2 —
33
ae
M — 2 — rnr· r — —
berechtigten seien. Und wird der Herr Vorredner sich noch entsinnen, daß drittens die katholische Kirche als solche als der geschãdigte Theil hingestellt wurde, und daß gegenüber schweren Anklagen gegen mich ich mich vertheidigen mußte in Bezug auf Sakrileg, Verletzung des siebenten Gebots und so fort.
Ich halte also nach wie vor daran fest, — ich bin auch sicher, daß diese Ansicht meine Kollegen iheilen —, daß es unmöglich ist für den preußischen Staat anzuerkennen, daß es Betreffs der Ver⸗ wendung des Sperrfonds dem preußischen Staat gegenüber Empfangs⸗ berechtigte giebt. Sie mögen es konstruiren, wie Sie wollen, das erkenne ich nach wie vor nicht an. . .
Zweitens halte ich fest an meiner zweiten Behauptung, daß selbst, wenn man sich über die rechtlichen Bedenken hinwegsetzen könnte, es für den Staat faktisch unmöglich wäre, wenn er den Versuch unter⸗ nehmen wollte, diese irgend wie zu konstruirenden Berechtigten zu be· friedigen, dazu ist der Staat absolut nicht im Stande. Ich will damit verbinden das drilte Moment, das Moment des Politischen. Vorab halte ich für politisch falsch, zu unternehmen, was rechtlich unmöglich ist — das führe ich nicht weiter aus —; aber ich halte auch vom Nützlichkeitsstandpunkt es für eine verfehlte Politik, wenn — wie im vorigen Jahre angeregt wurde — der preußische Staat den Versuch machen wollte, seinerseits eine irgendwie geartete Klasse von Menschen mit diesen Mitteln zu befriedigen. Denn es ist klar, daß es dem preußischen Staat nicht gelingen würde, in seinem ganzen Gebiet oder in einzelnen Diözesen mit noch so vermehrten Mitteln alle Ansprüche zu decken, die erhoben werden, — das liegt auf der flachen Hand. Ich habe es im vorigen Jahre nicht ausgesprochen, ich kann es aber jetzt: wenn man sich auf diesen feblerhaften Weg drängen ließe, dann hätten wir auf Jahrzehnte hinaus einen so schönen Kulturkampf im Hause wie denkbar. Denn jeder Anspruch, der nicht befriedigt wäre, würde Gegenstand der Petition werden oder bei der Etats⸗ berathung vorkommen; dann hätten wir Jahre lang nichts Anderes zu tbun, als über die Schändlichkeit des preußischen Staats und seiner perversen Regierung Deklamationen zu hören. Also ich kann sagen, dazu habe ich nie die Hand geboten, würde das auch heute nicht thun und würde sie auch nie dazu bieten. Ich stehe genau auf dem Standpunkt, den ich im vorigen Jahre in der Sitzung vom 29. April, wie jetzt hier, auf Seite 107, ausgesprochen habe.
Nun kommt der Hert Vorredner und sagt: was jetzt die Re⸗ gierung will, ist ganz dasselbe, wie das, was der Hr. Abg. Windthorst vorschlug; der Abg. Windthorst schlug vor — das ist ja in der letzten Sitzung zur Verhandlung gekommen —: das hoe Haus möge beschließen, daß die Staatsregierung aufgefordert werde, mit den Bischöfen in Verhandlungen zu treten. Das wurde glücklicher Weise abgelehnt. Meine Herren, wenn die preußische Staatsregierung auf Beschluß dieses hohen Hauses mit einer anderen Potenz Ver⸗ handlungen führen soll, so sind wir von vornherein so schwer vinkulirt, daß wir sicherlich auf diesem Gebiet keine Erfolge erreichen dürften; und wenn wir auch das erreicht hätten, was jetzt die Bischöfe frei⸗ willig angeboten haben, so hätten wir ihnen noch dafür Dank sagen mögen. Die Sache lag ungefähr so — ich kann das ja nur ausführen, was der Herr Minister-Präsident in großen Zügen umrissen hat —: als der 7. Juni vorüber war, vermied die Regierung, zu der Frage Stellung zu nehmen aus den Erwägungen, die ich am Schluß der letzten Sitzung angedeutet habe. Es war eine tiefe Verstimmung bei der Staatsregierung vorhanden; wir ließen die Sache auf sich beruhen, und alle die zahlreichen Gesuche, welche an die Staatsregierung gebracht wurden, sie solle ihrerseits die Initiative ergreifen, wurden abgelebnt. So verging Monat auf Monat, bis plötzlich der Herr Minister ⸗Präsident mittheilte, daß die Herren Bischöfe mit Anträgen gekommen seien unter dem Anerbieten von Handlungen, die sie ihrer— seitz zu übernehmen gewillt wären, und wie Sie sie im Gesetz ausgesprochen finden. Dadurch hat die Sache eine ganz andere Wendung bekommen. Das werden Sie wohl aus der Vergangenheit gelernt haben: katholischen Geistlichen durch ein Gesetz Handlungen aufzwingen zu wollen, welche sie nicht freiwillig ihun wollen und die durch einen Dritten nicht erfüllt werden können, ist ein sehr gefährliches legislatives Unter— nehmen. Ich würde also niemals den Finger dazu gerührt haben, hier etwas Anderes in das Gesetz zu schreiben, als was die Bischöfe
selbst angeboten haben. Ich halte es für unmözlich, daß, wenn Bischöfe derartige Handlungen freiwillig anbieten, sie sie nicht aus⸗ führen. Wie liegt die Sache mit den Bischöfen? Die Bischöfe empfinden — ich will keine Indiskretion begehen — aber sie empfinden die Schwierigkeit der Lage, in die sie treten, sicherlich vollauf. Wenn es ihnen gelingt, nach dieser bochgradigen Erregung, welche die vor— jährigen Verhandlungen herbeigeführt haben, Frieden zu stiften auf diesem Gebiet, — dann ist ein Ziel erreicht, welches vielleicht ihre eigenen Hoffnungen übertrifft. Der Eirfluß der SBischöfe auf die Diözesanen ist sehr groß, aber die Interessenten, die sich hier gemeldet haben, sind zum Theil solche, die ihrer Jurisdiktion nicht unterliegen; unter den sogenannten Rechtsnachfolgern sind sehr viele, die sich in feiner Weise nach ihrer katholischen Lehre richten. Die bürgerlichen Gemeinden im Rheinland gehen auch ihren eigenen Weg, und so fehlt es nicht an zahlreichen Interessenten, auf welche die kirchliche Disziplin keinen Eindruck macht. Es ist auch gar keine Mögliékeit, daß der Staat sich in diese Sachen einläßt mit seinen Richtern oder seinen Beamten; denn das steht fest, daß, wenn das Bemühen der Bischöfe nicht zur Befriedigung der Interessenten führt, sicherlich den Staatsbeamten, den Organen des Staats Schuld gegeben werden würde, daß der Zweck nicht erreicht sei. Ich bin bereit, in der Kommission noch darüber weiter zu sprechen, wenn es dazu konmt, kann aber auch hier aussprechen: ich würde es von meinem Standpunkt bedauern, wenn eine Mehrheit des Hauses sich dafür finden sollte, daß der Staat mit seinen Organen in diese irgendwie gearteten Kommissionen oder wie Sie es nennen wollen eintritt. Denn damit würden wir eine neue Gefahr auf den Staat laden. Für die Bischöfe liegt die Sache so: mißlingt ihren Organen die Befriedizung der Janteressenten, dann kann man sagen, sie haben geirrt; gelingt es ihnen, so kann man sich freuen Die Bischöfe kommen vor allen Dingen auch in eine sehr schwere Lage; sie werden natürlich in dem Lichte stehen, daß sie so viel wie möglich übrig be— balten wollen, und die Erfahrungen, die wir auf dem Gebiete der Allerböchsten Genehmigung von letztwilligen Zuwendungen und der-
gleichen gemacht haben, lassen ganz klar erkennen, daß auf dem Ge⸗
ee. von Mein und Dein, auf dem Gebiete von Bereicherungen und
Verlusten auch die Disziplin innerhalb der katholischen Kirche nicht
wenn den bischöflichen Stühlen Summen zugewendet werden, ihre Anträge an Se. Majestät zu richten und Versagung der Genehmigung zu erbitten, da sie benachtheiligt seien. .
Ich kann sagen: für mich ist jedes irgendwie geartete Mitwirken des Staats bei der Untervertheilung wie ein Eingreifen in heißes Eisen; ich bin bereit, mich in der zweiten Lesung oder wo Sie sonst wollen, noch mit Ihnen weiter über die Sache zu unter⸗ halten. Nun können Sie sagen: Die Institute bekommen ja auch sehr viel und die Institute sind ja bischöflicher Qualität. Sieht man sich aber die Etats näher an, so findet man, daß erstens schon die Dom⸗ kapitel ausscheiden. Die Domkapitulare und Domvikare sind irdisch geschaffene Menschen, und die Fonds, welche der Staat giebt, werden wesentlich zu personellen Zwecken verwendet. Von den Bischöfen sind fast alle gestorben, welche unter dem Sperrgesetz amtirt baben. sogar zweimal sind Bischöfe gestorben. — (Heiterkeit) — Ich meine natürlich nicht dieselbe Person, sondern dasselbe Bisthum. — Ebenso die Seminarien: Überall werden Sie finden, daß das persönliche Moment, Gehalt, Pension und dergleichen das Uebergewicht haben; Sie haben da nicht mit juristischen Personen als solchen, sondern innerhalb der juristischen Personen mit personell Geschädigten zu thun. Ich glaube also, daß dieser Konkursus im juristischen Sinne, welcher da eintreten wird, ein recht unerfreulicher sein wird, ein so unerfreulicher, daß — glaube ich — durch das Einwirken des Staats nichts gelindert und gebessert werden kann.
Es kommt nun allerdings hinzu — und das, glaube ich, wird eintreten —, daß die Einwirkung der Bischöfe soweit gehen wird, daß die heute noch lebenden Geistlichen vielfach auf eine Befriedigung ihrer Ansprüche verzichten werden im Interesse der emeritirten. Denn darauf drängt die gesammte katholische Geistlichkeit hin, daß für ihre Cmeritirten besser gesorgt wird, und nach dieser Richtung glaube ich werden die Bischöfe nach Mittheilungen, die mir geworden sind, sicherlich gern ihre Einwirkung eintreten lassen.
Nun, meine Herren, knüpfe ich wieder an an das politische Moment. Als mir das Anerbieten der Bischöfe kam, legte ich mir die Frage vor: kann man es annehmen, und wenn man es annehmen kann, soll und darf man es annehmen? Meine Herren, ich habe Ihnen in kurzen Worten meinen rechtlichen und politischen Standpunkt zur Sache gesagt; ich habe im ersten Moment nach ruhigem Nachdenken gesagt: man kann es annehmen! — und ich sage es heute noch: man kann es annehmen. Wenn man es nicht annimmt, dann wird der Dorn, von dem ich im vorigen Jahre sprach, noch viel tiefer ins Fleisch ge— drückt, und es wird immer schwieriger, in der Materie das jenige Ziel zu crreichen, das nach der bisherigen Entwickelung der Sache erreicht werden kann, das heißt, daß der Staat im Interesse der katholischen Kirche das Geld verwendet. Wenn man nun zu der Ueberzeugung kommt, es ist politisch und rechtlich möglich, vielleicht menschlich unbequem, dann ist doch eine verantwortungsvolle Staats⸗ regierung meines Erachtens verpflichtet, über die Unbequemlichkeiten hinwegzusehen und das zu thun, was sie für Pflicht hält. Ich räume ein, daß ein einzelner Abgeordneter oder ein einzelner Mensch, nament- lich wenn einer Leitartikel schreibt, diese Erwägung nicht anzustellen braucht, aber die ganze Verantwortung, das ganze Leben eines preußi⸗ schen Ministers spielt sich auf diesem Gebiete ab. Hat er die Ueber⸗ zeugung, daß eine Maßregel politisch richtig ist, rechtlich möglich, wenn auch sehr unbequem, dann hat er meines Erachtens die Pflicht, mit seiner Veranwortung einzutreten; ich wüßte nicht, wer sie tragen sollte. Man kann sich ihr entziehen, aber das Entziehen macht nicht immer die Sache besser, und es bleibt dann doch der Vorwurf übrig, der wenigstens meiner Natur nach am Schwersten wiegt: der Vorwurf der Feigheit. Es ist viel besser, man wird nicht verstanden, man bricht möglichenfalls auch zusammen; aber das gute Gewissen, seine Pflicht gethan zu haben, muß über Alles weghelfen.
Meine Herren, damit will ich schließen: Ich persönlich will meine Gefühle nicht weiter schildern; ich spreche ganz nüchtern und ganz ruhig. Ich bin überzeugt, wenn einige Wochen ins Land gegangen sind, werden Sie die Stellung der Staatsregierung und die meinige mehr würdigen als heute. Sie brauchen nicht zu sagen: ich stimme mit dem Manne überein; das verlange ich nicht; aber Sie können sagen: ich verstehe den Mann.
Im Uebrigen aber kann ich sagen: wenn ein versöhnendes Moment und mir angenehmes Licht in diese Debatte fällt, so ist es die Stellung zur evangelischen Kirche. Das ist für mich die Last, an der ich zehn Jahre lang getragen habe: die Ausführung des s 54 des Gesetzes von 1874. Es ist heute von dem Herrn Minister⸗Präsidenten rund heraus erklärt, daß die Regierung nach der Richtung hin ent— gegenkommen wird, daß wir alle Kräfte daran setzen werden, diese Materie — wie ich hoffe — mit der General ⸗Synode im nächsten Herbst in Ordnung zu bringen und in dem nächsten Jahre Ihnen einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Wir haben über den ersten Gegenstand der Tagesordnung heute leichthin verhandelt, aber die, welche die Geschichte des zuerst behandelten Gesetzes kennen, werden sich erinnern, werden wissen, was in demselben enthalten ist. Mit dieser gesetzgeberischen Maßregel und mit der Erklärung des Herrn Minister-Präsidenten vom 24. Januar fängt meines Erachtens eine neue Periode für die evangelische Kirche an, und das ist der ver— klärende Lichtstreif, der auf meine Thätigkeit fällt. (Beifall)
Abg Dr. Reichensperger: Bei den früheren Verhandlungen sei die Sache so aufgefaßt worden, als wenn die gesperrten Gelder einfach zur Staaiskasse vereinnahmt werden könnten. Diesen Grund fatz babe die Staatsregierung nicht getheilt. Er hoffe, daß die Bischöfe nur die wirklich Geschädigten entschädigen würden nicht aber Diesenigen, denen anderweitig geholfen worden sei—. Redner führt aus, daß durch die Rückerstattung der einbehaltenen Gelder die Katho⸗ liken befriedigt werden könnten, sonst werde der Frieden mit der katholischen Kirche wie die sibyllinischen Bücher immer theurer 1 von Eynern: Die Staatsregierung habe den Rückzug angetreten, das sei trotz aller spitzfindigen Bemerkungen des Kultus Minifters nicht zu leugnen. Man habe sich früher geweigert, das Fapital zurückzuzahlen, und jetzt zahle man es zurück. Er verstehe das nicht. Um den Kultus. Minister, der ihm in vielen Punkten sehr angenehm sei, handele es sich dabei gar nicht; seine Partei kãmpfe nicht gegen Perfonen. Sie stehe auf demselben Standpunkt wie die Staatsregierung früher. Der Staat sei der im Kampfe Unterlegene, er bezahle nach der verlorenen Schlacht die Kriegskosten. Welche Mitwirkung habe denn die Staatsregierung bei der Vertheilung der Gelder? Ueber die Verwendung der eingezahlten Summen solle dem Rultus-Minister Mittheilung gemacht werden. Wenn diese Mit—⸗ theilungen aber nicht gemacht würden? Oder wenn der Minister einen Brief erhielte, daß die übriggebliebenen Gelder zur Schaffung
bei der Verhandlung der Vorlage in den Reihen des Centrums so wilde Gesichter geschen, jetzt glänzten die Gesichter von Be⸗ friedigung über den Sieg des Centrums über den preußischen Staat. (Heiterkeit im Centrum. Sehr richtig! bei den Nationallieralen und Freikonservativen; Wenn die Stellung des Centrums so gestärkt werde, fo werde sich das überall nachher fühlbar machen; so beim Schulgesetz, beim Jefuitengesetz u. s w. Immer werde die Regierung sagen; das bewillige sie nicht und nach acht Monaten werde es ander. Der Abg. Dr. Windthorst erfinde dann immer neue Fragen, die erst jn kotholischen Versammlungen vorgebracht und schließlich in dieses Hanz getragen würden. So sprechg man letzt schon davon, daß auch die Zinsen der 16 Millionen Mark. gezahlt werden müßten. Daraus könne der Reichskanzler ersehen, wie wenig Aussicht auf Be⸗ friedigung der Katholiken sei. Zwei große Parteien, die National⸗ liberalen und die Freikonservativen, ständen der Vorlage absolut ablehnend gegenüber. Von den Konservativen würden vielleicht einige die Vorlage annehmen, um endlich einmal mit dieser Sache aufzuräumen. Einen solchen Standpunkt könne man ja ver⸗ steben bei Männern, welche auf den Namen des Ministers gewählt seien. Die Anhänger der Kon servativen im Lande würden aber nicht für die Vorlage sein, Also die große Masse des Volks sei gegen die Vorlage. Die Regierung stütze sich nur auf das Centrum. (Zuruf: Deutschfreisinnige ). Von denen spreche er nicht, die kämen ja gar nicht in Betracht. (Heiter keit Der Staat sei der Geschlagene, die Politik, welche die xiberalen und' Konserpaätiven Unterstützt hätten, sei aufgehoben. Diese Frage sei mit den Stolgebühren in Verbindung gebracht worden. Diese seien kein Kaufgeld für eine solche Vorlage, Er schließe mit dem Wort, das im evangelischen Bunde gefallen sei: „Wir müssen dafür sorgen, daß diese Gelder nicht für die Propaganda verwandt werden. Wit streben nicht nach Geld und Gut, sondern nach der Reinheit des Flaubens und ker freien Bewegung. (Beifall links und rechts, Abg. Dr. Windthorst: Die Vorlage beseitige den sehr wesent⸗ lichen Stein des Anstoßes, der bisher für seine Freunde vorhanden gewesen sei. Es werde ihnen dadurch sehr viel leichter gemacht, die Regierung auf anderen Gebieten zu unterstützen. GGuruf links: Handel) Daß die Gegner der Vorlage dabei an Handelsgeschäfte dächten, sei begreiflich. Seine Partei vertrete die Rechte des Volkes und werde es niemals aufgeben, diese Interessen zu vertreten. Das Geld gebühre der Kirche, und es werde jetzt in richtigerer Weise ausgezahlt, als früher beabsichtigt gewesen sei. Die Gegner der Vor⸗ lage schienen zu glauben, daß eine Bevorzugung der katholischen Kirche vorliege. Wenn zwei Leute eine Forderung hätten, so könne der Eine nicht böse sehen, wenn der Andere seine Forderung erhalte, Seine Partei werde die evangelische Kirche in ihren berechtigten Forderungen unterstützen. Die katholische Kirche bekomme nur das, was sie zu fordern habe, sie bekomme keine Zinsen. Aber wenn dieses Gesetz angenommen werde, werde der Sache ein für allemal ein Ende gemacht; es komme nichts weiter von. Forderungen darnach. Einer kommissarischen Berathung wolle er sich nicht widersetzen, er hoffe aber, daß das nicht ein Mittel sein werde, der Vorlage Hindernisse zu bereiten. Das vorige Mal habe die Kommissions verhandlung dazu geführt, eine Resolution im Interesse der evangelischen Kirche zu stellen. Berechtigte Forderungen nach dieser Seite hin werde er niemals be⸗ kämpfen. Von der Erfüllung solcher Forderungen könne nicht ab⸗ hängig gemacht werden, daß man der katholischen Kirche zurückzahle, was man niemals hätte nehmen sollen. Es sei auf seine Haltung bei der Schulvorlage hingewiesen worden. Er werde seine Haltung dazu nicht ändern, selbst wenn dieserhalb die Sperrgeldvorlage scheitern follte. Hier handele es sich um Geld, dort handele es sich um die Erziehung der Jugend. Da werde seine Partei niemals nachgeben. (Beifall im Centrum.) ö .
Abg. Freiherr von Zedlitz; Mit dem Vorredner erkenne er an, daß es erwünscht fei, diefen Rest des Kulturkampfes zu beseitigen und alle staatserhaltenden Kräfte zu sammeln zum Kampfe gegen den Umsturz, deshalb habe seine Partei sich, obwohl sie der Ansicht zewefen sei, daß über die Sperrgelder für die Staatzkasse verfügt werden könne, bereit finden lassen, der katholischen Kirche bis zur äußersten Grenze entgegenzukommen. Die Staatsregierung habe ihren Standpunkt gegen die früheren Verhandlungen prinzixiell geändert; das fei eine Thatsache, über die er weiter nicht sprechen wolle. Dies Aenderung könne den Gedanken erwecken, daß. auch auf anderen Hebieten' eine Aenderung unserer Staatspolitik eintreten werde. Wenn die Vorlage Gesetz werde, werde der Kampf um die Schule nur um so erbitterter werden. . (Sehr richtig! rechts) Innerhalb evangelischer Kreise sei dieses Vorgehen der Regierung ein Gegenstand der Beunruhigung geworden, weil die Wunden, welche der Kulturkampf der evangelischea Kirche geschlagen habe, nicht so schnell geheilt würden. Wie die Gelder verwandt würden, ob sie die Empfangsberechtigten erhielten, ob sie wieder in den Centralfonds zurückflöffen, sei gar nicht zu übersehen. Rechtlich fei es zulässig, die Mittel für alle möglichen Zwecke zu verwenden, auch für die Propaganda. Was man bei den Katholiken an Be— ruhigung erziele, werde man erkaufen durch dauernde Unzufriedenheit der evangelischen Bevölkerung. (Zustimmung rechts) Er könne deshalb in der Vorlage kein Mittel der Einigung der staats⸗ erhaltenden Kräfte, sondern nur den Keim neuen Streites er kennen. Seine Partei habe sich damals nach langer wohlerwogener Berathung auf den Standpunkt der Staatsregierung gestellt; wenn sie denselben jetzt verlassen solle, so müßten dafür schwerwiegende poli⸗ tische Gründe maßgebend sein. Aber was sei denn geschehen? Die Bischöfe hätten die Auffassung des Centrums sich angeeignet, die schon damals bekannt gewesen sei. Da die Regierung die Unter⸗ stützung der Nationalliberalen und Freikonservativen für die Durch führung gebrauche, sei seine, Partei geradezu deswegen genöthigt, gegen die fetzige Vorlage zu stimmen. Er sehe auch keine Möglichkeit, im Wege der kommissarischen Berathung eine Einigung herbei zuführen. Das Haus könne die. Sache im Plenum behandeln und im Plenum ablehnen. (Beifall bei den Freikonservativen und National⸗ liberalen.) ! . .
Abg. Graf zu Lim burg-Stirum: Die Autlassungen ven nationalliberaler und freikonservativer Seite machten es ihm schwer, den abweichenden Standpunkt der großen Mehrheit seiner volitischen Freunde zur Geltung zu bringen. Daß sie eine definitive Niederlage durch diefe Vorlage erlitten, könne er nicht zugeben. Eine reine Geld⸗ frage könne doch nicht den Sieg in dem prinzipiellen Kampfe ent⸗ scheiden. (Sehr richtig! rechts) Seine Freunde seien der Meinung, daß durch das Sperrgesetz die einbehaltenen Staatsgelder endgültig konfisitt worden seien, daß ein Rechtstitel aus, jener Zeit nicht mehr bestehe, daß ein Rechtstitel erst durch diese Vorlage neu geschaffen werde. Damals habe man verlangt, daß das Kapital ausgezahlt werden solle der katholischen Rache; jetzt werde den Geschädigten ein Anspruch auf Erstattung der einbehaltenen Gelder gegeben, sodaß vom Kapital wenig übrig bleibe. Ein Theil seiner politischen Freunde stehe dem Gesete prinzipiell ent⸗ gegenz sie wollten den Versuch machen, in kommissarischer Berathung die Vorlage besser zu gestalten. Er für seine Person könne §. 1 zu⸗ sftimmen; aber es werde eine genaue Definition aufgenommen werden müäffen, an welche Personen das Geld gezahlt werden solle, und es müßten auch darüber Beftimmungen getroffen werden, wer daz Geld auszahlen folle. Aus der Vergangenheit ziehe er die Lehre, daß die katholischen Bischöfe die Gegner der protestantischen Religion bleiben würden, aber kleinlich und falsch seien sie in Geschäften nicht gewesen; sie hätten jede Ucbereinkunst auch redlich gehalten. Man werde allerdings beim Vertrags abschluß vor⸗ sichtig fein müsfen. Auf die Gefühle der Eyangelischen werde Rück, sicht genommen werden müssen. Die epangelische Kirche habe Jahre lang ihre Forderungen gestellt, und sie seien nicht erfüllt worden. Es werde schwer sein, für das Gesetz zu stimmen, wenn die Regelung der Stolgebühren nicht unbedingt sichergestellt werde. Die Nothwendigkeit, diesen Streitpunkt aus der Welt zu schaffen, sei da; es sei überall erklärt worden, daß die Gelder für die katholische Kirche verwgndt werden sollten, deshalb mässe etwas geschehen. Die vorjährige Vor⸗
eines Wahlfonds verwendet seien (Heiterkeit, um gute Wahlen für
immer vorhält. Die preußischen Katholiken geniren sich nicht, auch
die katholifche Kirche herbeizuführen? Im vorigen Jahre habe er!
lage fei mehr geeignet gewesen, die katholische Kirche zu stärken, als 616 jetzige. Seine Freunde hätten aber damals wie heute nicht für
eine Vorlage stimmen wollen, gegen welche das Centrum stimme. Werde die Vorlage nicht an, die Kommission verwiesen, c werde der größte Theil seiner politischen Freunde dagegen stimmen. (Bei—
fall rechts.)
Abg. Stöcker; Er spreche für sich persönlich, aber er glaube, 16 ists eines großen Theils seiner Gesinnungsgenossen. Es liege etwas Demüthigendes darin, daß diefe Frage der Stolgebuͤhren als
im Sinne und Geiste
Vorspann benutzt werde für diese Vorlage. Vor sechs Monaten zu sagen
non possumus, heute zu sagen: possumus, einer Macht, die an ihrem auf non pozsumns festhält, entgegenzukommen, trotz aller Invektiven in den vorigen Jahren, das heiße, den Satz zur Wirklichkeit machen: man erreiche Alles, wenn man nur tüchtig opponire. Auf die sechzehn Millionen komme es ihm nicht an, um Beruhigung zu schaffen.
Die Geschädigten sollten entschädigt, die werden, aber von dem Rest solle nicht die katholische Agitation verwendet
rechts; Widerspruch im Centrum)
Institute befriedig ein Pfennig werden.
(Zustimmung rechts Solche Dinge müßten in der Kommission ge— prüft werden. Es würden sich dabei Verwendungszwecke finden, die den Eoangelischen nicht wehe thäten. Dann könne auch er vielleicht das Gesetz annehmen, ohne daß Schmerzen dadurch bereitet würden. Für die evangelische Kirche könne die Stolgebührenentschädigung keine neue Epoche herbeiführen. Sie brauche die Befreiung von gewissen Zwangsbestimmungen aus der Zeit des Kulturkampfes; die volle Be— wegungsfreiheit, wie die evangelische Kirche sie beanspruchen könne in Folge ihrer unbedingten Treue jum Staat und zum Kaiser. So lange freilich die liberale Partei diese Bestrebungen anklage, als wolle man eine Hierarchie, so lange könne die Regierung der Kirche nicht entgegenkommen. Keine Partei laufe mehr auf dem Rücken der Regierung als die nationalliberale. Seine Freunde müßten sich Alles sauer verdienen. (Heiterkeit. Ohne Bedingung sei dieses Gesetz nicht zu haben, darauf könne sich der Abg. Windthorst verlassen. Wenn er unsere Schulverhältnisse so darstelle, als ob katholische Kinder in Gefahr fämen, so seien solche Reden nicht am Platze, namentlich im Augenblicke, wo man sich die Hand reichen wolle. Die innere Spannung zwischen den beiden Konfessionen sei heute stärker als je. (Widerspruch im Centrum.) Man möge nur lesen, wie in katholischen Kreisen das Deutsch-Nationale, die deutsche Literatur heruntergerissen werde. Trotzdem böten seine Freunde über diesen Abgrund die Hand zum Frieden. Die Staatsregierung müsse daran denken, daß Preußen ein evangelischer Staat sei, die Vor⸗ mauer der größten evangelischen Kirche der Welt. Diese Stellung würde es, wenn man so der katholischen Kirche nachgebe, verlieren. (Beifall rechts.)
Abg von Jazdzewski begrüßt die Vorlage mit Freuden und erklärt, daß die zurüuͤckgezahlten Gelder nicht zur Agitation verwendet werden sollten.
Abg. Dr. Arendt: Für die Herstellung des Friedens werde er jedes Opfer zu bringen bereit sein; aber es sei zu befürchten, daß der Friede durch diese Vorlage nicht gesichert werde. Er glaube auch nicht, daß durch eine Kommissionsberathung die Vorlage verbessert werden könne; seine Partei wolle sie a limine abweisen.
Abg. Rickert beantragt die kommissarische Berathung. Wenn der Abg. von Eynern meine, auf die Freisinnigen komme es nicht an, so sei das nicht richtig; die Freisinnigen würden vielleicht den Ausschlag geben. Daß seine Partei so klein sei, brauche der Abg. von Eynern gar nicht zu erwähnen; er brauche nur an das andere Ende der Leipzigerstraße zu gehen, wo dessen Partei auf Grund der allgemeinen direkten Wahl sehr zusammengeschrumpft sei. Heute wünsche Mancher, daß die bei der vorigen Berathung gefallenen Worte nicht gefallen wären. Die Mehrheit ron damals trage die Schuld dafür, daß diese Vorlage das Haus noch einmal beschäftige. Die ka— tholische Kirche würde das Gesetz schließlich doch angenommen haben. Die Mehrheit habe damals eine neue Politik eingeführt, um das Centrum in eine Zwangslage zu bringen, daß es gegen seine Ueberzeugung für das Gesetz stimmen solle. Was habe die Regierung dazu thun sollen? Sollte sie die Vorlage noch einmal einbringen? Das Centrum könne doch seine Meinung nicht ändern. Das Gesetz fordere ein Gesetz über die Ver— wendung der Sperrgelder. Früher hätten alle Redner erklärt, sie würden für das Gesetz sein, wenn das Centrum sich zufrieden erkläre. Heute sei das Centrum zufrieden und die Herren stimmten gegen die Vorlage. (Widerspruch bei den Nationalliberalen) Die Rede des Abg. Stöcker werde man im Lande nicht begreifen. Er wolle die Geschädigten Alle befriedigen und den Rest für be— stimmte kirchliche Zwecke verwenden; das sei ja die Vorlage der Regierung. Wozu die hohen Worte über solche RKleinig⸗ keiten? Das Gesetz vom vorigen Jahre würde viel mehr zur Stärkung der katholischen Kirche beigetragen haben, als das jetzige. Daß der Kultus minister seinen Standpunkt so sehr erheblich verändert habe, könne er nicht zugeben. Unter dem Fürsten Bit marck seien die Minister oft genug von einem Standpunkte zum anderen übergesprungen. Der Unterschied sei nur der, daß die Herren von der Rechten früher immer mitgesprungen seien. (Heiterkeit) Die Niederlage der Kulturkampfs—⸗
politik datire nicht von diesem Gesetz, und es sei deshalb wunderbar, daß die Nationalliberalen den Kuliurkampf jetzt aufgeben wollten. Dieser Geisteskampf werde weiter geführt werden, freilich nicht mit polizeilichen Mitteln. (Widerspruch bei den Nationalliberalen.) Den wirklichen Geistes kampf hätten sie ja verlernt.
Darauf wird die Debatte geschlossen. .
„Die Vorlage wird einer Kommission von 21 Mitgliedern überwiesen. Darauf erledigt das Haus noch ohne Debatte die Prü⸗ fung der Wahlen der Abgg. von Koerber und von Puttkamer⸗Nipkau, welche für gültig erklärt werden.
Schluß 31, Uhr.
Der Verein zur Beförderung des Gewerbefleißes
feierte am Sonnabend, 24. Januar, dem Geburtstage Friedrich's des Großen, sein siebzigstes Stiftungsfest durch ein Festmahl im Englischen Hause. Der Haupttafel in der Mitte präsidirte der erste Vorsitzende des Vereins, Staats-Minister Dr. Delbrück, welchem zur Rechten als Ehrengäste der Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch, der Unter ⸗Staatssekretür Magdeburg und der Geheime Ober⸗Bergrath Freund, zur Linken der Staaissekretär des Reichs⸗Postamts Dr. von Stephan und der Ober-Bau⸗ und Ministerial⸗Direktor a. D. Weishaupt saßen. Im Ganzen waren etwa 140 Personen, Mitglieder und Gäste, vereinigt, um ihr reges Interesse an den Zwecken des Vereins zu be— thätigen. Zugleich waren die neuesten Erfindungen der Technik herangezogen, um dem Festmahl einen eigenartigen Charakter zu geben. Auf den sechs Tafeln standen Blumenkörbe mit frischen Blumen und bunten elektrischen Glühlampen, welche auf ein gegebenes Zeichen hin die duftenden Rosen, Hyacinthen und Flieder magisch beleuchteten. Eine reiche Auswahl von Fabrikaten aus Aluminium schmückte die Tafeln und den Saal, auf dessen langer Seite die Büsten Friedrich's des Großen und Sr. Masestät des Kaisers, sowie der um den Verein verdienten Männer, von einem Blätterhain umgeben,
36 dienen sollten: jenen Erlaß, durch welchen die Berufung ( Zustimmung der Das Cenirum stehe hier der evangelischen Mehrheit gegenüber, und wenn man bedenke, wie den sehr die katholische Kirche in ihrer Macht verstärkt worden sei, so könne man nicht sagen, daß die letztere ihre Macht verwendet habe zur Herstellung des Friedens. Wenn die Gelder zurückgezahlt würden, würden seltsame Dinge passiren. Der Bischof Clemens sei Nach⸗ folger des Erzbischofs Melchers geworden. Glaube man, daß Bischof ; Clemens die gesperrten Gelder für sich verwenden werde? Er werde der durch die Zurückzahlung einen ganz netten Agitationsfonds erhalten.
Staats Minister Delbrück aus, indem er auf die beiden großen Kundgebungen hinwies, welche zu Beginn des vergangenen
Jahres von Allerhöchstdemselben auf dessen eigenste Initiative ausgegangen sind, und welche der Pflege des Friedens
später am 15. März zusammengetretenen inter nationalen Arbeiterschutz Konferenz e n. wurde, mae, d Erlaß, welcher die Förderung des Arbeiterschutzes in Deutschland selbst in Anregung brachte. In ersterer Be— ziehung dürfe insofern von einem Erfolge gesprochen werden, als kein Staat sich mehr der Verpflichtung entziehe, im Sinne der, berathenen Maßregeln für größeren Schutz
Arbeiter zu sorgen; in letzterer Beziehung werde der Reichstag alsbald die Frucht zur Reise bringen, welche die Arbeiterschutzkommission in langen Be— rathungen vorbereitet habe. Zu dem Dank, welchen der Verein dem Kaiser im vorigen Jahre für die Befestigung des äußeren Friedens dargebracht, geselle sich jetzt der Dank für die Fürsorge des Kaisers für den inneren Frieden. In das sich hieran anschließende Hoch stimmte die Versamm— lung lebhaft ein und verband hiermit den Gesang eines nach der Melodie: „Heil Dir im Sieger— kranz“ von Albert Pütsch gedichteten Festliedes „Dem Kaiser“. Hr. van den Wyngaert toastete hierauf in einer warm empfundenen Ansprache auf den Staats-Minister Freiherrn von Berlepsch, welcher ein so lebhaftes Interesse für das Wohl der Industrie bethätige und das Programm des Kaisers zum Wohle der Arbeiter durchzuführen sich angelegen sein lasse, indem er beseitige, was nicht mehr haltbar, und aus— führe, was zeitgemäß sei; möge die Vorsehung stets die körperlichen und geistigen Kräfte ersetzen, welche der Minister dem ihm vorschwebenden Ziel zum Opfer bringe. Der Minister dankte hierauf für die freundlichen, von der Versammlung mit Beifall unterstützten Wünsche und sprach sein Bedauern aus, daß es ihm seine Amtsgeschäfte unmöglich gemacht hätten, mit den Industriellen sich in dem Maße, wie er es wünsche, in persönliche Berührung zu setzen. Gleichwohl habe er in dem verflossenen Jahre wiederholt Gelegenheit gehabt, auf dem Correspondenzwege mit den Industriellen in Verbindung zu treten, fo z. B. bezüglich der bei dem Abschluß des neu abzuschließenden Handelsvertrages geltend zu machen— den Interessen, und er habe hierbei in diesen Kreisen volle Unterstützung und volles Verständniß für die Bedürf— nisse der Industrie gefunden. Auch darüber seien die Herren mit ihm einverstanden, daß Deutschland eines gemäßigten, verständigen Schutzzolles nicht ent— behren könne, und daß die Grundlagen nicht verlassen werden dürfen, welche sein großer Vorgänger im Amt aufgebaut habe; daß aber andererseits das Vaterland ein exportirender Staat sei und diesem Umstande in den abzuschließenden Ueber— einkommen Rechnung getragen werden müsse, wie auch ferner, daß die soziale Gesetzgebung stets bedenken müsse, daß, wo keine Industrie vorhanden, auch keine Arbeit möglich sei. Wie sich die Zukunft auf dem Gebiete der Handels- und Sozialpolitik gestalten werde, sei heute noch nicht zu übersehen, aber er bitte freudigen Blickes und mit Vertrauen in die Zukunft zu schauen und ihn in seiner Wirk— samkeit auch ferner unterstützen zu wollen; in diesem Sinne trinke er auf das Blühen und das Gedeihen des Vereins. — Geheimer Bergrath Wedding feierte alsdann die Verdienste des Vorsitzenden, Staats⸗-Ministers Delbrück in nationaler und politischer Hinsicht, wie im Hin— blick auf seine Thätigkeit im Verein, Geheimer Regierungs— Rath von Siemens widmete seinen Trinkspruch der engen Verbindung von Technik und Wissenschaft. Nach einer Begrüßung des Staatssekretärs Dr. von Stephan durch den Vorsitzenden ergriff Hr. von Stephan das Wort, um die großen Errungenschaften der Zeit, welche der Gewerbefleiß der Wissenschaft, der Philosophie und der Staatskunst verdankt, und die Vaterlands— liebe, die Begeisterung für den Beruf und die deutsche Zuverlässigkeit zu feiern, welche dem deutschen Gewerbe einen so mächtigen Aufschwung gegeben. — Zum Schluß wurde für die n gesammelt, wobei ein Betrag von 540 S6 erzielt wurde.
Statistik und Volkswirthschaft.
Die preußischen Sparkassen im Rechnungsjahre 1889 33 . bezw. 1889/99
Im Anschluß an unsere neulichen Angaben über die Geschäfts— ergebnisse der preußischen Sparkassen im letzten Rechnungejahre (Nr. 10 des R. und St. A. vom 12. Januar) theilen wir heute, nach der „Statist. Corr., mit, daß sich der gesammte Einlagebeftand dieser Anstalten im Betrage von 31015? Millionen Mark auf die einzelnen Provinzen derart vertheilte, daß kamen Mill. Proz. des ;
. Gesammt⸗ auf ; ö kapitals Ostpreußen . 51,60 ä Westpreußen . 47. 43 163 Stadtkreis Gerl 124,94 ohe, Brandenburg . 199,21 6,42 Pommern 142,05 4,58
Proz. des Gesammt⸗ kapitals
3657, 5 11,01
166
Hannover , .
Westfalen. . 533,40 17,20
; Hessen Nassau 1490,79 4,53
Vosen .. 1L33 Rheinland . . 419,9 13,594
Schlesien . 260, 68 8, 40 Hohenzollern. 8, 35 0.27
Auf die sechs westlichen Provinzen mit Hohenzollern entfielen so⸗ mit 72, 05 dg, auf die sechs östlichen mit Berlin nur 27,95. 0ͤo des ge⸗ sammten Sparkassenkapitals. Der geringeren Ausbreitung des Sparkassenverkehrs im Osten entsprechend ist in ihm auch der Zu— gang an Einlagen in absoluten Beträgen wiederum ungleich geringer gewesen als im Westen, während relativ die Einlagen dort etwas mehr zugenommen haben als hier, indem sie im Vorjahre erst 2,20 go der Gesammteinlagen umfaßt hatten. Eine wirthschaft⸗ liche Bedeutung würde indeß diese relative Vergleichung nicht haben, weil der Zuwachs verhältnißmäßig immer am Größten ist, wenn man vom Nullpunkt anfängt; denn dann bedeutet ein solcher von nur einem Pfennig schon unendlich viel Prozent, und auch später, sobald die Einlagebeträge an sich noch unbedeutend sind, kann eine für den Wohlstand des betreffenden Landestheiles ganz geringfügige absolute Zunahme doch im Verhältniß zu dem Bestande des Vorjahres immer eine sehr große sein. Gewisse Rückschlüsse auf die Wohlstands— bewegung lassen sich also nicht so wohl aus der Vergleichung mit den bisherigen Beständen als vielmehr aus einer solchen mit der Bevöl⸗ kerung ziehen, was wir uns bis zur Feststellung der neuesten Volks
uf
Sachsen. Schleswig⸗ Holstein.
standen.
zählungsergebnisse noch vorbehalten.
Bald nach Beginn des Mahles ergriff der Professor Lr. Slaby das Wort, um über die . Wirksamkeit des Vereins, welcher in erfreulichem Aufschwung begriffen ist, zu berichten und daran anknüpfend die Ver⸗ sammelten aufufordern, den Manen des großen Königs, der den Grund zu der Entwicklung des Gewerbefleißes in Prsußen ; gelegt hat. ein stille Glas zu weihen. Den Trinkspruch
Se. Majestät den Kaiser brachte der Vorsitzende
Was die Arten der Sparkassen betrifft, so umfaßten nach wie vor die städtischen und demnächst die Kreis- und Amtssparkassen mit 47,88 bezw. 29.53 vo der Gesammteinlagen die Hauptmaffe der selben, während 14118 C auf die Vereins und Privat-, 4. 90 auf die Landgemeinde⸗ 2. Sparkassen, 3,51 auf die Provinzial. und ständischen Sparkassen entfielen.
Von den Zinsanlagen im Gesammtbetrage von 3245,04 Mill Mark erzielten die Sparkassen 30,91 Mill. Mark Ueberschũffe d. i. O, 93 /g jenes Betrages gegen je (, 4 in den beiden Vorjahren 6 95 im Jahre 1356 und noch 101 im Jahre 1885. Dabei ist zu berück⸗ sichtigen, daß in jenen Zinsüberschüssen nicht nur die von den Ein— lagen erzielten eigentlichen Ueberschüsse, sondern auch die Zinfen des Reservefonds enthalten sind, der in absoluten Ziffern wie meist auch im Verhältniß zu den Einlagen fortwährend steigt. Nach Abzug dieses Betrages würde der Rückgang der lediglich aus der Verwaltung der Einlagen sich ergebenden Ueberschüsse noch schärfer hervortreten als in den obigen Ziffern. Es ergiebt sich also, daß die mannig— fachen Zinsherabsetzungen der Sparkafsen während der letzten Jahre immer noch nicht hingereicht haben, um die Schmälerung auszugleichen, welche der Rückgang des allgemeinen Zinsfußes ihren eigenen Einnahmen andauernd zugesügt hat. ‚
Es ist wohl von Interesse, auch auf diese letztere Bewegung, soweit sie in das Berichtsjahr fällt, noch einen Blick zu werfen, wobei wir die Privatsparkafsen, die oftmals ihre Verzinfung nicht nach streng geschäftlichen, sondern zugleich auch nach erzieherischen und anderen Grundsätzen richten, außer Acht lassen. Wir finden dabei in Ostpreußen unter 40 Kassen 12, die den Zinsfuß für die Einlagen herabgesetzt haben, und zwar mäst von 4, 33 oder 35 auf bezw. 3, 33 und 3 9. Die Mehrzahl der Kassen gewährt hier gegenwärtig 35 oder 33 o, während 7 noch durchweg, 2 zum Theil 4 9604, dagegen 6 durchweg, 2 zum Theil nur 3 9½ vergüten, eine theilweise bis auf nur 20 herunterging. Heraufsetzungen des Einlagezinsfußes kamen nur bei 2 Kassen vor und betrafen hier auch nur einen Theil der Einlagen. Der Zins, den ihrerseits die Sparkassen für ihre Anlagen erhalten erreicht hier bei den meisten Sparkassen zum Theil noch o Von den 27 Sparkassen Westpreußens kamen 8 zu Herabsetzungen, 1. zu einer geringen Erhöhung ihrer Einlageverzinsung die im Uebrigen ähnliche Verhaͤltnisse aufweist, wie die jenige in Ostpreußen. Die städtische Sparkasse zu Berlin setzte ihren
Finefuß für die Einlagen von. 35 auf 3. ίλ, herunter. In Brandenburg, wo sckon bisher der Einlagezinsfuß sich nur zwischen 3 und 3,5 υίο' bewegte, sind von den 97 öffentlichen Sparkassen 17 von 35 und 35 auf 3tz bezw. 3 P herab⸗ gegangen, während Erhöhungen des Zinssatzes nicht vorgekommen sind. Freilich geht hier auch die Verzinsung der von der Sparkasse angelegten Gelder nur selten und theilweise noch über 5 6,9 heraus. Von den 64 Kassen der Provinz Po mmern haben 1 eine Erniedrigung, 4 eine Erhöhung jenes Satzes zu verzeichnen; in einer Stadt des Regierungsbezirks Köslin haben 2 Sparkassen noch durchweg den Satz von 40, eine andere denselben theilweise; im Uebrigen liegt die Verzinsung bier wie im Bezirk Stettin zwischen 3 und 3,6 V.; in einem Falle beträgt sie zum Theil nur 2 0so, während sie in Stralsund — von einem Falle mit 2709 abgeseben — sich durchweg auf 3 0½ stellte. Höher ist die Verzinsung der Spareinlagen in der Provin; Poöfen. Obschon von den 55 Kassen derselben nicht weniger als 18 die Verzinsung heruntersetzten, zum Theil um ein ganzes Prozent, und nur 2 sie erhöhten, blieben hier doch noch 10 * Kaffen' welche für ihre sämmtlichen Einleger, und 6, welche wenigstens für einen Theil derselben 4 ( bewilligten; unter 3 , gingen nur 2 Kassen herunter, während eine ihre sämmtlichen Einlagen noch für 166 oo verzinste. Die Sparkassen selber vermochten hier noch in sehr vielen Fällen zum Theil 5 — 6 5½ für ihre Anlagen zu er— zielen. Von den 111 öffentlichen Sparkassen der Provinz Schle— sien sahen sich im Ganzen 19 zu Herabsetzungen, 2 zu Erhöhungen ihres Einlagezinsfußes veranlaßt, der sich hiernach fast durchweg zwischen 3 und 3,6 9G bewegte, bei zwei jener Kassen und bei einer neubegründeten 4 Co erreichte. In der Provinz Sachsen schritten von 197 Sparkassen 18 zur Herabsetzung ihres Zinsfußes deffen Grenzen sich hier durchweg zwischen 3 und 3, Fso befanden“ Ebenso gestaltete sich die Verzinsung bei den 59 öffentlichen Spar kassen der Provinz Schleswig- Holstein, nachdem 9 derselben ihren Satz erniedrigt hatten, während nur eine ihn erhöhte. 2 Kassen gingen hier für einen Theil ihrer Einlagen bis auf 2M herunter. Die Provinz Hannover hatte zu Beginn des Berichtsjahres 156 öffentliche Sparkassen, von denen nicht weniger als 51 zu Zins— herabsetzungen schritten, sodaß der Satz hier im Allgemeinen nur 3 oder 35, seltener 3 0 beträgt, während er bei einzelnen Anstalten für einen Theil der Einlagen bis auf 2, einmal sogar auf 13 0 heruntergeht und nur bei 5 Kassen theilweise 40 erreicht, Nur 2 Sparkassen dieser Provinz erhöhten ihren Einlagezinsfuß um ein Geringes. Unter den 151 Sparkassen der Provinz Westfalen sind 45 mit ihrem Zinsfuß herab-, 5 heraufgegangen; er erreicht hier bei mehr als einem Dutzend meist ländlicher Sparkassen zum Theil immer noch 4 und sinkt nirgends unter 3 ½. Die Provinz Hessen⸗Nassau hat 59 öffentliche Sparkassen, von denen keine den Einlagezinsfuß erhöhte, während 17 ihn herabsetzten, sodaß er durch—
weg zwischen 3 und 36 rückte, bei 2 Sparkassen ausnahmsweise
bis auf 23 bezw. 20½4 herunterging. Bei den 142 Kassen der Rhein
provinz, die meist mit verschiedenen Zinsfüßen für die einzelnen
Arten der Einlagen arbeiten, kamen gleichfalls zahlreiche Herab—
setzungen und nur wenige Erhöhungen vor; die Einlageverzinsung
schwankt hier gewöhnlich von 26, 3 und 35 bis 4069. Im Bezirk
Sigmaringen traten Aenderungen nicht ein.
Das Gesammtergebniß für das Staatsgebiet ist eine immer
stärkere Verminderung derjenigen Sparkassen, welche ihren Einlegern
noch 40½ gewähren, und eine forischreitende Ausgleichung des Zins—
fußes bis an die Grenzen von 3 bis 3,6 , welche nach unten hin
im Osten nur ausnahmsweise, im Westen häufiger, nach oben hin für
einen Theil der Einlagen, namentlich im Rheinlande, für die sämmt—
lichen Einlagen fast nur bei einem Theile der Sparkassen des Nord—
ostens noch überschritten werden.
Zur Arbeiterbewegung. Der „Frlf. Ztg.“ wird von der Saar unter dem 23. 8d. M. ge⸗ schrieben: Die Bergleute des Saarreviers haben beschlossen, am 4. Februar auf allen Gruben eine Feier zu veranstalten zur Er⸗
innerung an die Erlasse Sx. Majestät betreffend die Arbeiterausschüsse. Die Feier soll in einem Abendconcert mit Vorträgen bestehen. Damit alle Arbeiter sich betheiligen können, soll die Direktion in Saarbrücken ersucht werden, an diesem Tage die Arbeiter der Tag⸗ und Nachtschicht gleich⸗ zeitig arbeiten zu lassten. Der Vorstand des Rechtsschußtvereins wird schon am Abend vorher ein Danktelegramm an Se. Majestät den Kaiser absenden.
In Hamburg fand am Sonnabend eine von 4990 arbeits« losen Personen besuchte Bersammlung statt, welche einstimmig eine Petition an den Senat abzusenden beschloß. Ein Wolff sches Telegramm theilt aus dem Inhalt Folgendes mit: Obgleich die Schwierigkeit einer sofortigen Beschäftigung zu Tage tritt, wird der Senat doch ersucht, alles Mögliche aufzubieten, um der Arbeits- losigkeit zu begegnen und ein Nothgesetz zu erlassen, durch welches den Hauswirthen verboten wird, beim nächsten Mieths⸗ termin mittellose Arbeiter auszuquartieren, welche vier Wochen arbeitslos waren: denselben aus Staatsmitteln unverzüglich
des Kaisers,
Darlehen im Betrage von 0. Me zu gewähren, und die Kinder noth— leidender Eltern einmal täglich in den Schulen warm zu speisen. Ferner solle der Senat eine Statistik für die Monate Dezember, Januar und Februar erheben, um festzustellen, wie viele Arbeiter und wie lange dieselben gefeiert hätten.
Ein Hülfscomits vertheilt gegenwärtig täglich 16046 610 Portionen
Mittagessen sowie Brot und Kohlen an Arme.
Eine Correspondenz der ‚Madb. Ztg. aus Braunschweig
theilt mit, daß die dortigen Sozialdemokraten den Namen ihres