1891 / 39 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 13 Feb 1891 18:00:01 GMT) scan diff

schaften, die auch unter die Doppelbestenerung fallen sollten, hinweg gegangen worden. Bei den Bergwerksgesellschaften nach altem Recht werde ebenso wie über andere Immobilien über die Antheile jedes Einzelnen genau Buch gefübrt, ganz wie bei den Gerichten über Grund⸗ und Bodenbesiß. Auch die Gewerkschaften des neuen Rechts seien eingetheilt in Kuxe, deren Besitzer im Kuxen - oder Antheils · buch verzeichnet würden, sodaß dieses den Behörden gegenüber öffent- lichen Glauben babe. Auch bier sei also eine urkundliche Grundlage für die Frage, ob ein Besitzer schon mit seinem Antheil zur Staatssteuer herangezogen sei. Anders sei es mit den Aktien, die an der Börse gehandelt würden; diesen weine er keine Thräne sach, und sie möchten ruhig jur Doppelbestenerung herangejogen werden. Alle oliden Besißzer von Bergwerkealtien und Kuxen könnten sich durch einen glaubwürdigen. Nachweis vor einer Dovpelbesteuerung sehr wohl schützen. Sei diefes nun möglich, so sei es auch Pflicht des Ab= geordneten hauses, durch Annahme des Antrags Achenbach die Härten der Doppelbesteuerung zu vermeiden. Lehne das Haus iha ab, so werde ins Land der Eindruck gehen, daß das Gerechtigkeitẽ gefühl des Hauses nicht ausreiche. (Unrube rechts) Die ausländischen Besitzer von Aktien frei zu lassen, liege auch nicht in seiner Absicht, und der Antrag Ächenbach, gegen den der Finanz. Minister gestern nichts Wlentliches einzuwenden gebabt habe, beuge dem ganz entschieden vor. Durch die dann mögliche Beseitigung Ter steuerfreien Einnahme der Aktiengesell⸗ schaften werde auch der Staat erbebliche Mehreinnahmen erünelen. Das Haus möge also den Antrag Achenbach annehmen.

Abg. von Eynern: Nach seiner persönlichen Auffassung der vor⸗ liegenden Frage, die gerade für den Westen ron großer Bedeutung sei, liege eine Doppelbesteuerung unstreitig vor, und eine Autorität wie Professor Adolf Wagner sollte doch für das Haus von Belang sein. Nach den Gesetzen der deutschen Staaten, die an Grötze kaum einem preußischen Regierungsbezirk gleickkämen, sollte der größte deutsche Industriestaat, Preußen, sich doch nicht xichten. Bavern habe die Besteuerung der Aktiengesellschaften nicht, und der In⸗ dustriestaat Sachsen, der sie besitze, lasse, die Aktien- gesellschaften wieder von der Gewerbesteuer frei. Bei unserer Industrie handele es sich aber nicht um einen Wet ebewerb mit den kleineren Teutschen Staaten, sondern um den mit England, Frankreich, Oesterreich und Amerika, diesen werze aber eine weitere Belastung der Aktiengesellschaften recht schwer machen Man werde dann die Schutzjollschranken immer höber machen müssen und damit dann doch unsere Jadustrie nur gerade am Leben erhalten können. Um einer Doppelbesteuerung zu entgehen, werde wohl auch schwerlich ein Aktienbesitzer ins Ausland ziehn. Er besteeite auch, daß das in Aktien angelegte Kapital sich arnähernd mit 10 9 rerzinse, und selbst wenn dieses einmal der Fall sci, verursschten Tie schlechten Jahre wiederum einen ganz erheklicken Autfall. Im Allgemeinen könnten unsere Aktiengesellschalten nur mit schwerem Kampf den. Wettbetrieb der ausländischen Kon⸗ kurrenz ertragen. Daß die Kommunen die Aktiengesellschaften besteuerten, sei eber ein Grund gegen eine Besteuerung derselben durch den Staat, als für eine solche. Die Banken sollten auch zu einer kommunalen Besteuerung nicht herangezogen werden, denn sie belasteten die Kommunen in keiner Weise, wie das vielleicht bei einigen Fabriken der Fall sei. Bei der ersten Lesung des Eintommensteuergeseßes habe der Finanz Minister erklärt, daß er die Besteuerung der Aktiengesell⸗ schaften als eine der diskutirbaren Einzelheiten betrachte. Das Haus werde also vielleicht gerade im Sinne der Regierung handeln, wenn es die ganze Bestimmung aus dem Gesetze streiche. Wolle es das nicht, so möge es wenigstens den Antrag Achenbach annehmen.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Ich möchte vor der Abstimmung die durch dieselbe etwas ver⸗ schobene Stellur n der Staatsregierung zu diesen Fragen noch einmal Ihnen etwas bestemmter präzisiren. Ich habe von vornherein, meine Herren, gar kein Hehl daraus gemacht und habe es hier im Plenum und in der Kommission mehrfach ausgesprochen, daß die Staats regierung diese Frage auch für eine komplexe Frage so abe ich mich mehrfach ausgedrückt hält, aber die Frage muß bei jeder neuen Steuerreform entschieden werden. Die Staatsregierung hat nach eingehender Prüfung alles Für und Wider in Betreff der Be— stenerung dieser Gesellschaften geglaubt, daß die Gründe für die Besteuerung die überwiegenden seien. Sie hat aber dabei von vorn— herein die Bedeutung der Gegengründe anerkannt und das dadurch bethätigt, daß sie ja einen vermittelnden Weg durch den Abzug der 3 des Anlagekapitals ihrerseits vorschlägt. Die Kommission hat diese 3, auf 35 V' erhöht. Ich habe mich auch damit einverstanden erklärt.

Nun ist die Grundstimmung hier in der Landesvertretung, im Abgeordnetenhause, nach meiner Meinung wohl deutlich dahin hervor getreten, daß man im Großen und Ganzen die Gründe für die Be⸗ steuerung der Aktiengesellschaften überhaupt für überwiegend hält. Man ist aber bemüht, Härten und Unzuträglichkeiten, die daraus er⸗ wachsen können, zu beseitigen. Die Einen stellen sich dabei auf den Standpunkt der Regierungsvorlage, die Anderen suchen nach anderen Auswegen.

Meine Herren, ich habe meine gestrige Rede damit geschlossen, daß ich sagte: ‚alles Für und Gegen wobl erwogen, scheint mir die Regierungsvorlage das Beste zu sein'“. Meine Herren, für die Re⸗ gierungsvorlage spricht namentlich die Einfachheit des Weges, den sie einschlägt. In der Ausführung ist jedenfalls die Regierungs vorlage außerordentlich einfach, in sich klar und trifft überall gleichmäßig. Andererseits läßt sich nicht verkennen, daß, wenn man einmal eine Doppelbesteuerung findet in der Besteuerung der Aktiengesellschaften, der Antrag Achenbach die Dorpelbesteuerrrg für diejenigen, die den Antrag und seinen Inhalt gebrauchen können, vollständiger aus⸗ schließt als die Regierungsvorlage. Es läßt sich auch nicht leugnen, daß der Antrag Achenbach die auswärtigen Aktionäre zum vollen Be— trage heranzieht (sehr richtig!); es läßt sich aber auf der anderen Seite wieder nicht leugnen, daß der Antrag Achenbach in der Aus— führung erheblichen Schwierigkeiten begegnen wird (sehr richtig!) und, wie ich schon früher mehrfach hervorgehoben habe, insofern un= gleich treffen kann, als manche Personen, die doch die Voraussetzungen thatsächlich erfüllen, dieses Faktum nachzuweisen außer Stande sein können.

Meine Herren, die Staatsregierung wünscht selbst, daß diese Frage in einer Weise zum Austrage kommt, welche nicht verbittert und verstimmt, welche vielmehr die verschiedenen Gegensätze thunlichst ausgleicht und versöhnt. Wir halten den Antrag Achenbach in der Ausführung für sehr schwierig, wir sind aber nicht der Meinung, daß er unausführbar ist. (Hört!) Meine Herren, er hat, wie ich schon früher sagte, den großen Vorzug vor den anderen Anträgen, daß er die Abrechnung verlegt in die Regierungsorgane, daß das ganze Veranlagungsverfahren durch den selben nicht gestört wird, daß man nachher mit einer gewissen Ruhe die Frage, ob nun in einzelnen Fällen die Ansprüche auf Rück erstattung begründet sind oder nicht, klar stellen kann. Schwierig keiten wird er in erbeblichem Maße verursachen, viel Schreiberei u. s. w. Das ist alles zutreffend, aber für una usführbar halten wir den Antrag nicht. Unter diesen Umständen muß ich die Entscheidung über diese Frage dem hohen Hause überlassen. (Bravoh

Abg. Goldschmidt: Er freue sich, daß der Minister dem An⸗ trag Achenbach zustimme. Er sei ein großer Freund der Selbstein⸗ schatzung, aber er könne niemals dem Gesetze seine Zustimmung geben, wenn es eine Doprvelbesteuerung entbielte. Die Aktiengesell⸗ schaften seien nun einmal ein unentbehrlicher Faktor unseres Erwerbs⸗ lebens geworden. Die Eisenbahnen würde niemals ein einzelner, niemals ein noch so kapitalkräftiger Staat gebaut haben, sie verdankten ibre Entstehung lediglich dem Zusammenfluß des Kapitals. Am besten würde die Beseitigung der ganzen Besteuerung der Aktien⸗ gesellschaften sein, andernfalls würde sich die Annahme des Antrages Achenbach empfehlen.

Abg. Pleß tritt für die Besteuerung der Genossenschaften und Konsumbereine ein, welche den kleinen Unternehmern erheblichen Schaden zufügten.

Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum: Er stehe noch auf dem⸗ selben Standpunkte, daß eine Doppelbesteuerung nicht vorliege, aber wenn auch Tage lang darüber gesprochen werde, so werde man sich doch nicht verständigen. Vollkemmenes werde man in Steuersachen überhaupt nicht machen können. Er bleibe dabei, daß die Kom missionsbeschlüsse am Besten seien, aber wenn eine Verständigung über den Antrag Achenbach erzielt werden könne, so sei er bereit, für denselben zu stimmen.

Ein Schlußantrag wird abgelehnt.

Abg. Rickert: Er wolle nur feststellen, daß die Verhandlungen im Hause doch nicht so werthlos seien, als es gestern den Anschein gehabt babe, als so vorzeitig der Schluß beantragt worden sei. Die Debatte habe jetzt dazu geführt, das der Vorschlag der Kom mission nicht die Mehrheit erhalte. Vielleicht ziehe man daraus den Schluß, daß man etwas sparsamer mit den Schlußanträgen um⸗ geben follte. Seine Partei werde auch für den Antrag Achenbach stimmen, obgleich sie nicht verkenne, daß derselbe auch mehrfache Un gerechtigkeiten und Härten enthalte. (Hört! im Centrum.) Nur möchte er den Vorbehalt machen, daß seine Partei in der dritten Lesung eine Aenderung vornehme.

Abg. Dr. Windthorst: Der Schlußantrag sei sehr unzeitgemäß gestellt worden, denn die Situation habe sich vollständig geändert. Das Abkommen, welches in der Kommission abgeschlossen worden sei, werde preisgegeben; der Abg. Graf Limburg -Stirum lasse es fallen, trotzdem er es für das Bessere balte gegenüber dem Antrag Achenbach. Diesem Antrag stimme der Abg. Rickert zu, obgleich er die Ungerechtigkeit desselben anerkenne. Der Finanz⸗Minister halte den Antrag für ausführbar, ohne zu sagen, wie er durchgeführt werden solle. Durchführbar sei er nur bei großen Banken, aber nicht für die kleinen Leute. (Beifall,. Es sei ihm recht interessant, daß der Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum für das Groß kapital gegen die kleinen Leute auftrete. (Zustimmung im Centrum.) Eine Aktiengesellschaft sei eine durch Gesetz geschaffene juristische Persönlichkeit, unabhängig von physischen Personen, welche Gewinne mache durch großartige Geschäfte, welche dazu beitrage, das kleine Kapital zu vernichten. (Sehr richtig! im Centrum; Widerspruch links.) Desbalb sei es durchaus in der Ordnung, diese Persönlichkeit zur Steuer heranzuziehen. Man könne nichts Bedenklicheres thun, als derartige Privilegien für das Großkapital zu schaffen. Die Folge davon werde sich bald in der Presse und im Lande zeigen. Die Staatsregierung sei auf dem rechten Wege gewesen, jetzt gehe sie davon ab. (Zustimmung im Centrum.)

Abg. Freibert von Hammerstein: Er wolle nur feststellen, daß er seine Stellung in Bezug auf diese Frage nicht geändert habe. Der Antrag Achenbach enthalte eine schwere Gefahr Wenn man das Gesetz so konstruire, daß den Aktienbesitzern ihre Steuern zurück bezablt würden, dann werde die Unzufriedenheit sich sehr bald im Lande bemerkbar machen.

Abg. v. Kardorff: Wenn der Abg. Dr. Windthorst die Kon⸗ sequenz aus seinen Anschauungen ziehen wolle, dann müsse er die Be⸗ seitigung der Steuerfreiheit von 39 C, des Aktienkapitals beantragen, durch welche jetzt auch die ausländischen Kapitalisten von der Steuer befreit würden. Seine (des Redners) Partei wolle die ausländischen Kapitalisten heranziehen; das sei der Unterschied, nicht der zwischen großem und kleinem Kapital. (Beifall)

Damit schließt die Debatte.

Der Antrag Schmieding wird abgelehnt. Bei der namentlichen Abstimmung über den Antrag Achenbach, der sich auf 8. 16 bezieht und dessen Wortlaut wir gestern mitgetheilt haben, stimmen nur die Nationalliberalen, die Frei— sinnigen und die Polen geschlossen für den Antrag, alle anderen Parteien spalten sich, von den Freikonservativen stimmt der größere, von den Konservativen und dem Centrum der kleinere Theil für den Antrag, welcher mit 188 gegen 177 Stimmen angenommen wird. Alle übrigen Abänderungs— anträge werden abgelehnt. 5. 1 Nr. 4 wird mit 269 gegen 10 Stimmen angenommen, sodaß nunmehr die zur Debatte gestellten Bestimmungen lauten:

§. 1. Einkommensteuerpflichtig sind Nr. 4: Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Berggewerkschaften, welche in Preußen einen Sitz haben, sowie diejenigen eingetragenen Ge— nossenschaften, deren Geschäftsbetcieb über den Kreis ihrer Mit⸗ glieder hinausgeht. Konsumvereine mit offenem Laden unterliegen der Einkommensteuer.

§. 15. Als steuerpflichtiges Einkommen der im 5. 1 Nr. 4 bezeichneten Steuervflichtigen gelten unbeschadet der Vorschrift im 5§. 6 Nr. 1 die Ueberschüͤsse, welche als Aktien⸗ zinsen oder Dividenden, gleichviel unter welcher Benennung, unter die Mitglieder vertheilt werden, und zwar unter Hinzurechnung der zur Tilgung der Schulden oder des Grundkapitals, zur Ver besserung oder Geschäftserweiterung, sowie zur Bildung von Re— servefonds soweit solche nicht bei den Versicherungsgesellschaften zur Rücklage für die Versicherungssummen bestimmt sind ver— wendeten Beträge.

Demjenigen Steuerpflichtigen, welcher nachweislich Aktien oder sonstige Antheile an den nach §. 1 Nr. 4 steuerpflichtigen Gesell⸗ schaften während des ganzen, dem Veranlagung jahre vorangehenden Steuerjahres eigenthümlich besessen und die auf dieses Jahr fallende Dividende bejw. Zinsen, Ausbeute oder sonstigen Gewinnantheile bezogen und dieses bei der Deklaration ausdrücklich angegeben hat, wird der auf dieses Einkommen entfallende Antheil der Einkommen steuer erstattet.

Der Nachweis ist bei derjenigen Veranlagungslommission zu erbringen, in deren Bezirk die nach 5. 1 Nr. 4 steuerpflichtige Gesellschaft ihren Sitz hat.

Für die Kommunalbestcuerung und für die Ausübung des Wahl⸗ rechts kommt die volle veranlagte Steuer ohne Abjug der er— statteten Steuerbeträge in Betracht. Die räheren Bestimmungen, insbesondere über die Berechnung der zu erstattenden Steuerbeträge und die Erbringung des Nachweises werden von dem Finanz⸗Minister erlassen. Im Falle des 8§. 2b gilt als steuerpflichtiges Einkommen derjenige Theil der vorbezeichneten Ueberschüsse, welcher auf den Geschäftsbetrieb in Preußen bezw. auf das Einkommen aus preußi⸗ schem Grundbesitze entfällt. ;

Nach einem von der Kommission beschlossenen Zusatz in

5. 2 sollen auch Agenturen auswärtiger Häuser in Deutschland der Steuerpflicht unterliegen. Abg. von Eynern beantragt, diesen Zusatz zu streichen, denn die auswärtige Firma werde eine Deklaration uͤber ihren Verdienst niemals geben. Die Einrichtung von Agenturen werde verhindert werden, fremde Häuser würden Handelsreisende an die Stelle der Agenturen setzen. Ver finanzielle Effekt werde ein niedriger sein und der Belästigung des internationalen Verkehrs nicht entsprechen.

Berichterstatter Abg. von. Jag ow erklärt, daß nicht die Agenten, sondern die Firma die Deklaration angeben solle.

In demselben Sinne spricht sich Abg. Peters aus; der Zusatz solle nur den Begriff Handelsanlagen genauer definiren.

Abg. von Ey nern: Der Begriff der Handeltanlage sei klar

genug; aber eine Agentur sei keine Handelkanlage. Eine aus⸗ ländische Firma könne gar nicht zur Deklaration gejwungen werden.

Geheimer Finan- Rath Wallach hält den von der Kommission beschlossenen Zusatz doch für eine Verbesserung. Wenn das aus- wärtige Haus nicht deklarire, so werde es von der Kommission ein⸗ geschäßt werden. (Zuruf: Wenn es aber nicht bejahlt) Beiahlen werde es schon, denn das auswärtige Haus werde doch Vermögens⸗ objekte in Deutschland haben.

Abg. von Eynern: Ein Agent babe nicht bloß für ein Haus, son⸗ dern oft fär eine ganze Reihe von Häusern die Vertretung; er verkaufe nicht nur, sondern kaufe auch. Das Letztere sei aber gar nicht berück⸗ sichtigt.

Abg. Dr. Enneeccerus hält es für richtig, daß die Vertre—⸗ tungen großer auswärtiger Unternehmungen, z. B. der Lebens ver⸗ sicherangen hier besteuert würden, möchten die Vertretungen nun Filialen oder Azenturen heißen.

Abg. Stengel: Die Sache sei doch nicht recht verständlich. Wenn man hier die Agenten treffe, werde man es im Auslande mit unseren Agenten ebenso machen.

Finanz⸗Minister Dr. Miguel:

Meine Herren! Der Zusatz ist ja in der Kommission beschlossen worden, in der Regierungsvorlage steht er nicht, aber ich glaube, der Widerspruch gegen diesen Beschluß ist übertrieben und beruht wesent⸗ lich auf Mißverständniß Wenn der Hr. Abg. von Eynern sagt: soll Jedermann, der hier in Deutschland vom Auslande aus Einkäufe macht, besteuert werden, so hätte er sich die Frage selber beantworten können. Durch das bloße Einkaufen verdient man nichts, davon hat der Einkäufer überhaupt noch kein Einkommen, also dieser Fall kann hier gar nicht Platz greifen. (Zuruf.) Nein, er muß aus seinem ge⸗ schäftlichen Unternehmen auch ein Einkommen haben, sonst kann er überhaupt nicht besteuert werden, ein bloßer Einkäufer hat noch keinen Gewinn aus seinem Einkauf

Meine Herren, es wird Keiner darüber in Zweifel sein, daß ein auswärtiges Haus, welches in Preußen eine Filiale anlegt und unter⸗ hält, eine gewerbliche Niederlassung hat und aus denjenigen Einnabmen, die aus dieser in Preußen etablirten Niederlassung entstehen, Steuer bezahlt. Das ist in England auch genau so. Nun hat die Kommis⸗ sion offenbar sich gesagt: ja, wo ift die Grenze zwischen einer ständigen Agentur denn so verstehe ich den ganzen Satz, wo vom Unterhalten der Agenturen gesprochen wird mo ist die Grenze zwischen Filiale und einer solchen Agentur? und ist hier nicht nothwendig, auch die Frage zu entscheiden, ob es einen Unter⸗ schied in der Besteuerung macht, wenn dieser Agent selbständig Ge⸗ schäfte in Preußen abschließen kann oder vorbehaltlich der Genehmigung des Hauptetablissements? Da hat nun die Kommission gesagt: die⸗ jenigen auswärtigen Gewerbtreibenden, welche ihr Einkommen aus Preußen beziehen, sollen steuerpflichtig sein, selbst wenn der volle Begriff im juristischen Sinne einer Filiale nicht vorliegt, sondern nur eine ständige Agentur vorhanden ist, und es soll keinen Unter⸗ schied machen, ob diese Agenten bevollmächtigt sind, selbständig Ge⸗ schäfte abzuschließen oder nur mit rorbehaltlicher Genehmigung ihrer Kommittenten. An sich ist das auch rationell, darüber kann doch kein Zweifel sein. Es hat mir ein Herr, der in Deutschland davon betroffen wird, aber in England etablirt ist, selbst gesagt: wenn Sie so die Sache verstehen, daß wir hier nur für dasjenige Einkommen zahlen sollen, welches wir aus in Deutschland abgeschlossenen Geschäften beziehen, so baben wir nicht das Geringste dagegen; denn in England ist es genau ebenso. Er hatte nur das Bedenken, daß sie hier zahlen sollten für die gesammten Ge⸗ schäfte, die sie überhaupt machen. Davon kann natürlich nicht die Rede sein, sondern es müssen die Geschäfte, welche das Einkommen gebracht haben, hier zum Abschluß gekommen sein. Also, so ganz verkehrt, wie die Herren die Sache darstellen, ist sie nicht.

Abg. von Cunvy beantragt, die Debatte zu vertagen, da sich , bis morgen ein Ausweg finden werde, der beide Theile efriedige.

Das Haus tritt diesem Antrage bei.

Schluß 41M Uhr.

Ver? ehrẽ⸗An falten.

Norddeutscher Lloyd in Bremen. (Letzte Nachrichten über die Bewegungen der Dampfer) New⸗Jork⸗ und Baltimore⸗Linien: Bestimmung. Bremen 12. Febr. von Southampton. Bremen 11. Febr. von New⸗JYork. New · Vork 11. Febt. in New⸗Jork. New Jork Febr. von Southampton. New · Jork Febr. Lizard passirt. New⸗ Jork J. Febr. Dover passirt. Bremen 2. Febr. in Bremerhaven. Bremen Fehr. von Baltimore. Baltimore Febr. in Baltimore. Baltimore 2. Febr. Lizard passirt. Baltimore ?. 6 Lizard passirt. Baltimore 12. Febr. von Bremerhaven. . Brasil- und La Plata ⸗Linien: Darmstadt! Bremen 9. ö in Antwerpen.

Trave“. Ems“. Eider. Havel. Fulda Saale Stuttgart“. Hermann

Salier .

Amerika!

Nürnberg“.

München.

Schnelld.

Graf Bismarck Bremen 12. Febr. in Bremerhaven. ö Intwerr Bremen 9. Febr. Las Palmas passirt. . , 10. Febr. St. Vincent passirt. Ohio“. Antwerp. Bremen 31. Jan. von Buenos Aires. Leipzig“. Brasilien 20. Jan. in Bahia. Gera Vigo, Bremen 10. Febr. von Buenos Aires. Frankfurt La Plata 8. Febr. in Rio. . Berlin). Ri, La Plata S8. Febr. Las Palmas passirt. Baltimore? Brasilien 12. Febr. St. Vincent passirt. Antn, Coruna, Oldenburg“ Vigo, Rio, La Plata ; inien nach Ost ⸗Asien und Australien: Preußen Bremen 8. Febr. von Port Said. Bayern! Bremen 11. Febr. von Shanghai. Neckar Ost Aien 9. Febr. in Colombo. Sachsen . Ost ˖ Asien 11. Febr. von Southampton. 2 Bremen 9. Febr. von Genua. . ; Bremen 4. Febr. von Adelaide. Hohenstaufen⸗ Australien 11. ö. in Adelaide.

12. Febr. von Bremerhaven.

Kaiser Wilh. II. Australien 10. Febr. von Suez. Karlsruhe. Bremen 10. Febr. in Antwerpen.

London, 12. Februar. (W. T. B.). Der Union Dampfer Arab“ ist heute auf der Heimreise in Southampton ange⸗ kommen. Der Castle⸗Dampfer Dunottar Gastle ist gestern auf der Ausreise in Durban (Natal) angekommen. Der Castle Dampfer Norham Castle“ hat heute auf der Heim reise Madeira pafsirt und der Castle⸗ Dampfer Duart Castle“ ist heute auf der Heimreise in London angekommen.

39.

Zweite Beilage zum Dentschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Stagts-Anzeiger.

E891.

Berlin, Freitag, den 13. Februar

Geschichtliche Darstellung der forstlichen Verhältnisse in der Lüneburger Haide.

Aus der Vorzeit fehlen verbürgte Angaben her die forstlichen Verkältnisse in der Lüneburger Halde voll ändig. Es wird zwar an— genommen, daß das Land sehr waldreich gewesen ist, indessen liegen authentische Nachrichten hierüber nicht ror, soweit nicht etwa dem Vorhandensein von Holjtheilen und Bäumen in den großen Mooren eine weitergehende Bedeutung beizumessen ist Zweifellos sind diese Moore vor Jahrtausenden mit Wäldern bestockt gewesen, deren Ueber⸗ reste noch jetzt gefunden werden; wie weit sich aber damals der Wald über das Land, namentlich die jetzigen Haideflächen erstreckt hat, darüber geben die Ansichten weit auseinander. Die Einen erblicken in der Lüneburger Haide das Becken eines großen Binnensees, dessen Boden niemals bewaldet gewesen sei. Die Anderen stellen sich die ganze Fläcke als einen großen, hier und da vielleict unterbrochenen Wald vor. Die Wahrheit liegt vielleicht in der Mitte. Die Tief⸗— lagen werden einen oder mehrere Seen gebildet haben, während die Erhebungen und Rücken der vielen Höhenzüge bewaldet gewesen sein mögen.

Aus späterer Zeit wird berichtet, daß nach der ältesten Land eintheilunz Deutschlands die Lüneburger Haide wesentlich den Gau „Bardengo“ gebildet habe, dessen Waldreichthum gerühmt wird. Auch will man in einem Theile der jetzt noch vorhandenen Wälder Reste eines großen Bannwaldes „der Magd⸗Mageler oder Brettiner⸗ Haide“ erblicken, dessen Begründung Karl dem Großen zuge⸗ schrieben wird.

Die Ueberlieferungen aus den letzten 200 Jahren ergeben mit Zuverlässigkeit, daß zu Beginn dieses Zeitabschnittes der Regierungs— bezirk Lüneburg große geschlossene Waldkörper aufzuweisen hatte, welche über das ganze Land vertheilt und fast ausschließlich mit Laubholz, namentlich der Eiche, bestockt waren.

Vergleicht man mit diesem Bilde den heutigen Zustand de Haideflãchen, der kleinen zerstreuten Waldparzellen, deren Bestän schließlich von der Kiefer gebildet werden, so erscheint eine solch staltung der Verhältnisse in so kurzer Zeit auf den ersten Blid kaum m Und doch vermochten verschiedene Einflüsse ungünstiger Natur, z. ĩ wirthschaftliche Entwickelung des Volkes, die Art und Weise der land wirthschaftlichen Betriebe, Krieg und Waldbrände, Geldnoth und Hab⸗ sucht, vor Allem aber das gemeinsame Eigenthum des Staats und der Bewohner am Walze mit dem unfeklbar verderblichen Einfluß auf die Bewirthschaftung und Nutzung der Forsten all diese Um—⸗ stände vermochten mit vereinigten Kräften Hunderttausende von Hek⸗ taren blühender Wälder zu öden Haideflächen herabzudrücken! Fort gesetzte schonungslose Ausübung der Servituten, namentlich Weide nutzung und Plaggenhieb, sowie Bau⸗ und Brennholzberechtigungen zehtten jahraus, jahrein an dem Waldkapitale, ohne daß fur den Wiederanbau der Bestände genügend gesorgt wurde. Die röck— sichtslose Ausnutzung an Schiffsbauhol; und Stabhölzern führte endlich zu einem ungeordneten, verderblichen Plänterhieb, unter dessen Einfluß schon in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts die Bestockung der Haidewälder sich in bedenklicher Weise lichtete, den aushagernden Winden Thür und Thor geöffnet und die Bodenfrucht⸗ barkeikf, das Produkt von Jahrtausenden, vernichtet wurde. Das Laubbol;, namentlich die Eiche, welche die herrschende Holzart in den Haidforsten war, wurde immer mehr auf kleine Flächen mit günstigeren Bodenverhältnissen zurückgedrängt, und die genügsame Kiefer, welche jetzt m0 der ganzen Walkfläche einnimmt, trat, soweit für deren An⸗ bau überbaupt etwas geschah, an die Stelle des Laubholzes.

Um diesen unhaltbaren Verhältnissen ein Ende zu machen, schritt man in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts zur Abfindung und Theilung des schwer belasteten Waldes. Zur Ablösung der den Be rechtigten zustehenden weitgehenden Nutzungen bedurfte es sehr erheb⸗ licher Abfindungsflächen. Durch die Ausweisung derselben im An⸗ schluß an die einzelnen Gemeindefeldmarken aber wurden die früher geschlossenen Wal körper in der nachtheiligsten Weise zersplittert und parzellitt Daher noch heute die vielen kleinen Forstorte, deren höchst ungünstige Form und Lage der Wirthschaft Schwierigkeiten bereiten. Da an die Ueberweisung der Abfindungeflächen an die Interess enten und Gemeinden gesetzliche Einschränkungen bezüglich ibrer Benutzung und Erhaltung nicht geknüpft waren, verfielen diese Waldtbeile unter der unwirthschaftlichen Behandlung ihrer neuen Besitzer der Rodung oder einer allmäblichen Devastation. So verschwanden noch in diesem Jahrhundert Waldkörper in einer Gesammtfläche von pptr. 25 000 abgetretenen Forstgrundes, welchen jetzt die Haide deckt. .

Auch die zahlenmäßige Angabe der Waldfläche bezeugt die stetige Verminde ung derselben, wenngleich die Zahlen, da sie auf berschiedenen Grundlagen beruhen, nicht genau miteinander verglichen werden können. Es waren an Staateforsten vorhanden: . .

im Jahre 1531 560 i863 1874 18890 1880 iI7 S75 ba 7⁊8 104 ha 72 483 ha 75 934 ha 82 743 ha S5 9699 ha gs verfahren zagefallenen

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sich die Fürsorge des 6 . 5

ründe, Zwecke und Ziele, welche ihn ihrer wichtigsten, der volkswirthschaftlichen, können, ist es erforderlich, vorerst auf die Bede Dedländereien für die . und die jetzigen Nutzung etwas näher einzugehen. . n,, 6 Laufe der Jahrhunderte durch die fortschreitende Vernichtung der Wälder gleichteitig eine Zerstörung der na: tlichen Wafferrefervoire in dem Grade herbeigeführt war, daß di Feuchtig. felt des Klimas sark, war dem an mineralischen Nährstoffen armen Sandboden die Produktionsfähigkeit genommen, welche in der Haupt. sache von einem genügenden Fenchtigkeitsgrade abhängig ist. Um so fühlbarer mußte diese nachtheilige Einwirkung der zunebmenden Ent⸗ waldung für die Landwirthschaft werden, als die 6. zu ihrer Griften; der natürlichen Kraft des Waldes und des ild landes be. durfte. Denn die Wälder, Wiesen und Weiden mußten den Bieb. bestand ernähren, und dieser durch den Dünger dem Kultur boren Erfatz für die verbrauchten Pflanzennährstoffe liefern. So lange das Wildiand lediglich als Weide fär das Vieh, benußt wurde, mag es, namentlich dort, wo durch den Wald die Nährstoffe aus Jahrtausen. den in ibm aufgespeichert waren, zur Ernährung der Thiere und somit

zur Ergänzung der Ackerkraft wesentlich beigetragen baben. Als aber mit der fortschreitenden Waldverwüstung die Ertragsfähigkeit des Bodens sank, als an die Stelle nahrhafter Futterkräuter die Haide getreten war und der Werth auch dieser Weide stetig sich verminderte, da konnte die verlorene Qualität nur durch vermehrte Quantität der Haideflächen ausgeglichen werden. Standen diese nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung, so mußte über kurz oder lang der Zeitpunkt eintreten, wo die Hülfsquellen des Ackerbaues versiegten und der Land⸗ mann die Bedingungen seiner Existenz verlor. Auf diese Weise sind eine beträchtliche Anzabl kleinerer Höfe zu Grunde gegangen, deren frühere Existenz noch jetzt nachzuweisen ist.

Dieser Prozeß stellt sogar die Lebensfäßigkeit großer Höfe in Frage und vollziebt sich um so schneller, je mehr er darch eine andere Art der Haidenutzung, durch den Plaggenhieb, unterstützt wird. Seit Jahrhunderten hat man nämlich versucht, die auf den geringen Boden arten herrschende Unsicherheit der landwirthschaftlichen Betriebe da—⸗ ducch zu beseitigen, daß man die Haide nicht mehr allein zur Vieh weide, sondern auch direkt zur Bedüngung des Ackers benutzt. Wenn man sich bierbei auch anfänglich auf die Nutzung der Haiderflanze selbst beschränkt haben mag so mußte doch die stets wiederholte Ab— erntung des Bodens ohne Wiedergabe von Nährstoffäqguivalenten den Zeitraum, in welchem die Haide sich entwickeln kann, immer weiter hinausschieben, jodaß schließlich, um den Ausfall an Streuhaide zu decken, die Hacke tiefer und tiefer eingriff, erst den Humus und dann auch noch die mit Humus durchsetzte Erdschicht erbeutete. Dieser Raubbau, der sich nur durch die Noth und die berrschende Unkenatniß der Natur⸗ und Bodenkräfte entschuldigen läßt, bildet noch heute die gebräuchliche Art der Wirthschaft auf den Haidhöfen, welche daher, je nachdem die Verödung der Haidflächen fortgeschritten ist, die Be⸗ dingungen ihrer Lebensfähigkeit mehr und mehr verloren haben und verlieren.

Berücksichtigt man hierbei die Ausdehnung dieser Haideflächen im Regierungsbezirk Lüneburg allein etwa 350 090 ha —, welche so spste⸗ matisch zu Grunde gerichtet werden, dabei eine sehr geringe Boden⸗ rente abwerfen und nur einer verschwindend zahl Menschen

ch länger der Ansicht verschließen, daß hier die Landes, und Volkesinteressen einer

.

umfangreichen Schädigung unterliegen, we nur durch die Mit⸗

flächen besser und nachhaltiger nutzbar zu machen über die zu erwartenden finanziellen Erfolge die Ansichten auseinander geben, doch stets zu dem Schlusse geführt, daß dies im Großen und Ganzen allein durch die Rückgabe der dem Walde entzogenen Flächen— an diesen und durch einen geregelten Forftbetrieb zu erreichen sei.

Da jedoch die Haideflächen zum weitaus größten Theil im Privat besitz sich befinden und zur Aufforstung derselben größere Kapitalien erforderlich sind, deren Verzinsung erst nach längerer Zeit beginnen kann, so ist von den jetzigen Besitzern allein, selbst mit vom Staat gewährten Beihülfen, eine durchgreifende und baldige Aenderung in dieser Beziehung nicht zu erwarten.

Es trat daber an den Staat die Frage heran, oh die volkswirth schaftlichen Interessen für die Aufforsung der Haideflächen in der That so schwerwiegende eien, daß er selbst derartige Flächen erwerben und sich mit eigenen Mitteln an der Aufforstung betheiligen solle. Die Thätigkeit der Staatsverwaltung hat seit langen Jahren diese Frage bejaht, und es wird auch unter Würdigung der vorgetragenen Verkältniffe und in Berücksichtigung der bereits gesammelten Er— fahrungen auf dem betretenen Wege fortgeschritten.

Die gemachten Erfahrungen lassen erwarten, daß die Wieder bewaldung eines entsprechenden Theils der großen Haideflächen eine Verbesserung des Klimas zur Folge haben und namentlich ein für die Produktion sfähigkeit des armen Sandbodens durchaus nothwendiges Maß von Feuchtigkeit wieder herbeiführen wird diese Hoffnung sich bereits durch die Einwirkung großer Nadel holzwaldungen, deren Anbau zunächst durch die Standortsverhältnisse geboten ist, erfüllen wird, mag dabingestellt bleiben. Jedenfalls wird dem Lande auch durch diese schon ein Schutz gegen die aushagernden Winde gewährt.

Vielleicht ist eine bemerkbare klimatische Aenderung sväteren Zeiten vorbehalten, wenn die Nadelholzwälder, deren Erziehung nicht Überall als Ziel der Wirthschaft, vielmehr häufig nur als ein Hülfs— mittel anzuseben ist, um unter ihrem Schirme oder unter Benutzung ihrer verbessernden Einwirkung auf den Boden die Nachzucht von Laubhöljern zu ermöglichen, den letzteren wieder in größerem Umfange Platz gemacht haben werden. ö J

Für die Aufforstung sind in erster Linie die Flächen in Aussicht zu nehmen, welche ihrer Beschaffenheit nach als absoluter Waldboden zu bejeichnen und für die Landwirthschaft entbehrlich sind. An solchen ift kein Mangel, da nach den Angaben vom Jahre 1878 im Regie rungsbezirk Läneburg an Acker resp Weide mit unter 180 M Grund steuer⸗Reinertrag pro Hektar allein circa 3590 007 ha vorhanden waren, von denen 1720538 ha im Interesse der Landeskultur als auf forstungs bedürftig bezeichnet wurden.

Diese Zahl dürfte sich noch erheblich vergrößern, wenn der Lang 2 mann ron der bisherigen Art der Wirthschaft abgeht und dieselbe dem heutigen Stande der Wissenschaft entiprechend umändert. Nach den biskerigen Beobachtungen ist zu beffen, daß die Aufferstungs⸗ tbätigkeit des Staats auch in dieser Beziehung segensreich einwirkt und den Landwirth der Haide mehr und mehr zur Einsicht und zur Umkebr führt. Denn er kann der Thatsache nicht widersprechen, daß ron jetzt zum großen Theil fast ertraglosen Haideflächen durch den forftlichen Betrieb eine wesentlich höhere BoLenrente gewonnen wird, welche im Laufe der Zeit sich um so mehr steigern dürfte, ie inten— sider der Einfluß des Waldes auf Boden und Klima sich geltend macht. Endlich wird durch die Aufforstung in die öden Haiden Be— trieb samkeit bineingetragen und die Ansiedlung befördert, sowohl durch die unmittelbare Beschäftigung vieler Arbeitskräfte bei dem Auf forstungsgeschäft selbst, als auch durch die stetige Aibeit, welche die Pflege und die Nutzbarmachung der Forsten mit sich bringt. .

So ist denn in der That den volkswirtbschaftlichen Gründen für die Kultivirung der Dedländereien eine solche Bedeutung beizumessen, daß für den Staat eine Verpflichtung zur Aufforstung selbst dann vorliegen dürfte, wenn die zablenmäßig nachzuweisende Verzinsung der aufgewandten Kapitalien hinter der sonst vom Walde geforderten Rente jurkckbliebe. Es ist dies in manchen Fällen, wo für den Erwerb des Grund und Bodens bohe Preise gezahlt werden müssen, und die erste Futur außergewöhnliche Aufwendungen erfordert, nicht zu bestreiten. Andererseits ist aber auch der wirklich erzielte Nutzen, welcher, abge⸗ sehen von dem Erlös aus den Forstprodukten, eben zum großen Theil in der Hebung der volkswirthschaftlichen Interessen beruht, kaum zu berechnen. Hlerbei mag noch besonders auf die mancherlei Neben · nutzungen, wie Leseboli, Streu, Gras und Waldbeeren, bingewiesen werden, welche namentlich den kleinen Leuten eine nicht unerhebliche, in ihrer Bedeutung oft unterschätzte Einnahme gewähren.

So haben denn seit dem Jahre 1866, also innerhalb rund 25 Jahren, die eigentlichen Staatsforsten im ganzen Re gierungsbenrk eine Vergrößerung erfabren von

6130 ha durch Tausch ꝛc. 6278 Anlauf = im Ganzen ds ba, von denen s S041 ha aufgeforstet wurden, wahrend 1575 , jur weiteren Aufforstung bestimmt und 224 , bereits zu diesem Zwecke durch Ausfũhrung

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der Bodenbearbeitung vorbereitet sind. 5 erworbenen Flächen gehört dem Nichtholzboden an und besteht zum Theil aus Wiesen und Ackerländereien, zum bei weitem größten Theil aber aus ausgedehnten Moorflächen, welche durch Torfstich, Brandfruchtbau ꝛc. nutzbar gemacht werden. .

Wenn nun gleichwohl die vom Staat aufgeforsteten Flächen seit dem Jahre 18586 im Ganzen ca. 8000 ha im Verhältniß zur Größe der vorhandenen Oedländereien nicht gerade erbeblich er⸗ scheinen, Staatsforstfläche betragen sie rot 19 so

daf die Erwerbung solcher Grundstücke Staat mit besonderer Schwierigkeit verbunden ist.

es nicht im Interesse des Staats liegen, Höfe zu er= n, welche in ihrer Wirthschaft noch lebensfähig erscheinen, anderer⸗ seits werden von den Besitzern oft übertriebene Forderungen gestellt, welche nicht erfüllt werden können. Dabei mögen andere Regierungs- bezirke mit wenigstens ähnlichen Verhältnissen dieselben Ansprüche an die Staatskasse erheben, und zwar vielleicht unter Umständen, welche eine aünstigere Verzinsung erwarten lassen. Ferner muß hervorgeboben werden, daß Seitens der zum Re Minristers der geistlichen Angelegenheiten gehörigen nmerverwaltung sowie Seitens der Provinzialve icht unerhebliche Flächen dem Waldbestande zugeführt sind auch nach Kräften für die Erhaltung und Verbesserung munalforsten gesorgt wird. . Außerdem sei noch erwähnt, daß mit den sei staatlicherseits gewäbrten Beihälfen von im G 2141 ha Haideflächen durch Privatbesitzer, allerdings ir weniger mangelhafter Weise, aufgeforstet worden sind un auch zum größeren Theil dem Walde dauernd d ch Nach dem Allen aber wird man zu der festen Ueberzeugung ge— angen müssen, das im Interesse der Volkswirthschaft und der Landes⸗ ultur dringend gewünscht werden muß, daß staatlicherseits auch erner umfangreiche Mittel für den Ankauf und die Aufforstung der DOedländereien im Regierungsbezirk Lüneburg zur Verwendung gelangen. Einer intensiven Aufforstung wind aber auch der direkte Nutzen, die Rentabilität, nicht wohl fehlen.

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Statistik und Volkswirthschaft. Die Berliner Arbeiterwohnungsfrage und ihre praktische Loösung im Sinne des Einfamilienhauses war der Berathungsgegenstand einer zablreich besuchten Versammlung, welche gestern Abend im großen Albin'schen Saale hierselbst stattfand. Die Einladung war von einem Comité ausgegangen, welches in einer im November v. J. abgehaltenen Sitzung gewäblt worden war und dem u. A. Graf Tönkoff⸗Friedrichstein, Ritterschafts⸗Direktor von Arnim⸗ Züsedom, Contre⸗Admiral Zirzow und Pastor von Bodelschwingh⸗ Bielefeld angehören. Unter den Anwesenden befanden sich der Staats⸗Minister Freiherr von Berlepsch, der Geheime Regietungs Rath Dr. Königs und der Regierungs⸗Ratk von Moltke aus dem Kultus⸗ Ministerium. Nach einer kurzen Begrüßung durch den Rechtsanwalt Hentig übernahm Kammergerichts⸗Rath von Uechtritz und Steinkirch den Vorsitz. RewtZtanwalt Hentig erstattete sodann Bericht über die bis⸗

erige Thätigkeit des Vollzugs es, der zunächst die Bedürfniß⸗ frage festgestellt

welcher u. A. aue J J zeich: ) Auch der Statutenentwurf f einen zu gründenden Verein ist Seitens des Comités bereits entworfen worden. Die speziellen Ziele des Vereins sind in einer Denkschrift niedergelegt, welche der hier u. A. als Armenarzt thätige Dr. med. Bensch verfaßt hat. Wie der Redner aus- führte, besteht unleugbar in Berlin eine Wohnungsfrage, wenn sie auch nicht so scharf in die Erscheinung tritt, wie in andern Großstädten. Ein⸗ mal lassen die Berliner Arbeiterwohnungen, namentlich die im Keller belegenen hygienisch zu wänschen übrig, sodann sind sie zu theuer, da sie bis zu ein Drittel des Cinkommens in Anspruch nehmen; ferner scheint es dem Redner volkswirtbschaftlich nicht richtig, daß bei uns der kleine Mann nur zu Mietbe wohnt, und endlich erwachsen auch aus der Enge der Berliner Wohnungen und, dem Schlafburschenwesen moralische Bedenken. Das Mittel der Abhülfe sabh der Redner in dem Einfamilienhaus, einem Hause billig genug, um allmählich in den Besitz des kleinen Mannes uberzu geben, außerhalb der Atmosphäre der Großstadt belegen und doch leicht erreichhar. Nach dem vom CGomits im Wefentlichen gebilligten Plane des Redners sollen rings um Berlin Kolonien von je wa 209 Morgen errichtet werden, und für solche Kolonien ist nach angestellien Ermittelungen genügend Land und zu mäßigen Preisen vorhanden. Auf ein Gesuch, in welchem 255 Morgen Land nicht weiter als 10 km von Berlin zum Preise von höchstens 5000 für den Morgen verlangt werden, sind 37 Angebote in der Preislage von 500 bis 50M ιυςν eingegangen. Auf einem folchen Gebiet von 250 Morgen sollen nun 2196 Einfamilien-

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haͤuser errichtet werden, von Lenen 99 zu 2500 M, 409 zu 3500 und die übrigen ju 4 bis 5000 weggegeben werden ollen. Die Grunderwerb und. Baukosten, sollen bei den billigften Häusern 1500 * betragen. während 1090 6 auf die Generalunkosten, Anlage und Beleuchtung der Straßen, Einrichtung von Wasserleitung, Unterbaltnng der Verwaltung u. dgl. entfallen. Die Höufer sollen in gefälliger Form, aber sonst in ein- fachster Wei mit Wänden von nur einem Stein, leichtem Dach und phne Keller errichte werden. Diejenigen, welche auf diese Häuser reflektiren, haben jäbrlich 246 4 zu zablen. Ing diesen Preis werden eingefchlofsen sein die Mietbe, 70 Amortifatign, eine debens · versicherung von 507 „6 und freie Eisenbahnfahrt für das Familien haurt. Die Schaffung der Geldmittel wird nach des Redner An⸗ sicht leicht sein, wenn nur erst das Verständniß für die Sache er⸗ ö Referat folgte eine sehr ausgedehnte Be prechung, in der die verfchiedensten Anfichten zu Tage traten. Geheimer Ober · Regie⸗ rungs · Rath Spinola, der Direktor der Charité, verwies auf die finamiellen Schwierigkeiten. Gs handle sih hier um Gründung neuer Städte mit einer durch die Großstadt verwöhnten und doch nicht steuerktãftigen Bevölkerung, deren Unterhaltung und Verwaltung un⸗ erscwinglisch? Kosten verursachen werde. Dr. med. Hessen erblickte eine ratisneslere Lõsung der Berliner Arbeiterwohnungsfrage in der Exrich⸗ tung gefunder Miethsbäuser inmitten der Stadt. Der Berliner Arbeiter sei aus Berlin nickt bee er i en und die bisherigen Erfahrungen der Berliner Baugenossenschaft hätten gezeigt, daß Arbeiter Ein⸗ familtenhbäufer nur in verschwindender Zahl erwerben würden. Schrift ˖ steller Braun, der General Sekretär der neuen . Deutschen Volkẽbau⸗ esellschaft' trat für das von ieser Sesellschaft vertretene Prinziy vgl. die gestrige Nummer des R, u. StA. unter Statistik und Bolkswirtkschaft) ein. Es wird diejenige Person, welche von der Volksbaugesellschaft ein eigenes Besitzthum zu erwerben beabsichtigt, mit dem vollen Werth dieses Besitzthums hei einer Lebensversiche rungsgeselschaft auf Tod oder Alters fall eingekauft, der Reflektirende jahlt dann nur jäbrliche Miethe, die sich zusammensetzt aus der Prämie, der Verzinsung des Kapitals und den Reallasten, im Uebrigen fällt das Besizthum mit dem Tod oder dem erreichten Alter kostenlog der Familie u. Banquier Hetmann Gumpel, welcher 3. 3. in Lichten. berg sechs Familienbäuser, sogenannte Bürgerheime baut, erinnerte an die Schwierigkeiten, die die Berliner Vororte bezüglich der Anf⸗