1891 / 38 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 12 Feb 1891 18:00:01 GMT) scan diff

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in der Kommissionsvorlage. Die Befreiung des gesammten Ein kommens unter 900 Æ haben eine Reibe von deutschen Staaten nicht; die Degression in dem Umfange, wie sie jetzt vorliegt, bat fast kein einziger deutscher Staat in dieser Weise; die Berücksichtigung der individuellen Verhältisse noch viel weniger, die Erleichterungen in der Deklaration, die wir bier ein—⸗ geführt haben, erst recht nicht. Die zwangsweise Deklaration 3. B. des Einkommens der Arbeiter Seitens der Arbeitgeber, wie der sächsische Entwurf sie hat, haben wir vermieden. Aber auch selbst hier bei dieser Frage der Aktiengesellschaft, hat der Entwurf eine sehr wesentliche, durchaus nicht fiskalische Milderung vorgeschlagen. Wenn wir von vornherein in der Anerkennung der komplexen Natur der Frage, in der Anerkennung der verschiedenartigen Anschauungen und Gesichtspunkte, die in dieser Frage im Lande herrschen, und in dem Wunsch, einen versöhnenden Mittelweg zu finden, einen Abzug von 3 0ο gestatten, wie das nur Baden thut, im ganzen übrigen Deutsch' land aber nicht geschieht, dann ist das nicht ein Streben nach bloßer Fiskalität, sondern es war eine billige Berücksichtigung der eben von ir geschilderten Verhältnisse.

Meine Herren, ich babe mich schon früher darauf berufen, daß

deutschen Staaten, welche in der Reform der direkten Steuern uns rorangegangen sind und namentlich ihr Einkommensteuerwesen vor uns reformirt haben, doch schließlich zu dieser sogenannten ver— werflichen Doppelbesteuerung der Aktiengesellschaften gekommen sind. Gewiß man kann sagen: was braucht der große preußische Staat sich um solche Vorgänge zu kümmern? Aber eine gewisse Bedeutung liegt doch darin, wenn in so vielen einzelnen deutschen Staaten diese Frage mit derselben Gründlichkeit kontrovertirt worden und man überall schließlich zu der Bejahung der Sache gekommen ist, so hat das doch eine gewisse Autorität für uns. Ja, man ist dort auch gar nicht bemüht gewesen, Abzüge zu gestatten, wie die Anträge der Herren Achenbach und Schmieding das wollen, sondern man hat einfach in der Regel die Aktiengesellschaften als gewöhnliche Erwerbsgesellschaften besteuert.

Nun, meine Herren, hat das aber für uns noch eine ganz andere Bedeutung, und darauf möchte ich noch einmal zurückkommen. Wir leben mit den übrigen deutschen Staaten in einer großen wirthschaft— lichen Gemeinschaft. Ein deutscher Staat hat in dieser Beziehung für uns eine ganz andere Bedeutung, als wie ein ausländischer Staat über Gewerbebetrieb und Aktiengesellschaften denkt. Es hat doch immer ein gewisses Interesse, die Produktionsbedingungen und die Besteuerungsbedingungen für bestimmte Produktivgesellschaften gleich⸗ artig in Deutschland zu gestalten, und die Sache wird noch bedeutender, wenn man an das Gesetz, welches die Doppelbesteuerung ausschließt, denkt, von welchem ich Ihnen vorher ein Bild gegeben habe, wie es bei Freilassung der Aktiengesellschaften wirken würde. Da wir gewissermaßen mit der Steuerreform hinterher kommen, gegenüber den übrigen deutschen Staaten, so haben wir wohl Ver— anlassung, Gewicht darauf zu legen, uns thunlichst in den Grund prinzipien auf ein und denselben Boden zu stellen.

Meine Herren, diejenigen Anträge, die eine Abrechnung zulassen wollen, stehen ja or? dem Boden, daß sie anerkennen, es liegt hier eine eigentlich unzulässige Doppelbesteuerung vor. Wer dies überhaupt verneint, kann auch nicht auf den Boden dieser Anträge treten. Wer dagegen diesen Grundsatz hinstellt: es ist eine Doppelbesteuerung vor— handen, aber es ist dennoch aus anderen Gründen z. B. wegen der leichteren, sicheren Faßbarkeit des gesammten Einkommens der Aktiengesellschaften im Staatsinteresse, zu einer direkten Be— steuerung der Aktiengesellschaften überzugehen, der ist freilich berechtigt, in dieser Beziehung nach einer Korrektur zu suchen.

Man sagt, die Besteuerung der Aktiengesellschaften wird eine große Mißstimmung erregen. Ich will nicht bestreiten, daß in vielen Kreisen eine Mißstimmung entstehen wird und auch das Gefühl, als ob diese Gesellschaften ungerecht oder wenigstens nicht gerecht be⸗ handelt würden. Aber, meine Herren, wenn Sie diese Anträge an— nehmen, welche nur denjenigen Aktionären das Recht geben, eine Ab— rechnung auf die gezahlte Steuer der Aktiengesell schaft bei ihrer Besteuerung eintreten zu lassen, welche nachweisen, daß sie die Aktien ein Jahr besessen haben, so machen Sie dieses Recht oft auch von thatsächlichen Zufälligkeiten abbängig, und ob dies nicht noch eine größere Unzuträglichkeit und Mißstimmung in manchen Fällen herrorrufen würde, wenn der Eine zufällig den Nachweis führen kann, denn er muß es nachweisen, es wird nicht nach dem Gesetz unterschieden zwischen denjenigen, die die Aktien ein Jahr hindurch besessen haben, und denjenigen, bei denen dies nicht der Fall ist, sondern es ist zu unterscheiden zwischen denjenigen, die den Nachweis führen können, daß sie ein Jahr hindurch die Aktien besessen haben, und denen, die es nicht können, während daneben ein Aktionär steht, der den Nachweis nicht führen kann, ist doch die Frage! Diesem wird die Sache nicht geglaubt, er hat vielleicht Jahre lang die Aktien besessen, er kann aber doch nicht abrechnen. Wird dies nicht noch viel größere Ungleichheit hervorrufen? Ob Sie also viel damit gewinnen, lasse ich dahingestellt.

Meine Herren, wenn ich wählen sollte im äußersten Falle zwischen

den Anträgen des Hrn. Abg. Schmieding und dem Antrag der Hrrn. Achenbach und Genossen, so glaube ich, technisch ist der letztere leichter durchzuführen, denn er legt, wenn ich so sagen darf, das schwierige Rückerstattungsverfahren nicht in die Selbstverwaltungs⸗ körper der Veranlagungsbehörden, sondern ich möchte sagen in die bureaukratische Technik der Staatsoerwaltung. Insofern glaube ich, es wäre trotz der immerhin bleibenden großen technischen Schwierig keiten und Weiterungen, die dadurch entstehen, doch der Antrag Achen bach noch leichter auszuführen, als der Antrag Schmieding.

Meine Herren, wenn die Kommission beschlossen hat, statt des in der Regierungsvorlage enthaltenen steuerfreien Betrages von 3 des Aktienkapitals 35 9 desselben frei zu lassen, so halte ich selbst diesen Anttag namentlich dann gerechtfertigt, wenn etwa die höhere Besteuerung mit 40 von dem Betrage von 100 000 Æ Einkommen beibehalten wird; wäre das nicht der Fall, so würde ich die Regie—⸗ rungsverlage noch jetzt für vollständig begründet halten, während man anerkennen muß, daß die höhere prozentuale Besteuerung des größeren Einkommens wesentlich bei den Aktiengesellschaften wohl im Ganzen zutreffen wird.

Meine Herren, ich komme nun auf einzelne Spezialfragen. Was die Frage der Genossenschaften betrifft, so kann gar nicht bestritten werden, daß, wenn bei den Genossenschaften dieselben wirthschaftlichen Verhältnisse vorliegen, sie ebenso behandelt werden müssen, wie die Aktiengesellschaften. Es ist nur eine andere Form der Affociation, und zwar auch der Kapital ⸗Association; diese zu tximiren, wenn die

Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Berg⸗ gewerkschaften besteuert werden, dafür ist zweifellos kein Grund vor⸗ banden. Hr. Abg. Broemel bat mit vollem Recht gesagt, man solle sich hüten, auf die gewerbliche Entwickelung durch Steuern einwirken zu wollen, die Steuer müsse sich an die gewerbliche Entwickelung an— schließen. Den Satz unterschreibe ich vollständig. Aber gerade des wegen müssen diejenigen, die eine besondere Vorliebe für diese eine Form der Association haben, für die Genossenschaft, sie nicht eximiren wollen, obne daß solche wirthschaftlichen Gründe wirklich vorliegen. Wenn diese Genossenschaften den Charakter wirklicher Erwerbsgesellschafttn annehmen, die nach außen ihren Arm ausstrecken, geradeso operiren wie alle anderen gewerblichen Betriebe, mit dem gesammten Publikum in Verbindung treten, eigenen Gewinn machen, diesen Gewinn unter ihre Genossen vertheilen, so ist kein wirthschaftlicher Srund mehr vorhanden, sie anders zu behandeln, als die Attiengesellschaften. Meine Herren, glauben Sie nicht, daß diese Frage eine allzugroße Bedeutung hat; das Wohl und Wehe der Genossenschaften wird von der mäßigen Besteuerung nach diesem Gesetzentwurf garnicht abhängen. Nach der einen oder der anderen Seite wird von Freunden und Gegnern der Genossenschaften die Wirkung der Heranziehung zur Steuer nach meiner Meinung in hohem Grade überschätzt. Auch diejenigen, die eigentlich nach und nach dahin gekommen sind, z. B. alle Konsumvereine für ein Uebel zu halten, täuschen sich gewaltig, wenn sie glauben, daß sie dadurch, daß sie sie der Steuer unterwerfen, in dieser Beziehung etwas Wesentliches erreichten. Es wird ja sehr leicht sein, jeden Konsum— verein zu verhindern, daß auch nur ein Heller von ihm verdient oder ein Gewinn vertheilt wird; die Vereine können ja nur die Preise unter sich anders gestalten. Aber die Bedeutung liegt bier darin, daß wir großen Kreisen der Berölkerung das Gefühl oder den Glauben nehmen müssen, daß zu ihren Lasten, während sie doch eigentlich der schwächere Theil sind, der Staat die Konkarrenten, die stärker sind, privilegire. (Sehr richtig! Eine gerechte, gleichmäßige Behandlung der Genossenschaften kann man allein verlangen, und dagegen sollten sich die Genossenschaften am Allerwenigsten selbst sträuben.

Wenn nun in der Kommissionsvorlage der Satz enthalten ist, daß, wenn die Genossenschaften, die Konsumvereine namentlich, einen offenen Laden halten, sie dann unter allen Umständen einkommensteuer⸗ pflichtig sein sollen, so ist das gewissermaßen eine wohlberechtigte Fiktion, daß in allen diesen Fällen die Genossenschaften denjenigen Charakter erhalten, den das steuerliche Moment ausmachen soll. In der Gewerbesteuer sind solche Gesellschaften schon früher besteuert worden, weil man da angenommen hat, daß thatsächlich dann ein wirklicher Gewerbebetrieb stattfindet, und ich muß allerdings anerkennen, daß, wenn man aus diesen Gründen Gesell— schaften mit offenen Läden unbedingt zur Gewerbesteuer heran— zieht, der Schluß sehr nahe liegt, daß sie dann auch von der Einkommensteuer nicht eximirt werden können.

Den Antrag des Herrn Metzner halte ich nicht für nothwendig, wenn ich ihn richtig verstehe; wenn er aber anders verstanden werden sollte, würde er mir zu weit gehen. Wenn nämlich das Wort „offen“ auch verstanden werden soll für das Lager und Magazin, dann be— deutet letzteres eigentlich kaum etwas Anderes als einen offenen Laden, dann ist jedenfalls der Antrag nur eine Deklaration; wenn aber das Wort „offen auf das Magazin und Lager nicht Anwendung finden soll, dann kommen wir auf die Unterscheidung, ob diese bestellten Waaren, welche an die einzelnen Mitglieder wieder abgehen, gelagert werden oder ob sie nur im Großen direkt für die einzelnen Mit- glieder bestellt werden dürfen. Eine solche Unterscheidung halte ich für vollkommen unberechtigt, und wenn etwa der Antrag von dem Herrn Antragsteller in diesem Sinne interpretirt werden sollte, dann möchte ich bitten, ihn abzulehnen.

Meine Herren, der Her. Abg. Simon hat sich nun namentlich, sowohl jetzt hier im Plenum als auch in der Kommission, darüber beschwert, daß die Privat -Eisenbahnen herangezogen werden sollen zur Einkommensteuer, während sie doch schon nach dem Gesetz von 1838 eine besondere Eisenbahnabgabe zahlen. Meine Herren, derselbe Einwand konnte ebenso gut erhoben werden bei den Berg— werksgewerkschaften, denn die zahlen ja die Bergwerksabgabe. Ich glaube, er hätte da vielleicht noch eher erhoben werden können als hier, und da doch auch nicht, weil sie dagegen auch von der Gewerbe— stener freigelassen sind und, so lange die Bergwerksabgabe besteht, darin eine Kompensation finden. Aber bei der Eisenbahn liegt die Sache doch noch ganz anders; die Eisenbahngesellschaften sind doch wirllich vom Staat konzessionirte und in hohem Grade privilegirte Gesellschaften. Sie haben das Expropriationsrecht und andere sehr wesentliche Rechte, und sie stehen daher in dieser Beziehung ganz anders, als alle gewöhnlichen Privatgesellschaften. Außerdem kommt aber noch hinzu, daß wir immer mehr Eisenbahnen bekom— men, welche nicht unter das Gesetz von 1838 fallen. Diese Sekundärbahnen unterster Ordnung fallen gar nicht unter das Gesetz von 1833, und die Kommunen, namentlich wenn die öffentlichen Straßen von ihnen benutzt werden. geniren sich durchaus nicht, diese Gesellschaften zu besteuern, und letztere finden darin auch gar kein Unrecht. Also ich glaube, dieser Antrag ist doch wohl nicht berechtigt, und ich bitte, ihn, wie die übrigen Anträge, von denen ich gesprochen babe, abzulehnen.

Meine Herren, von verschiedenen Seiten ist die Frage erörtert, ob, wenn man einen Reformplan verfolgt, der das Ziel sich steckt, die staatliche Doppelbesteuerung dem Grundbesitz gegenüber allmahlich wenigstens gänzlich aufzuheben, es dann berechtigt wäre, eine neue Besteuerung der Aktiengesellschaften eintreten zu lassen. Na— mentlich Hr. Simon bat diesen Satz wesentlich vertreten, das wäre doch cin ganz unhaltbarer Zustand, wenn man die eine Doppelbesteuerung beseitigen wollte, die andere einzu⸗ führen. Meine Herren, diejenigen Bestrebungen, die darauf ausgehen, die Grund und Gebäudesteuer und demnächst auch die Gewerbesteuer nach einer weiter durchzuführenden Reform derselben als Staats steuern aufzugeben und dieselben zu Kommunalsteuern zu machen, haben dabei weniger den Gesichtspunkt der Beseitigung der Doppelbesteuerung als der Beseitigung des Brutto— einkom mens ohne Abzug der Schuld. Der Staat soll nur Rein⸗ einkommen besteuern, aber vermeiden, Bruttoeinkommen ohne irgend— welche Rücksicht auf die stattfindende Belastung, die auf dem betref⸗ fenden Einkommen liegt, heranzuziehen. Das ist der entscheidende Gesichtspunkt, der einer solchen Reformidee zu Grunde liegt, sie führt allerdings zugleich auch zu der Beseitigung der Doppel besteuerung, aber der Doppelbesteuerunt, welche bis dahin bestand in

der Besteuerung des Bruttoeinkommens, als wenn es ein Netto⸗ einkommen wäre, neben einer anderen vollen Besteuerung des Netto⸗ einkommens. (Sehr richtig) Ich weiß nicht, ob ich noch weiter diesen Gesichtspunkt klarlegen soll; ich will also damit nur sagen: von einer wirklichen, innerlichen Analozie kann in diesem Falle nicht die Rede sein.

Nun ist von verschiedenen Seiten bervorgehoben, daß diese ganze Doppelbesteuerung, wenn sie wirklich bestände, allmählich doch ver— schwinden würde, weil ja nach der Höhe der Bestenerung der Aktiengesellschaften sich auch der Cours richte., und dann die späteren Erwerber diese Aktien zu billigeren

Preisen bekommen würden. Viel gehe ich darauf nicht, das muß ich

sagen, denn ich weiß nicht, ob in demselben Verhältnisse der Cours der Aktien heruntergehen wird, in welchem die Besteuerung statt⸗ findet; das ist schwer vorher zu sagen. Aber soviel liegt doch diesem Gedanken Richtiges zu Grunde, daß sich derartige Besteuerungs« formen allmählich wirthschaftlich auszugleichen unbedingt die Tendenz haben, und ich bia überzeugt, daß man das Gefühl der Ungerechtigkeit und der Ungleichheit der Besteuerung in denjenigen deutschen Landes—⸗ theilen, in welchen sich diese Verhältnisse schon mehr ausgeglichen haben, längst nicht mehr in dem Maße empfinden wird, als dies bei dem ersten Schritt, den wir hier thun, der Fall ist.

Nach Allem komme ich auf meinen Ausgangspunkt zurück. Ich sage: die Frage ist komplex, vieles spricht für, manches gegen. Aber jeder, der eine bestimmte Ansicht hat, muß anerkennen, daß ent⸗ gegenstehende Ansichten weit verbreitet sind. Lassen Sie die Aktien⸗ gesellschaften ganz frei, so werden Sie einen großen Theil unserer Bevölkerung, ich möchte sagen, in seinem Gerechtigkeitsgefühl ver letzen. (Sehr richtig! rechts.) Besteuern Sie die Aktiengesellschaften, so mag das meinetwegen in gleichem Maße der Fall sein. (Sehr richtig! links Die Frage muß aber entschieden werden, und da sage ich: hier überwiegen die Staatsinteressen für die Besteuerung (Zuruf: Geldinteresse ), gewiß, das Geldinteresse für den Staat, aber das Geld des Staats, welches jedem Staatsbürger wieder zu Gute kommt. (Zuruf des Abg. Richter: Fiskalität!) Ja gewiß, Fiskalität! Meine Herren, ich freue mich, daß ich auf diese Weise unterbrochen werde; ich werde gleich auf diesen Punkt kommen. Ich bin dem Hrn. Abg. Richter überhaupt für Unterbrechungen immer sehr dankbar. (Heiterkeit) Meine Herren, früher bat man gesagt: wenn man in das Privat einkommen der Einzelnen eindringt, so ist das eine verwerfliche Fiskalität. Heute sagt man: wenn man nicht eindringt, ist das die größte Ungleichheit und Ungerechtigkeit. (Sehr richtig Was kann man also mit solchen Bemerkungen machen. Diejenigen, die dieses Einkommensteuergesetz verwerfen, müssen entweder dies sagen oder jenes. Entweder müssen sie sagen: wir wollen die Ungleichheit, die heute besteht, erhalten, wir wollen sie wenigstens erhalten, wenn wir ihre Beseitigung mit Klarstellung der Einkommensve hältnisse der Ein—⸗ zelnen erkaufen sollen. Oder aber, meine Herren, sie müssen sagen: wir wollen die Vermehrung der Einnahmen des Staats aus dem Seckel der Steuerpflichtigen nicht, wenigstens nur unter der Bedingung gleich⸗ zeitiger Erleichterung.

Meine Herren, das Letztere bietet die Vorlage. Von Fikkalität ist da gar nicht die Rede. Das Mehr, das die Aktiengesellschaften zahlen, fließt den Fommunen, die die Grund und Gebäudesteuer über⸗ wiesen erhalten, zu, oder, wenn das betreffende Gesetz nicht zu Stande käme, wird es gleichmäßig erlassen in den verschiedenen Steuerstufen, mit denen wir es hier zu thun haben. Wo kann also hier von Fis⸗ kalität die Rede sein? Die Frage tritt hier ganz bei Seite. Ich könnte ja dabei als Finanz⸗Minister ganz neutral sein; ich könnte sagen: Gut, wenn die Einkommensteuer weniger aufbringt, nun so wird um so weniger Grund und Gebäudesteuer überwiesen. Der Staat hat ja gar nichts von diesem Mehr. Ich glaube also, der Hr. Abg. Richter wird mir selber zugeben, daß diese Unterbrechung hien am Allerwenigsten begründet war.

Ich möchte nun aber wieder auf den Gedanken zurückkommen, den ich zum Schluß Ihnen ans Herz legen wollte.

Meine Herren, ich habe gesagt: es stehen hier die Anschauungen im Lande sich gegenüber. Die Einen halten die Besteuerung der Aktiengesellschaften für eine Ungerechtigkeit die Andern verlangen sie aus dem Prinzip der Gerechtigkeit. Da hat nun die Staats— regierung einen Vermittlungsvorschlag gemacht; wir haben gesagt: wir wellen beiden Anschauungen thunlichst entgegen kommen, wir wollen nicht die eine Anschauung durch die andere niederschlagen, sondern wir wollen einen versöhnlichen Mittelweg einschlagen, der nicht Alle befriedigt, aber auch Keinen bis in sein Innerstes verletzt. Meine Herren, ich kann nur darauf zurückkommen: nach allen Debatten, nach allen Gründen für und gegen, die ich gehört habe, halte ich immer noch die Regierungsvorlage für das Beste. (Bravo!) Abg. Schmieding: Die Aktiengesellschaften hätten kein eigene; Einkommen, sie seien durch Gesetz verpflichtet, ihren Aktionären die Einnahmen zuzuführen. Wenn die Einnahme bei der Aktien- gesellschaft und bei den Attienbesitzern besteuert werde, so werde nicht nur die Einnahme aus Diridenden doppelt besteuert, sondern dazu trete auch noch die Kommunalsteuer, für welche die Staatssteuer die Grundlage bilde. Allerdings ließen sich die Einnahmen an der Quelle besser besteuern und bei der Besteuerung der Aktiengesell⸗ schaften würden auch die ausländischen Aktionäre getroffen; deshalb habe er seinen Antrag gestellt, der fast wörtlich dem weimarschen und hessischen Gesetz entnommen sei und sich dort bereits bewährt habe. Abg. Graf zu Lemburg⸗Stirum: Er hätte eigentlich, da nichts Neues mehr gesagt werden könne, gern gesehen, daß vor ihm die Debatte geschlossen worden wäre. Aber da man noch Lust babe, morgen den ganzen Tag über die Frage zu sprechen, wolle er ein paar Bemerkungen nicht unterdrücken. Er stimme vollständig mit dem Finanz ⸗Minister überein, daß die Aktiengesellschaften nicht ven der Steuer frei bleiben dürften. Auch bezüglich der Genossenschaften sei er für die Beschlüsse der Kommission. Seine Partei werde gegen alle Abänderungsanträge stimmen.

Abg. Dr. Krause: Wem thue die Steuer web, die der Aktien⸗ in g., auferlegt werde? Der Aktiengesellschaft nicht, sondern den

ktionären, denen ihre Dividende durch die Steuer gekürzt werde. Es sei also gar keine Frage, daß es sich um eine Doppelbesteuernng handle; das sprecke auch Professor Wagner in der neuesten Auflage seiner Finanzwirthschaft aus. Der einzige Grund, der durchschlagend sei, sei die Heranziehung der ausländischen Attionäre. Aber einmal brauche man die ausländischen Kapitalisten, und zweitens werde durch die Maßregel das einheimische Kapital doppelt betroffen, um das aus⸗ ländische einmal zu treffen. Wenn bei der Deklaration das Ein—⸗ kommen auch aus Diridenden von Aktiengesellschaften angegeben werden solle, dann brauche man die Aktiengesellschaften selbst nicht heranzusiehen. Durch die Besteuerung verleite man übrigens dazu, das Grundkapital der Gesellschaft möglichst niedrig zu nehmen und dafür Gelder durch Obligationen aufzubringen. Eine solche un wirthschaftliche Entwickelung sollte man nicht begünstigen.

T Vartan ird im 57, Uhr die weitere Debatte vertagt.

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Zweite Beilage

zum Deutschen Reichs⸗-Anzeiger und Käniglich Preußischen Staats-Anzeiger.

M 38.

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Zum 18. Januar 1891 brachte das „Archiv für Post und Telegraphie“ solgen— den Rückblick auf die Entwickelung des Post- und Telegraphen— wesens während der letzten zwanzig Jahre:

Zwei Jahrzehrte sind seit dem denkwürdigen 18. Januar 1871 verflofsen, an welchem Tage die Wiederherstellung von Kaiser und Reich erfolgte. Wie für die gesammte nationale Entwickelung Deutsch⸗ lands bilden diese rückliegenden zwanzig Jahre auch für den Ausbau des Verkehrswesens einen Zeitabschnitt von weittragender Bedeutung. Mitten im tiefsten Frieden durch den Ausbruch eines gewaltigen Krieges vor Aufgaben von bisher unbekanntem Umfange gestellt, haben mit der Wiederkehr friedlicher Zustände sämmtliche Verkehrszweige an— gestrengt gearbeitet, um den Anforderungen gerecht zu werden, welche die veränderte Gestaltung der staatlichen Einrichtungen, ein beispielloser Aufschwung aller Handels und gewerblichen Thätig⸗ keit und die Auebreitung der Beziehungen Deutschlands zum Auslande gestellt haben. Post und Telegraphie haben in der Erreickung der durch die veränderten Verhältnisse gesteckten Ziele sich zu den volks— thümlichsten aller staatlichen Organe herausgestaltet und in dem Um— fang ihres Wirkungskreises, in der weitgehendsten Verzweigung ihrer Betriebsanlagen sich als vorzügliche Träger und Förderer des Reichs gedankens erwiesen.

Ein Rückblick auf den Entwickelungsgang, welchen das Reichs⸗ Post⸗ und Telegraphenwesen während der abgelaufenen 20 Jahre genommen hat, erscheint aus Anlaß des rorliegenden Gedenktages wohl gerechtfertigt.

Durch die Verfassung des Reichs wurde für das Post⸗ und Telegraphenwesen die Einheit der Gesetzgebung, des Tarifwesens im Verkehr zwischen den einzelnen Bundesstagten und der Vertretung gegtnüber dem Auslande sestgestellt. Im Reichs-⸗Postgebiet, welches mit Ausschluß der Königreiche Bayern und Württemberg das ge— sammte Reich umfaßt, ist eine durchweg einheitliche Gestaltung ge— sichert in der Verwaltungseinrichtung, den reglementarischen Fest⸗ setzungen, dem Dienstbet riebe, dem Beamtenwesen und den finanziellen Verhältnissen.

Das Post« und Telegraphenwesen des Norddeutschen Bundes erhielt beim Uebergange auf das Reich durch den Hinzutritt der wieder dem Reiche gewonnenen Provinzen Elsaß und Lothringen und später durch Uebernahme des badischen Postwesens einen wesentlichen Gebietszuwachs.

Durch das Gesetz über das Postwesen des Deutschen Reichs rom 28. Oktober 1871 bat Deutschland zum ersten Male ein einheit liches Postrecht erhalten, welches, auf den GSrrndlagen der ein— schlägigen Gesetzgebung Preußens und des Norddeutschen Bundes be— ruhend, sich in der Anwendung wohl bewährt hat.

Auf dem Gebiete der Verwaltung ist durch die am 1. Januar 1876 vollzogene Verschmelzung des Post⸗ und Telegraphenwesens eine im Reichsinteresse gebotene Verminderung der Ausgaben und angleich eine einfachere und einheitlichere Gestaltung des öffentlichen Dienstes erreicht worden. Gleichzeitig ist die vom Norddeutschen Bunde über nommene Verbindung der beiden Verwaltungszweige mit dem Reichs— kanzleramt gelöst und die neu geschaffene Centralinstanz unmittelbar dem Reichskanzler unterstellt worsen. Hand in Hand mit diesen Aenderungen ist eine anderweite Abgrenzung der Befugnisse der Centralstelle und der inzwischen bis auf 40 vermehrten Bezirksbihörden im Interesse einer größeren Beweglichkeit des Verwaltunge körpers gegangen. Durch Einrichtung besonderer Bauverwaltungsbezirke wurde dem Postbau— wesen eine dem Umfange seiner Thätigkeit entsprechende anderweite Organisation zu Theil; durch Uebernahme der Leitung der Reicks— druckerei ist Reichs⸗Postverwaltung ein weiteres Arbeitsfeld zugewiesen wor!

Die Betriebsstellen der Post und der Telegraphie sind Angesichts der steiig anwachsenden Verkehrsbedürfnisse in ganz erheb⸗ lichem Maße vermehrt worden. Die Einrichtung von Postagenturen hat sich für eine weitere Verzweigung des Postbetriebsdienstes über das Land und zur Belebung des Verkehrs als besenders segensreich erwiesen. Durch Verschmelzung der beiden Betriebszweige hat die Einführung des Telegraphenbetriebes bei den Postanstalten in größerem Maßstabe durchgefübrt werden können; zahlreiche Ort⸗ schaften und Gegenden in allen Theilen des Reichsgebiets, welche bisher der telegraphischen Verbindung mit der Außenwelt entbehrten, sind dieses Segens theilhaftig geworden. In ausgedehnter Weise sind die tele⸗ graphischen Einrichtungen in den Dienst der öffentlichen Woblfahrt gestellt worden durch Einführung des Wasserstandsz, des Feuer und des Unfallmeldedienstes. Die Zugänglichkeit des Telegraphen für den Verkehr des Publikums ist bei zahlreichen Verkehrsanstalten dadurch vermehrt worden, daß die Telegraphendienststunden erweitert wurden und für die Zeit außerhalb des gewöhnlichen Telegraphendienstes eine Telegraphendienstbereitschaft eingerichtet worden ist. Die Neugestal tung des Lan dpostdienstes, welche darauf berechnet war, den in Bezug auf den Postdienst zwischen Stadt und Land hestehenden Unterschied allmählich auszugleichen und den Verkehr einer Landbevölkerung von nahezu 70 Millionen Seelen zu erleich⸗ tern, ist unter erheblicher Vermehrung der Betriebsanlagen und des Personals, sowie durch Einrichtung einer neuen Klasse von Verkehrsanlagen, der Post⸗ und Telegraphenhülfsstellen, durch⸗ geführt worden. ö

Den veränderten Verhältnissen entsprechend sind neue Post⸗ und Telegraphen⸗Ordnungen erlassen worden, welche spä wiederholt Ergänzungen und Zusätze erfahren habe ziese Ver⸗ ordnungen geben daven Zeugniß, daß die Verwaltung unablässig bemüht gewesen ist, durch Berkehrserleichterungen aller Art, sei es durch Schaffung nener Versendungskategorien (Postkarten, Postauf— träge u. s. w.) oder durch Vereinfachung der Versendungsformen oder durch Herabsetzung und Aufhebung von Gebühren dem Verkehrs— bedürfnisse entgegenzukom men.

Der telegraphische Verkehr hat vornehmlich seit Ver schmelzung der beiden Verwaltungen einen besonderen Aufschwung ge nommen. Durch namhafte Vermehrung der Betriebsstellen, vorzugs- weise durch die umfangreiche Ausnutzung des Fernsprechers sowie durch die Einführung eines sehr mäßigen Satzes für die Bestellung der Telegramme nach Landorten, ist für die Landb wohner eine erhebliche Erleichterung des Nachrichtenberkehrs herbeigeführt; durch die Be— schlüffe verschiedener internationaler Telegraphen-Kongresse sind Verein sachungen im Betriebe und die Aufstellung einbeitlicher und billiger Taxen erreicht worden. Die inzwischen nach einem bestimmten Plan durchgeführte Verdichtung des Telegraphennetzes hat sich auf alle Theile des Reichs erstreckt; mit Schaffung großer unterirdischer Telegraphenlinien ist Deutschland allen anderen Nationen voran⸗ gegangen. Die Entwickelung des Stadt ⸗Ferasprechwesens in der Hand der Reichs -⸗Post. und Telegraphenverwaltung hat in keinem anderen europäischen Lande auch nur eine annähernd gleiche Höhe erreicht. In dieser Beziehung fei erwähnt, daß am Schluß des Jahres 1890 51 419 Sr dien vorhanden waren, für welche in dem genannten Jahre insgesammt 232 Millionen Verbindungen ausgeführt wurden. Die der Vermittelung des überseeischen Verkehrs dienenden Kabel sind aus Privathänden in den Besitz des Reichs übergegangen.

Auf dem Gebiet des Postberkehrs mit dem Auslande baben sich durch Abschließung zahlreicher Verträge mit fremden Verwaltungen namhafte Verkehrtzerleichterungen, einheitliche und billige Taxen fur alle Arten der Versendungsgegenstände erreichen lassen. Allen Grrungenschaften voran steht die Begründung des Weltpostvereins,

Berlin, Donnerstag, den 12. Februar

dessen Zustandelommen das sckönste Blatt in dem Ruhmeskranze des zeiters der deutschen Reichs- Post«⸗ und Telegraphen— verwaltung ausmact. In. Bern 1574 begründet, auf den Post, Kongressen in Paris und Lissabon ausgebaut, hat die neue, welt. umfassende Gemeinsckaft das Ziel: den Postverkehr am intlicher k are nagen zurückzuführen, erleig ternde ö. rie deinri ungen usd billige Taxen zu schaffen, in einträchtigen

zerathungen der Vereinsmitglieder verwirklicht. Wenn die Hoff nungen, welche wir dem in Wien zusammentretenden nächsten Kongreffe ent— gegentragen, nicht fehlgehen, so dürfen wir binnen Kurzem den Beitritt derjenigen Verwaltungen, welche sich bis j'tzt vom Weltposthertrage noch fern gehalten haben, bezrüßen und damit das großartige Ziel erreicht sehen, welches ein weitsckauender Blick der Poft JAauf dem Gebiete des Gedankeraustausches vorbehalten hat.

Mit dem bedeutsamen Aufschwunge der kolonialpolitischen Be⸗ wegung und der Vermehrung der deutschen Handelsniederlassungen in überfeeischen Gebieten ist an die Reickepost die Aufgabe herangetreten, die vielfachen Verkehrs beziehungen zu diesen Ländern zu be⸗ leben und das Band zwischen dim Mutterlande und seinen Schutzgebieten im Auslande fester zu knüpfen. Durch Ein— richtung eigener, in die Gemeinschaft des Weltpostvereins auf— genommener Postwesen in diesen Gebieten und durch Einrichtung deutscher Postanstalten im Auslande deren Zahl gegen' wäctig 18 beträgt hat die Reichs -⸗Postverwaltung, welche der? Ent= faltung der kolonialpolitischen Thaͤtigkeit der Reichsregierung Schritt für Schritt mit Interesse gefolgt ist, diefe Aufgabe erfüllt. Die Legung des unterseeischen Telegraphenkabels an? der Oftküste von Afrika, zwischen Sansibar und Dar es⸗Salaam, möge als Beisviel für die Sorge um die Verbesserung auch der telegraphischen Ein— richtungen in den deutschen Schutzgebieten Erwähnung finden.

Der Pflege der Verkehrsbezlebungen zu üÜüberfeeischen Ländern und zu den Gebieten der deutschen Interessensphäre insbefondere ist die auf, Anregung der Reicht ⸗Postverwaltung erfolgte Einrichtung sub— ventionirter Reichs-Postdampferlinien, welche eine regel— mäßige Verbindung zwischen Deutschland und den Gestaden Sst— Usiens, Australiens und Ost-Afrikas gewährleisten, in Fehem Grade förderlich gewesen. Pit der Eröffnung dieser Linien, welche bei allen Deutschen des Inn und Auslandes die lebhafteste Theilnahme hervor— gerufen haben, vollzog sich ein Ereigniß von großer Tragweite för die politischen Interessen Deutschlands und für die Ausdehnun feiner Vandelsbeziehnngen zum Auslande. Auch die übrigen Postdampf— schiffs verbindungen zwischen Deutschland und fremden Ländern haben manche Verbesserungen erfahren.

.Bei den erhöhten Anforderunger, welche durch die mächtig fort schreitende Zunahme des Versendungsverkehrs an die Leistungsfähig⸗ keit der Verwaltung gestellt werden, ist dieselbe mit Erfolg bemüht gewesen, die Einricktungen des technischen Dienstes dem bestehen— den Bedürfnisse anzupassen und die Betriebsvorschriften nach Thun lichkeit zu erleichtern. Durch die Neuauflage der zwölf Abschnitte um. fassenden Allgemeinen Dienstanweisung für Post uad Telegraphie ist den Postanftalten die Handhabung der Dienstvorschriften wesent—⸗ lich erleichtert worden. Die vielfältigen wissenschaftlichen Errungen— schaften der Neuzeit auf elektro⸗technischem Gebiete hat die Verwal—⸗ tung für die Vervollkommnung des zelegraphischen Betriebes und des Fernsprechdienstes nutzbar zu machen gesucht.

Die Zabl der Hostfurse, sowie der Umfang der im Beför⸗ derungsdienste auf Land- und Waßserwegen bezw. auf Eisenbahnen vollbrachten Leistungen sind in steter Vermehrung begriffen; das Betriebsmaterial ist vergrößert worden; die reichseigenen Po st⸗ und Telegraphenge bäude sind durch eine namhafte Zahl statt.⸗ licher Wobnwesen vermehrt worden, welche den erhöhten Anforderungen des Verkehrs und den Rücksichten auf den Gesundheits;ustand des Personals entsprechen und in der äußeren Erscheinung das Ansehen des Reichs zu fördern bestimmt sind.

„Die günstige finanzielle Lage der Reichspost hat einerseits die Ablieferung größerer Ueberschüsse an die Reichskasse gestattet und andererseits erhöhte Aufwendungen für eigentliche dienstliche und daneben für wissenschaftliche Bestrebungen ermöglicht, unter welchen die erhebliche Erweiterung der Büchersammlungen des Reichs- Postamts und der Ober, Postdirektionen, die Herausgabe des Archios für Post und Telegraphie, die Begründung des Reichs Postmuseums genannt werden mögen.

Die Sorge um die Beschaffung und Heranbildung eines tüchtigen Beamtenkörpers, welche die im Verkehrsinteresse zu vollbringenden Leistungen der Verwaltung auferlegen, hat zu durch— greifenden Veränderungen in der Gestaltung der Per sonal« verbältnisse Anlaß geben müssen. Die Vorschriften über die Annahme von Anwärtern und die Ausbildung und Beförderung von Beamten sind den neuen Verhältnissen angepaßt worden. Hand in Hand mit den Bestrebungen der Verwaltang zur Verbesserung der materielles Lage der Verkehrsbeamten ist die Fürsorge um die Förderung ihrer geistigen Interessen gegangen. Mit der Begründung von Wohl fabrtsanstalten aller Art für ihre Angehörigen ist die Reichspost schon seit langer Zeit vorgegangen; die unmittelbar auf die Ergebnisse der großen Kriegsjahre hinwrisende Kaiser Wil helm-Stiftung und die Spar und Vorschußvereine mögen allein von denjenigen Anstalten genannt sein, welche eine Verbesserung der wirthschaftlichen Lage der Verkehrsbeamten bejwecken. Durch das Reichsbeamtengesetz vom 31. März 1873 haben die Rechtsverbältnisse der Angehörigen der Reichspost gesetzliche Regelung erfahren,

Die Thätigkeit der Verwaltung und ihrer Beamten ist nicht auf das eigentliche Verkehrsgebiet beschränkt geblieben. Dank der weit— gehenden Verzweigung und der leichten Zugänglichkeit ihrer Organe ist die Mimwwirkung der Reichspost für allgemeine Reichszwecke, wie z. B. für die Durchführung finanzieller Maßnahmen, vornehmlich aber der neueren sorialpolitischen Gesetzgebung, in ganz erheblichem Maße in Anspruch genommen worden.

Ein Blick auf die statistischen Ergebnisse der Jahre 1871 und 1889 zeigt den Aufschwung, welchen die Verkehrsverhältnisse seit dem Anbrechen der neuen deutschen Aera genommen haben. Die Gesammt⸗ zabl der durch die Post beförderten Sendungen ist von 703 auf 2413 Millionen Stück, die Zahl der Telegramme von rund 8 auf nahezu 24 Millionen angewachsen. Die Gesammtziffer der Postanstalten weist eine Steigerung von 4927 auf 21212 auf; die Zahl der Reichs—⸗ Telegraphenanstalten, welche bei Verschmeljzung der beiden Be— triebszweige sich nur auf 1686 belief. ist jetzt auf 11447 an- gewachsen; das Gesammtpersonal der Reichs ⸗Postderwaltung, welches sich früher auf 46523 bezifferte, hat gegenwärtig einen Stand von 107 823 Köpfen erreicht. An Reinüberschüssen der Reichs Postverwal⸗ tung haben für das Etats jahr 1889/90 27 Millionen Mark (gegen ö. Millionen im Jahre 1871) an die Reichskasse abgeführt werden önnen.

„Die Welt am Ende des 19. Jahrhunderts steht unter dem Zeichen des Verkehrs. Er durchbricht die Schranken, welche die Völker trennen, und knüpft zwischen den Nationen neue Beziehungen an.“ Mit diesen Worten, welche unlängst die Kaiserliche Hand aus einem hoch erfreulichen Anlaß niedergeschrieben, ist die Aufgabe, welche Post und Telegraphie im Interesse des Verkehrs zu vollbringen haben, vor gezeichnet, nicht minder aber die Stellung anerkannt, welche ihnen im taatlichen Lehen gebührt. Wenn heute der Betrieb der Reichspost und Telegraphie sich täglich in die entlegensten Winkel des Reichs gebiets erstreckt, ein gemeinsames postallsches Band die Verkehrs- interessen der ganzen Welt umschlingt, Deutschlands Postflagge auf

fernen Meeren von dem Wachsen vaterländischen Ansehens und seines Unternehmungsgeistes zeugt: so ist dies nur zu erreichen gewesen in steter Wachsamkeit in Bejug auf die Bedürfniffe und die Befriedigung des Verkehrs bei der obersten Leitung und durch angestrengte Thätig⸗ keit in den Betriebsstellen bei Tag und bei Nacht, unter tausend Hindernissen, welche sich durch die Ungunst der Elemente dem Ver⸗— kehrsdienste entgegengestellt haben.

Geographischer Monatsbericht. Auf Grund von Dr. A. Petermann's Mittheilungen.

Afrika.

NO -Afrika. Unerwartet schnell ist die jüngste Kolonialmacht, die italienische Regierung. daran gegangen, eine zuverlässige Auf⸗ nahme der Kolonie Erythrea am Rothen Meere in Angriff zu nehmen und dadurch eine genaue Kenntniß des Landes zu gewinnen, welche sowohl für die Sicherung des Besitzes, als auch für eine erfolgreiche Kolonisation die Grundlage bieten wuß. Ein schneller Fortschritt der Arbeiten ward dadurch ermöglicht, daß die bez. Auf nahme an dem wichtigsten Punkte der ganzen Kolonie, b.i Massaua, begonnen wurde. Auf diesem Wege ist nunmehr erreicht, daß die italie⸗ nische Regierung bereits im Besitze einer so genauen und sorgfältigen topographischen Aufnahme des wichtigsten Thelles der Rolonie, der Umgegend von Massaua bis an das abessinische Hoch—⸗ land heran, ist, wie sie nur in civilisirten Ländern, in Afrika nur über

1: 100000

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Ailet, im Süden bis Zula. Die dem⸗

zu erwartenden Blätter umfassen einen großen Theil der Land—

ft Mensa, den östlichen Theil von Hamasen mit dem wichtigen

e Asmara. Durch dieses Vorgehen hat Italien sämmtlichen

lonialmächten ein nachahmenswerthes Beispiel gegeben.

Central⸗Afri ka. In Garengans Msiris Reich, zwischen dem Lualaba und Luapula, den J Quellflüssen des Congo, ift Jos. Thomson wieder einge Es scheint, daß er, wie schon früher am Niger, eine litische Mission in diesem Gebiet ausüben und eine Ausdehnung der von der englischen Seengesellschaft am Nyassa beanspruchten Hoheitsrechte auch auf Mösiris Reich, welches durch seinen Kupferreichihum allerdings als begehrenswerthes Objekt erscheint, erreichen soll. Garenganse ist auch das Ziel diner Reise A. Scharpe's, welcher kurz vorher das Land zwischen Nyassa und dem nördlichen Sambesi⸗Tributär Loangwa glücklich durchwandert hatte. (Proc. R. Geogr. Soc. London 1890 Seite 744 752 mit Karte.)

Polarländer. In Grönland sind die dänischen Unter— suchungen im Sommer 1890 durch Reisende in zwei Abtheilungen, der einen in Nord, der anderen in Süd- Grönland, fortgesetzt worden. Erstere bestand aus dem Entomologen Lundbock und cem Botaniker Hartz, die im vorigen Jahre Süd⸗rönland besucht hatten. Nach einer siebenwöchentlichen Reise langten sie in Holstenborg an, gingen von da zu Boot nach Nord-Grönland, bereisten die Küsten um die Distobucht herum und kamen nach wohlausgefährten Untersuchungen am 29. September wieder nach Kopenhagen zurück. Die zweite Expedition wurde von dem schon aus früheren Forschungen bekannten Marine⸗Lieutenant C. Bloch und Kandidat H. Lassen als Natur⸗ forscher ausgeführt. Ihr Ziel war eine Strecke der Küste zwischen den beiden südlichsten Kolonien, unter 61 Grad bis 62 Grad n. Br., die bisher in den Karten noch mangelhaft dargestellt war und wo auch für andere Arbeiten mehrfache Gelegenheit sich bot. Die Reisenden kamen am 1. Mai in Grönland an, als dort noch völliger Winter herrschte. Die Expedition kehrte mit guten Ergebnissen heim, Im Sommer 1891 wird sich Dr. E. von Diygalski in Begleitung von O, Baschin, welche von der Berliner Carl Ritter⸗Stiftung unterstützt werden, nach West⸗Grönland begeben, wo sie physikalische Untersuchungen über das Gletscher⸗ und Inlandeis auszuführen beab⸗ sichtigen. Den höchsten Berg von Island, den Oraefa Jökull, versuchte im August 1890 ein englischer Reisender, Fr. W. W. Howell, zu erklettern. Mit drei Begleitern brach er von Sandfell auf und gelangte bis auf eine Höhe bon 5100 F. (— 1860 m), wo er 141 F. (43 m) unter dem Gipfel durch einen heftigen Schnee— sturm zur Umkehr gezwungen wurde. Die Schneegrenze liegt in 2000 F. (610 m) Höhe. Bei günstiger Witterung ist nach Howell's AÄnsicht die Ersteigung des Gipfels wohl durchzu⸗ führen. („Proc. R. Geogr. Soc.“ London 1890. Seite 619.) Die Sibirienfahrt ist im Sommer und Herbst 1890 glücklich von drei Schiffen ausgefübrt worden. Es würde jedoch voreilig sein, durch das Gelingen dieser drei Fahrten in einem Sommer einen Schluß auf regelmäßige Ermöglichung der Sibirienfahrt überhaupt zu zieben. Im Jabte 1378 waren die Eis verbältnisse im Karischen Meere so außerordentlich günstig, daß neue Schiffe nach dem Ob oder Jenissei gelangen konnten, in den nächsten Jahren aber wurden nur noch ganz vereinzelte Erfolge errungen, sodaß die Hamburger und Bremer Firmen die weiteren Unternehmungen aufgeben mußten. Die schon lange geplante Expedition in die antarktischen Gebiete zu Stande zu bringen, hat die R. Geogr. Society in Viktoria einen Aufruf an die australischen Kolonien erlassen. Bekanntlich hat. der berühmte Nord—⸗ polarforscher A. E. von. Nordenstiöld sich erboten, die Leitung einer solchen Expedition zu übernehmen, sobald von den australischen Kolonien ein Betrag von 5000 Pfd. Sterling zu den Koften aufgebracht worden ist, während der bekannte Großhändler Oskar Dickson in Gothenburg den Rest beisteuern will. Die Wichtig keit der zu erwartenden Aufschlüsse für Hydrographie, Meteorologie, Erdmagnetismus und Geologie betont G. C. Griffiths ganz besonders.

Ozeane. Die erste österreichische Expedition zu Tie see· forschungen im Mittelländischen Meere kehrte am 20. Sep-

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tember nach Pola zurück. Der Dampfer ‚Pola“ der K. R. Marine

verließ am 14. August die Rhede von Korfu und fuhr zunächst längs der Jonischen Insein nach 8., wobei wiederbolt Vorstöße in das offene NMöieer ugtetnommen wurden. Von Cerigo wurde die Fahrt nach 8. bin an die afrikanische Küste fortgesetzt und dann längs derselben nach Bengast gesteuert. Die Weiterfahrt in der Richtung nach Kap Santa Maria di Leuca, der Südspitze von Apulien, erlitt durch schweres Unwetter eine Ablenkung nach den jonischen Inseln hin. Im Ganzen wurden an 47 größeren Stationen die Tiefen gemessen, Temperaturen an der Oberfläche, in verschiedenen Tiefen und am Grunde bestimmt, Wasser⸗ zroben geschöpft, deren spezifisches Gewicht und Saligehalt ermittelt wurde; durch photographische Apparate wurden Beobachtungen über das Eindringen des Lichts in die Tiefe angestellt. Die größte erreichte Tiefe betrug 3700 m. Erwiesen wurde bereits durch die Lothungen dieser Fahrt, daß die größte Depression nicht, wie bisher angenommen wurde, Ost=West, sondern Nord Süd verläuft. Die Untersuchungen sollen auch in den nächsten Jahren fortgesetzt und allmählich auf das ganze östliche Mittelmeerbecken ausgedehnt werden. ;

Auch die russische Expedition zur Untersuchung des Schwarzen Meeres ist zum Abschluß gekommen. Ausgeführt wurde sie von dem Kanonenboot „Tschernomorets“ und stand unter Leitung von Oberst ⸗Lieutenant Spindler, Professor Andrussow und

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