und noch heute steht die Kolonialregierung auf dem Boden dieser Direktive, Es war nothwendig, daß solche Direktive gegeben wurde und daß man sich klar wurde, was denn eigentlich geschehen sollte; denn dieser Zustand, in dem wir lebten, war eben unerträglich; wir mußten heraus aus ihm, und das war eine der wesentlichsten Schwierigkeiten, die uns beim Abschluß des Vertrages mit England entgegentraten. England hatte Zeit und war nicht begehrlich Ge⸗ sättigt von reichen Kolonien, spielte etwas mehr Witu oder Sansibar für England nicht die Rolle wie für uns, wo ja durch die Theil nahme der Nation an diesen Dingen die Kolonien für uns einen idealen Werth gewonnen hatten, von dem in England keine Rede war.
Eine weitere Erschwerung der Verhältnisse bei den Ver handlungen lag darin, daß man mit Dingen zu thun hatte, die geographisch und Theil nicht definirbar waren. Es handelte sich um
rechtlich zum großen T defini — ganz unbekannte und unbenannte Größen. Es kam hinzu, daß England
dem Sultan von Sansibar gegenüber die stärkere Stellung einnahm. England ist dort seit Anfang des Jahrhunderts thãtig gewesen. und wenn ich gern anerkenne, daß die deutschen politischen Agenten, welche in Sansibar thäͤtig waren, es dort bis zu einem gewissen Grade von Einfluß ge⸗ bracht hatten, so war der Engländer doch der Stärkere dem Deutschen gegenüber. Das deutsche Element auf der Insel und in der Stadt Sansibar hatte zugenommen, ein starker Zulauf von zum Theil fragwürdigen deutschen Elementen batte stattgefunden, und dies Vor⸗ handensein der Deutschen war den Verhandlungen und unserem Verhältniß zum Sultan schon seit Langem nicht mehr förderlich gewesen. Die Deutschen waren mehr laut als einflußreich dort. So traten wir unter nicht leichten Verhältnissen in Unterhandlungen mit England ein. Ich werde nachher darauf zurück⸗ kommen, was wir damals erreicht haben. Ich bin noch heute der Ueberzeugung, die ich beim Abschluß der Verhandlungen hatte, daß, wenn wir von dem Werthe von Helgoland absehen und von der Frage, in wie weit sich unser Verhältniß zu England dadurch gebessert hat, der Vertrag für uns vortheilhaft war. (Sehr richtig! links.)
Ich will mir nun erlauben, die wesentlichsten Vorwürfe, die da⸗
gegen erhoben worden sind, durchzugehen. Eine Menge Kleinigkeiten fasse ich unter einen Vorwurf zusammen: Ihr habt nicht genug gekriegt; und in der deutschen Presse ging man soweit zu sagen, der brave deutsche Michel hätte sich von dem perfiden Albion übers Ohr bauen lassen und wäre nur mit einem kleinen Stück der Beute nach Hause gekommen. Ein fremder Staatsmann soll die Aeußerung während der Verhandlung gethan haben: ‚Gott, wenn man nur Deutschland ganz Afrika geben könnte!“ In dem Ausspruch liegt die Anerkennung, daß die Sache doch irgendwo eine Grenze haben müßte. Man hatte die Tbeorie des Hinterlandes erfunden und war in deren Anwendung nicht sparsam gewesen. Nun mußte sich die Kolo⸗ nialregierung aber doch die Frage vorlegen: was können wir auf die Dauer halten? wie weit reichen unsere Kräfte? wie weit reicht das Geld, was Deutsche in Kolonien anzulegen gesonnen sind, und wie weit reicht unser Menschenmaterial, was in den Kolonien verwendbar ist? Und da, bin ich der Meinung, war von Hause aus eine Schwäche unserer Kolonialpolitik — und ich betone wiederum ausdrücklich, um jedem Mißverständniß vorzubeugen: ich übe hiermit keine Kritik an meinem Amtsvorgänger — das lag in der öffentlichen Meinung, in den Verhält- nisen, wie die Kolonien bei uns geboren wurden. Man hatte nämlich an zu vielen Stellen gleichzeitig angefangen und hatte nun beide Hände voll mit Dingen, die man zu verwerthen nicht im Stande war, weil man weder Geld noch Menschen dafür batte. Ist diese meine Ansicht richtig, so folgt weiter, daß über eine gewisse Grenze binaus jede Vermehrung des Umfangs unserer Besitzungen in den Kolonien zu einer Schwächung werden mußte; denn wenn wir doch nicht die Kraft hatten, das zu verwalten und zu halten, was wir ge— wonnen hatten, so mußte in dem Mehrnehmen Maß gebalten werden. sonst wuchs die Schwäche.
Von den zablreichen einzelnen Punkten, die bemängelt worden sind, ist mancher schon der Vergessenheit anheim gefallen. Zwei sind von den Hrrn. Abgg. Graf Mirbach und von Kardorff ausdrücklich erwähnt worden, und ich erlaube mir deshalb, näher auf sie zurück⸗ zukommen. Sie hatten immer bis dahin in der öffentlichen Meinung noch einen dritten Kollegen, den ich aber jetzt, nachdem er hier nicht erwäbnt ist, für abgetban balten darf: die Walfischbai. Die beiden, welche noch jetzt genannt wurden, sind Witu und Sansibar.
Nun, was ist Witu? Meine Herren, in der Denkschrift, die die Kolonialregierung veröffentlicht hat am 29. Juli im Staats ⸗Anzeiger“, bat sich die Regierung mit derjenigen Vorsicht, die durch unser Ver⸗ hältniß zu England und zu den Gesellschaften, welche in ihrer Thätig⸗ keit und in ibten Einnahmen nicht zu beeinträchtigen die Regierung nickt allein ein Interesse batte, sondern die zu schützen sie verpflichtet war, — also mit derjenigen Vorsicht, die diese Rücksichten geboten, hat sich die Regierung ausgesprochen. Es steht da auch unge fãhr zu lesen, was sie über Witu denkt. Da ich nun doch annehmen muß, daß das, was da stebt, den Herren nicht genügt hat, daß sie immer noch meinen, Witu muß für ein hinreichend kulturfähiges und wohl zu erwerbendes Land angeseben werden, so will ich mir erlauben, aus dem Geschäftéberict der damals noch agirenden Witugesellschaft Folgendes vorzulesen. Sie bemerkt,
daß sie auch dem Plantagenban — darauf war sie nämlich aufmerksam gemacht worden — die ibkm gebäbrende Aufmerksamkeit gewidmet habe, daß derselbe aber, wenn nicht durck Sklarenarbeit erfolgend, sich unrentabel erweise, Der Werth der Ernten reiche nicht einmal hin, um die Aufseher und Arbeiter zu ernähren und zu lohnen, geschweige denn einen Gewinn einzubringen. Einige Kekospalmenplantagen seien im Heranwachsen begriffen, würden aber erst in einem Jahrzehnt Früchte tragen und aledarn erst, wenn überbaupt, sich ergiebig zeigen. Nun kann man dock arrebmen, daß diese Gesellschaft, die mit großen Hoffnungen gegrürdet war, ein noch praktischeres Interesse daran batte, die guten Seiten von Witu zu finden, soweit welche sindbar waren, als etwa die bleßen Reisenden, die gestern hier citirt worden sind. Wir sind ja mit unserem Material, mit allen Quellen über diese Länder übel dran. Es sind zum Theil Berichte von Reisenden und, wie schon bemerkt ist, der Eine at das Fieber gebabt, der Andere bat es nicht gehabt, sofort sehen sie die Sache anders an. Dann kommen die Berichte ron Kaufleuten, die faft immer ein Interefse an der Sache haben, der Eine will Kon⸗ kurten machen, der Andere will sie nicht, der Dritte will nicht ge⸗ steben, daß er dort schlechte Gejchäfte gemacht bat. Und schließlich
kindern identifiziren und den engen Kreis, in dem sie wirken, auch für
maßgebend für weitere Verhältnisse halten.
Ich bin also der Meinung, daß, wenn die Kolonialregierung auf
dies Land Witu an sich keinen großen Werth legte, bisher das Ge⸗
gentbeil, daß sie Unrecht gehabt bat, nicht erwiesen ist.
Der Werth von Witu verringerte sich um so mehr, als es im
Laufe der Verhandlungen zweifellos wurde, daß wir die beiden Inseln
Manda und Patta, die dem Witulande vorliegen, nicht bekommen
konnten. Sie stehen in demselben Verhältniß wie die dritte,
Lamu; das war schon durch ein Schiedsgericht dem Sultan
zugesprochen; dasselbe hätte uns hier passiren können. Nun würde
ich aus meinem alten Interesse für die Marine es gewünscht haben,
diese Inseln, Manda und Patta, bekommen zu können, weil hinter
ihnen ein verhältnißmäßig brauchbarer Hafen war. Die Verhãͤltnisse
lagen aber so, daß die Rechtsverständigen, die wir darüber hörten, der
Meinung waren, kein Schiedsgericht könne uns Manda und Patta
zusprechen. Ohne Manda und Patta aber war dies ganze Wituland
für uns ziemlich werthlos; denn das Beste an ibm war eben nach
meiner Ansicht der Hafen; bekamen wir den Hafen nicht, so war auch
das Hinterland nichts nütze. Nun war die Witugesellschaft im Begriff,
sich aufzulösen und sich an die Deutsch⸗Oỹafrikanische Gesellschaft zu
verkaufen, und zwar mit der ausgesprochenen Absicht, dadurch ein
Kompensationsobjekt zu schaffen. Diese Absicht hatte die Veutsch⸗
Ostafrikanische Gesellschaft acceptirt auf Instanz der Regierung; der damalige Staatssekretär des Auswärtigen Amts hatte der Gesellschaft
eröffnen lassen, daß das Auswärtige Amt gegen den Erwerb des Witulandes durch die Deutsch ⸗-Ostafrikanische Gesellschaft nichts einzu⸗
wenden hätte, aber nur unter der Voraussetzung, daß dieser Erwerb zu Kompensationszwecken erfolge. Also schon damals, schon ehe wir in den Vertrag eintraten, stand fest: Witu soll zum Kompensations⸗ objekt gemacht werden.
Nun hat Witu, nachdem es an England abgetceten war, noch ehe die Abtretung ganz perfekt war, das Interesse des Publikums von Neuem dadurch erregt, daß Deutsche, die eine Unternehmung dahin gerichtet hatten, zu Schaden gekommen sind; es war das zu be— klagen. Ich will auf die Einzelheiten hier nicht eingehen und mich auf die Bemerkung beschränken, daß, auch wenn Witu um die Zeit noch deutsch gewesen wäre, nach den mir bekannten Personalien des Mannes, an dessen Namen sich diese Expedition anknüpft, ich nicht den mindesten Zweifel daran habe, daß eine Ausschreitung gegen den Sultan von Witu, die zu diesen Feindseligkeiten führte, gerade so gut unter deutschem Protektorat möglich war wie unter englischem. Die Engländer schritten nun ein und haben ein Landungscorps von 900 Mann etwa drei Tagemärsche in das Innere geschickt, um Witu niederbrennen zu lassen. Wenn wir nun in der Lage gewesen wären, um der Ausschreitung eines Deutschen willen eine solche Expedition in Scene zu setzen, so würden wir materielle Mittel haben aufbieten müssen, die etwa denselben Umfang angenommen hätten, wie die Schiffsconcentration um Sansibar im Jahre 1885. Die Engländer halten vermöge der großen Zahl ihrer Schiffe auf einer einzelnen ihrer zahreichen Stationen, die von mehreren Flüssen getheilt sind, ungefähr so viel Schiffe, als wir überhaupt im Ganzen Kreuzer in der Welt im Dienst haben. Die Folge wäre die gewesen, daß, wenn wir ein Landungkcorps von 900 Mann hätten zusammenbringen müssen, wir sieben, vielleicht auch acht Kreuzer hätten zusammenziehen müssen; wir hätten also diese Schiffe von anderen Stationen weg⸗ nehmen müssen; es würde sehr lange Zeit darüber vergangen sein und es hätte nicht unerhebliche Kosten verursacht. Denn ich darf daran erinnern, daß a conto dieser Schiffsconcentration bei Sansibar vom Jahre 1885 der Etat der Marine um etwas über eine und eine halbe Million überschritten wurde.
Ich meine also, daß auch vom rein finanziellen Standpunkte die Geschichte uns insofern Recht gegeben hat, als sie zeigt, wie kostspielig zu Zeiten der Besitz eines absolut werthlosen Landes werden kann.
Ich komme zu dem Protektorat von Sansibar. Ich habe mir schon erlaubt zu erwäbnen, daß die Zustände in Sansibar geradezu unerträglich waren. Wir sind bis dahin, wenn auch die Interessen von Engländern unseren Interessen oft entgegengesetzt waren, immer noch weiter gekommen, indem zuletzt eine gewisse Konniven von England gegen unsere Interessen eintrat, eine Konnivenz, die hier und da von unt durch die allgemeine Politik ausgeglichen wurde; unsere allgemeine Politik war vielleicht hier und da in der Lage, etwas für England thun zu können. So hatte man sich arrangirt.
Nun hat man gesagt — ich gebe das vollkommen zu — daß der Besitz von Sansibar den Handel in den bisherigen Verhältniss en gelassen hätte. Der Handel wird an der Küste bekanntlich haupt sächlich durch Inder, die dort ansässig sind, betrieben.
Die Leute sind gewohnt, nach Sansibar zu handeln; auch manche andere Verhältnisse sprechen mit. Trotzdem aber mußten wir uns von Sansibar trennen. Denn daß uns bei diesem Vertrage das Protektorat abgetreten worden wäre, wenn England nicht gewollt hätte, das war ausgeschlossen. Es konnte damals nur der Zustand eintreten, der einzutreten pflegt, wenn wei Mächte mit einander verhandeln und es nicht zum Kriege kommen lassen wollen, sich auch zur Zeit kein Kompensationsobjekt in der allgemeinen Politik findet: daß man dann den strittigen Punkt auf sich beruhen und den status quo fortbestehen läßt. Das war aber das, was wir nicht konnten. Denn wir waren unbedingt in der Nothwendigkeit, von dem zehn Seemeilen breiten Küstenstreifen die Flagge des Sultans herunter— zubekommen; wir waren weiter in der Nothwendigkeit, dies Resultat zu erreichen, ohne einen Groschen Geld dafür in der Tasche zu haben.
Nun bat man gesagt: hättet Ihr gewartet, so wäre Euch ja dies ganz von selbst zugefallen. Ja, das ist ein Moment was meinerseits nicht als durchschlagend anerkannt wird. Wenn man die Voraus- setzung hat, daß die Verhältnisse der allgemeinen Politik einmal so werden könnten, daß England geneigt wäre, für irgend einen Preis, den wir anderswo zahlen, uns das Protektorat von Sansibar zu über lassen, — wenn ein solcher Zustand einmal eintceten könnte —, so weiß ich nicht, warum derselbe nicht jetzt ebenso gut eintreten kann, wie noch zu der Zeit, als der Sultan souveräner Herr von Sansibar, aber unter Englands Einfluß war.
Ich will noch auf einen Vorwurf eingehen, der uns wiederholt gemacht worden ist, nämlich den, daß Fürst Bismarck diese Abtretung schwerlich gemacht haben würde. Man hat die jetzige Regierung darin mit der borigen verglichen, und der Vergleich fiel zu unserem Nachtheil aus. Nun würde ich ganz und gar ein pflichtvergessener Mensch sein, wenn ich, als ich in dieses Amt eintrat und solche Ver—⸗
der bedeutende Mann gewesen wäre, der er war, davon überzeugt
hätte: was sind denn für Vorgänge da und was bat denn die
Regierung in der Sache vor, was hat sie für einen Standpunkt ein⸗ genommen? Das war ja eine ganz selbstverständriche Pflicht, und
Sie können glauben, daß ich dieser Pflicht mit großem Eifer nach
gegangen bin.
Da habe ich nun in Bezug auf Witu gefunden, daß im Oktober
des Jahres 1889, als der Fürst Bismarck sich auf seinem Landsitze
befand, und die Fragelwegen der Annektirung des Küstenstriches von Witu bis Kismaju angeregt worden war, er nach Berlin schreiben ließ: Mag die Nachricht richtig sein oder nicht; jedenfalls bittet der Reichskanzler dringend, vor jeglichem Vorgehen sich sorgfältig zu vergewissern, ob nicht Engländer daselbst bessere Rechte haben oder auch nur zu haben glauben. Die Erhaltung von Lord Salisbury hat für Se. Durch laucht mehr Werth wie ganz Witu.“ (Hört, hört! links.) Und was das Protektorat von Sansibar angeht: es war im Dezember 1888; es hatte eine Budgetverhandlung stattgefunden, bei der die Frage angeregt worden war, ob man nicht das, was wir jetzt haben, im Wege des gütlichen Vergleichs bekommen könnte, nämlich den Erwerb des Küstenstreifens auf dem Festlande, dieses zehn See⸗ meilen breiten Küstenstreifens, durch eine Abfindung des Sultans, und ich glaube, der Hr. Abg. Oechelhäuser, unterstützt auch durch Abgeordnete anderer Parteien, hatte die Ansicht aufgestellt, man könne für diesen Küstenstreifen wohl 10 bis 20 Millionen dem Sultan von Sansibar bieten. Es war dann die weitere Idee angeregt worden, man könne dann den Engländern an einer anderen Stelle auch zu Willen sein. Da hat mein Herr Amtsvorgänger an den Rand des Berichts, der ihm über diese Kom⸗ missionssitzung gemacht worden ist, geschrieben: Darüber müßten wir zunächst England fragen, wo ich Zustimmung kaum erwarte. England ist für uns wichtiger, wie Sansibar und Ost ⸗ Afrika. (Hört, hört! links.) Ich glaube also, der Vorwurf eines leichtsinnigen Abweichens von den Traditionen meines Vorgängers oder der, eine falsche Bahn eingeschlagen zu haben, weil sie nicht die meines Vorgängers war, kann mich in dieser Beziehung nicht treffen. (Bravo! rechts.) Nachdem wir nun unter vielen Mühen — und ich kann sagen, ich habe mit Spannung den Moment erwartet, in der letzten Stunde zoz er sich noch hin, bis die Unterschrift unter den Vertrag gesetzt war —, nachdem wir das mit vieler Mühe erreicht hatten, kam die vielleicht noch größere Mühe. England hatte sich in dem Vertrage verpflichtet, uns beizustehen, daß wir gegen eine billige Entschädigung den Küstenstreifen, soweit der Sultan noch Hoheitsrechte an ihm hatte, von ihm bekommen sollten. Ja, eine billige Entschädigung; das schreibt sich leicht, nachher aber wird das Wort sehr drückend, wenn man positiv, wie wir, keinen Pfennig in der Tasche hat. Womit sollten wir den Sultan ent⸗ schädigen? Es blieb uns also nichts übrig, als in Verhandlungen mit der Ostafrikanischen Gesellschaft einzutreten. Während wir nun hier auf der einen Seite den Versuch machten, aus den Taschen der Ostafrikanischen Gesellschaft, deren Verwaltungsrath um die Zeit nicht zusammengebracht werden konnte, weil die meisten Mitglieder auf Reisen waren, eine Mark nach der anderen herauszuholen, so ver⸗ suchten wir auf der anderen Seite, in Eagland um eine Mark nach der anderen den Preis herunter zu drücken (Heiterkeit), und so sind wir von dem ursprünglich angesetzten Preise — und ich wiederhole nochmals, selbst in der Budgetkommission waren 10 bis 20 Millionen nicht für zu hoch gehalten worden, der Hr. Major Liebert in seinem Reiseberichte batte auch noch die Summe von zehn Millionen als eine ganz zahlbare für den Gewinn dieses Küstenstreifens gehalten — auf vier Millionen heruntergekommen. Aber auch diese pier Millionen wollten beschafft sein, und das war recht schwer. Es reichte aber nicht hin, diese vier Millionen zu beschaffen, wir mußten weiter Geld bekommen, um das Land, wenn wir nun die Herren ge— worden waren, melioriren zu können. Der Aufstand hatte das Land verwüstet, die kleinen Küstenstädte waren Haufen von Ruinen, die Plantage Lewa war niedergebrannt, zerstört. Nicht allein diese Schäden mußten wir herstellen, sondern wenn aus dem Küstenstreifen überhaupt etwas werden sollte, mußten wir in der Lage sein, eine Telegraphenlinie anzulegen, hier und da Wege zu bauen, und eine Zahl Meliorationsarbeiten mußten vorgenommen werden, die die Regierung selbst vorzunehmen keine Neigung hatte; sie mußte Leute finden, die sie vornehmen wollten. Wir mußten also zahlbare Menschen an unserer Seite haben, die weiter mitwirken wollten, um das, was wir nun durch den deutschenglischen Vertrag in Ost ⸗Afrika gewonnen hatten, ausnützen zu können. Es wurde darauf der Ihnen bekannte Vertag mit der Ost⸗ afrikanischen Gesellschaft abgeschlossen. Die Gesellschaft brachte die vier Millionen noch rechtzeitg auf; am 29. Dezember konnten wir sie zablen, und sie brachte außerdem eine Summe von etwa sechs Millionen auf, die sie sich vertragsmäßig verpflichtet hatte, in das Land hineinzustecken, um es zu melioriren. Das Reich übernahm die Verpflichtung, aus den Zöllen, die die Ostafrikanische Gesellschaft vom Sultan von Sansibar gepachtet hatte und deren Ertrag nunmehr an das Reich überging, die Gesellschaft zu einem billigen Zinsfuß, der in dem Vertrage festgesetzt ist, zu entschädigen. Die Summe, die das Reich der Gesellschaft dafür jährlich zu zahlen hat — 600 000 M, wenn ich mich nicht irre —, ist geringer, als der Ertrag der Zölle, selbst in dem Auf⸗ stands jahre, wo Handel und Wandel nahezu ganz stille gestanden haben, gewesen ist. Es ist also nicht wahrscheinlich, daß in abseh⸗ barer Zeit die Höhe dieser Zölle heruntergehen wird. Ich will Eins zugeben (weil ich nicht das Bestreben habe, hier irgend etwas zu ver— schleiern): die Sache bat auch ihre Schwierigkeiten. Der Elfenbeinhandel, auf den wir bis jetzt in der Hauptsache basirt sind und der eine Quelle dieser Zölle ist, ist Raubbau. Es wird, wenn es so weiter geht, einmal eine Zeit kommen, wo keine Elephanten mehr da sind; aber noch sind wir nicht so weit. Und dann ist es eine Erfahrung, die andere kolonisirende Nationen gemacht haben, nicht mit dem Elfenbein, aber mit Gold oder anderen kostbaren Stoffen, daß, wenn man erst gewisse Wege eingeschlagen hat, die ursprünglichen Artikel nicht mehr erforderlich bleiben. Es treten andere Artikel an deren Stelle, und so sind wir zu der Annahme berechtigt, daß die Deutschafrikanische Gesellschaft nach wie vor ihre Rente wird vom Staat erhalten können.
Bamberger gestern mißverständlich sagte; er meinte, das Reich hätte die moralische Verpflichtung übernommen, wenn nun doch äber alles
baben wir Briefe von Missionaren, die sich oft mit ihren Tauf⸗
handlungen übernahm, mich nicht, selbst wenn mein Vorgänger nicht
Erwarten die Zölle einmal geringer würden, dann mit seinen Mitteln
Ich möchte mich noch gegen etwas verwahren, was der Hr. Abg.
beizuspringen. Das war mir ein reuer Gedanke. Verpflichtung habe ich bisher nicht empfunden, nicht, ob das Reich sie empfinden würde,
das dann von Ihrem Empfinden abhängen. Wir mußten ja, wenn wir in Ost Afrika weiter kommen wollten, bei dem Vertrage mit der Gelsellschaft nicht bloß das fiskalische Interesse im Auge haben, sondern dieser Gesellschaft, die ein ver— hältnißmäßig bedeutendes Kapital in Ost Afrika angelegt hatte, durch den Aufstand kolossal gelitten hat, und in einen Zustand versetzt worden war, daß sie, wenn ihr nicht vom Reich, indem das Reich ge⸗ wisse Funktionen übernahm, geholfen wurde, vielleicht nicht wieder lebensfähig geworden wäre; der Gesellschaft mußten wir soviel Schonung angedeihen lassen, daß sie lebensfähig blieb und mit einiger Aussicht auf Erfolg in Ost -Afrika weiter wirken kann. Ich glaube, daß auch dieser Vertrag mit der Ostafrikanischen Gesellschaft sowohl für das Interesse des Reichs wie für das der Gesellschaft ein guter ist.
Nun sagt man, — und ich glaube gestern auch von dem Hen. Abg. Bamberger einen Anklang davon gehört zu haben —, Ihr hättet doch das Geschäft qua Reich machen sollen und die 4 Millionen vom Reich aufbringen, das wäre einfacher und vielleicht auch vornehmer ge— wesen. Zweifellos, denn vornehm war dies nicht (Heiterkeit), das gebe ich zu, wenn die Reichsregierung sich bemühen muß, um nach und nach eine Privatgesellschaft dahin zu bringen, daß sie sich überzeugt, daß ihr Interesse und das Reichsinteresse Hand in Hand geht, wenn sie 4 Millionen aufbringt. Das ist nicht vornehm, aber wir konnten nicht an den Reichstag gehen, einmal schon zeitlich nicht, wir mußten am 29. Dezember das Geld von hier abschicken, wenn es am 1. Januar in London gezahlt sein sollte. Nun frage ich: welche Chancen hatten wir, das Geld vom hohen Hause bis zum 29. Dezember vorigen Jahres zu bekommen? Wahrscheinlich gar keine. (Heiterkeit.)
Also dieser äußere Umstand hinderte uns schon. Zweitens hatten wir gar keine Neigung, indem wir qua Reich den Sultan bezahlten, dessen Rechtsnachfolger zu werden; denn der Vertrag, den der Sultan mit der Gesellschaft geschlossen hatte, war ein für den Sultan viel ungünstigerer, als für die Gesellschaft. Man bat dann weiter gesagt: ja, Ihr konntet den Sultan regreßpflichtig machen, wenig— stens wegen der Kosten des Aufstandes, oder Ihr konntet der Deutsch⸗ Ostafrikanischen Gesellschaft die Kosten des Aufstandes mit ein paar Millionen in Rechnung stellen und ihr erst dann Zinsen zablen, wenn diese Millionen eingebracht worden wären. Ja, der Gedanke war ja naheliegend und, wenn ich ihn auch von Haus aus nicht für er— folgreich gehalten habe, so habe ich mich doch für verpflichtet ge= halten, ein Votum des Reichs ⸗Justizamts darüber einzuziehen: wie weit geht wohl unser Anspruch an die Regreßpflicht des Sultans und der Ostafrikanischen Gesellschaft. Das Reichs · Justizamt verneinte den Anspruch nach beiden Richtungen. Der Sultan hatte sich sehr wesentlicher Hoheiterechte entäußert ond den Vertrag sehr vorsichtig abgeschlossen, daß von ihm nichts hberauszukriegen war. Die Deutsch⸗Ostafrikanische Gesellschaft aber regreßpflichtig machen zu können, verneinte das Reichs ⸗Justizamt auf Grund des Gesetzes — wenn ich mich nicht irre — vom 2. Februar 1889. Die Motive zu dieser lex Wissmann, in denen gesagt worden war, daß man den Wissmann zum Reichs— kommissar oder einen Reichskommissar einsetzen und große Ausgaben machen wollte von so und so viel Millionen, nicht im Interesse der deutschen Gesellschaft, auch nicht um Krieg zu führen gegen irgend Jemand, sondern im Interesse des Christenthums und der Civilisation, würden nicht hingereicht haben, ein Gericht zu bewegen, daß es die Deutsch⸗Ostafrikanische Gesellschaft zum Kostenersatz verurtheilte, wenn wir einen solchen Prozeß hätten anstrengen wollen.
Nun will ich zu der Frage übergehen: Was haben wir denn nun erreicht? wie stehen wir nun jetzt? — Wir haben also zunächst erreicht, daß wir vom Sultan unabhängig geworden sind, und das ist Etwas, was ich nicht gering anschlage. So oft ich den Vertrag der Deutsch⸗Ostafrikanischen Gesellschaft mit dem Sultan gelesen habe, so hat mir das Blut etwas gekocht, wenn ich von Sr. Hoheit Flagge, von Sr. Hoheit Rechten in einem Paragraphen fünf, sechs Mal lesen mußte. Fragen Sie, wen Sie wollen, von den Herren, die aus Deutsch-Ost⸗ Afrika herkommen! Ihre Klagen fangen damit an: so lange die Sultansflagge in Ost⸗Afrika weht, ist nichts zu machen, kein Araber begreift, daß hier der Hr. von Wissmann Herr sein soll, so lange die Flagge des Sultans weht, das muß erst in Uebereinstimmung gebracht werden. Das ist ein wesentlicher Erfolg, und ein Erfolg, den wir nach meiner Meinung, so wie die Sachen lagen, durch die Konzession, daß Eng⸗ land das Protektorat über Sansibar haben sollte, nicht zu theuer erkauft haben. Der Herr Redner gestern sagte, wir hätten Sansibar aufgegeben. Das möchte ich doch nicht in diesem Wortlaut zugeben, denn wir hatten es nie, es war ein strittiger Punkt; wir haben aber unsere Ansprüche von Sansibar zurückgezogen, die übrigens auch nie begründet waren, sondern nur in dem faktischen Wettstreit zwischen Deutschland und England ihre Begründung finden konnten, und haben geglaubt, daß wir ein sehr gutes Geschäft machen, indem wir den 10 Seemeilen breiten Küstenstreifen bekommen, ein sehr gutes um deswillen, weil wir ohne diesen Küstenstreifen absolut nicht vom Fleck kämen. Wenn wir den nicht bekamen, war der Vertrag mit der Ostafrikanischen Gesell⸗ schaft nicht möglich, und ich mag kaum ausmalen, welche Zustände die Folge davon gewesen sein würden. Wir haben durch den Vertrag ein abgegrenztes Gebiet in Ost⸗Afrika bekommen und haben dadurch die Möglichkeit, mit Organisationen vorzugehen. Wie wir über die Interessensphäre und das Schutzgebiet und den Küstenstreifen denken, ist Ihnen gestern gesagt worden. Da die Sache heute noch einmal in diesem Punkte angeregt worden ist, so will ich bemerken: gewiß, wir werden unsere unmittelbare Reichsverwaltung in dem Gebiet der Interessensphäre immer weiter ausdehnen in dem Maße, als eben Deutsche in der Interessensphäre vorgehen, und in dieser Beziehung hat es mich gefreut, den Werth zu hören, der hier vom Hrn. Abg. Dechelhäuser auf das Vorgehen im Norden gelegt worden ist; denn
gerade diese vormalige, streitige nördliche Interessensphäre ist dasjenige gewesen, was wir bekommen haben, die süd— liche ist den Engländern geblieben. In der Vortragsentscheidung Sr. Majestät, die ich mir erlaubt habe, Ihnen vorzulesen, wird schon gesagt, wir sollten auf die nördliche hinwirken und dafür die südliche preisgeben. Wir hatten schon damals den Eindruck, daß die nördliche, in der der ganze Victoria⸗Nyanza und ein Ufer des Tanga njika liegt, für uns ungleich werthvoller sei, als die südliche, die nach dem portugiesischen Geblete hingeht. Das, was der Hr. Abg. Oechel⸗
Diese moralische ich weiß auch jedenfalls würde
bestätigen, daß wir in Lieser Wahl recht gethan haben. Es ist vielleickt England auch nicht ganz leicht geworden, uns diesen nördlichen Theil zu lassen; denn er liegt dem nördlichen englischen Theil nahe und ist wohl auch fruchtbarer im Vergleich zu dem, worum Eng⸗ land am Zambesi sich noch streitet. Wenn wir nun zu organisiren anfangen werden, so wird unser Bestreben dahin gehen, das, was wir nun schon fest haben, nach und nach weiter auszubauen und von da ins Innere zu gehen, also von der Küste ins Inland zu organisiren und nicht um zekehrt. Es hat Afrikakenner gegeben, die der Meinung waren, es wäre besser, man finge bei den Seen an und drehe die Sache um. Der Meinung sind wir nicht, wir müssen von da aus, wo wir unsere Bezugsquellen haben, also von der Küste aus nach dem Inlande vorgehen. Wir werden daz thun in dem Maße, als wir die Mittel finden und nicht auf Schwierigkeiten stoßen, deren Ueberwindung Zeit und Geld kostet. Soweit ich jetzt übersehen kann wird das im Norden nickt der Fall sein. Wir werden verhãltniß · mäßig schnell an die Seen kommen, und wenn wir mit den vor— handenen Mitteln auch nur eine einzige Karawanenstraße mit kleinen Stationen werden befestigen können, so glaube ich, daß damit viel gewonnen sein wird. Wir wollen die Verwaltung als unmittelbare Reichsverwaltung oder, wenn der Ausdruck erlaubt ist, ob⸗ wohl er für das Deutsche Reich absolut unkorrekt ist, als Kron kolonie übernehmen. Der Hr. Abg. Bamberger bat uns vor— geworfen, daß wir damit mit unserer Vergangenheit brächen. Es kann sein, daß er damit Recht hat, aber die Verhältnisse zwingen uns dazu, und „der Noth gehorchend, nicht dem eigenen Triebe,“ über— nehmen wir die unmittelbare Reichsverwaltung, weil, wenn wir das nicht thäten, aus ganz Ost⸗Afrika voraussichtlich nichts werden würde. Die Deutschostafrikanische Gesellschaft ist mit uns damit einverstanden, da sie nicht in der Lage ist, Deutsch-Ost-A1frika selbst zu ver walten. Sie hat sich deshalb an die Regierung gewendet und die Regierung, die ja über ungleich größere Mittel verfügt, ist Willens, die Sache zu übernehmen, und hat die nöthigen Einleitangen bereits gethan. Das ist an und für sich auch gar nicht etwas so Abnormes; denn wenn man sich mit der Geschichte der Kolonien anderer Staaten beschäftigt, deren Entstehungsweise vielfach eine ganz andere ist, zwischen denen und den unseren eine Parallele beinahe unmöglich ist, so muß man doch das zugeben, in der Kindheit pflegen die Kolonien selbständig zu sein und dann wieder im hohen Alter, kurz che sie vom Mutterlande abfallen; ihr mittleres Leben wird aber fast immer durch eine Regierung Seitens des Mutterlandes aus— gefühtt. Wenn wir nicht so schnell in die Kolonialpolitik hinein gekommen wären, hätte man sich vielleicht schon auf dem einfachen Wege des Studiums sagen können, daß dies das Schicksal der Sache sein würde. Wir können auch aus einem anderen Grunde von einer stärkeren Mitwirkung der Regierung zur Zeit gar nicht absehen, weil das Land faktisch noch nicht pazifizirt ist. Der Norden ist zur Zeit — es kommen ja kleinere Gefechte vor; das will aber nicht viel sagen — beruhigt. Wie der Süden ist, das wissen wir nicht; es sind weite Gebiete, in denen überhaupt noch kein Deutscher gewesen ist; ich darf nur an eine Expedition gegen den Häuptling Machembe erinnern, die wieder erfolglos zurückgekommen ist. Eine Gesellschaft, wie die Deutschostafrikanische, ist überhaupt nicht in der Lage, Krieg zu führen; das kann nur das Reich, und wir können gar nicht sagen, ob diese Art der Pazifizirung sich in 1, 2, 3 oder 4 Jahren vollziehen wird. Also auf Jahre wäre die Reichsregierung ohnehin engagirt.
Liegen nun die Verhältnisse so, so folgt weiter, daß die Truppe, die jetzt da ist, in ibrem Bestande nicht verringert werden kann, daß sie aber auch in der bisherigen Weise nicht weiter bestehen kann. Das kontraktliche Verhältniß, durch das die Offiziere an den Major von Wissmann gebunden sind, ist doch nur ein lockeres und kann auf die Dauer nicht den Geist erzeugen, den eine Truppe, die zu so schweren Aufgaben wie die Truppe in Ost -Afrika berufen ist, unbedingt braucht. Das geht nur, wenn sie eine andere, höhere Spitze über sich hat, und es erschien — darüber ist auch in der Truppe selbst gar kein Zweifel — unbedingt nothwendig, aus der Wissmann'schen Truppe eine Reichs truppe zu machen.
Sie wissen aus den Denkschriften, wie sie organisirt werden soll; ich brauche darauf nicht einzugehen, ich kann nur sagen — und das sage ich im Hinblick auf eine Notiz, die jetzt durch die Zeitungen geht —, daß das Schicksal der Offiziere, die jetzt da sind, der Kolonialregierung am Herzen liegt. Es wird allerdings eine Ver— ringerung in der Zahl der Offiziere eintreten müssen. Es wird also den Einen oder Anderen das Schicksal treffen, sei es aus Gesundheitsrücksichten oder sei es, weil eben zu viele da sind, daß er zurückkommen muß. Wir werden aber das Bestreben haben, ihm eine Uebergangszeit zu schaffen, die ihm den Rücktritt in andere Verhältnisse erleichtert. Was für Mittel dazu erforderlich sind, können wir nicht übersehen, voraussichtlich sehr geringe, es wird sich um vier bis sechs Offiziere handeln. Ich kann aber annehmen, daß, wenn wir zu diesem Behuf den Etat überschreiten werden, das hohe Haus uns deshalb nicht wird übel wollen.
Es wird bei der Organisation der Schutztruppe als Grundsatz festgehalten werden müssen, daß die weißen Offiziere und Unteroffijiere, die hingehen, möglichst das Gefühl behalten, daß sie Deutsche sind. Die Franzosen haben mit ihrer Truppe die schlechte Erfahrung ge macht, daß, wenn Leute draußen blieben mit der Aussicht, ihr Leben lang nicht wieder zurückzukommen, ein gewisser Zustand der Ver— wilderung eintrat. Das werden wir zu vermeiden suchen müssen. Wir werden danach trachten, einen gewissen Turnus zu finden, in dem die Truppe sich von hier aus ergänzt. Wir werden neben der Landtruppe, wie Sie durch den Herrn Berichterstatter gehört haben, eine kleine Truppe haben müssen, die durch Schiffe den Verkehr an der Küste vermittelt.
Wenn Sie mich nun fragen, wie eine geordnete Verwaltung ge— schaffen werden und wie das gedacht werden soll, so kann ich Ihnen darüber keine Antwort geben. Das läßt sich von hier absolut nicht übersehen. So viel kann ich aber übersehen, daß die Verhältnisse im Norden der Küste andere sind als im Süden, daß sie im Innern ganz andere sind als an der Küste. Wenn wir nicht in den Fehler verfallen wollten, von hier aus Maßregeln zu ergreifen, die, wenn die Posten sie nach Ost-⸗Afrika bringen, unausführbar sind oder an Ort und Stelle unter dem helleren Licht der tropischen Sonne so klare Fehler zeigen, daß der Mann, der sie ausführen soll, sie nicht ausführen kann, so blieb uns nichts Anderes übrig, als einen einzigen Mann mit mög lichst ausgedehnter Vollmacht und voller Verantwortlichkeit an Ort und Stelle zu setzen.
häuser sagte, und die Erfahrung, die wir bis jetzt gemacht haben,
Hauses, wir möchten danach trachten, mit der Zeit das Reich zu ent— lasten. Ja, ganz gewiß thun wir das, das thun wir schon jetzt; und wenn die ostafrikanische Kolonie so gedeiht, wie ich es hoffe und für wahrscheinlich halte, dann glaube ich, daß das Reich in absehbarer Zeit in die Lage kommen wird, diejenigen Kosten, die es heute noch selbst aufwenden muß, aus den Einnahmen, sei es der Zölle, oder anderer Einnahmemittel, die sich uns eröffnen werden, sicher zu stellen. Ich stimme mit dem Hrn. Abgeordneten Grafen ron Mirbach darin ganz überein — ich glaube, er war es, der das sagte —, daß es sehr schwer sein wird, den Handel von Sansibar nach der Küste zu ziehen. Aber der Versuch muß gemacht werden. Warum sollen wir unter fremder Flagge an einem dritten Orte handeln? Es kann das — das ist ganz richtig — Jahrzehnte dauern, bis wir so weit sind kein Mensch kann das übersehen; aber ich möchte siberhaupt vor dem Glauben warnen, daß das, was wir nun in den Kolonien vorhaben, leicht gehen wird. Das ist gerade, ein Fehler im Anfange unserer Kolonisation gewesen, daß auch die betheiligten Kreise sich die Sache viel leichter vorstellten und, als es nun schwerer war, hie und da wohl ju ermatten geneigt wären. Keine Illusionen! Das, was wir da treiben, wird Mühe und Arbeit noch auf lange Zeit sein; aber ich bin der Meinung, wir haben keinen Grund, davor zurück— zuschrecken.
Die Kolonialregierung hat sich dafür entschieden, Dar-⸗es Salaam zur Hauptstadt unserer ostafrikanischen Kolonien zu machen. Daß sie an der Küste liegen muß, ist unter den gegebenen Verhältnissen klar. Die Sachverständigen und Ortskenner schwankten zwischen Bagamoyo, dem größeren Handelsort, und Dar⸗es⸗Salaam, dem besseren Hafen. Daß Dar-es⸗Salaam unser Kriegshafen — wenn ich diesen groß⸗ klingenden Ausdruck gebrauchen darf — für Ost -Afrika werden wird, ist zweifellos, und es wird sich — denn dafür schienen uns die meisten Motive zu sprechen — empfehlen, den Schwerpunkt unserer Regierung dahin zu verlegen. Inwieweit Plantagenbau, Bergbau möglich sein wird, das wird zum guten Theil auch von der Frage abhängen, wie weit es uns gelingt, die Bevölkerung an Arbeit zu gewöhnen. Ich stehe vollkommen auf dem Standpunkte derjenigen, die sich dafür begeistern, den Sklavenhandel abzuschaffen und zu unter— drücken man kann aber auf der anderen Seite nicht leugnen: Für unser Kolonialunternehmen war es vielleicht nicht günstig, daß die Unterdrückung des Sklavenhandels mit dem Beginne des Plantagenbaues a tempo kam, denn bisher ist der Plan— tagenbau, wenigstens wo er tief in der Kindheit lag, immer nur geglückt, wenn er durch Sklaven betrieben wurde. (Hört, hört! links.) Wir werden sehr sorgfältig darin sein müssen, daß wir die Interessen der an der Küste wohnenden Inder schonen. Wir brauchen die Leute, sie sind geborene Handelsleute, sie haben Beziehungen bis weit in das Innere von Afrika, und wir wären nicht im Stande, sie zu ersetzen. Wir werden uns bestreben, ihre Kräfte uns nutzbar zu machen; fürs Erste aber werden wir sie schonen müssen.
Das wäre ungefähr das, was sich von der Sache sagen läßt, und ich komme nun noch einmal darauf zurück: die Hauptsache ist die Personenfrage. Es hat mich die warme Anerkennung, die der gegen— wärtige Gouverneur von Kamerun Freiherr von Soden hier gefunden hat, gefreut. Wie in der Vortragsentscheidung, die ich mir zum dritten Male erlaubte anzuführen, schon gesagt worden ist: Es muß Einer über Alle gestellt werden, anders kann es nicht gehen. Jetzt mußten wir Einen suchen, und ich glaube, darin werden die Herren mit mir einverstanden sein, es mußte Einer sein, der fremd hin kam, der mit den Dingen, die da jetzt vor sich gehen, nichts zu thun gehabt hat, der auch Kenntniß in der Verwaltung tropischer Länder mitbrachte. Und der einzige Mann, Len wir im Augenblick dafür Sr. Majestät in Vorschlag bringen konnten, war Freiherr von Soden, der mit so großem Geschick aus der Anfangs auch verzweifelt scheinenden Kolonie Kamerun etwas gemacht hat. Hr. Freiherr von Soden ging nun hin, um sich die Sache anzusehen, und behielt sich seine Entscheidung darüber, ob er das Kommissorium übernehmen könnte, vor, bis er an Ort und Stelle gesehen haben würde. Er ist wiedergekommen, keineswegs als Optimist. Er vergleicht manches mit Kamerun, und findet manches in Kamerun besser als in Ost⸗Afrika, er findet auch, daß manche Schilderungen, die er vorher gelesen hat, übertrieben sind, er kommt aber doch wieder mit dem Glauben, daß aus der Sache etwas zu machen ist, und er würde den Auftrag nicht übernommen haben, wenn er nicht dieser Ueberzeugung wäre.
Es ist nun erwähnt worden das Schicksal der Männer, die bisher da thätig gewesen sind, des Majors von Wissmann, des Emin Pascha und des Hrn. Peters. Die Kolonialregierung ist erbötig und wird sich sehr freuen, wenn diese Herren ihre Erfahrung, ihre Energie weiter der Kolonisation von Ost-Afrika widmen wollen. Es ist ja in diesem weiten Terrain, das viel größer ist als Deutschland — davon ist nur ein kleiner Theil bisher erst bekannt, ein kleiner Theil erst unter deutsche Herrschaft gestellt — da ist sehr viel Raum, nicht bloß für drei, sondern auch für mehr Männer, die da arbeiten wollen, sodaß ihre Placirung nicht die mindeste Schwierigkeit bietet. Wir müssen nur eine Be— dingung stellen, daß sie in letzter Instanz von dem Gouverneur von Soden abhängig sind. Ich glaube, die letzten Ereignisse werden uns gezeigt haben, wie nöthig das ist. Wir können von hier aus solche Expeditionen ganz unmöglich dirigiren, das kann nur an Ort und Stelle geschehen; wir sind aber gewillt, die Sache so einzurichten, daß für die Disteikte, in denen diese Herren wirken, ihnen Hr. von Soden von den weiten Vollmachten, die er bekommt, so viel delegiren kann, als er für nöthig hält. Ich glaube, daß damit die Herren einen Wirkungskreis bekommen, wie sie ihn sich nicht besser wünschen können. Sie treten aus der Abhängigkeit, in der sie früher gestanden haben, als sie die Expeditionen ausrüsteten, lediglich in eine Abhängigkeit vom Reich, die nur so weit geltend gemacht werden wird, daß sie in Bezug auf ihre pekuniären Mittel und in ihren Aufgaben, die ihnen vorzuzeichnen sind, vom Reich abhängen. Im Uebrigen wird man ihnen voll⸗ kommen freie Hand lassen. 3 So gebe ich mich dem Glauben hin, daß wir, wenn wir auf Ost⸗Afrika sehen, im Augenblick schon ein Bild vor uns haben, was besser ist als das war, welches wir vor einem Jahre vor uns hatten. Und ich hoffe, daß, wenn wir nach einem Jahre wieder vor Sie treten, das Bild noch etwas besser geworden sein wird; denn ich wiederhole: nur nach großen Zeiträumen können wir wirklich in die Augen fallende Erfolge erwarten. Ich habe aber den festen Glauben an die deutsche Nation, daß sie an zäher Arbeit hinter keiner anderen
Es ist der Wunsch ausgesprochen worden von jener Seite des
zurücksteht und daß es ihr gelingen wird, das, was sie einmal an—