Voraussetzung der einstigen Beurtheilung thatsächlicher Zustände und Verhãltnisse.
Wenn der Herr Antragsteller fragt, auf Grund welches ausdrück⸗ lichen Gesetzes die Krone oder die Staatsregierung ermächtigt sei, der artige Stempelerlasse eintreten zu lassen, so kann ich ibm diese Frage nicht beantworten; ein ausdrückliches Gesetz, welches generell der Krone ein solches Gnadenrecht zuwiese, existirt nicht — und braucht auch nicht zu existiren für Denjenigen, der die Geschichte des preußischen Staates und namentlich seine Staats und Rechts⸗ geschichte kennt. (Sehr richtig! rechts.)
Dies führt mit Nothwendigkeit auf eine kurze Skizze der Rechts⸗ entwickelung in dieser Frage. Darüber kann ja wohl gar kein Zweifel sein, daß die Machtvollkommenheit der Krone vor Erlaß der Ver— fassungsarkunde gänzlich unbeschränkt war, und daß die Krone, wie sie die Gesetzgebung handhabte, um so mehr berechtigt war, in Einzel fällen Ausnahmen in der Ausführung der Gesetze zu machen. Wenn das an sich schon unzweifelhaft ist, so wird es noch unzweifelhafter durch den Inhalt derjenigen Gesetze, die in dieser Zeit erlassen sind, nach welchen dies Recht nicht eingeführt — denn es war vorhanden —, sondern besonders in der Art der Ausführung geregelt ist.
Ich beziehe mich in dieser Richtung auf die Regierungsinstruktion vom 23. Oktober 1817, 5. l, welcher spricht von Erlassen und Remissionen von Steuern, Domänen, und anderen öffentlichen Gefällen, wozu auch Pachtgelder gehören, ferner von Erlassung oder Milderung von Strafen, bei Steuer und Finanzverjäãhrungen, wenn sie durch rechtskräftige Erkenntnisse festgestellt sind u. s. w.
Ebenso heißt es in der Instruktion der Ober ⸗Rechnungskammer vom 18. Dezember 1824:
Erlasfse von Steuern, Domänen ⸗ und anderen Gefällen sowie von Pachtgeldern im Wege der Gnade dürfen nur auf Unsere besondere Genehmigung stattfinden.
Dies Alles führt also nicht ein neues Recht ein, sondern ordnet nur die Art und Weise der Ausfübrung, der Handbabung eines vor— handenen Kronenrechts. Darüber ist auch wobl im ganzen Hause kein Streit, daß dies Recht vor der Ver fassung bestand.
Nun, meine Herren, stelle ich den Satz auf, daß in Preußen, wo die Rechte der Krone nicht durch die Verfafsung neu entstanden sind, sondern wo die Königliche Gewalt zor der Verfassung vorbanden war, die Rechte der Königlichen Gewalt soweit befteben geblieben sind, als sie nicht durch die Verfassung beschränkt wurden. (Lebhafte Zustimmung rechts.)
Meine Herren, wir haben andere Länder, wo das anders ist, wo die Königliche Gewalt ihre Existenzberecktigung aus der Verfassung selbst historisch ableitet, beispielsweise in Belgien; da sind die Rechte der Königlichen Gewalt durch die Verfassung entstanden, gehen nur so weit, als sie die Verfassung ausdrücklich an erkennt und konstituirt. Wir müssen untersuchen: welche Beschränkungen der Rechte der König⸗ lichen Gewalt sind durch die Verfassung hervorgerufen? Soweit dies nicht der Fall ist, bleibt die Königliche Gewalt, wie sie vorber be— standen hat, unbeschränkt. (Sehr richtig! rechts.)
Meine Herren, Sie werden vergeblich in der Verfassung einen Artikel suchen, der dies hier fragliche Gnadenrecht, wenn ich es so be—⸗ zeichnen soll, auf eivilrechtlichem Gebiet aufhebt; er ist nicht vor handen. Es bedurfte also keines ausdrücklichen Gesetzes, um dies Recht entweder zu bestätigen oder neu einzuführen.
Diese Stellung der Staatsregierung ist durchaus nicht neu, sondern ist unter allen Ministerien, ob konservativen oder liberalen Ministerien, seit dem Jahre 1850 konstant festgehalten; niemals ist diese Stellung dem Landtage verheimlicht, der Landtag hat dies Recht der Krone niemals bestritten. Ich werde das im Einzelnen durchführen.
Meine Herren, Stempelerlasse in specie sind nicht etwa bloß in dem verborgenen Inhalt der Akten, sondern seit der Verfassung vielfach auch in der Gesetz⸗Sammlung durch Königliche Ordre ein geführt und bekannt gemacht; ich kann mich nicht eines einzigen Falles erinnern, wo hiergegen Seitens der Presse, in der öffentlichen Meinung oder im Landtage irgend Widerspruch erhoben ist. Ja, nicht blos im einzelnen Falle, beispielsweise bei Brandunglücken für ganze Städte, sondern sogar für Institute sind Stempelfreiheiten gegeben worden, für eine ganze Reihe von Banken, z. B. für gemeinnützige Baugesellschaften — niemals ist daran irgend eine Diskussion ge— knüpft.
Was den Landtag selbst betrifft, so wurde bereits im Jahre 1858, wenn ich nicht irre, hier im Landtage ein Antrag eingebracht wegen Ermäßigung gerade in specie des Fideikommißstempels von 3 auf circa 179. In der Kommission wurde von den Gegnern dieses Antrages ausgeführt: da ja doch sebr vielfach in besonderen Fällen dieser Fideikommißstempel von 3 auf 1 i erlassen werde, so sei eine solche generelle anderweitige Ordnung dieser Frage garnich: erforderlich. (Hört! hört! rechts.)
Meine Herren, im Jahre 1862 bei der Berathung des damaligen Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Ober ⸗Rechnungs kammer, wurde in der Kommission Über einen Paragraphen diskutirt, der in dem Entwurf enthalten war, nach welchem dies eben fragliche Recht der Krone, Erlasse, Remissionen u. s. w. eintreten zu lassen, Steuern im einzelnen Falle zu erlaffen u. s. w., ausdrücklich be⸗ stätigt werden sollte — ein nach meiner Meinung allerdings durchaus nicht ganz richtiges Vorgehen der damaligen Rezierung. Es
wurde über diefen Paragraphen nun in folgender Weise verbandelt. Man sagte: entweder — oder; entweder besteht dies Recht trotz der Verfassung, dann bedarf es ja keiner Bestätigung in einem Spezial gesetz — oder dies Recht besteht nicht, dann brauchen wir es hier nicht durch ein besonderes Gesetz einzuführen, dann müßten wir die materielle Seite der Sache untersuchen. Auf Grund dieser Moti⸗ virung wurde damals in der Kommission der betreffende Paragraph abgelehnt; zur Verhandlung im Landtag ist aber dieser Entwurf überhaupt nicht gekommen.
Aber auch damals wurde von keiner Seite in einer bestimmten Weise die Existenz dieses Kronrechts bestritten; im Gegentheil, aus der vorausgesetzten Existenz des Kronrechts wurde hergeleitet, daß es nicht nothwendig wäre, in einem Spezialgesetz neben der Verfassung dits Recht auch wieder ausdrücklich anzuerkennen.
Meine Herren, noch viel bestimmter aber tritt diese Anschauung des Landtages hervor bei Gelegenheit der Berathung des jetzt in 2 beñndlichen Besetze wegen der Ober-Rechnungskammer im Jahre 1872. Der Berichterstatter der Kommission über dieses Gesetz
war der Abg. Lasker. Er trug im Landtage am 15. Februar 1872 Folgendes vor:
Die Krone besitzt ebenso, wie Bebörden des Landes Rechte besitzen, das Recht, gewisse Dinge, die gesetzlich oder verfassunge mãßig geordnet sind, in einem bestimmten einzelnen Falle anders zu ordnen oder bestimmte Verstöße gegen Gesetze gutzuheißen, von dem Rechte der Amnestie, der Gnade bis herunter zu den Remissionen bei Ver⸗ trägen oder wie sie sonst das Verfassungsrecht ausgebildet hat. Ich nehme keinen Anstand, für mich zu erklären, und ich glaube, im Geiste der Kommission dies ibun zu können, daß über dies materielle Recht gar nicht in dem gegenwärtigen Gesetze verhandelt wird, und daß eine Veränderung dieser Befugnisse in keiner Weise herbeigeführt werden soll. (Hört! Hört! rechts.)
Darauf erwidert der Minister Camphausen:
Ich stimme ferner mit dem Herrn Referenten darin überein, R daß die sogenarnten justifizirten Kabinetsordres, die nach der gegenwärtigen Lage der Gesetzgebung rechtlich noch einen Mangel geben konnten, auch wenn dieser Mangel gegen die Bewilligung des Landtages stattgefunden hat, nach Annahme des Gesetzes nicht mehr möglich sind, daß sie verschwinden müssen. Ich kann aber auch hinzufügen, daß sie thatsächlich seither, wenigstens im Bereich meiner Verwaltung, nicht vorgekommen sind. Ich bin ebenso wie der Herr Referent der Ansicht, daß die materielle Prärogative der Krone, wenn ich sie mal so bezeichnen soll, durch dieses Gesetz nicht berührt werden soll, daß dieser weder etwas hinzugefügt, noch etwas abgenommen werden soll durch die materiellen Bestimmungen dieses Gesetzes.
Es ist also klar, daß für diese ganze Frage, um die es sich hier handelt, das Ober ⸗Rechnungskammergesetz, in specie der 5. 18, gãnz⸗ lich irrelevant ist.
Meine Herren, demgemäß ist nun auch verfahren worden, und es baben seither weder die Ober ⸗Rechnungskammer, der doch von all solchen Erlassen oder Ermäßigungen ron Stempeln Kenntniß gegeben wird, noch die dabei konkurrirenden Gerickte den geringsten Anstand genommen, derartige Erlasse als vollkommen der Verfassung und den Gesetzen entsprechend anzuerkennen. (Hört! Hört! rechts) Meine Herren, alle höheren Gerichte des Landes, namentlich das hiesige FKammergericht, erhalten ja Kenntniß, denn das Gericht ist es, welches in diesem Falle die Stempel dem Gesetze gemäß einzuziehen haben würde von solchen durch Königliche Ordres stattgefundenen Ermäßigungen oder gänzlichen Erlassen dieser Stempel. Dem gemäß erkennt das Gericht über die Existenz und gültige Verfassung der Fideikommiß⸗ güter. Niemals bat ein Gericht in Preußen die Zulässigkeit derartiger Erlasse bestritten oder bemängelt und auch den Versuch gemacht, einen auf diese Weise erlassenen Stempel seinerseits einzuzieben, wozu es doch sonst schuldig und verbunden gewesen wäre.
Weine Herren, die Ober ⸗Rechnungskammer hat aber geradezu in versckiedenen Erklärungen ausgesprochen, daß sie diese Auffassung theile; sie sagt in einem Schreiben vom 10. Februar 18765:
Eine Abweichung von dem Etat oder dem Gesetz, welche ver— fassungsmäßig durch die Krone ohne Genehmigung des Landtages angeordnet werden kann, ist nicht als eine Abweichung im Sinne des §. 18 des Ober⸗Rechnungskammergesetzes anzusehen,
ist also nicht Gegenstand der Monitur. Meine Herren, die Rechtslage ist also folgende, wenigstens nach meiner Auffassung. Zweifel bestehen darüber nicht, daß, wenn auf Grund des eben näher charakterisirten Gnadenrechts der Krone irgend ein Erlaß, eine Remission, eine Niederschlagung einer Konventional⸗ strafe oder einer Zoll⸗ und Steuerstrafe oder dergleichen stattgefunden hat, dies rechtsbeständig ist, keinen Anlaß zu einer Monitur der Ober⸗ Rechnungskammer geben kann, folglich die Landesvertretung in dieser Beziehung keinerlei Mitwirkungsrecht besitzt. Dagegen, wenn, wie das früher üblich war und auch von dem Ober ⸗Rechnungekammergesetz anerkannt war, justifizirende Ordres sich beziehen auf die Monituren der Ober ⸗Rechnungskammer selbst, namentlich in Betreff des Erlasses der Vertretung von Defekten, dann tritt diese formale Seite in den Vordergrund, von der der Berichterstatter im Jahre 1872 spricht, und da liegt die Sache allerdings anders. Mit einem solchen Falle haben wir es aber im vorliegenden Falle natürlich nicht zu thun, son⸗ dern hier kommt die materielle Seite dieser Handhabung der Kron— prärogative allein in Betracht, und daher erkläre ich, sowohl für mich persönlich als im Namen der Staatsregierung, daß das Recht der Krone, auf Grund dessen diese Erlasse stattgefunden haben, durchaus unanfechtbar und über jeden Zweifel erhaben ist. (Bravo! rechts.) Meine Herren, es ist ja gewiß amuerkennen, daß ein solches Kronrecht nur gehandhabt werden soll und wird als ein wirkliches Gnadenrecht. Wie das Begnadigungsrecht auf dem Gebiet des
Strafrechts natürlich nicht dahin führen kann und nie führen wird,
gewissermaßen für bestimmte Vergehungen das Strafgesetzbuch außer
Kraft zu setzen, so wird auch auf dem civilrechtlichen Gebiet stets
nur mit Rücksicht auf die besondere Beschaffenheit des einzelnen Falles von einem solchen Rechte Gebrauch zu machen sein und ist auch immer nur in diesem Sinne Gebrauch gemacht worden. Andererseits wird ja auch der Wunsch als natürlich anerkannt werden müssen, soweit eine solche Regelung überhaupt möglich ist, dies durch besondere Ge— setze, welche den Zweck haben, die Rechte des Landtages in dieser Be⸗ ziehung vollständig klar zu stellen und jeden Zweifel und ieden Kon flikt auszuschließen — eine Regelung eintreten zu lassen. So lange es aber nicht gelungen ist, derartige Gesetze mit dem Landtage zu vereinbaren, wird der Landtag auch objektiv das bestehende Recht der Krone seinerseits nicht bles anerkennen müssen, sondern auch in seinem eigenen Interesse anzuerkennen wohlthun. Ob es demnrächst einmal gelingen wird, über diese Frage mit dem Landtage eine Berständigung herbeizuführen, wird die Erfahrung lehren. Ich will noch hinzufügen, daß die ganz überwiegende Mehrheit aller anerkannten Staatsrechts— lehrer in dieser Beziehung ganz auf demselben Standpunkt steht, wie ich ihn bezeichnet habe; von Roenne, Zachariae bis Mohl ist über dieses Recht kein Zweifel. Die verschledenen Rechtslehrer begründen das Recht und bezeichnen es verschieden. Die einen bezeichnen es als ein eigentliches Gnadenrecht auf civilrechtlichem Gebiet, die anderen als einen Ausfluß der Aufgabe der Krone, die Gesetze zur Aus— führung zu bringen. Ich gehe darauf nicht näher ein. In der Sache sind diese staatsrechtlichen Autoritäten einig, aber ich knüpfe daran doch noch eine Bemerkung. Wenn wirklich einmal ein Komptabilitäts⸗ gesetz, ein Etatsgesetz zwischen der Staatsregierung und dem Landtage zur Vereinbarung gelangte, so würden Sie sich selbst überzeugen, daß eine große Verwaltung, namentlich eine große Staats
der Krone gar nicht gedacht werden kann. Sie würden bis auf einen ganz weiten Weg dieses Recht anerkennen, wenn es einer solchen Anerkennung bedurfte. Ich will das vorläufig nicht
weiter ausführen, ich werde es im Einzel nen nachweisen, an best im mten
Thatsachen, wenn es bestritten werden sollte, es ist richtig; wenn Mohl sagt, indem er nach einer Begründung eines solchen Rechtes sucht, daß es ein integrirender Theil derjenigen Aufgabe sei, welche in der Ausführung der Gesetze liegt. Meine Herren, hierdurch glaube ich genügend nachgewiesen zu haben, daß die Rechtsfrage aus dem Spiel zu bleiben bat, und ich frage mich dann, welche andere Frage könnte hier zweckmäßig noch zur Verhandlung stehen. Steht die Sache nun so, so werden Sie die Konklusionen in Betreff der übrigen Theile des Antrags, die ich hieran knüpfe, nach meiner Meinung vorhersehen und billigen müfsen. Denn handelt es) sich hier wirklich um ein Recht der Krone, im einzelnen Fall eine Ausnahme ein— treten zu lassen von den gesetzlichen Bestimmungen, nament⸗ ic von einer Steuerpflicht, so würde die Vorlegung der einzelnen Fälle nicht blos zu einer Kritik sondern zu einer Kritik ohne Unterlage fübren, wenn ich nicht die gesammten Akten, die sich auf jeden einzelnen Fall bezögen, auch mit vorlegte. Daß das nicht erwünscht sein kann, daß beispielsweise, wenn eine solche Anforderung gestellt würde in Beziehung auf die Ausübung des Be—= gnadigungsrechts im Strafrecht, Jeder von vornherein sagen würde: darauf kann unmöglich die Staatsregierung sich einlassen, daß aber Fier die Sache ganz ebenso liegt im Wesentlichen, das werden Sie mir kaum bestreiten.
Hierauf basirt der Entschluß der Staatsregierung, Sie zu bitten, den ganzen Antrag, wie er vorliegt, abzulehnen. Denn die Anträge 1, 2, 3 und 4 stehen in einem unzertrennlichen Zusammenhang. Wenn es sich lediglich darum handelte, Material zu bekommen, um ein Gesetz über die Bildung von Fideikommissen oder betreffend die Ein⸗ schränkung derselben zu beschaffen, so wäre ja an und für sich der Antrag 1 und 2 unbedenklich. Aber die Anträge haben ja alle einen und denselben Charakter; es würde lediglich die Ausführung dieses Antrages Material zur Kritik der Ausübung eines Kronprärogativ⸗ rechts bilden, und daher ersucht Sie die Staatsregierung, den ganzen Antrag, wie er vorliegt, abzulehnen.
Meine Herren, wenn ich mich somit des Eingehens auf einzelne Fälle im Allgemeinen enthalten muß, so halte ich mich doch ver⸗ pflichtet, da ein früherer Minister, der noch Kollege mehrerer meiner jetzigen Kollegen gewesen ist, hier in der Weise angegriffen wurde, daß seine Handlungsweise gewissermaßen als unmoralisch charakterisirt wurde, — hierüber noch ein Wort gewissermaßen persönlich hinzu zufügen.
Meine Herren, der Antragsteller hat namentlich einfließen lassen, daß der Eclaß eines Fideikommißstempels für ein von dem Staats⸗ Minister Freiherrn Lucius von Ballhausen gebildetes Fideikommiß um so bedenklicher sei, als der Ausschlag im Ministerrath dafür gegeben sei (Widerspruch des Abg. Richter) durch einen Minister, dem selbst ein Erlaß zu Theil geworden sei. Dagegen möchte ich von vornherein bemerken, daß Fragen dieser Art überhaupt im Staats⸗-Ministerium nicht zur Beschlußfassung gelangen, und auch in diesem Fall ist solches nicht geschehen, sondern es haben dabei lediglich die beiden Minister der Justiz und der Finanzen mitgewirkt. Es kann also von einer Beschlußfassung des Staats⸗Ministeriums in dieser Angelegenheit überhaupt nicht die Rede sein.
Wenn der Herr Antragsteller daneben von einem erlassenen Betrage von 100 000 S gesprochen hat, so ist auch dies irrig, denn es handelt sich thatsächlich nur um einen Erlaß von etwas mehr als 30 000 M.
Meine Herren, der Herr Antragsteller selbst schon hat diesen ganzen Hergang in Verbindung gebracht mit der Standeserhöhung, welche der Minister der Gnade des Hochseligen Kaisers Friedrich ver⸗ dankt, und dieser Zusammenhang ist allerdings richtig. Diese Standeserhöhung war aus der Allerhöchsteigenen Initiative des Kaisers hervorgegangen, und es war dabei von vornherein zu erkennen gegeben, daß die Freiherrnwürde auf die Erben des Ministers Lucius übergehen möchte, daß dazu aber die Bildung eines Fideikommisses erforderlich sei. Nun wurde ausdrücklich dem Minister Lucius ohne irgend einen Antrag seinerseits die Standeserhöhung tax“, gebühren und stempelfrei nach dem Wunsch des Kaisers Friedrich ertheilt und man nahm naturgemäß an, daß die hiermit in unmittelbarer Bezie⸗ hung stehende Fideikommißbildung in gleicher Weise behandelt werden müsse. Der Minister Lucius ist auch im besten Glauben gewesen, daß dies stets üblich gewesen sei, und daß das der Willens meinung des Kaisers Friedrich in jeder Weise entspreche. Sonst würde er wahrscheinlich seinerseitg weder die Initiative ergriffen haben, noch auch den Erlaß acceptirt haben.
So liegt, meine Herren, die Sache, und ich glaube, wer die Sache so objektiv beurtheilt, wird, was er auch sonst nach seinem subjektiven Empfinden in einem ähnlichen Fall seinerseits gethan haben würde, von einer unmoralischen Handlung unter keinen Um ständen sprechen dürfen. (Sehr richtig! rechts.)
Hierauf glaube ich meine Ausführungen beschränken zu dürfen, meine Herren. Ich glaube, es wird das Richtige sein für alle Theile, namentlich aber auch für die Stellung des Landtages, den Antrag so, wie er gestellt ist, abzulehnen. (Lebhafter Beifall rechts.)
Abg. Schumacher: Die Regierung lehne den Antrag aus Gründen ab, die man nur als gerechtfertigt anerkennen könne. Es handele sich hier lediglich am die Frage: War die Krone berechtigt, die Stempelgebühren zu erlassen, oder war sie dabei an eine Mit⸗· wirkung des Landtages gebunden? Namens seiner politischen Freunde erkläre er von vornherein. daß sie durchaus auf dem Standyunkt der Regierung ständen. Es handele sich hier um ein eigenftes Recht der Krone, und von diesem Standpunkt aus sei es sehr seltsam, daß eine Partei, die noch vor zwei Tagen durch den Mund eines ihrer berediesten Vertreter sich als den Wächter der Rechte der Krone dar= gestellt habe (lebhafter Beifall rechts), heute in dieser Weise gegen die Rechte der Krone vorgehe. Es habe sich vorgestern freilich nur um Angelegenheiten der Gemeindekommission gehandelt, heute um eines der wichtigsten Vorrechte der Krone. Da nähmen die Herren natürlich eine andere Stellung ein. Durch die Aufzählung der Rechte des Königs in der Verfassung seien dieselben nicht erschöpft. Die Rechte der Krone hätten schon vor der Verfassung bestanden, und daran sei durch die Verfassung nichts geändert, wenn es nicht ausdrücklich darin enthalten sei. Anders verhalte es sich mit dem Rechte des Landtages. Der eigentliche Zweck der Verfassung sei, das Recht des Landtages gegenüber der Krone festzuftellen. Danach könnten dem Landtage keine Rechte zugesprochen werden, die nicht ausdrücklich in der Verfassung ständen. Bei der Gesetzgebung habe der Landtag mitzusprechen, bei einem der Krone vorbehaltenen 3 werde feine Mitwirkung nicht in Anspruch genommen. Man müsse
verwaltung, ohne ein solches weitgehendes diskretionäres Recht
hier unterscheiden zwischen der sogenannten Dispensationtfrage und
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der Frage der Befreiung von den Folgen eines Gesetzes. wenn die Voraussetzung des Gesetzes eingetreten sei. Von der Krone könne nicht ausgesprochen werden daß Einer nicht bestraft werden solle, aber es bestehe unzweifelhaft das Recht der Krone, eine verwirkte Strafe zu erlassen. Dasselbe Recht bestebe auf dem Gebiet der Be⸗ steuerung. Eine fällig gewordene Steuer könne im einzelnen Fall erlassen werden. Das Recht der Krone, von den Einnahmen des Staats Beträge nachzulassen, sei seit Jahren unbestritten gehandhabt worden. Ein Bewilligungsrecht bezüglich der Einnahmen sei für den Landtag zwar schon beansprucht, aber demselben niemals zugestanden worden. Bei der Berathung der Verfassung sei dasselbe beansprucht worden, aber die Erste Kammer und die Krone. hätten es ausdrücklich abgelebnt. Bei der Berathung des Gesetzes über die Ober -⸗Rechnungskammer babe sogar ein Antrag auf nach⸗ trägliche Bewilligung außerordentlicher Einnahmen in diesem . selbst nicht das nöthige Entgegenkommen gefunden. Das Haus abe also nicht das Recht, solche Maßregeln zu kritisiren. Gegen den möglichen Schluß, daß, weil die Verfassung der Krone das Gnadenrecht in Strafsachen aus drücklich vorbehalte, dasselbe aber nicht bezüglich des Gnadenrechts in Civilsachen sage, das letztere auch nicht vorhanden fei, spreche der Umstand, daß der Krone alle die Rechte zuerkannt werden müßten, welche nicht durch die Verfassung aufgehoben worden seien. Wenn die Sache das Aufsehen weiter Kreise erregt habe und man sage, daß eine grobe Verletzung des Rechtszefühls vorhanden sei, so habe der Abg. Richter das Verdienst, dieses Ge schrei und diese künstliche Aufregung hervorgerufen zu haben. (Beifall rechts) Es stehe fest, daß sowohl der hochselige Kaiser Wilhelm als auch der hochselige Kaiser Friedrich die Gründung von Fideikommissen gewünscht und begünstigt hätten. Man habe gehört, daß es sich hier um eine Regierungsakte des Kaisers Friedrich ohne Zuthun des Hrn. von Lucius handele. Aus der allereigensten Initiative des Kaisers Friedrich sei der Freiherrntitel verliehen worden. Durch eine Kritik dieser Handlung werde das Pietätsgefühl des Volkes gerade gegenüber diesem hochherzigen Fürsten, der im besten Sinne des Worts ein Liebling des Volks gewesen sei, in besenderer Weise verletzt. (Bravo rechts) Es würde der Würde des hohen Hauses entsprechen, wenn heute eine Handlung dieses hochherzigen Fürsten, die seinem eigenen Herzensbedürfniß entsprochen habe, hier einer Kritik nicht unterzogen würde. Er bitte deshalb, den Antrag Richter einfach abzu— lehnen. (Beifall rechts)
Abg. Francke (Tondern): Ein Blick auf die Vorgeschichte der Fideikommißgründungen zeige, daß das Allgemeine Landrecht eine solche Institution nicht kenne; denn einmal habe sich die Landwirth— schaft zur Zeit der Entstehung des Allgemeinen Landrechts sehr in Blüthe befunden und dann hätten damals überhaupt alle Ritter— güter in Händen von Adligen sich befinden müssen. Man habe also damals überhaupt keine Fideikommisse gebraucht. Die Stein Hardenberg'sche Gesetzgebung von 1806— 1813 habe nun das Vorrecht des Adels, allein Rittergüter zu besitzen beseitigt. Nach den beiden Kriegen mit Frankreich, während welcher der Adel in einer beispiellos hochberzigen Weise die größten Opfer gebracht habe, sei aber eine große Zahl von Rittergütern den Adligen verloren gegangen, und
ürst Bismarck habe selbst einmal geäußert, daß die damalige
esetzzebung es nicht hätte zulassen sollen, daß ein sehr großer Theil der Rittergüter subbastirt werde. Nicht bloß die freiwilligen Opfer und das Kriegselend, sondern auch die Lage der Landwirthschaft, die vielleicht von 1815 bis 1835 die schlechtesten Jahre überhaupt gehabt habe, hätten es verursacht, daß eine große Reihe alter Familien ihren Grundbesitz verloren hätten. Nun hätten aber damals auf dem Grundbesitz noch eine ganze Reihe von Pflichten, Gerichts und Polizeihoheiten. Unterhaltungspflichten für Gemeinde und Schule gelegen. Die Persönlichkeiten, die an die Stelle des alten Adels getreten seien, reich gewordene Schäfer und Händler, hätten solche so⸗ ziale und rechtliche Verpflichtungen in keiner Weise erfüllen können, und es habe sich in höheren Staatskreisen die Ueberzeugung Bahn ge⸗ brochen, daß außerordentliche Mittel ergriffen werden müßten, um dem gänzlichen Verschwinden der Rittergüter aus den Händen des Adels vorzubeugen. Man babe die Hülfe in der Gründung von Fidei⸗ kommissen erblickt. Soweit irgendwie in der Höhe des Stempels ein Hinderniß für die Gründung von Fideikommissen gelegen habe, sei ohne Weiteres eine Ermäßigung oder ein Erlaß der Stempel gebühren eingetreten. Es sei das ganz allgemein und ohne daß Je— mand Anstoß daran genommen habe, gescheben. Das Jahr 1848 allerdings habe dann die Fideikommisse überhaupt verworfen, aber bereits 1852 seien durch eine Verfassungsänderung die Fideikommisse wieder zugelassen worden. Die Gründung des Herrenhäauses beruhe wesentlich auf der Vermählung des konstitutionellen und, des stän⸗ dischen Prinzips. Das ständische Prinzip habe aber der Grundhesitz repräsentirt, der alte befestigte Grundbesitz, von dem sich alsbald berausgestellt habe, daß er in vielen Kreisen gar nicht in binlänglichem Maße vorhanden sei. Deshalb habe ein Antrag Stahl, von Plößz und Genossen durch die weitere Bildung und Förderung von gib kommissen diesen wiederschaffen wollen. Das Herrenhaus habe diesen Antrag, in dem eine Herabsetzung des Stempels von 3 auf Lé0, gefordert worden sei, auch angenommen. Im Abgeordnetenbaus sei dieser An= trag an die vereinigte Justiz⸗ und Agrarkommission verwiesen worden, die unter dem Vorsitz des Kammergerichts-⸗Präsidenten von Büchtemann jenen Antrag zwar nicht angenommen habe, weil in der ietzten Zeit die Staatsregierung schon mehrfach im Wege der Ver— ordnung den Stempel ermäßigt habe, aber einen anderen Antrag, der befagt habe, daß der Fideikommißstempel überhaupt ermäßigt werden solle. Im Plenum sei dieser Antrag nicht mehr zur Ver handlung gelangt. Seitdem aber sei von der Regierung festgehalten worden, zer Forderung der Fideikommißbildung den Stempel zu er— mäßigen, und diefe Praxis sei immer von beiden Häusern des Land- tages nicht gerade direkt gebilligt worden, wohl aber stillschweigend anerkannt worden. In rechtlicher Beziehung nun stelle sich die Er⸗ mäßigung oder der Erlaß eines Stempels nur als ein vermögens— rechtlicher Akt dar. Schulderlasse kämen in jedem Privatvermögen vor, und daß auch der Staat Steuern, Zölle, Stempelsteuern erlasse, erlebe man in der Petitionskommission dutzendmal. Es würden da immerfort Anträge auf Nachlaß von öffentlichen Abgaben gestellt, und es würde grausame Fiskalität sein, wenn der Staat oft nicht darauf eingehen wollte. Es seien das auch nur Akte der Vermögens verwaltung, nicht Gnadenakte, denn diese bezögen sich nur auf Strafen. Jede Kommunalverwaltung vollziehe alljährlich Schulderlasse, die schon deshalb nur als gewöhnliche civilrechtliche Erlasse zu bezeichnen seien. Erst Friedrich Wilhelm I. habe es aus⸗ gesprochen, daß die Staatsbehörden sich strikte nach dem Gesetz richten sollten, daß er aber selbst als guter Hausvater be—⸗ urtheilen wolle, in welchem Falle ein Erlaß angezeigt sei. Trotz, dem bleibe ein solcher Erlaß von öffentlichen Abgaben immer noch bloß ein vermögensrechtlicher Akt. Hier könne man auch eine solche Thatsache nur zum Gegenstand einer Erörterung machen. Seine (Rednerg) politischen Freunde seien keine Freunde von Fideikommissen, sie wollten deshalb auch nicht ibre Beförderung durch Stempelerlasse, und wünschten, daß die Staatsregierung ihre bisherige Praxis nicht welter autdehne. Aber die gegenwärtige Regierung treffe, kein Vorwurf, denn sie habe auf Grand einer siebzigjährigen Praxis ge⸗ handelt und auf Grund eines vermeinten Rechtes, nicht aber mala side. Die bestehende Gesetzgebung ermögliche es nicht, die Rechnungen über die Vermögens verwaltung im Einzelnen zu prüfen, In einer ganzen Reibe von Fällen habe die Regierung Tie Konzession gemacht, die Akten sämmtlich vorzulegen in Fällen, wo Steuer, oder Stempel⸗ erlaffe vorgelegen hätten. Man habe bei der Gelegenheit oft bemerkt, daß die Regierung noch zu fiskalisch gehandelt habe. Seine Freunde wünschten aber, daß derartige Fälle alljã hrlich dem Hause ohne Weiteres mitgetheilt würden. Eine allgemeine Regelung der Frage könne nur ein Komptabilitätsgesetz herbeiführen. Hier mäß die, Frage entschieden werden, ob die Krone ohne jede Kenntniß und Mitwirkung des Landtages Schuldenerlasse vornehmen könne. Solche Erlasse müßten im Einzelnen mitgetheilt werden und erst dann könne das Haus Decharge ertheilen. Darin liege durchaus nicht ein frivoler Eingriff in die Rechte der Krone, fondern etwas, was unseren Finanz- verhältnissen nur förderlich sein könne. 4. en, nn.
Abg. von Rauchhaupt: Bei der gegenwärtigen wirthschaft lichen und sozialen Lage des Grundbesitzes sei die Bildung von Fidei⸗ kommissen die einzige Möglichkeit, einen unabhängigen unverschuldeten Grundbesitz zu erhalten. Der Abg. Richter ignorire mit seinem Vorgehen gegen Fideikommisse auch vollständig die bisherige Gesetz= gebung über dieselben. Im Reichstage habe sein Urtheil ganz anders gelautet, indem er dem alten, vererbten Grundbesitz seine volle Hoch⸗ achtung ausgesprochen habe. Nur solche Besitzer, mit altem be festigten Besitz, seien in der Lage, großen Kalamitäten, wie sie unvermuthet hereinbrechen könnten, entgegenzutreten. Deshalb sei er ein Freund des Fideikommisfes und wolle an dem Rechte der Krone. den Fideikommißsteipel zu erlassen, nichts ändern. Der Nr. 1 des Antrages hätte seine Partei vielleicht zustimmen können, aber dieselbe sei mit den beiden anderen Nummern so verflochten, daß sie den gesammten Antrag ablehnen müsse. Der Antrag enthalte eine Kritik über Akte der Krone, die sie nicht mitmachen wolle. Wenn der Abg. Francke meine, daß eine jährliche Mittheilung über Stempel erlafse zu einer völligen Klärung der Dinge fübren werde, so könne er dem nicht zustimmen. Nicht Jeder übe eine so vorurtheilslose Kritik wie der Abg. Francke. Sehe man aber den Antrag Richter an und die Behandlung, die die ganze Angelegenheit bereits in der Presse gefunden habe, so fürchte er, daß jLene Mittheilung nur zu agitato⸗ rischen Zwecken ausgebeutet worden sei. Seine Partei wolle nicht, daß einzelne Gnadenakte oder vermögensrechtliche Akte der Krone der Kritik des Hauses unterzogen würden. Was sei nun der Erfolg der heutigen Diskussion gewesen? Das Haus habe allerdings erfabren, was viele auch schon von vornherein gewußt hätten, daß der be⸗ bauptete unmoralische Mißbrauch des Kronrechts nicht stattgefunden babe; daß im Uebrigen ein Vortheil für die Krone aus dieser Dis kussion entstanden sei, glaube er nicht. Er bitte deshalb, den Antrag Richter in allen drei Theilen abzulehnen.
Abg. Dr. Windthorst: Er und seine Freunde könnten die Bildung von Fideikommissen durchaus nicht tadeln. Wirthschaftlich und politisch sei in einem monarchisch-konstitutionellen Stagte die Bildung von Fideikommissen nur erwünscht, damit jeder Zeit Männer da seien, die die öffentlichen Interessen wahrnebmen könnten in aller Unabhängigkeit, ohne Rücksicht nach oben und nach unten. (Beifall rechts) Daß man also für die Gründung von Fideikommissen be sondere Erschwerungen, wie z. B. durch die seines Ermessens über⸗ mäßige Stempelsteuer, herbeiführe, halte er nicht für korrekt. (Beifall rechts) Wenn man die Fideikommisse für heilsam halte, dürfe man ihre Gründung nicht mehr erschweren als andere Geschäfte, die gleichfalls mit einem Stempel belastet seien. Er weiche von dem Abg. von Rauchhaupt insofern ab, als er meine, daß die Erörterung der Angelegenheit hier im Plenum absolut geboten gewesen sei, um dadurch die Nebel zu zerstreuen, die sich außerhalb des Hauses zu⸗ sammengezogen hätten. Im andern Fall hätte die Erörterung in einer Weise fortgesetzt werden können, die meist nach theiliger wirke als irgend ein Wort, das hier vielleicht unbedacht gesprochen worden sei. In der heutigen Zeit müsse sich jede öoffent⸗ liche Autorität die Diskussion gefallen lassen, sie könne dadurch nur gewinnen. Er setze immer voraus, daß die öffentliche Autorität nach Recht und Gewissen handle, und wenn dieses in irgend einem Fall bezweifelt werde, müsse Gelegenheit geboten werden, solche Zweifel zu zerstreuen. In England würden schon seit geraumer Zeit der⸗ artige Verhältnisse öffentlich verhandelt, und darin liege die Gesund⸗ heit der dortigen öffentlichen Verhältnisse. Der blanke Schild der Autorität müsse jederzeit dem Volke voranleuchten; und das könne nur eine öffentliche Verhandlung ermöglichen. Es sei also durchaus nützlich gewesen, die Angelegenheit hier zur Sprache zu bringen. Nur eine gewisse Einseitigkeit sehe er in der Diskussion. Es könne scheinen, als ob man die Frage mit Rücksicht auf irgend eine einzige Persönlichkeit verhandele. Wolle man das, so müßten zu einem begründeten Urtheil die Akten vorgelegt werden. Er be⸗ trachte die Frage generell, und dafür genüge es ihm, daß in einer ganzen Reihe von Fällen der Fideikommißstempel erlassen oder ermäßigt worden sei. Das sei auch in dem vorliegenden Falle geschehen. Es möge immerhin etwas Piquantes haben, wenn man Erörterungen vorliegender Art an die Person eines Ministers knüpfe. (Sehr gut! rechts) Das möge aber auch für die Minister eine Mahnung sein, sehr voisichtig nach allen Rich⸗ tungen hin zu handeln; denn es werde ihnen noch genug Unbegründetes an den Rock gehängt. (Heiterkeit) Er sei dem Andenken des Mannes, der hier besonders hervorgehoben worden sei, und der sein politischer Gegner gewesen sei, die Rechtfertigung schuldig, daß er hier gehan—⸗ delt habe, wie die Anderen, und daß er behandelt werden müsse, wie die Anderen. Er theile aber den Wunsch, daß ein solcher Erlaß in Zukunft nicht mehr stattfinde. Man müsse aber die Stempelgebühren anders reguliren, und zwar ermäßigen. Es sei auch dringend wünschenswerth, die hier in Frage befindliche gesetzliche Befugniß näher zu regeln und sie mit den konstitutionellen Anschauungen in einen Einklang zu bringen, was sie jetzt nicht zu sein scheine. Ein Gnadenrecht des Herrschers komme hier nicht in Frage, denn dieses sei ein unbeschränktes, unantastbares. Ueber die vermögensrechtlichen Akte der Krone aber sei die Vorlegung eines Gesetzes durch die heutige Diskussion recht nahegelegt. Ein solches Gesetz liege ebenso im Interesse der Krone, wie in dem der Stände, d. h. der beiden Häuser des Landtages. Tie Staatsregierung werde weit weniger in die Lage kommen, sich über Nachlaässe entscheiden zu müssen, wenn die Nachsuchenden von vornherein wüßten, woran sie seien. Er schließe sich auch der Anregung des Abg. Francke an, daß dem Hause Mittheilungen über jeden Erlaß gemacht würden, der vielleicht in jedem Falle durch den Staats ⸗Anzeiger“ bekannt gemacht werden könnte. Wenn man im Sonnenschein exereire, exer cire man richtig.
Abg. Francke beantragt nunmehr, die Königliche Staats— regierung aufzufordern: I) von der bisherigen Praxis der Begünstigung der Bildung von Fideikommissen durch Erlaß von Stempelgebühren thunlichst Ab⸗ stand zu nehmen, 2) dem Landtage baldmöglichst den Entwurf eines Komptabilitaätsgesetzes vor⸗ zulegen.
Der Antrag wird unterstützt von den Nationalliberalen, ——— . ꝛ . . ; Freisinnigen, einem Theil des Centrums und einigen Frei⸗ konservativen.
Die Diskussion wird geschlossen.
Das Schlußwort erhält Abg. Richter: Ein Vorredner habe das Vorgehen seiner Partei in diesem Falle verglichen mit ihrem Vorgehen in der Landgemeinde ordnung und behauptet, daß sie dort die Rechte der Krone vertreten
habe, und hier nicht. Die Hohenzollern hätten sich immer als erste Diener des Staates betrachtet, und seine Partei werde, auch wenn die Krone neue Rechte vom Landtage verlange, dieselben gewähren, wenn die Garantie dafür vorhanden sei, daß die Ausübung der Kron⸗ rechte Vortheile für den Staat schaffe. Was die Bildung von Fideikommissen betreffe, so habe der Abg. von Rauchhaupt darauf hingewiesen, daß er (Redner) selbst im Reichstage gesagt habe: Alle Achtung vor Geschlechtern, die auf ererbtem Besitz sitzen und wirth⸗ schaftlich auch noch voranleuchten in Bezug auf den Betrieb der Land—⸗ wirthschaft. Ganz recht; der Abg. von Rauchhaupt habe ihm aber noch das Wörtchen eingeflochten: alle Achtung vor Geschlechtern, die auf befestig tem Besitz äßen. Nein, die künstliche Befestigung wolle er gerade nicht. Wer in der That heruntergekommen sei und wer bei gleichem Recht sich nicht mehr aufrecht erhalten könne, der solle nicht künstlich durch die Einführung von Fideikommissen in seinem Besitz geschützt werden. Er bestreite, daß die Landwirthschaft zukünftig nicht anders als durch die Form der Fideikommisse sicher gestellt werden könne, und daß diese vor Verschuldung schützten. Was Gneist in Bezug auf England gefagt habe, die Fideikommisse bewirkten die Verschwendungserklaärung, sie erzeugten ein standesmäßiges Schuldenwesen und sie erzögen ein Geschlecht, welches ernste Dinge frivol und frivole Dinge ernst nebme, gelte zum Theil auch von Deutschland. Mit großem Geschick habe der Minifter die formelle und konstitutionelle Seite der Frage
behandelt, se weniger er Thatsachen zur Entscheidung des einzelnen Falles
vorzubringen im Stande gewesen sei; die Theorie, daß die Ver⸗ fassung gewissermaßen eine Novelle darstelle zu einem ungeschriebenen Verfassungsrecht in Preaßen, sei ja nicht neu. Sie sei in den fünfziger Jabren von den Konservativen hier stets behauptet worden, sie habe aber stets Widerspruch gefunden. Wenn die Verfassung sich nur als eine Novelle darstelle zu einem sonstigen Verfassungsrechte, wie komme es denn, daß die Rechte des Königs so aus⸗ drücklich und einzeln aufgezählt würden, wie komme es, daß das Verfassungsrecht sich gerade über das Begnadigungs recht ganz besonders äußere? Daraus folge, daß eine Begnadigung, die nicht in der Verfassung selbst umschrieben sei, auch nicht zu Recht bestehe. Die Verfassung sage, die Gesetzgebung werde gemein⸗ schaftlich ausgeübt vom Monarchen und vom Landtage. Dieses Dis—⸗ pensationsrecht durchbreche die Verfassung. Der Finanz! Minister habe sich auf Staatsrechtslehrer berufen. Er (Redner) könne ihm eine ebensolche Reihe von Staatsrechtslehrern entgegenstellen, die aus der einfachen Thatsache, daß die Gesetzgebung gemeinschaftlich mit dem Landtage zu üben sei, die Unzulassigkeit einer Dispensation ber leiteten; von Rönne sage, da die preußische Verfassungsurkunde keine ausdrücklichen Bestimmungen enthalte, durch welche dem Könige ein von ihm beliebig auszuübendes Dispensationsrecht übertragen werde, so müsse angenommen werden, daß ihm dieses Recht nur in so weit zustehe, als das konstitistionelle Staatsrecht es überhaupt gestatte, nämlich so weit ihm die Ermächtigung auedrücklich beigelegt sei. Genau diesen Standpunkt verträten Hermann Schulze, Ernst Meyer, von Gerber u. A. Die vom Minister angeführten einzelnen Fälle seien ihm (Redner) wohlbekannt. Ober ⸗Tribunal und Kammer⸗ gericht hätten Bestimmungen der Verfassung — er erinnere⸗ nur an die Bestimmung in Bezug auf die freie Meinungs äußerung — so ausgelegt, daß sie das Gegentheil von dem bedeuteten, was die Verfassung enthalte. Es sei die Rede gewesen von der 1858 er Kommission. Das sei die Blüthe⸗ zeit der sogenannten Landrathskammer gewesen. Liberale seien grund⸗ sätzlich nicht in solche Kommissionen geschickt worden; kein Wunder, daß man zu solchen Schlußfolgerungen gekommen sei. Einzelne Akte in der Gesetzsammlung für die Verleihung von Stempelfreiheit erklärten sich aus früheren Gesetzen. Es seien nur Bankprivilegien erneuert worden, die früher schon bestanden hätten. Die Lasker sche Aeußerung vom Jahre 1872 sei ihm wohl bekannt gewesen. Lasker babe damals nur den Zweck gehabt, klarzustellen, dan der Erlaß des Ober ⸗Rechnungskammer⸗Gesetzes an den materiellen Rechten keinerlei Veränderungen mit sich bringe und bloß formell den Zweck habe, die Kontrole über die Ausübung der Rechte zu erleichtern. Er habe sich ausdrücklich auf das ausgebildete Verfassungsrecht bezogen: ‚und wie sonst das Verfassungsrecht sich ausgebildet babe. Das Amnestie⸗ recht der Krone sei von ihm in keiner Weise bestritten worden. Es sei unrichtig, daß eine große Verwaltung obne ein solches Dispensations⸗ recht nickt auskommen könne. Das Reich kenne ein solches Digpen sations recht in Bezug auf Steuern überhaupt nicht. 1874, als es sich um den Erlaß eines Komptabilitätsgesetzes gehandelt habe, habe er in der Kommission beantragt, daß Steuern nur soweit erlassen oder zurück⸗ erstattet werden sollten, als eine Ermächtigung hierzu durch Gesetz oder den Staatshaushalt gegeben sei. Der jetzige Finanz- Minister habe damals diesem Antrage zugestimmt, und man habe anerkangt, daß im Wesent⸗ lichen dieser Vorschlag bestebendes Reichsrecht darstelle. Was nun den thatsächlichen Fall betreffe, so habe sich der Abg Schumacher auf den verstorbenen Kaiser Friedrich bezogen und gemeint, man müsse aus Gefühlsrücksichten eine Kritik seiner Regierungsmaßnahmen unter lcßsen. Er glaubte, daß diese zarte Rücksicht überhaupt geboten haben würde, den Kaiser Friedrich für diese Maßnahmen nicht zu
eitiren. Es sei gesagt worden, die Verleihung des Freiherrntitels sei auf seine Initigtive zurückzuführen. Formell sei unzweifelhaft richtig, daß diese Jüitigtive in dieser Weise entstanden sei, aber er wisse aus anderen Quellen, welche Initiativen zu dergleichen Ver— leihungen thatsächlich den Anlaß gegeben hätten. Aber in dieses Internum wolle er nicht weiter eindringen. Der Abg., Schumacher sei soweit gegangen, diesen Stempelerlaß als einen Regierungsakt des Kaisers Friedrich zu bezeichnen, ibn in seine Regierungszeit zu verlegen. Das sei durchaus nicht der Fall. Wie der Minister selbst erklärt habe, sei nachher die Initiative von dem Freiherrn von Lucius in Bezug auf den Stempelerlaß ergriffen worden zu einer Zeit, die hinter der Regierungszeit des Kaisers Friedrich liege, und nicht der Kaiser Friedrich habe diesen Stempelerlaß vollzogen. Er würde es für richtiger gehalten haben, daß gerade in einem solchen Falle die Minifter voll und ganz die Krone mit ihrer Verantwortlichkeit deckten, anstatt sich noch dazu auf verstorbene Fürsten zu beziehen. (Zustimmung links; Der Minister habe gesagt, naturgemäß“ wäre aus der taxfreien Verleihung des Freiherrntitels auch eine Gewährung des Gesuches der Stempelfreiheit erfolgt. Er (Redner) bestreite, daß dies naturgemäß sei. Die taxfreie Verleihung sei ein Internum des Heroldsamtes. Da handele es sich um minimale Beträge, hier um das Staatsinteresse. Der Minister habe allerdings nicht abgelehnt, über diese thatsächlichen Umstände Rede zu stehen. Er (Redner) habe dies auch nicht anders von ibm erwartet. Er habe nicht geglaubt, daß er die konservative Anschauung in dieser Frage theile. Der Minister habe gemeint, er könne doch nicht alle Akten mittheilen; seine Partei verlange nur soweit Mittheilungen, um an der Hand derselben die Verwaltungspraxis, die Maxime der Verwaltung klar erkennen zu können. Der Abg. Windthorst mache seiner (des Redners5 Partei geradeju den Vorwurf, daß sie sich auf den einen Fall steife. Sie führe diesen einzelnen Fall nur an, weil er von prinzipieller Bedeutung sei. Der Abg. Windthorst habe gemeint, die Debatte habe gewisse Nebel in der Sache zerstreut. Nein, der Fall, um den es sich hier handele, erscheine jetzt genau in derselben Unklarheit wie vorher, richtig geftellt sei nur der Umstand, daß es sich nicht um eine größere Summe, sondern nur um 30 000 4 handele. Das Charakteristische sei für den Fall ein Steuererlaß an einen notorisch reichen Mann zur Erleichterung einer Rechtsbildung, die im Widerspruch steße mit dem gemeinen Recht, aus Anlaß einer Titel verleihung an einen aktiven Miniser. Der Minister habe gesagt, es habe über diesen Fall ein Ministerrath überhaupt nicht berathen. Er (Redner) habe nur be—⸗ bauptet, den Ausschlag habe zuletzt gegeben die Meinung des Mmister ⸗ Präsidenten. Fürst Bismarck sei angegangen warden, nicht in Berlin, sondern schriftlich in Friedricsruh, weil die Minister selbst über die Sache zweifelhaft gewesen seien, und er bahe zu Gunsten dieses Grlaffes den Äusfchlag gegeben. Der Finanz - Minister selbst habe den Fall, der vor seiner Amtsführung liege, nicht kritisiirt, aber auch nicht gerade gelobt, sondern er habe die Beurtheilung des⸗ selben dem subjektiven Empfinden überlassen. Es seien nun An— träge theils gestellt, theils angekündigt worden. Seine Partei werde für den nationalliberalen Antrag stimmen, weil er sich in ihrer Richtung bewege. Der Abg. Windthorst babe gesagt, er würde für Kom⸗ mifstonsberathung sein, wenn er nicht meinte, daß die ausschlag⸗ gebenden Parteien der Kommissionsberathung nicht zustimmten. Warum fei der Abg. Windthorst so schüchtern? Er selbst sei ja ausschlag⸗ gebend in diefer Frage! Was er wolle, werde hier beschlossen, und was er nicht wolle, werde nicht beschlossen. (Große Heiterkeit.) Das Centrum, seine (des Redners) Partei und die Nationalliberalen bildeten gegen die Konservativen die Mehrheit. Wenn aber heute gewissermaßen über diese Frage ganz einfach zur Tagesordnung übergegangen werde, so treffe die Verantwortlichkeit allein den Abg. Windthorst, der im Stande sei, dies zu verhindern. Das Haus möge die Frage nicht leicht nehmen! Manche Kreise des Volkes hätten für manche politischen Fragen kein Ver—⸗ ständniß, diesen Fall verstehe der einfachste Mann im Lande. Gehe das Haus zur Tagesordnung über und beschließe nicht einmal die Kommissionsberathung, so werde man an diesem Punkt zu würdigen wissen die Stellung Der⸗ jenigen, die einen solchen Antrag stellten. Wolle das Haus in wirksamer Weise die schweren Angriffe auf Staats. und Gesellschaftsordnung zurückweisen, so müsse es Alles aus schließen, was die Meinung hervorbringen könne, als ob eine solche Handhabung der Steuergesetze ein integrirender Bestandtheil der
geltenden Gesellschafts und Staatsordnung sei. Es habe alle Ursache