1891 / 37 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 11 Feb 1891 18:00:01 GMT) scan diff

der Cigarre zugewendet. Dies bedingt leichtere Tabacke und hat für das Elsaß die Folge gehabt, daß der dortige schwere Taback nicht mehr in dem Maße leicht absetzbar ist, wie es früher der Fall war.

Was speziell den vorgelegten Antrag der Hirn. Abgg. Menzer, Grafen Douglas und von Winterfeld betrifft, so bezweckt dersel be eine erhebliche Erhöhung des bestehenden Eingangszolles und eine erhebliche Ermäßigung des jetzigen Tabacksteuersatzes. In der Denk⸗ schrift ist auf der Seite 5 mitgetheilt, daß die betheiligten Bundesregierungen einer Erhöhung des Eingangktzolls theils überhaupt, theils zur Zeit abgeneigt sind, und daß für eine Ermäßigung der bestehenden Tabacksteuer im gegenwärtigen Moment sich keine der betheiligten Regierungen ausgesprochen hat. Sollte, was ich zunächst noch nicht annehmen möchte, der Reichstag in seiner Majorität dem gestellten Antrage zustimmen, also die vor⸗ geschlagene Resolution beschließen, so würde sich daraus für die ver⸗ bündeten Regierungen die Pflicht einer erneuten Prüfung der Frage ergeben. Ich glaube, es würde aber nur dann eine veränderte Stellungnahme der verbündeten Regierungen mit einiger Wahrschein⸗ lichkeit eintreten können, wenn in der Diskussion wirklich neue, bisher innerhalb der verbündeten Regierungen nicht erörterte Gesichtspunkte zu Tage treten, was bisher nicht der Fall gewesen ist.

Abg. Scipio: Daß der Konsum des inländischen Tabacks seit der neuen Steuerveranlagung abgenommen habe, sei richtig, aber der deutsche Taback gehe auch in großen Mengen ins Ausland. 1875176 habe die Produktion 42 000 t betragen, von denen 13 14 009 ex⸗ portirt worden seien, also ein Drittel der gesammten Produktion. 1586/87 habe die Ernte 38 000 t betragen, von denen 7216 exportirt worden feien. Daraus gehe die Bedeutung des Exports ür den deutschen. Tabackbau hervor. Gefreut habe er ich, daß die Regierung, einer von ihm früher gegebenen Anregung folgend, Steuerfreiheit für die Rippen habe eintreten lassen. Die Frage des Auslaugens möchte er gleichfalls der Regierung in Anbetracht der Wichtigkeit des Exports zur weiteren Erwãägung anheim geben. Vielleicht könnte, auch hier eine Erleichterung der Zollerhöhung eintreten. Eine solche wünschte er auch für die durch Hagelschlag geschädigten Tabacke. Wenn es unmöglich fein sollte, hier durch gesetzliche Vorschriften Erleichterungen zu schaffen, fo könnte vielleicht eine weitergehende Ermächtigung der Exekutivbehörde günstig eingreifen. Daß in Elsaß⸗Loꝗthringen viele Sympathien für das Tabackmonopol aus der. französischen Zeit cristirten, jeigten die Vertreter für Elsaß Lothringen im Reichstage jedes Jahr. Man vergesse aber in Elsaß ⸗Lothringen, daß ein Monopol in Deutschland ganz anders auf Elsaß-Lothringen wirken würde, als es das französische Monopol gethan habe. Als das, Monopol in Frankreich eingeführt worden sei, seien schwere Tabacke sehr ge⸗ sucht worden, das Schnupfen und Pfeifenrauchen allgemein ver⸗ breitet gewesen; heute sei der leichtere Cigarrentaback der gesuchtere. Gerade in Elsaß ⸗Lothringen sei der schwere Taback gebaut worden, und als sich die Geschmacksrichtung geändert habe, habe sich die französische Regierung bis zum Jahre 1870 verpflichtet gefühlt, nicht gleich eine Aenderung eintreten zu lassen. Würde das Monopol heute in Deutschland eingeführt, so müßte man auch der veränderten Geschmacks · richtung Rechnung tragen. Man könnte nur ein verbältnißmäßig ganz ge= ringes Quantum des deutschen Tabackbaues auf Elsaß · Lothringen rechnen, und der Zustand würde für Elsaß Lothringen gewiß noch schlimmer werden, dis er heute fei. Er bitte also seine Kollegen aus Elsaß—

Lothringen, nicht immer wieder auf den Monopolgedanken zurückzu · kommen Sie leis ten damit ihren Tabackbauern schlechte Dienste. Bie heutige Steuer drücke nicht deshalb, weil das Verhältniß zwischen Steuer und Zoll ein ungünstiges sei obgleich er anerkenne, daß es etwas Über die richtige Grenze hinausgehe sondern deshalb, weil bei der Gewichtsbesteuerung die Qualität nicht berücksichtigt werden könne! Wenn heute der Bauer eine schlechte Ernte habe, müsse er noch hohe Steuersätze zahlen; er habe also neben dem Quantitäts⸗ und Qualitätsöerlust auch noch eine drei- bis vierfache Steuer zu zahlen. Die Steuer auf den inländischen Taback sei in der gegenwärtigen Vergnlagungsform zu hoch; deshalb werde er für eine Erniedrigung der Steuer stimmen, aber gegen eine Erhöhung des Zolls. Jede Erhöhung des Tabacksteuerertrages be— deute eine Verringerung des Konsums. Eine Ermäßigung der Steuer würde dem Tabackbauern gewiß Hülfe bringen, da der Konsum sich heben würde. Zum Gedeihen der deutschen Tabackindustrie bei⸗ zutragen, seien alle Parteien diese; Hauses immer bereit gewesen.

Abg. Dr. Barth: Was in der Denkschrift gegen die Er— höhung des Tabackjolles gesagt sei, könne er nur unterschreiben. Es sei' ein eigenthümliches Vorgehen der Antragsteller, dem Reich einfach eine erhöhte Zolleinnahme von eg. 18 Millionen zusprechen zu wollen, obgleich in der Finanzlage des Reichs für eine solche Erhöhung keine Veranlaffung vorliege. Man wolle die Raucher zwingen, den schlechten inländischen Taback zu rauchen, indem man sie mürbe machen wolle. Erst solle der Konfument also den hohen Zoll zahlen, um dann schlechten Taback ju rauchen. Daß die französische Regie heute den schweren elfässischen Taback nicht mehr nehme, fei für den Reichstag doch kein Grund, den Zoll zu erhöhen. Gerade der elfaͤssische Taback werde vom deutschen Konsum am Allerwenigsten begehrt. Die Herren aus Elsaß Lothringen hätten bei jeder Diskussion über wirthschaftliche Fragen dem Reichstage klar zu machen versucht, daß ihre Liebe zu Deutschland in dem Maße wachsen würde, wie man speziell die elsässischen Interessen im Reichtztage wahrnehme. Wenn Deutschland sich nn n n müßte, das Tabackmonopol einzuführen, so hieße das doch die Begeisterung Elsaß⸗Lothringens für Deutschland zu hoch erkaufen. Wenn gemeint Ei daß es sich nicht darum handele, dem armen Mann neue asten aufzuerlegen, sondern gerade die Cigarren des Reichen zu vertheuern, so sei zu bedenken, daß gerade das große Quantum ausländifchen Tabacks von kleinen und mittleren Leuten verraucht werde. So viel reiche Leute habe man in Deutschland nicht, daß sie die faämmtlichen 400 9060 Doppelcentner ausländischen Tabacks, bie nach Deutschland eingingen, allein aufrauchen könnten. Wenn die Mehrheit des Reichstagez aifo eine so enorme Erhöhung, des Zolls, wie sie in dem Antrage Menzer vorgeschlagen sei, beschließe, so be⸗ saste sie aufs Neue die unteren Klassen der Bevölkerung und ver urfache Überdies einen großen Rückgang des Konsums an aug sändsschem Taback. Die ganze deutsche Tabackindustrie und den Taback⸗ handel beschwere sie damit aufs Leußerste.

Damit schließt die Diskussion. ; =

Der erste Theil des Antrages Menzer, die Erhöhung des Zolls, wird abgelehntz bei der Abstimmung über den zweiten Theil, die Ermäßigung der Tabackst euer . ergiebt sich die Hash nw afaz toter des aufes, da? 95 Mitglieder mit „Ja“, 57 mit „Nein

69 also nur 153 Mitglieder anwesend sind, während zur Beschlußfähigkeit 199 re t

Schluß zi Uhr. Nächste Sitzung: Mittwoch 1 Uhr.

Saus der Abgeordneten. 29. Sitzung vom 10. Februar 1891.

Der Sitzung wohnen bei: der Vize⸗Präsident des Staats Ministeriums, Stagts-Minister Dr. von Boetticher, der Minister der geistlichen 2. Angelegenheiten Dr. von Goßler, der Minister des Innern . der Finanz⸗Minister 2. 2 und der Minister für an ir , 2c. von

eyden.

ur dritten Berathung steht der Entwurf eines

Abg Freiherr von der Reck erklärte, trotz großer Bedenken gegen einzelne Bestimmungen des Gesetzes doch im Ganzen für dasselbe stimmen zu wollen. .

Abg. Brandenburg: Das Wichtigste an dem ganzen Gesetz sei ihm, daß hier prinzipiell ein Anspruch auf Schadenersatz für Wildfchaden anerkannt werde, und er begrüße dasselbe als einen Fortschritt innerhalb der Bestrebungen zur Besserung der Lage des kleinen Landwirths. .

Abg von Rauch haupt: Im Namen seiner politischen Freunde könne er folgende Erklärung abgeben: Ein Theil werde für das Gesetz stimmen, obwohl er die schwersten Bedenken gegen das Gesetz habe, nur deshalb, weil man auch dem anderen Hause Gelegenheit geben wolle, sich über die Materie auszusprechenz der andere Theil habe, obgleich er prinzipiell eine Entschädigungspflicht für Wildschaden an—⸗ erkenne, folche Bedenken besonders gegen die Beschlüsse der zweiten Lesung, daß er auch in dritter Lesung gegen das ganze Gesetz stimmen

werde. Abg. Conrad: Er glaube, der Minister werde mit großer

Freude dem Gesetzentwurf, der hier zu Stande gekommen sei und der noch lange nicht allen Wünschen entspräche, zustimmen können. Aber auch nach Annahme des Gesetzentwurfs durch die Regierung werde es nöthig sein, daß die großen Jagdbesitzer dem kleinen Manne

mit Wohlwollen entgegen kämen. . Abg. Strutz: Namens der Freikonservativen könne er eine ähnliche Erklarung abgeben, wie der Abg. von Rauchhaupt. Eine große Mehr heit feiner Freunde werde für den Entwurf stimmen, obgleich er ihnen durchaus nicht in allen Stücken sympathisch sei. Er beabsichtige den §. JI nicht zu ändern, also eine Schadentzersatzpflicht auch für Rehe und Fasanen anzuerkennen, aber im 5. 5 die Rehe und Fasanen zu streichen. . . .

Damit schließt die Generaldiskussion.

In der Spezialdebatte beantragt zu 8. ] Abg. Freiherr von Dobeneck, die Kommissionsvorlage wieder⸗

herzuftellen und eine Schadensersatzpflicht für Rehwild und Fasanen nicht anzuerkennen.

Der Antrag wird abgelehnt und 5. 1 nach dem Beschluß zweiter Lesung angenommen, desgleichen 88. 2—= 4.

Bei 8 5 bemerkt . Abg. Freiherr von der Reck: Wenn das Haus sich nicht ent⸗ schließe, für Rehwild und Fasanen jetzt den Regreß abzulehnen, mache es das Gesetz für Alle, die etwas von der Jagd verständen, un annehmbar, und es thue damit der Sache selbst den größten Schaden; das Haus möge also seinen Antrag wegen des Ausschlusses des Schadenersatzes für Rehe und Fasanen annehmen. .

Abg. Strutz begründet einen Antrag, der den Regreß für Rehe beseitlgen und nur für Schwarz⸗, Elch⸗, Roth und Damwild einen solchen anerkennen will. ; Abg. Francke (Tondern) meint, daß es sehr wohl nachzuweisen sei, aus wessen Gebiet Rehe und Fasanen ausgetreten seien, daß deshalb auch ein Regreß geschaffen werden müsse, wenn man das Gefetz nicht in Bejug auf einen der wesentlichsten Punkte unwirksam

machen wolle. . . Der Antrag von der Reck wird mit großer Majorität ab⸗

gelehnt; der Antrag Strutz wird gegen die Stimmen der Kon⸗ servativen, Freikonservatliven und der nationalliberalen Abgg. Seer, Hobrecht, von Bendg, von Eynern und eines Theils des Centrums abgelehnt, 5. 5 in der Fassung der zweiten , angenommen.

Zu 5. 7 beantragt Abg. Rintelen, den Anspruch auf Schadenersatz nicht bei der für das geschädigte Grundstuͤck zu⸗ ständigen Srts⸗Polizeibehörde, sondern bei dem Gemeinde⸗ vorsteher anmelden zu lassen.

Nach kurzer Begründung durch den Antragsteller wird der Antrag mit 154 gegen 147 Stimmen verworfen.

Zu 5§. 13, der den Besitzern von Qbst⸗, Wein⸗, Gemüse⸗, Blumen⸗ und Baumschulanlagen das Recht zuspricht, Vögel und Wild, welche Schaden anrichten, abzuschießen, wird ein Amendement Herold angenommen, welches den bezeichneten Besitzern das Recht zuspricht, die Schaden anrichtenden Thiere „zu jeder 6 abzuschießen.

Der Rest des Gesetzes wird ohne Debatte angenommen.

Minister für Landwirthschaft 2c. von Heyden:

Meine Herren! Nach dem Gange der Verhandlungen des hohen Hauses darf ich annehmen, daß Ihre Berathungen mit einem posi⸗ tiven Ergebniß schließen werden. Es entspricht dies meinem Wunsche, welchen ich bei Beginn der Verhandlungen verlautbart habe, daß die Angelegenheit in irgend einer Form an das Herren— haus komme und gefördert werde. Wenn ich am Schluß Ihrer eingehenden Diskussion noch das Wort ergreife, so veranlaßt mich dazu der Wunsch resp. der Anspruch, den der Hr. Abg. Conrad erhoben hat: ich möchte die Beschlüsse dieses Hauses in allen einzelnen Details mit einer gewissen freudigen Lust im Herrenhause vertreten. Mit überzeugender Kraft und mit Aussicht auf Erfolg kann man nur das vertreten, von dessen Güte man selbst überzeugt ist. (Sehr richtig!) Ich kann nicht behaupten, daß diese Ueberzeugung bei mir bezüglich aller einzelnen Bestimmungen, wie sie jetzt beschlossen sind, besteht. (Bravo! und Bewegung) Sie werden das verzeihlich finden, meine Herren, gegenüber den schwankenden Majoritäten, mit denen die einzelnen Beschlüsse gefaßt sind. Im Uebrigen stehe ich auf dem beim Beginn der Verhandlungen gekennzeichneten Standpunkte, ich werde mich nach wie vor bemühen, daß aus den Verhandlungen beider Häuser des Landtages ein praktisch brauchbares Ergebniß zu Stande komme, und gebe die Hoffnung auf eine der⸗ artige Erledigung der Angelegenheit noch nicht auf. (Lebhafter Beifall.)

Darauf wird das Gesetz im Ganzen angenommen.

Es folgt die erste Berathung des Antrages Bachem auf Annahme eines Gesetzentwurfs, welcher das Gesetz von 1861./ 73, betreffend die Klassen⸗ und Ein⸗ kommensteuer, dahin ändern will, daß in den— jenigen Landestheilen, in welchen für die Ge⸗ meindevertreterwahlen die Wähler nach Maßgabe der von ihnen zu entrichtenden direkten Staats⸗ . , n , getheiltwerden, allgemein

er Census auf sechs Mark festgesetzt werden soll. Das Gesetz soll am 1. April 1892 in Kraft treten und orts⸗ statutarische Bestimmungen, welche einen höheren Census fest⸗ setzen, an demselben Tage ihre Gültigkeit verlieren.

bg. Fritzen (Borken) begründet den Antrag, der den ein⸗ ,, Aenderungen, welche das neue Einkommensteuergesetz

ezüglich des Gemeindewahlrechts in der Richtung einer Verminderung

desselben mit sich führen werde, entgegenzuwirken bestimmt ist. Redner setzt auseinander, daß auf diese Weise ohne die Aufbietung eines umfassenden gesetzgeberischen Apparats die Verkümmerung des Wahlrechts der in die dritte Klasse gehörigen Wähler, wie sie in Folge des neuen Einkommensteuergesetzes zu befürchten sei, abzuwenden sein werde, und bittet das Haus, dem Vorschlage ohne Voreinge⸗ nommenheit und freundlich gegenüberzutreten.

Abg. v. Eynern erkennt zwar die lobenswerthe Tendenz des An⸗

trags an kann sich aber mit seinem Inhalt nicht befreunden. 1885 sei der Antrag vom Hause , . berathen, aber schließlich ab⸗

chiedenartigen kommunalen Verhältnisse in der Monarchie eine

wil fherllten rm

ö worden, weil man allseitig anerkannt habe, daß die ver⸗ olche Schablonisirung nicht ertrügen. Allerdings sei das Spatium

pon 6 bis 36 6, an welches die Gesetzgebung gegenwärtig die Be⸗ rechtigung zu den kommunalen Wahlen knüpfe, ein sehr weites, und richtiger würde es vielleicht sein, dieses Spatium auf die Ausdehnung von 6 bis 18 1 zu beschränken, aber einfach die Verschiedenartigkeit der kommunalen Verhältnisse ganz unberücksichtigt zu lassen, könne man im Interesse der Gemeindefreiheit nicht verantworten. Der Antrag bedürfe demnach schon seiner Form wegen eingehender Kommissionsberathung. Auch die nationalliberale Partei wünsche eine Verschiebung des Kommunalwahlrechtes nicht und werde sich deshalb an den vorbeugenden Bemühungen in dieser Richtung eifrig betheiligen.

Minister des Innern Herrfurth:

Wenn ich zu dem vorliegenden Gesetzentwurf das Wort ergreife so muß ich vorausschicken, daß ich nicht in der Lage bin, bindende Erklärungen Namens der Königlichen Staatsregierung ab— zugeben. Denn bei Gesetzentwürfen, welche auf Initiativanträgen aus diesem hohen Hause beruhen, kann der Ressort-⸗Minister und das Staats⸗Ministerium bestimmte Stellung sei es eine ablehnende oder eine zustimmende erst dann einnehmen, wenn über die in den selben geregelte Frage die Allerhöchste Entscheidung Sr. Majestät des Königs zuvor eingeholt worden ist. In dem vorliegenden Fall war dies aus sachlichen und zeitlichen Gründen nicht thunlich, und ich kann daher nur im eigenen Namen allerdings im Einverständniß mit dem gesammten Staats⸗Ministerium nicht aber Namens der Königlichen Staatsregierung hier sprechen.

Ich kann nun erklären, daß unter gewissen Voraussetzungen und mit bestimmten Beschränkungen ich mit dem Antrage des Abg. Bachem und Genossen in seiner Tendenz einverstanden bin, obwohl die Fassung desselben nach Form und Inhalt zu einer Reihe von Bedenken Anlaß giebt.

Die erste und hauptsächlichste Voraussetzung, unter der überhaupt auf diesen Antrag meines Eracbtens wird eingegangen werden können, ist von dem Hrn. Abg. von Eynern sehr scharf hervorgehoben worden; der Hr. Abg. Fritzen hat, soweit ich ihn verstanden habe, diese Vor— aussetzung kaum gestreift. Diese Voraussetzung besteht in dem Zustandekommen des neuen Einkommensteuergesetzes. Meine Herren, ich gebe ja den Herren Antragstellern ohne Weiteres zu: dieser Antrag besteht für sich und kann für sich bestehen ohne irgend welche Rücksicht auf irgend eine Steuerreform. Im Jahre 18865 ist ein gleichartiger Antrag gestellt worden, ohne daß damals von irgend einer Veränderung der direkten Steuern die Rede war. Aber ich erinnere daran: damals ist jener Antrag von der Königlichen Staats regierung bekämpft und von der Majorität dieses Hauses abgelehnt worden, und ich möchte glauben, daß die Gründe, die damals für diese Ablehnung bestimmend gewesen sind, auch heute ausschlaggebend sein würden, wenn wir nicht eben das neue Einkommensteuergesetz zu berathen und die Aussicht hätten, dasselbe zu Stande zu bringen.

Meine Herren, es ist damals meines Erachtens mit vollem Recht ausgeführt worden, daß keine ausreichende Veranlassung vorliege, eine Spezialbestimmung eines einzelnen Gemeinde verfassungsgesetzes aus ihrem Zusammenhang herauszureißen und durch ein Spezialgesetz anders zu regeln, sondern daß diese Regelung in zweckmäßiger Weise nur bei einer Revision des Gesammtinhalts dieses Gemeindeverfassungs⸗ gesetzes stattfinden könne.

Ganz anders liegt allerdings die Frage, wenn wir davon aus gehen, daß das neue Einkommensteuergesetz in der Form zu Stande kommt, wie es in dem Bericht von der Majorität der Kommission wie ich glaube, mit sehr großer Majorität angenommen worden ist.

Meine Herren, ich erkenne an, daß die Bestimmung des jetzigen Einkommensteuergesetzes, nach welcher an Stelle der betreffenden Klassensteuersätze, insbesondere der hier in Betracht kommenden Sätze von 18, 12 und 9 , die neuen Einkommensteuersätze von 12, 9 und 6 M treten sollen nicht etwa ausreicht, um die Wirkungen dieses Gesetzes in der Weise zu beschränken, daß keine Veränderung gegen den bestehenden Zustand eintreten wird. Nein, das ist wohl zweifellos, daß einerseits durch die schärfere Heranziehung der höheren Einkommen in Verbindung mit der Deklaration und andererseits durch die Minder belastung der niedrigeren Einkommen auch bei dieser Substitution der entsprechenden Sätze für ein gleiches Einkommen Verschiebungen nach der Richtung eintreten werden, daß sich die Zahl der Wähler erster Klasse und zweiter Klasse vermindert zu Ungunsten der Wähler der dritten Klasse. Nun nehme ich keinen Anstand, zu er— klären, daß das StaatsMinisterium keinen Widerspruch dagegen erheben würde, wenn eine Aenderung der in Rede stehenden Be—⸗ stimmungen nach der Richtung hin und insoweit stattfindet, als eine Aenderung nothwendig ist, um diejenige ich will einen Aus druck gebrauchen, der im Jahre 1886 gewissermaßen das Schlagwort war plutokratische Richtung in der Gemeindevertretung, die in verstärktem Maß durch das neue Gesetz eintreten würde, zu paralysiren und zu neutralisiren.

Insoweit dieser Gesetzentwurf diese Richtung verfolgt, bin ich mit demselben einverstanden. Aber, meine Herren, ich glaube, dazu würde genügen, wenn der Census eines Klassensteuersatzes ich will auf die neuen Einkommensteuersätze nicht weiter eingehen von 18 S auf 12 M und von 12 auf 9 herabgesetzt würde, während der 9 Marksatz ja den Satz erreichen würde, der im Gesetz vorgesehen ist. Ich nehme das an, ich kann es aber nicht ziffernmäßig nachweisen, und es sind jedenfalls darüber erst Ermittelungen zu ver⸗ anlassen, ob meine Ansicht, oder die entgegengesetzte des Hrn. Abg. Fritzen, der, wie ich aus seinem Kopfschütteln entnehme, die vor bezeichnete Ausgleichung in dieser Weise nicht für genügend erachtet, die richtige ist.

Ich glaube also, daß, wenn man die Herabsetzung um eine Stufe anordnet und dabei gleichzeitig bestimmt, daß in Zukunft eine weitere Erhöhung im Wege des Ortsstatuts nicht stattfinden soll, dieser Anforderung genügend Rechnung getragen ist. Meines Er—⸗ achtens geht aber der Antrag des Abg. Bachem und Genossen weiter; er will eine feste Normirung auf einen Minimalklassensteuersatz von 6 ις für den Census als Vorbedingung des Wahlrechts. Meine Herren, da nehme ich auch wiederum keinen Anstand, und zwar im direkten Widerspruch mit den Ausführungen des Hrn. Abg. von Eynern zu erklären, daß ich persönlich dieser Tendenz ganz spmpathisch gegenüberstehe. Ich habe bei der Be⸗ rathung der Landgemeindeordnung in erster Berathung und nament- lich in den Verhandlungen der Kommission wiederholt darauf hingewiesen, daß ich es nicht für richtig erachtete, die Möglichkeit einer Erhöhung des Census als Vorbedingung des Wahlrechts im Wege des Orts statuts eintreten zu lassen. (Sehr guth

Meines Erachtens ist das Stimm und Wahlrecht ein solches

kommunales Grundrecht, daß dessen Bediagungen, wenigstens in Betreff des Höchstbetrages, durch das Gesetz selbst festgestellt wer⸗ den müssen, und daß man dem Ortsstatut allenfalls eine Verminderung des Census, also eine Erweiterung, niemals aber eine Beschränkung des Wahl- und Stimmrechts würde zugestehen können. Ich scheide mich nach dieser Richtung vollständig von der Auffassung, welcher der Abg. von Eynein unter der meines Erachtens hier nicht ganz richtigen Firma der Wahrung der Freiheit der Gemeinden, der kom⸗ munalen Autonomie Ausdruck gegeben hat. (Sehr gut

Meine Herren, ich nehme auch keinen Anstand, zu sagen: ich würde diesen Grundsatz auch für meine Person unbedingt festhalten, wenn die Frage der Revision der einzelnen Städteordnungen oder des Erlasses einer Städteordnung für den gesammten Staat, für welche überaus schwierige, zeitraubende und keineswegs unbedenkliche Aufgabe erst die allerersten Schritte von mir eingeleitet sind, zur Erörterung gezogen wird. Anders aber liegt es, wenn jetzt ohne eine solche Revision dieser eine einzelne Punkt aus dem Gemeindeverfassungsgesetz herausgegriffen wird, und zwar in einer Weise, daß mir allerdings erhebliche Bedenken bezüglich der Form und auch des Inhalts dieses Antrages vorzuliegen scheinen.

Meine Herren, als dieser Antrag vor vier Tagen in meine Hände gelangte, bin ich sehr zweifelhaft gewesen, was denn eigentlich dieser Antrag bedeute, und die Vermuthung, die ich nach dieser Richtung begte, ist erst zur Gewißheit geworden durch die Ausführungen der beiden Herren Vorredner.

Ich möchte zunächst, was die Form des Antrages anlangt, es nicht für sehr glücklich halten, daß dieser Antrag als ein neuer Absatz von §. 9b des Gesetzes vom 25. Mai 1873 formulirt worden ist. Ich will kein Gewicht darauf legen, daß bei einem Paragraphen, der bereits drei Absätze hat, man einen neuen Absatz doch als Absatz z nur dann einfügen kann, wenn man einen der Absätze streicht, was anscheinend ja wohl beabsichtigt wird. Aber ich möchte noch auf einen anderen Punkt aufmerksam machen. Dieser neue Gesetzentwurf soll einen integrirenden Bestandtheil des Gesetzes vom vom 25. Mai 1873 bilden, und zwar soll diese neue Bestimmung am 1. April 1892 in Kraft treten. Meine Herren, nach dem letzten Paragraphen des Einkommensteuergesetzes, welcher Paragraph, so viel ich weiß, einstimmig angenommen worden ist, tritt dieses ganze Gesetz vom 25. Mai 1873 am 1. April 1892, also geaau an demselben Tage, außer Kraft, und ich glaube also, die Konstruktion, die Sie diesem Gesetzentwurf hier gegeben haben, ist keine sehr glückliche und steht in direktem Widerspruch mit den Beschlüssen der Kommission zum Ein— kom mensteuergesetz.

Nun aber weiter, meine Herren, die praktische Tragweite dieses Antrags ist kaum mit Bestimmtheit zu übersehen. Dieses Gesetz ist in Form eines allgemeinen Gesetzes, entsprechend dem §. 9b. des Gesetzes vom 25. Mai 1873, gefaßt. Ich mußte mir nun aber doch zunächst die Frage vorlegen: auf welche Gemeinde⸗ verfassungsgesetze und auf welche Kategorien von Gemeinden wird dieses Gesetz überhaupt Anwendung finden? Daß es auf die Städte ordnung für die Rheinprovinz Anwendung findet, darüber war kein Zweifel. Darüber haben wir im Jahre 1886 sehr ausführlich ver— handelt. Aber warum sagt man das nicht, warum wählt man die allgemeine Fassung? Die Herren Antragsteller sind doch wohl davon ausgegangen, daß es auch auf andere Gemeindeverfassungsgesetze des preußischen Staates werde Anwendung finden. Ich habe mir nun diese Verfassungsgesetze, die sich bekanntlich auf mehr als siebzehn belaufen, darauf hin angesehen und bin zu der Ueberzeugung gekom⸗ men: es findet nirgends anders Anwendung als nur in der Städteordnung der Rheinprovinz. Denn da, wo nicht ein Dreiklassen⸗Wahlsystem existirt, wo keine Abtheilungen nach Steuern gebildet werden, sondern gleiches Wahlrecht mit einem Census besteht, der ortsstatutarisch anders geregelt werden kann, soll das Gesetz nach dem Wortlaut keine Anwendung finden. Also in der Städteordnung von Frankfurt, Schleswig -Holstein und Hannover ist es ausgeschlossen. Auf die Gemeindeverfassungsgesetze, welche auf dem Prinzip der Bürgergemeinde beruhen und einen eigentlichen Census nicht kennen, auf die kurhessischen, die hessen homburgischen, die Groß⸗ herzoglich · bessischen, die baverischen, die nassauischen Gemeinde⸗ verfassungsgesetze, dann auf die Frankfurter Landgemeindeordnung findet es ebenfalls keine Anwendung. Ebensowenig paßt es auf die Landgemeinden der Ostprovinzen und der Provinz Schleswig⸗Holstein. Dann wiederum findet es nicht Anwendung auf diejenigen Gemeinde⸗ verfassungsgesetze, bei denen eine solche ortsstatutarische Befugniß zur Erhöhung des Normalsteuerbetrages nicht vorhanden ist, sondern bloß zur Erniedrigung, also nicht auf die Städteordnung für die Ostprovinzen, auf die Städteordnung und Landgemeindeordnung für Westfalen, auf die Landgemeindeordnung für die Rheinprovinz. Dann bleiben noch die Stadtrezesse in Neuporpommern übrig, die ich auch durchgeseben habe. Schließlich habe ich gefunden, daß dieses Gesetz nirgends weiter Anwendung findet, und nur speziell für die Städteordnung für die Rheinprovinz zugeschnitten ist. Der Herr Antragsteller hat es auch klar ausgesprochen, er habe gar nicht daran gedacht, daß irgend wo anders sein Antrag Anwendung finden könne.

Warum denn dieses Versteckenspielen, warum sagen Sie nicht einfach: 5. 5 der Städteordnung für die Rheinprovinz von 1856 soll so geändert werden? Ich habe die Vermuthung, daß dies absichtlich unterlassen worden ist, daß man absichtlich die Form eines allge⸗ meinen Gesetzes gewählt hat, um nicht klar werden zu lassen, daß es sich thatsächlich um ein Provinzialgesetz handelt, was doch in der Weise behandelt und verbreitet werden muß, wie man Provinzialgesetze zu behandeln und vorzubereiten pflegt.

Meine Herren, weiter! Es ist mir aus den Darstellungen des Antragstellers nicht klar, wie weit die Tragweite seines Antrages in der Rheinprovinz selbst reicht. Ich habe aus der neuesten Zeit keine speziellen Nachweisungen; meine Nachweisungen, die ich zur Hand habe, sind auf Grund jenes Antrages vom Jahre 1886 aufgestellt. Da stimmen nun die Zahlen, die ich habe, nicht mit denen, die Hr. Abg. Fritzen angegeben hat, überein. Die Rheinprovinz hat 140 Städte. Ein erhöhter Census auf Grund ortsstatutarischer Bestim⸗ mung besteht, oder ich will richtiger sagen, bestand im Jahre 1886 in 67 Städten, beinahe der Hälfte aller Städte der ganzen Provinz. Vavon haben 6 Gemeinden einen Census von 18 M, b einen Census von 12 Æ und 2 Gemeinden einen Census von 9 „M durch Ortt— statut eingeführt. Nun, meine Herren, hier läßt sich meines Er achtens die Frage, ob man über die Wirkungen des Einkommensteuer⸗

gesetzes hinaus eine weitere Verminderung des Census im Wege der Gesetz⸗ gebung einführen soll, nur entscheiden, wenn man weiß: wie wird das wirken,

sind nicht besondere okale Bedenken dagegen geltend zu machen Meines Erachtens ist es also nothwendig, daß diese Frage eingehend erörtert wird, daß den betreffenden Gemeinden Gelegenheit gegeben wird, sich hierũber zu äußern, daß die Provinzial und Bezirksbehörden darüber gehört werden und, soweit es sich um den weitergehenden Theil des Antrages handelt, auch dem Provinzial Landtag Gelegenheit gegeben wird, sich über ein solches Provinzialgesetz zu äußern.

. Ich rekapitulire dahin: das Staats⸗Ministerium ist einverstanden mit dem Antrage, insoweit als derselbe bezweckt, die Ver— schiebung, welche durch das neue Einkommensteuergesetz eintreten wird, für den Fall des Zustandekommens dieses Gesetzes sofort auszugleichen; den weiterstehenden Theilen des Antrages der Hrrn. Abgg. Bachem und Genossen stebt das Staats Ministerium keineswegs unsympathisch gegenüber; es hält hier aber eine eingehende Erbͤrte⸗ rung unter Anhörung der Provinzialverwaltang und Provinzial— behörden für unabweisbar.

Abg. Bachem (Mülheim): Die erste und direkteste = anlassung zur Einbringung dieses Antrages hätten die He n f, der Rheinprovinz gegeben. Daß das Gefetz von 18735 außer Kraft treten solle, sei ein Kommissionsbeschluß, an dem die Antrag⸗ steller ganz unschuldig seien; sie könnten für das, was die Kom— mission in dDieser Beziehung gesündigt habe, nicht verantwort— lich sein. Welcher vernünftige Grund könne denn noch geltend gemacht werden, um die in der Rheinprovinz noch bestehende Anomalie, daß der Census für die Gemeindewahlberechtigung bis auf. 356 A hinaufgeschraubt werden könne, nicht endlich zu beseitigen? Bei der Berathung der rheinischen Städteordnung von 1856 hatten sich die sämmtlichen Vertreter der Rheinprovinz kräftig gegen diefe Be⸗ stimmung gewehrt, aber leider erfolglos. Diese Anomalie sei im Laufe der Jahre immer drückender, immer ungerechter geworden; viele Tausende von Wählern seien dadurch vom Gemeindewahlrecht in den rheinischen Städten ausgeschlofsen, und dieser Ausschluß sei geschehen obwohl die öffentlichen Lasten im Laufe derselben Jahre sich ganz be⸗ deutend vermehrt hãtten und zu den hohen Sätzen noch ein viel größerer Betrag an indirekten Steuern hinzutrete. Thafsächlich fange in Köln das Wahlrecht erst an bei Denjenigen, welche mindestens 45 (M Steuern zahlten. Dazu komme nun die Wirkung des neuen Steuertarifs, der gegen die Vorlage noch erhöbt worden sei. In welchem Maße durch diese Tarife die Wabhlberechtigung nach oben verschoben sei habe man zur Genüge aus der Probeberanlagung für Köln gefehen; die Wahlberechtigung der unteren und mittleren Klassen werde ganz erheblich beeinträchtigt; denn zur ersten Klasse würden statt 683 nach dem neuen Tarife nur 395 Personen gehören. (Hört, hört! im Centrum.) Schon jetzt fange die Wahlberechtigung der zweiten Klaffe erst bei einem Steuersatze von 163 6 an; die Einkommen von 3000 0 fielen jetzt schon in die dritte Klasse; nach der Ver— schiebung durch den neuen Tarif würden alle Regierungsräthe, der Polizeipräsident, kurz fast alle höheren Beamten, in die dritte Klasse kommen. Die Verschiebung des Dreiklassen ˖Wahlsystems habe sich immer mehr zu Gunsten des Besitzes vollzogen; man könne diese üble Verschiebung nicht noch mehr potenziren wollen. Das werde aber unzweifelhaft geschehen, wenn der neue Steuertarif ohne Aende—⸗ rung der das Wahlrecht berührenden Verschriften in Kraft trete. Auch werde das Gesetz dadurch mit einem Odium behaftet, welches er ihm nicht wünsche; es werde ohnehin nicht populär sein. Mit der Verweisung an eine Kommission sei er einverstanden, aher in dem Sinne, daß die Entscheidung so rechtzeitig erfolge, daß sie bei der definitiven Entschließung über das Einkommensteuergesetz mit berück— sichtigt werden könne. (Beifall im Centrum.)

Minister des Innern Herrfurth:

Ich möchte ein Mißverständniß aufklären, von dem der Hr. Abg. Bachem anscheinend bei seinen letzten Worten ausgegangen ist: wenn derselbe annimmt, ich habe Namens des Staats⸗Ministeriums erklärt, daß auch insoweit, alz die Verschiebungen, welche durch das neue Einkommensteuergesetz in dem kommunalen Wahlrecht eintreten werden, ausgeglichen werden sollen, eine Anhörung des Provinzial-Landtages erforderlich sei, so ist das nicht zutreffend. Ich habe nur gesagt, es werde festgestellt werden müssen, ob diese Verschiebungen wirklich so groß sein werden, daß ihre Ausgleichung nur auf dem Wege und in der Weise erfolgen kann, wie es der Antrag des Hrn. Bachem und Genossen beabsichtigt. Ich habe ausdrücklich erklärt: ich glaube an— nehmen zu dürfen, daß die Ermäßigung um eine Steuerstufe bereits diese Ausgleichung bringen werde, daß aber der Antrag der Herren Bachem und Genossen weiter gehe; und ich habe gesagt, daß, insoweit als dieser Antrag weiter geht, insoweit als er nicht bloß etwa diese Verschiebungen ausgleichen, sondern die Ge⸗ legenheit benutzen will, um eine anderweitige Einzelbestimmung der rheinischen Städteordnung zu korrigiren, mir allerdings die Anhzrung des Provinzial ⸗Landtages erforderlich erscheine, weil insoweit ein be⸗ sonderes Provinzialgesetz, das in keinem ersichtlichen Zusammenhange mit dem Einkommensteuergesetz steht, vorliegen würde.

Abg. Freiherr von Zedlitz: Er sei mit den Antragstellern bereit, die von ihnen befürchtete Verschiebung des , / auf dem Wege des Antrages zu beseitigen, glaube aber mit dem Minister, daß der Antrag über diesen Zweck hingusgehe und deshalb . kommissarischer Berathung bedürfe. Das Gesetz von 1873 abe seiner Auffaffung nach die Kommission im Punkte der Wahl berechtigung nicht aufheben wollen; diese Bestimmungen könnten nicht wobl entbehrt werden und hingen ja auch mit der Veranlagung zur Steuer nicht weiter zusammen. Er wolle den positiven guten Kern aus dem Antrage herausschälen und wünsche auch die Berathung thunlichst zu fördern, damit vielleicht noch in dieser Session der Gedanke des Antrages formell gangbares Recht werden könne.

Abg. von Rauchbaupt: Auch die Konservativen böten zu der von den Antragstellern gewünschten anderweitigen Regelung die Hand; der §. 9 des e. von 1873 müsse aufrecht erbalten werden; es werde sich vielleicht empfehlen, denselben mit der ge⸗ wünschten Abänderung in das neue Einkommensteuergesetz aufzu⸗ nehmen.

Abg. Richter: Er bedaure lebhaft, daß der Antrag sich bloß auf die Rheinprovinz erstrecke, für diese beabsichtige derselbe das Neberwuchern des plutekratischen Elements zu verhindern; in allen übrigen Provinzen solle dieser Nachtheil bestehen bleiben, und auch für die Rheinprovinz selbst schaffe der Antrag weitaus nicht die ge nügende Abhülfe. Für die Dritteltheilung in den Städten seien nicht bloß maßgebend die Staatssteuern, sondern auch die Gemeindesteuern, Kreis- und Provinziglabgaben. Danach sei die Fassung des Antrages nicht zutreffend gewählt. Nach dem neuen Steuertarif verändere sich die Gemeindeeinkommensteuer noch viel mehr, als die Staatseinkommen⸗ steuer, denn in den Gemeinden werde noch nach dem Tarif von 1873, für den Staat nach dem Tarif von 1883 die Steuer erboben, was für sämmtliche Klassensteuerstufen einen Unterschied von drei Monatsraten mache; hiernach sei die Verschiebung thatsächlich viel größer für das Gemeindewahlrecht, als für die Wahlen zum Abgeord⸗ netenhause. Bei allen diesen Erörterungen werde die Rückwirkung des neuen Tarifs auf den Gemeindehaushalt noch viel zu wenig beachtet, die Kommission habe sich sehr leicht darüber binweggesetzt. (Sehr richtig! links) Der ö habe zwar gesagt, er werde den Gemeinden durch Ministerialrestript gestatten, sich da herautzuhelfen; aber was nütze ein solches Verfahren, welches schließlich nur für die Dauer der Amtsthätigkeit eines Finanz⸗Ministers maßgebend sein werde und von dem Nachfolger desselben in das Gegentheil verkehrt werden könne. Diese

schweren Bedenken würden durch den Antrag für ihn nicht ge⸗ mildert; ebenso gehe es allen übrigen Vertretern, die nicht der

Rheinprovinz angehörten. Das Centrum mache sich bier ei Jakonsequenz schuldig. Bei der ö . . der Kommission für die Erhöhung des Census durch Ortsstatut mit gewirkt; hier verfolge es die entgegengesetzte Richtung. Wer die Geschichte der Städteordnung von 1855 kenne, wisse, daß man damals die Rheinprovinz für ihre liberale Gesinnung habe bestrafen wollen (Sehr richtig! links und im Centrum.) So sei auch die Be⸗ stimmung wegen des erhöhten Census in diefe absichtlich möglichst schlecht gemachte Städteordnung hineingekommen. Nach den Kom⸗ missionsbeschlüssen verwandele sich übrigens schon von selbst der ortg—⸗ statutarische Satz von 18 in einen solchen von 12, der von 12 in einen Satz von 9 M Darüber hinaus wolle man nun den Satz auf 6 6. herunterbringen. Auch damit werde die Rheinprovinz noch schlechter gestellt sein als alle anderen Provinzen, denn hier müsse nach dem Gesetz überall der Censuß an einen Satz von 4 S anknüpfen (Widerspruch im Centrum) Gründlicher paralysiren werde man diese nachtheilige Wirkung, wenn man die Bestimmung der Städte⸗ ordnung von 1876 in das Gesetz aufnehme, wonach Jeder wahl— berechtigt sein solle, der überhaupt Klassensteuer, zahle. Damit werde ein wirksamer Schutz des Wahlrechté gegeben sein. Wenn verlangt werte, daß man eine städtische Steuer zahlen müsse, um wahlberechtigt zu sein in der Kommune, so gelte das schon heute nicht mehr unbedingt. Ferner muͤsse die Dritteltheilung stattfinden nach Maßgabe der Einkommensteuer allein, wie es 1875 die Re— gierung selbst vorgeschlagen habe. Nur in sorlchen weiter gehenden Bestimmungen sehe er einen wirklichen Schutz gegen eine Verkümmerung des Wahlrechts. Unter keinen Umständen könne die Frage, ob das Gemeindewahlrecht zu schützen sei, einer Begut⸗ achtung durch den Provinzial-Landtag unterliegen. Auch liege kein Grund vor, diese Sache in Form eines besonderen Gesetzes zu regeln sondern es müsse im Einkommensteuergesetz selbst versucht werden, diefen Schutz des Wahlrechts zu garantiren. Es heiße die Gemüthlichkeit übertreiben, wenn man ein Einkommensteuergesetz annehme, ohne sich ez zu vergewissern, daß das Wahlrecht unverkürzt bleibe. (Beifall 18.

Abg. Dr. Wind thorst: Es müsse nothwendi rsorge werden, daß das Kommunalwahlrecht in seinem a, . aufrecht erhalten bleibe; er trete deshalb dem Antrage und dem Vorschlage auf Kommissionsberathung bei.

Abg. von Eynern glaubt darauf hinweisen zu sollen, daß 1886 gerade mit Rücksichkt auf die Gemeindefreiheit von der Regierung der Antrag bekämpft worden sei, während heute der Minister die entgegengesetzte Meinung vertrete. In Uebereinstimmung mit dem Abg. Richter wünscht Redner die kommunale Einrichtung des rheinischen Provinzial Landtages nicht mit der hochpolitischen Frage des Wahlrechts zu befassen. Man werde damit eine Brandfackel der schlimmsten Art in die Bevölkerung werfen.

Minister des Innern Herrfurth:

Meine Herren! Die Behauptung des Hrn. Abg. von Eynern, daß im Jahre 1886 die Königliche Staatsregierung zu dieser Frage überhaupt nicht Stellung genommen habe, ist nicht ganz zutreffend. Diese Frage ist im Jahre 1888 zwei Mal hier zur Erörterung ge— kommen, zuerst in Folge einer Petition der Stadt Trier und dem nächst in Folge eines Antrages des Hrn. Abg. Bachem. Es war aber genau dieselbe Frage, nur die Königliche Staatsregierung hat zu der Petition aus Trier in der Sitzung vom 2. März 1886 allerdings ganz bestimmt Stellung eingenommen, und zwar genau in dem Sinne, den ich vorhin angegeben habe. Sie hat diesen Antrag bekämpft, weil sie sagte, es sei nicht richtig, einen einzelnen Punkt aus einem einzelnen Gemeinde⸗ verfassungsgesetz herauszureißen und ohne Rücksicht auf die sonstigen Bestimmungen für sich allein zu regeln. Sie hat ihn aber nicht etwa bekämpft vom Standpunkt der sogenannten Gemeindefreiheit aus, und in dieser Beziehung ist zwischen meiner heute abgegebenen Erklärung und zwischen der Stellung, die die Königliche Staats- regierung damals eingenommen hat, irgend ein Widerspruch nicht zu finden.

Abg. Pleß (Mülheim) polemisirt gegen den Abg. von Eynern und spricht sich ebenfalls gegen die Anhörung des Provinzial⸗Landtages aus.

Damit schließt die Diskussion.

Der Antrag wird an die Einkommensteuergesetz-Kom⸗ mission überwiesen.

Der Antrag des Abg. von Bülow (Wandsbek) auf Annahme eines Gesetzentwurfs, betreffend die Gültigkeit der Jagdscheine im ganzen preußischen Staatsgebiet, wird ohne erhebliche Debatte mit der vom Regierungskommissar, Geheimen Ober⸗Regierungs⸗Rath Humperdinck empfohlenen Modifika⸗ tion, wonach von der Bezugnahme auf Helgoland abgesehen und die Ausdehnung auf den Kreis Herzogthum Lauenburg beschränkt wird, in zweiter Lesung angenommen.

Abg. Riesch befürwortet darauf einen von ihm einge— brachten Gesetzentwurf, durch welchen die in der Kreis⸗ ordnung für Hessen-Nassau statuirten Befugnisse der Städte, frei über die Art der Aufbringung ihrer Antheile an den Kreisaufgaben zu beschließen, auf die Landgemeinden übertragen werden sollen. Ein großer Theil der dortigen Landgemeinden unterscheide sich eigentlich nur dem Namen nach von Städten. Außerdem sei es ungerecht, daß gut situirte Landgemeinden, welche mit lber fe wirthschafteten, diese nicht zur Deckung der Kreis⸗ abgaben verwenden dürften.

Minister des Innern Herrfurth:

Ich kann nicht leugnen, daß ich von diesem Antrage einigermaßen überrascht worden bin. Es ist ausdrücklich in der Begründung des—⸗ selben gesagt: Die Landgemeinden in Hessen⸗Nassau hätten über diese Bestimmung der Kreisordnung geklagt und hätten wiederholt gebeten, bei Aufbringung der Kreisabgaben wie die Städte behandelt und von jener durch die Individualkorporation entstehenden, unmotivirten Be⸗ lästigung befreit zu werden.

Ich darf demnächst konslatiren, daß an der Stelle, wo allein diesen Klagen Abhülfe geschaffen werden kann und es kann ja, wie der Antrag zeigt, nur Abhülfe geschaffen werden auf dem Wege der Gesetzgebung, zu welchem die Initiative vom Ministerium des Innern aus zu ergreifen sein würde, bis jetzt eine solche Klage niemals laut geworden ist; auch nicht mündlich ist, etwa von irgend einem Landrath aus der betreffenden Provinz, mir ein derartiger Wunsch ausgesprochen worden. Ich entnehme ihn jetzt zum ersten Male aus diesem ge⸗ druckten Antrage.

Meine Herren, was den Antrag selbst anlangt, so würde, wenn der Herr Antragsteller sich mit mir vorher in Verbindung gesetzt

beabsichtigt, schon in der nächsten Session des Hauses, Falls jetzt die Landgemeindeordnung für die Ostprovinzen zu Stande kommen wird, diese Frage generell zu regeln. Meine Herren, ich bitte Sie, diesen Antrag, der lediglich für die Provinz Hessen⸗-⸗Nassau gestellt ist, nicht so für sich allein ins Auge zu fassen, sondern die Lage der Gesetzgebung, über die Auf⸗ bringung der Kreissteuern im ganzen Staat zu beachten.

Ich darf daran erinnern, daß im Jahre 1872 sehr eingehend die

Frage erörtert worden ist, ob man die Kreissteuer im Wege der

bätte, ich ihm mitgetheilt haben, daß die Königliche Staatsregierung K