1891 / 44 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 19 Feb 1891 18:00:01 GMT) scan diff

gleiten der Musik mit Gesang, das gemeinsame Absingen von Liedern, Lärmmachen, Werfen mit Eiern oder Hretzeln und dergleichen Ungebörigkeiten baben unbedingt zu unterbleiben, und Zuwiderhandlungen hiergegen werden als grober Unfug auf Grund des 8. 360 Nr. 11 des Reichs ⸗Strafgesetzbuches Behufs straf rechtlicher Abndung zur Anzeige gebrackt werden. Die Aufsichte⸗ beamten, welche in gerügender Anzabl in dem Aus schanklokal anwesend sein werden, sind angewiesen, gegen Zuwiderbandelnde unnachsichtlich einzuschreiten und sie erforderlichen Falls zwangsweise mn entfernen.

Die Lutherstiftung für Waisen des Berliner Lehrer- standes hat gestern Abend unter Vorsitz des Stadt ⸗Schulraths Dr Bertram im großen Saale des städtischen Schulmuseums die 45. Stiftungsfeier und damit zugleich die diesjährige General versamm- lung abgehalten. Der Geschäftsbericht konnte eine erfreuliche Veiter · entwickelung der Stiftung feststellen, wenngleich die Forderungen, die an die Stiftung berangetreten sind, gerade im lezten Jabre außer⸗ gewöhnlich hohe waren. Die Zabl der unterstützten Wittwen hat sich von 34 auf 61 erhöht, welche s5ß4 6 an laufenden und 390 ½ an befonderen Unterstützungen erhielten, außerdem wurden? a5 Winterbeihũlfen gewährt Insgesammt sind somit 9749 4 zu Unter tützungszwecken ver⸗ wendet worden, während die Gesammtausgabe 10118 betrug. Dieser Ausgabe standen 12 350046 Einnahme gegenüber, 35250 4 bewilligten in buldvoller Weise die Mitglieder des Föniglichen Hauses, 5474 0 zahlten die über 2000 Mitglieder an Beiträgen, 757 66 gingen an Geschenken, 1o45 M an Zinsen ein, 1048 M betrugen die Einnahmen aus der Helenenftiftung, R787 K wurden als Bestand aus dem Vor jahre übernommen. Zur Zeit verfügt die Stiftung über einen Be⸗ stand von 2372 und ein Effekten vermögen von 25 8580 M6. wozu die Helenenstiftung mit 27 120 M und der Fürbringerfonds mit 2000 M treten. Die Zinserträge des letztgenannten Fonds sind einem Präparanden zu Gute gekommen. Dem Bericht über die Weib⸗ nachtsbescheerung war zu entnebmen, daß aus Erträgen einer beson deren Sammlung für 5s Familien 1763 M verwendet werden konnten.

Das Programm der zweiten Winterauffübrung des Akademisch! Dramatischen Bereins an der Königlichen Friedrich ⸗Wilbelms⸗Universität zu Berlin, welche am Dienstag, den 24 Februar, in Kroll's Theater stattfindet, ist nunmehr folgendermaßen festgestellt: Darstellung Hans Sachs 'scher Fastnachts⸗ spiele auf dem Marktplatze zu Nürnberg um die Mitte des IJ5. Jahrhunderts. Und jwar werden in diesem bistorischen Rabmen aufgeführt: 1) Das heiße Eisen (1251). 2) Der Roßdieb zu Hünsing mit den tollen diebischen Bauern (1553), 3) Der tozte Mann (1553). An diese Faftnachtsaufführung wird sich ein mu sikalisch-dekla— matorischer Theil unter gütiger Mitwirkung erster Berliner Opern- und Bühnenkünstler schließen. Ihre Abrundung findet die Fastnachtaufführung durch einen sich kieran reihenden modernen Zaschingsscher;: „Galnares Hoch eitstrank, große Rittertragödie von k. Die Regie bat Hr. Oskar Höcker vom Lessing ⸗Theater übernommen. Sämmtliche Rollen sind durch. Mitglieder des Vereins besetzt. Die Proben sind seit geraumer Zeit in regem Gange. Wie schon früher, ist es auch diesmal dem Präsidium geglückt, auch außer feinem Regisseur noch erste Künstler in das Interesfe der Stu⸗ dentenaufführung bineinzuziehen. Für den zweiten musikalisch - dekla⸗ matorischen Theilchaben Frau Herzog und Hr. Nic. Rothm ühbl vom Königlichen Opernhause sowie die Hrrn. Sommer storęzff und Engels vom PVeutschen Theater ihre künstlerische Mitwirkung in Aussicht gestellt. Nach den Aufführungen findet ein Ball statt. Die Betheiligung ver- fpricht eine sebr große zu werden. Um früheren Mißftänden an Raummangel abzuhelfen, ist für Liese Soirée das Kroll'sche Etablisse ment gewählt worden. Der Zutritt ist durch Einladung Lresp Ein führung) des Vereins zu erlangen. Der ganze Ueberschuß der Ein nahme wird dem Deutschen Samariter ˖ Verein, welcher unter dem Allerhöchsten Protektorat Ihrer Majestät der Kaiserin Friedrich steht, zu woblthaͤtigen Zwecken überwiesen werden. .

Im Feen ⸗Palast hat gestern eine sehr zahlreich besüchte Volks- verfamm lung zur Berathung über den Zonentarif stattgefunden. Unter den Anwesenden befanden sich die Abgg. Baumbach, Dr. Pach⸗ nicke, Träger, Wöllmer, Stolle, Schmidt,

Frohme, Grillen

berger und Gever. Nach einem längeren Vortrage des Dr. Engel Wiederholung solcher Unfälle vorgebeugt werden.

und einer eingebenden Bespreckung kam folgende Resolution zur An⸗ nabme: . Die Versammlung erklärt: 1) Nach Beseitigung aller Aus · nabmetarife für Einzelfahrten ist ein Fabrpreis einzufübren, der einem JIcden obne Weiteres verständlich ist. 2) Die vierte Klasse ist als menschenun würdig abzuschaffen. 3) Es ist ein Fahrpreis einzufũbren, der einem Jeden die Benutzung der Eisenbabn selbst auf die weitesten Entfernungen im Vaterlande mit geringen Opfern ermöglicht. Dieser Fabrpreis kann nur ein gar; billiger Zonentarif nach den in Eduard Engebs Werk „Der Zonentarif“ vorgeschlagenen Sätzen sein. Jede andere Art der Preisberechnung, insonderbeit jeder mit der Zahl der Kilometer steigende Tarif fährt unvermeidlich zu Fabrpreisen, welche dem bei Weitem größten Theile des Volkes die Eisenbabn ver⸗ sperren. 4) Nach Abschaffung des Freigepäcks ist ein ganz billiger Zonentarif für das aufgegebene Gepäck einzuführen, ahnlich dem Packetvorto. 5) Ein solcher Zonentarif führt nach den gemachten Erfabrungen und amtlich aufgestellten Berechnungen zu bedeutenden Mehr einnabmen für den Staat und ist geeignet. das Erwerbsleben und die ge⸗ fammte Kultur wesentlich zu beben. 6) Die Volksversammlung erklärt die jetzt verlautbarten, irrtbümlich sogenannten Reformpläne“ der deutfchen Staatsbahnen nicht nur für keine nennenswerthe Ver⸗ befferung, sondern für eine neue unerträgliche Vertheuerung eines großen Theils aller Reisen. Sie legt deshalb schon jetzt und bei Zeiten Einspruch ein gegen jene, geplante weitere Ver⸗ fbeuerung eines erheblichen and wichtigen Theils des Eisenbahn— verkehrs. Sie erklärt sie für eine schwere Schädigung der Volkswohl fabrt und zugleich, bei der großen Wabrscheinlichkeit von Verlusten in Folge verminderten Verkebts, für eine ernste Gefährdung unserer Staatseinnahmen. 7) Sie beauftragt den Vorstand des Vereins Zonentarif⸗ in Berlin, diesen Besckluß dem Bundesrath, dem Reichstage, dem preußischen Staats. Ministerium und dem preußischen Abgeordnetenbause sowie dem Landes ⸗CEisenbahnrathe und den Bezirks- Eisenbabn Räthen mitzutheilen.“

München,. 17. Februar. Die Direktion der Königlich baveriscken Staats ⸗Eisenbahnen veröffentlicht über den in Nr. 41 des R. u St. A.“ gemeldeten Eisenbahn⸗Zusammen⸗

stoß folgende Mittheilung:

Der Aufstoß des in der Richtung von Lindau nach München gehenden Personenzuges Nr 166 auf den ven der Gegenseite heran⸗ gekommenen Güterzug Nr. 749 wurde dadurch verursacht, daß ersterer durch die unrichtige Stellung der Einfahrté⸗Weiche in jenes Geleise geleitet warde, in welchem letzterer sich bereits befand. .

Der diese Weiche bedienende Ablöse-Wechselwärter Zeller, ein völlig zuperlässiger und nüchterner Mann, seit 14 Jahren als Re— paratur⸗Arbeiter, seit einem balben Jabre im Ablösedienst beschäftigt, batte jwar zum ersten Male in Ruderalshofen diesen Dienst zu verseben, war aber nach seiner eigenen Angabe mit den dortigen Geleiseanlagen und Wechsel vollkommen vertraut. (

Derselbe übernabm den Dienst zur Sonntags ⸗Ablösung gegen 1Ubr 30 Minuten Nachts von seinem Vorgänger und war von diefem, wie er selbst unumwunden zugesteht, zu wiederholten Malen und ausdrücklich angewiesen worden, den Wechsel unverändert in der damals befindlichen richtigen Stellung zu belassen. ö

Bei der Einfahrt des von der anderen Seite kommenden Güterzuges glaubte Zeller wabrjzunebmen, daß dieser auf dem gleichen Geleise einfahre, weiches auch der unmittelbar fällige Personenzug zu benũtzen babe und für welches sein Wechsel stand. .

Um sich hierüber Gewißheit zu schaffen, lief Zeller dem Güter zug eine Strecke entgegen, wurde aber offenbar durch eine Sinnes fäuschung, wohl durch die herrschende Dunkelbeit und die Krümmungen der Geleise Linien hervorgerufen, in seiner irrigen Annabme bestãrkt und stellte für den inzwischen in die unmittelbarfte Nähe gekommenen Personenzug den richtig stehenden Wechsel um. . ̃

Der Lokomotivführer, dieses wahrnehmend, löste die Heberlein

Bremse, gab Contredampf und das Notbsignal, vermochte aber den Zug nicht mehr zum Stillstand zu bringen.

Nach den bisher gepflogenen Erbebungen scheint der Wechsel⸗ wärter die alleinige Schuld an dem Unfall ju tragen, doch wird das Uctheil des Strafrichters abzuwarten sein. ö

Die Personenzüge werden voraussichtlich im Laufe eines Jahres mit der Luftdruckbremse ausgerüstet sein.

Durch die bereits in voller Ausführung begriffene Weichen Centralisirung der Stationen der Strecke München Kempten wird der

Wetterbericht vom 18. Februar, Morgens 8 Uhr.

Wind. Wetter. 3 Akten von

Stationen.

Temperatur in o Celsius 50 C. 40R.

Bar. auf Gr.

u. d. Meeressp. red. in Millim.

4 heiter L heiter 4 wolkig 2 Dunst still Nebel halb bed. wolkenlos Schnee Dunst bedeckt Nebel Dunst Nebel Dunsti) bedeckt Nebel) 2 wolkenlos 1' hedeckt 3 wolkenlos still bedeck ?) NO 3 wolkenl. ) still bedeckt!) 2 bedeckt I bedeckt I bedect 5 Dunft 3 wolkenlos

Mullaghmore Aberdeen Ghristiansund Kopenhagen. Stockbolm aparanda . t. Petersb. Moskan ..

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i) Nachts Nebel. ) Starker Nebel. ) Reif, Nebel. I Nebel. 9 Nebel.

Nebersicht der Witterung. Die Witterung Europas steht unter dem Einfluß eines umfangreichen Hochdruckgebietes, dessen Kein über Deutschland liegt. Das Wetter ist in Central

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und neblig, ohne meßbare Niederschläge. peratur ist in Südost⸗Deutschland Ungarn erheblich herabgegangen, Dentschland herrscht meistens Thauwetter, . in Süd -⸗Bavern wieder strenge Kälte eingeireten ist. C. Se verini. München meldet Minus 11 Grad.

Deutsche See warte.

Theater⸗Anzeigen. Königliche ZSchauspiele.

haus. 43. Vorstellung. von Windsor.

spiel. Tanz von Hoguet. Kahl. Anfang 7 Uhr. . . Schausviel aus. 49. Vorftellung. Neu einstudirt: Dirigent? Hr. Fapellmeifter Federmann. Roderich Heller. ;

Franz von Schönthan. Regie: Hr. Keßler. Anfang

Carmen. Oper in 4 Atten von Georges Bizet. Text von Henry

von Paul Taglioni. ö Schauspiel baus. 50. Vorstellung.

Zeutsches Theater. Freitag: Die Kinder der Des Meeres und der Liebe

Sonntag: Die Kinder der Excellenz. . Die nächste Auffübrung von Faust 1. Theil findet am Montag statt.

Berliner Theater. Freitag: 24. Abonnements. Goldfische. Sonrabend: Ein Freund der Frauen. Sonntag, Nachm. 2 Ubr: Der Kaufmann von gels: Venedig.“ Abends 77 Uhr: Goldfische. . Male:

Tessing Theater.

, n. ö e , , n Victoria - Theater. Guropz still, im Siden heiter, im y. 5 Die sieben Raben. Romantisches Zaubermärchen

wäbrend A. Raida. Balles unter Leitung des Halletmeisters 4 In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur

W. Hock. Anfang 74 Uhr.

Freitag: Opern Die lustigen Weiber Komisch⸗phantastische Oper in

ö Nicolai. Tert von H. S. von Freitag: Mit neuer Ausstattung. 21 Mosenthal, nach , m,. e ,,. dust, Der Vogelhändler. ö in 3 nem, f Dirigent: Kapellmeister einer Idee des Biérille von Held und West. Musi , n er,. ; ;

* j arm, Am Landes ⸗Ausstellungs⸗ Park (Lehrrter Babnbof). Zeller. In Scene gesetzt von Julius Fritzsche. .

von C.

Lustspiel in 5 Aufjzügen von 7 Uhr.

Opernhaus. 44. Vorstellung. Meilhae und Ludovic dals vp, burg.

Anfang Ur. von Alexandre Bisson.

11Ukt von Benno Jacobson.

Friquette.

Belle Alliance Theater.

Carl Laufs Anfang 74 Uhr.

Adolph Ernst - Theater.

Thomas - Theater. Alte

Freitag: Zum 82. Male: Touplets von Alired Bender.

Maxime Boucheron. Deutsch pon Richard Genée. Musik von E. Audran. Anfang T. Ubr. Sonnabend und folg. Tage: Miß Helyett.

Friedrich Wilhelmstädtisches

Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.

Nesidenz- Theater. Direktion: Sigmund Lauten · ; ; itag: Zum 42. Malen Der selige Ton⸗ 6 nach Fier Norffe des, Prosrpzt, NMöerimsr. Tam pine (erm, men, Schwank nig r, Perlebt: Frl. Grnestine Deutsch von Gustar von J . 2 Moser. In Sceng gesetzt zon Sigmund . 6 Anf . r J 6 2. : Friquette. Schwank in Wildenbruch. Anfang 7 Uhr. Vorher zum 43. Malg: Frig 2 cn. R 4 von Sigmund Lautenburg. Anfang 74 Ubr Sonnabend: Der selige Tonpinel.

Freitag: Ensemble⸗

Gastspiel von Mitgliedern deg Wallner Theaters. Zum 93. Male: Pension Schöller. Posse in 3 Akten nach einer W. Jacoby'schen Idee von

Sonnabend und folg. Tage: Pension Schöller.

Adam und Eva.

in 4 Akten von Eduard Jacobson und Leopold Elv. . Couplets von Jacobson und Gustap Görz.

Freitag: Hedda Gabler. von Adolpb Ferron. Anfang 77 Uhr.

Schauspiel in 4 Akten von Henrik Ibsen. . K e,, e, n, rn,· eee, 3 Fortuna. Sonntag: Das Gnadenbrod. Fortuna. . Die 3 Aufführung des Lustspiels Der Probe⸗ Freitag: Zum 13. Male:

pfeil von Oskar Blumenthal findet Dienstag statt.

Der Registrator auf Reisen. Posse mit Gesang von A. L Arronge, G. von Moser und G. Steffens. Bial. In Scene gesetzt von A. Kurz.

Emil , 53 Ubr. oe mn

. . . S id und folgende Tage: Der Registrator ick. in 5 Akten von Emil Pohl. Musik von G. Lebn⸗ .

4 3 kart Balletecompositionen des 3. Aktes von C. mf Reisern.

Der bei dem Unfall verunglückte Conducteur Weidl befindet sich in der Besserung. ;

Ob ihm durch die erlittenen Verletzungen ein bleibender Nach theil erwachsen wird, kann zur Zeit noch nicht beurtheilt werden.

New⸗ Jork, 15. Februar. Der Dam pfer des Nerddeutschen gloxd . Havel kollidirte, wie. W. T. B.“ meldet, in See gehend, mit der ita lie niscken Barke Mascotte “„. Letztere sank, wobei zwei Leute von der Mannschaft ertranken.

New⸗JYJork, 17. Februar. Unweit Pittsburg ereignete sich ein beklagenswerther Eisenbahnunfall. Als der nach Washington gebende Schnellzug die Krümmung unterhalb der An. böhen von Duquesne vassirte, löste sich eine Felsmasse im Genmicht von etwa zweihundert Pfund vom Kliff los und fiel auf den dahin⸗ fahrendrn Zug. Die Felsmasse zertrümmerte die Decke eines Personen⸗ waggont, wodurch eine junge Frau auf der Stelle getödtet wurde, während drei Mädchen schwere Verletzungen davontrugen.

New⸗Jork, 158. Februar. Der niedrig gelegene Theil von Jobnstown im Staate Penniolvanien ist überschwemmt und das Wasser in schnellem Steigen begriffen. Hunderte von Häusern sind von ihren Bewohnern verlassen worden, welche sich in Booten nach dem böber gelegenen Theil der Stadt flüchten. Die Flutben haben den Einstuürz mehrerer Brücken zur Folze gebabt. Auf dem Sbadv Creek befinden sich Holiflöße von mehr als vier Millionen Fuß Holz, welche in Gefahr stehen, von dem Wasser aus einandergerifsen und fortgetrieben zu werden. Auch in Ost⸗Ohio und West-⸗Virginien haben die Fluthen viele Brücken zerstört. Das Wasser der Flüsse stürzt noch immer und an vielen Orten wurde im Steigen begriffen der Eisenbabnverkehr durch die Fluthen unter brochen. In Pittsburg und Allegbanvd stehen die Häuser unter Wasser; Tausende von Einwohnern wurden gejwungen zu flieben. In der Nähe der Cambria-Eisenwerke sind sammtliche Häuser ver⸗ lassen.

San Francisco, 16 Februar. Der am Sonnabend aus Australien hier eingetroffene Dampfer Alameda! bringt die Nach⸗ richt von einer ernsten Heuschreckenplage, welche den Botanischen Garten in Ballarat beimgesucht hat. Die Heuschrecken sollen auch die Weizenernte in Victoria ruinirt und einen Verlust von 138 000 005 Busbels veranlaßt haben, woron 10 000 0090 für den Export bestimmt waren.

Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

Wien, 19. Februar. (W. T. B.) Der Kaiser xichtete direkt an den He ee Pra denten Grafen Taaffe ein Telegramm, in welchem er sich nach dessen Befinden er— kundigte. AÄgram, 19. Februar. (W. T. B.) Kron⸗Kardinal Geheimer Rath D. Ioseph Mihalovic ist heute gestorben. Rom, 19. Februar. (W. T B.) Der König hat den Abg. Buttini zum Unter-Staatssekretär im Arbeits⸗ Ministerium und den Contre-Admiral Corsi zum Unter⸗ Staatssekretär im Marine⸗-Ministerium ernannt. . New-⸗-York, 19. Februar. (W. T. B.) Präsident Harrison, welcher sich gegenwärtig hier befindet, hat den ehemaligen Gouverneur von Ohio Foster hierher berufen. Man glaubt, Foster werde zum Nachfolger des Schatzsekretärs Window ernannt werden. . ö. Die Hochfluth in Pennsylvanien beginnt zu sinken. Der Schaden, welchen das Hochwasser in Pittsburg ange⸗ richtet hat, wird auf eine Million Dollars veranschlagt.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der

rsten und Zweiten Beilage.)

Sing- Akademie. Freitag, Abends 77 Uhr: Concert der Menosopraristin Marie Deppe, unter gefälliger Mitwirkung des Violinvirtuosen Herrn Charles Gregorowitsch, sowie des Pianisten Herrn Theater. Hans Brüning.

Zum 1. Male:

Hrania, Anstalt für volkethümliche Naturkunde.

Täglich Vorstellung im

Anfang Näheres die Anschlag⸗

wissenschaftlichen Theater. zettel.

Familien⸗Nachrichten.

; Berger mit Hrn. Wilbelm Ingelbach (Deddersdorf und Weveling⸗ boven). Frl. Therese Harder mit Hrn. Karl Intemann (Hamburg) Fil Elisabeth Haeckel mit Hrn. Dr Hans Meyer (Jena Leipzig).

Geboren: Ein Sobn: Hrn. Staatsanwalt Liebe (Chemnitz). Hrn. Prem. Lieut. Grafen von Schlieben (Halberstadt). Hrn Friedt ron Natkusins (Uchorowo bei Obornik). Hrn. Kgl. Rentmeister Kubitzky (Gostyn in Posen). ; Wilh. Wenckler jun (Uhlenborst). Hrn. M. Lebmann (Nordenburg) Hrn. Gerichts ⸗Assessor Bauer (Löwenberg i. Schl.). Hrn. Fritz Pantell (Breslau). Hrn. Oskar von Asten (Eupen) Eine Tochter: Hrn. P. Mever (Hamburg, Rothenburgsort) Hin. Eugen Ungerer (Sydner Hrn. Hauptmann Wolf

Zum von Wurmb (Cassel) Hrn. Kgl. Haupt-⸗-Zoll⸗

amts Assistenten Paul Daum (Mpslowitz).

Hrn. Heinr. Junker (Harzburg). Hrn. Max

Musik Roeder Chemnitz). it Gestorben: Hr. Apotheker Wilbelm Sparkuble (St. Andreasberg) Frl. Helene Brenne (Königswinter). Frau Rittergutsbesitzer Klara Großmann. geb. Gotbein (Berlin). Hr. Kgl. Kreis⸗Schulinspektor Julius Anderseck (Schönau a. Katzbach) Hr. Oekonomie Direktor a. D. T. Möller (Ratibor) Hrn. Otto Bormann Sohn Walter (Magdeburg) Hr Gutsbesitzer Julius Klemm (Simmelwitz bei Namslau).

Vorher:

Freitag: Gesangsposse

Jakobstraße 30.

Musik von R.

Die neuen

Cäsar Wichtig:

Redacteur: Dr. H. Klee, Direktor. Berlin:

Concert - Jaus.

Coneert⸗Anzeigen.

Freitag: Wallner -Theater. Freitag: Zum 14. Male: Concert. 5. Virtuosen . Abend. Miß Helyett. Vandtville in 3 Akten von!

Verlag der Expedition (Scholz.

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt, Berlin 8W., Wilhelmstraße Nr. 32.

Sechs Beilagen (einschließlich Börsen · Beilage).

Carl Meyder⸗

Erste Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

Berlin, Donnerstag den 19. Februar

1881.

M 44.

Deutscher Reichstag. 69. Sitzung vom 18. Februar, 1 Uhr.

Am Tische des Bundesraths: Der Staatssekretär Dr. von Boetticher und der Staats-Minister Freigerct von

Berlepjch. !

Die zweite Berathung des Arbeiterschutzgesetzes ist ange⸗ langt bei §. 195, welcher der unteren Verwaltung s— behörde die Befugniß verleiht, im Falle eines zur Ver⸗ hütung eines unverhältnißmäßigen Schadens eintretenden, nicht vorherzusehenden Bedürfnisses der Beschäftigung von Arbeitern an Sonn⸗ und Fesitagen Ausnahmen von den Bestimmungen über die Sonntagsruhe für bestimmte Zeit zuzulassen. Nach Absatz 2 ist die Verfügung der betreffenden Behörde schriftlich zu erlassen und eine Abschrift derselben an der Be⸗ triebsstätte für die Arbeiter auszuhängen. Die Behörde soll nach Absatz 3 über die von ihr gestatteten Ausnahmen ein Ver⸗ zeichniß führen. .

Der Abg. Auer und Genossen wollen die Befugniß der Behörde zur Genehmigung von Ausnahmen in jedem einzelnen Falle nur „auf höchstens vierzehn Tage“ .

Ferner beantragen die Abgg. Pr. Böttcher und Dr. Clemm-⸗Ludwigshafen, zwischen Absatz ? und 3 einzufügen:

„Werden Arbeiten der in Absatz 1 gedachten Art erforderlich, bevor die Erlaubniß zur Vornahme derselben eingeholt werden kann, so ist der Gewerbetreibende verpflichtet, vor Beginn dieser Arbeiten schriftlich Anzeige bei der unteren Verwaltungsbehörde zu machen, welche alsdann nachträglich zu entscheiden hat, ob die Arbeiten gemäß Absatz 1 zu gestatten waren.“

Abg. Stolle: Durch das abgeschlossene Kartell, dem zur Ver⸗ wunderung seiner Partei auch der Freisinn beigetreten sei, seien soviel Hinterthüren geöffnet worden, daß von der Sonntagsruhe eigentlich gar nichts übrig bleibe, daß der Sonntag zum Werktage gemacht werde Das non plus ultra von Ausnahmen biete 5 10655. Wer definite und entscheide denn, ob ein unverhältnißmäßig großer Schaden bei dem betreffenden Industriellen eintrete? Die untere Verwaltungs behörde, d b. in Sachsen der Bürgermeister bezw. der Gemeinde⸗ borstand. Der Herr Bürgermeister sei aber in der Regel mit dem Fabrikanten verschwägert oder verschwistert komme er ist als unverheiratheter Mann in den Ort und suche sich das be fischchen unter den Fabrifantentöchtern aus —, und er wer warum soll ich meinem Schwager oder Vetter diesen Geschaäfts nicht gönnen? Die Führung des Verzeichnisses über die am beschäftigtes Arbeiter werde keine genügende Kontrole sein, man we dem aufsichtführenden Beamten die Sache schon plausibel machen und sich wobl gar auf den Vortheil der Arbeiter berufen. Die Ausnahmen sollten auf bestimmte Zeit gewährt werden. Was sei „bestimmte Zeit?? 4, 8 Wochen oder das ganze Jahr? Durch eine solche Latitude könne man schließlich die ganze Bestimmung um— gehen. Man sage, man dürfe der Industrie nicht von vornherein zu große Opfer zumuthen. Ohne diese Opfer kein wirksamer Ar⸗ beiterschutz.

Regierungs⸗Rath Dr. Wil helmi: diesem Gesetz die Sonntagsruhe der Arbei e 10, Sonntagsarbeit die Regel bilden werde, müsse ies telle aus auf das Entschiedenste bestreiten. Was den Arbeitern in diesem Gesetz an Schutz gewährt werde, gehe weit hinaus über das, was ihnen in den meisten im Deutschen Reich geltenden Bestimmungen gewährt werde. Dies gelte auch von dem 5. 105f. Bisher seien sogenannte dringliche Arbeiten ohne Weiteres erlaubt gewesen. Dem schiebe dieses Gesetz einen Riegel vor und setze an die Stelle der dringlichen Arbeiten das Kriterium der Verhütung eines unverhältniß— mäßigen Schadens und eines nicht vorherzusehenden Bedürfnisses. Bei diesen Einschränkungen würden ungebübrliche Sonntagsarbeiten nicht mehr vorgenommen werden können. Die vierzehn Tage, welche der Antrag Auer zulassen wolle, reichten nicht aus; sie würden zu unnöthigen Härten führen, die Ausnahme müsse von der Lage des jeweiligen Falles abhängen. Einer zu weitgehenden Gestattung der Sonntagsarbeit beugten die im §. 105f vorgesehenen Kontrol⸗ vorschriften vor. Die Landes ˖⸗Centralbehörde werde jeder Zeit in der Lage sein, an der Hand derjenigen Erfahrungen, welche man auf Grund des Verzeichnisses machen werde, darauf hinzuwirken, daß die Ausnahmen nicht über das Bedürfniß hinaus gingen Er bitte deshalb, den Antrag Auer abzulehnen. Der Antrag Böttcher habe bereits der Kommission vorgelegen, sei aber abgelehnt worden; er würde sowohl für den Arbeitgeber wie die aufsichtführende Behörde eine unangenehme Situation schaffen. Er sei aber auch auf Grund anderer Bestimmungen entbehrlich.

Abg. Dr. Böttcher: Die stark übertriebenen Darlegungen des sozialdemokratischen Redners habe der Regierungsvertreter bereits wider- legt. Zugeben könne er aber nicht, daß seine (des Redners) Einschaltung zum §. 165 entbehrlich fei. Es könne sehr leicht der Fall eintreten, das die Sonntagsarbeit nothwendig werde, ohne daß eine Erlaubniß von der unteren Verwaltungsbehörde eingeholt werden könne. In diesem Fall müsse der Gewerbetreibende in der Lage sein, auf seine Gefahr die Arbeiten vornehmen zu lassen. Daß ein Mißbrauch mit dieser Befugniß getrieben werden könne, müsse er auf das Allerentschiedenste bestreiten, denn unter allen Umständen sei ja der Gewerbetreibende gezwungen, sich selbst zu denunziren.

Abg. Dr. Hartmann: Er könne den Antrag des Vorredners heute eben so wenig empfeblen, wie in der Kommission. Der Hin weis auf den Schutz des Strafgesetzbuches sei unangebracht, und wenn man dem Arbeitgeber keinen bösen Willen oder auch nur keine grobe Fahrlässigkeit nachweisen könne, so könne er eben nach den allgemeinen Lehren von dolus und culpa nicht bestraft werden. Auch gegen den Antrag Bebel müsse er sich erklären, weil derselbe verhältnißmäßig große Härten entbalte. Seine Partei habe die früher beabsichtigte Bestimmung, daß die Befugniß der oberen Verwaltungsbehörde auf 6 Wochen und die der unteren auf 14 Tage eingeschränkt werden sollte, fallen gelassen, weil bei schleunigen Sachen das Hineinziehen der höheren Verwaltungs— behörde überhaupt zweckwidrig wäre. Ohne in Erwiderung der all⸗ gemeinen Bemerkungen des Abg. Stolle eine Generaldebafte wieder einführen zu wollen, müsse er (Redner) ihm doch nur entgegnen, daß der Arbeiterschutz nicht auf Drängen der Arbeiter, worunter er wohl sozialdemokratische Arbeiter verstehe, eingeführt sei. Man habe schon seit 1869 in der Gewerbegesetzgebung einen weitgehenden Arbeiter⸗ schutz, die Einzelstaaten hätten ihn schon früher eingeführt, und man werde ihn hier ebenso entwickeln, wie die anderen Völker, indem man nach und nach das Gebäude aufführe. Je mehr man die Entwickelung Deutschlands zu einem Industriestaate vorschreiten sehe, um so mehr empfinde seine Partei auch die Verpflichtung, die Arbeiter hierbei zu schützen. Das sei das Motiv, welchem die Re⸗ . und seine Freunde folgten, nicht das Drängen der Arbeiter. lbg. Stolle habe auch das sogenannte neue Kartell be⸗ rührt. Alle, die das Zustandekommen dieses Gesetzes wollten, würden sich zusammenthun, um etwas Brauchbares zu schaffen. Ginge es nach dem Sinn der Sozialdemokraten, so würde gar kein Gesetz zu Stande kommen. Der Weg zu dem neuen Kartell sei auch den Sozialdemokraten eröffnet worden, als die Subkommission

vor der zweiten Lesung zusammengetreten sei; sie hätten den Beitritt abgelehnt, was von ihrem Standpunkt ganz konsequent gewesen sei. An dem 5§. 105f habe die Kommission nun ganz sicher solche Verände⸗ rungen der Regierungsrorlage vorgenommen, die den Arbeitern zum Vortbeil gereichten. Er bitte, den Kommissionsantrag anzunehmen, denn die Zulassung der unteren Verwaltungsbehörden ermögliche eine schnelle Erledigung, und das Vorbandensein der böheren Behörden und der Fabrifinspektoren leiste Gewäbr dafür, daß keine Pascha⸗ wirthschaft einreiße.

Vize⸗Präsident Graf Ballestrem: Es lasse sich von dieser Stelle aus schwer verhindern, daß bei jedem Paragraphen allgemeine Gesichtspunkte herangezogen würden, indem man sie mit dem betreffenden Paragraphen in mehr oder weniger enge Berührung bringe; indem dann von der anderen Seite darauf geantwortet werde, entstehe bei jedem Paragrapben die schönste Generaldebatte. Was hierbei aus der Zeit und den Geschäften des Reichstages werden solle, könne man sich denken. Er bitte die Redner aller Parteien, sich folcher Rückfälle zu enthalten, wenn die Vorlage in absehbarer Zeit erledigt werden solle. (Beifall.

Abg. Dr Hirsch: Seine Partei wolle die nothwendige Sonn⸗ tagsarbeit nicht verhindern. Ausagahmen von der Sonntagsruhe könnten ja im Interesse der Industrie eintreten, aber dann dürfe man nicht zu weit gehende Bestimmungen in die Hände der unteren Verwaltungsbehörde legen. Der Begriff des unverhältnißmäßigen Schadens sei sehr dehnbar, und wenn seine Partei für den §. 1065f stimme, so thue sie es unter der Voraussetzung, daß eine kurze Frist für ihn bestimmt werde. Erscheine der Antrag Bebel als gar zu kurz bemessen, so könne man ja für die dritte Lesung eine andere Fassung vorschlagen. Vorläufig werde aber seine Partei für den Antrag Bebel stimmen, und er bitte, ihn anzunehmen, schon um das Mi trauen *. Arbeiter gegen die wohlmeinenden Bestinmungen des Gesetzes M unterdrücken.

Abg. Bebel: Nach der dringenden Ermahnung des Präsidenten verzichte er für jetzt auf eine Widerlegung der allgemeinen Bemerkungen des Abg. Dr. Hartmann, werde sie aber in der dritten Lesung mit Zins und Zinseszins bringen. Nur bemerke er, daß in der Ver— sammlung Stege und Wirthschaftsreformer der Abg. Graf von Mi über die Vorlage und ihre Motive ganz anders ausgesprochen habe als der Abg. Dr Hart— mann und fast wörtlich mit den Ausführungen des Abg. Selle übereingestimmt habe. Seine (des Redners) Partei habe sich ni— an der Subkommission betheiligt, weil sie vorausgeseben habe, handle sich darum, Beschlüsse zu fassen, die die Vorlage Majorität mundgerecht machen sollten.

Wilhelmi protestire dagegen, daf dieser Paragraph die Sonntagsruhe im Wesentlichen beseitige. Die Regierung und die anderen Parteien dieses Hauses ständen eben wesentlich auf dem Standpunkte der Arbeitgeber, seine Partei aber vertrete die

und darum betrachte seine Partei die Vorlage unter ganz ver schiedenen Gesichtswinkeln; ihm seien, auch von Leuten, die nicht seiner Partei angebörten, zahlreicke Zuschriften zugegangen, in denen die Beschlüffe zu dieser Vorlage getadelt würden. Der Regierungs⸗ kommissar habe in Bezug auf diesen Paragraphen den wesentlichen Unterschied der Vorlage gegenüber dem bestebenden Recht darin gefunden, daß in diesem vom „dringenden Bedarf“ die Rede sei, wo in jener der unverhältnißmäßige Schaden“ gesetzt sei; das sei aber gar kein Unterschied, sondern in der Praxis werde sich beides als das Nämliche herausstellen. Hier sollten nun die unteren Ver— waltungsbebörden zu entscheiden haben, aber das seien doch schließlich auch bloß Menschen, und sie würden nicht im Stande sein, richtige Entscheidungen zu treffen, zumal die Arbeitgeber schlau genug seien, wenn sie am Sonntage arbeiten lassen wollten, auch eine ge⸗ hörige Motivirung dafür zu finden. Ein Arbeitgeber thue es dem anderen voraus, 1d schließli sei es dahin ge. kommen, daß schon viele ĩ di

verstãndlich hielten. Man s Jemand einer Schneider dränge, ihm ein Kleidungsstäck zu einem bestimmten Termine zu liefern. Dann werde der hneider, u a Kunden befrie— digen zu können, die Erlaubniß zur Sonntagsarbeit nachsuchen, und

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um ihm nicht den Verlust des Kunden zuzufügen, werde diese Etlaub—⸗ niß auch gegeben werden. Dem gegenüber sei eine sehr mäßige Forderung, daß solche Ausnahmen sich nur auf 14 Tage erstrecken dürften. Wenn die Arbeit so dränge. daß Sonntagsarbeit eintreten müßsse, so werde selbstverständlich der Arbeitgeber auch Nacht⸗ arbeit eintreten lassen, und es werde also, wenn gar keine Zeit⸗ beschränkung eintrete, den durch übermäßige Wochentagsarbeit ent- kräfteten Arbeitern auch noch die Sonntagsrube genommen. Nun komme gar der Antrag Böttcher. Wenn man den annehme, so werde die Sonntagsruhe bis auf den letzten Rest beseitigt. Die untere Verwaltungsbehörde werde auch schwer entscheiden können, ob der Arbeitgeber im guten Glauben gebandelt habe. Allgemein werde sie mildherzig annehmen, daß es der Fall gewesen sei, aber auch im entgegengesetzten Falle, wenn sie eine Strafe verfüge, so werde es der Arbeitgeber doch auf eine Bestrafung ruhig ankommen lassen, weil der Vortheil, der ihm aus der Sonntagsarbeit erwachse, größer sei. Solle der Arbeiterschutz nicht bloß auf dem Paxier steben bleiben, dann bitte er, den Antrag seiner Partei anzunehmen.

Regierungs ⸗Rath Dr. Wil hel mi: Im Interesse der Sonntags⸗ ruhe der Arbeiter möchte er nicht, daß die Auffassung des Abg. Gebel für die Handhabung des 5§. 105f maßgebend würde. Gegen den jetzigen Zustand biete die Vorlage entschieden eine Verbesserung, denn jetzt sei es gestattet, dringende Arbeiten ohne Weiteres am Sonntag vor⸗ unehmen, obne daß eine besondere Erlaubniß der Behörden dazu nöthig sei Und dann begnüge sich der 5. 105f nicht damit, daß er lediglich die betreffenden Arbeiten gestatte, sondern er fordere ferner ein genaues Verzeichniß der geleisteten Arbeiten, der Anzahl der be⸗ schäftigten Arbeiter und der Dauer der Beschäftigung derfelben. Der Abg. Br. Hirsch erkläre den Begriff des unverbältnißmäßigen Schadens für sehr dehnbar, aber es werde kaum möglich sein, diesen Begriff durch einen anderen zu ersetzen. Die Dehnbarkeit sei bedingt durch die Viel⸗ gestaltigkeit des wirtbschaftlichen Lebens, und es werde nie ein Begriff zu finden sein, der alle und jede Bedenken ausschließe. Die Vorlage babe ja auch das Korrektiv gegen eine allzu weite Ausdehnung gegeben, und dieses liege in dem geforderten Verzeichniß.

Abg. Dr. Böttcher: Seine Partei stelle sich nicht auf den Stand⸗ punkt der Unternehmer allein, sondern auf den der Allgemeinheit, und suche zwischen Unternehmern und Arbeitern zu vermitteln und dadurch den sozialen Frieden zu fördern. Sein Antrag sei in der Kommission zwar abgelebnt worden, aber nut mit 11 gegen 10 Stimmen. Durch die Gegengründe sei er von der Verwerflichkeit seines Antrages nicht überzeugt worden. Man sage, sein Antrag öffne dem Mißbrauch Thür und Thor. Die Strafbestimmungen seien keine genügende Schutz⸗ wehr, denn der betreffende Unternehmer würde von den Richtern immer als bona fide handelnd betrachtet und nicht bestraft werden. Die Zubilligung der bona fides könne die Strafe wohl mildern, aber nicht ganz aufheben. Der Abg. Bebel sage, der Gewinn des Unter⸗ nehmers könnte größer sein als die Strafe, und er werde sich deshalb durch letztere nicht abhalten lassen. Dagegen werde aber auch der Antrag Bebel nichts nützen. Der Regierung gebe er noch zur Er— wägung anheim, daß, wenn der Reichstag die nachträgliche Genehmi- gung in. Arbeiten nicht festsetze, der Unternehmer gar zu leicht in die Versuchung kommen könne, sich an 5§. 1050 zu halten, denn er könne sich danach mit großer Leichtigkeit einen Nothstand oder die

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Abwendung einer Gefahr konstruiren, und dann babe man gar keine Kontrole über ihn, während er sich sonst an diesen Paragraphen halten und sich unter allen Umständen selbft denunziren müsse Ohne seinen Antrag würde also der Mißbrauch des 5. 1065 größer werden.

Abg. Freiherr von Stumm: Er stimme jetzt gegen den Antrag Böttcher, obwobl er in der Kommission dafür gewesen sei. Die Gründe für und gegen hielten sich so ziemlich die Waage. Man sollte nicht bei jedem Paragrapben das in der Kommission gefundene Kompromiß wieder in Frage stellen. Bei prinzipiellen Fragen sei es etwas Anderes, aber bei diefem- kleinen Punkt könne man es rahig kei dem Kommissionsbeschluß lassen.

Abg. Stolle: Nach dem Wuansche des Präsidenten wolle auch er auf die allgemeinen Aeußerungen des Abg. Dr. Hartmann nicht eingeben. Seine Bedenken gegen den 5. 195 seien nicht widerlegt. Eine Verbesserung des jetzigen Zustandes bedeute derselbe keineswegs, in Sachsen z. B. bestebe schon dies— Mit der Berufung an die oberen Verwaltungs behör? in Sachsen schlechte Erfahrungen gemacht, denn nach es Pattkamer⸗ schen sofort! dauere die Entscheidung ehöõrde immer ziemlich ein balbes Jahr. Ueber die Beruf ang gegen eine Kreis— hauptmannschaft anläßlich einer Wabl sei erst n vier Y entschieden worten, nachdem der g s in der Kammer gesessen hätte und sein Kammer kassirt worden sei. In Sachsen sei wiedergewählt worden, weil sie nicht gent J en bãt e

eintritt. Der Bürgermeister werde, um sich eine

sichern, immer den Leuten zu Willen sein. Wer es ĩ

Arbeitern meine, müsse sagen: Bis hierher und nicht weiter! Abg. Dr Hartmann: Der Abg. Dr. Böttcher habe in feinen Aus⸗ fübrungen die Bedeutung Irrtbums im Strafrecht Übersehen. Wenn Jemand einen zum ge Thatbestand gebörigen Umstand von W nne er nicht besftraft werden, es ware sigkeit ĩ E

g sei zu einer Arbeiter⸗ gedrängt worden, und . Mirbach as selbst auf dem Kongreß der Wirthschaftsreformer geäußert haben. Der

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Abg. Graf ete der Sozial⸗ ges b z . und an eine anderen Stelle: „Ein zweites Moment der Beunruhigung i i viellei i Zasammenhange mit dem allen Parteien (also r ohne Ausnahme hervortretende Neigung, ebne genügenden Zusammenhang mit ; i, der wirth⸗ schaftlichen Lage, den Arbeitgebern überhaupt lösen zu wollen. Hüten wir uns vor einem überstärzten Tempo in unserer Gesetzgebung, vergessen wir nicht, daß das Bestehende die Frucht histörischer Eant= wickelung ist, das Erbtheil unserer Väter, dessen wir uns nicht zu schämen brauchen.“ g olle

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ü Diesen Vorwurf der Verschleypung müsse er (Redner) als vollstãndig unzutreffend zurückweisen, um so mehr, als der Hr. Abg. Stolle nicht im Stande gewesen sei, spezielle Fälle zu bezeichnen. Er habe zwar auf einen Einzelfall Bezug genommen; aber hier um deswegen nicht, weil die gegen verfahren eingewandten Ausstellungen zunächst rathung und Beschlußfassung der Ständeversammlung sein müßten, nicht aber der der höheren Verwaltungsbehörde sein könnten.

Abg. Stolle: Der Vorredner gebe selbst zu, daß in einem Falle eine Verschleppung vorliege, die aber anderen Faktoren zuzu—⸗

iben sei. Nun sei aber jede Beschwerde wegen Verletzung des

ahlrechtes in Sachsen bei der Kreishauptmannschaft anzubringen,

habe man die Beschwerde so lange liegen lassen, bis

er die Wahl überhaupt entschieden sei, und dann erst erklärt,

man inkompetent sei. Ferner habe er seit Aufhebung des

Sozialistengesetzes in seinem Wablkreise noch nicht eine Versammlung

abhalten dürfen. (Präsident von Levetzow: Das gehöre doch wirklich nicht zu dem Gegenstand der Berathung).

Sächsischer Bundesbevollmächtigter Geheimer Regierungs⸗Rath Vodel: Nur ein Wort. Ueber die hier durch den Rekurs an⸗ geregte streitige Frage habe zunächst der Landtag zu entscheiden. Es würde sich außerdem empfohlen haben für die betreffende Be⸗ börde, zu erwarten, ob die erbobenen Einwendungen von der Ständeversammlung als gerechtfertigt anerkannt würden.

In der Abstimmung wird der Antrag Auer gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und eines Theils der Frei⸗ sinnigen, der Antrag Böttcher gegen die Stimmen der Nationalliberalen abgelehnt, §. 105f unverändert ange⸗ nommen.

§. 1058 bestimmt, daß das Verbot der Sonntagsarbeit durch Kaiserliche Verordnung mit Zustimmung des Bundes⸗ raths auf andere Gewerbe ausgedehnt werden kann. Diese Verordnungen sind dem Reichstage zur Kenntnißnahme vorzu⸗ legen. Die nach 85. 195 bis 105 zugelassenen Ausnahmen sollen alsdann gleichfalls Anwendung finden.

Abg. Payer: Ein Blick auf die praktischen Resultate der Berathung zeige ihm, daß es besser wäre, einen Paragraphen an Stelle des ganzen Arbeiterschutzgesetzes zu stellen, welcher besage, der Arbeiterschuz werde geregelt durch Kaiserliche Verordnung unter Zu⸗ stimmung des Bundesraths und der Subkommission Gutfleisch und Genossen. Die vorliegende Bestimmung schneide nicht allein tief in die Interessen der Arbeiter und Arbeitgeber ein, sondern auch in die des großen Publikums. Sie werde gewisse ernstliche Abänderungen in der ganzen Lebensführung und wirtbschaftlichen Haltung mit sich bringen. Solle es nun auch zulässig sein, durch einfache Kaiserliche Verordnung für das Gast⸗ und Schankgewerbe wie sür das Verkehrs- gewerbe ein Verbot der Sonntagsarbeit auszusprechen? Man solle dem Bundesrath für alle Zeiten das Recht hierzu geben, was aber für ihn (den Redner) ausreichend sei, gegen diese Bestimmung zu stimmen. Der gegenwärtige Reichstag folle nicht bloß für seine eigene Amtsdauer auf sein Recht verzichten, was zu den bedenklichsten politischen und konstitutionellen Konsequenzen führen müsse. Er habe zu dem Bundesrath das beste Vertrauen; aber auch dieser wechsele mit seinen Anschauungen, wie man das bei den Regierungen im Deutschen Reiche auch schon erlebt habe. Der Bundesrath babe wiederholt halbfertige Gesetzentwürfe abgeliefert, und es habe der