufammenschließen. Erst dadurch werde die deutsche Landwisthschaft floriren können. Die bꝛreits bestehenden landwirthschaftlichen Genossen⸗ schaften verdienen wohl alle Anerkennung, allein nothwendig sei es, daß fich die Landwirthe nunmehr auf Grund der neuen gesetz lichen Bestimmung, d. h. mit beschränker Haftpflicht, zu einer Genossenschaft zusammenschließen. Eine Genossenschaft mit unbeschränkter Haftpflicht könne eiwas Geveihliches nicht schaffen. Es sei der Vorwurf erhoben worden, daß durch die zu bildende Genossenschaft der Zwischenhandel lahm gelegt werden solle. Dies solle keineswegs geschehen; es solle nur den Rugwüchsen des Zwischenhandels entgegengetreten werden. Im Uebrigen sollen die Segnungen, die der Zwischenbandel schaffe, nicht verkannt werden. Ser reelke Zwischenhanzel felle sich an die zu bildenden Ge⸗ noffenschaften und jene an diesen anschließen, dann würden die Ge⸗ nofsenschaften der deutschen Tandwirthschaft zum Segen gereichen. — General - Sekretär Dr. von Mendel (Halle a. S.) befürwortete als⸗ dann folgende Resolution: .
Ver allgemelne landwirthschaftlich. Genossenschaftstag erachtet es in wirthschaftlicher, wie in sozialer Hinsicht für dringend erforder · lich, daß das landwirthschaftliche Genossenschaftswesen die weiteste Autdehnung erhalte, und empfiehlt zu diesem Zwecke: a die Bildung pon Ginzel Genossenfschaften mit beschränkter Haftpflicht über das ganze Land. Für jeden besonderen Geschäftszweig (Gegenstand des Unternehmens — fiehe Gesetz von 1. Mai 1889) ist eine entsprechende Genossen . schaft zu bilden; b. die sämmtlichen der Landwirthschaft bienenden Genoffenschaften sind zu einem freien Verbande zu farmenzuschließen Behufs. Vornahme der gesetzlichen Revision, gemeinsamer Vertretung nach Außen und Vervollkommnung
der genossenschaftlichen Einrichtungen. Der Zufsammenschluß er⸗ folgt in der Regel provinzweise oder im Anschluß an die Bezirke der landwirthschaftlichen Centralvereine oder anderer ähnlicher Korporationen; e. die gleichartigen Genossenschaften eines Verbandes werden innerhalb desselben und in Anlehnung an ihn jum Zweck der Besorgung, pon gemeinsamen Handelt⸗= geschäften zu je einer Genosfenschaft mit beschränkter Haft- pflicht vereint; d. fuͤr aue Genossenschaften eines Verbandes wird zum Zweck der Befriedigung der Kreditbedürfnisse und der Regelung des Geldumlaufs eine Genossenschaftskasse (Ein⸗ getragene Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht) geschaffen; 6. die Verbände (siehe b) sollen zu einem Hauptverbande vereinigt werden bezw. einem solchen sich anschließen; Ff. die Genossenschafts kassen werden zu einer Haupt · Genossenschafte bank (G. G. mit beschr. Yaftpflicht) verbunden; g. zur Erfüllung dieser Ziele werden in Ge⸗ bieten, in welchen das land wirthschaftliche Genossenschaftswesen noch nicht organisirt ist, die landwirthschaftlichen Centralvereine oder ähnliche Korporationen ersucht, für ihre Bezirke besondere Kommissionen ür Förderung des Genosse nschaftswesens zu ernennen.
Nach längerer Debatte gelangte diese Resolution zur Annahme Darauf wurde der Genossenschaftstag mit einem dreifachen Hoch auf Se. Majestät den Kaiser geschlossen.
Zum Kampf gegen die Nonne,
Die Bezirksämter München Lund I geben der Münchener Allg. Zig. zufolge Folgendes bekannt: Da im nächsten Frühjahr eine Hefährdung der Waldungen durch die Nonne zu befürchten ist, er ⸗ scheint außer den bereits getroffenen Anordnungen zur Abwendung der bevorstehenden Gefahr als weiteres Vorbeugungsmittel der Schutz der Waldameisen dringend geboten,. Unter Bezugnahme auf die ortspolizei⸗ sichen Vorschriften vom 31. März 1874, „den Schutz der Waldameisen betreffend, ergeht deshalb an die sämmtlichen Ortspolizeiorgane, ins⸗ besondere an die Bürgermeister, der Auftrag, dahin zu wirken, daß pon den Privatwaldbesitzern auf die Dauer der gegenwärtigen Insekten ˖ kalamität keine Bewilligungsscheine zum Sammeln von Ameiseneiern mehr ausgestellt werden, und den eventuell trotz dem ausgestellten Be⸗ willigungsscheinen die allenfalls erforderliche ortspolizeiliche Beglau— bigung zu versagen. Als selbstverständlich wird vorausgesetzt, daß Seitens der Gemeindeverwaltungen Erlaubnißscheine zum Sammeln von Ameifeneiern in Gemeinde. und Stiftungswaldungen nicht mehr ausgestellt werden und müßte eine Zuwiderhandlung hiergegen strengstens geahndet werden. Mit aller Strenge ist gegen solche Personen vor⸗ zugehen, welche ohne Erlaubnißschein Ameiseneier sammeln, und sie sind sofort zur Anzeige zu bringen.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
Der Gesundheitsstand in Berlin war in der Woche vom 4. bis 10. Januar ein etwas weniger günstiger als in der Vorwoche und auch die Sterblichkeit hat etwas zugenommen (von je 1000 Ein⸗ wohnern starben, aufs Jahr berechnet, 20,2). Insbesondere kamen akute Entzündungen der Athmungsorgane in gesteigerter Zahl zum Vorschein und endeten auch in einer größeren 53 von Fällen tödtlich. Dagegen wurden Erkrankungen an akuten. Darmkrankheiten seltener beobachtet und nahmen seltener einen tödtlichen Verlauf. Der Antheil des Säuglingsalters an der Sterblichkeit blieb der gleiche, mäßig hohe, von je 15 006 Lebenden starben, aufs Jahr berechnet, 66 Säuglinge. — Das Vorkommen der Infektion skrankhesten blieb meistens ein beschränktes, obwohl Erkrankungen an Unterleibstyphus, Scharlach und Diphtherie häufiger als in der Vorwoche zur Anzeige gelangten. In nennens—⸗ werther Zahl kamen sie jedoch aus keinem Stadttheil zur Meldung Dagegen haben Erkrankungen an rosenartigen Entzündungen des Zell⸗ gewebes der Haut erheblich zugenommen. Erkrankungen an Kind⸗ betifieber blieben selten. Zahlreich traten auch wieder Erkrankungen an Keuchhusten zu Tage, die Zahl der durch sie bedingten Sterbefälle sank auf 8. Rheumatische Beschwerden aller Art gelangten im Ver gleich zur Vorwoche in nur wenig veränderter Zahl zur ärztlichen Beobachtung.
Handel und Gewerbe. Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Kotkt
an der Ruhr und in Oberschlesien.
An der Ruhr sind am 19. Januar gestellt 11 025, nicht recht zeitig gestellt 724 Wagen.
⸗ Subhastations ⸗Resultate.
Beim Königlichen Amtsgericht 1 Berlin standen die nachverzeichneten Grundstücke zur Versteigerung: Grundbuch von Niederbarnim Band 82 Nr. 3422, auf den Namen des Klempner— meisters Oskar Rojahn eingetragen, in der Straße b3a belegen. Das geringste Gebot wurde auf 35 200 M festgesetzt. Meist⸗ bietender blieb der Kaufmann Emil Bein zu Berlin mit 45 000 Der Zuschlag wird am 22. Januar er., Mittags 12 Uhr, verkündet werden. — Ferner Grundbuch von den Umgebungen Band 156 Nr. 6893 und Band 161 Nr. 7036, auf den Namen des Bureau—⸗ vorstebers Paul Wolff und des Restaurateurs Fritz Sens ein getragen, in der Straße 30 Abtheilung XI belegen. Das geringste Gebot wurde zusammen auf 178 150 M festgesetzt. Ersteher beider Grundstücke wurde der Kaufmann Moritz Petzall, Oranienburger straße 32, für das Meistgebot von 215 000
Berlin, 18. Januar. (Wollbericht des . Ctrbl. f. d. Text. Ind. ) Auch in der vergangenen Woche war das Zeschäft am hiesigen Platze leblos. Trotzdem die Kapwollauktion eine größere Anzabl von Käufern dem Markte zugeführt hatte, verlautet von Abschlüssen in deutschen Wollen recht wenig und nur hier und da dürften kleinere Posten verkauft worden sein. Die Meinung für unseren Artikel bleibt eine schwache und die Haltung der Konsumenten eine abwartenze,
. Der Einlösungscours für hier zahlbare österreichische Silbercoupens und verlooste Stücke ist von 17750 Æ auf 177, 135 4. für 100 Fl. erhöht worden,
Die Preuß ische Hypotheken ⸗Versicherungs ; Aktien⸗ Gesellschaft macht bekannt, daß weitere on0 Stück ihrer Aktien zur Vollzahlung zugelassen werden sollen, und fordert die Aktionäre zur Anmeldung auf. Der Bekanntmachung zufolge läuft die Anmeldungs⸗ frist am 31. Januar d. J. ab und die Volljahlung ist nach Maßgabe der vorbehaltenen Zutheilung bis zum 27. Februar d. J. zu leisten. Die vorliegende Vollzahlung bildet einen weiteren Schritt zur Durchführung des der letzten Statutenänderung zu Grunde liegenden, auf die allmähliche Vollzahlung aller Aktien eig teig Planes. Eine Verpflichtung zur Vollzahlung besteht ür die Aktionäre nicht; aber die Vollzahlung beseitigt die bisherige Wechselverbindlichkeit für die fehlende Einzahlung und bewirkt die Umwandlung der Aktien in Inhaßer-⸗Aktien.
Essen a. d. Ruhr, 19. Janucr. (W. T. B.) Nach der „Rhein⸗Westf. Ztg.“ belief sich der gesammte Kokesabsaß aus dem Ober ⸗Bergamtsbezirk Dortmund im Jahre 1890 auf 4187 780 t, was eine Vermehrung des Absatzes gegen das Vorjahr um 9, S M bedeutet. Der Absatz von Kokeskohlen betrug 18890 1494565 t gegen 1512 032 t im Vorjahre.
Leipzig, 19. Januar. (W. CE. B.) Kamm zug-Termin⸗ handel. La Plata. Grundmuster B. pr. Januar 4,375 , pr, Februar 4.37 6, pr. Mär 4,375 A*, pr. April 4,37 A, pr. Mai 140 ge, pr. Juni 440 4A, pr. Juli 4,425 M, pr. August 4.423 , pr. September 1423 S6, pr. Oktober 428 A, pr. November „426 M Umsatz 85 000 kg, Ruhig,.
Wi en, 19. Januar. (W. T. G.) Ausweis der Süßhahn in der Woche vom 8. bis 14. Januar: 428 452 Fl., Minder einnahme 281 202 Fl.
Ausweis der österreichisch⸗ungarischen Staatsbahn in * 64 vom 8. bis 14. Januar: 532 158 Fl., Mindereinnahme
5 ;
London, 18. Januar. (B. T. B) Die Getreizezuf uhren betrugen in der Woche vom 10. bis 16. Januar: englischer Weizen
2869, fremder 13 575, englische Gerste 2718, fremde 3496, englische Maljgerste 22 402. fremde — englischer Hafer 17, fremder 18 195 Srts. Englisches Mebl 19 626, fremdes 25 295 Sack.
An der Küste 3 Weizen ladungen angeboten.
= 260. Januar. (W. T. B) Bie meisten Morgenblätter er⸗ klären die gestern verbreiteten Gerüchte über Zablungsschwierig⸗ keiten mehrerer mit Süd-Amerika arbeitenden Londoner Finanz- firmen für völlig unbegründet; dieselben entbehren jeder Unterlage.
Glasgow, 19. Januar. (W. T. B.) Die Verschiffungen von Rohe ksen betrugen in der vorigen Wocbe 4990 Tons gegen 6130 Tons in derselben Woche des vorigen Jahres.
Bradford, 19. Januar. (W. T. B) Wolle ruhig aber stetig Garne thätiger, Stücke ruhig.
NewYork, 19. Januar. (W. T. B) Die American Nationalbank in Kansas City bat in Folge bedeutender Depot- entnahmen ihre Zahlungen eingestellt. Die Passiva werden auf einige Millionen Dollars angegeben. ⸗
Vifible Supply an Weizen 25 155 000 Bushels, do. an Mais 2744 000 Busphels.
Verkehr s⸗Anftalten.
Norddentscher Llovd in Brꝛemen (Letzte Nachrichken über die Bewegungen der Damretr) der New⸗gJork⸗ und Baltimore⸗Linten: Bestimmung. Saale! Bremen , New ⸗ York ,, New ⸗HYork Fulda... New ⸗JYork 8 New ⸗ Jork k Bremen Stuttgart“. ö Lizard passirt. Hermann“. Baltimore von Bremerhaven. der Brasl⸗ und La Plata⸗Linien: Antwerp., Bremen 10 Jan. Las Palmas passirt. Antwerp., Bremen 4 Vigo. M * 9 Big. Mntwerp,́ 15. Zan. St. Bincent, paffitt. . Vigo, Antwerp, Darmstadt . ö Fra B I sFissab.‚ Antwerp, Graf Bismarck enn, ‚KKronpr Fr. Wilh.“ Antwerp, Bremen . La Plata La Plata Rio, La Plata Brasilien Rio, La Plata
in Bremerhaven. in in New-⸗Jork.
in New⸗Hork.
von Southampton.
Lizard passirt.
von Baltimore
— —— — Q — — 188 * So C .
— M — ö ge
Straßburg! München“
Dresden! Jan. von Buenos Aires.
5. Jan. Bahia.
Jan. Buenos Aires. Jan. in Montevideo. Jan. in Montevideo. Ja. in Rio. San. St. Vincent passirt. 9 Jan. Sta. Cruz passirt. M 5 * ⸗ . 1 Jan. Quessant passirt. der Linien nach Ost⸗Asien und Australien: Sachsen Bremen 7. Jan. in Genua. ,,,, Bremen in Hongkong. . Ost / Asien in Singapore. ,, Ost ⸗Asien von Southampton. Habsburg Bremen an. in Southampton. KRaiser Wilh. II.“ Bremen in Bremerhaven. , Bremen von Adelaide. Hohenzollern“. Australien , in Adelaide. Hohenstaufen! Australien von Suez. Karlsruhe. Bremen z. von Melbourne.
)
Hamburg, 19. Januar. (W. T. B) Die Postdampfer Ch'erus kia? und Bohemia“ der Hamburg Amerika nischen Packetfahrt · Aktiengesellschaft haben, von New⸗York kommend, ersterer am 18. Januar Abende und letzterer heute früh, Lizard passirt.
— 20. Januar (W. T. B.) Der Dampfer „ Augusta⸗ Victoria“ tritt, wie nunmehr bestimmt ist, am Donnerstag seine Mittel meerfahrt an.
Marseille, 19. Januar. Das Packetboot ‚Ville de Nales. der transatlantischen Compagnie, welches heute Morgen von Neapel angekommen ist, lief laut Meldung des . W. T. B.“ Um 5 Uhr Nachmittags wieder aus, um des Packetboot ‚Ville de Brest' zu suchen, das seit vier Tagen fällig ist, und von dem seit seiner Abreise von Tunis keine Nachricht vorliegt
Luzern, 20. Januar. (W. T. B.) Der Direktor der Gotthard⸗Bahn Zingg ist gestera Abend in Locarno ge storben.
Theater und Mufik.
Königliches Opernhaus.
Für die gestrige Théätre-paré-Vorstellung war ein seit mehreren Jahren nicht gegebenes Ballet neu einstudirt worden, das noch aus jener Zeit stammt, da die Kunst Terpsichore's, getragen von der Gunst und dem Geschmack des Publikums, auf der Königlichen Bühne in der höchsten Blüthe stand und erfolgreich mit der Großen Oper in Paris auf diesem Felde wetteiferte: das Zauber ⸗Ballet Alngdin“ oder Die Wunderlampe“, vom damaligen Balletmeister Hoguet nach zem bekannten Märchen aus ‚Tausend und eine Nacht' gedichtet und von Gährich in gefälliger und effektvoller Weise in Musik geretzt. Die geftrige Aufführung der romantischen Tanzdichtung bewies, daß das Königliche Ballet Personal auch heute noch diesem alten Rufe Ehre macht und den guten früheren Traditionen treu bleibt. Frl. dell' Era braucht in der Rolle der Sultanstochter den Vergleich mit ihren Vorgangerinnen nicht zu scheuen; an Verve, Graste, Schönheit der Pofen, künstlexischer Ausbildung, namentlich des Fußspitzentanzes und lebhafter Mimik des Ausdrucks wird sie wohl kaum von anderen lebenden Tänzerin übertroffen. Auch Hr. Burwig in der Titelrolle strebte seinem einst weit über Berlin hinaus berühmten Vorbilde, Hrn. Charles Müller, mit bestem Erfolg nach; ebenfo zeichnete sich der aus der Schule des eben Genannten hervorgegangene Hr. Glasemann als Magier Timorkhan aus. Frl. dell: Era entwickelte ihre anmuthvolle Kunst namentlich in einer von dem Corps de Ballet begleiteten, Der Traum“ betitelten Solo⸗ tanz Nummer sowie in einem Pas de deux mit Hrn. Burwig. Als Einlage wurde ferner der aus der leider schnell wieder vom Reper⸗ toire verschwundenen Dper „Gieconda“ des italienischen Komponisten Ponchiesli bekannte reizrolle Tanz der Tages zeiten; von Srl. dell' Era, den Damen Stoßmeister, Wisotzky. Sonntag, Urbangkg u. A. mit dem Corps de Ballet ausgeführt. Außerordentlich wirkfam war auch die Schlußapotheose mit dem von über einander gruppirten Damen dargestellten, aufgehenden Sternbilde, bei der das elektrische Licht effektoclle Verwendung fand.
Der Votstellung wohnten Ihre Königlichen Hobeiten der Prinz und die Prinzessin Albrecht, Se, Hoheit der Erbprinz sowie Ihre Königliche . die Erbprinzessin von Sachsen⸗ Meiningen, Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Margarethe, Se, Hoheit zer Herzog Ernff Günther zu Schleswig Holstein, die Erbprinzlich Hohen zollernschen Herrschaften und eine zahlreiche glänzende Gesellschaft von Herren und Damen aus hohen militärischen, Hof⸗ und Staats Beamtenkreisen bei, welche auch nach Schluß noch zu einer Soirée im Concertsaal versammelt blieb. .
Berliner Theater.
Die Novitãt .Das Fräulein von Scuderi in der Bearbeitung von Ernst von Wildenbruch hatte am Sonntag nicht den erwarteten Erfolg; aber man darf über den Schwächen, welche das Stück zum Theil durch die gegenwärtige Scenenführung aufweist, die guten Seiten und Vorzüge nicht vergessen, welche in der scharfen Cha rakteristik der Hauptperson das ursprüngliche Schauspiel von Otto Ludwig besitzt; immerhin ist es dankenswerth, daß das Berliner Theater auf die Gefahr einez Mißersolges hin, unser Publikum mit diesem eigenartigen Schauspiel bekannt machte, welches gleich⸗
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Frankfurt“.