1891 / 23 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 26 Jan 1891 18:00:01 GMT) scan diff

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Arkeitern doch nicht die Ueberzeugung nimmt, daß Recht und Ge⸗ rechtigkeit bei der Entscheidung ihrer Streitigkeiten zur Geltung kemmen. Ich kann in diesem Augenblick, und das wäre auch über flüssig, über die Gestaltung des Verfahrens nichts sagen; daß aber für jede Reform auf diesem Gebiete der Grundsatz leitend sein muß, eine sachgemäße, dem Gesetz entsprechende Beurtheilung der zu entscheidenden Streitigkeiten sicher zu stellen, darüber kann kein Zweifel sein.

Abg. Singer ist erfreut, daß der Abg. Roesicke so entschieden einer Abänderung des Rekursverfahrens widersprochen habe. In Arbeitertreisen herrsche die Meinung, das Reichs. Versicherung amt sei eigentlich das Einzige, was in dem ganzen Unfall versicherun ge Gesetze ü Arbeiter einigermaßen zufriedenstelle. Man solle sich hüten, die endgültige Entscheidung, der Beschwerden der Arbeiter in Kreise zu legen, die nicht die gleiche Gewähr der Unparteilichkeit böten. Die auffah ende Beforgnißß für die Grleichterung und Entlastun des Reichs Versicherungs amtes habe einen sehr, unangenehmen Beigeschmack. Teider feien die Entscheidungen des Reichs Versich rung amtes in den letzten Jahren für die Arbeiter bezüglich des Rentenbezugs immer ungünstiger geworden. In weiten Kreisen der Bevölkerung dermuthe man hier einen Bruck der Großindustrie und eine recht deutliche Wirkung besfelben. Die Verwaltungskosten müßten möglichst niedrig gehalten werden, damit nicht die für die Arbeiter bestimmten Beträge alljusehr verkürzt und die Tarife der Entschädigungen nicht noch barbarischer herunter gedrückt würden. Die Entschãdigungstarise seien vielfach schon ganz unmenschlich niedrig. So zahle, man jetzt nach fest ge⸗ wordenen Sätzen für den Verlust eines Fingers nur 5oso, für den Arm nur 25 9 der ganzen Rente. Den Wunsch nach Vermehrung der frech nifcken Beamten könne seine Partei nur theilen. Unter Bezugnahme auf den betreffenden Antrag der Soꝛʒialdemokraten frage er an, wie weit die Rovelle zum Unfallgesetze gediehen sei. Es sei hohe Ziit, por Allem die Lücke auszufüllen, welche durch die dreizehnwöchige Karenzzeit für alle diejenigen. Verletzten herbeigeführt werde deren Heilung vor Ablauf. der dreizehnten Woche erfolge. Es gehe nicht an, auf eine umfassende Revision zu warten, die Frage der Ab⸗ schaffung der Karenzzeit müsse durch eine Novelle vorweg zur Er⸗ ledigung gelangen.

Staatssekretär Dr. von Boetticher:

Ueber die Stellung der verbündeten Regierung zu der Frage, welcke der Herr Vorredner berührt hat, kann ich nichts sagen, denn die verbündeten Regierungen haben sich mit dieser Frage noch nicht beschäftigt, sie werden sich auch erst dann mit ihr beschäftigen, wenn Seitens der Reichsregierung eine Vorlage an den Bundesrath gelangen wird. Die Absicht, eine Vorlage äber die Korrektur der Unfall versicherungsgesetze dem Bundesrath zugeben zu lassen, besteht nach wie vor, und die Vorlage würde auch jetzt schon in einem weiteren Stadium sich befinden, wenn nicht eben das vergangene Jahr mit der Durchführung der Invaliditäts- und Altersversicherung und mit ver⸗ schiedenen anderen gesetzgeberischen Arbeiten, deren Erfolg Sie ja vor sich haben, ganz besonders stark in Anspruch genommen gewesen ware. Dazu kommt, daß wir allerdings die Meinung haben, es sei besser, wenn man eine Korrektur des Unfallgesetzes vornimmt, die Unfall versicherung auf die noch rückständigen, aber doch nach dem Maße ihrer Interessen in die Unfallversicherung einzuschließenden Kreise gleichzeitig auszudebnen. Die Vorarbeiten sind im Gange; einen bestimmten Zeimunkt, bis zu welchem eine fertige Gesetzesvorlage dem Bundes rath und dem Reichstage zugehen kann, bezeichne ich grundsätzlich nicht mehr, weil, wie ich schon einmal gesagt habe, auch die Gesetze ihre Schickifale haben, und ich nicht Herr darüber bin, daß ein Zeitpunkt, den ich etwa in Aussicht stellen könnte, auch wirklich innegehalten wird. Mein Interesse für diese Sache ist nach wie vor ein sehr lebbaftes; sie wird gekördert werden nach Maßgabe der Möglichkeit.

Wenn übrigens der Herr Vorredner gemeint hat, daß der Herr Kommissarius des Reickkamts des Innern in der Kommission von dem Abschluß von Erbebungen gesprochen habe, so nehme ich an, daß das auf einem Mißverständniß beruht. Solche Erhebungen sind Be— hbufs Fertigstellung dieses Gesetzentwurfs nicht im Gange. Der Herr Kommissar wird aber wahrscheinlich von „Erwägungen“ über die Ge— staltung des Gesetzes gesptochen haken, und diese sind allerdings noch nicht zum Abschluß gekommen.

Abg. Osann befürwortet folgenden Antrag: Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, in Erwägung zu ziehen, inwieweit und wodurch eine größere Beschleunigung in der Erledigung der Rekurs. angelegenbeiten im Gebiete der Unfallversicherungsgesetze sowohl bei Schiedegerichkten, als dem Reicks⸗Versicherungs amt berbeigeführt werden könne. Die große Zahl der nach dem Abg. Roesicke uner⸗ ledigten Rekurse machten diese Erwägung den Regierungen dorpelt zur Pflickt. Entweder müsse das Verfahren vereinfacht oder die Sache dem überlasteten Reicks⸗Versicherungsamt abgenommen werden;

ber verlangten auf Grund des Gesetzes mit Recht

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nicht geiban. Die Verzögerung Reiche BVersicher ang amt, sondern auch bei den Schiedsgerichten und daran, Tas in zielen Fällen die Entscheidung der Vorstände angefochten werden müsfe. Man sollte die erste Entscheidung der Verstände nit Elos auf Geund der Akten treffen, sondern dem Arbeiter Belegen beit geben, seine Sache selbst beim Vorstande zu vertreten oder bertreten zu lasffen. Beim Reichs -Versicherungsamt möchte sich ja pielleickt eine Vermehrung der Senate empfehlen. Dei dieser Gelegenbeit richte er (Redner) neuerdings die Bitte an die Reichs- regierung, dem Reichttage den Bericht des Reichs · Versicherungsamts ieder mitzutheilen und ihn (den Reichstag) nicht bloß auf die ittbeilungen aus dem Reicks⸗Versicherungs amt zu verweisen, in Ter Bericht abgedruckt fei. Aus diesem Bericht ergebe sich

ie ganze Ueberlastung des Amts. Was die Frage der Tech⸗ betreffe, so febe er (Redner) nicht unbedingt ein, daß zu Vor⸗ reer Ter Spruchkollegien immer Juristen gewählt werden müßten; sie mean eine besondere technische Abtheilung, so würde die digkeit, diese mit einem Techniker zu be⸗

er Wunsch einer Novelle zum Unfallgesetz

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ich ihm, was das Gebiet der Gesetzgebung anbetrifft, die volle Frei⸗

heit seiner Entschließungen auch weiter belasse.

Meine Herren, der Herr Vorredner hat über die Stellung, die Auf⸗

gaben und die Geschäftsbehandlung des Reichs . Versicherungdamts so

viel Richtiges und Zutreffendes gesagt, daß ich ihm wirklich dafür ganz

außerordentlich dankbar bin. Wenn er von der Bildung technischer

Abtheilungen gesprochen hat, so gehört das in dasselbe Gebiet, wie

die Frage der Vermehrung der Techniker überhaupt. So weit sich

das Bedürfniß herausstellt, werden wir nicht anstehen, Techniker her⸗

anzuziehen und technische Abtheilungen zu bilden, sofern wir eben zu.

der Ueberzeugung gelangt sind, daß sie ein Bedürfniß sind.

Was die Revision des Unfall versickerungsgesetzes anlangt, so

stehe ich persönlich auch auf dem Standpunkt, daß ich dringende Kor

rekturen möglichst rasch und schnell in der Gesetz gebung vorgenommen

zu sehen wünsche. Allein es ist augenblicklich eine Kombination der

Ausdehnung der Unfall versicherungsgesetzgebung mit denjenigen Kor⸗

rekturen der bestehenden Gesetze, die hier im Hause und außerhalb

desselben angeregt worden sind, in Aussicht genommen. Das bat

auch seinen guten Grund. Wenn wir überhaupt an die Ausdehnung

der Unfallversicherungsgesetzgebung gehen, so wünschen wir doch

natürlich, die Kreise, die wir einbeziehen in die Unfall versicherung,

nun auch gleich mit einem Verfahren und mit einer Organisation zu

bedenken, wie sie eben nach den gemachten Erfahrungen sich als weck

mäßig und als besser erweist wie die gegenwärtige. Damit ist ja natürlich nicht ausgeschlossen, daß gewisse besonders dringende Fragen vorweg erledigt werden können.

Was den Geschäftsbericht des Reichs Versicherungkamts anlangt, so ist er früher dem Hause mitgetheilt. Wir haben Ihnen denselben neuerdings nicht mehr zugehen lassen, da er durch di⸗ Antlichen Mittheilungen des Reichs ˖ Versicherungsamts“ publizirt wird. Da ist dieser Geschäftsbericht für Jedermann, der sich dafür interessirt, zugänglich, und ich habe gemeint, daß es entbehrlich sein würde, diesen Bericht auch noch für die Mitglieder des Reichstages besonders drucken zu lassen. Wenn aber großer Werth darauf gelegt wird, so wird eine solche Mittheilung meinerseits keinem Bedenken unterliegen.

Abg. Dr. von Frege ist erfreut, mit dem Vorredner aus dem Hause in dem Wunsche größerer Dezentralisation übereinstimmen zu können. Vielleicht würden als erste Instanz die Einigungsämter einzufetzen sein. Auch die hohen Verwaltungskosten erklärten sich zum Theil aus der Konstruktion dieler Berufegenossenschaften für zu große Gebiete. Auch seine Partei erkenne an, daß das Reichs Versicherungsamt überlastet sei, und möchte ihrerseits die Vermehrung der Senate nicht ohne Weiteres empfehlen,. .

Abg. Roesicke bleibt dabei stehen, daß zwischen der Stellung der Unfall ⸗Schiedsgerichte und derjenigen der für die Alters.; und Inva⸗ siritäts verficherung eingesetzten Schiedegerichte ein erheblicher Unter⸗ schied bezüglich der Aufsicht durch die von ihm erwähnten Ver— ordnungen statuirt werde. Von den vom Abg. Singer erwähnten Tarifen wisse er nichts; es habe sich höchstens eine gewisse Gewohnheit ßerausgebildet. wie man gleichartige Fälle zu beurtheilen habe, Der Unierschied in den Groß, und Kleinbetrieben, für die Verwaltungs⸗ kosten sei tlatsächlick nicht so groß, wie der Abg. Schrader annehme. Nachdem Abg. Goldschmidt erklärt hat, daß die freisinnige Partei für den Antrag Dsann stimmen werde, bemeckt .

Abg. Singer, daß seiner Ansicht nach die Großindustrie in Rheinland und Westfalen die Entlastung des Reichs. Versicherungs amtz hauptsächlich deswegen betreibe, weil es dasselbe in Verdacht habe, daß es die Interessen der Großindustrie nich! genügend vertrete. Für die Seitens des Abg. Pr. von Frege gemachte Andeutung, daß die Arbeiter so vielfach simulirten, hätte irgend ein Beweis gebracht werden müssen. Die Bringlichkeit der Beseitigung der Karenzzeit sei auch von anderen Parteien erfreulicherweise betont worden, . ö. Abg. Dr. von Frege verwahrt sich dagegen, daß er die Arbeiter im Allgemeinen als Simulanten bezeichnet habe. Abg. Dr. Osann zieht seinen Antrag zurück, da der Zweck, den er mit demselben verfolgt habe, durch die Erklärung des Staatssekre tärs erreicht sei. . Abg. Schwartz verlangt die Auszahlung der Renten an die Berechtigten im Bereiche der S eunfall · Berufsgenossenschaft auch dann, Denn diefelben im Auslande lebten, und wüͤnscht die Fortdauer der Krankenversicherung für Seeleute auch für den vollen Umfang ihres

Aufenthalts am Lande.

Staatssekretär Dr. von Boetticher:

Als das Unfallversicherungsgesetz gemacht wurde, da war es die Absicht, die Regulirung dieser Materie für die Küstenschiffahrt mit der Einbeziehung der Fischerei in die Unfallversicherung zu verbinden. An dieser Absicht wird auch noch jetzt festgehalten, und es sind des— halb die Vorbereitungen für das Gesetz, durch welches die Unfallver⸗ sicherung auf die Fischerei ausgedehnt werden soll, auch auf die An— gebörigen der Küstenschiffabrt erstreckt worden.

Was die Auszahlung der Renten im Ausland anlangt, so unterliegt gerade bei den Seeleuten die Regulirung, die der Herr Vorredner wünscht, ganz außerordentlichen Schwierigkeiten. An sich bin ich nicht da—⸗ gegen, daß man wenigstens die Frage erörtert, ob es thunlich sei, in dieser Beziehung einen weiteren Genuß der Rente im Ausland zu gewähren, als das nach der gegenwärtigen Gesetzgebung geschieht. Allein die Sache stößt bei den ausländischen Seeleuten um deswillen auf erhebliche Bedenken, weil die Ausländer, welche auf deutschen Schiffen gedient haben, über den ganzen Erdball zerstreut sind und weil es an aller Sicherheit für eine Kontrole darüber fehlt, ob die Vorbedingungen für den Rentenbezug auch noch in den entfernten Ländern, in denen sie sich aufhalten, vorhanden sind. Wir sind jetzt in Folge einer Anregung der österreichischen Regierung mit der Erörterung der Frage befaßt, ob nicht wenigstens einzelnen ausländischen Angehörigen, welche Unfalltenten aus deutschen Arbeits verhältnissen zu beziehen haben der Fortbezug im Ausland gestattet werden kann. Und bei Gelegenheit der Prüfung dieser Frage bin ich auch sehr geneigt, der Anregung des Vorredners zu folgen. Aber vorläufig zweifle ich daran, ob es

Lerechtigt. Eine umfassende Revision werde noch sehr lange

warfen lafsen müffen. Das sollte aber nicht abbalten, solche

Aenderungen und Srweiterungen vorzunehmen, welche ohne Schädigung kes Sritems möglich und nothwendig seien, und dabin gehöre die Besestigeng der Karenzeit, die selbst durch die Industrie nicht sehr stark Feffriften werden darfe. Es handele sich dabei gleichzeitig um e Befeitigung der Ungerechtigkeit, daß den Krankenkassen die st fär die große Mehrzahl. der Unfälle aufgebürdet werde. m Purkte der Verwaltungs kosten müfse hervorgehoben werden, 3 die Belastung damit keineswegs bei allen Berufe genossenschaften gelbe fei, die Großindustrieen hätten bekanntlich viel geringere, als . B. die Müller und die Schornsteinfeger. Wolle die Groß⸗ industrie die hohen Kosten tragen, so möge sie es tbun; aber der Yreñe könne detzwegen das Recht, die Sache zu erörtern, nicht abgesprochen werden.

Staatssekretar Dr. von Boetticher: Ich jreue mich ganz außerordentlich, aus den Ausführungen meines vert brten Derrn Vorredners entnehmen zu können, daß aus meinem sonalvpolitischen Gegner ein sozialpolitischer Freund zu werden be—

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möglich sein wird, ausreichende Garantien zu schaffen, damit nicht etwa die Seegenossenschaften dadurch geschädigt werden, daß ein weiterer Bezug der im Inlande erworbenen Rente im Auslande für zulässig gehalten wird. Was endlich die Krankenversicherung der Seeleute anlangt, so

ist um deswillen von der Einbeziehung der Seeleute in die Kranken⸗ versicherung abgesehen, weil durch den 5 48 der Seemannsordnung in dieser Beziehung schon Vorsorge getroffen ist. Dort heißt es: Falls der Schiffsmann nach Antritt des Dienstes erkrankt, so

trägt der Rheder die Kosten der Verpflegung und Heilung: 1) wenn der Schiffsmann wegen der Krankheit oder Ver⸗ wundung die Reise nicht antritt, bis zum Ablauf von drei Monaten seit der Erkrankung oder Verwundung; 2) wenn er die Reise antritt und mit dem Schiff nach einem deutschen Hafen zurückkehrt, bis zum Ablauf von drei Monaten seit der Rückkehr des Schiffs;

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die Rückreise des Schiffs jedoch nicht in einem deutschen Hafen endet, bis zum Ablauf von sechs Monaten seit der Rückkehr des Schiffs;

4) wenn er während der Reise am Lande zurückgelassen werden mußte, bis zam Ablauf von sechs Monaten seit der Weiter reife des Schiffs.

Auch gebührt dem Schiffsmann, Falls er nicht mit dem Schiff nach dem Hafen zurückkehrt, von welchem das Schiff seine Außreise angetreten hat, freie Zurückbeförderung nach diesem Hafen (568. 65, 66), oder nach Wabl des Schiffers eine entsprechende Vergütung.

Die Versor gung der Schiffer ist also nach diesem Gesetz eine aus⸗ giebigere, als wie sie nach ihrer Zuweisung zur Krankenversicherung fein würde, und deshalb ist davon Abstand genommen, die Seeleute in die Krankenversicherung hineinzubeziehen.

Nachdem noch Seitens des Abg. Dr. Windthorst der Tendenz des Antrags Osann zugestimmt worden, schließt die Siskussion und das Kapitel wird bewilligt.

Zur Erwerbung eines Grundstücks behufs Er⸗ richtung eines Gebäudes für das Reichs⸗ ersiche⸗ rungsamt uns zum Beginn der Bauausführung erstèr Rate werden 1900000 6 verlangt. Die Kommission beantragt, die Worte zum Beginn der, Bauaus füh⸗ rung erste Rate“ zu streichen und 400000 MS ab⸗ zufetze n. Diese letztere Summe soll event. in dritter Lesung bewilligt werden, wenn der Superrevisionsanschlag vorliegt.

Staats⸗Minister Dr. von Bvetticher:

Ich kann unter den obwaltenden Umständen nur anheimstellen, dem Beschlusse Ihrer Budgetkommission Ihre Zustimmung zu er— theilen. Es entspricht dem bisher beobachteten Verfahren, daß man Bausummen nicht eher bewilligt, bevor nicht superrevidirte Anschläge vorliegen; dagegen läßt sich nichts erinnern. Was nun die Möglich keit der baldigen Vorlegung der Anschläge für den Bau des Reichs versicherungsamts anlangt, so habe ich nach einer mir gestern zu— gegangenen Nachricht keinen Zweifel darüber, daß es möglich sein wird, den fuperrevidirten Anschlag bis zur dritten Lesung dem hohen Hause zugänglich zu machen, und ich hoffe dann auf nachträgliche geneigte Bewilligung auch derjenigen 400 000 S, die heute voraus sichtlich werden abgelehnt werden.

Der Betrag von 409009 6 wird abgesetzt;

Für die Physikalisch⸗-Technische Reichs anstalt werden 245 313 S, 29 357 M mehr als im Vorjahre, ge— fordert.

Abg. Dr. Witte; Er empfehle seinerseits auf das L-phafteste die Knnahme der Erhöhungen. Die Denkschrift über die bisherige Thätigkeit der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt könne zwar im Tinzelnen nur von Denjenigen richtig verstanden und gewürdigt werden, welche den Angelegenheiten, welche dort behandelt würden, fachlich nahe ständen. Aber auch jeder Andere müsse beim Durch⸗ lesen sich von der Reichhaltigkeit und Vielseitigkeit der dort ge⸗ seisteten Arbeiten überzeugen. Die Arbeiten würden einen wesentlich fördernden Einfluß auf große und sehr interessante Gebiete des gewerblichen Lebens, namentlich auf das der Feinmechanik, ausüben. Wern er der Kämpfe gedenke, die bei Einrichtung der Anstalt namentlich von süddeutscher Seite gegen dieselbe geführt worden seien, dann sei es sehr angenehm zu sehen, daß in dem verhältnihßmãäßig kurzen Zeitraum von drei Jahren alle ausgesprochenen Befürchtungen durch die Thatsachen selbst widerlegt seien und die Abneigung, welche seiner Zeit vorhanden gewesen, so gut wie beseitigt und lebhafte Sympathieen und Anerkennungen der Leistungen ge⸗ rade ihn Süddcutschland an die Stelle getreten sei. Gr. hebe namentlich die interessanten Arbeiten für die Einführung einbcillicher Schrauben hervor. Sie seien nicht nur interesfant und wichtig für die eigene Thätigkeit, sondern auch geeignet, zu einer

internationalen Regelung dieser Frage zu führen. Er lege den verbün

deten Regierungen nahe, dahin zu streben, daß auf diesem großen

wichtigen gewerblichen Gebiete eine internationale Regelung durch=

geführt werde. Für die erste Abtheilung der Anstalt sei seinerzeit ein

eigenes Gebäude ausgeführt worden. Daß man sich für die zweite

Abtheilung mit einem vrovisorischen Raume begnügt habe, sei kein

NRachtheil. Man könne jetzt, besser übersehen, welchen Umfang das⸗

felbe haben müsse. Jetzt sollte allerdings mit der Errichtung dieses

zweiten Gebäudes vorgegangen werden, und er möchte wünschen, daß

es genügende und große Räumlichkeiten erhalte, damit man. nicht nach

kurzer Jeit wieder sich beschrãnkt fühle und eine Einschränkung der

Arbeit nothwendig werde. Die Beamten der Anstalt seien wesentlich

schlechter gestellt, als die gleicher Reichsinstitute, wie z. B. des

Rormal⸗Aichungsamts, des Gesundheitsamts u, s. w. Für zwei Mit⸗

glieder sei allerdings jetzt ein höherer Kehaltssatz eingestellt. Das

BDurchschnittsgehalt bleibe aber imn er noch um 200, das Normal⸗

gehalt um 00 60 hinter dem Gehalt der Beamten anderer An⸗ stalten zurück. Es habe sich die Nothwendigkeit herausgestellt, in größerem Umfange hervorragende und selbstständig arbeitende Leute einzustellen. Deshalb sollten auch entsprechende Gehälter gezahlt weiden. Hoffentlich würden diese Anregungen zu fruchtbringenden Ergebnissen führen.

Der Etat der Physikalisch⸗Technischen Reichsanstalt wird bewilligt. ö n . ö

Zur Errichtung des Reichstagsgebäudes, zehnte Ratk, werden 1700000 6 gefordert.

Abg. Dr. Bürklin: Nach der Denkschrift bestehe die Absicht, wesentliche Reduktionen bei der inneren Einrichtung des Reichstags gebäudes eintreten zu lassen, wegen der Unzulänglichkeit der zur Verfügung stehenden Mittel. In Künstlerkreifen habe dies mit Recht einige Aufregung verursacht, und er würde empfehlen, auf die Mittel' zur Abbülfe zu sehen. Die deutsche Kunst und das Kunstgewerbe habe auf die innere Einrichtung des Reichstags gebäudes große Hoffnungen gesetzt. Sollten diefe Hoffnungen ge— fäuscht werden, so wäre das bei uns in Deutschland um so bedauer⸗ licher, als aus Privatkreisen nur selten große Aufträge ertheilt würden. In ö und Desterreich fei das anders. Aber auch um Tes Reichstagsgebäudes selbst willen sei eine wesentliche Reduktion der inneren Einrichtung bedauerlich. Eine prunkvolle Einrichtung sei freilich abgeschmackt und widerwärtig, aber ein Gebäude wie das Reichstazsgebaude, welches ein Symbol der deut, schen Einheit und Tüchtigkeit sein solle, sollte nicht im Innern mit aufgeklebtem Stuckornament. ausgestattet, werden. Um dieser Grentualttàt vorzußeugen, müßten nöthigenfalls auch noch die erforderlichen Mittel bewilligt werden.

Abg. Pr. Bachem; Eine Ersparniß sei hier doch am unrechten Orte. Zunächst werde eine Er parniß vorgeschlagen bei der kassettirten Eingangshalle. Ursprünglich habe Sandstein dazu verwendet werden sollen. Run rechne man aus, daß die Sache 100 900 billiger sein würde, wenn man Ziegel mauerwerk mit Stuck nähme. Er könne sich, um 100 000 46 zu sparen, nicht dafür erwärmen, gleich die Eingangshalle des Reichstages in einer Weise auszustatten, die sebr unangenehme Betrachtungen herausfordere. Wenn er in ein Gebãude hineintrete, so wolle er sofort von demjenigen Geiste angeweht werden, der in diesem Gebäude wehen solle. (Heiterkeit. Die künstlerische Gestaltung eines solchen Gebäudes müsse in einem harmonischen Verhältnisse stehen zu demjenigen. was man bier wolle. han wollen im Reichstage nicht Alltagsarbeit machen. Man wolle die Arbeiten auch auf gese sgeberischem Stanzpunkte zu künstlerischer

ginnt (Heiterkeit links), wenigftens auf dem Gebiet der Praxis, wobei

3) wenn er die Reise antritt und mit dem Schiff zurückkehrt,

Vollendung bringen. Die Gesetze sollten nicht einem Ornament aus

Ziegelmauerwerk und Stuck gleichen.

Gedanke habe für ihn als deutschen Reichsrags t danke Reichs ragsabgeordneten etwas Be schämendes. Auch in der Verwendung von Stuckmarmor und Stuckans

führungen solle gespart werden. Der letzte Abschnitt der ü di Bauausfbrungen vorgelegten Derr fr fen nl, nun, Erg 6. . Summe don. 2. Millionen Mark als Sicherheitsfonds zurückgestellt sei für Etatsüberschreitungen. Sei es da richtig, daß man schon jetzt an Ersparungen denke? Bei den bildhauerischen Arbeiten könne man vorläufig vielleicht Manches zurückstellen. Wenn in den Nischen der Vorhallen auch beim Einzuge des Reichstages noch Lücken selen könnten dieselben doch später sehr gut mit bildnerischen Werken auz⸗ gefüllt werden. Man werde sich dann sagen, daß erst das Gerippe des Ganzen hergestellt sei, bevor man an eine angemessene innere Ausstattung gegangen sei. In der Denkschrift werde konstatirt, daß die Ersparnisse nothwendig seien, weil die Ausführung des Aeußern erheblich theurer geworden sei, als man gedacht habe. Die ästhetische Wirkung des Ganzen werde auch abhängen von der Veränderung des Kuppelbaucs. Aber daß das Ganze solide und echt von außen her pirken müsse, werde Jedermann zugeben. Wenn man dann in das Innere trete und hier eine ärmere Ausstattung finde, so sei das ein Widerspruch, den er im höchsten Maße für unangebracht bei einem solchen Gebäude halte. Man führe den Bau aus den Mitteln, die seit 1876 bereitlägen. Aus den Taschen der sparen, kemme man deng da auch nicht, aus Steuerzahler sei für den Bau noch kein Groschen verwendet worden, man . und es stehe bis jetzt auch noch nicht fest, daß die Mittel der decken. Wenn aber

Steuerzahler in Angriff genommen werden müßten demnächst eine Forderung an die Steuerzahler heranträte, so glaube er nicht, daß sie dieses unangenehm empfinden würden. Seine Partei wolle nicht mehr ausgeben als nothwendig sei; aber was der Reichstag mache, müsse echt sein. Er möchte deshalb Ler Reichstagskommission zu erwägen geben, wie sich vielleicht die bisherigen Dispositionen noch ändern ließen, damit ein Gebäude hergestellt werde, in dem der Reichstag dauernd wohnen könne. . Staatssekretär Dr. von Boetticher: Der Herr Vorredner hat so beweglich die Vortheile dargestellt, welche die Verwendung echten Materials beim Reichstagsgebäude mit sich bringt, daß ich glaube, er hat mit diesen seinen Worten einigen Ein— druck im Hause hervorgerufen. Und er hat auch Eindruck bei mir hervorgerufen insofern, als ich in der Auffassung, die bei mir über jeden Zweifel erhaben ist, bestärkt worden bin, daß zut Verwendung an einem solchen Gebäude sich nichts mehr empfiehlt als echtes Material. Nun aber, meine Herren, bitte ich Sie, zu erwägen, wie die Dinge sich entwickelt haben. Wir sind jahraus jahrein aufgefordert worden, sparsam zu sein, wir sind ersucht worden, uns innerhalb der uns zur Disposition stehenden Bausumme zu halten, und ich habe es in allen Stadien der Entwickelung des Baues für meine ernste Aufgabe an— gesehen, nach dieser Richtung hin den Wünschen des Reichstages zu entsprechen Jetzt stellt sich heraus, daß die Verwendung echten Materials durchweg nicht möglich ist, wenn man mit der noch zur Disxosition stehenden Bausumme auskommen will; und es ist deshalb an uns die Frage herangetreten, welcher Weg vorzuziehen sei: eine Nachbewilligung beim Bundesrath und beim Reichstag nachzusuchen, oder an denjenigen Stellen, wo es ohne Gefahr möglich erschien, zur Verwendung anderen Materials überzugehen. Diese Frage ist auch innerhalb der Reichs—⸗ tags⸗Baukommission erwogen worden, und ich befinde mich hier im Einklang mit der in der Reichstags-Baukommission ausgesprochenen Ueberzeugung, daß es den Vorzug verdiene, nicht den Baufonds zu überschreiten, keine Nachhewilligungen eintreten zu lassen, sondern an denjenigen Stellen, wo es nach näherer Prüfung für zulässig er— scheint, auch die Verwendung weniger kostspieligen Materials zuzu— lassen. Soll dem Wunsche der beiden Herren Vorredner nachgegeben werden, so mache ich darauf aufmerksam, daß damit nicht altein eine nicht unerhebliche Vermehrung der Bausumme verknüpft sein wird, sondern, was vielleicht in den Kreisen dieses hohen Hauses noch mehr beklagt werden wird, eine sehr beträchtliche Hinausschiebung der Vollendung des Baues. Man sagt mir soeben, daß, wenn man beispielsweise in der großen Halle und in den anderen Eingangs— hallen jetzt noch die Decken aus echtem Material herstellen wolle, das gleichbedeutend sei mit einer Hinausschiebung der Vollendung des Baues um vier Jahre. (Hört! hört! Bewegung.) Nehmen Sie auch nur zwei Jahre (Heiterkeit), so ist das neben der bereits einge— tretenen Verzögerung, welche uns unter den gegenwärtigen Umständen nicht gestattet, vor dem Herbst 1894 in das Gebäude zu ziehen, immerhin ein recht bedenklicher Aufschub.

Ich mache übrigens den Herrn Vorredner darauf aufmerksam, daß, wenn er einen Ausgleich darin sucht, daß die Bildhauerarbeiten in der großen Halle fortbleiben könnten, er sich da in einem Irrthum be— findet. Es handelt sich nicht um Bildwerke, die in die Nischen ge— stellt werden sollen und die etwa später nachgeholt werden könnten diese sind schon so wie so zurückgestellt sondern es handelt sich um Bildhanerarbeiten, die mit der Architektur im Zusammenhang stehen, die nothwendigerweise, wenn man die Halle herstellen will, auch fertiggestellt werden müssen.

Meine Herren, Sie haben die Wahl: Offeriren Sie eine Er— höhung der Baufumme ich glaube schwerlich, daß die verbündeten Regierungen dem widerstreben werden, obwohl ich das nicht weiß und ihnen in dieser Beziehung jede Entschließung vorbehalten muß oder lassen Sie uns in der jetzt beabsichtigten Weise den Bau mit den zur Verfügung stehenden Mitteln durchführen, aber machen Sie uns keinen Vorwurf, daß wir innerhalb der Direktive, die Sie selbst uns gegeben haben, so sparsam gewirthschaftet haben, wie das nun einmal unsere Pflicht war. .

Abg. Dr. von Cuny: Gerade vom finanziellen Standpunkt sei die Verwendung echten Materials zu empfehlen, denn unechtes werde im Laufe der Zeit öfter und in weit höherem Grade der Ausbesserung bedürfen. Vor einer Verzögerung des Baues schrecke er für seine Perfon garnicht zurück, er fühle sich in diesem Hause ehr wohl, und man werde in keinem Reichstagsgebäude so gut i sein, wie in diesem. An Bequemlichkeit werde man eher verlieren als gewinnen. Uebrigens habe die Mittheilung von einer Verzögerung um vier Jahre allgemeines Erstaunen erregt. Um diese Frage, nochmals zu prüfen, beantrage er die Ueberweisung an die Kommission. Einzelne Mit- lieder der Reichstagsbaukommission hätten sich übrigens auch für die Ferwendung echten Materials ausgesprochen.

Staatssekretär Dr. von Boetticher:

Ich habe allerdings wahrgenommen, daß die Herren bei meiner Angabe, daß bei Verwendung echten Materials der Bau um vier Jahre verzögert würde, ein großes Erstaunen geäußert haben. Ich habe mich aber jetzt noch einmal nach den näheren Umständen, welche für die Bearbeitung und Lieferung des Materials entscheidend sind, erkundigt, und muß danach zu meinem Bedauern meine Behauptung aufrecht erhalten. Es handelt sich nämlich um die Verwendung istrischen Kalksteins, und nach den bisherigen Erfahrungen, die wir über den Bezug und

: Wenn er aber in der Ein⸗ angshalle jeden Augenblick denken müsse, daß der Stuck berunter⸗ allen könne, so komme er auf die Jdee, daß die Gesetze, die in diesem Gebäude gemacht würden, ein ähnliches Schicksal haben würden. Dieser

pemcbeigen ist, wie für die Hallen des Gebäudes erforderlich erscheint Der Architekt hat auch für die große Halle istrischen Sandstein

ursprünglich nicht in Aussicht genommen, und Sie werden selber,

wenn Sie die Verwendung echten Materials durchweg wünschen natürlich für diesen wesentlichen Theil des Baues auch die ö echten Materials begehren. Darauf bezog sich meine , , eg, die ich hiermit aufrecht erhalten muß, daß dann nicht die Auasicht besteht, das Reichstagsgebäude früher zu vollenden, als wie 4 Jahre nach dem jetzt festgestellten Termin.

Abg. Dr. Lieber: Vielleicht könne in and z is⸗ 3 , ine es ein anderer Baumeister i ö 43 Aber wenn dem wirklich so sei, was . Jahre bei einem Gebäude, das für Jahrhunderte errich wee, , Man habe fo lange auf die Fertigß . . ; e Fertigstellung gewartet, daß ĩ 5 9 3 22 . w . mar 3. That . ganz beimisch zu fühlen allmahlich . . ine große Anzahl von Kollegen denke schon mit gebeimem' Gruseln an die Uebersiedlung in das neue Gebäude. Seine Parte habe . ö ur par an keit egn aby, aber bier je Sparfa mei m Platze. ieße man den Grundsatz all sn en, . ö 6 in 28 dsatz allgemein gelten: k wohin könnte das führen? In . . n,, des Gebäudes habe eine Ueberschreitung des Vor— anschlages stattgefunden, nun wolle man an der inneren Einrichun

Um

schließlich daßin, das Dach mit cler ü.

(Heiterkeit, Der Reichstag habe übrigens seiner 30 darauf verzichtet, die Zinsen des Reichẽtags. Baufonds u diesem Fons zu schlagen, wenn aber mehr gebraucht werde um ein echtes Reichstagsheim zu schaffen sei es unbedenklich, einen' Theil de d gelaufenen Zinsen zur Ergänzung des Fonds zu verwenden Cern. auch auf das Vorgehen anderer? Völkci bei der Gintichtun far Gebäude und auf den Eindruck hin, welchen es bei . machen würde, wenn das Reich bei seinem Reichs tagsbau! ö 5 sparnisse mache. Wenn man hier immer den Tisch des HDauses anf ö mit den Mappen für Stephanopolis, wenn der Tisch 69 Jahren immer unter den Projekten der neuen Reichs. Pöst, ebaud seufze, und der Staatssekretär des Reichs postamts es bel 6 wenn ihm bei den künstlerischen Ausstattungen derfelben Abstriche an seinen bochfliegenden Bauplänen gemacht würden, fo můssẽ es ö berühren, wenn für das Reichs tagsgebäude zespart erde. ür möchte den Eindruck, den zas bei fremden Besuchern des Reichstags ebã des machen würde, nicht mit verantworten. H

Abg. Dr. Freiherr von Heereman: Er sei Mitglied der Reichs

tagsbaukommission und müsse sagen, wenn er J gemachtem, unechtem Material, von lauter Täuschung und dergleichen höre: von alledem ist garnichts wahr. (Heiterkeit. Alles sei nach den Vorschlãgen des Baumeisters und unter Zugrundelegung der vorhan⸗ denen Mittel Jorgiältig geprüft worden. Bie Kommission habe die Aufgabe gehabt, mit den vorhandenen Mitteln auszukommen, und se sei noch dieser Ansicht. Wenn man sage, das gehe ja hier nicht . den Taschen der Steuerzahler, so sei das Fiktlon. Die Zinfen die zurückgelegt würden, würden doch erspart. Man sei aufgereat hurch Zeitungsberichte, die auf einige unzufriedene Künstler zuruc uführen seien. Die Aenderungen, die vorgenommen seien, feien zunächst nicht wesentlicher Natur, in vielen Fällen sei es sogar praktischer de Marmorbekleidung an den Wänden nicht zu nehmen, weil fie den hiesigen klimatischen Verhältnissen nicht entspreche Die Aenderung 9 den Treppenanlagen sei für die Schönheit des Gebäudes nicht von Bedeutung und dazu praktischer. Istrischer Sandstein sei ein ganz schöner und praktischer Stein. Nun sei aber das Stichwort: ö. ist. Alles unechtes Material. Wenn man das Wort „unecht in den Sinne von Täuschung nehmen wolle, etwa so wie in dem Falle ö man einen Gegenstand darstelle, als sei er aus Marmor, und er sei Papiermachs, so würde er dem Vorredner zustimmen. So liege aber die Sache nicht. Die wesentlichen architektonischen und konstruktiben Theile seien, wie zuerst beabsichtigt, aus festem Stein. Die anderen dazwischen liegenden Theile könne man in richtiger Behandlung in Stnr dar. stellen, ohne der Schönheit und Wahrheit entgegenzutreten. Es komme nur auf vie richtige fünstlerische Behandlung an. In der schönsten Zeit der Renaissance habe man in Italien diefes Material vielfach verwendet, und es gebe Niemand, der von Kunst etwas verstehe und der fenen Schöpfungen nicht den Vorzug gebe vor Ällem, was in dieser Art geleistet sei. Unecht setze voraus unge schickte und unkünftlerische Behandlung, und das solle sie nicht sein. Er sehe also nicht ein warum man nicht auch in Rüdsicht auf die Kosten einzelne Theil? in Lieser billigeren Weise ausführen solle, vorausgesetzt, daß der Ein⸗ druck des Ganzen nicht ein öder und trauriger fei; und Tas Letztere werde nach den gegenwärtigen Plänen nicht der Fall sein Gin Jwir⸗ spalt wi chen dem Inneren und Aeußeren werde sich nicht ergehen Das Innere werde von den Reichstagsmitgliedern nicht getadeli werden, wenn sie es sähen. Eine Aenderung in dem Material werde auch deswegen Bedenken haben, weil schon eine Menge von Ver— biudlich leiten auf Grund der bisherigen Pläne eingegangen seien. Die Verzierungen, die angebracht werden sollten, würden Keinem auf den Kopf, fallen. Heiterkeit.) Man möge dem Bericht beipflichten -

; Abg. Goldichmädt: Es würde der Einheit, Macht und Größe des Deutschen Reichs widersprechen, wenn gerade in den Haupt— räumen des Reichstages geheuchelt werden solle, wenn man statt des echten, edlen Marmors Siuckbekleidung verwendete. Er würde fich ö wenn der Beschluß der Reichstagskommission redressirt 9. 6. von Keudell: Es würde im Lande den schlechtesten . hervorrufen, wenn die geforderte Summe nun noch erhöht Abg. Dr. Lieber: Er wolle sich mit dem Abg. von Heereman an Kunstrerständniß nicht messen, aber er denke, das Beispiel der ita lic nischen Renaissance passe noch lange nicht für den Deutschen Reichstag. Man habe mit dem Stuck in diesem Reichstage sehr traurige Erfahrungen gemacht, und er wisse nicht, ob der Abg von Heereman die Verantwortung übernehmen wolle, daß den Reichstags: mitgliedern nichts auf den Kopf falle. 3 Abg. Freiberr von Manteuffel: So angenehm, wie man sich in diesem Hause gefühlt habe, werde man sich im nch ten Hause gewiß nicht fühlen, und doch sei hier Alles unecht. Habe etwa karunter die Würde des Hauses gelitten? (Beifall rechts]

Abg. Dr., von Cunv: Der Abg. von Heereman versichere, daß für die konstruktiven Theile, des Baueß nur echtes Material berwendet werden solle, dem widerspreche aber die Denkschrift, und um so mehr sei eine nochmalige kommissarische Berathung am Platze.

Staatssekretär Freiherr von Maltzahn:

Ich kann nicht leugnen, daß ich heute in Bezug auf die Beur— theilung der Finanzlage der Reiches recht eigenthümliche Erfahrungen gemacht habe. Ich bin heute Morgen in der Budgetkommission ge— wesen und habe gesehen, daß man dort mit Rücksicht auf die Finanzlage Forderungen der verbündeten Regierungen be— kämpfte, und daß dieselben in Gefahr stehen, abgelehnt zu werden, Forderungen, welche die verbündeten Regierungen im Interesse der Armee, der Wehrbaftigkeit des Reichs für noth— wendig halten. Dort hielt man die Finanzlage für eine solche, daß man selbst bei an sich nothwendigen Ausgaben unbedingt spacan müsse; hier im Plenum höre ich jetzt von mehreren Abgeordneten die genau entgegengesetzte Deduktion, daß man ohne Rücksicht auf die Finanzlage des Reichs beim Reichstagsbau nicht nur möglichst solides Material verwenden, sondern überhaupt die Rücksicht auf die Spar—⸗ samkeit hier völlig hintansetzen könne und solle. (Zuruf des Abg. Dr. Lieber.)

die Bearbeitung dieses Materials gemacht haben, ist gar nicht abzu⸗

sehen, daß in einer kürzeren Frist so viel Materia beschaffen und zu s ĩ 5 zeren Frist so viel Material zu beschaffen und zu gegeben habe, so werde ich gern eine Berichtigung annehmen. Ich

babe aber meinerseits den Eindruck empfangen, als ob die Herren sich dahin aussprechen wollten, daß der Zweck, ein künstlerifch möglichst vollendetes Gebäude herzustellen, ein höhercs Gewicht dear spꝛuchen dürfe, als die Rücksicht darauf, daß man mit den vorhandenen, nun einmal gegebenen Mitteln auskommt.

Nun glaube ich, daß die Mehrausgabe, um die es sich handeln würde, keineswegs einen geringen Betrag ausmachen würde (hört! bört h, sie würde jedenfalls hoch in die Millionen gehen. Die zwei Millionen Reservefonds, von denen einer der Herren Vortedner gesprochen bat, würden, soweit ich übersehen kann, für die Deckung dieser Mehrkosten nicht ausreichen. Wenn Sie aber diese zwei Mil⸗ lionen dafür verwenden würden, so würden Sie für einen erheblichen Theil dieser Summe jedenfalls anderweit wie⸗ der Ersatz schaffen müssen, denn diese Summe ist reservirt für die Beleuchtungseinrichtung, für die Mobiliarausstattung und unvorher⸗ gesehene Ausgaben, welche sich bei dem Bau herausstellen, und ich habe nicht den Eindruck, daß mit Rücksicht auf die Größe dieses Baues diese Summe zu hoch bemessen sei.

Nun ist außerdem darauf hing⸗wiesen worden, daß im Gegensatz zu dem ursprünglichen Gesetze von 1873 seit mehreren Jahren die Zinsen dieses Fonds in den Gtat eingestellt werden, und man leitete daraus gewissermaßen einen Anspruch des Reichstags baues her, auf diese Summe zurückgreifen zu können, wenn die für den Bau bestimmten Summen sich als zu gering erweisen. Diese Summe beträgt im laufenden Etat 441 000 4, sie sinkt von Jabr zu Jahr und im Ganzen haben wir nur noch Aussicht, etwa eine Million Zinsen einzunehmen. Diese Million aber müßte immerhin doch auf andere Weise in den Ein— nahmen des Etats ersetzt werden, es würde also die Entziehung dieser Million eine Belastung der Steuerzahler für diesen Bau in der That darstellen. Ich glaube aber, daß auch diese Zinsen des Reichstags— baufonds, auf die wir überhaupt noch zu rechnen haben, nicht an— nähernd ausreichen würden, die Ausgaben zu decken, welche von ver— schiedenen Seiten diefes Hauses gefordert werden. Als berufener Vertreter des finanziellen Interesses kann ich die Herren nur warnen, einen derartigen Beschluß zu fassen.

Abg Dr. Freiherr vorn Heereman: Was sollte die Budgetkommission machen, wenn die Position an sie zurückoerwiesen würde? Sie müßte bevor sie eine Bewilligung ausspräche, sämmtliche Baumeister mit ihren Plänen zu sich kommen lassen. Dann aber wäre wieder die Reichstags baukommission überflüssig. Man möge also den Antrag auf Zurückverweisung der Position an die Budgetkommission ablehnen. . Nach Ablehnung des Antrags von Cuny wird der Titel unverändert bewilligt.

Zur Herstellung des Nord-Ostsee-Kanals werden als fünfte Rate 29 Millionen verlangt.

Abg. Dr Lingens betont die Rothwendigkeit einer erweiterten geistlicöen Fürsorge für die Kanalarbeiter. Besondets für die katholischen Arbeiter würde noch ein fünfter Geistlicher sehr segens—⸗ reich wirken können.

Der Titel wird bewilligt, desgleichen der Rest des Etats des Reichsamts des Innern.

Schluß 55/ Uhr.

Herrenhaus. 7. Sitzung vom 24. Januar 1891.

. Der Sitzung wohnt der Justiz-Minister Dr. von Schelling, später auch der Minister des Innern Herr⸗ furth bei. ö Der Rechenschaftsbericht über die weitere Aus— führung des Gesetzes vom 19. Dezember 1869, be⸗ treffend die Konsoli dation preußischer Staats⸗ anleihen, wird auf Antrag des Berichterstatters Grafen von der Schulenburg-Angern in Uebereinstimmung mit dem Hause der Abgeordneten durch Kenntnißnahme für erledigt erklärt.

Bai der darauf folgenden Wahl des Ersten Vize— Präsidenten werden 6 Stimmzettel abgegeben, von denen einer unbeschrieben ist, 7 den Namen Arthur von Manteuffel (Redel), den Namen Graf von Zieten-Schwerin, 65 den Namen Freiherr Otto von Manteuffel (Krossen) tragen. Letzterer ist somit gewählt und nimmt die Wahl mit dem Ausdruck des Dankes für das ihm geschenkte Vertrauen an. Als Schriftführer wird an Stelle des Herrn von Schöning auf Antrag des Wirklichen Geheimen Raths von Kleist-etzow durch Akklamation Herr von Rohr (Hohenwulsch) gewählt. Derselbe wird, da er im Hause nicht anwesend, von der Wahl benachrichtigt werden.

Es folgt die Berathung von Petitio nen. Die Petition des Magistrats zu Tribsee auf Einführung allgemeiner Be⸗ stimmungen über die den mittelbaren Staatsbeamten zu⸗ stehenden Diäten und Reisekosten bei Vernehmung vor Gericht über die im §. 14 der Gebührenordnung enthaltenen That⸗ sachen wird durch Uebergang zur Tagesordnung für erledigt erklärt. Die Petition des Br. Knape in Ratibor und Genossen um Gleichstellung der wissenschaftlichen Lehrer an unvoll— ständigen Anstalten im Gehalt wenigstens mit den Subakternbeamten der Justiz und der SEisenbahn⸗ verwaltung empfiehlt das Haus der Regierung bei der demnächst zu erwartenden Schulreform zur Er— wägung. Ueber die Petition des Lehrerkollegiums der Mittelschule und der höheren Mädchenschule zu Wernigerode um Regelung der Gehalts- und Pensionsverhältnisse der Lehrer und Lehrerinnen an Mittelschulen beschließt das Haus in Erwägung, daß eine gesetzliche Regelung der Frage in Aus⸗ sicht gestellt sei, zur Tagesordnung überzugehen.

Es folgt die Berathung des Gesetzentwurfs, be— treffend die außerordentliche Armenla st (Abänderung des Ausführungegesetzes über den Unterstützungswohnsitz!. Dem Entwurf ist von der Kommission folgende Fassung gegeben worden:

§. 31. Die Landarmenverbände in der Provinz Ostpre ßen der Landarmenverband der Provinz sind verpflichtet, für Be . wahrung, Kur und Pflege der hülfebedürftigen Geisteskranken Idioten, Epileptischen. Taubstummen und Blinden, welche der Änstaltspflege bedürfen, in geeigneten Anstalten Für sorge zu treffen. Veipflichte zur Aufnahme und Be— wahrung, zur Gewährung der Kur und Pflege ist zu—⸗ nächst derjenige Landarmenverband. welchem der vorläufig unterstützungspflichtige Ortsarmenverband angehört. Die allge⸗ meinen Verwaltungskosten der Anstalten trägt der Landarmen verband. Die sonstigen Kosten hat dem Landarmenverbande sofern es sich nicht um einen landarmen Hülfsbedürftigen handelt.

Ich bitte, nicht um einzelne Worte mit mir zu rechten. Wenn der Herr Vorredner meint, daß ich seinen Gedanken falsch wieder

vorbehaltlich anderweitiger Vereinbarung, der Kreis, dem der vor⸗ läufig unterstützungspflichtige Ortsarmenverband an⸗